Ein goldenes Feld lag vor Celebithiels ozeanblauen Augen. Millionen von goldgelben Ähren lagen vor ihr wie ein frisch geknüpfter Teppich. Einzig der feuerrote Klatschmohn durchzog die Landschaft wie ein Arsenal von Farbtupfern. Auf gewisse Weise seltsam fremd und dennoch dem Feld eine Ästhetik verleihend, welche die Elbe fast zu Tränen rührte.
Sie selbst wirkte wie eine fleischliche Inkarnation dieses Feldes. Ihr rotblondes Haar legte sich spielerisch um ihren Busen. Das schlichte karmesinrote Kleid reichte ihr bis knapp unterhalb der Waden.
Aus einem unerklärlichen Grund lächelte Celebithiel und ihre nackten Füße streichelten das Gras, bevor sie eintauchte in das Meer aus Gold und Rot, behütet von einem wolkenlosen azurblauen Himmelszelt.
Der Weizen umschlang ihre schlanke, weibliche Taille und ein wohliges Gefühl der Geborgenheit breitete sich in der Elbe aus, während ihre Handflächen und Fingerspitzen spielerisch über den Ährenspitzen schwebten, die von der leichten Brise wellenartig hin und her schaukelten.
So stand sie nun gehüllt in reinstes Gold und Rot, die Augen weit aufgerissen, um nicht eine Sekunde der Schönheit, die sich ihr offenbarte, zu verpassen.
Etwas legte seine starken Arme um ihre Taille und legte seine Hand auf seine Brust. Der Griff war fest, ohne zu schmerzen und eine Wärme und Geborgenheit ging von dem Körper aus, der sich an sie schmiegte. Heißer Atem stieß ihr in den Nacken, der Celebithiel eine leichte Gänsehaut verpasste.
„ Mein Liebste“, flüsterten die Worte und streichelten das Herz der Elbe. Behutsam drehte sie sich um, ständig in Sorge ein unüberlegter Schritt ihrerseits könnte dieses Idyll zerbrechen.
Und wahrlich ihr Herz machte einen Hüpfer, als sie die smaragdgrünen Augen Glorfindels betrachtete, der in ein weißes Gewand aus leichter Seide gehüllt war.
Ihre Augen schlossen sich und sie stellte sich ein wenig auf die Zehenspitzen, um ihren Verlobten zu küssen, doch als sie die Augen öffnete war er verschwunden. Sie war in ihren Vorhaben gescheitert, nie mehr die Augen zu schließen, um die Schönheit dieses Augenblickes zu wahren.
Pechschwarze Wolken zogen nun rasend schnell über den Himmel. Es blitzte und donnerte.
Vor sich erblickte die Elbe das weiße Gewand Glorfindels, das plötzlich vom Wind mitgerissen wurde und nun seltsam schwebend einige Meter von ihr entfernt in der Luft verharrte.
Ein markerschütternder Schrei und das Gewand färbte sich pechschwarz und füllte sich mit etwas, weder lebendig noch tot.
Die goldenen Ähren und der feuerrote Mohn leuchteten nun nicht mehr, sondern waren verblüht und verdorrt. Celebithiel schluckte und der Boden vor ihren Füßen riss auf, als die schwarze Gestalt einen Schritt auf sie zu machte und sie fiel.
KlirrWieder hatte die Elbe den Schlag des Nazgûl pariert. Seine gezackte Morgulklinge war auf sie herabgesegelt, aber die Klinge Glorfindels hatte sich fast von selbst bewegt, um dem giftigen Schwert auszuweichen.
Ein Rasseln ging von dem Schwarzen Reiter aus, als er zu sprechen begann.
„ Diese Klinge war nicht immer in euren Besitz Elbenweib!“.
Celebithiel war sich fast sicher, dass sie so etwas wie Panik in der rasselnden Stimme des Nazgûl vernehmen konnte.
Der Regen ließ allmählich nach, aber die beiden Heere trieften vor Nässe und die Kälte bohrte sich gnadenlos durch Rüstung, Stoff und Haut tief hinein in die Knochen. Auch die Kutte des Schwarzen Reiters triefte vor Nässe, aber es schien den Schwarzen Reiter nicht zu kümmern.
„Nein gehörte sie nicht…da habt Ihr recht. Es war die Klinge meines Verlobten!“
Ein behänder Schritt nach vorne und ein Versuch die Deckung des Nazgûl zu durchbrechen scheiterten und so umkreisten sich die beiden Kontrahenten wieder, während um sie herum das Schlachtgetümmel wütete.
„ Liebe sie ist so vergänglich wie das Leben. Kein Wunder, dass ihr Elben, Menschen und Zwerge den großen Meister unterlegen seid und sterben werdet, wenn ihr euch an solch lächerliche Hoffnungen klammert…“
„ Und dennoch war es diese Klinge, die euch an Furten der Lautwasser in die Schranken wies.“
Den Worten der Elbe folgte ein markerschütterndes Fauchen und ein kräftiger Hieb der Morgulklinge, die Celebithiel straucheln ließ.
Der Schwarze Reiter schien wie in Rage und schlug auf Celebithiel ein, der nichts anderes übrig blieb als zu parieren und auf ihre Deckung zu achten.
Er drängte sie immer weiter zurück bis in einen Augenblick der Unachtsamkeit die Morgulklinge Celebithiels linken Unterarm streifte. Das Schwert des Nazgûl durchtrennte den leichten Lederstoff mühelos und ein scharfes Brennen durchzuckte ihren linken Arm. Ihr stockte der Atme, sie strauchelte und fiel.
Sie fiel durch Zeit und Raum. Durch den glühend heißen Mittelpunkt der Erde hindurch, bis sie unsanft auf den Boden aufschlug. Sie verspürte kaum Schmerzen, aber es wurde ihr Klamm ums Herz, als sie ihre Umgebung betrachtete.
Sie befand sich in einem höhlenartigen Komplex. Aschfahlene Wände auf denen getrocknetes Blut klebte. Der Boden war rissig und stieß giftige Schwefeldämpfe aus.
Dennoch triumphierte der Mut in Celebithiels Herzen und so machte sie sich auf einen Weg aus dem Labyrinth aus Gängen zu finden.
Ihre Suche schien von Erfolg gekrönt, als sie am Ende des Höhlenganges eine schlichte Holztür erblickte. Mit pochenden Herzen stieß sie sie auf und betrat einen kreisrunden Saal, der mit anthrazitfarbenem Marmorboden ausgelegt war. Die Decke bildete eine riesige Kuppel, die ein Loch hatte, von dem Celebithiel einen rußverhangenen Himmel erblicken konnte.
Plötzlich flackerten Kerzen in den kreisrunden Säulengängen und ein Anblick des Elends offenbarte sich Celebithiel.
Ein dutzend Leichen baumelten, wie bizarre Marionetten von der Decke hinab. Sie erblickte alle Menschen, die sie liebte und die ihr etwas bedeuteten; Galadriel und Celeborn, Gandalf, Amrûn, Antien, ihre Eltern, Elladan und Elrohir, Glorfindel….ihre Gesicht seltsam entzerrt und leer.
Nur ein höhnisches Lachen durchdrang die Totenstille. Die schiefe Fratze des Mundes blickte auf sie herab, fast auf das Hundertfache vergrößert.
Erschrocken und laut aufstöhnend wich Celebithiel zurück, doch hinter ihr war nun keine schlichte Holztür mehr, die in die Höhle zurückführte und erneut schwebte das pechschwarze Gewand auf sie zu.
Ein Schmerz durchbohrte Celebithiel als sie auf den Kopfsteinpflaster aufschlug. Das Schwert entglitt ihrer Hand und alle Viere von sich gebreitet lag sie auf den Boden und beobachtete wie die schwarze Kuttengestalt das Schwert zum Anschlag erhob und dann auf einmal inne hielt.
Es kam der Elbe so vor als würde die Zeit stehen bleiben, doch das fortfahrende Kampfgetümmel belehrte sie eines besseren, obwohl ihr pochender Herzschlag ihre Ohren betäubte.
Der Schrei des Nazgûl war ohrenbetäubend und klang seltsam gequält, wie er so reglos dastand und nichts unternahm, außer auf die wehrlose Celebithiel hinabzublicken.
„ Was sind das dort für Schmuckstücke, die ihr um euren Hals tragt, Elbenweib?“
Einen Moment verstand Celebithiel kein Sterbenswörtchen, bis ihre ozeanblauen Augen das Medaillon Galadriels und Narya betrachteten, die aus dem Brustharnisch hervorgerutscht waren und im blassen Sonnenlicht, das die Wolkendecke durchbrach, funkelten.
Ein Lächeln huschte über Celebithiels Lippen, als sie leise flüsterte:
„Schmuckstücke deines Untergangs!“.
Sie griff agil nach der Klinge Glorfindels und rammte es dem völlig perplexen Nazgûl in die rechte Brusthälfte. Etwas erglühte heiß, um den Hals der Elbe und sie erkannte, dass es Narya war. Das Glühen schien sich auf die Klinge Celebithiels auszubreiten.
Jene war sich nicht sicher. Es war weniger als Fleisch, aber mehr als reiner Stoff, den die Jahrtausende alte Klinge da durchbohrte. Es war die reine Boshaftigkeit und Finsternis.
Wieder der kreischende Ton und der Schwarze Reiter taumelte zurück, sich die rechte Brust haltend und bevor sich Celebithiel richtig umsehen konnte war er in den Massen seiner eigenen Heerscharen verschwunden.
Sauron weiß es nun. Er weiß, dass der Elbenring des Feuers in Dol Amroth weilt…Dies waren die letzten Worte bevor sie Dunkelheit umfing.
Reines Gold und feuerroter Klatschmohn umgaben Celebithiel nun, die im weichen Gras lag und in den Himmel starrte.
Neben sich Glorfindel, der ihre Hand fest hielt.
„ Wie lange können wir hier verharren?“, flüsterte die Elbe fast ängstlich, dadurch wieder den vollkommenen Augenblick zu zerstören.
Die smaragdgrünen Augen lächelten zurück und leise flüsterte er, bevor er ihr einen weichen Kuss auf die Lippen gab: „Solange du willst meine Liebste.“
....Celebithiel dank Amrûn ins Lazarett