Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dol Amroth

Vor der Stadt

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PumaYIY:
Karthull kommend von Lebennin ins Lager der Belagerer


"Da sind wir. Ich kenn mich hier schon aus, es ist nicht mehr weit. Jetzt dürfen wir bloß nicht zu nervös werden." , Estomir Karthull´s Kutscher redete sich Mut zu, während sich das Gespann, um die letzte Windung der Straße schlängelte. Die letzten paar Tage waren wie im Flug vergangen und Estomir und Karthull hatten ihre Rollen als die sauronloyalen Boten von Herumor weiter ausgeübt, beispielsweise als sie erste Späher von den Armeen des Nazgul getroffen hatten. Dies war ihnen nach relativ langer Zeit der Abgeschiedenheit, in der sie beide ihre wirklich echten Gedanken äußern konnten, ohne in der Angst leben zu müssen in gefährliche Situationen zu kommen, schwer gefallen.
Am liebsten würde ich mich nie wieder verstellen müssen. Doch wie es heißt werde ich das noch nichteinmal mehr in Dol Amroth können, berücksichtig man die Gerüchte, die besagen, dass es dort von Spitzeln nur so wimmelt. Erstmal muss ich aber hinein kommen und da hab ich immernoch keine Ahnung wie ich das anstellen soll.

Der düstere Nachmittag war weitgehend trocken geblieben, doch je näher sie dem Meer kamen, desto wasserhaltiger wurde die Luft. Die Straße führte am Hang eines kleinen Hügels entlang, dessen Erde es teilweise in Form von kleinen Schlammlawinen auf die Straße geschafft hatte. Doch die breite gepflasterte Straße, welche in der Blütezeit der letzten Jahrzehnte angelegt worden war, bot genug Raum, um auch größere Hindernisse, wie durch Sturm gefallene Äste oder Stämme, zu umfahren.
Estomir hatte recht behalten, hinter der Biegung war ein weiterer Posten von der Armee des Nazgul, zwei Haradrim, die aufsprangen als sie sahen, dass sich jemand die Straße entlang wagte. Zuerst kreischten diese Wüstenmenschen etwas für die beiden Boten unverständliches, dann aber sprachen sie im vertrauten Westron mit emporgehaltenen Waffen:
"Was wollt ihr hier?"
"Wir kommen als Boten aus Minas Tirith, Karthull und Estomir. Wir haben bereits einige Späher getroffen, die uns versprachen unser kommen anzukündigen.
"Jaja, in Ordnung. Wir wollten nur sichergehen! Ihr dürft passieren, aber zügig und sagt den ersten Wachen die ihr seht sie sollen herkommen und uns ablösen, denn wir wollen hier nicht auf den nächsten Regen warten!"
"Wir sind nicht eure Laufburschen, sonder die Boten von Herumor aus Minas Tirith. Also kümmert euch selbst, um eure Belange." , antwortete Estomir harsch und gab dem Pferd, das tapfer den langen Weg durchgehalten hatte und keine Probleme bereitet hatte ein Zeichen zum fortbewegen.
Als Rache erntete Estomir eine zornige Grimasse des Wächters auf den noch weitere folgen sollten. Die Straße führte weiter hinaus aus dem hügeligen Wald, welcher hinter ihnen lag, hin zur Ebene die unmittelbar vor den verschlossenen Stadttoren von Dol Amroth lagen.
Karthull sah im nebelverhangenen Licht des späten Nachmittags erstmals die Befestigung Dol Amroths von außen: Ein imposanter Graben und mächtiges Mauerwerk, Zinnen die im aufkommenden Regen wie Berge und Türme die wie Speere aus dem Boden ragten. Doch alldies betrachtete Karthull, während die Kutsche sich ihren Weg durch das Lager der Belagerer bahnte nur aus der Weiten Ferne von mehr als einer Bogenlänge. Als ein Windstoß seinem nach rechts gewandten Blick eine Wolke in die Bahn warf, wandt Karthull sich ab und musterte nun das Lager in dem er sich befand. Einige ältere Pfähle versperrten möglichen anreitenden Pferden aus Dol Amroth den Weg, davor ein kleiner Graben, dahinter die langen Reihen der Zelte von Orks Haradrim und Korsaren. Ein junger Mensch führte die das Gespann durch die Gassen in Richtung eines größeren Zeltes.

PumaYIY:
Als Karthull von der Kutsche kletterte merkte er wie ausgelaugt er vom ständigen ungemütlichen Ruckeln und der langen Fahrt allgemein war. Seine Gelenke schmerzten und sein Rücken war von der provisorischen Lehne, die Estomir und er am zweiten Tag ihres Weges aus einem Brett, dass im Wagen gelegen hatte gebastelt hatten, nicht sehr begeistert.
Doch als er mit seinen muffigen Lederschuhen den vom Regen aufgeweichten Boden berührte war er froh über die überaus praktische Möglichkeit mit der Kutsche zu reisen. Der Boden war schmutzig und voll aufgeweichter Erde, doch als Estomir und er das Zelt betraten wurde es angenehmer, denn es war mit einem Boden aus Holzplatten ausgelegt. Es war nicht wie zuerst angenommen, das Zelt irgendeines Anführers, sondern ein großes Lager in welchem die Gondor-Banner von ihrem Transport gelagert werden sollten.
Ein anstrengendes Hin- und Hergeschleppe begann für den ohnehin schon müden Karthull, dem es jedoch noch besser erging als Estomir, der draußen im Regen die Kutsche abstellen und das Pferd versorgen musste.
Zum späteren Abend, als die anstehenden Arbeiten getan waren sollten Karthull und Estomir dann einem befehlshabenden Heermeister vorgeführt werden, der die Boten stellvertretend für den Nazgul, dem die eigentliche Gewalt im Lager oblag, empfang. Auch sein Zelt war mit Holzboden ausgelegt und dazu noch mit einem kleinen Podest ausgestattet so, dass die Feuchtigkeit die Platten nicht direkt von unten angreifen konnte. Außerdem waren die Zeltplanen mehrfach übereinander gespannt, damit kein Tropfen Wasser eindringen konnte. Einige blank polierte Säbel und ein Speer standen präsentiert im Zelt, außerdem ein Helm ein Schild und ein Schutzpanzer für den restlichen Körper. Es war ein Anführer mit dem Blut der Menschen Harads. Ein Ork, der Karthull beim Abladen der Banner geholfen hatte berichtete dem Haradrim davon und auch die genaue Stückzahl. Diese ließ er sich von Estomir bestätigen, dann fragte er nach sonstigen Neuigkeiten aus Minas Tirith.
"..., denn in den letzten Briefen, die mich vor einigen Wochen erreichten schrieb Herumor von besorgniserregenden Zuständen in der Stadt."
"Die Übergabe dieses versiegelten Briefs wurde mir aufgetragen." , antwortete Karthull, während er Beregonds Brief aus seiner Tasche holte. Einige Zeit las der Haradrim den Brief schweigend, bis er sagte: "Das sind gute Neuigkeiten, Sauron wäre sehr erzürnt, wenn wir das Lager abbrechen müssten, um Soldaten nach Minas Tirith zu schicken. Jetzt die Meldung, dass Herumor die Lage unter Kontrolle hat und endlich die Banner Minas Tirith´s. Ich werde sie gleich morgen aufstellen lassen. Gute Neuigkeiten! Hier ist etwas Geld, mit dem ihr euch den Abend versüßen könnt und jetzt nichts wie raus mit euch!"
Estomir hatte das Beutelchen mit dem Geld genommen und die beiden wollten gerade gehen, als der Heermeister sie nochmal zurückrief: "Achja..."
Für Sekundenbruchteile lief es Karthull eiskalt den Rücken herunter. Weiß er etwa schon von den Ereignissen in Minas Tirith? Hat er uns etwas vorgespielt?! Verdammt!
"Ich habe euch in ein Korsarentrupp gesteckt, solange ihr hier seid werdet ihr mit den anderen Wache schieben und die Pflichten und Aufgaben von ihnen teilen. Ich gebe euch Bescheid, sollte ich wieder Boten brauchen, die nach Minas Tirith fahren."
"In Ordnung, Herr Heermeister." , rief Estomir in dem von den einheimischen Wachen in Minas Tirith normalen Ton, der Karthull für dieses Zelt und diese Personen unangemessen erschien.
Ein Mensch aus dieser Korsarentruppe wartete vor dem Zelt auf sie und führte sie zur Gasse in der sich die Korsaren des Trupps die Zelte teilten. Karthull schien er auf Anhieb, zu tolerieren, doch der stolze Städter Estomir wurde von dem Argwohn und der Misgunst des Korsaren geplagt, was sich in seiner Schlafplatzsituation und dem Essen wiederspiegelte, denn während Estomir am Rand eines Zelts in ständiger Erwartung nass zu werden schlief hatte der Korsar Karthull in der Mitte untergebracht und zu essen hatte Karthull eine Kelle mehr bekommen. Doch Karthull war nicht ganz geheuer zumute, denn einige der Korsaren schien er zu kennen, doch er wusste nicht woher. Wie auch immer , dachte er sich. Ich muss heute Nacht schon direkt auf eine Patroullie, und ich dachte ich hätte in Minas Tirith viel zu tun.


Karthull weiter zum Hafen

Eandril:
Oronêls Start:
Oronêl kommt von den Pinnath Gelin und nähert sich Dol Amroth von Nordwesten.

Dort, vielleicht zwei oder drei Meilen entfernt, lag die Stadt unter dem pechschwarzen Himmel. Er hatte sein Ziel endlich erreicht, doch in einem Halbkreis um die Stadt lag ein schwarze Masse, die hin und her wogte, und aus tausend Kehlen Kampfschreie brüllte, wie ein wildes Tier. Oronêl wusste sofort, was er vor sich hatte, zu sehr erinnerte ihn dieser Anblick an den Krieg des letzten Bündnisses...
Schreie, Blut, Gestank, Orks und Orks und Orks... wo war Amdír? Er hatte es geschworen! Da! Ein Ruf... ein lächelndes Gesicht... eine blutige Schwertspitze, aus Amdírs Brust hervorstoßend... Nie wieder!!!
Blitzartig brachte der Anblick von Saurons Heer seine Erinnerung zurück, und damit kehrte auch der Schmerz über sein Versagen zurück, doch der eiskalte Regen, der auf ihn niederprasselte, ließ ihn rasch wieder zur Besinnung kommen.
Mit seinen scharfen Elbenaugen entdeckte Oronêl einen Mann in besonders prächtiger Rüstung auf der Mauer... das musste der Fürst sein, Imrahil, wenn er sich recht erinnerte. Doch wer war die Gestalt dort neben dem Fürsten? Eine große schlanke Gestalt mit rotblondem Haar... doch irgendetwas war seltsam an ihr. Sie wirkte auf eine unbstimmte Art und Weise... weiblich? War die Not der Menschen Gondors so groß, dass selbst ihre Frauen kämpften?
Das ist wirklich sonderbar, ich habe noch nie gehört, dass Menschenfrauen kämpfen. Aber wenn sie das kann, kann ich das auch! Los Oronêl, du musst in die Stadt, du musst ihnen beistehen!
Aber wie wollte er das anfangen? Dort unten waren tausende Orks, nie im Leben würde er die Stadt lebendig erreichen. Er musste...
Während er noch dachte ertönte plötzlich inmitten des Lärms der Orks ein hohes, kaltes Kreischen, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ringgeister! Und das war sie auch schon, eine schwarze Gestalt an der Spitze des Heeres. Der Angriff auf die Stadt begann und er war zum zusehen verdammt!
Vielleicht kann ich durch die Bucht schwimmen, während das Heer abgelenkt ist!
Doch er hatte zu lange gezögert. "He du!", ertönte hinter ihm eine grobe Stimme. "Dreh dich um, und keine Mätzchen!"
Verdammt, Oronêl, deine Ohren waren auch mal besser! Schon wieder versagt...
"Na los, wirds bald, dreckiger Abschaum?", fragte die Stimme, es musste ein Ork sein, so klangen nur Orks, weniger Menschen als Tieren ähnlich. "Ich hab jetzt genug davon! Los Jungs, murkst ihn ab!"
Ihn diesem Moment zog Oronêl, der sich noch nicht geregt hatte, seine treue Axt Hatholdôr aus dem Gürtel und wirbelte herum.
Vier Orks, einer nah bei mir, die anderen ein paar Schritte weiter weg...
Die Axt zog eine blutige Linie über die Brust des Anführers.
Drei, die nun alle ihre Klingen gezogen haben...
Er sprang vorwärts und entging nur knapp einem Hieb des nächsten Orks, der auf seinen Kopf gezielt war, indem er sich duckte.
Jetzt, seine Deckung hat sich geöffnet...
Der Ork fiel mit einer klaffenden Bauchwunde, doch der nächste war schon heran.
Er zielt auf meinen Hals, aber ds ist kein erfahrener Kämpfer...
Ein Schlag prellte dem Ork das Schwert aus der Hand, der nächste durchtrennte beinahe seinen Hals.
Nur noch einer...
Er fühlte einen brennenden Schmerz an der Schulter... der Mistkerl musste ihn erwischt haben! Ein Schlag auf die Beine, links, rechts, ein Tritt gegen das linke Knie, ein Hieb auf den Kopf... der Ork fiel mit gespaltenem Schädel zu Boden.
Meine Instinkte haben mich nicht im Stich gelassen, aber ich bin etwas au der Übung.
Er sah sich rasch um, ob sich noch weitere Orks näherten, doch keiner war zu sehen... außer den Massen, die gerade die Mauern Dol Amroths bestürmten.
Ich muss hinunter zum Wasser, sonst komme ich nie in die Stadt!
Er wandte sich nach Norden, und lief behände den Hügel hinab, auf dem er gestanden hatte, obwohl seine Schulterwunde brannte wie Feuer. Als er das Wasser erreichte, zögerte er keine Sekunde, sondern lief weiter hinein und schwamm schließlich in Richtung des Hafens von Dol Amroth. Zwar behinderte ihn seine Schulter etwas, doch er würde es schaffen... wenn ihm nicht ein Bogenschütze auf der Mauer, der ihn für einen Ork hielt, ein Ende setzte...


Oronêl zum Hafen

Thorondor the Eagle:
Celebithiel, Oronêl und Amrûn vom Lazarett


Als Amrûn dort vorne saß und auf die einfühlsamen Worte Celebithiels hörte, wurde ihm das erste Mal bewusst, dass er noch keine Zeit hatte sich von den Strapazen der Schlacht zu erholen.
Seine Muskeln waren schlaff und seine Augenlider schwer, aber es war sein Stolz und seine Höflichkeit die ihm befahlen aufrecht zu sitzen und die strahlenden Blicke der Menschen Dol Amroths zu erwidern. Ihre Welt wurde gerettet, ihre Hoffnung hat sich erfüllt. Konnte es ein schöneres Gefühl geben?

Er sah es auch an Celebithiel. Es war lange her, dass sie so hoch erhobenen Antlitzes in die Menge sprach. Die Anzeichen einer langsamen Ermüdung sind der Erleichterung gewichen.

Sie hat sich dem Nazgul entgegen gestellt. Sie war so unglaublich mutig und hat es geschafft ihre Angst zu überwinden. Die Angst, die seit Isengard tief in ihrem Herzen wohnte.

Das Volk jubelte ihr zu, als sie ihre Rede beendete. Es hätte Amrûn nicht gewundert, wenn sie ihr zu ehren eine Siegesstatue errichtet hätten, denn dies war Dol Amroth, zwar eine Stadt der unbeugsamen Menschen Numenors, aber Freunde der Elben.

Auch Amrûn stand auf und applaudierte lautstark, doch in dem Moment überwältigte ihn seine Erschöpfung. Er fühlte, wie schwer seine Beine wurden, wie sich alles um ihn drehte. Es war eine Art Trance in der um ihn alles verschwamm, bis ihm schwarz vor Augen wurde und er umkippte.


Er fühlte das weiche Laken unter sich und die wärmende Decke. Es dauerte eine Zeit bis seine Sinne wieder geschärft waren. In der Ferne hörte er das leise Rauschen des Meeres und fühlte die Sonnenstrahlen, die durch das Buntglasfenster auf ihn fielen. Behutsam öffnete er seine Augen.

„Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ ertönte eine tiefe Stimme.
Der Nacken des Elben war verspannt, sodass er den Raum nicht nach der Herkunft der Worte absuchen konnte.
„Es gibt viele Gifte die Orks verwenden um ihre Klingen zu tränken. Bei weitaus gefährlicheren setzt die Wirkung erst viel später ein, führen aber letztendlich zum Tode“, sprach er weiter und Oronel trat in sein Blickfeld.
„Zum Glück hat mich keine Klinge erwischt“, erwiderte Amrûn mit trockener Stimme.
„Das wissen wir nun auch“, sagte er freundlich und reichte ihm einen Becher voll Wasser.
Er konnte mit dem Trinken gar nicht aufhören so ausgetrocknet fühlte sich sein Mund an, doch dann richtete er sich wieder an Oronel: „Solltest du nicht auf der Feier sein?“
„Ich habe den Männern geholfen dich hierher zu bringen. Nun weiß ich, dass es dir gut geht und dich nur die Erschöpfung zu Fall gebracht hat. Celebithiel wird beruhigt sein.“
„Erschöpfung… sie ist kein Merkmal unsers Volkes und doch hat sie mich überwältigt. 6000 Jahre hinterlassen doch ihre Spuren“, sagte Amrûn und starrte dabei in den leeren Becher.
„Wem sagst du das“, bekam er zur Antwort und überrascht blickte er zu seinem Gegenüber.
„Ich weiß, dass nicht das Aussehen der Elben ihr Alter verrät, aber aus den Augen sollte ich es dir lesen können. Doch da ist nichts… Wer bist du?“
„Oronêl aus Lórinand, das sagte ich dir doch schon.“
„Ja. Einen alten Namen trägst du, doch dachte ich nicht, dass er schon so alt ist.“
„Ich habe mich lange Zeit vor der Welt versteckt und sie sich vor mir. Auch wenn du meinen Kummer nicht siehst, ist er da - im Verborgenen“, sagte er ein wenig bedrückt.
Amrûn bemerkte, dass Oronêl unwohl bei dem Gespräch wurde: „Es gibt einen großen Sieg zu feiern zu dem du beigetragen hast. Geh hin und genieße es. Ich werde mich noch ein wenig ausruhen.“
„Mach das“, entgegente der Elb und ging zur Tür.


Amrûn zum Lazarett

Eandril:
Oronêl verließ Amrûns Zimmer und zog sanft die Tür hinter sich zu. Er musste hinunter vor die Stadt, um Celebithiel zu berichten, dass Amrûn nicht verletzt, sondern nur erschöpft war. Es hatte ihn aufgewühlt zu sehen, dass auch andere unter der Last der Jahre litten. Manches Mal hatte er sich schon gedacht, wieso er Mittelerde nicht einfach den Rücken kehrte, und in Frieden abseits des Bösen im Westen, jenseits des Meeres lebte. Doch er war noch nicht bereit dazu. Er wollte Mittelerde nicht kampflos aufgeben und dem Bösen überlassen.
Und da gibt es noch etwas anderes... Etwas, das in Valinor und nicht in Mittelerde liegt.
Er hatte das Tor erreicht und durchschritt den leeren Torbogen, unter dem er noch vor wenigen Tagen mit dem Nazgûl gekämpft hatte.
Ich habe einen Nazgûl besiegt...
Draußen auf den Feldern standen die Menschen in kleinen Grüppchen bei den aufgebahrten Gefallenen, um ihnen persönlich die letzte Ehre zu erweisen. Die ganze Stadt musste dort versammelt sein. Er hätte niemals den Mut aufgebracht, vor dieser Menge zu sprechen und ihnen Trost zu spenden, wie Celebithiel es getan hatte.
Oronêl ließ seinen Blick über das Feld schweifen, bis er Celebithiel erblickte, die neben Imrahil stand und sich leise mit ihm unterhielt. Er ging zu ihnen und sagt:"Amrûn geht es besser. Er ist nicht verletzt, sondern nur vor Erschöpfung ohnmächtig geworden, aber er ist bereits wieder erwacht. Es gibt keinen Grund zur Sorge, er wird wieder auf die Beine kommen."
Celebithiel lächelte erleichtert, schwieg aber, und Imrahil antwortete:"Ich danke euch, Oronêl Waldsohn, für diese gute Nachricht. Es hätte den Tag wahrlich seiner Freude beraubt, ihn jetzt noch, nach der Schlacht zu verlieren."
"Ich bin froh, dass wir zu den vielen Gefallenen nicht auch noch Amrûn zählen müssen, obwohl ich ihn dann nicht kennen und schätzen gelernt hätte.", erwiderte Oronêl.
"Ach, da fällt mir ein, mein Sohn Amrothos hat mir von euch berichtet, Oronêl. Er sagte, ihr hättet in der Schlacht neben ihm gekämpft."
"Das ist richtig. Dann lebt er also? Ist er verletzt?" Oronêl atmete erleichtert aus. Imrahil und auch Celebithiel lachten. "Du scheinst dir ernsthaft Sorgen um ihn gemacht zu haben", sagte Celebithiel, "obwohl du ihn gerade erst kennengelernt hattest."
"Ja, ich habe mir tatsächlich Sorgen gemacht. Doch dies ist nicht der Zeitpunkt, um diese Geschichte zu erzählen. Wenn wir etwas Ruhe haben, vielleicht. Doch sagt mir, Fürst Imrahil, wo ist euer Sohn?"
"Er steht dort drüben, mal wieder völlig allein. Er wollte allein den Gefallenen gedenken, doch geht ruhig zu ihm, es wird ihm nicht schaden, mit jemandem zu sprechen.", antwortete Imrahil, und zeigte in Richtung Stadt.
"Ich danke euch." Oronêl verneigte sich und nickte Celebithiel zum Abschied zu.
Wir müssen uns noch über diesen Ring unterhalten, ich muss sie etwas fragen...
Als er sich Amrothos näherte, wandte dieser sich um, erblickte ihn, und ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. "Oronêl von Lórinand! Hat es dich also nicht erwischt, mein elbischer Kampfgefährte." Mit diesen Worten kam Amrothos Oronêl die letzten Schritte entgegen und umfasste seinen Unterarm. Oronêl erwiderte den Griff und sagte: "Obwohl es nah dran war, bin ich wieder wohlauf und froh, dich wiederzusehen, Amrothos."
Er zögerte, doch dann fuhr er fort. "In der Schlacht hast du mich an einen guten Freund erinnert, den ich einst in der großen Schlacht auf der Dagorlad verlor. Ich hatte geschworen, ihn zu beschützen, doch ich versagte. Nun wollte ich das wiedergutmachen, in dem ich dich beschützen wollte. Als ich aber mit dem Nazgûl kämpfte, flüsterte er mir seine Lügen ein und erzählte, du seist in Gefahr, und ich müsse dich retten, anstatt mit ihm zu kämpfen. Aber nun weiß ich, dass er gelogen hat."
Amrothos schwieg einen Moment, schien mit sich zu kämpfen. Dann sagte er: "Er hat nicht gelogen. In dem Moment, als du und der Nazgûl kämpften, hatte mich ein Feind zu Boden geschlagen und wollte mir mit seinem Speer ein Ende setzen. Doch in diesem Moment kam mir Amrûn, der Gefährte der Herrin Celebithiel zu Hilfe, als er sie verteidigte. Dabei rammte er meinem Feind das Schwert durch den Körper und rettete mir so, unbewusst das Leben, aber ich bin ihm nicht weniger dankbar, als wenn es aus Absicht geschehen wäre. Doch komm, setzen wir uns."
Amrothos führte Oronêl zu einer Bank, die an der Mauer stand. Als sie sich gesetzt hatten, sagte er: "Ich bitte dich, Oronêl, erzähl mir ein wenig von dir. Ich möchte wissen, wer du bist."
Oronêl zögerte einen Moment, doch irgendetwas hatte dieser junge Mensch an sich, dass es ihm unmöglich machte, zu schweigen.
"Meine Mutter war Nellas von Doriath und mein Vater Ardir von den Falas, der von Lenwe abstammte. Sie beide wurden in Beleriand geboren und gehörten zum Volk der Sindar. Nach der Zerstörung Doriaths flohen sie nach Osten über die Blauen Berge und blieben schließlich in Lórinand, dass heute Lothlórien genannt wird. Dort wurde ich zu Anfang des Zweiten Zeitalters geboren, und wuchs in Frieden auf. Als die Zeit reif war, lehrten mich meine Eltern und die Waldelben Lórinands den Umgang mit Bogen und Axt sowie die Geschichte Mittelerdes. Nur wenig später segelten meine Eltern in den Westen. Es folgte eine einsame Zeit für mich, doch bald schloss ich eine enge Freundschaft mit Amdír, dem Führer der Waldelben, der wie ich ein Abkömmling Lenwes war."
Oronêl räusperte sich. So tief war er lange nicht mehr in die Vergangenheit eingetaucht, doch es tat gut, davon zu erzählen. Er sah Amrothos an, und sah in seinen Augen Erstaunen. "Du wunderst dich über mein Alter, nicht war, Menschenkind? Man sieht es den Elben nicht an, höchstens in ihren Augen. Denn auch wenn die Jahre keine körperlichen Spuren hinterlassen mögen, so hinterlassen sie doch tiefe Spuren in der Seele."
Oronêl dachte an das Gespräch mit Amrûn früher an diesem Tag zurück. Auch Amrûn hatte ihm sein Alter nicht angesehen, aber er hatte auch Amrûns wahres Alter nicht erwartet.
In gewisser Weise ist es doch ein Fluch, nicht zu altern...
"In den Jahren, die wir friedlich in Wäldern Lóriens lebten, lernte ich Amdírs Cousine kennen, Calenwen. In meinen Augen war sie das schönste Wesen in Mittelerde, und ich bezweifelte, dass es auch jenseits der See etwas Schöneres geben sollte. Ich liebte sie so sehr, dass ich mich ihr nicht offenbaren konnte, ich fürchtete mich zurückgewiesen zu werden, und wollte meine Liebe in mir bewahren. Das einer der größten Fehler, die ich je gemacht habe, doch nach einigen Jahren, in denen ich ihr immer wieder auswich, wenn sie mit mir reden wollte, offenbarte sie mir ihre Liebe zu mir. Es war eine der glücklichsten Momente in meinem Leben, und mein Leben währt bereits unglaublich lange."
Eigentlich schon zu lange...
"Bist du schon verheiratet, Amrothos?", fragte er. Amrothos wurde rot und schüttelte den Kopf, schwieg aber.
"Ah, ja. Ich verstehe.", fuhr Oronêl fort. "Nur wenig später heirateten wir, und nach Jahren der Ehe wurde unsere Tochter Mithrellas geboren."
Bei diesen Worten blickte Amrothos erstaunt auf, doch als Oronêl ihn fragend ansah, schüttelte er erneut den Kopf.
"Inzwischen hatte auch Amdír geheiratet, und im selben Jahr wie Mithrellas kam Amroth, sein Sohn zur Welt. Die beiden wurden Freunde, ebenso gute wie Amdír und ich. Doch bald darauf war die Zeit des Friedens vorbei, denn Sauron griff die freien Völker an, und Amdír und ich zogen aus, um Lórinand zu verteidigen. Von dieser Zeit werde ich dir jetzt nicht erzählen, denn in Zeiten des Krieges möchte ich lieber an Friedenszeiten zurückdenken.
Dieser Krieg endete erst über tausend Jahre später im Krieg des Letzten Bundes. Dort fiel Amdír, in der Schlacht auf der Dagorlad. Ich brachte ihn und unsere überlebenden Krieger nach Hause, und dort erwartete mich erst das schlimmste Übel dieses Krieges. Denn Calenwen und Amdírs Frau hatte versucht uns vom Fortgehen abzuhalten, und nun brachte ich Amdír tot nach Hause! Seine Frau gab mir die Schuld, und es kam zu einem Streit zwischen mir und ihr und Calenwen. In meiner Trauer und meinem Zorn lief ich davon, verließ Lórinand für ein paar Wochen, und als ich wiederkam, waren sie beide nach Westen gesegelt. So hatte ich nicht nur meinen Freund, sondern auch meine geliebte Frau verloren."
Oronêl stockte und verstummte, von Gefühlen, die er längst vergessen geglaubt hatte überwältigt. Amrothos stand auf und sagte: "Vielleicht lasse ich dich besser allein.", doch Oronêl zog ihn zurück auf die Bank.
"Nun wurde Amroth, Amdírs Sohn, Herr von Lórinand. Er hatte in kürzester Zeit Vater und Mutter verloren, und war nun auch noch der Herr des Landes. Ich wurde sein Berater, doch ich konnte ihm seine Familie schlecht ersetzen. Insgeheim hoffte ich, er würde bei Mithrellas Trost suchen, da sie gute Freunde waren, und ich glaube sie hoffte es auch. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass sie eines Tages heiraten würden, und hatte oft mit Amdír darüber gesprochen.
Doch statt Mithrellas trat Nimrodel in Amroths Leben und ersetzte ihm die Familie. Sie war eine Waldelbin die an der Nordgrenze lebte, und Amroth verliebte sich auf den ersten Blick in sie. Als die Zwerge ein uraltes Übel in Moria weckten und Orks umherzustreifen begannen, wollte er Nimrodel in den Westen bringen, damit sie sicher wäre, denn erst dann wollte sie ihn heiraten.
Ich begleitete ihn als sein Leibwächter, und Mithrellas wollte Nimrodel begleiten. Am Abend vor unserem Aufbruch hatte ich einen Streit mit ihr, denn ich wollte ihr verbieten, mitzugehen, da ich es als zu gefährlich erachtete. Doch am nächsten Morgen kam sie mit uns. Ich habe seitdem kein Wort mehr mit ihr gesprochen.
Als wir das weiße Gebirge erreichte, verirrten sich Nimrodel und Mithrellas in den Tälern und Schluchten, und ich machte mich auf die Suche nach ihnen, und schickte Amroth zum Hafen, um dort auf uns zu warten. Doch meine suche war vergeblich, und nach zwei Jahren kam ich zum Hafen, um Amroth zu berichten. Doch dort erfuhr ich, dass sein Schiff sich in einem Sturm losgerissen hatte, und er entweder in den Westen gefahren oder im Sturm ertrunken war. Daraufhin zog ich mich in die Grünen Berge zurück, denn ich war die Welt leid und hatte alles verloren, was mir teuer war.
Das war meine Geschichte, Amrothos von Dol Amroth, und nun erzähle du mir deine.", schloss Oronêl.
"Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich bin Amrothos aus dem Geschlecht Galadors, des Sohnes von Imrâzor und der Elbenfrau Mithrellas.", begann Amrothos.
Als Mithrellas' Name fiel, fuhr Oronêl zusammen. "Das ist ein wahrlich seltsamer Zufall, das deine elbische Ahnherrin ausgerechnet den Namen meiner Tochter trägt.", sagte er.
"Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist. Deine Tochter hat Amroth und Nimrodel nach Süden begleitet. Nun, das erzählen wir uns hier auch. Und deine Erzählung stimmt mit der Geschichte unseres Hauses überein. Es besteht kein Zweifel für mich: Deine Tochter und meine Ahnherrin sind ein und dieselbe Person. Damit bist du mein Vorfahr!" Amrothos umarmte ihn.
Vor Oronêls Augen verschwamm alles.
Wie konnte sie sich mit einem Menschen einlassen?
In seinem Kopf hörte er Amdírs Stimme: "Von deinen Nachfahren wird man noch hören, wenn sich niemand mehr an mich erinnert, wenn du also heute sterben solltest, wird dein Blut noch lange fortbestehen!"
Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen, er fiel von der Bank und fühlte nur noch, wie Amrothos ihn auffing und sanft zu Boden gleiten ließ.

Oronêl zu Amrûn ins Lazarett

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