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Autor Thema: Alter Wald  (Gelesen 14558 mal)

Adamin

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Alter Wald
« am: 16. Sep 2008, 23:15 »
Der Start:

Goldenes Sonnenlicht strahlte auf den Waldsaum herab. Weit entfernt im Osten sammelten sich dunkle Wolken, doch hier am Rande des Alten Waldes war alles hell und warm. Antien stand an der letzten Baumreihe und spähte nach Mittelerde hinaus. Vor ihm lagen verwilderte Weiden, die sich über sanfte Hügel erstreckten. Zwischen den Hügeln führte ein Weg hindurch, auf dem ein Ochsenkarren gemächlich entlang holperte.
Freude kam in Antien hoch. In all der Zeit war er nie auf den Gedanken gekommen, wie Mittelerde wohl aussehen konnte. Doch nun würde er es herausfinden.

Tom und Goldbeere traten neben ihn, um ihm eine gute Reise zu wünschen.
Es war kein Problem für Antien, sich selbst in der Natur zu ernähren, aber Goldbeere hatte ihm dennoch eine Provianttasche vorbereitet und ihm einige ihrer köstlichen Honigwaffeln mitgegeben. Außerdem gab sie ihm einen gefüllten Trinkschlauch. „Dies ist Wasser aus der Weidenwinde. Meine Mutter, die Flussfrau, hat es mir für dich gegeben. Es wird dich auf deinem Weg stärken und deinen Durst stillen.“ Goldbeere umarmte Antien und ließ Tom vortreten.
Dieser musterte seinen Ziehsohn einige Zeit. „Du erinnerst mich wirklich an mich, Antien... Ich wünsche dir viel Freude an allen wunderbaren Dingen dort. Und ich habe auch noch ein paar Kleinigkeiten für dich...“ Tom holte ein großes Pergament hervor.
„Das hier ist eine Landkarte. Ich habe sie bei meinen Reisen von ein paar freundlichen Elben bekommen. Hab sie aber nie wirklich benutzt. Vielleicht kann sie dir ja weiterhelfen.“, er deutete auf eine eingezeichnete Stadt, „Hier müsste die Elbenstadt Bruchtal liegen. Dort wirst du entweder Gandalf treffen oder jemanden, der dir sagen kann, wo er ist.“
Tom faltete die Karte zusammen und hob noch einen Brief hoch. „Diese Nachricht ist für Gandalf. Ich will seinen Brief doch nicht unbeantwortet lassen, wenn du ihn schon suchst...“ Er gab die beiden Pergamente Antien und holte danach eine große weiße Schwanenfeder hervor. „Das war meine erste Hutfeder... Ich dachte, vielleicht bringt sie dir Glück. Und vielleicht findest du ja einen passenden Hut zu ihr.“
Danach umarmte er Antien ebenfalls.

Dieser lächelte beide an. „Ich danke euch vielmals. Es gibt so vieles zu entdecken und jetzt scheine ich mir auch gut dafür vorbereitet zu sein. Bis bald.“
Nach diesen Worten drehte Antien sich langsam um, nahm einen tiefen Atemzug und trat aus dem Schatten des Waldes hinaus in die große Welt.


Antien nach Bruchtal


Link eingefügt
« Letzte Änderung: 20. Jun 2015, 11:49 von --Cirdan-- »

--Cirdan--

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Alter Wald
« Antwort #1 am: 20. Jun 2015, 13:01 »
Aus der Sicht Pallandos:

Pallando und Radagast aus Bree.

Die beiden Istari hatten die Menschenstadt hinter sich gelassen und die Kreuzung der Oststraße mit dem Grünweg ohne Zwischenfälle überquert. Sie wanderten einige Zeit auf der Straße, die das Auenland mit Bree verband. Zu ihrer Linken sahen sie bald die Höhen der Hügelgräber und als sie auch diese hinter sich gelassen hatten, bäumte sich der alte Wald auf gleicher Seite vor ihnen auf. Eine Amsel flog aus dem vordersten Geäst der alten Weiden den beiden Reisenden entgegen, setzte sich auf Radagast Schulter und zwitscherte ihm ins Ohr. Pallando unterdes murmelte gedankenversunken und erinnerte sich, wie ewig lange er dieses Land nicht mehr betreten hatte.

Der blaue und der braune Zauberer verließen die Straße und drangen mit ihren begleitenden Pferden in den alten Wald ein. Pallando spürte formlich, wie Radagast das Herz aufging bei dem wohltuenden Geruch der Pflanzen, dem Rauschen der Baumwipfel im Wind und den Begrüßungen der hier lebenden Tiere, die nur Wenige wahrnehmen konnten.
„Fühlst du es, mein alter Freund?“, sprach Radagast, „dieses Land ist noch rein und unschuldig wie die Lande der alten Tage. Ein Zauber behütet diesen Wald, wie es ihn nicht einmal mehr in Imladris gibt.“ Pallando stimmte nickend zu: „Während die behütenden Zauber in allen Ländern und Reichen abnehmen, ist er hier nahezu vollständig erhalten geblieben. Imladris Schutz ist kaum noch vorhanden, wie auch ich gespürt habe. Bruchtal und ihre Bewohner haben mich jetzt mehr an die  Angedain, als an die Hochelben des Westens erinnert.“

„Die Angedain?“, harkte Radagast nach, während sie sich immer weiter durch den alten Wald bewegten.
„Ja die Angedain“, bestätigte der blaue Zauberer, der weit im Osten herumgekommen war, „Saruman hatte sie ebenso bei unserer ersten Begegnung mit ihnen getauft, denn die Ersten die wir von ihnen sahen waren ihre Reiterkrieger, die von Kopf bis Fuß in Eisen gekleidet waren. Später erfuhren wir dann, dass sich dieses Volk vor einer sehr langen Zeit, in den Augen der Menschen, in mehrere Gruppen aufgeteilt hatte. Die Einen, wir nannten sie Forangedain, leben nomadisch in den Steppen östlich des Meeres von Rhûn, die Anderen, die wir dann Harangedain nannten, in den Wüsten östlich von Nah-Harad. Letztere erbauten Städte, die von nur wenigen anderen Städten an Schönheit und Pracht übertroffen wurden. Im Osten findet man anderweitig keine Städte von solchen Ausmaß, die von Menschenhand erbaut wurden. Selbst hier im Westen sind nur die alten Bauten der Númenor prachtvoller. Doch weder sind sie Númenórer, noch sind es niedere Menschen wie man sie zumeist im Osten antrifft. Nein, diese Menschen müssen sich vor der großen Wanderung der Edain abgespalten haben, bevor die drei großen Häuser entstanden waren, denn ihre Zunge ist entfernt mit der Rohans verwandt.“

Pallando unterbrach sich, denn er merkte, dass sich der braune Zauberer wenig für die Menschenreiche im Osten interessierte, sondern seine Aufmerksamkeit von den Pflanzen und Tieren dieses Waldes angezogen wurde.
Sie durchquerten einen kleinen Bach, der in die Weidenwinde einmündete und liefen längs der Weidenwinde entlang. Westwärts versank die Sonne schon und bald, da stolperten sie, als die Nacht niedersank, zur lockend warmen Halle. Aus den Fenstern drang ein Licht freundlich gelb und verdrängte sämtliche Furcht der Finsternis. „Tom hat uns geleitet und uns gleich ein Fest bereitet“, flüsterte Radagast, als sie an die Tür der Hütte inmitten des Waldes klopften.

„Dong – long! Dongelong! Da seid ihr ja, ihr Wanderer. Dingelong, so tretet ein und sagt mir rasch, ob ihr sie singen hören könnt“, rief Tom Bombadil sie an. Sie traten ein und hörten rauschend klares Lied, wie einen Wasserfall.
„So hört ihr sie? Die Flusstochter, die singt für ihn, dongelong, so hört gut zu“, riet Tom Bombadil ihnen. Und gemeinsam durchquerten sie verzauberte Halle und folgten der Musik ins kleinste Zimmer, wo er lag, aufgebahrt auf einer Liege, im tiefen Schlaf. Und Goldbeere kniete vor ihm und sag ein Lied.


« Letzte Änderung: 25. Jun 2015, 20:47 von --Cirdan-- »

--Cirdan--

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Alter Wald
« Antwort #2 am: 26. Jul 2015, 00:46 »
Aus der Sicht Pallandos:

Weiß gekleidet und tief schlafen lag er sonnenbestrahlend vor dem Haus auf einer Lichtung, von Tom am frühen Morgen aufgebahrt. –Der weiße Zauberer.
Nach einem Mahl der Stärkung traten Pallando und Radagast hervor und stellten sich einander gegenüber auf. Zwischen ihnen lag Mithrandir, ihr Freund aus alter Zeit. „Verloren sieht er aus, ohne seinen Stab und Hut, und ohne Wachsamkeit, die ihn sonst stets umgab“, sprach der braune Istar und der Blaue antwortete geschwind: „Verloren ist er wirklich, denn verloren haben wir ihn an Saruman, wie so viel in letzter Zeit.“

„Hell ins Licht gehoben um die Schatten zu verdrängen, so sollten wir beginnen.
Völlig frei vom Einfluss böser Zungen, hier und jetzt mit starkem Willen.
Gezeigt was Leben ist und dabei Wärme gebend, um unsere Hoffnung zu erfüllen.
Unseren alten Freund zurück zu holen.
Weckt ihn auf, mit Pauken und Trompetenschlag, mit der Macht, die uns gegeben ist.
Lasst uns brechen Curunírs Zauber in der Ferne, damit auf die Welt ein Licht wiederkehrt.
Eine Aufgabe habt ihr zu meistern und nicht schlafen sollt ihr, mein Herr.
Wacht auf, Mithrandir.“

So sang Goldbeere und trat aus der Tür mit einer Kanne Wasser in der Hand. „Du Flussfrau gab es mir.“
„Dongelong, so soll es sein“, rief Tom Bombadil und zog sein Hut vor seiner Frau.
„Seid ihr soweit, long – dong?“, fragte Tom mit Blick auf Radagast und Pallando, „ein Buch? Das braucht ihr nicht, Morinehtar, sprecht Worte ohne nachzuschlagen, nur mit eurem Herzen.“
Und so sprachen die Istari zu einander, in fremder Sprache melancholisch. Bald schon riefen sie und Wald und Tier und Tom, sie alle hörten sehr gespannt die Zauberworte zur Erweckung an. Goldbeere ging um und warf mit ihrer Hand das Wasser in die Luft, dass sich das Licht traumhaft bunt und tausendfach über Mithrandir brach. Doch aller Zauber brachte nichts.
Es zerrte an Radagast und umso mehr an Pallando, der noch vor kurzer Zeit auch Sarumans Zauber unterlag. Nach einer Stunde Wortgefecht, ließen sich die beiden Istari zur Ruh, neben Gandalf, der weiterhin schlief.
„Gescheitert sind wir“, keuchte Pallando, „Saruman ist mächtiger denn je und seine Banne  halten Mithrandir im tiefen Schlaf.“ Radagast nickte kaum merklich. Zwei Vögel erhoben sich von seiner Schulter. „Und was tun wir nun?“
„Verschnaufen, warten, im Wald um gehen, Rat erbitten, oder zurück nach Bree und Sarumans Einfluss dort lösen. Wenn er das Auenland und Breeland verliert, verliert er Macht und Einfluss hier draußen und vielleicht, wer weis, schaffen wir es.“

--Cirdan--

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Alter Wald
« Antwort #3 am: 22. Aug 2015, 00:13 »
Aus der Sicht Pallandos:

Elrond, Galadriel, Celeborn und Celebithiel von der Nordsüdstraße.

Tagelang saß Pallando an Gandalfs Bett und wartete auf eine Regung und ein Zeichen des weißen Zauberers. Währenddessen ging Radagast im alten Wald um und begrüßte jedes Tier und Pflanze. Ganze Tage war der braune Zauberer fort, im Unterholz verschwunden, doch immer wieder kehrte er zurück und schaute nach Pallandos stiller Wacht.

„Schlafen tut er tief und fest“, sprach Radagast, „wie lange willst du hier noch Weilen? Sein Zauber können wir nicht brechen.“
„Vielleicht hast du Recht. Aber nicht aufgeben will ich. Wir alleine können Sarumans Magie nicht brechen“, antwortete Pallando und in diesem Moment landete eine Amsel auf Radagast Arm und piepste freudig zu ihnen. Die Augen des Vogelfreundes erhellten sich und er stellte freudig fest: „Du wusstest es, die ganze Zeit! Mein lieber Freund, dass vergesse ich dir nicht so leicht. Freudige Kunde das!“
Die beiden Istari traten aus Tom Bombadils Haus und als die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte, sahen sie in voller Pracht vier große Elben aus dem Walde kommen.
„Chen suilon“, rief der blaue Zauberer Elrond, Galadriel, Celeborn und Celebithiel entgegen, „Garnich lend maer?“ Die Istari und die Elben grüßten einander und bald kamen auch Tom und Goldbeere dazu.  Gemeinsam setzten sie sich in Toms Garten zu Tische und die Tochter der Flussfrau brachte ihnen Speis und Trank. Viel zu berichten hatten sie einander und vieles zu besprechen gab es. Tom und Goldbeere verabschiedeten sich jedoch bald, denn sie wollten die schrecklichen Geschichten aus den Ländern im Osten nicht hören.
Elrond berichtete den Istari von der Ratsversammlung in Aldburg. Pallando interessierte sich sehr für das Treffen der freien Völker, während Radagast gedankenversunken daneben saß und an einem Pilz knapperte. Erst als Elrond von den Plänen erzählte Saurons Festung im Düsterwald einzunehmen, wurde der braue Zauberer hellhörig, denn Dol Guldur lag nahe seines alten Hauses Rhosgobel.
Sie versuchten zunächst nicht von Saruman zu sprechen, bei den meisten Themen ließ es sich jedoch nicht vermeiden. Das einstige Oberhaupt des Ordens der Istari hat seine weiße Hand einfach überall, dachte Pallando, der daraufhin von seinen Entdeckungen in Bree berichtete.
„Auch wir sind Sarumans Schergen in Eriador begegnet. Tharbad scheint unter seiner Kontrolle zu stehen und auf dem Grünweg sind uns Gruppen von beladenen Pferdewagen entgegengekommen“, erklärte Celeborn, „sein Einfluss wächst und niemand scheint ihn aufzuhalten.“
Bis in den späten Nachmittag hinein redeten die sechs Weisen, doch nach dem Essen frisch gepflückter Erdbeeren erhoben sie sich und traten an Gandalfs Bett heran, was wieder einmal draußen in der Sonne stand.

Jeder Einzelne hatte seine ganz eigene Beziehung zu Mithrandir. Sie alle kannten ihn gut und jeden betrübte es, ihn hier liegen zu sehen im Zauber des Verräters Saruman.
Galadriel kniete sich zu Gandalf nieder und flüsterte dem Zauberer leise ins Ohr. Nach kurzem Warten stand sie wieder auf: „Sarumans Worte sind noch immer stark. Ich höre seinen damaligen Zauber sprechen. Dunkle Magie ist das.“
Nach einem kurzen Schweigen breitete Galadriel ihre Hände über Gandalfs Brust aus. An ihrer Hand glänzte Nenya, der Ring des Adamant. Celebithiel, die silbergekrönte Elbenmaid, tat es nach und um ihren Finger lag Narya, der Ring des Rubin.
Hinter den beiden hohen Damen stand Celeborn der Weise und ihm gegenüber nahmen Pallando der Blaue und Radagast der Braune ihre Positionen ein.
Elrond hielt sich noch zurück und Pallando fragte sich, ob er befürchtete das neu geschmiedete Bündnis der Elben und Menschen mit Saruman zu gefährden.
„Die drei Ringe der Elben haben keine Wirkung“, erklärte der Halbelb. „Nicht gegen Sauron oder seine Diener“, widersprach Galadriel, „Saruman aber ist sein Feind, wie wir alle zu hoffen glauben. Gegen seinen Zauber können die Drei verwenden werden und er wird aufschreien, wenn er es erfährt.“
Auf das Drängen der Anderen trat der Herr von Bruchtal vor und stellte sich zwischen die beiden Istari. An Elronds Hand, die er über Gandalfs Körper hielt, leuchtete Vilya, der Ring des Saphir.

So standen sie dort und versuchten den Zauber Sarumans zu brechen.


« Letzte Änderung: 26. Aug 2015, 23:01 von --Cirdan-- »

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Curunírs Bann
« Antwort #4 am: 6. Sep 2015, 23:01 »
Arwen, Kerry und Rilmir von der Großen Oststraße


"Ich hab' ein echt mieses Gefühl hier drin," sagte Kerry, nachdem sie zum dritten Mal über eine Wurzel gestolpert war. "Es ist, als ob der Wald das mit Absicht macht."
"Dieser Wald ist alt," erklärte Arwen. "Er ist ein Überrest der großen Wälder, die einst ganz Eriador bedeckten. Hier haben sich die Bäume einen Rückzugsort geschaffen."
"Wer hat denn das ganze Holz geschlagen? Ein Wald, der ganz Eriador bedeckte, das sind... ähm, ziemlich viele Bäume - wo sind sie alle hin verschwunden?" wollte Kerry wissen.
"Oh, daran sind die Vorfahren deines düster gestimmten Dúnadan schuld," antwortete die Elbin.
"Die Númenórer waren die größten Seefahrer aller Zeiten," erklärte Rilmir und zuckte mit den Schultern. "Sie befuhren alle Küsten der bekannten Welt und kamen bis in den äußersten Osten. Ihre Schiffe waren wahre Wunderwerke. Und irgendwo musste das Holz für den Bau dieser großen Schiffe ja herkommen."
"Ich kann mir gut vorstellen, dass die damaligen Bewohner dieses Landes etwas dagegen hatten," erwiderte Kerry.
"Vermutlich," gab der Waldläufer zurück. "Doch damals, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, im zweiten Zeitalter, konnte es niemand mit der Macht von Westernis aufnehmen. Nicht einmal der Dunkle Herrscher - zwar gebot er damals über den größten Teil Mittelerdes, doch die Elben Lindons und die Dúnedain von Anadûne leisteten ihm Widerstand, wo sie nur konnten. Ihre Häfen und Festungen konnte er nicht erobern."
"Und nur weil sie auf ihrer Insel nicht genügend Holz hatten müssen wir uns jetzt mit übel gelaunten Bäumen herumschlagen. Na vielen Dank auch," kommentierte Kerry.
"Kommt, hier geht es weiter. Wir sollten uns beeilen," sagte Arwen, die ein Stück vorausgelaufen war.

Ob sie tatsächlich noch weiter nach Süden gingen konnte Kerry nicht sagen. Arwen hatte zwar stets die Richtung vorgegeben, doch einige Male war es nicht geradeaus weitergegangen. Immer wieder stellten sich ihnen undurchdringliche Dickichte oder Gestrüpp entgegen. Es kam ihr vor als ob der Wald ihnen absichtlich Hindernisse in den Weg legte. Als nächstes fangen die Bäume wahrscheinlich noch an, sich zu bewegen, dachte sie missmutig.
Sie folgten der Elbin hinunter in eine grüne Vertiefung, die sich quer durch den Wald zog als ob etwas sehr Großes eine tiefe Rinne in den Boden gezogen hätte. Es ging bergab; die Bäume reckten sich von beiden Seiten über ihre Köpfe und verdeckten das Sonnenlicht während sie tiefer in die Schlucht hinunterstiegen. Schließlich kamen sie durch einen Spalt zwischen zwei Felsen in ein langgezogenes Tal, durch das ein gemächlicher, braungefärbter Strom dahinfloss. Arwen bog nach links ab und sie folgten dem Fluss in östlicher Richtung.

Kerry spürte eine ungewohnte Müdigkeit in ihren Beinen. Seltsam. So weit sind wir heute doch noch gar nicht gelaufen. Und geschlafen habe ich letzte Nacht auch sehr gut. Die Luft kam ihr stickig vor, und es schien ihr, als würde es immer heißer werden. Rilmir schien es ähnlich zu gehen, doch die Elben waren offenkundig weniger betroffen und waren ihnen nun bereits ein kleines Stück voraus. Angestrengt eilte sie weiter und folgte Arwen auf einem schmalen Pfad der am von Weidenbäumen gesäumten Ufer verlief, bis der Weg schließlich anzusteigen begann.
Als sie das Flusstal langsam hinter sich ließen spürte Kerry, wie die ermattende Wirkung nachließ. Vielleicht lag es am Wasser, überlegte sie und wäre beinahe mit einem der Elbenkrieger zusammengestoßen der überraschend stehen geblieben war. Verärgert wollte sie sich gerade beschweren, was das denn sollte, als sie feststellte, dass sie an ein Haus gekommen waren, das neben einem Wasserfall stand. Ordentlich stach es aus der Wildnis des Alten Waldes heraus, schien aber dennoch genau dorthin zu gehören. Es war von einem gut gepflegten Garten umgeben. Wer baut sich denn sein Haus inmitten einer solchen Wildnis?

Bei Arwen und den Elben stand ein stämmiger Mann mit Bart und Federhut, der Kerry irgendwie sonderbar fröhlich vorkam. Als er die beiden Menschen sah trat er ihnen entgegen und rief: "Ho, meine Freunde, wen habt ihr da mitgebracht?" Sie kamen näher heran, und er musterte sie einen Augenblick aus blitzenden Augen. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und er sagte:"Sieh mal einer an! Hier haben wir einen vom Alten Volk des Nordens - und wer bist du, junge Hübsche?"
"Ich heiß' Kerry. Du bist ein seltsamer Geselle, dass du so mitten in diesem gruseligen Wald wohnst," fügte sie halb skeptisch, halb fasziniert hinzu.
"Oho! Ein ordentliches Mundwerk hast du! Weißt du denn gar nicht wer ich bin?" gab er nicht im Mindesten beleidigt zurück. Er breitete die Hände aus und sang:

Bombadil, der alte Tom, daran kennt ihn jeder:
Gelbe Stiefel, blaue Jacke, Hut mit blauer Feder.

"Tom Bombadil ist der Meister dieses Waldes und der Höhen hinter dem Haus," erklärte Rilmir. "Und er ist älter als jeder hier. Es ist eine Ehre, hier zu sein."
"Nun kommt schon, erzählt dem alten Tom, weshalb ihr hier seid. Er hat heute schon viele Gäste empfangen, und er fragt sich, ob ihr derentwegen hier seid," sagte Tom Bombadil, der kaum einen Moment stillzustehen schien.
"Iarwain, du hast bestimmt den Grund unseres Eintreffens bereits erraten," antwortete Arwen. "Mein Vater kam vor kurzem hierher, und ich muss mit ihm und mit der Herrin von Lórien sprechen. Sind sie hier irgendwo?"
"Ah, wie ich vermutet hatte. Die, die ihr sucht, sind auf einer Lichtung, nur wenige Schritte von hier. Dort entlang!" Er wies ihnen mit ausgestrecktem Arm den Weg.
"Dann kommt. Lasst uns zu ihnen gehen," sagte die Elbin und wandte sich in die gezeigte Richtung.

Kerry und Rilmir folgten ihr, während die beiden Elbenwächter bei Toms Haus blieben. Sie schritten an mehreren großen Bäumen vorbei und kamen gleich darauf auf eine kleine Lichtung, auf der mehrere Personen um ein Bett gedrängt standen. Es handelte sich um vier Elben und zwei weise aussehende alte Menschen mit ansehnlichen Bärten. Kerry blickte sich staunend um, denn ihr kam es vor als sei die Luft mit magischer Energie erfüllt. Eine große Spannung lag über den Anwesenden, und sie schienen vollständig auf die im Bett liegende Gestalt konzentriert zu sein. Von ihren Händen ging ein seltsam strahlendes Licht aus, und es kam ihr vor, als würden sie gerade Zeugen eines äußerst wichtigen Ereignisses. Sie fühlte sich mit einem Mal, als wäre sie wieder klein und würde ihre Eltern heimlich bei Dingen beobachten, von denen sie nichts erfahren sollte. Arwen, Kerry und Rilmir hielten sich im Hintergrund und sahen einige Momente schweigend zu. Schließlich hielt sie es jedoch nicht mehr aus, und sagte leise: "Was genau passiert hier eigentlich?"

Offenkundig reichte es aus, um die Konzentration zu brechen. Die Elben, die am Bett gestanden hatten, ließen die Arme sinken und drehten sich zu ihr um. Sie waren zu viert: Zwei Frauen, eine mit golden schimmerndem und eine mit rötlichen Haar, und zwei Männer. Einer hatte silbrige Haare, der zweite dunkle, von einem Reif gekrönte. Er sah Arwen sehr ähnlich. Muss dann wohl ihr Vater sein. Und er hat wohl gerade keine allzu gute Laune.
"Ich hoffe, es gibt eine gute Erklärung für diese Unterbrechung," sagte er streng.
"Was tust du hier, Arwen? Ich nahm an, du weiltest noch in Imladris - in Sicherheit."
"Adar, verzeih' mir. Ich war auf dem Weg ins Auenland, als ich die Galadhrim traf, die mir erzählten was sich im Süden zutrug. Und mit mir kamen Rilmir von den Dúnedain und Kerevalline aus..." sie hielt einen Moment inne, und blickte Kerry fragend an. "Woher kommst du eigentlich?"
"Aus dem Anduin-Tal. Die Beorninger sind - " begann sie, aber sie kam nicht weit.
"Meister Elrond, wir sind gekommen um Euren Rat zu erbitten," unterbrach Rilmir sie und bedeutete ihr, still zu sein. "Eure Tochter hat uns erlaubt, mit ihr zu gehen, doch nichts stand uns ferner als Euch und die hohen Herrschaften hier zu stören. Bitte verzeiht die Unterbrechung."
Kerry blickte zu den beiden älteren Herren hinüber, die am Kopfende des Bettes standen und ihre Aufmerksamkeit weiter auf den Schlafenden gerichtet hatten.
Elrond blickte sie der Reihe nach an, und setzte gerade zu einer Antwort an, als sich hinter ihm eine neue Stimme zu Wort meldete:
"Man cáral?"
Überrascht wandten sich alle erneut dem Bett zu, auf dem sich der zuvor noch Schlafende nun halb aufgerichtet hatte und mit verwundertem Blick zu den beiden weise aussehenden Gestalten zu seiner Rechten und Linken schaute.
"Rómestamo? Aiwendil? Masse nánye?"
Die beiden Zauberer - denn das waren sie, was Kerry nun klar wurde - antworteten in derselben Sprache, und redeten beruhigend auf ihn ein. Es handelte sich um einen alten Mann mit weißen Haar und stattlichem Bart. Auch seine Gewänder waren schneeweiß.
"Mithrandir! Du bist erwacht! Der Bann ist gebrochen!" sprach die Elbin mit den blonden Haaren erfreut.
"Ma istanyel?" antwortete Mithrandir fragend.
"Er erkennt uns nicht, Galadriel," sagte Elrond. "Sarumans Bann hat tiefgreifendere  Auswirkungen, als wir annahmen," fügte er hinzu.
Die Elben sprachen einige Zeit weiter mit dem Erwachten, der jedoch nur die beiden Zauberer zu kennen schien. Mehrere lange Minuten verstrichen, schließlich wurde eine halbe Stunde daraus. Der Erwachte - Mithrandir - hatte zwar inzwischen zur Gemeinsamen Sprache gewechselt, schien aber dennoch nicht zu wissen, wo er sich befand und wer ihn aus seinem Schlaf erweckt hatte. Die Elben schienen unsicher zu sein, was sie nun tun sollten. Er sprach in unzusammenhängenden Sätzen und blickte sich verwirrt um.

Kerry überlegte inzwischen angestrengt, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte - denn es kam ihr so vor, als war dies nicht ihre erste Begegnung mit einem in Weiß gekleideten Bartträger. Aber ich bin Saruman nie begegnet, überlegte sie. Könnte es sein, dass...?
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Gandalf! Du - du bist doch Gandalf Graurock, der jetzt der Weiße ist, stimmt's?"
"Gandalf?" antwortete der Angesprochene leise, und die Elben verstummten als sie sahen, dass er auf das blonde Mädchen reagierte.
"Ja, Gandalf, der den König vom Einfluß Sarumans befreit hat. Erinnerst du dich nicht?"
"Gandalf..." wiederholte er. Er zog die Augenbrauen zusammen und schien sich zu konzentrieren. Einige Zeit verging - Kerry konnte nicht sagen, wie lange. Es kam ihr vor, als dehnten sich die Augenblicke endlos aus.
Mithrandir atmete laut aus und schließlich klärte sich sein Blick.
"Ja... Gandalf. Mithrandir... Ich bin Gandalf. Ich... ich erinnere mich." Er hielt einen Moment inne, und blickte jeden der Anwesenden lange an, wobei sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Erleichterung und Unsicherheit zeigte. Kerry glaubte sogar, einen Anflug von Furcht darin zu erkennen.

Nach mehreren Minuten des Schweigens sagte er schließlich: "Vieles ist mir noch ein Rätsel... aber ich glaube, einiges ist mir jetzt wieder klar geworden. Hab' Dank, meine junge Freundin," sagte er zu Kerry. Dann machte er erneut eine Pause und setzte sich vollständig im Bett auf. "Ich weiß nicht genau, was das alles zu bedeuten hat. Offenbar hatte mich ein Zauberbann Sarumans fest im Griff." Er blickte in die Runde. "Verzeiht mir, dass ich euch nicht erkannt habe. Ein unsanftes Erwachen war dies, und ich fühle mich... durcheinander. Vieles passt noch nicht zusammen. Ich... habe ein Gefühl, von dem ich nicht weiß, was es zu bedeuten hat. Und ich habe Angst... Angst, erneut in einen solchen Zustand versetzt zu werden."
"Aber der Bann ist gebrochen, und du bist zu uns zurückgekehrt, Mithrandir, auch wenn es noch einige Zeit dauern mag bis du wieder der Alte sein wirst.," sagte Galadriel. "Dies ist ein froher Tag für uns alle."
"Sie hat Recht," stimmte Celeborn zu.
Die beiden Zauberer - einer in blau, einer in braun gekleidet - standen Gandalf zur Seite, als er sich vom Bett erhob. "Es gibt viel zu besprechen, alter Freund," sagte einer der beiden - er trug braune Gewänder. "Ich vermute, du hast viele Fragen. Doch zuerst solltest du dich stärken. Lasst uns sehen, ob unsere Gastgeber uns etwas zu Essen geben könnten."
"Dafür ist bereits gesorgt, tierliebender Geselle," kam Toms Stimme vom Haus her, als er die Lichtung hinter ihnen betrat. Er sah nicht im Mindesten überrascht aus, dass Gandalf erwacht war. "Na, du Schlafmütze!" sagte er in dessen Richtung und stemmte die Arme in die Hüften. "Du bist gerade rechtzeitig aufgestanden. Goldbeere hat das Abendessen bereit gestellt. Kommt, Freunde, und lasst euch von gutem Essen stärken!"

Sie folgten ihm nach drinnen ins Haus und durchquerten die Eingangshalle, in der mehrere Schalen mit darin schwimmenden Seerosen standen. Es roch nach Blüten und Holz - auf eine angenehme Art, wie Kerry fand. Sie beschloss, dass sie diesen Ort und seine Bewohner mochte. Tom ist wirklich ein hochinteressanter Geselle. Sicherlich hat er einige lustige Geschichten zu erzählen.
 Kurz darauf kamen sie in einen der größeren Räume, an dem ein langer Tisch und Bänke bereit standen. Es war genug Platz für alle Elben, Menschen und Zauberer; und auch für Tom und seine Frau Goldbeere, die nun hinzu getreten war. Kerry blickte staunend von einem zum Anderen, es kam ihr alles sehr überirdisch vor. Ich hab' das Gefühl, an einer Versammlung von Mächtigen teilzunehmen, dachte sie.
Ohne dass sie es sich ausgesucht hatte fand sie sich schließlich neben Gandalf sitzend vor, der den anderen auf noch immer recht unsicheren Beinen ins Haus gefolgt war. An der Schwelle zum Esszimmer war er beinahe gestürzt, doch der in blau gekleidete Zauberer hatte ihn rechtzeitig abfangen können.
"Beim Essen wollen wir nicht von den Geschehnissen der Welt sprechen. Esst und seid fröhlich! Hebt eure Sorgen für später auf. Eine frohe Gesellschaft am Tisch ist dem alten Tom am liebsten!" sprach der Gastgeber und eröffnete das Abendessen. Es gab viele unterschiedliche einfache Kost und von allem genug. Kerry erfuhr die Namen aller Anwesenden, doch gab sie es sehr schnell auf, sie sich zu merken. "Tom" war noch einfach, aber danach wurde es schon schwieriger.

"Hat Saruman jetzt das Loch ausgefüllt, das der Dunkle Herrscher hinterlassen hat?" fragte Gandalf sie ohne Vorwarnung. Sie blickte ihn überrascht an, und antwortete schließlich: "Wie meinst du das, Herr - Weißer Zauberer - Gandalf? Oder heißt du jetzt Mithrandir?"
"'Gandalf' genügt," erwiderte er schlicht. Dann fuhr er fort: "Der Ring! Er wurde zerstört und Sauron gestürzt... oder war das nur in meinen Träumen?" Der Zauberer blickte sie verwirrt an.
"Ich... weiß nicht recht, wovon du sprichst," sagte sie. "Was für ein Ring? Was meinst du damit?"
"Der... goldene... Ah, wie solltest du es auch wissen. Es ist nicht weiter wichtig. Aber sag, Sauron wurde doch besiegt, oder nicht?" fragte er eilig.
"Ähm... es tut mir Leid dich enttäuschen zu müssen, aber so war es leider nicht," antwortete sie niedergeschlagen. "Saruman und der Dunkle Herrscher bedrohen beide weiterhin die Freien Völker."
"Oh...  ich dachte..." sagte Gandalf leise und verstummte schließlich.
Einige Momente blieb er still, schien seine Gedanken zu ordnen. Sie blickte zu Rilmir hinüber, der ihr schräg gegenüber saß. Der Waldläufer machte eine hilflose Geste - er wusste ebenfalls nicht, was er von der Situation halten sollte.
"Und was macht ein Mädchen wie du in der Gesellschaft solch hoher und weiser Herrschaften?" fragte der Zauberer schließlich. Sie blickte ihn überrascht an, und antwortete schließlich: "Ähm - naja, ich bin hier mehr oder weniger so hineingestolpert, irgendwie. Ist 'ne längere Geschichte!"
 "Und dein Name ist?" wollte er wissen.
"Kerry," antwortete sie, "das ist kurz für Kerevalline."
"Mhmm," machte er mit erhobenen Augenbrauen. Einen Moment lang sah er sie mit stechendem Blick an, und sie fürchtete einen Moment um ihr Geheimnis. Doch dann lächelte er wieder. "Es ist gewiss kein Zufall, dass du hier bist, meine liebe Kerry. Du hast mir geholfen, mich an meinen Namen zu erinnern, und dafür bin ich dir dankbar."
"Oh, ich - ich meine, hab' ich doch gern gemacht," antwortete sie schnell. "Wann hat man schon die Gelegenheit, einem echten Zauberer zu helfen?"
"Öfter, als du denkst. Auch wenn es eigentlich heißt: 'Mische dich nicht in die Angelegenheiten von Zauberern, denn sie sind launisch und schnell erzürnt!'"
"Tja, ich denke das heute war eine ziemlich große Einmischung in die Angelegenheiten von Zauberern - schließlich sind drei von ihnen hier versammelt!"
Er blickte sie an und Kerry schenkte ihm ein Lächeln. Kurz darauf beendeten schließlich das Abendessen. Die Elben und Zauberer verließen nun Tom Bombadils Haus wieder und versammelten sich draußen auf der vom langsam schwindenden Sonnenlicht erhellten Wiese, um sich zu besprechen....
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Eine Blüte im Haar
« Antwort #5 am: 19. Sep 2015, 00:31 »
Kerry saß auf einem Felsen oberhalb des Wasserfalls der Weidenwinde nahe Toms Haus, der die letzten Sonnenstrahlen des Tages hell schimmernd reflektierte, allein mit ihren Gedanken. An der Besprechung der Weisen mochte sie nicht teilnehmen, obwohl es sie durchaus interessiert hatte worüber dort wohl alles gesprochen wurde. Ich hab' das Gefühl, dort nicht willkommen zu sein, dachte sie und ließ die Beine baumeln. Sie löste den einfachen Zopf, zu dem sie ihr Haar zu Beginn der Reise durch den Alten Wald geformt hatte und ließ es offen über ihre Schultern fallen.

Sie starrte gedankenverloren in das von den Klippen herabstürzende Wasser. Der Wasserfall war nicht sehr hoch, überragte Tom Bombadils Haus jedoch um ein Stück.
"Hörst du der Stimme des Flusses beim Singen zu?" fragte eine helle Stimme seitlich hinter ihr. Kerry dreht sich halb um und entdeckte Goldbeere, die sie freundlich anlächelte.
"Kann sein - wovon singt der Fluss denn?" wollte sie wissen.
"Von vielen Dingen," antwortete ihre Gastgeberin. "Vom Laub, das auf dem Wasser gen Westen getragen wird. Von den Wurzeln, die aus dem Erdreich am Ufer ragen. Von den Fischen, die sich durch die Strömung bewegen. Er singt vom Leben."
Goldbeere setzte sich neben sie. Als sie sah, wie Kerry sich die Haare beiseite strich, die ihr übers Gesicht gefallen waren, bot sie an, es zu flechten. Etwas überrascht aber dennoch dankbar nahm Kerry das Angebot der Flusstochter an.
"Tom und ich haben nur selten Besuch," sagte Goldbeere nach einer Weile. "Und noch seltener kommt es vor, dass Frauen unter den Besuchern sind. Ich kann mich schon kaum mehr daran erinnern, wann ich zuletzt einer anderen als mir selbst die Haare geflochten habe."
"Dann hast du ja Glück, dass ich hier bin," sagte Kerry leichthin.
"Ich denke nicht, dass es Glück war das dich hierher brachte," erwiderte Goldbeere.
"Wie meinst du das?"
"Vieles geschieht momentan in der Welt. Dinge verändern sich. Dies ist eine ungewöhnliche Versammlung der Weisen, ob sie nun zufällig ist oder nicht. Dennoch ist sie von einiger Bedeutung. Du gehörst nicht zu ihnen, aber dennoch glaube ich, dass es einen Grund gibt, weshalb du hier bist."
"Ich bin hier, weil der Dúnadan hier ist," sagte Kerry.
"Das mag stimmen, doch zu welchem Zweck bist du hier? Kannst du sicher sein, dass der Zauberbann Sarumans auch gebrochen worden wäre, hättest du Arwen nicht zu ihrem Vater begleitet?"
"Ich.. weiß nicht?" gab Kerry verwundert zurück. Was will sie damit sagen?
"Ich meine, dass wir nicht wissen können, wie die Dinge verlaufen werden. Kannst du sagen, welchen Weg eines der Blätter, die auf dem Fluss treiben, nehmen wird? Wie weit es kommen wird? Oder ob es vielleicht an der nächsten Biegung an einer Wurzel festhängen bleiben wird? Einige, die heute hier sind, sind mit der Gabe der Weitsicht gesegnet, doch selbst sie werden mir diese Frage nicht beantworten können. Frage dich nicht, wieso du hier bist. Ich glaube, es steckt mehr dahinter, als du denkst."

Darauf fiel Kerry keine Antwort ein. Goldbeere flocht ihr die Haare mit geübten Handgriffen und steckte zum Abschluss eine Seerosenblüte hinein. Dann stand sie auf und blickte zum Waldrand hinüber.
"Die Unterredungen sind zu Ende - für's Erste. Du solltest losgehen und Elrond finden," sagte sie und zeigte in Richtung der Lichtung.
"Oh, stimmt! Der Dúnadan wollte mit ihm sprechen. Ich gehe. Vielen Dank für alles!"
Goldbeere lächelte freundlich und betrat Tom Bombadils Haus durch die offen stehende Tür. Kerry ging daran vorbei und machte sich auf den Weg zur Lichtung, auf der die Weisen sich beraten hatten. Unterwegs traf sie auf Rilmir, der offenbar am westlichen Flussufer unterwegs gewesen war.
"Schöne Frisur, Kerry," sagte er und berührte die Blüte in ihrem Haar.
Schnell senkte sie den Blick, um ihre Errötung zu verbergen. "Danke," murmelte sie verlegen. Rilmir blickte sie verwundert an, doch bevor er etwas sagen konnte trat Elrond in Arwens Begleitung hinzu, während die übrigen Elben und Zauberer langsamen Schrittes an ihnen vorbei in Richtung des Hauses gingen. Kerry fiel auf, dass Gandalf sich nun auf einen hellbrauen Stab stützte.
Arwen schien die Situation mit einem Blick zu erfassen und schenkte Kerry ein freundliches Lächeln. Elrond hingegen wandte sich an den Waldläufer:
"Meine Tochter hat mir bereits erzählt, weshalb Ihr meinen Rat sucht, Rilmir von den Dúnedain. Ich bitte Euch zunächst, mir zu erzählen, wieviele Dúnedain Ihr auf dem Amon Súl getroffen habt, und wie groß die Widerstandsgruppe ist, wenn Ihr etwas darüber wisst."
"Es sind ihrer nicht viele," antwortete Rilmir. "Belen, Berens Sohn, führt sie an. Sie nennen ihn Aravorn II, denn er ist ebenfalls aus Isildurs Linie, und ein Nachfahre Aravorns, Aragosts Sohn. Sie tun, was sie können gegen die Verräter in Sarumans Diensten, aber es ist schwierig herauszufinden, wer dem Zauberer aus Verblendung folgt und wer ihm aus Furcht vor dessen Rache an den Familien dient."
"Ihr selbst habt keine engeren Verwandten mehr, richtig?" fragte Elrond.
"Das stimmt, Meister Elrond. Ich bin der letzte meines Hauses, das einst von Hallatan dem Númenorer gegründet wurde."
Rilmir zeigte Elrond seinen Ring, auf dem ein Wappen mit einem Segel und einer Blüte darauf zu erkennen war. Dieser nickte. "Nun, Rilmir, als Hallatans Erbe sage ich Euch: Seid mutig wie Euer Vorfahr, der in die Schatten Mordors ging und siegreich zurückkehrte. Kämpft mit Euren Gefährten für die Freiheit des Nordens, und fürchtet nicht die Rache Sarumans. Er hat andere Dinge im Blick, die weit im Osten von hier liegen. Und was Eure verblendeten Brüder angeht: Ihr werdet erkennen, wer wahrlich gefallen ist, wenn es Zeit ist."
Rilmir blieb einen Moment still. "Ich danke Euch für Euren Rat, Meister Elrond. Ich hoffe, ich habe Euch nicht von der Erholung abgehalten, die Ihr nach den Ereignissen dieses Tages und der darauffolgenden Besprechung gewiss ersehnt."
"Die Besprechung war in der Tat anstrengend," sagte Arwen. "Mithrandir musste so vieles, das geschehen ist, erfahren, und schien doch so wenig zu verstehen. Mehrfach mussten wir die Dinge wiederholen."
"Es wird noch seine Zeit dauern," fügte Elrond hinzu. "Dennoch bin ich froh, dass wir Sarumans Bann gebrochen haben."
"Schlau von euch, ihm eine Stütze zum Gehen zu geben," sagte Kerry.
"Er erhielt den Stab von Tom Bombadil, als wir unsere Besprechung beendeten," erklärte Elrond. "Aber täusche dich nicht - ein Stab in der Hand eines Zauberers ist mehr als nur eine Stütze für einen alten Mann. Sie ist ein Symbol seiner Stellung im Orden der Istarí, und ermöglicht es ihm, seine Macht leichter zu bündeln oder zu konzentrieren. Wie Pallando berichtete bezieht Saruman Teile seiner neu gefundenen Macht aus dem Stab, den er Gandalf in Isengard stahl. Deshalb ist es gut, dass Gandalf nun einen neuen erhalten hat."
"Jetzt will ich auch so einen Stab," sagte Kerry verdrossen, und die beiden Elben lachten leise.

Sie verbrachten die folgende Nacht in Toms Haus, da sie wenig Lust verspürten, den Alten Wald bei Dunkelheit zu durchqueren. Am folgenden Tag würden sie alle bis auf Radagast, der sich bereits verabschiedet und gleich darauf verschwunden war, nach Norden zur großen Straße und zu den wartenden Galadhrim zurückkehren.
Kerry war nicht überrascht, als sie feststellte, dass bis auf Tom und Goldbeere (die ihr eigenes Zimmer im Obergeschoss hatten) alle im selben Raum schlafen würden. Viel mehr Zimmer gibt es hier in diesem kleinen Haus ja auch nicht, dachte sie. Schließlich war aber mehr Platz, als sie gedacht hatte, denn die Elben blieben in der Eingangshalle, und nur jeweils zwei Zauberer und Menschen legten sich im Raum schlafen.

Tief in der Nacht wachte Kerry auf - weshalb, konnte sie nicht sagen. Sie zog ihre Decke bis an die Schultern, und lauschte auf die Geräusche, die durch das offene Fenster hineinzogen. Leises Rauschen der Blätter der nahen Bäume im Wind, ab und zu ein tiefes Knarzen, hin und wieder ein Rascheln wie von Ästen, die zur Seite schwingen. Waldgeräusche. Kein Grund zur Angst, versuchte sie, sich selbst zu beruhigen. Sie setzte sich im Bett auf, viel zu wach um gleich weiterzuschlafen. Irgendetwas schien sie zu drängen, aufzustehen und das Haus zu verlassen. Aber wieso? Dort gibt es nichts für mich.
Schließlich stand sie dennoch auf, stieg vorsichtig über die Schlafenden hinweg und trat durch den Türrahmen in die Eingangshalle hinaus. Mit Verwunderung blickte sie sich um, denn die Elben schliefen nicht - mit offenen Augen schauten sie mit nach innen gerichteten Blicken in weite Ferne und nahmen keine Notiz von Kerry. Unschlüssig blieb sie einige Momente stehen. Die Vordertür des Hauses war geschlossen. Der Drang, nach draußen zu gehen, hatte nachgelassen. Kurz darauf entschied sie, Lindir zu den Schlafgewohnheiten der Elben zu befragen, wenn sie zur Straße zurückgekehrt waren, und ging zurück in ihren Schlafraum.

Als sie den Waldläufer schlafend erblickte, konnte sie nicht anders, als sich einige Zeit neben ihn zu setzen. Sie atmete tief aus und betrachtete den Dúnadan, dessen Brust sich regelmäßig auf und ab senkte. Bin ich für dich wirklich nicht mehr als nur eine hübsche Begleiterin? Sie fand keine Antwort auf ihre Frage, und seufzte leise. Schließlich nahm sie Rilmirs Hand und schloss ihre Finger darum. Erschrocken hielt sie den Atem an, als sie spürte wie der Schlafende ihren Griff erwiderte. Wenn er jetzt aufwacht, ist das der Gipfel der Peinlichkeit für mich. Doch der Moment verstrich, und sie ließ die Hand wieder los, ließ den Waldläufer seinen Träumen nachjagen. Sie nahm die Blüte aus ihrem Haar und legte sie auf sein Kissen, ohne wirklich zu wissen, warum.
Bald darauf schon lag sie wieder in ihrem eigenen Bett, und schloss die Augen.
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Verblasst!
« Antwort #6 am: 16. Okt 2015, 14:40 »
Der Morgen kam, und brachte einen hellen Sonnenaufgang, bei dem sich die meisten Wolken zerstreuten. Es würde ein angenehm warmer Tag werden, was Kerry nur recht war. Sie stand auf und packte ihre Sachen zusammen, denn heute würde die Gruppe gemeinsam zur Großen Oststraße zurückkehren. Ihr Haar steckte sie mit mehreren geschickten Handgriffen hoch, damit es nicht im Weg war, und machte sich anschließend auf dem Weg zum Frühstück, zu dem Tom Bombadil und Goldbeere bereits gerufen hatte.

Kerry war erstaunt, dass Gandalf am Tisch fehlte. Sie hatte den Zauberer seit dem vorigen Abend nicht mehr gesehen. Doch niemand der Anwesenden schien darauf einzugehen und das Frühstück nahm seinen Lauf. Es gab einfache Kost und ihre Gastgeber hatten reichlich aufgetragen. Für Kerry war es eine willkommene Abwechslung zu dem, was sie normalerweise unterwegs frühstückte, ob es nun Cram oder eine andere Art von Hartgebäck war. Selbst das Wegbrot der Elben muss wohl irgendwann anfangen, fad zu schmecken, dachte sie. Die Gelegenheit, es zu probieren, hatte sie bisher noch nicht gehabt. Vielleicht eines Tages irgendwann.

Nachdem das Frühstück beendet und die Elben, Menschen und Zauberer schließlich alle zum Aufbruch bereit waren versammelten sie sich auf der Wiese vor Tom Bombadils Haus. Ihre Gastgeber kamen Hand in Hand durch die Vordertür des Hauses, gefolgt von Gandalf, der sich auf seinen neuen Stab stützte. Dieser neue Gandalf verhält sich so unterschiedlich zu dem Gandalf, den ich in Erinnerung hatte, dachte Kerry, der der Anblick nicht sonderlich gefiel. Er hat seinen Mut und seine Zuversicht verloren. Nachdenklich zog sie an einem der Lederriemen, die um ihre Hüfte befestigt waren, bis Elrond schließlich das Wort nahm und sich an die Anwesenden richtete:
"Freunde und Verbündete, lasst uns nun aufbrechen und zu den Galadhrim zurückkehren. Wir danken euch, Tom und Goldbeere, für eure Gastfreundschaft, und dafür, dass ihr euch um Gandalf gekümmert habt während er schlief, und blicken nun voller Zuversicht in die Zukunft."
Tom winkte lächelnd ab. "Geht nun, bevor die Sonne noch höher steigt und euch einen Stich verpasst!"
Sie verabschiedeten sich von den beiden. Als Kerry an Tom Bombadil vorbeikam, sagte er: "Elben im Allgemeinen und Meister Elrond im Besonderen machen gerne große Worte beim Abscheid," und lachte leise.
"Das habe ich gehört," erklang Elronds Stimme von weiter vorne, doch ihm war eine gewisse Belustigung anzuhören.

Sie durchquerten den Alten Wald auf einem anderen Weg als auf dem Hinweg. Es schien eine Abkürzung zu sein. Zumindest sagten die Elben das. Kerry blieb eine Weile direkt hinter Celeborn, der voraus ging, und betrachtete den Wald, der ihr nun deutlich weniger bedrohlich als am Tag zuvor vorkam. Ob er durch die Anwesenheit der hier versammelten Persönlichkeiten beeinfluss wird? Kann ein Wald ... eingeschüchtert sein?, überlegte sie.
Einige Zeit später ließ sie sich ein Stück zurückfallen um neben Gandalf her zu gehen, der schweigend durch den Wald marschierte. Er hatte einen grüblerischen Ausdruck im Gesicht und schenkte ihr zunächst keine Beachtung. Schließlich jedoch wandte er ihr den Kopf zu und sagte unwirsch: "Hier sind wir nun, eine Versammlung der wahrscheinlich weisesten Personen Mittelerdes - und von all jenen willst gerade du, die Jüngste, mit mir reden?"
"Ich bin vielleicht nicht weise," sagte Kerry leicht verärgert. So etwas hatte sie nicht erwartet. "Aber ich bin schlau. Schlau genug zu erkennen, dass mit dir so einiges nicht stimmt, Gandalf."
Der Zauberer zog die Brauen zusammen und musterte sie mit einem stechenden Blick. "Was willst du damit sagen, Kerevalline?"
"Ich will damit sagen, dass ich mich frage, was mit dir passiert ist. Ich hatte dich ganz anders in Erinnerung, auch wenn ich dich damals nur kurz gesehen habe. Du warst voller Entschlossenheit und Autorität, warst eben Gandalf der Weiße. Jetzt bist zu ziemlich verblasst, um ehrlich zu sein."
"Verblasst! Das ist ein starkes Wort, meine Liebe."
"Ich verstehe sowieso nicht ganz, wie du so einfach die Farbe wechseln konntest," wunderte sie sich.
"Ich wurde zurückgeschickt. Ich habe Sarumans Farbe übernommen, weil ich seinen Platz im Orden übernommen hatte. Er hat seine Stellung verloren und ist nun farblos," erklärte Gandalf.
"Wenn er seine Macht verloren hat, wieso fürchtest du dich dann vor ihm?" wollte Kerry wissen?
"Er hat seine Stellung im Orden der Istarí verloren, nicht seine Macht. Und durch den Stab, den er mir stahl, hat er zusätzliche Stärke gewonnen. Auch du tätest gut daran, ihn zu fürchten," gab der Zauberer zurück.
"Vielleicht solltest du ab sofort Gandalf der Ängstliche genannt werden," sagte sie streng.
Der Zauberer blickte sie mit einer Mischung aus Verärgerung und Verwunderung an, doch bevor er etwas erwidern konnte hörten sie den Klang vieler Stimmen von vorne. Sie hatten die Große Oststraße erreicht.


Gandalf, Elrond, Galadriel, Celeborn, Pallando, Arwen, Celebithiel, Kerry und Rilmir zur Großen Oststraße
« Letzte Änderung: 16. Okt 2015, 14:44 von Fine »
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