Ryltha und Cyneric aus den Gebieten westlich des Meers von RhûnGortharia war die größte Stadt, die Cyneric je betreten hatte, größer als Aldburg oder Edoras, und sogar noch größer als Minas Tirith, wo er nach der Schlacht auf den Pelennor-Feldern einige Tage lang einquartiert gewesen war bevor er unter Elfhelms Kommando in die Schlacht in Anórien geritten war. Elfhelm, der sein Ende bei Dol Guldur gefunden hatte.
Damals haben wir gegen Menschen aus diesem Land gekämpft, fiel ihm ein. Die Ostlinge hatten, nachdem die Leuchtfeuer Gondors entzündet worden waren, auf Saurons Befehl hin von Cair Andros aus die Straße blockiert und Théodens Reiter waren ihnen nur dank der Hilfe der Waldmenschen des Drúadan-Waldes entgangen. Nach dem Sieg auf dem Pelennor waren dreitausend Speere zurück gen Norden geritten um das feindliche Heer, das sie umgangen hatten, aus Anórien zu vertreiben. Dank des Überraschungsmoments gelang Elfhelms Streitmacht ein überwältigender Sieg - doch aufgrund der Katastrophe am Schwarzen Tor war dieser Sieg wertlos gewesen.
"Woran denkst du, Cyneric?" wollte Ryltha wissen während die gelben Mauern Gortharias am Horizont in die Höhe wuchsen.
"Die Stadt ist groß," gab er zurück. "Größer als ich dachte."
"Sie ist die Hauptstadt eines der größten Reiche der bekannten Welt," sagte Ryltha schulterzuckend. "Das lockt nun einmal Leute an, wobei natürlich auch ein großer Teil nicht freiwillig hier ist. In Gortharia gibt es viele, viele Sklaven."
"Sklaven?" fragte Cyneric.
"Ohne sie würde die Gesellschaft Gortharias zusammenbrechen," erklärte Ryltha mit einem verärgerten Unterton. "Diese armen Menschen werden Tag für Tag ausgebeutet. Auch das ist etwas, das ich und meine Schwestern gerne richtigstellen würden."
Viel Erfolg dabei, dachte Cyneric.
Sie kamen an das große Tor, das die Straße nach Westen in Gortharia empfing. Ein geschäftiges Kommen und Gehen war dort zu sehen. Ein Strom von Menschen betrat und verließ die Stadt, viel zu viele um sie alle kontrollieren zu können, doch die in golden schimmerne Rüstungen und Umhänge gehüllten Stadtwachen versuchten es trotzdem.
"Sieh' dir die Goldröcke an," spottete Ryltha. "Sie geben wirklich ihr Bestes. Nur leider ist selbst das nicht gerade viel!" Erneut ließ sie ihr charakteristisches Lachen hören und ihre Leute stimmten mit ein.
"Das sind keine echten Soldaten," erklärte sie während sie weiter zum Tor ritten. "Sie haben nie in irgendwelchen Schlachten gekämpft. Selbst der Kommandant der Stadtwache ist ein Feigling, der sich seinen Titel mit Schmeicheleien erkauft hat. Die Goldröcke spielen sich gerne als große Helden auf, würden aber in einem echten Kampf sehr schnell Probleme bekommen. Nur leider gibt es viele von ihnen... sehr viele. Der König ist in letzter Zeit schon fast paranoid geworden, vor allem seitdem die wertvollen Gefangenen am Platz des Goldenen Drachen befreit wurden - also quasi direkt unter seiner Nase. Am Tag darauf wurde die Stadtwache massiv aufgestockt. Das macht vieles für uns schwieriger. Aber mach' dir keine Sorgen! Du bist ein Soldat in der glorreichen Armee Rhûns, dir wird keiner Verdacht entgegen bringen."
Cyneric nickte, doch beruhigend fand er diese Neuigkeiten nicht gerade.
Einer von Rylthas Soldaten ritt zu der Wachstube neben dem Tor herüber und zeigte eine Schriftrolle vor, die offenbar Befehle enthielt. Sie wurden hindurchgewunken und ihre Pferde bahnten sich ihren Weg durch die Massen ins Innere der Stadt. Auf der anderen Seite des Tores kamen sie auf einen breiten Platz, auf dem sich die Menschenmassen in die unterschiedlichsten angrenzenden Straßen verteilten und sie etwas mehr Platz hatten. Sie ließen ihre Rösser im Schritt weiter bis zum Ostende des Platzes gehen bis Ryltha das Zeichen zum Anhalten gab.
"Ich werde nun zu meiner Kommandantin gehen und Bericht erstatten - offiziell war ich Teil des Angriffes bei Dol Guldur und muss nun eine detaillierte Erklärung dafür geben, weshalb meine Einheit die Schlacht überstanden hat aber getrennt vom Hauptheer zurück nach Gortharia gekommen ist. Die meisten Ostlinge, die an diesem Angriff teilgenommen haben haben sich in Richtung des Erebors zurückgezogen, so lautete der Befehl des Heerführers, der den Angriff befehligte."
"Wirst du Schwierigkeiten bekommen?" fragte Cyneric.
Ryltha lächelte. "Nein, das denke ich nicht. Meine Kommandantin, Morrandir, ist...
sehr verständnisvoll in diesen Angelegenheiten. Du wirst sie vielleicht auch bald kennenlernen."
"Wohin werde ich in der Zwischenzeit gehen?" fragte er. "Wann wirst du mir mehr über meine Tochter erzählen?"
"Eins nach dem anderen, Cyneric," antwortete sie. "Geh' mit meinen Leuten zur Kaserne am Hafen und ruhe dich aus. Ich werde dich dann später dort treffen."
Er gab sich zufrieden. Ryltha winkte zum Abschied und ritt dann eilig die Hauptstraße entlang, die in östlicher Richtung vom Tor zum Zentrum Gortharias führte. Cyneric folgte den Soldaten aus Rylthas Einheit, die sich durch eine der kleineren Straßen nun in nordöstlicher Richtung zur Hafenkaserne aufmachten.
Cyneric zur Kaserne am Hafen