Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dol Amroth

Das Lazarett

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Eandril:
Oronêl vom Hafen


Zwei Wochen waren seit der Schlacht um Dol Amroth vergangen. In dieser Zeit hatte Oronêl ein eigenes Zimmer im Lazarett zugewiesen bekommen. Der Raum war hell, die steinernen Wände mit Holz verkleidet und das Fenster sah auf den Hafen hinaus. Oft saß er in der Fensterbank und blickte nach Westen, gen Valinor, doch obwohl er sich noch immer davon angezogen fühlte, hatte er beschlossen, in Mittelerde zu bleiben und Sauron zu bekämpfen.
Auch jetzt saß er wieder dort und blickte auf das Meer hinaus und dachte nach.
In diesen zwei Wochen hatte er sich häufig mit Amrothos getroffen, der ihm die Stadt gezeigt hatte, und obwohl sich herausgestellt hatte, dass er sein Vorfahr war, fühlte er sich in Amrothos Gesellschaft so jung wie lange nicht mehr.
Irgendwie erkenne ich mich selbst in meiner Jugend in ihm wieder. Ich bin froh ihn gefunden zu haben.
Auch mit Amrûn und Celebithiel hatte er einige Zeit verbracht. Er erinnerte sich noch an ein Gespräch, dass er mit Amrûn geführt hatte.
                                                                                                                                                         
Oronêl und Amrûn standen nebeneinander auf der Mauer, beide auf die Brüstung gestützt und unterhielten sich. Amrûn erzählte gerade von seinen Erlebnissen im Krieg des Letzten Bundes, da fiel Oronêl etwas ein. "Du kamst mir immer auf irgendeine Weise bekannt vor. Zuerst dachte ich, dass läge nur an unserem Alter, und dass ich mich selbst in dir sehe, aber ich glaube, ich habe dich schon einmal gesehen."
"Wenn du es auch weißt, bin ich mir ganz sicher, dass sich unsere Wege schon einmal gekreuzt haben.", antwortete Amrûn. "Es war, als die Truppen Lórinands zum Heer des Bundes stießen. Du kamst hinter Amdír, dem Fürsten, und ich stand bei Gil-Galad. Unsere Wege haben sich gekreuzt, obwohl wir uns nie wirklich begegnet sind."
Oronêl blickte gedankenverloren auf die Hügel, die sich jenseits der Mauer sanft erhoben und sagte: "Ich stand hinter Amdír und du hinter Gil-Galad... Es ist, wie du es gesagt hast, wir stehen immer im Rücken der Herrscher um sie zu stützen, damals wie heute. Doch weder Gil-Galad noch Amdír haben diesen Krieg überlebt, und wir mussten allein zurückkehren. Wird es wieder so sein? Müssen alle sterben, Amrûn, die wir versuchen zu stützen?"
Darauf hatte Amrûn ihm nicht geantwortet.
                                                                                                                                                         
Es ist lange her, das ich zuletzt Freunde hatte...
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und Celebithiel trat ein und Oronêl erhob sich um sie zu begrüßen. Er freute sich, sie zu sehen, und außerdem wollte er endlich mit ihr über diesen verfluchten Ring sprechen. Eigentlich hatte er das schon lange tun wollen, doch immer wieder hatte er es hinausgezögert, und auch jetzt war ihm seltsam unwohl dabei.
"Ich danke dir, dass du gekommen bist.", sagte er seltsam hölzern.
Warum, Oronêl? Warum willst du nicht mit jemandem über diesen Ring sprechen?
Er setzte sich an den Tisch, der in einer Ecke des Zimmers stand, und Celebithiel tat es ihm nach. Ihr Gesicht war ernst, offensichtlich ahnte sie, worüber er mit ihr sprechen wollte. Oronêl atmete tief durch und nahm dann mit einer großen Willensanstrengung den Ring des Nazgûl aus seinem Beutel und legte ihn den Tisch. Celebithiel wich unwillkürlich ein Stück zurück. "Der Ring, einer der Neun...", flüsterte sie. Dann hob sie den Blick von dem Ring und sah Oronêl in die Augen. "Sein Edelstein ist zerbrochen. Wie ist das passiert?"
"Ich weiß es nicht.", antwortete Oronêl. "Ich... Doch, ich glaube, ich weiß es." Er berichtete ihr von seinem geistigen Kampf mit dem Nazgûl und wie er ihn aus seinen Gedanken verbannt hatte. "Der Stein muss zerbrochen sein, als ich ihn besiegte."
"Vermutlich war der Nazgûl durch ihn in der Lage, in deinen Kopf einzudringen. Das bedeutet, dass sein Geist entweder mit dem Stein zerstört wurde, oder noch immer mit dem Ring weiterexistiert. In jedem Fall muss er zerstört werden, denn er ist durch und durch böse, durchdrungen von Saurons dunkler Macht."
Bei diesen Worte empfand Oronêl einen seltsamen Widerwillen gegen Celebithiel, doch er wusste nicht, warum. Er schloss die Augen, und wie von selbst tastete seine rechte Hand über das glatte Holz den Tisches nach dem Ring.
Ich brauche ihn nicht, was will ich damit? Warum tue ich das?
Doch ein fremder Wille schien von seiner Hand Besitz ergriffen zu haben. Sein Finger streifte das kalte Gold des Ringes...
Mit einem Mal drang Celebithiels Stimme durch den Nebel in seinem Geist und er spürte, wie sie seine Hand ergriff: "Oronêl, nein!" Kurz verspürte er den Drang sie zu schlagen und den Ring einfach anzustecken, dann öffnete er die Augen und das Gefühl war vorüber.
Schwer atmend ließ er sich nach hinten fallen und blickte Celebithiel an. "Was... war das? Ich wollte ihn anstecken, ihn besitzen!"
Celebithiel blickte ihn besorgt an und sagte: "Das ist die Macht der Ringe. Sie alle versuchen uns zu verderben. Ich weiß nicht, was passieren würde, würdest du diesen Ring an dich nehmen, doch es würde auch dich irgendwann zerstören. Jeder, der in die Nähe dieses Dinges kommt, wird ihn begehren."
"Dann muss ich ihn vernichten. Aber wie?"
"Das weiß ich nicht, doch ich fürchte, es wird nicht leicht sein. Ich glaube nicht, dass normales Feuer oder ein Hammer ihm etwas anhaben können.", antwortete Celebithiel.
"Trotzdem muss ich es versuchen!", sagte Oronêl, jetzt wieder entschlossen. "Ich werde nicht zulassen, dass dieses Werkzeug Saurons Besitz von mir ergreift."
Er stand auf und blickte aus dem Fenster. Gerade war die Sonne hinter dem Rand des Meeres verschwunden, und nur noch ein blasser Schimmer war auf dem Wasser zu sehen.
Im Westen gibt es keine Ringe... doch ich muss mich zuerst von diesem Ring hier befreien, bevor ich an den Westen denke.
Er bemerkte, dass Celebithiel neben ihm stand und mit ihm aufs Meer blickte.
"Ich werde dir helfen, diesen Ring zu zerstören.", sagte sie, ohne ihn anzublicken.
Oronêl antwortete nicht, doch ihn überkam ein Gefühl tiefer Dankbarkeit, und nicht zum ersten Mal dachte er, was für ein Fehler es gewesen war, sich vor der Welt zu verstecken. Er war einsam gewesen, ohne Freunde, damals wirklich nur ein Relikt vergangener Zeiten, doch nun, mit Celebithiel, Amrûn und Amrothos hatte er erneut Freunde gefunden, und er fühlte sich endlich wieder lebendig.
Sie standen am Fenster, bis der letzte Lichtschimmer hinter dem Horizont verschwunden war und die Nacht sich endgültig über Dol Amroth senkte. "Verstecke diesen Ring, trag ihn nicht bei dir, damit er dich nicht beeinflusst.", sagte Celebithiel und wandte sich zum Gehen. "Und wenn all unsere Versuche, ihn zu zerstören, fehlschlagen, werden wir nach Lórien gehen und Galadriel um Rat fragen, oder nach Imladris zu Meister Elrond. Irgendjemand wird Rat wissen, wie wir es schaffen können, das verspreche ich dir."
Oronêl drehte sich zu ihr um. Sie stand bereits in der geöffneten Tür und er sagte: "Mae Goranen, Celebithiel Ringweise, ich danke dir."
Dann war sie fort, und Oronêl blickte erneut aus dem Fenster.
Ich sollte hier nicht in Trübsal versinken. Ich werde Amrothos suchen gehen...
Bevor er das Zimmer verließ, löste er einen bereits locker sitzenden Teil der Wandverkleidung über seinem Bett, den er bereits am Morgen entdeckt hatte, und steckte den Ring dahinter in eine Mauerritze.
Dort wird ihn niemand finden...
Beruhigt verließ er das Zimmer.


Oronêl in die Stadt

Eandril:
... Oronêl von In der Stadt
... Amrothos vom Palast des Fürsten

Oronêl erwachte davon, dass ein kühler, salzig riechender Luftzug über sein Gesicht strich. Als er die Augen öffnete, erblickte er sofort Amrothos, der schlafend auf einem Stuhl saß, den Kopf auf den Tisch gelegt. Er musst lächel, als er seinen jungen Freund so ah, und erhob sich. Obwohl er gestern Nacht vor Erschöpfung eingeschlafen war, wusste er noch genau, was geschehen war. Aber warum war Amrothos hier und nicht im Palast?
Er ging zu ihm und schüttelte ihn sanft. "Aufwachen, Schlafmütze!" Amrothos hob den Kopf, gähnte herzhaft, und rieb sich die Augen. "Zu wem sagst du Schlafmütze?", sagte er dann empört, "Ich dachte, du seist hinter dem Dritten Angreifer her, und dann finde ich dich hier, schlafend wie ein Toter!" "Ich habe ihn nicht mehr erwischt, und bin dann hier her gekommen um... etwas nachzugucken." Amrothos war sein Zögern nicht entgangen. "Und was war das so wichtiges was du unbedingt überprüfen musstest?"
Oronêl zögerte erneut. "Es... tut mir leid, aber das kann ich dir wirklich nicht sagen. Ich vertraue dir, und ich hoffe du weißt das, aber je weniger Leute von dieser Sache wissen, desto besser. Dieses Wissen würde dich nur in Gefahr bringen und das will ich nicht." Er sah Amrothos an den Augen an, dass er immer noch misstrauisch war, und lenkte deshalb schnell vom Thema ab. "Habt ihr schon herausgefunden, wer die Attentäter waren, und warum sie uns angegriffen haben?" "Nein, der eine, den wir gefangen haben war gestern noch nicht ansprechbar, aber mein Vater glaubt, dass es einer von Hauptmann Mithéldirs Soldaten ist.", antwortete Amrothos.
Einer von Mithéldirs Soldaten... Mithéldir hat mich nach der Schlacht hierher gebracht, als ich den Ring in der Hand hatte, und jetzt will jemand den Ring stehlen. Ein merkwürdiger Zufall?
"Deshalb soll ich heute Morgen wiederkommen, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.", fuhr Amrothos fort. "Außerdem soll ich dich und Hauptmann Mithéldir mitbringen. Mein Vater wird auch da sein." Er stockte und blickte dann aus dem Fenster.
Da war aber noch etwas, was Amrothos ihm verschwieg... "Solltest du mich vielleicht gestern Nacht bereits holen und bist dann hier eingeschlafen?", fragte Oronêl unschuldig.
Amrothos sah betreten drein. "Nun ja... Eigentlich schon, aber als ich hier ankam, musste ich mich erst mal setzen.", sagte er verschämt. "Dabei bin ich wohl eingeschlafen."
Oronêl musste lachen, als er Amrothos so betreten sah. "Vor mir musst du dich deswegen schon gar nicht schämen, schließlich ist mir das auch passiert. Und es hat ja wahrscheinlich keinen Schaden angerichtet." Er fasste Amrothos, der schon wieder etwas besser aussah, an der Schulter und sagte: "Und nun los, lass uns Mithéldir suchen und dann so schnell wie möglich zum Palast. Dein Vater wartet bestimmt schon ungeduldig."

...Oronêl und Amrothos zum Palast des Fürsten

Eandril:
...Oronêl und Celebithiel aus der Stadt


Ich habe wohl etwas überreagiert...
Oronêl stand in seinem Zimmer im Lazarett und Celebithiel lehnte am Türrahmen. "Nichts, es ist alles so wie vorher.", sagte er erleichtert. "Der Ring ist noch hier. Ich glaube, ich bin etwas zu nervös im Moment."
Celebithiel lächelte aufmunternd. "Komm, erzähl mir von diesem Verdacht, den du hattest."
"Ich habe den Verdacht, dass Hauptmann Mithéldir mit dieser Sache etwas zu tun hat. Ich habe Imrahil vorhin nichts davon erzählt, denn..." Er seufzte. "Ich wollte ihn nicht noch mehr belasten. Ich habe das Gefühl, er vertraut seinen Männern, und das ist auch gut so, aber ich wollte ihm diese neuerliche Enttäuschung wenigstens für heute ersparen. Es reicht schon, dass er Verräter in der Stadt hat.
Aber es deutet alles auf Mithéldir hin.
Erstens: Der eine Attentäter war einer seiner Männer, ein anderer erscheint heute zum allerersten Mal nicht zum Dienst. Ich vermute, das ist der, den Amrothos getötet hat, aber das prüft er ja gerade nach.
Zweitens: Wir begegnen zweien seiner Soldaten, und in jenem Augenblicke wird ein weiteres Attentat auf mich verübt.
Drittens: Mithéldir hat mich nach der Schlacht hierher gebracht. Wahrscheinlich hat er den Ring in meiner Hand bemerkt."
Er hatte sich seinen Feinden noch nie so ausgeliefert gefühlt wie jetzt in dieser Stadt. Obwohl die unmittelbare Bedrohung durch Saurons Armee vorüber war, hing noch immer eine Atmosphäre der Angst und der Ungewissheit über Dol Amroth. Zwei Attentate in einer Nacht und dem nächsten Tag.
"Ich fühle mich nicht sicher in dieser Stadt, Celebithiel, ich muss hier weg, muss versuchen den Ring zu zerstören."
Celebithiel nickte verständnisvoll, sagte aber: "Ich bitte dich, bleib noch hier. Noch ist die Gefahr durch Saurons Truppen nicht abgewendet, und ich habe Imrahil versprochen, ihm beim Sturz Suladans zu helfen. Ich wäre froh, dabei auch auf deine Hilfe bauen zu können."
Sie bittet mich um Hilfe! Es ist lange her, dass jemand meine Hilfe benötigte... und sie ist ihm nicht besonders gut bekommen. Aber ich werde ihr und dieser Stadt, dem Erbe Amroths, meine Hilfe nicht versagen.
"Nun gut, ich bleibe. Aber wenn ein Jahr um ist, werde ich Dol Amroth verlassen, und mich auf die Suche nach einer Möglichkeit, den Ring zu zerstören, machen.", erwiderte er mit fester Stimme.
Wie schon am Abend zuvor stand Oronêl am Fenster und Celebithiel in der Tür, doch diesmal ergriff sie das Wort: "Ich danke dir, Oronêl Waldsohn. Ich werde dich begleiten, wie ich es dir gestern Abend versprochen habe. Doch nun muss ich dich verlassen. Es gibt noch viel zu tun, bevor diese Lande Frieden haben können..."
Und mit diesen Worten verließ sie den Raum.


Oronêl in die Stadt
Celebithiel zum Hafen

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