Pratchett hat mal zu Tolkien und seinen Auswirkungen auf andere Fantasy-autoren etwas interessantes gesagt, es war in etwa so:
"Ich denke, jeder, der Fantasy schreiben möchte, wird in irgendeiner Weise von Tolkien bei seinem Werk beeinflusst, und sei es nur, um alles anders zu machen als Tolkien."
Habt ihr schon mal versucht, euch im Rahmen eines Rps oder so eine Fantasy-story zu überlegen, die nichts mit Tolkien zu tun hat? Das ist ganz schön schwer. Egal, welche verschiedenen Bösewichter und Helden man erdenkt, in klassisch mittelaltericher Fantasy läuft alles auf einen Sauron, einen Thronfolger und einen gewöhnlichen Hobbit/Stallburschen/wasauchimmer hinaus, der ganz groß rauskommt. Die einzige Möglichkeit, dieses Schema aufzubrechen, scheint mir zu sein, Bezug auf die Realität anstatt auf Sagen zu nehmen, und das war etwas, das Tolkien auf keinen Fall wollte. Sein Werk sollte linguistisch orientiert sein und England eine eigene Mythologie geben, auf politische Anspielungen und dergleichen legte er keinen Wert. Vieleicht ist das auch eine Möglichkeit, Fantasybüchern literarisch mehr Anerkennung zu verschaffen. Die Standardfantasy kommt in Fachkreisen meistens nicht sehr gut an, soweit ich weiß.
Terry Pratchett leistet in dieser Hinsicht gute Arbeit: Er liest praktisch überhaupt keine Fantasy, und wenn er irgendetwas aus der klassischen Fantasy übernimmt, parodiert er es.
Man siehe beispielsweise:
Rade... Nein, Ridcully der Braune, ein Zauberer, der die Natur liebt, besonders, wenn sie ihn aus Glasaugen von der Wand seines Büros anstarrt oder in Form eines Teppichs für mehr Bequemlichkeit sorgt. Er ist ein begeisterter Jäger, den man in der Unsichtbaren Universität (dem größten Institut für Magie auf der Scheibenwelt) nach seinem langjährigen Aufenthalt auf dem Land zum Erzkanzler (= Obermotz der Zauberer) ernannte, weil man glaubte, ihn leicht wieder loswerden zu können, wenn Bedarf entstand. Der brüske und bärenstarke 70-jährige erwies sich jedoch als unermordbar, da er mit zwei gespannten Armbrüsten schläft und seinen zwei Meter langen Zauberstab lieber zum Zuschlagen als zum Zaubern verwendet.
Meistens sind die Anspielungen aber eher auf Umstände abgezielt, die wirklich bei uns herrschen, oder aber auf unsere Geschichte. Denn im Gegensatz zur Fantasy interessiert sich Pratchett sehr für Wissenschaft und Geschichte. Ich glaube, dass das eine (gar nicht neue!) Möglichkeit ist, um die Fantasy wieder etwas "aufzufrischen", denn das heute nichts mehr neues mit klassischer Gut-Böse-fantasy zu erreichen ist, dürfte jedem klar sein. Es gibt jaber auch schon zahlreiche Autoren, die entsprechende Ansätze entdeckt haben.
Man darf gespannt sein^^