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Tolfalas

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--Cirdan--:
Nachschwingungen

Das kalte Wasser beendete die Benebelung Merians, die von dem riesigen Stein ausgegangen war. Seine Gedanken sammelten sich wieder und als sich Merian das Salzwasser aus den Augen gerieben hatte, sah er, dass der Strand nun nicht mehr verlassen war. Einige Menschen standen um den Stein herum und blickten starr hinein, wie auch er selbst zuvor. Es waren einige Kammeraden, die mit ihm den Schiffbruch erlitten hatten, aber auch fremde Gesichter erkannte er. Männer und Frauen in Arbeitskleidung. Vielleicht Bauern oder Fischer, die in der Nähe wohnten.
Wieder umrundete Merian den dunklen Stein und erkannte zu seiner großen Freude Angbor auf der anderen Seite. Der alte Fürst aus Lamedon hatte sich offenbar ebenso erfolgreich von Bord an Land retten können, wie Merian.

Eine Böschung hinunter, in die der Strand endete, kamen nun immer mehr Menschen und auch einige Kinder. Sie machten einen friedliebenden Eindruck auf Merian und blicken erstaunt aus der Ferne zu dem Stein. Sie schienen alle aus einem Dorf zu kommen, wo die Nachricht dieses merkwürdigen Fundes und des Schiffunglückes umgegangen sein musste.

Merian fragte sich, wie lange er wohl in den Stein geblickt hatte. Es war ihm eigentlich nur wie ein kurzer Moment vorgekommen, doch dass in einer solch kurzen Zeit so viele Menschen herbeigekommen waren, wunderte ihn. Merian versuchte sich an alle Einzelheiten  seiner Version zu erinnern, doch erste Teile begannen bereits zu verschwimmen.
Schlagartig keuchte Angbor auf und riss Merian aus seinen Überlegungen, bevor er richtig begonnen hatten. „Was hast du gesehen“, rief Merian. Angbor kniete sich hin und nach einer kurzen Pause in der er seine Stärke sammelte, begann er zu berichten: „Es war Aragorn auf dem Turm, auf dem dunklen Turm von Mordor, in Ketten. Er wurde geschlagen, gequält, gefoltert von Orks. Und dann kam Er, der dunkle Herrscher, Sauron. Ich wette mein ganzen Fürstentum darauf, dass es Sauron war, in einer körperlichen Gestalt! Und dann…“ Angbor schwieg. Er schaute Merian fragend an: „Hast du es nicht gesehen Merian?“ Angbor keuchte noch einmal tief und in seinem Gesicht erkannte Merian einen Schrecken, den er zuvor noch nie bei ihm gesehen hatte.
Bis jetzt berichtete Angbor genau das Gleiche, was auch Merian gesehen hatte. Doch verstanden hatte Angbor es offenbar besser. „Merian, ich lag die ganze Zeit falsch“, fuhr Angbor fort und erklärte auf Merians fragende Blicke ausführlicher, „in den Kerkern in Linhir als wir über Aragorn sprachen und ich viel Zeit zum Nachdenken hatte, da dachte ich, er sei ein Verräter und er führte Saurons Pläne aus. Ich dachte er hätte uns absichtlich zum Schwarzen Tor geführt damit das Heer der freien Völker dort besiegt werden könnte. –Aber nein. Dies zeigt“, und Angbor deutete heftig winkend auf den Stein, „dass Aragorn wahrhaftig der rechtmäßige König und Widersacher des Bösen ist und Sauron weis dies auch. Merian, verstehst du nicht?! Er hat gedroht den König von Gondor zu töten, wenn die freien Haradrim und die Menschen Gondors sich verbünden und gemeinsam in Linhir den Gilrain durchqueren um sein Land im Osten anzugreifen. Sie dürfen den Fluss nicht durchqueren!“

Viele weitere Menschen hatten Angbor zugehört und als dieser geendet hatte, wurde es still. Alle dachten über die Version nach, die sie gesehen hatten, und über die Vermutungen Angbors, was diese zu bedeuten hatte.
Merian schienen Angbors Vermutungen schlüssig, obwohl er selbst nie darauf gekommen wäre und den Mann nicht als Aragorn erkannt hatte. Doch immer noch hatte Merian einige Fragen. Er wollte wissen, wie ein Stein überhaupt solche Bilder zeigen konnte und wie er hierhergekommen war. War es wirklich Sauron, der da aus seiner Festung herausgetreten war?
„Was sollen wir tun?“, erklang es aus den Reihen und von anderer Seite hörte man unsicher: „Was wird von uns erwartet?“  Alle sahen sich um, als sei es ein Spiel bei dem sie die Regeln zum Sieg noch nicht verstanden und nun nach jemanden suchten, der es ihnen erklären könnte. Doch es gab keinen und letzen Endes  landeten die Blicke alle wieder bei Angbor, von dem nun eine Entscheidung erwartet wurde.
„Wir müssen sie warnen, was ein Überqueren des Gilrain bewirken würde“, erklärte Angbor zu der Menge hin, „dass sie den Fluss in den nächsten Tagen mit dem ganzen Heer durchqueren um weiter vorzustoßen, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Trotzdem sollten wir uns beeilen und Linhir schnellstmöglich von unseren Erfahrungen berichten.“ Daraufhin wandte sich Angbor zu einem der Fischer: „Habt ihr ein Schiff, das ihr nach Linhir entsenden könnt?“ Der Fischer verneinte. Die Menschen der Insel hatten zwar kleine Fischerboote, doch die waren für die Entfernung und bei der Windstärke nicht geeignet. Ein anderer Bewohner wies jedoch wohlwollend darauf hin, dass am nächsten Morgen ein Schiff aus Dol Amroth erwartet wurde, wenn es sich wegen dem Sturm nicht verspätete.

Nach einigen weiteren austauschenden Worten luden die Inselbewohner die Schiffbrüchigen in ihr Dorf ein. Alle zusammen verließen sie den Stein und begaben sich auf einen engen Pfad. Nach kurzer Zeit entlang einer Steilküste wurde Merian offenbart, was mit den Korsaren, die sich an Land retten konnten, geschehen war. Auf der Steilküste waren Pfähle geschlagen und die Männer Umbars daran festgebunden –tot. Viel Trauer empfand Merian nicht, denn nur wegen der Torheit der Korsaren waren sie in diesen Sturm geraten, hatten ihr Leben riskiert und nicht wenige ihres auch verloren.
Odjana erkannte Merian nicht an den Pfählen.

Einige Anhöhen und Wendungen des Pfades später, hatten sie einen schönen Blick auf das Dorf der Bewohner. Es lag erhöht hinter einem kleinen Wald in Nähe des Meeres. Die wenigen Häuser waren einfachster Bauart aus Holz und Stroh. Einige waren zudem ziemlich heruntergekommen und sehr alt.
„Wo sind wir hier“, frage Merian einen Fischer, der neben ihm ging. Der alte Mann antwortete und nannte den Namen des Dorfes. Anschließend fügte er ergänzend hinzu: „Tolfalas, ihr seid auf der Insel in der Bucht von Belfalas, mein Herr.“

Auf einem kleinen Platz in mitten des Dorfes sammelten sie sich und erst jetzt wurde Merian bewusst, wie wenig der Männer überlebt hatten. Sie waren zu zehnt, wobei vier weitere aus Merians Dorf Cirit Dûm stammten und Zwei Begleiter Angbors waren. Die letzten Zwei hatte Merian zuvor noch nie gesehen, aber sie stammten ganz klar aus Gondor.
Der alte Fischer nahm Merian bei sich im Haus auf, er lebte sowieso alleine, und die Anderen teilten sich auf und erhielten ebenso Unterkunft in den verschiedenen Häusern.
Merian legte seine immer noch feuchte Kleidung ab und erhielt einen wärmenden Mantel. Am Feuer im Haus wärmte er sich zudem. – Die Wärme und Ruhe war so wohltuend und es dauerte nicht lange bis Merian eingeschlafen war.

--Cirdan--:
Die Tage auf Tolfalas

Lange schlief Merian nicht an dem sonnigen Nachmittag. Immer wieder wachte er mit pochendem Herzen auf und sah die schrecklichen Bilder der Schlacht in der Schlucht vor sich. Die jungen Männer und Familienväter, die für immer aus dieser Welt geschieden waren. Gondorer und Haradrim gleichermaßen, die sich gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben. Eine friedlichere Welt, das wünschte sich Merian.

Am Abend stand er wieder auf, lief unruhig umher und setzte sich letztendlich zu dem alten Fischer an den Esstisch. Der Mann stand auf und trat hinter Merian. Seine Hand, so rau wie die wie See, aber nicht so rau wie der Fischer selbst, legte er auf Merians Stirn. „Du glühst vor Hitze“, sprach der alte Mann und begann einen Tee aufzusetzen. Währenddessen erzählte er Merian von seinem Schicksal. Seine beiden Söhne waren in den Kämpfen um Osgiliath und Minas Tirith ums Leben gekommen und seine Frau starb vor zwei Jahren an einer seltenen Krankheit. Der Alte war nun alleine und hatte niemanden mehr und das Leben war schwer, denn die Fürsten verlangten hohe Abgaben seiner gefangenen Fische.
Merian sagte zu alldem nichts. Ihn erinnerte diese Geschichte zu sehr an seine Eigene und an die Verluste, die er zu ertragen hatte. Er wollte sich daran jetzt nicht erinnern. Schnell trank Merian den Kräutertee aus und legte sich danach wieder schlafen.

Erschöpfter den je fühlte Merian sich. Nicht körperlich, damit kam er als Steinmetz klar, auch wenn seine Arme noch immer schmerzten nach dem Rudern am Vortag. Nein, es war sein Inneres, was ihn bremste und aufhielt. Geist und Seele hatten die letzen Tage noch nicht verarbeitet. Die Folter im Kerker von Linhir, Flucht und Geheimnisse, die Schlacht in der Schlucht, der Kampf am Hafen, die wilde Überfahrt und zu Letzt die grausamen Bilder, die ihm der riesige Stein gezeigt hatte.
Ein wenig Ruhen, ein bisschen Schlafen, das versuchte Merian den Abend und die ganze nächste Nacht lang. Immer wieder schreckte er hoch, redete im Schlaf, hustete und drehte seinen schweißnassen Körper unruhig hin und her.

Angbor besuchte Merian am Morgen und erzählte von Odjana und vier Korsaren, die sich nach dem Schiffsbruch in eine Höhle der Steilküste retten konnten und jetzt gefunden wurden. „Am Abend werden sie hingerichtet“, erklärte Angbor gleichgültig, während er neben Merians Bett stand. „Sie alle?“, keuchte Merian. Angbor nickte, mit verschränkten Armen vor der Brust.

Am Abend erhob sich Merian unter Anstrengungen und trat hinaus aus dem Haus auf den Dorfplatz. Einige Bewohner hatten sich versammelt und betrachteten die angeketteten Korsaren.
„Macht uns los“, rief Odjana, als sie Merian erkannte. Er erinnerte sich an seine eigenen Ketten auf dem Korsarenschiff. Odjana war es, die befohlen hatte sie loszumachen und somit vermutlich Merians und der Anderen Leben gerettet hatte.
Langsamen Schrittes ging Merian zu ihr hinüber. Niemand der Anwesenden schien ihn aufhalten zu wollen, aber alle beobachteten ihn argwöhnisch. Merian kniete nieder und öffnete Odjanas Ketten.
„Bist du krank?“, fragte Odjana zu Merians erstaunen und erklärte weiter, während sie auf einen ihrer Begleiter deutete, „Aḥmad ist gelehrt in der Heilkunde. Er kann helfen. Lasst ihn am Leben und auch die Anderen. Sie sind Menschen, wie auch ihr. Wir müssen keine Feinde sein, wir wollen keine Feinde mehr sein.“

Merian sah hoffnungsvoll zu Angbor, der grimmig dreinsah aber schließlich befahl die Korsaren am Leben zu lassen, sie jedoch als Gefangene zu betrachten. Odjana und Aḥmad durften sich frei bewegen, nachdem sie schwören ihre Kammeraden nicht zu befreien und Niemandem zu schaden. Den ganzen Abend pflegte Aḥmad Merian. Angbor nannte es Dunkle Medizin, aber Merian spürte bald, wie es ihm besser ging und in der Nacht schlief er schon um einiges ruhiger.

Am nächsten Tag wollten sie aufbrechen zum Landsitz der Fürsten Dol Amroths und Hafen von Tolfalas. Der alte Fischer trat vor Merian und schenkte ihm zum Abschied ein Paar Stiefel. Sie hatten die besten Tage bereits hinter sich und waren ausgetreten, aber Merian freute sich sehr und dankte dem Alten.
„Noch etwas habe ich für dich“, verkündete der freundliche Fischer stolz, „meine verstorbene Frau war eine begeisterte Leserin und interessierte sich sehr für die alte Geschichte und Ahnenkunde. Sie arbeitete lange im Landsitz der Fürsten, wo solch mancher alter Wälzer eingelagert ist. Wie auch dieser.“ Und mit diesen Worten holte er ein in Leder gebundenes Buch hervor. „Auch mir hat sie das Lesen beigebracht“, sprach der alte Mann weiter, „und somit konnte ich finden, was sicherlich interessant für dich ist.“ Er schlug eine markierte Seite auf und Merian las stockend die Überschrift: „Die sieben Palantíri.“

„Sehr gut. Ein belesener Steinmetz“, freute sich der Fischer und spielte darauf an, dass es in seinem, wie in Merians Beruf, untypisch war des Lesens mächtig zu sein. Merian entgegnete ehrlicherweise, dass er das Lesen erst vor kurzem erlernt hatte und es keinesfalls gut könne oder geübt sei.
„Von den sieben sehenden Steinen wird berichtet“, erklärte der Alte, „von den Palantíri, die einst in Gondor und Arnor verteilt wurden. Ich habe schon einiges gelesen und so groß, wie der Stein am Strand war, kann es eigentlich nur einer der Sieben sein. Der Stein von Osgiliath, der während des Sippenstreites in den Anduin fiel und verloren ging. Bis heute, wie es scheint.“
„Was bewirkt der Stein“, fragte Merian und der Fischer erzählte über die sehenden Fähigkeiten des Palantíri. „Behalte das Buch fürs Erste und lese, was dich interessiert. Aber bitte gib es am Fürstensitz ab, wenn ihr dort vorbeikommt.“

Merian bedankte sich noch einmal und am Vormittag brach er mit Angbor und seinen anderen Begleitern auf, sowie Odjana und den überlebenden Korsaren. Ein Inselbewohner führte sie durch das fremde Land auf Wegen, die mal durch kleinere Wälder führten, mal näher an die Küste und hindurch kleiner Fischerdörfer. Sie sahen die Auswirkungen des Sturmes, der ganze Häuser abgedeckt und angebundene Fischerboote im Hafen zum Volllaufen oder Kentern gebracht hatte. An einem kleinen Süßwasserbach, der aus dem Bergen Tolfalas herunter floss, rasteten sie und schreckten eine ganze Gruppe Möwen auf, die diesen Pausenplatz vor ihnen genutzt hatten.
Merian las noch einige Zeilen des Buches, gab es aber schnell wieder auf. Er legte sich in die Sonne und genoss die Wärme. Dass sie nur wegen seinetwegen rasteten, da er noch nicht gesund war und sichtlich schwereren Schrittes wanderte, entging ihm.

Am Abend kamen sie am Landsitz der Fürsten vorüber, wo Merian das Buch zurückgab, und wenig später erreichten sie den Hafen und das größte Dorf von Tolfalas. Kein Handelsschiff aus Dol Amroth lag im Hafen und würde sich somit tatsächlich durch den Sturm verspäten. In einem leeren Haus am Rande des Dorfes übernachteten sie. Die Korsaren wurden gefesselt und stätig von mindestens Einem bewacht.

Zwei tagelang halfen Angbor und einige Männer bei den Reparaturen an Häusern, an denen der Sturm gewütet hatte. Dann kam das Handelsschiff und legte im Hafen an. Angbor sprach lange mit dem Kapitän, während viele Waren eingeladen wurden. Schließlich dürften sie an Bord gehen und am frühen Abend setzten sie Segel.
Etwas mulmig war Merian, schon wieder ein Schiff zu betreten. Doch dieses Mal schien die See ruhiger.


Merian, Angbor und Odjana mit dem Schiff hinaus in die Bucht von Belfalas.

kolibri8:
Qúsay und Dirar mit dem Schiff aus Linhir.

Bevor sie Tolfalas anfuhren, ließ Qúsay das Banner Gondors hissen, um den Bewohnern von Tolfalas anzuzeigen, das es keine Feinde waren, die auf diesem Schiff waren.
Qúsay und Dirar, beide immer noch in gondorischer Tracht, gingen von Bord des Schiffes, und Qúsay überreichte Imrahils Statthalter auf der Insel den Brief, der ihn als Verlobter Lothíriels und sie als neue Herrin über Tolfalas auswies. Aber auch auf Tolfalas verblieb Qúsay nicht lange, er erließ aber, dass die bisherigen Abgaben der Bauern festgeschrieben und Baumaterialien zur Harnenmündung in Harondor geschafft werden soll. Außerdem sollen alle Waffenfähigen Männer eingezogen werden und zu Kriegern ausgebildet werden, schließlich könnte Tolfalas bald Ziel eines Angriffes werden.

Nachdem er dies erlassen hatte, verabschiedete Qúsay sich vom Statthalter, und bestieg wieder das Schiff, um nach Harondor zu fahren.

Qúsay und Dirar mit dem Schiff nach Harondor.

Fine:
Valion, Ardóneth, Rinheryn, Damrod, Thandor, Glóradan und Areneth vom Anduin


In einer kleinen Bucht, die von einem breiten Sandstrand geprägt wurde, kamen die drei Boote der Waldläufer schließlich zum Halt. Die Insassen hatten sich inzwischen darauf geeinigt, im Hafen von Tolfalas nach einem Schiff zu suchen, das sie nach Dol Amroth oder Linhir bringen würde. Rasch begannen die Waldläufer, die wenigen Habseligkeiten auszuladen, die sie bei ihrer Flucht aus Ithilien hatten retten können und wateten durch das flache Wasser ans Ufer.
Valion nutzte die Gelegenheit, um mit Ardóneth über das zu sprechen, was er während der Fahrt auf dem Anduin erfahren hatte. Der Dúnadan zeigte sich erfreut darüber, dass Valion ihm eine Spur zu Haus Glórin anbot.
"Das sind gute Neuigkeiten," sagte er. "Wenn es noch Nachfahren Glórins in Gondor gibt, wissen sie bestimmt etwas über den fehlenden Schlüssel. Von einem Ort namens Túm-en-Dín habe ich jedoch selbst während meines Lebens in Gondor noch nie gehört."
"Ich kannte es bis vor Kurzem auch nicht," erwiderte Valion. "Es ist ein Tal von Hinterwäldlern, nach allem was man so hört. Liegt in den Emyn-en-Ernil, dem Gebirge im Zentrum von Belfalas. Ich schlage vor, wir sprechen in Dol Amroth mit Hilgorn, dem General der Streitkräfte des Schwanenfürsten. Er stammt von dort."
"Ein guter Ansatz," befand Ardóneth. "Dann sollten wir uns jetzt um die Überfahrt kümmern."
"Das könnte sich als schwieriger als erwartet erweisen," sagte Damrod missgelaunt. Der Anführer der Partisanen war hinzu getreten, während Valion sich mit Ardóneth unterhalten hatte. "Der Haupthafen der Insel liegt im Südosten von Tolfalas, nahe Kap Arastar. Weil die Insel so unwegsam ist und es kaum Straßen gibt, werden wir zwei Tage dorthin brauchen und müssen dabei darauf Acht geben, dass dein wertvoller Gefangener nicht entkommt, Valion."
Valion warf einen raschen Blick zu Gilvorn hinüber, den man kurzerhand an einen Baum am Strand gefesselt hatte. Während ihrer Fahrt den Anduin hinab hatte der Verräter zwei Fluchtversuche unternommen und war nur dank der Wachsamkeit der Waldläufer noch immer in ihrem Gewahrsam. Bei einem harten Marsch durch schwieriges Gelände würden sich vermutlich viele weitere Gelegenheiten für eine erfolgreiche Flucht ergeben, das war Valion klar.
"Uns bleibt keine Wahl," befand er. "Wir müssen..."
"Segel in Sicht!" unterbrach ihn der Ruf eines der Wachtposten. Einer der Waldläufer Damrods, der junge Glóradan, hatte auf einem der nahen Hügel Posten bezogen und deutete nun aufgeregt nach Westen. Die Sonne stand hoch am Himmel und schien auf ein großes Schiff hinab, das sich seinen Weg in die Bucht bahnte. Es war aus hellem Holz gebaut und besaß drei große Masten, die mit hellblauen Segeln versehen waren. Zweifelsfrei stammte es aus Dol Amroth.
"Ganz schön groß," befand Rinheryn. "Was will ein Kriegsschiff wie dieses eines ist denn hier?"
"Wir werden es gleich erfahren," brummte Damrod. "Sie lassen Boote zu Wasser."
Und tatsächlich näherte sich ihnen ein Beiboot, das mit Soldaten gefüllt war. Einer der Männer trug das Banner von Dol Amroth mit sich und hielt es stolz in die Höhe. Wenige Minuten später hatten die Neuankömmlinge den Strand ereicht und sprangen in das flache Wasser der Bucht.
Valion riss überrascht die Augen auf, als er sah, wie die Soldaten ihre Schwerter zogen und mit drohenden Haltungen auf die Gruppe der Waldläufer zukamen. Er legte die Hand auf den Griff eines seiner Schwerter und trat den Soldaten entgegen, dicht gefolgt von Dol Amroth.
"Heda! Warum so bedrohlich, Söhne Gondors? Wir sind nicht eure Feinde," sagte er laut, als die Soldaten herangekommen waren.
"Was habt ihr hier zu suchen? Dieses Land steht unter dem Schutz der Flotte von Dol Amroth," antwortete man ihm. "Die Fürstin von Tolfalas duldet keine Korsaren oder Landstreicher, die ungefragt ihr Gebiet betreten."
"Dann sag deiner lieben Fürstin, dass sie sich bei ihrem Volk nur wenig beliebt macht, wenn sie jeden frei herumlaufenden Menschen mit gezogener Waffe nach seinen Absichten fragen lässt," hielt Valion dagegen. "Ich bin Valion vom Ethir, ein Lehnsfürst von Gondor. Und jetzt steckt die Waffen weg."
Noch einen Moment zweifelten die Soldaten, doch dann erkannte einer von ihnen Rinheryn, und ein weiterer bezeugte, dass Valion tatsächlich derjenige war, der er zu sein vorgab. Entschuldigungen wurden gemurmelt und einer der Krieger sagte: "Ihr müsst das verstehen, Herr. Wegen dem Krieg in Harad kommen viele der Haradrim nach Gondor, um den Kämpfen zu entgehen. Doch nicht alle von ihnen haben gute Absichten. Wir werden auf Anordnung der Fürstin nicht zulassen, dass sich Korsaren bei uns einnisten."
"Und deshalb fahrt ihr mit eurem Kriegsschiff die Strände ab?" vermutete Rinheryn.
"Es war die Idee der Fürstin. Sie selbst führt uns an. Sie wartet an Bord der Rache auf unseren Bericht."
"Dann sollten wir mit ihr sprechen," schlug Damrod vor.
"Oh, das werden wir," sagte Valion.

Es dauerte nicht lange bis alle Waldläufer an Bord der Rache von Edhellond gebracht worden waren. Und dort erwartete Valion eine Überraschung.
"Lothíriel?" entfuhr es ihm.
"Die Fürstin von Tolfalas," korrigierte ihn einer der Soldaten."
"Wann ist das denn passiert?" wollte Rinheryn neugierig wissen.
Valion erinnerte sich dunkel daran, während seines Aufenthalts in Dol Amroth irgendwann am Rande mitbekommen zu haben, dass man Lothíriel im Rahmen der Bündnisverhandlungen mit Qúsay von Harad zur Fürstin von Tolfalas ernannt hatte. Doch dass sie ihr Amt nun tatsächlich angetreten hatte, war ihm neu.
"Sieh an, Valion. So sieht man sich wieder. Du hast eine wunderschöne Hochzeit verpasst," sagte Lothíriel, die ein rotes Kleid trug, in das ein Kettenhemd eingearbeitet war. An ihrem Gürtel hin ein Schwert und ihr Umhang war rot und weiß - die Farben von Tolfalas. "Ich bin mir sicher, Hilgorn und Faniel waren nicht allzu traurig über deine Abwesenheit."
Valion winkte ab. "Ich kann ihm bestimmt später noch gratulieren. Lothíriel - wir müssen dringend nach Dol Amroth."
"Wieso das? Erst möchte ich wissen, was du hier machst, und wer all diese Leute sind."
"Also gut," seufzte Valion und stellte zunächst Damrod als den Anführer der Waldläufer Ithiliens vor. Lothíriel machte ein bestürztes Gesicht als sie vom Fall Bâr Húrins hörte und legte Damrod mitfühlend eine Hand auf die Schulter. Dann fasste Valion ihr in wenigen Sätzen zusammen, was seit seiner Ankunft in Minas Tirith geschehen war und welche Rolle Ardóneth und dessen Schwester dabei gespielt hatten.
Lothíriel nickte wissend, dann schaute sie Rinheryn an und legte den Kopf leicht schief. "Von dir habe ich schon einige Jahre nichts mehr gehört, Rinya," sagte die Prinzessin und lächelte. Doch zu Valions Überraschung erwiderte Duinhirs Tochter die Zuwendung nicht. Stattdessen senkte sie nur leicht das Haupt, ehe sie sich wieder abwandte und unter Deck verschwand.
"Was hatte das denn zu bedeuten?" fragte Valion.
"Später," wiegelte Lothíriel ihn ab. "Es gibt da noch eine wichtige Angelegenheit, die wir klären müssen, ehe wir nach Dol Amroth aufbrechen. Valion... Im Namen meines Vaters, Fürst und Statthalter Imrahil von Dol Amroth... bist du hiermit verhaftet. Nehmt ihm die Waffen ab und sperrt ihn in die Brigg."


Valion, Ardóneth, Lothíriel, Damrod, Rinheryn, Thandor, Glóradan und Areneth zur Bucht von Belfalas

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