Kapitel 1
Als der Kapitän der K-43 die Augen aufschlug, sah er, wie sich von dem Gitter über seinem Kopf ein Tropfen löste. Er fiel auf seine Stirn. Als er ihn wegwischen wollte, durchfuhr ihn auf einmal ein heftiger Schmerz, der von seiner Hand durch den Arm und in seinen Kopf schoss. Die Hand war verschorft und übersät mit rot geäderten Brandblasen. Der schlimmste Teil war von einem Verband umgeben, doch der war von Blut durchtränkt, und hatte bereits eine bräunliche Färbung angenommen.
Orenski roch an der Verletzung, ein leicht säuerlich fauliger Geruch ging vom Verband aus. er hob eine der Binden an doch noch fast im selben Moment musste er sich vor Ekel übergeben. Eine Art Gemisch aus geronnenem Blut und Eiter quoll unter den Binden hervor. Er unterdrückte die Übelkeit und setzte sich auf.
Wie eine große Welle stürmten auf einmal die Erinnerungen auf ihn ein:
Die geheime Mission, K-43. Der Neunte Mai. Eine Feier. Und dann die Explosion. Wie war er hierher gelangt? War er noch auf der K-43? Denn er hörte die vertrauten Geräusche, und roch die warme, leicht stickige Luft.
Was war geschehen?Plötzlich tönte eine Ansage durch blecherne Lautsprecher.
"Wir werden jetzt die Eisdecke durchstoßen! In vier Minuten wird die Kollision stattfinden, bereiten sie sich vor." Es war die Stimme von Vortschek, dem dritten Offizier. Das verwirrte ihn, denn er dachte, dass die Explosion das U-Boot versenkt haben müsste.
Er setzte sich auf, wobei er jedoch behutsam darauf achtete, dass er seine verletzte Hand nicht belastete.
Das Boot fing, zur Überraschung des Kapitäns an, seinen Bug zu heben, und alles stand auf einmal in einer Schräge. Die schwere Stahltür der Kajüte schwang auf, als die Schwerkraft ihren Tribut forderte, und schlug donnernd gegen die ebenfalls stählerene Wand, und das Dröhnen erfüllte Orenskis Schädel. Er bekam Kopfschmerzen.
Auf dem Flur rannten hektisch Mãnner vorbei, doch niemand schien ihn zu beachten. Alle riefen laut umher, von den lauten Geräuschen bekam Orenski Kopfschmerzen. Er legte seinen Kopf auf die linke Hand und betastete seine Stirn.
Schweißperlen glitten von ihr ab, der Kapitän wischte sie mit der Hand weg.
"Kapitän?" ein junger Matrose, dessen Namen Orenski vergessen hatte, stand in der Tür. Die Notbeleuchtung schien rot auf sein Gesicht. "Sind sie wach? geht es ihnen gut? Haben Sie-""Was ist passiert?"- Unterbrach ihn Orenski. "Vortschek hat das Schiff übernommen, seien sie froh das noch am-"
Mitten im Satz erfüllte ein lautes Geräusch, als würde jemand mit einer Harke über Granit kratzen, erfüllte ihre Ohren. Der Stahlboden vibrierte unter ihren Füßen. Verängstig klammerte sich der Matrose an ein Rohr, das aus der Wand herausragte, und er erbleichte. "Halten sie sich fest, Wir brechen durch!", schrie er. Das Boot wackelte wie bei einem Erdbeben, und Orenski fiel auf den Rücken. Sein Kopf schlug auf dem Stahlboden auf, und er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Mühsam zog sich der Kapitän mit den Händen zur Wand der Kajüte, in Richtung des Matrosen. Zentimeter für Zentimeter. Das Boot rumpelte erneut. "Was passiert hier?!" Schrie Orenski dem jungen Mann entgegen. "Wir-wir brechen durch die Eisdecke!" ,antwortete der. Orenski war noch verwirrter:
Was zur Hölle ging hier gerade vor?
Das Rumpeln wurde lauter, und das Boot wackelte noch heftiger hin und her.
Der Kapitän war an der Wand angekommen, und hielt sich an einem Rohr fest. "Verfluchte Scheisse!..." sagte der Matrose mehr zu sich selbst, während das Rumpeln unaufhörlich schlimmer und lauter wurde. Dann wurde es unterstützt von einem metallenes Kreischen, und einem Geräusch, als würde ein Riese eine Konservendose mit den Zähnen öffnen. Dann, für wenige Augenblicke, eine kalte Stille. Plötzlich ein Ruck, Orenskis fiel auf den Boden, direkt auf seine verbundene Hand. Er hörte es Knirschen, merkte das die Knochen gebrochen waren. Vielleicht war es auch nur einer, vielleicht auch das ganze Handgelenk. Er wusste es nicht. Er wusste überhaupt nichts. Wieso war er nur am Arm verletzt. Wieso versucht der Befehlshaber des Schiffes hörte er es durch die Lautsprecher:
"Alarmstufe Rot! Der Reaktor wurde beschädigt! Alarmstufe Rot! Breit machen für Evakuation. Bleiben sie ruhig und bereiten sie sich vor. Ich wiederhole: Bleiben sie ruhig." Vortschek legte einen Schalter um um das Mikrofon war wieder aus. Er seufzte. Als er als Ingenieur eingezogen wurde, hatte er sich nicht gedacht, das er jemals den Befehl über die Brücke eines Atom-U-Boots der russischen Marine innehaben würde. Eigentlich war er dazu in der Befehlskette nicht vorgesehen, aber zu Zeit hatten sie deutlich wichtigere Probleme als die Befehlskette. Wie eine Feuerwerk leuchteten die farbigen Lämpchen der Alarmanzeigen. Doch der Mechaniker bleib ruhig, und dachte nach: Er wusste wie schlimm es um das Boot stand, und acuh der Reaktor war schon beschädigt. Warscheinlich hatte das Auftauchen ihm nun den Rest gegeben. Trotz all der Menschen, die um ihn herumhasteten, und der en angsterfüllte Gesichter sich gegenseitig Meldungen zuriefen, blieb er stehen und stützte sich auf die Schaltfläche. Vortschek dachte weiter nach. WEnn sie hierbleiben würden, müssten sie sterben, die Strahlung würde sie einem nach dem anderen zerfressen. Aber was erwartete sie denn ausserhalb des U-Boots? Eine kalte Wüste aus Eis und Schnee, in der immer eisiger Winter herrschte. Sie waren auf jedenfall verloren. Vortschek dachte an seine Familie. An die kleine Wohnung in Smolensk, in der seine Mutter und seine Schwester wohnten. Und er dachte an Irka, ein Mädchen das er geliebt hatte, bevor er zur Marine ging.
Warscheinlich hat sie schon einen anderen, vielleicht ja schon geheiratet. Aber Hoffnung gibt es immer. Vielleicht auch hier... Nein, er würde hier nicht sterben, ganz sicher nicht. Plötzlich fasste ihn eine Hand an der Schulter, wenn auch nur sehr zaghaft. " Entschuldigen sie, Genosse..." Vortschek drehte sich um. Vor ihm stand ein junger etwas kleiner Matrose mit einem verwirrten Gesichtsausdruck, in dem der Mechaniker Angst sehen konnte. " Der Kapitän , nun ja... er ist aufgewacht." ,sagte dieser zögernd."Und? Konnte er sich an etwas erinnern? Weiß er was genau passiert ist?" "Das bezweifle ich - er hat mich gefragt was passiert sei, also...". Ein Navigator rief etwas durch den Raum:"Wir sind jetzt ganz oben! Wir sind jetzt an der Luft!"
"Sie kommen mit mir!", forderte Vortschek den Matrosen auf. " Und erzählen sie mir was genau in der Kajüte des Kapitäns vorgefallen ist." Vortschek begann, auf eine rot lackierte Stahlleiter zuzuschreiten. Im Vorbeigehen griff er sich einen Mantel, der an einem Haken an der Wand hing. "Sie sollten sich besser auch einen nehmen! Da draussen könnte es frisch werden..." Der Matrose schien erst nicht recht zu begreifen, doch nach einem Kurzen Augenblick, in dem er wie paralysiert dagestanden hatte, riss er sich einen Mantel von der Wand, und zog ihn sich umständlich an, während er Vortschek hinterherhastete.
Der Mechaniker stieg gerade die Stufen der Leiter hinauf, während während der Matrose ihm von unten zusah. Vortscheks nassgeschwitzten und mit Schmieröl befleckten Hände drehten an den Griffen einer Luke, die über ihm von der Decke hing. " Na dann erzählen sie mal..." sagte er, während er sich mit den Füßen in der Leiter festklemmte, da mit er besser stehen konnte. " Wie geht es unserem Genossen Kapitän? Was zur Hölle ist da überhaupt passiert?" Der junge Matrose erzählte ihm die Geschichte, wie er den Kapitän aufgefunden hatte, und von ihrem kurzen Wortwechsel, der von der heftigen Durchfahrt durchs Packeis schnell durchbrochen wurde. Danach hatte der Matrose den Kapitän auf sein Bett gehievt und ihn dort halbwegs gut positioniert, damit er sich wieder erholen konnte und dann den Schiffsarzt verständigt..." Was haben sie da überhaupt gemacht?", fragte Vortschek, während er den quietschenden Griff weiter drehte. " Es sollten doch alle in ihren Kojen sein, während wir durchbrechen." " Dazu hatte ich nicht wirklich Zeit, ich hatte nun ja ... sagen wir getrödelt." Der Matrose wusste das er für dieses Geständnis Probleme kriegen konnte, aber irgendwie vertraute er dem Mechaniker. " Und als es dann soweit war, wollte ich in eine der leeren Offizierskabinen ausharren. Und dabei bin ich dem Kapitän begegnet..."
Vortschek schmunzelte. Nicht wissend, ob er das Lächeln erwidern sollte, stand das junge Besatzungsmitglied da und sah dem Mechaniker beim Öffnen des Austiegs zu. "Bereit für ein bisschen frische Luft?" fragte der nun, aber ohne auf eine Antwort zu warten riss er die Luke auf, und ein schneidend kalter Wind und helles Tageslicht strömten in den dunklen warmfeuchten U-Boot Schacht und kleine Schneeflocken fielen langsam hinterher. "Endlich raus aus diesem Loch..." sagte Vortschek mehr zu sich selbst. Er stieg weiter hinauf und der Matrose folgte ihm. Hinter ihnen stieg wie aus einem geöffneten Kochtopf Dampf in die eiskalte Arktische Luft."Wie heissen sie eigentlich?", fragte der Mechaniker, während er eine Sprosse nachder andern erklomm. "Bobrow..." antwortete der Matrose. " Lew Bobrow."
"Von ihrer Geschichte werd ich mich noch überzeugen müssen. Und sie," ,Vortschek drückte ihm ein Fernglas gegen die Brust, "bleiben hier oben und halten Wache."
Der Kapitän lag wieder in seiner Kajüte, doch diesmal nicht allein. Im Raum verteil waren, so gut es ging, noch zwei weitere Feldbetten aufgestellt worden. Auf ihnen lagen zwei Matrosen, der eine mit einer hässlichen Platzwunde am Wangenknochen. Seinen Nachbar hatte es schlimmer erwischt: Sein Arm hing in einer Schlaufe, und sein Gesicht hatte eine große Schramme.
In Abständen von etwa Fünf Minuten kam immer wieder der Schiffsarzt vorbei, Ein hagerer Mann mit glattem, Nachtdunklem Haar und einer Kondition, bei der man sich fragte, wie er es überhaupt durch die Ausbildung geschafft hat.
Er war sehr gestresst, und der Schweiss bildete kleine Perlen auf seiner Stirn. Die Schwarzen Harre klebten ihm am Schädel, und mit zitternden Händen nahm er eine Spritze.
Plötzlich vernahm der Arzt eine Art kratziges Räuspern, dass sich auf einmal zu einer Stimme formte:
"Was ist los? Sind wir sicher durchgebrochen?" Die Stimme holte Rasselnd Luft. "Ich- Ich konnte mich nicht rechtzeitig festhalten und ich-" Der Arzt sah ihm in die verschwollenen Augen. "Ja sie sind umgefallen! Was glauben sie denn, woher sie diese Verletzungen haben?"
"Aber- Aber was ist passiert? Wieso liege ich beim Kapitän?"
Der Arzt sah ihn entnervt an. Inzwischen hatte er dem ersten Patienten ein Injektion verabreicht. Der stöhnte und drehte sich auf die andere Seite.
"Wenn sie's unbedingt wissen wollen,
Gennosse: Wir sind," Der Arzt holte eine neue Spritze heraus." ,beim Durchbruch,"er klopfte mit dem Fingernagel gegen die Nadel. "beschädigt worden." Er drückte seinem Kameraden die Nadel ins Fleisch. Der verzog das Gesicht. "Haben sie sich nicht so! Sie wollen doch keine Infektion, ist das richtig?" Er zog die Spritze heraus und verstaute sie in einer kleinen Tasche. " Der Reaktor ist beschädigt worden, und hier ist die Strahlendosis geringer." Der Arzt sah kurz zum Kapitän hinüber und verzog die Mine.
Schläft wie ein Stein. "Und nehmen sie gefälligst diese Tabletten..." Er kramte eines Metalldose heraus, und stellte sie auf einen Abstelltisch. "Das ist Jod."
Vortschek schritt durch einen lagen Gang am Rand des Schiffes. Die Schritte auf den Gittern hallten durch das Boot. Hektisch eilte er in Richtung Brücke. Dort angekommen, wurde er bereits erwartet. " Wie lauten die Befehle, Herr Offizier?"
"Packen sie ihre Sachen zusammen, Genosse. Wir müssen auf alles vorbereitet sein."
"Jawohl Herr Offizier!" sagte er laut.
Wenigstens ein bisschen Diziplin war noch übrig geblieben... "Das gilt für alle hier!"
Er ging weiter, marschierte direkt in Richtung der Kapitänskajüte, aus der gerade der Schiffsarzt trat. "Wie geht es ihm?"
"Soweit ganz gut." ,antwortete ihm der Mediziner.
"Was soll das heissen, "soweit ganz gut?" ist er nun wach oder nicht?!"
"Nein, er ist nicht wach! Er ist hingefallen, als wir durch gestoßen sind... Und jetzt ist er bewusstlos. Herr Offizier."
"Na toll."