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Autor Thema: Die Legende von Licht und Luft  (Gelesen 3935 mal)

Gnomi

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Die Legende von Licht und Luft
« am: 11. Jan 2009, 16:51 »
Es war ein Tag wie jeder Andere gewesen. Niemand hatte etwas Ungewöhnliches bemerkt. Die Sonne war wie an jedem anderen Morgen aufgegangen, hatte ihre normale Bahn verfolgt und ist wieder untergegangen. Im Palast herrschte wie immer geschäftiges Treiben. Somit hatte niemand bemerkt, wie gegen Abend ein Schatten über die Dächer huschte.
Selbst wenn jemand zufällig in die Richtung geschaut hätte, so wären ihm außer den normalen Schatten nichts Außergewöhnliches aufgefallen, der von den Türmen geworfen wurde. Doch an diesem Tag wollte die fast unsichtbare Person noch nicht das Gleichgewicht aus den Fugen bringen. Noch war nicht der richtige Zeitpunkt.
Während langsam die Sonne unterging kletterte die schattenhafte Gestalt die Rückseite des  Regierungegebäudes des Königs herab. Es war ein prächtiges Bauwerk, das die Mitte des Palastes bildete. Über 600 Fuß erstreckte sich das Gebäude in jede Richtung und 300 Fuß ragte es in die Höhe. Innerhalb kürzester Zeit kam sie unten an und verschwand in einem kleinen Fenster.

Narja stand unruhig auf und blickte aus dem Fenster. Wo zum Teufel blieb er? Er wollte doch nur einen Rundgang machen. Normalerweise wäre er schon längst wieder da gewesen...
Sie stand in einer kleinen Villa leicht außerhalb der Palastanlage, mitten in einem großen Park. Normalerweise sollte sie einige Anschreiben von kleineren Fürstentümern des Landes bearbeiten, doch damit war sie schon lange fertig. Zudem würde sie jetzt keinen freundlichen Brief mehr verfassen können, nicht in dieser Anspannung. Dûrmarth war schon viel zu lange weg. Irgendetwas stimmte nicht und wenn Dûrmarth am morgigen Tag nicht in Topform wäre... Narja wusste nicht, was dann geschehen würde.
Schon seit über 40 Sommern wurde das Land nun schon von diesem verschlafenen und selbstsüchtigen Herrscher regiert. Er kümmerte sich nicht mehr um die Staatsgeschäfte, lies den Fürsten und Grafen großen Spielraum, sodass fast jeder schon ein eigenes Reich innehatte. Den Bewohnern ging es zwar größtenteils gut, da keiner der Herrscher ein Tyrann war. Doch was würde passieren, wenn sich das ändern würde? Der König könnte nichts dagegen unternehmen, selbst wenn dieser es wolle.
Narja erschauderte bei diesem Gedanken. Tausende von Bürgern würden keine Rechte mehr besitzen. Sie würden unterjocht, gedemütigt und versklavt werden. Sie hatte es oft genug von Dûrmarth erklärt bekommen. Die Fürsten hatten fast sämtliche Rechte über die Bewohner ihres Reiches inne. Im Moment übte noch keiner sie aus, aber wenn jemand sie würde, dann könnte nur noch der König die Bewohner retten können.  Es musste ein neuer König her, dessen war sie überzeugt.
„Buh“  sagte auf einmal eine leise Stimme hinter ihr. Sie zuckte zusammen, drehte sich um und wollte nach ihrem Schwert greifen, das normalerweise immer griffbereit in ihrer Scheide war. Doch sie griff ins Leere und erkannte, dass es fort war. Als sie aufblickte stand vor ihr Dûrmarth und spielte mit ihren Schwert herum.
„Warum so schreckhaft heute?“ fragte er belustigt.
„Du hättest schon längst da sein sollen“, keifte sie zurück. „Einen Rundgang, mehr wolltest du heute nicht machen, ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet.“
„Oh...“, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. „Hatte ich vergessen zu sagen, dass ich den Weg von morgen schon einmal ablaufen wollte?“
Narja wollte etwas erwidern, doch kein Laut verlies ihren Mund.  Schließlich stotterte sie „Heu...Heute? Der gesamte Palast war doch... voll von Leuten, die dich hätten sehen können, w-was hast du dir dabei gedacht?“
„Übung unter erschwerten Bedingungen – morgen kann es nur einfacher werden und sei unbesorgt“, sagte er lächelnd und strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Niemand hat mich gesehen. Alles ist bereit für den morgigen Tag, solange du deine Rolle richtig spielst.“
Narja war immer noch nicht fähig einen Satz zu formulieren. Wie hatte Dûrmarth es nur geschafft so einfach in den Palast eindringen zu können?
„Ja... natürlich“, erwiderte sie schwach und lies sich auf einen Stuhl sinken. „Es ist alles bereit für Morgen. Die Besprechungen mit den Fürsten werden meinen gesamten Tag in Anspruch nehmen, niemand wird mich verdächtigen können.“
„Schön“, lächelte Dûrmarth und gab ihr das Schwert zurück. „Ab morgen wird sich alles ändern, niemand weiß, was geplant ist und wenn es die anderen erfahren wird unser Reich einen neuen Herrscher haben.“
Sie lächelte kraftlos zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen um durchzuatmen. Der Schock, dass er so einfach durch den Palast gekommen war, saß immer noch tief. Wenn er heute schon durch gekommen ist... wie könnte er dann morgen überhaupt versagen?
Als sie die Augen wieder öffnete war sie alleine im Zimmer.
Na toll...dachte sie. Wie immer, ständig verschwindet er einfach. Kann er nicht ein Mal ein bisschen bleiben?
Sie stand auf und wollte gerade das Zimmer verlassen, als ihr ein Zettel auffiel, der durch das Fenster hereinflatterte. Neugierig ging sie wieder zum Fenster und entfaltete das Papier und las den Text.
„In wenigen Tagen werden wir König und Königin sein, niemand wird uns aufhalten können. Das Land wird unter unserer Herrschaft aufblühen.
Dûrmarth“
Lächelnd faltete sie den Brief wieder zusammen und steckte ihn in eine Tasche. Keiner durfte ihn finden.
Während sie das Zimmer verlies war Dûrmarth schon weit entfernt, auf dem Weg zu seiner Wohnung. Er war sich sicher: Sein Plan würde aufgehen.
Mit diesem Gedanken kam er bei sich zu Hause an und lies sich in einen weichen Sessel gleiten.

Gnomi

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Re: Die Legende von Licht und Luft
« Antwort #1 am: 22. Jan 2009, 18:51 »
Es war komisch. Er würde am nächsten Tagen den König eines riesigen Reiches töten, doch er war nicht aufgeregt. Für ihn war es nur ein Tag unter vielen. Ein weiterer Mord und eine weitere Herausforderung. Doch es würde sich auszahlen, dessen war er sich sicher. Er griff unter einem kleinen Tisch und nahm die Weinflasche, die darauf stand, und ein Glas und schenkte sich ein.
Er schwenkte den Wein ein paar Mal in dem Glas, während er sich im Zimmer umschaute. Bald würde er nicht mehr hier wohnen. Doch diese Wohnung war ihm fast schon zu lieb gewonnen, jedes Inventarstück hatte er einzeln zusammen gesucht. Der Sessel auf dem er saß war seine jüngste Errungenschaft. Jahrelang hatte er nach einem solchen Sessel gesucht, bis ihn vor kurzem Narja bei einem fahrenden Händler entdeckt und für ihn gekauft hatte.
Der kleine Tisch, auf dem der Wein stand, befand sich dafür schon hier, seit er hier wohnte. Es war ein Geschenk von eben dem, der den morgigen Tag nicht überleben würde. Damals hatte Dûrmarth ihm noch treu gedient. Er war für ihn ins Ausland gereist  und ist täglich in die Paläste anderer Reiche eingedrungen, um zu spionieren. Für drei Jahre dieser Arbeit hatte er dieses Anwesen bekommen – mitsamt einem Teil der Möblierung.
Langsam stand er auf und trank genüsslich einen weiteren Schluck. Danach drehte er sich um und ging zu einem der Regale. Es war gefüllt von Büchern aller Art. Landkarten, Architektur, Kleidung in anderen Königreichen, Rechte und Gesetz in sämtlichen umliegenden Herrschaftsgebieten ... Alles was man braucht um überall unentdeckt zu bleiben. Sein Blick streifte über all die Bücher und blieb am letzten hängen. Er hatte es mit weniger als 10 Jahren bekommen. Damals, als er angefangen hatte sich dafür zu interessieren, wie man von einem Ort zum anderen gelangen konnte ohne entdeckt zu werden. Bereits zu dieser Zeit hatte er sich überall in seiner Gegend umher geschlichen und Gespräche belauscht. Er wollte die anderen nicht demütigen, indem er alles über sie weiter erzählte. Es genügte ihm zu wissen, dass er über jeden mehr wusste als ihnen lieb war.
Mit 14 Jahren hatte er dann angefangen sein Talent weiter zu trainieren und bildete sich nebenher noch in viele weitere Richtungen weiter. Mit 16 Jahren kannte er schon sämtliche Gesetze und das gesamte Regierungssystem von seinem Heimatland. Gleichzeitig hatte er hier seinen ersten Auftrag als Meuchelmörder. Das Königreich wurde damals angegriffen und er hatte sich hinter die feindlichen Linien schleichen müssen, um die Anführer heimlich auszuschalten und die Pläne zu vertauschen.
Während er daran zurückdachte schmunzelte er. Damals hatte er den Beinamen „Der unsichtbare Tod“ bekommen. Als er 18 Jahre alt war, wurde er als bester Spion des gesamten Reiches angesehen. Vier Jahre später hatte er Narja getroffen. Sie hatte eine ähnliche Schulung wie er gehabt, nur schaffte sie es nie ganz so unsichtbar wie er zu bleiben.
Nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit reifte schließlich der Plan in ihnen den König zu stürzen, um das Land vor ihm zu schützen.
Der Mond hatte schon seinen Höhepunkt wieder verlassen, als Dûrmarth aufhörte seinen Gedanken nachzuhängen und sich zur Ruhe legte.

Gnomi

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Re: Die Legende von Licht und Luft
« Antwort #2 am: 23. Jan 2009, 21:23 »
Die ersten Sonnenstrahlen kündigten den neuen Tag an. Durch das Licht  begann der Palast in den unterschiedlichsten Farben zu erstrahlen. Er aus einem Stein gebaut, der von einer längst vergessen Insel weit im Ostwesten stammte. Von dort war dieses Wunderwerk der Natur Jahrhunderte lang auf schwer beladenen Schiffen gebracht worden. Viele sagten es sei ein magischer Fels, doch sämtliche Zauberer wiesen diese Gerüchte entschieden zurück. Noch nie hatte einer von ihnen auch nur einen Hauch Magie dort gespürt.
Doch alle waren sich einig, dass das Gestein, aus dem das Gebäude angefertigt war, etwas Besonderes war und die Gerüchte über Zauberei in den Steinen sind verständlich.
In der Nacht leuchtet er blau, als habe er das Licht des Tages gespeichert und gebe es nun in anderer Farbe wieder. Im Morgengrauen verlor sich die Intensität und das bläuliche Leuchten wurde von einem roten Strahlen abgelöst. Tagsüber wandelte sich dann fast bei jedem Augenblinzeln die Farbe und wurde langsam immer heller, je nachdem wie stark die Sonne schien. Mittags erstrahlte der Palast in einem blendend hellen Orange, bis er abends langsam immer mehr an Farbe verlor und wieder ein kaltes Blau als Farbe annahm. Sobald Wolken aufzogen begann die Farbe ebenfalls zu verblassen und es wirkte fast so, als sei der Palast aus normalen Steinen gebaut. Langsam standen die ersten Bewohner des Gebäudes auf und bekleideten sich für einen weiteren Arbeitstag. Die Nachtwache wurde abgelöst und die nächste Schicht begann. Doch das Zimmer von Dûrmarth war schon seit Langem leer.
Außenmauer des Palastgeländes hinauf, verharrte kurz und horchte an den Steinen. Leise vernahm er die immer schwächer klingenden Schritte der Wächter. Nach mehreren Sekunden schwang er sich schließlich über die Zinnen und landete lautlos auf dem Wehrgang. Die Soldaten hatten nichts bemerkt. Als sie sich umdrehten war Dûrmarth schon lange wieder auf dem Boden und zwischen den Gebäuden verschwunden. Er kannte den Weg auswendig. Erst gestern hatte er ihn durchlaufen und zuvor hunderte Male in Gedanken. Sobald er ein paar Bauwerke hinter sich gelassen hatte war, sprang er in ein kleines, abgelegenes Haus, durchquerte es ohne die noch schlafenden Bewohner aufzuwecken und verließ es lautlos auf der anderen Seite wieder ohne eine Spur zu hinterlassen.
Wie ein Schatten eilte er weiter und kam schließlich zu einer großen Mauer, die selbst er unmöglich erklimmen konnte. Doch sein Plan führte ihn ohnehin nicht über diesen Weg. Stattdessen kletterte an einem nahe liegenden Gebäude hinauf und blickte auf das große steinerne Aquädukt vor sich. Es gab einen kleinen Steg, der zu einer der spärlich vorhandenen Türen hinein führte.
Dûrmarth wusste nicht genau wie weit er springen musste, aber es war nicht zu unterschätzen – es waren mindestens 20 Fuß und er musste während dem Sprung auch noch an Höhe gewinnen.
Er atmete einmal tief durch, nahm Anlauf und sprang.
Im letzten Moment konnte er noch die Absperrung ergreifen und zog sich dann rasch hoch.
Oben angekommen lief er schnell zu der Tür.
Wenige Momente später stand er in dem dunklen Tunnel und hörte neben sich leise das Wasser entlang rauschen. und ließ hinter sich die Tür zufallen. Neben ihm hörte er das Wasser rauschen. Alles war von einer pechschwarzen Dunkelheit eingehüllt, da keine weitere Tür offen stand und dicke Steinwände den Kanal umhüllten, damit das Trinkwasser der Stadt nicht ohne weiteres verdreckt oder gar vergiftet werden konnte. Niemand sollte hier ohne Erlaubnis herein gelangen. Niemand... solche Regeln galten aber nicht für Dûrmarth.
Kurz zögerte er und starrte in das finstere Aquädukt. An diesem Punkt wurde ihm jedes Mal mulmig. Er wusste, dass es einen kleinen Weg gab bei dem er nicht durch das Wasser gehen musste, einen kleinen Steg der für Reparaturarbeiten angelegt wurde. Außerdem musste er nur um zwei Kurven und schon war er bei der nächsten Tür, durch die er wieder nach draußen kam. Doch die Abzweigungen lagen in großen Abständen zueinander. Dûrmarth machte einen Schritt nach vorne und verschmolz mit der Dunkelheit. Lautlos huschte er durch die Finsternis. Weder ein geübtes Auge, noch ein scharfes Ohr hätte ihn nun entdecken können.
Rasch durchquerte er das erste Stück und erreichte die erste Ecke. Als er sich in die neue Richtung drehte, erstarrte er. Direkt vor ihm stand eine ihm unbekannte Person. Bevor er sich wegdrehen konnte hatte sich die Person vor ihm aufgerichtet und die Laterne hochgehoben.
Sie streckte sich und betrachtete den Boden, während sie langsam Dûrmarth immer näher kam. Dûrmarth gab auf unentdeckt zu bleiben und trat einen Schritt nach vorne.
Überrascht starrte der Handwerker ihn an. „Lord Dûrmarth, was macht ihr hier?“ „Sicherheitskontrolle“ antwortete er mit fester Stimme, die seine Gefühle kein bisschen widerspiegelte. Sein gesamter Plan und somit seine Herrschaft schienen gerade wie eine Seifenblase zu zerplatzen. „Und was macht einer, wie du hier?“
„Es gab einige undichte Stellen in diesem Aquädukt, doch das sollte ich jetzt gelöst haben. Heute wird alles wieder einwandfrei funktionieren.“
Dûrmarth trat näher an ihn heran. Ein Luftbruder, erkannte er und rümpfte die Nase.
„Das freut mich zu hören. Doch gibt es etwas anderes, das ich gerne uns beiden erspart hätte, aber jetzt bleibt mir keine andere Wahl...“ Flüsternd fügte er hinzu: „Für das Königreich“
Bevor der andere verstand was geschah, erschlaffte sein Körper und fiel in sich zusammen, während Blut den Boden benetzte.
Die Laterne fiel in das Wasser und erlosch sofort. Alles versank erneut in Dunkelheit.
Dûrmarth fing die Gestalt auf, bevor sie zu Boden fiel. Vorsichtig legte er den leblosen Körper ab. Bloß keinen Laut verursachen und damit verraten...
Danach rannte er ohne zu Zögern weiter. Er konnte sich keine weitere Verzögerung leisten. Nach einigen Momenten war er wieder am Ende des Tunnels. Vor ihm ging das Aquädukt noch weiter, doch er musste raus. Rechts war eine hölzerne Tür durch deren Ritzen schwaches Sonnenlicht schimmerte. Er  öffnete sie einen Spalt und huschte hinaus. Hier war er wieder auf einem kleinen Steg. Jeder konnte ihn nun sehen, das wusste er. Schnell schwang er sich über das Geländer, fiel gut 10 Fuß tief  und landete mit leisem Aufschlag auf einem Dach. Er rannte weiter, bis er zu dem Hauptgebäude kam. Innerhalb kürzester Zeit stand er ganz oben auf dem Dach und spürte den Wind im Gesicht. Doch er hatte keine Zeit die wunderbare Aussicht zu genießen. Hätte er es gemacht, dann hätte er im Süden das große Hafengelände des Palastes gesehen und dahinter einen schimmernden Ozean. In den anderen Richtungen hätte er Berge, weite Gärten und Farmen und große Wiesen gesehen.
Schnellen Schrittes überquerte Dûrmarth das Dach und kletterte an der gegenüberliegenden Seite wieder das Gebäude herab. Hier war es noch dunkel und schattig, sodass niemand ihn sehen konnte. Von Fenster zu Fenster, von steinernen Vorsprüngen zu anderen Nischen in der Wand hangelte er sich herab und kam so wieder bis zu dem Boden.
Schwer atmend stand er dort und gönnte sich eine kurze Pause. Diese Kletterpartie war der anstrengendste Teil des Planes. Plötzlich hörte er Schritte näher kommen. Verdammt, die Wache. Die hatte ich ganz vergessen.
Verzweifelt suchte Dûrmarth nach einem Versteck, doch er fand nichts, hinter dem er sich vollständig hätte verbergen könnte. Die Wache näherte sich unaufhaltsam, gleich würde sie um die Ecke kommen und ihn sehen. Ohne Zögern sprang er neben eine Säule und verharrte dort.
Ein Wachmann schritt um die Ecke. Er drehte und lief genau in seine Richtung. Lautlos fluchte Dûrmarth. Vorsichtig drückte er sich noch näher an die Säule. Nun war sein gesamtes Geschick gefragt. Mit jedem Schritt kam der Wächter seinem Versteck näher.

Gnomi

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Re: Die Legende von Licht und Luft
« Antwort #3 am: 15. Feb 2009, 00:41 »
Narja öffnete müde die Tür. Fast die ganze Nacht hatte sie wach gelegen.
Sie trat heraus und blinzelte in die Sonne. Es war noch sehr früh am Morgen, doch sie hatte viel zu tun. Wenn sie den Zeitplan richtig in Erinnerung hatte, dann musste Dûrmarth jetzt schon nahe dem Kellerfenster sein und bald die Stammbäume der Königshäuser manipulieren.
Es war schon beinahe zum Lachen.
Man konnte von der Straße in die Kanalisation und von dort über eine kleine Öffnung bis in die Kellergewölbe des Königshauses kommen. Dann trennte nur noch eine leichte Holztür den Besucher von den Stammbäumen. Nur weiter oben wurden die Türen geschützt, aber niemandem war diese Schwachstelle aufgefallen. Tagsüber war viel Trubel und des Nachts wurden auch diese Türen geschützt. Doch es gab eine kurze Zeitspanne, in der keine Wache zur Stelle war.
So würde Dûrmarth es schaffen dort einzudringen und ein paar Namen auszutauschen und Narja wäre der Thronerbe eines  riesigen Königsreiches.
Sie folgte der Straße und betrat schließlich ein Bauwerk an der Außenseite der Mauer, die den Palastkomplex umgab.
Dieses Gebäude war ihr zur Genüge bekannt. Es gab große Räume und regelmäßig trafen hier wieder einige der mächtigsten Fürsten zusammen. Heute musste sie wieder eine Delegation empfangen. Doch heute würde sie sich alles von ihnen geduldig anhören und mit ihnen viel diskutieren. Dadurch war gewährleistet, dass sie heute nicht einmal in der Nähe des Könighauses gewesen war. Sie betrat das Gebäude und blieb im Empfangsbereich stehen.
Alles war noch so, wie sie es vor zwei Tagen verlassen hatte. Den Weg entlang lag ein roter Teppich und an beiden Seiten zierten Marmorstatuen der vergangenen Könige den Korridor. Am Ende des Ganges befanden sich drei große Türen aus Eichenholz. Die an der linken Wandseite führte zu einem Garten, die an der rechten Seite führte in einen geräumigen, geschmückten Saal. Die Tür in der Mitte führte direkt in den Raum in dem alle innenpolitischen Dinge zwischen den Grafen und dem Königshaus besprochen wurden.
Langsam schritt sie durch den langen Gang. All diese großen Statuen... Sie erweckten in ihr jedes Mal ein Gefühl der Bitterkeit. Es waren alles große Menschen gewesen, Könige, die ihr Reich gut geführt hatten. Doch der jetzige Herrscher  war das Gegenteil. Warum musste sie ausgerechnet jetzt leben?

Sie hatte noch genügend Zeit, bis sie ihren ersten Termin wahrnehmen musste, darum öffnete sie die linke Tür und betrat den Garten. Vor ihr verlief ein Weg aus weißem Split, der sich durch die gesamte Grünanlage schlängelte. Sie spürte unter ihren Füßen, wie der Kies leicht nachgab.
Neben dem Weg erstreckte sich ein Blumenbeet nach dem anderen. Zwischen den Beeten gab es viele hohe alte Bäume. Niemand wusste, wie alt sie waren, denn es gab sie schon, seit dieses Schloss erbaut wurde.
Ohne Vorwarnung sprang sie federnd nach oben und ergriff einen Ast über ihr. Ohne Mühe zog sie sich nach oben und kletterte geschwind weiter nach oben, bis sie in der Krone saß. Von dort überblickte sie kurz die Gegend vor ihr. Sie sah in einiger Entfernung ihr Haus stehen und dahinter weitere Parkanlagen und Felder. Doch sie genoss nicht lange den Ausblick und sprang auf das Dach des Hauses, das sie zuvor verlassen hatte und flog ohne sich abzubremsen weiter durch ein kleines Fenster, landete an einer Säule an der sie sich kurz fest hielt und sprang dann wieder ab.
Sanft landete sie schließlich wieder lächelnd am Boden.
Sie brauchte ihre Fähigkeiten zwar nicht mehr, Dûrmarth konnte schließlich alles noch besser als sie, doch sie wollte nicht außer Form kommen. Eines Tages würde sie genauso gut sein wie er, das wusste sie. Sie zupfte sich ein Blatt von der Schulter und ging zu dem Eingangstor. Langsam dürften die Gesandten aus der Inselgruppe Slion ankommen.
Und sie wurde nicht enttäuscht: Sie war noch nicht ganz bei der Tür, da schwang das Portal auf und fünf Personen kamen ihr entgegen.
Als sie nur noch wenige Fuß voneinander entfernt waren blieben sie stehen.
Alles Lichtbrüder erkannte sie und zuckte leicht zusammen. Warum war kein Luftbruder mehr in der Verwaltung dort?
„Seid gegrüßt Miss Narja. Man hat uns gesagt ihr habt den gesamten Morgen für uns Zeit?“ Sie antwortete mit einem Nicken.
„Gut, wir haben nämlich mehr als nur ein Anliegen und ich denke, dass diese Besprechung den ganzen Tag andauernd wird.“
Narja schaute auf und ihre Augen erhellten sich kurz. Das wird ja immer besser. Hier wird mir niemand etwas nachweisen können.

Dûrmarths Künste hatten einer weiteren Probe standgehalten. Niemand hatte ihn gesehen, selbst der Wächter hatte ihn nicht bemerkt, obwohl er nur wenige Fuß von ihm entfernt gewesen war.
Vorsichtig hob er die Tür aus den Angeln und lehnte sie an die Wand. Danach schlüpfte er in das Zimmer dahinter und fand sich in einem großen Raum wieder, der von oben bis unten mit Pergamentrollen zugestellt war. Doch dies waren nur die Unwichtigeren, welche ihn nicht interessierten.
Gezielt lief er durch das Zimmer und nahm an der gegenüberliegenden Wandseite eine große Rolle aus dem Regal und entrollte sie Stück für Stück, bis er bei den gesuchten Personen war. Er nahm ein kleines, sehr scharfes Messer, das davor versteckt an seiner Seite hing, in die Hand und begann vorsichtig die Schrift abzukratzen.
Es war eine ermüdende Arbeit, doch am Ende war das Ergebnis erstaunlich. Man sah das Pergament – ohne diese Schriften. Ich werde meinen Stammbaum anders festhalten. Es gibt auch andere Möglichkeiten zu schreiben, Möglichkeiten bei denen das Pergament die Schrift aufsaugt. dachte Dûrmarth. Ich werde nie verstehen, wieso es immer noch in dieser Art gemacht wird... Nur weil es Tradition ist, in dieser Art seinen Stammbaum aufzuzeichnen...
Rasch nahm er ein Fass mit einer leimigen Flüssigkeit und begann neue Namen auf das Pergament zu schreiben. Als er fertig war ließ er es noch ein paar Minuten trocknen und rollte es dann wieder zusammen und verstaute es. Danach verlies er das Zimmer, hängte die Tür wieder in die Angeln und verschwand aus dem Raum. Bald würden die Wachen kommen und die Tür bewachen. Als sie schließlich ihre Positionen einnahmen bemerkten sie nichts.


„Schön, dass wir hier zu einer Einigung kamen.“ sagte Skôlos. „Somit können wir zu unserem nächsten Anliegen übergehen. Wie wir bereits sagten, haben wir Probleme mit Seeräubern...“
Innerlich stöhnte Narja auf, doch nach außen lies sie sich nichts anmerken. Sie hörte geduldig zu, obwohl sie wusste, worauf es heraus lief:
Der Staat Slion würde versuchen seine Abgaben an das Königshaus möglichst weit nach unten zu drücken  Und sie wurde nicht enttäuscht.
„... aus diesen Gründen fühlen wir uns nicht in der Lage die normalen Abgaben an das Königshaus zu liefern.“
Ihre Gedanken huschten kurz zu Dûrmarth. Er wäre wahrscheinlich gerade auf dem Weg durch die großen Gänge nahe dem Thronsaal... wie gerne wäre sie jetzt bei ihm. Doch sie musste sich hier mit diesen geldgierigen Gesandten ärgern.
Mühsam schaffte sie es sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Skôlos war ein gewitzter Gesprächspartner, der sich sehr gut auf seine Aufgabe vorbereitet hatte und zudem über die benötigte Redekunst verfügte sich sehr wortgewandt auszudrücken.  Doch sie wusste, dass sie ebenfalls über dieses Talent verfügte, es nur nicht so offen zur Schau stellte, wie er es anscheinend gerne tat.
„Meine Herren. Es ist euer gutes Recht hier Beschwerde einzulegen, doch so wie es bisher aussieht werde ich eure Bitten wohl nicht befolgen können. . In dem Abkommen, dem euer Herrscher zustimmte als er die Herrschaft über Slion erhielt, unterzeichnete er, dass er selbst sämtliche innerländlichen Aufständische auf eigene Kosten besiegt und...“
„Oja, das hat er. Aber wer sagt, dass es Aufständische aus unserem Land sind, die unsere Schiffe überfallen? Wenn der König uns in dieser Gelegenheit nicht unterstützt bricht er seinen Teil der Abmachung. Und dann können wir aus dem Pakt austreten, ich denke selbst eine Frau von eurer Gattung sollte wissen, was das bedeutet...“
Fast hätte Narja geschrieen vor Wut. Dieser Unterton, der auf „Gattung“ lag raubte ihr beinahe ihre Beherrschung. Was bildeten sich diese... Wesen ein? Das sie etwas Besseres waren, nur weil ihre Vorfahren länger gegen die Drachen gekämpft hatten, anstatt in Frieden leben zu wollen?
„Ich weiß worauf ihr hinaus wollt...“ begann sie mit bebender Stimme. „Der Verlust der Wirtschaftsmacht in eurem Land würde ein schwerer Verlust für uns sein. Doch wie wollt ihr belegen, dass es ausländische Eindringlinge seid? Ihr habt keinen Beweis dafür. Sobald es diese dafür gibt wird euch sofort von unserer Seite aus geholfen.“
Mit dem letzten Satz schluckte sie ihre Wut endgültig hinunter und fasste sich wieder.
„Oh, wir haben Beweise Milady, wir zeigen sie euch gerne, der Erste ist...“
Doch weiter kam er nicht, weil die Tür aufgeschlagen wurde. Alle Personen im Saal sprangen von ihren Sitzen auf und sahen zu der sperrangelweit offenen Tür.
In ihr stand in voller Größe Dûrmarth.
Als erstes nickte er Narja zu, danach den Gesandten.
Danach trat er ein. „Meine Herren“, begrüßte er sie und fügte mit einem kurzen Blick auf Narja hinzu. „und Damen. Ich störe eure Besprechung nur ungern, doch gibt es wichtige Vorkommnisse, die eure sofortige Aufmerksamkeit benötigen.“
Einer der anwesenden Lichtbrüder erhob sich. „Wer ist das?“ zischte er. „Wenn der König nicht einmal dafür sorgen kann, dass man hier ohne Unterbrechung solcher Tölpel eine Besprechung führen kann, sollten wir das Gespräch sofort für beendet erklären.“
Dûrmarth gönnte ihm einen kurzen Blick und wandte dann seine Aufmerksamkeit dann wieder der gesamten  Gruppe zu. „Verzeiht, dass ich eure Besprechungen so abrupt unterbreche... Aber der König wurde ermordet aufgefunden.“