Erst ein Schieben durch die enge Ausfahrt hinaus, dann auf offener Straße schwingst du sich auf den Sattel deines alten Fahrrades. Menschenleer und dunkel ist die Straße mitten in der Nacht und ein kurzer Gedanke an deine nicht funktionierenden Fahrradlampen ließen dich daran erinnern, dass du dich von möglichen Autos fern halten solltest, denn sie sehen dich nicht.
Schon nach wenigen Metern Fahrt verlassen deine Hände den Lenken um Wärme in den Taschen deiner Jacke zu suchen. Freihändig fahren konntest du schon immer und mit den paar getrunkenen Bieren kam es dir sowieso noch einfacher vor die Balance zu halten. Ohnehin brauchst du deine Hände nicht am Lenker, denn die Handbremse funktioniert nicht und die Schaltung ebenso wenig. Du verlässt dich auf deine Rücktrittbremse und deine Beinarbeit, obwohl es dich schon ein wenig ärgert, dass dein gutes Mountenbike nach einem Unfall immer noch in der Werkstatt ist und du so nur mit dieser Schrottmühle den Weg nach Hause bestreiten kannst.
Ein gleichmäßiges lauteres Klackern erfüllt die Stille der Nacht, denn durch das Freihändigfahren wird das Fahrrad in Schwingungen versetzt, die das Fahrradschloss gegen das Schutzblech schlagen läßt. Aber es stört dich nicht.
Durch einen kleinen Gehweg gelangst du an eine der Hauptstraßen der Stadt. Nach einem flüchtigen Schulterblick wechselst du vom Fahrradweg auf die freie Straße. Dieses hoch-und-runter der Auffahrten zu den Grundstücken willst du dir auf jeden Fall ersparen.
Die große Ampel vor dir schaltet glücklicherweise auf grün, wodurch du ungehindert nach links abbiegen kannst, während ein älteres Ehepaar von rechts kommend an der Ampel hält.
Jetzt hast du die Wahl, entweder den direkten Weg oder einen großeren Umweg zu fahren, um dem Polizeirevier nicht zu nahe zu kommen. Ein Fahrrad ohne Licht und ausreichend Bremsen ward bei der Polizei selten gern gesehen und ein leicht angetrunkener Fahrer ebenso wenig, weißt du. Gleichfalls beruhst du darauf, dass du noch nie angehalten wurdest.
Auch gab es eine Geschichte über dich, die besagte, dass du vor eben jener Polizeiwache mit dem Fahrrad vorbeigefahren bist, anhieltest und dich auf der Grünfläche vor der Polizeiwache übergeben hast, bevor du ungehindert und nahezu ungesehen weiterfuhrst.Also entscheidest du dich für den Graden weg nach Hause und gelangst wie eh und je
gut an der Wache vorbei.
Nach einigen Minuten weiterer Fahrt erlangst du den Stadtrand und den Stadtausgang. Vielen ist es gar nicht bewusst, aber hier endet die Straßenbeleuchtung und es wird richtig dunkel. Zum Glück ist der Himmel klar, der Mond scheint und du könntest dir die Sterne anschauen, wenn du dich nicht auf deinen vor dir liegenden Weg konzentrieren würdest. Der Fahrradweg selber ist heller als das umliegende Gras, somit ist das Finden des Weges kein Problem. Nur musst du Vertrauen haben, dass keine Hindernisse auf dem Weg liegen, denn diese zu erkennen ist nahezu unmöglich. Du verlässt dich also auf eine freie Bahn und fährst gemütlich freihändig auf dein Heimatdorf zu. Du erkennst erste Lichter und ein Gefühl von
es geschafft zu haben stellt sich ein.
In deinem Heimatdorf wechselst du auch hier wieder auf die Straße und freust dich über die eingeschaltete Straßenbeleuchtung. Einen kurzen Schreck durchlebst du noch, als sich zügig ein Auto von hinten nähert, aber nach dem schnellen Wechsel auf den Fußweg fährt das Auto problemlos weiter.
Eine letzte Hürde liegt noch vor dir, denn einen Berg gab es noch zu bezwingen. Jetzt doch nimmst du deine Hände wieder an den Lenken, denn die nicht funktionierende Gangschaltung läßt dich noch einige Kraft aufbringen den Berg im hohen Gang zu befahren. Noch einmal spürst du die Partypizza im Magen, auf die du es zuerst schiebst den Berg nur so langsam zu befahren, dann aber findest du eine bessere Ausrede und schiebst es auf das Fitnesstraining vorhin, indem du dich schon voll ausgepowert hast.
Du hast es geschafft, bist wie bis jetzt immer wohl zu Hause angekommen. Du stellst dein Fahrrad weg und merkst, dass die Haustür mehrmals herum geschlossen ist: Ein gutes Zeichen, denn entweder ist niemand zu Hause oder jemand hatte gedacht, dass alle zu Hause sind und deshalb die Tür zu kann. Wahrscheinlich letzeres, wodurch du niemanden eine Erklärung schuldig bist, wo du denn warst.
Du betrittst dein Zimmer und merkst, dass dein Laptop noch an ist. Du nutzt die Gelegenheit und checkst noch schnell die neusten Nachrichten. Du überlegst dir, dass noch ein Beitrag im Nachtschwärmer-Thread drin sein muss und beginnst an zu schreiben...
Zwischendurch überlegst du, ob der erklimmende Berg in deinem Heimatdorf nicht etwas übertrieben ist, denn schließlich kennen zu mindestens Whale und Eandril die Wahrheit und jeder Süddeutsche würde es als nicht mehr als einen kleinen Hügel bezeichnen. Dennoch, du lässt es so stehen und überlegst dir nun nur noch mit einem abschließenden Satz der noch ein wenig Basis bietet, um für diesen Beitrag Feedback zu erhalten.
Nicht schlecht geschrieben diese auf Wahrheiten basierende Gesichte, für diese Uhrzeit, oder?