Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Linhir

In der Nähe von Linhir

<< < (2/2)

Sturmkronne:
Auf Irrwegen zum ZielElune's Start

Die Abenddämmerung nahte, und Elune spürte wie sie sich Linhir immer weiter annäherte. Sie gönnte ihrem Pferd eine kleine Pause, ließ es an einer Stelle voller grünem Gras rasten und sah sich im Wald um. Sie schloss kurz die Augen und dachte an eine Lektion Khanjars, der ihr geraten hatte, ihren Geist immer zu trainieren und niemals ganz zu rasten. Also öffnete sie ihre Augen und versuchte so viel von den Geschehnissen des Waldes wie möglich aufzunehmen. Sie sah, hört und roch so viel sie konnte, und versuchte dabei alle Informationen zu behalten. Plötzlich näherte sich ihr ein kleiner Fuchs. Er hatte ein Zinnoberrotes Fell, welches ihrer Meinung nach höchst ungewöhnlich für Füchse war. Außerdem war dieser Fuchs höchst zutraulich, und er schien sie sogar anzulächeln. Elune lächelte ebenfalls und freute sich innerlich über diesen kleinen friedlichen Fuchs, der trotz aller Bedrohung, denen die Welt ausgesetzt war, glücklich aussah. Elune erhob sich, und ging mit sehr langsamen Schritten auf den Fuchs zu. Dieser schreckte zurück und zeigte seine Zähne, doch Elune sprach zu ihm in Sindar:

„Hab keine Angst, ich möchte dir nichts tun. Ich trage keine Waffe bei mir, ich möchte dich nur ansehen. Vertrau mir, einem so schönen Wesen wie dir könnte ich nichts antun.“

Sie machte noch einen Schritt auf ihn zu, und der Fuchs auch einen auf sie, als sie plötzlich einen Ast knacken hörte. Der Fuchs und sie zuckten beide zusammen, woraufhin der Fuchs sich umdrehte und ins Gebüsch sprang, während sie an ihren Gürtel griff und einen Dolch umklammerte, jederzeit bereit ihn herauszuziehen und Angreifer abzuhalten. Doch sie merkte sofort, dass dies unnötig war, denn als sie sich langsam umdrehte, sah sie bereits wie vier Waldläufer vor ihr standen, mit gespannten Bögen und Pfeilen an den Sehnen. Sie hob ihre Hände als Zeichen ihrer Kapitulation, und verfluchte sich für ihre Unachtsamkeit. Sie war quasi in Feindgebiet und hatte sich derartig von einem Fuchs ablenken lassen. Einer der Männer, trat vor und sprach mit ruhiger Stimme:

„Wer seid ihr werte Dame, und was macht ihr zu dieser Zeit so nah an der Stadt Linhir? Seid ihr eine Dienerin Saurons oder eine Freundin Gondors?“

Elune, die nicht wusste zu wem diese Männer gehörten, entschied sich die Wahrheit zu sagen:

„Werter Hauptmann, mein Name ist Elune Nila, und ich wurde von Lóthiriel, der Tochter des Truchsess von Gondor und Fürst von Dol Amroths Imrahil mit einer Botschaft zu ihrem Bruder gesandt. Deswegen lasst mich bitte durch.“

Der Mann, der wie Elune beiläufig bemerkte sehr gute Tarnkleidung trug und sich ihr deswegen so gut hatte nähern können, sprach mit erstaunter Stimme:

„Herrin Elune, es ist eine Freude euch zu sehen, ich hatte euch gar nicht erkannt. Mein Name ist Hauptmann Astorad, und ich führe die Späher an. Warum nähert ihr euch, wenn ihr von Dol Amroth kommt, dem Heerlager von Norden? Dol Amroth liegt doch Westlich von uns. Aus dem Norden erwarten wir nur Feinde!“

Elune errötete ein wenig, da sie sich natürlich ein wenig verlaufen haben musste. Sie war, von den Weißen Bergen sehr beeindruckt, zu lange nach Westen geritten, so dass sie einen recht spontan Richtungswechsel vornehmen musste. Da sie dies jedoch nicht zugeben wollte, sagte sie lediglich:

„Ich musste eine weitere geheime Botschaft nördlich von hier abliefern. Doch nun sagt mir, wie ist die Lage in Linhir? Hat der Angriff etwa bereits stattgefunden?“

Astorad schien ein wenig verlegen zu sein und antwortete:

„Nun, das Heer hat sich aufgeteilt. Der große Teil hat an einer Schlucht kurz vor Linhir Stellung bezogen, während der Rest des Heeres, zumeist Bogenschützen, auf den Rändern der Schlucht aufgestellt wurde. Anscheinend plant man einen Hinterhalt, jedoch sollten wir dennoch das Lager verteidigen. Deswegen sind wir noch hier. Lord Elphir hingegen ist bei der Gruppe Bogenschützen und scheint dort etwas zu planen.“

Elune nickte und saß daraufhin auf ihrem Pferd auf. Sie musste Elphir schützen und dringend bei ihm sein, bevor die Schlacht anfing. In einer Schlacht war es zu schwer einzelne Menschen zu finden, deswegen musste sie vorher da sein. Sie dankte Astorad und ritt dann so schnell sie konnte los in Richtung Süden, in Richtung Schlucht. Während sie ritt entledigte sie sich der lästigen Reisekleidung und trug nun offen ihre Weiße Assasinenrüstung. Es war zwar schwer, all dies auf dem Pferd zu erledigen, doch schließlich war sie in voller Kampfmontur und bereit, jeden zu töten, der Elphir angriff. Mittlerweile war die Sonne ganz weg, und eine gespenstische Stille und Dunkelheit war in diesem schönen Wald. Sie sah nach oben zum Mond, lächelte und war sogar über dieses kleine Licht froh. Dann schüttelte sie den Kopf, verbannte den Fuchs und den Mond aus ihren Gedanken und dachte nur noch eins:

Sie musste schnell da sein!

Elune in Die Schlucht nahe Linhir

Curanthor:
Verdandi aus Dol Amroth

Kälte durchdrang ihre Rüstung und schien jegliche Wärme aus ihrem Körper zu stehlen. Die blutroten Sonnenstrahlen der Dämmerung kündigten die nahe Nacht an. Verdandi hustete und zog schniefend die Nase hoch. Die Nacht vor der Stadtmauer hatte sie mehr mitgenommen, als sie gedacht hatte. Stolz reckte sie die Brust heraus. Nichts, was ich nicht überstehen kann, dachte sie sich ermunternd und beschleunigte wieder ihre Schritte. Lang half es nicht, denn ein weiterer Hustenanfall überkam sie. Ihre Augen auf dem Boden geheftet, folgte sie der breiten Spur, die das Heer Dol Amroths hinterlassen hatte. Wenn sie zu spät die Stadt erreichte, würde es unmöglich sein, durch die Reihen Mordors zu schlüpfen. Reiß dich zusammen, rief sie sich selbst im Gedanken zu und schüttelte energisch den Kopf, was in einem unangenehmen Schwindel nachhallte. Verdandi hatte fast das Heer eingeholt, doch an einer lächerlichen Unterkühlung kurz vor Linhir scheiterte es, dabei konnte sie die vagen Umrisse der Stadt schon von weitem erkennen. Hufgetrappel ertönte. Sie hob den Blick und kurz darauf erschien ein einzelner Reiter, der in höchster Eile an ihr vorbeipreschte. Verdandi war, als ob mit dem Reiter auch ihre Kraft davoneilte. Keuchend brach sie in die Knie. Sie war dumm gewesen, hatte nicht auf ihren Körper gehört und jetzt rächte er sich bei ihr. Doch hier draußen konnte sie nicht aufgeben. Nicht jetzt. Den Menschen in den Lagern ging es noch schlechter als ihr. Hustend und keuchend stemmte sie sich in die Höhe. Auf wackligen Beinen wankte sie nach vorn, konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch ihre Ausrüstung wog plötzlich doppelt so viel. Nach einigen Schritten musste sie eine weitere Pause einlegen. Mit zusammengebissenen Zähnen fluchte sie laut und schleppte sich weiter. So ging es fast einhundert Schritt lang, bis ihr endgültig die Kräfte versagten. Hustend lehnte sie sich gegen eine Tanne und ließ sich an der harzigen Rinde zu Boden gleiten. Der Duft erinnerte an ihre Heimat. Der Geruch von Moos, Tannenholz und frischem Harz. Verdandis Blick verschwamm, während sich weibliche Stimmen näherten und ein besorgter Ruf ertönte, dann umfing sie Dunkelheit.


Rufe hallten in ihren Ohren wider, jemand rüttelte sie am Arm. Verdandi schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht ihres Vaters. Bjorn blutete aus einigen Wunden im Gesicht, die Haut war über und über mit schwarzem Orkblut bedeckt. Der Bart ihres Vaters war in der Dunkelheit gar nicht mehr zu erkennen, so besudelt war er.
"Alles in Ordnung, Kleines?", fragte er und reichte ihr seine große Hand.
"Ich... denke schon", antwortete sie zögerlich und tastete nach ihrer Stirn, während sie sich von ihm aufhelfen ließ. Ein brennender Schmerz ließ sie ihre Hand vom Kopf wegziehen.
"Hat dich ziemlich heftig erwischt, zum Glück war es nur die Breitseite des Schwerts", erklärte ihr Vater und legte ihr eine Hand auf die Schulter, "Du hast tapfer gekämpft, das ganze Dorf hat gesehen, wie du mit Sigurd, Azala und Kalf den Ansturm aufgehalten hast. Die Dorfältesten sind beeindruckt von eurem Mut."
"Ist es vorbei?", fragte sie langsam und blickte sich das erste Mal um. Bjorn schweig und schien den Anblick schwer ertragen zu können. Blutüberströmte Leichen lagen in der Dorfmitte, die nur von einem Scheiterhaufen erhellt wurde. Überreste der Barrikade lagen zersplittert umher. Sie wandte verbittert den Blick ab. Viele der nun leblosen Gesichter waren Freunde und Bekannte gewesen, mit denen sie viel Zeit verbracht hatte. Lange konnte sie nicht wegschauen. Es kam ihr respektlos vor, die Toten nicht zu beachten. Die meisten der Toten starrten mit wütenden oder fassungslosen Gesichtsausdrücken in den düsteren Nachthimmel. Ein feuerroter Haarschopf auf matschigen Boden erregte ihre Aufmerksamkeit. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
"Verdandi... nicht", sagte ihr Vater mit leiser Stimme, um Fassung bemüht.
Das gelbe Haarband brachte ihr Gewissheit, obwohl das Gesicht von ihr abgewandt lag. Ein dicker Knoten stieg ihr den Hals. Verdandi ballte hilflos die Fäuste und sank in die Knie. Heiße Tränen rannen ihre Wangen hinab. Eine unsägliche Leere erfüllte sie, so als ob ein Teil ihres Herzens herausgerissen wurde.
"Verdandi..." Bjorn legte ihr beide seiner Arme von hinten um und zog sie sanft fort. Sie ließ es geschehen. Sämtliche Kraft war aus ihren Gliedern gewichen. Ihre Füße schliffen schlaff über den Boden. Am Rande des Dorfes erblickte sie einen zusammengekrümmten Körper im Schlamm, doch wurde er von einem großen Schild verdeckt. Ein Rabe erschien im flackernden Schein des Feuers und sie blinzelte die Tränen fort. Beim zweiten Blick erkannte sie, dass der Rabe mit großer Sorgfalt auf dem Schild gemalt war. Ein dunkelroter Rabe auf gelben Grund. Ihr Freund hatte sich immer über den Schild geärgert, da er den Raben eigentlich schwarz anmalen wollte, doch hatte er die Farbtöpfe vertauscht gehabt. Die anderen Kinder hatten ihn deswegen immer spielerisch aufgezogen.
"Sigurd", flüsterte Verdandi fassungslos und regte sich. Sie wollte zu ihm, ihn anschreien, warum er sie Kalf und Azala alleine ließ, wo sie sich doch geschworen hatten, niemals getrennte Wege zu gehen.
"Schh", machte ihr Vater streng und zog sie weiter zu ihrem Langhaus, "Nicht hier. Komm. Komm, mein Mädchen."
"Mein Mädchen", so hatte Mutter sie immer gerufen. Ein Schluchzen entrang sich ihrer schmerzenden Kehle. Ein Tür wurde aufgestoßen und Bjorn zog sie in ihr Langhaus. Der gewohnte Geruch von der Feuergrube drang ihr in die Nase. Die Wolfsfelle an den Wänden zeugten von dem Mut ihres Vaters. Er zog sie vorsichtig an die Bank und ließ sich neben ihr auf dem Boden nieder. Das Kochgestell stand noch immer über dem Feuer. Ein Kupferkessel hing in den Flammen, der hölzerne Kochlöffel stand noch immer an der Bank gelehnt. Verdandis Blickfeld verschwamm vorlauter Tränen und sie gab sich ganz der Trauer hin. Schluchzend und jammernd klammerte sie sich an ihren Vater. Bjorn legte seine starken Arme um sie und wiegte sie tröstend hin und her. Dabei flüsterte er immer wieder, dass er auf sie Acht geben würde.

Sie wusste nicht, wie lange sie geweint hatte. Das Feuer war schon bis auf die Glut herabgebrannt. Verdandi hob langsam den Blick zu ihrem Vater. Bjorn starrte gedankenverloren in die weißroten Kohlen. In seinen Augen schimmerte es feucht, doch zeigte das eingetrocknete Blut auf seinem Gesicht keine Spuren von Tränen. Er bemerkte ihre Regung und blickte zur ihr hinab.
"Sie sind an einem besseren Ort", sagte er schließlich leise und zog seinen Arm zurück, "Aber das weißt du ja. Der Tod war schon oft Gast in diesem Dorf. Genauso oft haben wir die Sprüche gehört, die man bei sowas sagt."
"Vielleicht helfen sie einem, damit besser umzugehen", antwortete Verdandi mit rauer Stimme.
"Vielleicht... vielleicht sollen sie einen auch davon abhalten seine Ruhe zu verlieren."
"Du meinst Rache?"
"Ja, Rache."

Verdandi nach Linhir

Eandril:
Hilgorn aus Linhir

Die Sonne hatte gerade den Scheitelpunkt ihrer Bahn erreicht, als Hilgorn in Begleitung von drei Soldaten und Balvorn Linhir in Richtung Westen verließ. Eigentlich hatte er überhaupt keine Eskorte mitnehmen wollen, doch Balvorn und der neue Stadtkommandant, ein Mann namens Faron, hatten darauf bestanden zumindest einige Soldaten mitzunehmen. Sie folgten der Straße, die in südwestlicher Richtung entlang der Bucht führte, an deren nördlichem Ende Linhir lag. Hier würden sie auch bald auf das Schiff aus dem Süden treffen, dass Amros' Späher aufgebracht hatten. Der Tírn Aear hatte das Schiff klugerweise nicht direkt nach Linhir bringen lassen, sondern zu einer kleinen Bucht einige Meilen von der Stadt entfernt, wo Schiffe einigermaßen gut ankern konnten.
Die Sonne schien Hilgorn direkt ins Gesicht, und auch wenn sie ihn blendete freute er sich über das Gefühl der Wärme auf seiner Haut. Zwar ließ die Kraft der Sonne allmählich nach, doch noch war sie kräftig und vertrieb die Dunkelheit. Vom Quartiermeister hatte er eine neue Uniform bekommen, die seinen Rang auch ohne die Rüstung erkennen ließ, denn auf die Schnelle hatten sich keine gut passende Rüstung als Ersatz für die im Gilrain versunkene auftreiben lassen, und für den Augenblick war Hilgorn auch nicht unglücklich über ihr Fehlen. Diesseits des Gilrain drohte keine Gefahr von Angriffen, denn die Korsaren waren geschlagen, die Haradrim mit sich selbst beschäftigt, die Orks mieden das Meer und die Flotte Gondors wachte über seine Küsten. Das war ihr einziger Vorteil, dachte Hilgorn - solange Rohan stand, wussten sie sicher, aus welcher Richtung der Angriff erfolgen musste.
Die Straße stieg nun leicht an, als die Küste steiler abfiel - steinige Klippen erhoben sich über einem schmalen Streifen Strand. Hinter einer weiteren Biegung führte ein schmaler Pfad zu der Bucht hinab, in der drei Schiffe lagen. Zwei der Schiffe führten die Banner von Dol Amroth und Gondor, während über dem dritten, schlankem Schiff aus hellem Holz, keinerlei Flagge wehte. Hilgorn und seine Begleiter saßen ab, denn der Pfad war zu schmal und steil für die Pferde. Die drei Soldaten, die die Eskorte bildeten, blieben oben auf der Klippe bei den Pferden zurück, während Hilgorn, gefolgt von Balvorn den Pfad zum Strand hinunter kletterte.

Unten auf dem weichen Sand erwarteten sie eine Gruppe Seesoldaten, die drei Personen bewachten, zwei Frauen und einen Mann. "General Thoron", begrüßte einer der Soldaten Hilgorn, und salutierte. "Ihr habt die Nachricht also erhalten."
"Ich habe sie erhalten", erwiderte Hilgorn. "Und nun würde ich mir gerne ansehen, was - oder vielmehr wen - ihr da gefangen habt."
Die Männer traten beiseite, sodass Hilgorn einen freien Blick auf die Gefangenen hatte. Ihnen waren offenbar die Waffen abgenommen worden, doch ihre Hände waren nicht gefesselt - also schienen die Männer keine allzu große Gefahr in ihnen zu sehen. Der Mann, dessen ergraute Haare bis auf die Schultern reichten, und die größere der beiden Frauen, deren Haare unter einer schwarzen Kapuze versteckt waren, erwiderten seinen Blick ohne die geringste Regung. Die zwei der Frauen, ein Mädchen von sicher nicht ganz zwanzig Jahren mit langen, unordentlichen, hellbraunen Haaren, wich ihm aus. Ihr Gesicht zeigte eine krankhafte Blässe.
"Also schön", begann Hilgorn. "Wer seid ihr, und welche Angelegenheiten führen euch nach Gondor?" "Wir wollten gar nicht hier her!", erwiderte zu seiner Überraschung das junge Mädchen. "Dieser Sturm hat uns vom Kurs abgebracht, eigentlich wollten wir nach..."
"Still, Serelloth", unterbracht die andere Frau sie mit scharfer Stimme, ohne den Blick von Hilgorn abzuwenden. Sie war ein wenig älter als ihre Begleiterin - Hilgorn schätzte, dass sie ungefähr in seinem eigenen Alter war - und ihre Züge waren ein wenig kantiger als üblich, doch sie war trotzdem recht gutaussehend. "Unsere Angelegenheiten sind unsere Sache, doch wir sind Freunde Gondors und seiner Bewohner. Wenn ihr das ebenfalls seid, solltet ihr uns ziehen lassen." Etwas in ihrem Ausdruck verursachte Hilgorn Unbehagen. Sie wirkte beinahe, als könnte sie es selbst ohne Waffen mit all ihren Bewachern zugleich aufnehmen.
"Mein Name ist Hilgorn", erwiderte er vorsichtig. "Ich bin Offizier in der Armee Dol Amroths - verzeiht unser Misstrauen, doch immer wieder haben wir Verräter und Spione in unseren Reihen. Und wir können uns nicht den kleinsten Fehler erlauben." Er blickte der Frau direkt in die dunklen Augen, und sie blickte ebenso fest zurück. In diesem Augenblick drehte sich das Mädchen Serelloth plötzlich zur Seite, fiel auf die Knie und übergab sich geräuschvoll auf den Sand. Sofort kniete auch ihre Begleiterin neben ihr, und strich ihr mitleidvoll über den schmalen Rücken.
"Seekrankheit", meinte der grauhaarige Mann mitleidig. "Immer, wenn wir ein wenig Seegang hatten, hing das arme Mädchen über der Rehling." Er wandte sich Hilgorn zu. "Hört mir zu. Mein Name ist Hallatan, ich bin der Kapitän der Thoroval." Bei diesen Worten deutete er auf das schlanke Schiff hinter sich, und Hilgorn stutzte, als er die Namen hörte. Die Namen waren eindeutig nach Art der Nachfahren Númenors, ebenso wie Serelloth, und das Mädchen und der Kapitän sahen beide aus, als würden sie von den Númenorern abstammen, während die ältere Frau eher aus Harad zu stammen schien. "Wenn ihr Offizier in der Armee seid, kennt ihr vielleicht Valion vom Ethir. Ich bin ihm und seiner Schwester vor einiger Zeit begegnet..." "... auf einer Insel namens Tol Thelyn", beendete Hilgorn den Satz für ihn. Er erinnerte sich gut an das, was Valion von dieser Reise in den Süden erzählt hatte. "Ihr könnt mir sicherlich auch erzählen, wie der Kapitän hieß, mit dem sie gereist sind - und wie sein Schiff."
Erleichterung malte sich auf Hallatans Gesicht, als er antwortete: "Veantur, Kapitän der Súlrohír. Ein guter Mann, und ein gutes Schiff." Hilgorn nickte. "Nun, in diesem Fall..." Er wurde von Serelloth unterbrochen, die ihren Übelkeitsanfall offenbar überwunden hatte, und nun ein wenig schwankend auf die Füße kam. "Jetzt hört mir mal zu, ihr... Soldat." Sie sprach das Wort mit größtmöglicher Verachtung aus, und dennoch musste Hilgorn lächeln. Ihre Entschlossenheit beeindruckte ihn, und er musste an Iorweth denken - er konnte sie sich nur allzu gut in Serelloths Alter vorstellen. "Wir sind nicht mit Absicht hierher gesegelt, wir wollten zum Anduin, nur hat uns dieser Sturm abgetrieben."
"Zum Anduin?", fragte Hilgorn verwundert. "Das ganze Land dort ist von Mordor besetzt, wozu wolltet ihr euch in solche Gefahr begeben?"
"Eben nicht das ganze Land", gab Serelloth entschieden zurück. Ihre Seekrankheit schien immer mehr nachzulassen, und ihr Gesicht gewann allmählich die Farbe zurück. "Mein Vater und seine Freunde kämpfen immer noch in Ithilien. Sie hatten mich und Beregond nach Harad geschickt um..."
"Eine ganze Menge Dinge zu tun", unterbrach ihre Begleiterin sie erneut. "Und dabei mehr Abenteuer zu erleben, als für sie gut war." Sie warf die Kapuze ab und entblößte schulterlanges, braunes Haar, dass etwas dunkler war als das von Serelloth. "Mein Name ist Ta-er as-Safar vom silbernen Bogen. Wir mussten sicher gehen, dass ihr nicht in Diensten Mordors steht, denn einige von uns... reden zu viel." Dabei warf sie einen halb strafenden, halb belustigten Blick zu Serelloth, die demonstrativ in die andere Richtung blickte. "Wie Serelloth bereits sagte, waren wir auf dem Weg zur Anduinmündung und dann den Fluss hinauf nach Ithilien, zu den Verstecken der Waldläufer dort. Ich hatte gehofft, vielleicht Valion und Valirë in ihrer Festung dort anzutreffen."
"Dann ist es gut, dass der Sturm euch abgetrieben hat", meinte Hilgorn. "Der Ethir ist in Mordors Hände gefallen und geschleift, und dieser Weg hätte in eurem sicheren Tod geendet." Bei seinen Worten schien sämtliches Blut, das gerade erst den Weg zurück dorthin gefunden hatte, wieder aus Serelloths Gesicht zu weichen. "Dann müssen wir umso eher dorthin, denn dann sind mein Vater und meine Freunde dort in Gefahr!"
"Was ist mit den Zwillingen geschehen, als die Festung fiel?", fragte Ta-er. "Ich kenne sie nicht sehr gut, doch sie waren gute Leute." "Sie waren nicht dort", antwortete Hilgorn. "Vor einiger Zeit sind sie nach Westen in die Heimat ihrer Mutter aufgebrochen, und als ich Dol Amroth verließ, waren sie noch nicht zurückgekehrt."
"Das ist doch nicht wichtig", fiel Serelloth entschlossen ein. "Ta-er, wir müssen nach Ithilien."
"Das kann ich nicht ohne weiteres zulassen", sagte Hilgorn, bevor Ta-er etwas erwidern konnte, und Serelloths Augen verengten sich. "Wir in dieser Nacht nur knapp einer absoluten Niederlage entgangen, und verteidigen nun mit aller Kraft die Linie des Gilrain. Ithilien liegt weit östlich davon, und selbst wenn es dort noch Waldläufer gibt, liegen alle Heere Mordors zwischen uns und ihnen. Ich allein kann die Entscheidung nicht treffen, euch dorthin ziehen zu lassen, nicht, nachdem ihr hier gewesen seid. Selbst wenn ihr keine Spione seid, werdet ihr gefangen genommen, wird Mordor einen Weg finden euch alles zu entlocken, was ihr wisst. Und jede Information über unsere Verteidigung, und sei sie noch so klein, kann das sein, was Sauron fehlt um uns niederzuwerfen."
Serelloth wollte protestieren, doch Ta-er hob die Hand. "Und wer kann diese Entscheidung treffen?"
"Fürst Imrahil von Dol Amroth", erwiderte Hilgorn. "Also gut. Dann bringt uns zu ihm." Nichts von alldem, was Hilgorn gesagt hatte, schien Ta-er aus der Ruhe zu bringen, und sie stand noch immer hoch aufgerichtet vor ihm, mit undurchschaubarer Miene - im Gegensatz zu Serelloth, der jede Gefühlsregung am Gesicht abzulesen war.
Hilgorn seufzte. "Na schön. Die Thoroval wird zum Hafen von Dol Amroth begleitet werden." Allein bei dem Gedanken, erneut einen Fuß auf das Schiff zu setzen, wurde Serelloth ein wenig grüner im Gesicht, und Hilgorn schmunzelte. "Wer keinen Wert darauf legt, mit dem Schiff zu fahren, ist allerdings herzlich eingeladen, mich auf dem Landweg nach Dol Amroth zu begleiten."

Hilgorn mit Serelloth und Ta-er nach Tum-en-Dín

Fine:
Valion, Ardóneth, Lóminîth, Rinheryn, Glóradan und Damrod aus Dol Amroth


Einen ganzen Tag hatte ihr Ritt durch Belfalas und Dor-en-Ernil gedauert, doch nun, als die Sonne im Westen langsam unterging, näherte sich die Kolonne der gondorischen Verstärkungstruppe der Stadt Linhir. Fürst Imrahil und seine Eskorte waren bereits nach wenigen Meilen des Rittes nach Dol Amroth zurückgekehrt. Valion hatte einen berittenen Boten im Galopp vorausgeschickt, um der Garnison Linhirs ihre Ankunft anzukündigen. Als sie nur noch einige wenige Meilen von den Toren der Stadt entfernt waren, kehrte der Bote in Begleitung zweier weiterer Reiter zurück. Wie Valion schon bald erfuhr handelte es sich dabei um zwei der Offiziere des gefallenen Generals Hilgorn: dessen Adjutant, Balvorn, sowie ein weiterer gondorischer Hauptmann mit Namen Berion, der ebenfalls in der Schlacht im Schwarzgrundtal gekämpft hatte.
Valion lenkte sein Pferd auf einen kleinen Hügel etwas abseits der Straße und wies die Soldaten an, mit den Versorgungswagen weiter in die Stadt vorzurücken. Die Kommandanten Balvorn und Berion erstiegen den Hügel, nachdem sie abgesessen waren und sich ihre Helme unter den Arm geklemmt hatten. Rinheryn, Ardóneth und Damrod schlossen sich ihnen an, während Lóminîth beschlossen hatte, mit den Soldaten nach Linhir zu reiten. Sie würde dort auf Valion waren, der inzwischen ebenfalls abgesessen war.
"Hír Valion," grüßte Balvorn und deutete eine knappe Verbeugung an. Berion, der neben ihm stand, tat es ihm gleich.
Valion war entschlossen, direkt zur Sache zu kommen. "Was gibt es, Kommandant?" fragte er.
"Nun, zunächst einmal bin ich froh, euch alle hier zu sehen," sagte Balvorn. "Auch wenn ihr weniger Schwerter bringt als wir erhofft hatten, wird doch jeder zusätzliche Mann von großer Hilfe sein."
"Wie ist die Lage in der Stadt?" wollte Valion wissen.
"Wir halten das Westufer des Gilrain-Flusses auf der gesamten Länge," sagte Berion. "Auch Linhirs Westhälfte ist noch immer in unserer Hand. Nur wenige der Stadtbewohner sind noch hier; die meisten sind nach Ethring evakuiert worden."
"Gab es Angriffe Mordors in den letzten Tagen?"
Balvorn warf Valion einen erschöpften Blick zu. "Seit Hilgorns Verschwinden haben die Gefechte nie mehr richtig aufgehört. Zwar haben die Orks bislang keinen neuen Großangriff gewagt, doch immer wieder wagen sie kleinere Vorstöße und prüfen unsere Wachsamkeit. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Pfeile schwirren."
Valion nickte. Die Situation entsprach seinen Erwartungen. "Wie sieht es mit dem Kampfgeist der Soldaten aus, meine Herren? Ist ihr Mut noch ungebrochen?"
Eine Pause entstand, ehe schließlich Berion antwortete. "Der Verlust des Generals war ein schwerer Schlag für die Moral der Männer, Herr. Noch halten sie stand, doch die Schrecken Mordors werden Tag für Tag bedrohlicher. Hilgorns Tod..."
"...ist noch nicht bestätigt worden," unterbrach Balvorn seinen Kameraden.
Berion seufzte niedergeschlagen. Offensichtlich lag hier eine Uneinigkeit vor, über die die beiden gondorischen Kommandanten schon viele Male gestritten hatten. "Es gab genug Leute, die gesehen haben, wie er durch dem Angriff der Schattengestalt in die Fluten des Gilrain stürzte," sagte Berion. "Der Meister der Delferyn, Gilheston, ist kein Lügner, das weißt du so gut wie ich. Und er und der Herr Dervorin können bezeugen, wie Hilgorns leblose Gestalt aufs Ostufer gezerrt wurde. Gesteh' es dir endlich ein, Balvorn. Er ist tot."
"Das glaube ich erst, wenn ich seine Leiche gesehen habe," hielt Balvorn dagegen. Valion glaubte zu sehen, wie der Unterkiefer des Mannes sich verkrampfte, um ein Zittern zu unterdrücken.
"Ob der General nun tot oder lebendig ist spielt im Augenblick keine Rolle," warf Rinheryn ein. "Hört auf euch darüber zu streiten! Wir sind hier, um die Stadt zu verteidigen und die Front zu sichern. Das ist alles, was uns im Augenblick Sorge bereiten sollte."
"Sie hat recht," sagte Valion. "Dennoch weiß ich, wie sehr die Soldaten zu ihrem General aufgesehen haben. Sobald wir in Linhir sind, werde ich diesbezüglich eine Entscheidung treffen. Aber zuvor müssen wir unsere nächsten Schritte besprechen. Kommandant Balvorn, ich weiß, dass im Namen des Herrn der Spione, Amrodin, entlang der Grenze viele Spähposten errichtet worden sind, um nicht nur unser Ufer, sondern auch das besetzte Land jenseits des Flusses zu beobachten. Ist diese Überwachungslinie noch intakt?"
Balvorn schüttelte den Kopf. "Wir haben allzu oft jeden kampffähigen Mann benötigt. Die Spähposten sind größtenteils aufgegeben worden. Wir wissen nicht, was im Land hinter dem Ostufer vor sich geht."
Valion nickte, denn nichts anderes hatte er erwartet. "Damrod," sagte er und warf dem Kommandant der Waldläufer einen raschen Blick zu. "Denkt Ihr, Eure Leute könnten sich dieser Aufgabe annehmen?"
Damrod bestätigte den Auftrag mit einer stummen, bejahenden Geste. Er nickte Valion knapp zu, dann winkte er seine Waldläufer zu sich. Auch Ardóneth schloss sich ihnen an, als sie auf ihre Pferde stiegen und in nördlicher Richtung davonritten.
Rinheryn hatte den Blick zur Stadt hinunter gerichtet. "Ich sehe mehrere Schiffe, die im Hafen Linhirs liegen," sagte sie. "Inwiefern steht die Flotte zu unserer Verfügung?"
Balvorn erwiderte darauf nichts. Stattdessen sagte Hauptmann Berion: "Ein etwas kniffliges Thema, híril. Der Anführer der Kapitäne, Aldar Thoron, ist der ältere Bruder General Hilgorns."
Valion glaubte, sich verhört zu haben. "Noch einer?" stieß er verdutzt hervor.
Berion, der in der Schlacht im Schwargrundtal Zeuge des Todes von Imradon Thoron - ebenfalls Bruder Hilgorns - geworden war, hob rasch die Hände. "Aldar Thoron ist ein ehrenhafter Mann und steht in keinerlei Vergleich zu dem Verräter Imradon. Seine Flotte hat uns bislang unschätzbare Hilfeleistungen bei der Verteidigung der Stadt geliefert, doch nun, da der General tot..." An dieser Stelle räusperte sich Balvorn scharf, und Berion korrigierte sich rasch: "...für tot gehalten wird, hat Kapitän Aldar seine Pflichten vernachlässigt. Er trauert, Herr."
Na großartig, dachte Valion, ohne jedoch seine Verärgerung zu zeigen. Er verstand natürlich, dass Aldar Thoron um seinen Bruder trauerte, doch diese Trauer durfte sich nicht auf die Sicherheit von ganz Gondor auswirken. Er würde sich darum kümmern müssen...
"Also gut," sagte er. "Auch mit ihm werde ich sprechen, sobald wir uns die Lage in der Stadt angesehen haben. Außerdem müssen wir uns um die Unterbringung der neuen Soldaten kümmern."
"Ich habe die übrigen Offiziere angewiesen, Eure Verlobte in die Residenz des Stadtherren zu geleiten. Sie wird dort auf Euch warten," sagte Balvorn.
"Habt Dank. Nun, wenn sonst keine Frage mehr offen sind, schlage ich vor, wir verlieren keine Zeit mehr, und..."
"Sieh mal einer an. Wenn das nicht Valion ist."
Die Stimme war von der Straße her gekommen, und überrascht wandten alle ihr den Kopf zu. Dort stand eine gerüstete Frau mit Schild und Speer in den Händen, deren dunkles, rötlich schimmerndes Haar zu einem Zopf geflochten war. Da es bereits dunkelte, dauerte es einen Augenblick, ehe Valion sie erkannte.
"Verdandi?"
"Du erinnerst dich also noch," sagte sie und kam näher. "Wie ich sehe hast du es inzwischen zum Heerführer gebracht," merkte sie mit einem Blick auf die übrigen Kommandanten an.
"Wer ist das denn?" wollte Rinheryn mit offenem Misstrauen wissen.
"Eine Freundin. Oder vielleicht mehr eine Bekanntschaft. Ich traf sie einst, als sie versuchte, bei Fürst Imrahil vorzusprechen," erklärte Valion rasch. An Verdandi gerichtet fragte er: "Was tust du hier? Wolltest du nicht in die besetzten Gebiete zurückkehren, um dort Gefangene zu befreien?"
Verdandi legte den Kopf schief. Valion musste zugeben, dass sie nicht sonderlich gut aussah - sie wirkte angeschlagen, als ob eine Krankheit sie befallen hätte. Hin und wieder war ein Husten zu hören, wenn sie sprach. "Das hat sich als komplizierter als gedacht erwiesen. Niemand kommt ungesehen über den Fluss... jedenfalls nicht ohne Hilfe." Dabei sah sie Valion genau in die Augen, und er verstand.
"Du willst mich um einen Gefallen bitten."
"Ich sehe, du hast aufgepasst," lobte Verdandi, doch sie lächelte nicht. "Ich brauche eine Ablenkung, damit ich ans andere Ufer gelangen kann, ohne dass die Orks es bemerken. Und du kannst mir eine solche Gelegenheit verschaffen."
"Wir werden sehen, was sich machen lässt," sagte Valion. "Ich schlage vor, fürs Erste kommst du mit uns in die Stadt. Wenn ich die Lage eingeschätzt habe, können wir einen Plan machen."
"Ist diese Frau vertrauenswürdig?" wollte Rinheryn wissen. Balvorn schien ähnliche Gedanken zu haben, Berion hingegen betrachtete Verdandi mit offenem Interesse. Sie jedoch schenkte ihm kaum Beachtung.
"Lass es gut sein, Rinya," sagte Valion leise zu Duinhirs Tochter. "Sie ist keine Verräterin, auch wenn sie nicht aus Gondor stammt."
"Wenn du es sagst..." erwiderte Rinheryn ebenso leise.
"Also denn," sagte Valion und nahm sein Pferd am Zügel. "Die Nacht bricht herein. Ich verspüre nur wenig Lust, sie hier draußen zu verbringen. Linhir mag Kriegsgebiet sein, doch immerhin wird es dort ein warmes Feuer und eine Mahlzeit geben."
Er stieg in den Sattel. Auch die übrigen Gondorer saßen auf. Berion überließ Verdandi sein Pferd und würde sich zu Fuß in der Garnison einfinden. So legten sie das letzten Stück des Weges nach Linhir zurück.


Valion, Verdandi, Rinheryn, Lóminîth Balvorn und Berion zu Marwans Anwesen
Ardóneth, Damrod, Glóradan und die Waldläufer nach Lebennin

Fine:
Valion, Hilgorn, Rinheryn, Serelloth und Ta-er as-Safar aus Lebennin


Nach einem raschen Ritt von den Gilrain-Furten in Richtung Süden erreichten sie einige Zeit später das Umland Linhirs. Valion hatte einen Soldaten auf dem schnellsten Pferd vorausgesandt, um Hauptmann Balvorn eine dringende Nachricht zu übermitteln und ihn zu einem Treffpunkt an der Straßenkreuzung einige Meilen außerhalb der Stadt zu beordern. Als die Reisegruppe samt bewaffneter Eskorte dort eingetroffen war, erkannte Valion zu seiner Überraschung, dass nicht nur der Hauptmann ihn bereits dort erwartete, sondern auch Kapitän Aldar - Hilgorns älterer Bruder.
Der Seefahrer stemmte die Fäuste in die Hüften und nickte Valion anerkennend zu. Diesem war klar, dass er mehr Lob von Aldars Seite wohl nicht erwarten konnte, weshalb er sich damit begnügte, ein kleines Grinsen zu zeigen und die Geste zu erwidern. Dann wandte der Kapitän sich seinem Bruder zu, der gerade etwas steif vom Pferd stieg. Aldar umarmte Hilgorn innig und führte ihn ein paar Schritte beiseite, um unter vier Augen mit seinem jüngeren Bruder zu sprechen.
Derweil erstattete der pflichtbewusste Balvorn Valion seinen Bericht. Doch die verstohlenen Blicke, die der Hauptmann hin und wieder zu seinem General, Hilgorn, hinüberwarf, ließen darauf schließen, wie froh er über den Erfolg von Valions Mission war.
“Unser Feind am Ostufer hat sich in Eurer Abwesenheit recht ruhig verhalten,” berichtete Balvorn. “Zwei kleine nächtliche Vorstöße auf unsere Seite des Flusses haben unsere Soldaten mit Leichtigkeit abwehren können. Seitdem scheint den Orks die Lust auf einen weiteren Angriff vergangen zu sein. Wir vermuten, dass diese Tatsache damit zusammenhängt, dass der Oberkommandant der Streitkräfte Mordors sich derzeit nicht in der Stadt befindet.”
“Nein, laut Hilgorn war er im Tal des Celos,” antwortete Valion. “Gibt es sonstige Vorkommnisse, Balvorn?”
“Wir erhielten Nachricht von Herrn Damrod und seinen Waldläufern,” setzte der Hauptmann seinen Bericht fort. Sie haben ein verlassenes Lager einige Meilen hinter den feindlichen Linien entdeckt und damit begonnen, es zu ihrem Stützpunkt zu machen. Von dort aus werden sie ihre Kundschafter aussenden und uns hoffentlich bald mit Informationen über feindliche Truppenbewegungen und Standorte von Mordors Lagern versorgen.”
“Gut, gut,” murmelte Valion, als im selben Moment Serelloth von ihrem Pferd sprang und rief: “Damrod? Was ist mit ihm, geht es ihm gut?“
Wäre Valion nicht bereits in Linhir aufgefallen, in welcher Beziehung Serelloth zu dem grimmigen Anführer der Waldläufer stand, wäre ihm vermutlich spätestens jetzt alles klar geworden. Selbst die Kleidung, die das Mädchen trug, in grün und braun gehalten, hätte problemlos zu einem der Wächter der Wälder Gondors gepasst.
“Du vermisst deinen Vater, nicht wahr?” sprach er seinen Verdacht laut aus.
Serelloth blickte ihn prüfend an. “Hat Ta-er dir das etwa verraten?” Sie wartete nicht auf eine Antwort. “Wenn mein Vater in der Nähe ist, muss ich zu ihm gehen.”
“Du musst?” hakte Valion nach.
“Ich muss ihm Bericht erstatten. Von meiner Reise in den Süden. Und...”
“Und du willst wissen, ob es ihm gut geht,” mutmaßte Rinheryn, die verstehend nickte.
Serelloth nickte ebenfalls. “Bitte, lasst mich zu ihm gehen. Ich weiß, dass der unheimliche General nicht so gut auf mich zu sprechen ist, aber vielleicht könnt ihr ein gutes Wort für mich einlegen?” Der Blick, den sie Valion nun schenkte, hätte vermutlich selbst das härteste Herz zum Schmelzen gebracht.
“Du kannst mit den Soldaten gehen, die nach Linhir zurückkehren werden,” meinte Valion. “Dort wirst du selbst eine Gelegenheit finden müssen, den Fluss zu überqueren.”
Serelloth nickte begeistert, doch Rinheryn sagte: “Du kannst sie doch nicht ganz alleine in die besetzten Gebiete schicken. Das wäre ihr sicherer Tod!”
Valion seufzte. “Ich werde Balvorn anweisen, von Linhir eine Nachricht an die Waldläufer zu entsenden. Sicherlich wird Damrod dafür Sorge tragen, dass seine Tochter auf sicherem Wege zu ihm findet.” Dann wandte er sich Ta-er as-Safar zu, die schweigend zugehört hatte. “Was ist mit dir? Wirst du Serelloth weiterhin begleiten?”
Die Attentäterin schüttelte den Kopf. “Ich komme mit dir nach Dol Amroth, wenn  es mir gestattet wird.” Über ihre Beweggründe schwieg sie beharrlich, selbst als Valion nachhakte. Schließlich gab er es auf, mehr aus Ta-er herauszubekommen.

Stattdessen suchte Valion erneut Hauptmann Balvorn auf, der bislang etwas teilnahmslos herumgestanden hatte, denn Hilgorn und sein Bruder waren noch nicht wieder zur Gruppe gestoßen. Valion instruierte den Hauptmann über Serelloth Absichten und bat ihn, so bald wie möglich einen Botenvogel zu Damrod und Ardóneth zu entsenden. Darüber hinaus wies Valion Balvorn an, Lóminîth von den Ereignissen zu unterrichten und sie zu bitten, sich mit Kapitän Aldars Unterstützung nach Dol Amroth einzuschiffen. Er würde es nicht gerne sehen, seine Verlobte alleine in einer kriegsumtosten Stadt wie Linhir zurückzulassen. Balvorn notierte sich die Anweisungen pflichtbewusst auf einem Pergament, rollte es zu einer Schriftrollen zusammen und schwang sich zurück in seinen Sattel, um zur Stadt zurückzukehren.

Das wäre erledigt, dachte Valion einigermaßen zufrieden. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren, als er Rinheryn auf sich zukommen sah. Im Licht der Abendsonne leuchteten ihre Haare in einem noch grellerem Rotton als sonst.
“Bist du dir bei der Sache auch wirklich sicher?” fragte sie und spielte eindeutig auf den bevorstehenden Ritt nach Dol Amroth an.
Langsam nickte er. “Ich denke, es ist so am Besten. Früher oder später wird die Kunde von Hilgorns Rettung sowieso die Runde machen und bald schon an Imrahils Ohr gedrungen sein. Da ist es besser, wenn ich es selbst bin, der ihm davon berichtet.”
Rinheryn blickte unschlüssig nach Westen. “Du weißt doch, dass du dich seit deiner Gerichtsverhandlung auf dünnem Eis bewegst, was die politische Lage in Gondor angeht. Man könnte dir deine Titel und Ämter endgültig entziehen.”
“Das schert mich nicht,” gab er zu. “Ich habe es mir nicht ausgesucht, adelig geboren zu sein. Oft fühlt sich meine Pflicht gegenüber dem Volk des Ethirs viel mehr wie eine Last als ein Privileg an.”
Rinya, die ebenfalls aus hohem Hause stammte, schien das anders zu sehen. “Es ist mehr als nur eine Last, oder ein Privileg. Zu herrschen bedeutet die Menschen um sich herum in den wichtigsten Aspekten ihrer Leben anzuleiten und ihnen den rechten Weg zu weisen. Ich wünschte, ich hätte ein eigenes Lehen oder auch nur eine Stadt, die auf mein Kommando hörte.”
“Ist dein Vater nicht Herr von Morthond?” fragte Valion.
“Das ist er,” bestätigte Rinheryn. “Doch was nutzt es mir, wenn ich mit dem falschen Geschlecht geboren wurde? Meine Brüder sind fort, doch an ihrer Stelle hat mein Vater bereits einen neuen Erben adoptiert. Frauen taugen nicht zum Herrschen, hat er stets zu sagen gepflegt. Und so gedenkt er es auch zu halten. Ich werde niemals Herrin des Schwarzgrundtals werden.” Sie bedachte Valion mit einem sehnsüchtigen Blick. “Wenn du nur nicht verlobt wärest. Ich könnte dich von deiner Last befreien und Herrin des Ethirs sein, und...”
Erschrocken brach Rinya mitten im Satz ab und schlug beide Hände vor den Mund. Selbst im schwindenden Licht sah Valion, wie rot ihr Gesicht geworden war.
“V-vergiss was ich gesagt habe!” stieß Duinhirs Tochter hervor und stürzte davon, ehe Valion sie aufhalten konnte.
Auch das noch, dachte er, während er sich nachdenklich auf den Rückweg zu den wartenden Pferden machte.

Inzwischen war Kapitän Aldar mit Hilgorn zurückgekehrt und hatte sich von seinem Bruder verabschiedet. Er warf Valion noch einen letzten Blick zu, in dem einige unausgesprochene Fragen lagen, dann schloss der Kapitän sich den übrigen Soldaten an, die zur Stadt Linhir zurückkehren würden. Serelloth war bereits verschwunden.
Die Gruppe, die nach Dol Amroth weiterreisen würde, sammelte sich bei Hilgorn, der bereits im Sattel saß. Der Blick des Generals ging nach Westen. Schließlich gab er wortlos das Signal zum Aufbruch.
Valion ritt am Ende der kleinen Gruppe, die aus Hilgorn, Rinheryn, Ta-er as-Safar, einer dreiköpfigen Eskorte und ihm selbst bestand. Die Kriegerin des Silbernen Bogens ließ ihr graues Pferd neben Valions Schimmel laufen.
“Ich glaube, mit dem General stimmt etwas nicht,” raunte sie Valion über das leise Hufgetrappel hinweg zu. Damit bestätigte sie dessen leise Ahnungen, die ihn seit Hilgorns Befreiung mehr und mehr beschlichen hatten. Hilgorn wirkte definitiv verändert. Valion hatte diese Beobachtungen zunächst auf die Gefangenschaft geschoben, die Hilgorn im Tal des Celos hatte erdulden müssen, doch inzwischen war er sich nicht mehr sicher. Steckte da vielleicht noch mehr dahinter?
“Ich werde ein Auge auf ihn haben,” versprach die Attentäterin leise, ehe sie sich ans Ende der Gruppe zurückfallen ließ.
Valion war sich nicht sicher, ob das seine Befürchtungen etwas milderte. Wenn Hilgorn eine Gefahr darstellte, war es beruhigend, Ta-ers herausragende Fähigkeiten in der Nähe zu wissen. Doch was, wenn Valion sich all das nur einbildete und Hilgorn einfach nur mit den Folgen seiner Folter zu schaffen hatte? Wenn der General des Schwanenheeres von einer Attentäterin aus Harad ermordet aufgefunden würde, würde es nicht lange dauern, bis man die Verbindung zu Valion herstellte - und dann würde ihn selbst der gute Wille Imrahils nicht mehr retten können...


Valion, Hilgorn, Ta-er as-Safar und Rinheryn nach Dol Amroth

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln