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In den Straßen von Gortharia

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Rohirrim:
Bijans Start:

Es war heiß. Die Sonne knallte in die Straßen von Gortharia. Bijan schwitzte am ganzen Körper. Seine Rüstung fühlte sich schwer an, und er hatte das Bedürfnis sie abzulegen. Doch das konnte er nicht. Er war immer noch ein stolzer Soldat Rhûns. Auch wenn er vorhatte gegen seinen Herrscher zu rebellieren, so kämpfte er immer noch für das Volk der Ostlinge. Außerdem war seine Uniform gleichzeitig auch eine gute Tarnung. Ein Soldat Rhûns wurde respektiert, und seine Handlungen wurden nur selten hinterfragt.
Ein leichter Windzug strich kühlend über Bijans Gesicht. Es war ein angenehmes Gefühl, doch es währte nur wenige Sekunde. Anschließend war er wieder der Hitze ausgesetzt. Doch er hatte wichtigeres zu tun, als sich über die Hitze sorgen zu machen. Er musste irgendwie Kontakt zu der Untergrundbewegung aufnehmen, doch er wusste nicht wie. Er hatte weder einen Namen, noch eine Adresse. Er wusste lediglich von ihrer Existenz.

„Was soll ich jetzt tun? Ich muss doch irgendwie Kontakt aufnehmen können. Aber es ist nicht leicht. Ich könnte die Leute fragen, doch ich muss behutsam vorgehen. So etwas wie in Riavod darf mir nicht noch einmal passieren. Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass mir nochmal die Flucht gelänge. Ich muss auf jeden Fall aufpassen. Vielleicht sollte ich zunächst mal versuchen Gespräche zu belauschen. Am besten in einer der ärmeren Gegenden.“

Darüber nachdenkend, wie weiter vorgehen sollte, ging Bijan weiter durch die Straßen. Er entfernte sich weiter vom Stadtzentrum und ging in die Regionen, in denen die Auswirkungen der Unterdrückung durch Khamûl am deutlichsten sichtbar waren. Bijan sah Leute auf den Straßen liegen. Vermutlich hatten sie ihr Häuser verloren. Bijan versuchte Gesprächsfetzen aufzufangen, die irgendetwas mit einer Untergrundbewegung zu tun hatten, doch lange Zeit blieb er erfolglos.

Bijan durchstreifte die Stadt bis es dunkel wurde, blieb dabei aber erfolglos. Hin und wieder konnte er Gespräche frustrierter Bürger aufschnappen, aber keins davon ließ auf eine organisierte Untergrundbewegung schließen. Frustriert ging er weiter durch die Straßen, als ihm plötzlich etwas interessantes zu hören kam:

„Erinnerst du dich noch an den Barden im humpelnden Säufer, der die alten Könige gelobt hat, und Khamûl kritisiert hat?“ „Ja, natürlich! Wie könnte ich das vergessen.““Weißt du noch seinen Namen. Oder vielleicht seine Adresse? Ich habe das Gefühl, dass dieser Mann uns dabei helfen könnte die Freiheit wiederzuerlangen.“ „Psst! Nicht so laut. Ich glaube die Wache dort drüben sieht zun uns herüber. Hoffentlich hat sie das nicht gehört.“ „Mist! Er kommt auf uns zu. Das ist...“

„Keine Sorge“, flüsterte Bijan, während er den beiden näher kam. Sie blickten Bijan ängstlich an.. „Ich bin nicht hier um euch zu verhaften. Ich suche nach Informationen.“ „Informationen? Worüber denn?“ „Ach tu doch nicht so. Es geht um den Barden. Ich habe es doch gehört.“ „Ach der...nun...das ist ähm...Wir haben uns nur darüber unterhalten, wie einmal im humpelnden Säufer ein Barde es gewagt hat die Herrschaft Khamûls zu kritisieren. Aber wir haben ihn natürlich sofort geschlagen und verjagt.“

Bijan wusste dass sie lügen. Er hatte es mit eigenen Ohren gehört. Doch sie hatten zu viel Angst vor ihm, und er war nicht hier um die guten Bürger Rhûns zu verhören und zu verängstigen. Also ging er weiter. Immerhin hatte er jetzt eine Spur. „Ein Barde war also im humpelnden Säufer. Vielleicht weiß man da ja etwas über die Untergrundbewegung“, sagte Bijan leise zu sich selbst. Dann lief es ihm plötzlich kalt den Rücken herunter. Ihm wurde bewusst, dass er die Worte eben nicht gedacht, sondern gesagt hatte. Nervös blickte er sich um. Er hatte das Gefühl, dass ihn jemand beobachtet. Doch er konnte keine Wachen entdecken. Und auch sonst war niemand in seiner Nähe. Bijan beruhigte sich wieder ein wenig. Doch er musste wachsam sein. Kein Soldat durfte erfahren, was er vorhatte... noch nicht!

Uns so machte sich Bijan auf den Weg zur Kneipe “Der humpelnde Säufer“.


Bijan zur Kneipe “Der humpelnde Säufer“

Rohirrim:
Bijan von der Kneipe "Der humpelnde Säufer"

Früh am nächsten Morgen erwachte Bijan in seinem Zimmer. Er hatte kaum geschlafen. Er musste pausenlos an seinen Schwur gegenüber Mehzad denken. Er würde es zu Ende bringen. Das hatte er  versprochen. Doch nun lag er in diesem schäbigen Gasthof und wusste nicht mehr weiter. In der Nacht war ihm klar geworden, dass er einen glücklichen Zufall brauchen würde, um sich den Untergrundkämpfern anschließen zu können. Niemand wusste etwas, und wenn jemand etwas wusste, so würden sie es ihm nicht erzählen.
Er setzte sich auf. Sonnenlicht drang durch das Fenster und durchflutete den Raum mit Licht. Der größte Teil des Zimmers war verstaubt. Die Gemälde an der Wand sahen so aus, als wären sie seit mehreren Jahren nicht mehr angefasst worden. In der Ecke stand ein hässlicher, vollkommen verstaubter Schrank, dessen Türgriff abgefallen war und ein ein paar Meter daneben auf dem Fußboden lag. Hoffentlich musste er hier nicht mehr allzu lange bleiben.

Bijan stand nun auf und legte seine Rüstung an. Er liebte das Gefühl sich die Rüstung überzustreifen. Er liebte die Wärme, die die Rüstung bot. Er liebte das Gefühl von Sicherheit, das ihm die Rüstung verlieh. Er liebte das Geräusch. Er liebte den Geruch des Metalls. Und er liebte das Gefühl in dieser Rüstung für sein Heimatland zu kämpfen.
Mit dem Anlegen seiner Rüstung schöpfte Bijan auch wieder frischen Mut. Seine Aufgabe war zu wichtig, als das er jetzt einfach aufgeben könnte. Und so verließ er das Zimmer und ging nach unten. Nach einem kurzen Frühstück verließ er den Gasthof und betrat die Straßen von Gortharia.

Es war noch früh, und die Straßen war noch nicht so voll. An vielen Häusern sah Bijan Fenster aufgehen, und hin und wieder kamen ihm einige Frühaufsteher entgegen. Aus einigen Häusern kam der Geruch von frisch gebackenem Brot. Bijan ging durch die Straßen und dachte nach.

„Wie kann es sein, dass die Menschen auf den Dörfern und aus der Vorstadt jeden Tag ums Überleben kämpfen, und die Menschen hier so leben als ob nichts wäre? Sie stehen auf, gehen einkaufen und backen sich ihr Brot, während Menschen in der selben Stadt aus Mülleimern essen und auf der Straße schlafen. Wie kann es sein, dass niemand etwas dagegen unternimmt? Wie kann es sein, dass ein Nazgûl unseren König kontrolliert und unser Volk unterdrückt, ohne dass es zu einer Revolution kommt? Und vor allem; Wie kann es sein, dass ich jahrelang Teil dieses Systems war, im Glauben unser Volk in ein besseres Zeitalter zu führen?
Einst zog ich als stolzer Soldat Rhûns in den Krieg gegen Gondor. Ich befolgte willig die Befehle meiner Vorgesetzten und tötete viele Feinde Rhûns. Wofür?
Im Namen Saurons zog ich, gemeinsam mit dem vereinten Heer Rhûns in den Krieg. Wofür?
Auf Cair Andros starb einer meiner besten Freunde, Aran. Wofür?
Auf den Pelennor Feldern kämpfte ich, an der Seite meiner Einheit, obwohl unsere Verbündeten schon längst geflohen waren. Wofür?
All dies tat ich, in dem festen Glauben, Sauron wäre unser Erlöser. Ich war mir sicher, dass er uns in eine glorreiche Zukunft führen würde. Alles was ich tat diente dem Zweck, meine Familie, mein Volk aus der Unterdrückung Gondors zu befreien. Meines Feindes Feind ist mein Freund, also folgte ich Sauron, ohne an ihm zu Zweifeln. Doch was wenn sich herausstellt, dass dieser Freund schlimmer ist als der gemeinsame Feind? Wie verhält man sich, wenn alles woran man glaubt, alles was einem wichtig ist, alles wofür man kämpft in sich zusammenbricht? Wenn man erkennt, dass alles was man im Leben getan hat nur Leid hervorgerufen hat? Wie kann man das wiedergutmachen? Wie kann ICH das wiedergutmachen?
Ich habe es versucht. Zusammen mit Mehzad ging ich nach Riavod, um herauszufinden, was wir tun können. Doch auch dort habe ich nur Leid verursacht. Ich alleine habe Elinjas Tod zu verantworten. Ich alleine habe Mehzads Tod zu verantworten. Ich alleine habe den Tod der Patroullie zu verantworten.
Und jetzt? Jetzt bin ich hier in Gortharia, laufe durch die Straßen und stelle fest, dass ich trotz meiner guten Absichten immer noch nichts erreicht habe.“

„Hey! Bijan!“ Sofort wurde Bijan aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte auf und sah einen zwei Soldaten Rhûns, von denen einer ihm begeistert zuwinkte. Er kannte diesen Mann, konnte ihn aber keinen Namen und keine Taten zuordnen. Die beiden Soldaten kamen näher, und der, der ihn gerufen hatte fing sofort begeistert an zu reden.

„Bijan, alter Freund. Ich wusste gar nicht, dass du wieder hier bist. Hast du deinen Dienst wieder aufgenommen? Ich sags dir, du hast echt was verpasst. Die glorreiche Schlacht um den Erebor...Eine Schande das du nicht dabei gewesen bist. Erinnerst du dich überhaupt noch an mich?“
Und genau in diesem Moment viel es ihm wieder ein. Es war Navid. Ein Soldat der Armee, der immer Stimmung an den Laden brachte. Stets gewann er jedes Trinkspiel und hatte immer einen guten Spruch auf den Lippen. Auf Dauer wirkte er jedoch etwas aufdringlich und ging vielen zum Teil auf die Nerven.
„Navid, richtig?“ „Genau! Man vergisst seine alten Freunde niemals, nicht wahr? Also, was machst du hier? Bist du hier, um dich wieder der mächtigen Armee Rhûns anzuschließen, die das große Zwergenreich Erebor in einer glorreichen Schlacht zu Fall gebracht hat? Ich sags dir, wir sind die beste und schlagkräftigste Armee in ganz Mittelerde. Niemand kann uns stoppen. Schon gar nicht, wenn dein Streithammer wieder an unserer Seite wäre.“
Bijan zögerte. Was sollte er darauf antworten? Navid war offensichtlich begeistert von Khamûls Herrschaft über Rhûn. Er war ein Feind, obwohl er es nicht wusste. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal wofür er wirklich kämpft.
„Ähm, also momentan bin ich noch freigestellt. Ich weiß noch nicht wann ich zurückkehren werde“, antwortete Bijan. „Ach das ist jetzt auch nicht wichtig. Hast du Lust uns ein wenig zu begleiten und zu quatschen?“
Bijan wusste in diesem Moment keinen Ausweg, also willigte er ein. Er wusste sowieso nicht, wie er weiter vorgehen sollte, also konnte es nicht schaden. Und vielleicht konnte er von Navid ein paar Informationen aufschnappen.
So verbrachte Bijan fast den ganzen Tag mit seinem ehemaligen Kriegskumpanen. Der zweite Soldat war neu, und von genau dem selben Schlag wie Navid. Sie erzählten Bijan von den Schlachten um Thal und um den Erebor, den wohl größten Schlachten die sie je geführt hatten. Und dabei sparten sie nicht an Witzen und coolen Sprüchen. Bijan gab sich alle Mühe zu lächeln und mitzureden, doch es viel ihm schwer. Wie sie begeistert davon redeten, dass sie für Sauron Menschen und Zwerge getötet hatten...Da fällt es schwer nicht aus der Haut zu fahren. Doch Bijan gelang es den Tag zu überstehen ohne verdächtig zu wirken.

Am Ende des Tages verabschiedete sich Bijan von den beiden Soldaten. Inzwischenwar es Abend geworden. Der ganzen Tag hatte er damit verbracht, zwei Soldaten zu begleiten. Doch es war nicht völlig vergebens. Navid hatte erwähnt, dass er erst vor einem Monat nach Gortharia beordert worden war. Und er war nicht der einzige. Offenbar ahnte die Herrscherriege Rhûns etwas, denn die Stadt und vor allem der königliche Palast waren voll von Soldaten. Navid glaubte der Herrscher wolle seine Macht unter Beweis stellen, doch Bijan vermutete etwas anderes. Man fürchtete um die Sicherheit des Herrschers. Navid hatte ihm erzählt ihm, dass er ständig von zwei Soldaten begleitet wurde.
Doch Bijan hatte immer noch keine Ahnung, wie er Kontakt zur Untergrundbewegung aufnehmen sollte. Frustriert ging er zurück in den Gasthof und bezahlte für eine zweite Nacht. Es war zwar kein schönes Zimmer, aber es war günstig. Er trank noch zwei Bier und aß etwas, dann ging er zu Bett.

Rohirrim:
Am nächsten Morgen wurde Bijan früh von einem Klopfen an seiner Tür geweckt.
„Bijan! Ich bins Navid! Steh auf, ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen.“
Vollkommen überrascht und immer noch müde, versuchte Bijan seine Gedanken zu ordnen. Navid, sein alter Weggefährte, stand vor der Tür und wollte etwas von ihm. Was konnte das sein? Gestern hätte er den ganzen Tag Zeit gehabt ihm alles zu erzählen. Warum musste er ihn jetzt so früh aufwecken? Und woher wusste Navid überhaupt von seinem Aufenthaltsort? War ihm etwa versehentlich etwas raus gerutscht?
Noch einmal klopfte es. „Bijan, jetzt komm schon! Es ist wichtig.“

Bijan überlegte, was er tun sollte. Sein alter Freund hielt ihn nach wie vor für einen treuen Soldaten. Oder etwa nicht? Hatte er sich etwa doch verraten? Hatte Navid von seinen Plänen erfahren und war nun beauftragt worden ihm nachzustellen? Was sonst sollte ihn dazu verleiten, so früh an seiner Tür zu klopfen? Ein Gefühl der Angst breitete sich in ihm aus und mit leicht zitternder Stimme antwortete Bijan:
„Worum geht es denn? Ich würde eigentlich noch lieber etwas weiterschlafen.“
„Ich habe gerade von einer wichtigen Sache erfahren. Lass mich rein, dann erzähle ich dir mehr.“
„Navid scheint allein zu sein. Wenn es Beweise gegen mich gäbe, wären doch sicherlich mehr Soldaten hier“, ging es Bijan durch den Kopf. Es konnte nicht schaden, seinen alten Freund hereinzulassen. Und so öffnete er die Tür. Tatsächlich stand dort nur Navid, der Bijan mit einem freundlichen Lächeln begrüßte. Bijan erwiderte die Begrüßung und bat den Soldaten herein.

„Also, was gibt es so Wichtiges?“, fragte Bijan unmittelbar nachdem er Navid den einzigen Stuhl in diesem Zimmer angeboten hatte.
„Also, pass auf!“, fing Navid an und klang dabei sehr enthusiastisch. Gestern Nacht kam eine dringende Meldung von Khamûl in den königlichen Palast. Dol Guldur wird von einem vereinten Heer der Feinde Saurons angegriffen. Laut bisherigen Einschätzungen sind die Angreifer der Festung und den dort stationierten Truppen ebenbürtig. Daher plant Khamûl eine schnell einberufene, kleine Armee aus Rhûn als Verstärkung zu senden und ich wurde zum Anführer ernannt. Ich soll innerhalb von maximal fünf Tagen eine schlagfertige Truppe zusammenstellen, welche die Schlacht zu unseren Gunsten entscheidet. Wir brauchen nicht allzu viele Soldaten dafür, also sollte das machbar sein. Wir haben bereits eine Handvoll Freiwillige und planen den Rest durch Zwangsrekrutierungen zusammenzubekommen.“ Navid machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. Er hatte sich während seiner Ausführungen vor Begeisterung fast überschlagen.
„Also, vermutlich kannst du dir schon denken, warum ich hier bin. Direkt nachdem ich zum Anführer der Verstärkungsarmee ernannt wurde, musste ich an unser gestriges Treffen denken. Ich dachte, du hättest vielleicht Interesse daran, wieder in den Kampf zu ziehen. Wie in alten Zeiten! Mit dir und deinem Hammer an unserer Seite können wir gar nicht scheitern. Obwohl ich denke, dass wir ohnehin gewinnen würden, wäre es doch ein unheimlicher Trumpf, wenn du dabei wärst.
Daher habe ich auch darauf bestanden, dich zu suchen und dir dieses Angebot persönlich zu unterbreiten. Also: „Willst du, Bijan, dich wieder der Armee Rhûns anschließen? Willst du erneut Ruhm und Reichtum ernten? Willst du Teil eines weiteren großen Sieges von Sauron werden?“
Navid beendete seinen Vortrag und sah ihn mit einer fast schon unheimlichen, erwartungsvollen Begeisterung an. 
Währenddessen schossen eine Vielzahl von Gedanken durch Bijans Kopf und er brauchte zunächst einen Moment, um überhaupt strukturiert nachdenken zu können. Er wollte nicht mehr für Sauron kämpfen. Er hatte sich geschworen gegen die Unterdrückung durch Sauron zu kämpfen. Für Mehzad, Elinja und all die anderen Menschen, die unter dem Regime leiden mussten. Aber wie konnte er sich jetzt aus dieser Sache rauswinden, ohne verdächtig zu wirken? Und außerdem... bot eine erneute Anstellung in der Armee nicht auch eine Chance? Immerhin war Bijan nun schon zwei Tage lang durch Gortharia geirrt, ohne auch nur eine Kleinigkeit zu bewirken. Vielleicht konnte er entgegen des Vorschlags von Navid dafür sorgen, dass die freien Völker die Schlacht gewannen. Das wäre ein echter Schlag gegen Khamûl und könnte auch seinem Volk langfristig helfen. Auch wenn diese Elben und Menschen kaum besser waren als der dunkle Herrscher, stellten sie im Augenblick das geringere Übel dar. Und hatte Navid nicht Zwangsrekrutierungen erwähnt? Wären diese nicht potentielle Verbündete? Und auch Navid war ein guter Kerl. Vielleicht konnte er ihn überzeugen...
„Ist alles in Ordnung?“, fragt Navid, aufgrund der nicht vorhandenen Reaktion Bijans, etwas verunsichert und riss Bijan damit aus seinen Gedanken.
„Ja... ja alles in Ordnung. Ich war nur überrascht, das ist alles. Natürlich bin ich dabei. Ich bin zwar eigentlich noch freigestellt, aber wie könnte ich mir eine solche Gelegenheit entgehen lassen? Mein Streithammer wird sich sicher freuen wieder ein paar Knochen brechen zu dürfen“, antwortete Bijan mit gut gespielter Begeisterung. Tatsächlich löste der Gedanke an seinen Streithammer und an die gebrochenen Knochen seiner früheren Gegner ein ungeduldiges Kribbeln in seinen Fingern aus.
„Also gut. Dann kommst du am besten direkt mit. Die Armee sammelt sich in einem kleinen Lager vor der Stadt“, erklärte Navid sichtlich erleichtert.
„Alles klar, ich ziehe mir nur schnell die Rüstung an. Wir treffen uns unten.“ Mit diesen Worten öffnete Bijan die Tür und Navid ging hinaus.

Rohirrim:
Bijan nutzte die kurze Zeit, in der er allein war, um noch mal intensiv über alles nachzudenken.

„Das ist es also. Mein erster Schlag gegen Khamûl und sein Regime in Rhûn wird in Dol Guldur stattfinden. Das ist zwar nicht ganz das, was ich mir vorgestellt habe, aber es ist die beste Möglichkeit meine Ziele zu verfolgen und gleichzeitig unentdeckt zu bleiben. Je länger niemand von meinem Verrat erfährt, desto besser. In Dol Guldur kann ich dafür sorgen, dass Khamûl verliert, ohne dass jemand davon erfährt, was ich getan habe. Navid sagte, unsere Truppe wird klein sein. Es müsste möglich sein, einige von seiner Sache zu überzeugen. Der Rest würde auf dem Schlachtfeld sterben und er könnte untertauchen, bevor jemand wusste, was geschehen war. Vielleicht wird diese Niederlage dafür sorgen, dass Khamûl sein Augenmerk mehr auf die freien Völker richtet und daher die innere Sicherheit Rhûns vernachlässigt. Das könnte mir die Gelegenheit geben, einen Widerstand zu organisieren. Das Ganze ist etwas riskant, aber es könnte klappen. Das ist zumindest besser als weiterhin unter den Augen der Herrscher Gortharias durch die Stadt zu irren und am Ende noch erwischt zu werden.
Die Zwangsrekrutierungen, die Navid erwähnt hat, könnten eine gute Chance sein. Diese Leute werden es wohl kaum gutheißen, das sie aus ihren Häusern gerissen und für den Kampf ausgerüstet wurden. Die Tatsache, das man ohne mit der Wimper zu zucken Leute von zu Hause fortreißt und in den Krieg schickt, zeigt doch schon, dass wir für den dunklen Herrscher nichts weiter sind als Kanonenfutter. Kanonenfutter, das man seinen Feinden entgegenwirft, um selber nicht in die Schusslinie zu geraten. So kann es nicht weitergehen. Wenn ich kann, werde ich die Zwangsrekrutierten auf meine Seite ziehen und gemeinsam mit ihnen einen Plan für den Widerstand schmieden.“

Während Bijan diese und noch viele weitere Gedanken durch den Kopf schossen, zog er sich seine Rüstung an und betrachtete sich im Spiegel. Unabhängig davon, für wen er kämpfen würde, freute er sich darauf, wieder auf einem Schlachtfeld stehen zu können. Dort gehörten er und sein Streithammer hin.
Als Bijan nach unten ging, erwartete Navid ihn gemeinsam mit zwei weiteren Soldaten.  „Ah, da bist du ja. Bijan, das sind Aatos und Kalervo. Aatos und Kalervo, das ist Bijan. Wir machen uns am besten gleich auf zum Lager. Wir haben noch einiges zu tun.“

Bijan in das Lager der Verstärkungsarmee

Curanthor:
Dragans Start

Natürlich hatte er keinen Platz zum Schlafen bekommen und war etwas außerhalb der großen Stadt in ein Lagerhaus eingebrochen. Zu seinem Pech wurde er am Morgengrauen fast von einer der zahlreichen Stadtwachen erwischt und musste schon sehr früh sein Versteck verlassen. Dragan faltete den Brief von Cheydan und legte ihn neben sich auf die Mauer. Wie so oft saß er da herum und tat nichts. So würde es zumindest für einen arglosen Beobachter aussehen, denn Dragan saß auf einer Mauer, unweit des Stadttors im Westen. Seine verschiedenfarbigen Augen waren das Einzige, das die Leute dazu veranlasste, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Abgesehen davon war er nur einer der zahlreichen Menschen in der Stadt, die auf den flachen Mauern saßen und den kühlen Schatten genossen, während sich fast unablässig Menschen in Massen durch die Straßen schob. Gortharia war groß, selbst die Tatsache, dass er schon oft hier war, hielt Dragan nicht davon ab sich über die schiere Größe der Stadt zu wundern.
Er zupfte den Brief an einem Zipfel zu sich, um ein davonwehen des Windes zu vermeiden. Die enge Handschrift war sorgsam in feinen Zügen ausgeführt worden und sprach zu ihm in sehr persönlichen Ton, niemals würde er Fremden es erlauben auch nur die ersten drei Buchstaben zu lesen. Und so starrte er jeden böse an, der auch nur einen Blick auf das Pergament warf, seinen Sitznachbarn schlug er damit erfolgreich in die Flucht. Selbstzufrieden grinste er, als der Braunhaarige, hagere Kerl aufstand und schnellen Schrittes verschwand. Mit den Daumen drehen saß der Fürstensohn dort und wartete auf den Kontaktmann, den sein Vater erwähnt hatte.
„Es gibt viele Strömungen in dieser Stadt, sei vorsichtig, traue niemanden.
Der König ist verrückt und schlau, seine Spitzel sind überall.“, rief er sich in Erinnerung was sein Vater gesagt hatte. „ Wenn du kannst, versuche den Kerl zu treffen, er ist ein Mitglied einer der vielen Widerstandsnester.“
„Schön und gut, aber wo ist der Dreckssack?“, fluchte Dragan ungehalten und hielt Ausschau nach der Person, die sein Vater beschrieben hatte.

Plötzlich kam Bewegung in die Masse, sie machte Platz, zwar nicht viel aber sie lichtete sich ein wenig. Der Weg vom Stadttor zum großen Platz war immer voll, deswegen war es wunderlich, dass es plötzlich eine andere Bewegung gab. Er reckte den Hals und erspähte einen Trupp Soldaten in den typischen Farben der Armee. Geflüster und Getuschel breitete sich aus, der Lärmpegel ebbte aber nicht ab. Dragan verstand die unzähligen Dialekte nicht, bekam aber mit, dass es wohl Soldaten vom Feldzug im Westen waren. Er runzelte die Stirn, die meisten der Männer waren doch schon hier? Die Ablenkung war schnell vorbei und der Trupp verschwunden. Neben ihm saß nun eine andere Person, natürlich in einer grauen Kutte, eine Kapuze tief im Gesicht.
„Wenn ihr unauffällig gewesen sein wolltet, das habt Ihr gründlich vermasselt.“, begrüßte er den Fremden und drehte sich halb zu ihm. „Sich am hellen Tag zu vermummen ist nicht so klug, um nicht zu sagen, dämlich.“, setzte Dragan nach.
„Nun, nicht so dämlich um den ganzen Tag hier herumzusitzen und darauf zu warten, dass man von einem fremden Person angesprochen wird, nur um sie gleich zu beleidigen.“, antwortete eine überraschend sanfte Stimme.
„Ah es hat weibliche Merkmale. Aus der Küche ausgebrochen?“, frage Dragan spitz und rechnete mit einer Ohrfeige.
„Ja, ich hatte letztens einen Kaufmann das Bier vergiftet.“, kam es zurück und feine Zähne blitzten unter der Kapuze auf. „Und zwischen meinen Beinen hängt nichts, das mich beim Laufen behindern würde, korrekt erkannt. Du bist sehr scharfsinnig.“
„Pass auf, dass du nicht die Mauer mit deiner scharfen Zunge zerschneidest.“, lachte Dragan belustigt und steckte seinen Dolch weg, den er zuvor gezogen hatte.
So eine Antwort hatte er definitiv nicht erwartet, doch das reichte nicht, um sein restliches Misstrauen zu beseitigen. Er wartete ab was sie als nächstes tat, dabei musterte er sein Gegenüber: die lange Kutte verbarg ihren Körper fast vollständig, aber wenn man genau hinsah, konnte man die leichten Erhebungen an der Brust erkennen. Sie war klein und drahtig, wirkte trittsicher und selbstbewusst, auch hatte sie etwas vertrautes an sich, das in Dragan dumpfen Schmerz auslöste.
Die fremde Frau sprang von der Mauer und reichte ihm die Hand. Eine befremdliche Geste, weswegen er zögerte. Seine Neugierde siegte und er ließ sich von ihr durch die Gassen der Stadt führen. Dragan rechnete jederzeit mit einem Hinterhalt und hielt den Dolch Griffbereit. Nach einem längeren Marsch kamen sie an einem unscheinbaren Steinhaus an, das im Süden der Stadt lag. Der Weg dorthin war alles andere als aufmunternt, das Elend war überall. Er verschloss die Augen davor, dazu war jetzt keine Zeit.
„Da wären wir.“, sagte die Fremde und klopfte an der Tür.
Während sie auf Antwort warteten schaute Dragan sich um. Die Gegend war bei weitem weniger einladend, die meisten Häuser hier waren aus Holz gebaut und es roch unangenehm. Der Türgriff wies deutliche Gebrauchsspuren auf, auch die Türschwelle war enorm abgewetzt. Und auch, dass es das Einzige Steinhaus weit und breit war, ließ seinen Verdacht erhärten. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht
„Wollt ihr mich verführen und mich dann dafür bezahlen lassen?“, fragte er leise und steckte eine Hand in die Tasche. „Ich erkenne ein Hurenhaus, besonders wenn ich darauf warte in selbiges eingelassen zu werden.“, setzte er nach.
Die Fremde lachte jedoch leise und schwieg, bis er einen Kommentar machte, dass er so oder so kein Geld hätte.
"Das brauchst du auch nicht.", antwortete sie schlicht und brachte ihn damit zum kochen.
"Und warum bin ich dann hier?", fragte er gereizt und blickte erneut genervt um sich.
Seine Begleiterin seufzte jedoch nur hörbar und drückte ihm einen Taler in die Hand. Es war ein Taler aus seiner Heimat, den ein Stadtbekannter Präger an Sammler verkaufte. Ein ausgesprochendes lohnendes Geschäft, der Mann war über die Grenzen des Fürstentums bekannt.
"Ich bin auf deiner Seite.", sagte die Fremde und nahm den Taler wieder an sich. "Und starr mich bitte nicht so feindselig an."
"Tue ich aber, weil ich komplett die Orientiereung verloren habe... oder weil ich es lustig finde. Vielleicht aber auch weil ich nicht anders kann.", antwortete Dragan schnell sprechend und drehte sich erneut im Kreis. "Oder weil ich nach fünf Jahren wieder in einer der größten, stinkenden Städten in diesem Breitengrad bin. Oder weil mir bei diesem ganzem Elend hier die Galle hochkommt.", setzte er sauer nach und hörte das Blut in seinen Ohren rauschen.
"Ist ja gut.", sagte die Frau in der Kutte und hob die Hände. "Wir werden etwas dagegen tun.", verriet sie geheimnissvoll und bedeutete ihm zu schweigen.
Er schwieg. Für etwa drei Herzschläge.
Dann beugte er sich wie ein Ast langsam zu ihr herüber. Er hörte, wie sie genervt ausatmete.
"Wie?", fragte er flüsternd und übertrieben heimlichtuerisch.
Sie beugte sich ebenfalls zu ihm herüber.
Ein "Schhht." war allles, was er zu hören bekam.
Dragan grinste und dehnte sich noch ein Stück näher an sie heran, sodass seine Haare ihre Kapuze berührten.
Er schwieg erneut. Für etwa vier Herzschläge.
"Interessant.", wisperte er der Frau in die Kapuze und ließ ruckartig von ihr ab.
Ein noch breiteres Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als die Fremde entnervt die Schultern sacken ließ.
"Warte einfach ab, du nervender Dummkopf. Holzkopf. Tumber Gesell.", sagte sie nun gereizt und wandte ihm dem Rücken zu.
Er schwieg. Für etwa drei Herzschläge. Dann beugte er sich erneut zu ihr.
"Ich schweige jetzt.", flüsterte er ihr laut zu und ungeduldig ging Dragan zur Tür.
Energisch hämmerte er gegen das Holz, bis Schritte im Inneren ertönten. Ein Riegel wurde entfernt und bevor sich die Tür öffnete, nuschelte die Frau noch eine Warnung. Verwirrt blickte er sich um, Nichts. Als die Tür sich öffnete Verstand er sofort.

Ein gespannter Bogen bedrohte sie beide, hinter dem Schützen stand eine zierliche Frau ohne Kleidung.
„Ach du bist es.“, grummelte der Schütze und ließ Dragans Begleiterin ein, schwenkte den Bogen nun zu ihm. „Und das?“, fragte er drohend. Doch der Fürstensohn stierte nur stumm zurück.
„Ein „Kunde“.“, antwortete die Fremde süffisant und schlug die Kapuze zurück.

Dragan nach (da er nicht weiß, wo er ist)  Irgendwo in Gortharia

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