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Autor Thema: Auf den Straßen von Umbar  (Gelesen 22744 mal)

Rohirrim

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #30 am: 16. Jun 2017, 23:35 »
„Wer zur Hölle zieht so etwas denn bitte freiwillig an? Das Teil wiegt doch mehr als ich.“
Zarifa und Ziad machten sich gerade einen Spaß daraus, die Kleidungsstücke aus dem Haus, das sie inzwischen seit zwei Tagen besetzt hatten, anzuprobieren. Zarifa hatte sich gerade in einem besonders extravaganten Kleid vor den Spiegel gestellt. Es war rot, mit einer Reihe von Perlen verziert und für Zarifa mindestens acht Nummern zu groß.
„Ich würde allerdings auch davon ausgehen, dass die Besitzerin um einiges mehr wiegt als du“, entgegnete Ziad mit einem Lächeln.
„Auch wieder wahr“, antwortete Zarifa. „So gut, wie die Speisekammer gefüllt ist, würde es mich nicht wundern, wenn ihr dieses Kleid sogar noch zu klein ist. Davon könnten doch locker alle Obdachlosen der Stadt eine ganze Woche lang von Leben.“
„Du sagst es. Es ist einfach pervers, dass eine einzige Familie so viele Sachen besitzt. In dem Kleiderschrank da sind doch auch locker genug Kleidungsstücke für das gesamte Armenviertel. Beziehungsweise sogar doppelt so viel, wenn man die Größe bedenkt. Aus der Menge Stoff, die du gerade anhast, könnte man doch mindestens zwei Kleider für normale Frauen machen“, meinte Ziad. „Falls ich normal bin, mindestens drei“, entgegnete Zarifa, und zog das Kleid von ihrem Bauch weg, um deutlich zu machen, wie viel Platz zwischen Körper und Kleid war.
„Meinst du normal jetzt im körperlichen oder im geistigen Sinne?“ „Macht das bei der Frage einen Unterschied?“ „Auch wieder war. An dir ist einfach nichts normal“, sagte Ziad und beide lachten.

„Es ist einfach so eine Verschwendung, wenn man mal darüber nachdenkt. So viele Klamotten und kein Stück ist für normale Menschen brauchbar. Es gibt nur diese viel zu großen und schweren Kleider, diese viel zu schweren, weil viel zu stark verzierten Hüte und diese furchtbaren Schuhe mit Absätzen. Welcher normal denkende Mensch denkt sich denn: 'Hey, meinen Füßen geht es viel zu gut. Ich hätte viel lieber ein paar Schuhe, das mir beim Herumlaufen so viele Schmerzen wie möglich bereitet.' Da fehlt doch nur noch ein Nagelbrett als Sohle, sodass man wirklich überhaupt nicht mehr darin laufen kann“, redete sich Zarifa in Rage.
„Haha, du hast recht. Aber vielleicht können wir ja zumindest einige der Sachen noch weiterverwenden. Das Kleid da hat so einen dicken Stoff, da könnte man vielleicht ne Decke oder so draus machen. Oder Flicken für dein altes Zelt, falls wir es doch noch mal brauchen“, meinte Ziad glucksend.
„Gute Idee. Und wo ich gerade so darüber nachdenke ... einige dieser hässlichen Vasen da vorne, würden doch bestimmt gute Kochtöpfe abgeben. Und die Regale auf denen die stehen bräuchte man dann auch nicht mehr, die könnte man dann als Brennholz weiterverwenden.“
„Ja, die Idee ist gar nicht schlecht“, sagte Ziad. „Den ganzen Plunder, den die reichen Leute nur besitzen, weil er angeblich schön aussieht, zu Dingen umfunktionieren, die vielen Menschen tatsächlich einen Nutzen bringen würden. Wir könnten vielleicht eine Art Tauschmarkt daraus machen. Jeder kann sich etwas nehmen, das er braucht und dafür etwas anderes hinstellen, was er nicht braucht. Und manche Sachen könnten auch einfach allen gehören. Diese riesigen Vasen im anderen Zimmer wären doch zum Beispiel prima als öffentliche Mülleimer geeignet.“
„Ja“, meinte Zarifa nun hellauf begeistert. Bis eben hatte sie das ganze noch für einen halb ernst gemeinten Witz gehalten, doch Ziad hatte recht. Die Idee war tatsächlich genial. „Und dann könnte man auch noch weiter denken. Zum Beispiel könnte man die Zäune zwischen den Gärten hier abreißen und die dadurch entstehende Fläche zu einer öffentlichen Parkanlage umfunktionieren. Aus dem Holz der Zäune kann man dann im Park ein großes Lagerfeuer machen, wo alle zusammenkommen können“, redete sich die junge Haradan in einen Rausch.
„Jaja, das klingt ja alles schön und gut, aber bevor du dich zu sehr begeistern lässt, lass mich dich daran erinnern, dass wir immer noch nicht wirklich wissen, wie es weitergeht. Gestern hieß es, es würde ein neuer Rat eingesetzt. Wir wissen aber immer noch nicht genau was das heißt“, warf Ziad ein.
„Ja, du hast ja recht. Wahrscheinlich werden die neuen Machthaber genau so kacke wie die Alten. Nur der Name ändert sich. Und wahrscheinlich die Leute, mit denen sie Krieg führen. Dass von unten jeder Krieg gleich aussieht, ist diesen Arschlöchern wahrscheinlich gar nicht klar. Aber naja, erstmal sind wir hier. Und so schnell kriegt man uns hier auch nicht weg. Immerhin ist so ziemlich das ganze Viertel von Leuten wie uns besetzt. Und man wird ja wohl noch träumen dürfen. Wer weiß, vielleicht geht ja zumindest ein Teil meiner Wünsche in Erfüllung“, entgegnete Zarifa.
„Hoffen wir es. Zumindest hat der Aufstand hier im Kaufmannsviertel gezeigt, wie mächtig die kleinen Leute sein können, wenn nur die leise Hoffnung auf Besserung besteht. Mehr brauchte es vorgestern Nacht nicht.“

Plötzlich hörten sie von draußen ein lautes Klopfen gefolgt von einem lauten Ruf:
„ÖFFNEN SIE UMGEHEND DIE TÜR!“
„Das ist bei unseren Nachbarn“, sagte Zarifa erschrocken. „Los, schnell, wir müssen nachsehen, was vor sich geht“, ergänzte sie und wollte schon loslaufen, verhedderte sich dabei jedoch im Saum ihres Kleides und fiel zu Boden. In dem dadurch entstehenden Haufen Stoff war nur noch mit Mühe eine menschliche Gestalt zu erkennen, die mit gedämpfter Stimme sagte: „Okay, vermutlich sollte ich mir zuerst wieder Klamotten für Menschen anziehen.“ 
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Rohirrim

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #31 am: 19. Jun 2017, 22:36 »
„Im Namen des Rates von Umbar befehle ich ihnen, dieses Haus unverzüglich zu räumen. Ansonsten schrecken wir auch vor Gewalt nicht zurück.“
„Im Namen des was bitte?“
„Im Namen des neu gegründeten Stadtrates von Umbar. Habt ihr etwa gedacht, nur weil sich in der politischen Führungsriege einiges verschiebt, könntet ihr einfach machen was ihr wollt?“ Dieses Haus gehört einer Kaufmannsfamilie und sie fordert es zurück. Ich fordere hiermit zum letzten Mal auf unverzüglich, das Haus zu verlassen. Und seid froh, dass ich heute einen guten Tag habe, sonst lägt ihr schon lange am Boden.“

Zarifa und Ziad beobachteten den Dialog zwischen einer Stadtwache, die von zwei weiteren Wachen flankiert wurde und zwei ärmlich aussehenden Leuten, anscheinen ein Pärchen, die ziemlich verdattert in der Tür standen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Gerade mal zwei Tage nach dem Aufstand hatte sich bereits ein neuer Rat gegründet, der nichts Besseres zu tun hatte, als die Interessen der Reichen zu vertreten. Und jetzt wurden die armen Leute wieder aus den Häusern betrieben. Würde es ihnen auch so gehen? Es sah nicht danach aus, denn zumindest liefen die Wachen an ihrem Haus vorbei und klopften zwei Häuser weiter erst wieder an. Es wurden also noch nicht alle Häuser geräumt.

„So darf das Ganze nicht enden. Wir müssen uns mit den Leuten, die gerade aus ihren Wohnungen gezerrt wurden, zusammentun. Es können nicht alle Kaufleute hierher zurückkehren. Einige sind mit Sicherheit geflohen oder vielleicht tot. Das können wir nutzen. Wir können die Häuser für unsere Zwecke besetzen.“

„Das kann doch alles nicht wahr sein. Schau dir das an. Die Leute werden teilweise brutal aus den Wohnungen gezerrt. Wir müssen etwas tun“, meinte Ziad.
„Das werden wir“, antwortete Zarifa. „Weißt du noch, was wir versucht haben, bevor es zu dem Aufstand kam? Vor gerade einmal drei Tagen sind wir noch wie die blöden durch die Stadt geirrt und haben nach Verbündeten gesucht. Jetzt kriegen wir die. Die Leute sind sauer und verzweifelt. Sie hatten die Aussicht auf ein besseres Leben und jetzt wird es ihnen wieder genommen. Die Leute brauchen Hoffnung,und wir werden sie ihnen geben. Wir besetzen die verbleibenden Häuser hier gemeinsam. Wenn wir zusammenhalten, kriegt uns die Stadtwache hier nicht so schnell weg. Je mehr Leute wir sind, desto mehr können wir bewirken. Vielleicht schaffen wir es mit all diesen Leuten, wirklich etwas zu bewirken.“
„Alles klar, dann los. Lass uns mit den Leuten reden.“

Zarifas Plan ging zumindest teilweise auf. Aufgrund der angestauten Wut und der kurzzeitigen Aussicht auf Besserung, die ihnen wieder genommen worden war, waren viel mehr Leute als zuvor bereit Zarifa und Ziad zuzuhören. Die Leute wollten den neuen Rat nicht akzeptieren. Es gab zwar einige Vertreter des einfachen Volkes im Rat, doch die hatten genau so viel zu sagen, wie der Aufseher der Orks in Mordor. Beide sollten es tunlichst vermeiden, den wahren Herrschern zu widersprechen. Und in Umbar waren die Herrscher immer noch reiche Kaufleute und Adelige. Im Grunde hatte sich mit Hasaels Abgang also nichts geändert, die Zahl der Arschlöcher mit Macht hatte sich nur vergrößert. Das einfache Volk und die Unterschicht wollten das nicht mehr akzeptieren. Daher war es für Zarifa und Ziad einfach, Leute für ihre Sache zu gewinnen. Sie besetzten die Häuser im Kaufmannsviertel, die nicht zurückgefordert wurden, und nutzten diese als Basis. Dort war genug Platz für alle. Und der Rat hatte zu viel zu tun, um die Leute aus Häusern zu vertreiben, auf die niemand Anspruch erhob. Daher wurden sie geduldet, allerdings eher zähneknirschend und vermutlich nur vorübergehend. Doch fürs erste reichte das. Sie konnten planen, wie sie vorgehen wollten, bei ihrem Versuch endlich ein wirklich gerechtes System herzustellen. Sie belauschten Ratsmitglieder, um ihre Pläne zu erfahren und Informationen bezüglich möglicher Verbündeter und offensichtlicher Feinde im Rat zu erhalten. Sie bestahlen Kaufleute, die ihnen offensichtlich feindlich gesinnt waren, und nutzten das, um sich selbst zu versorgen. Da sie alle zusammenhielten, wurde keiner von ihnen je erwischt. Zwar hatten sie noch Schwierigkeiten, einen wirklichen Durchbruch zu schaffen, doch sie würden es schaffen. Eines Tages.
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Rohirrim

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #32 am: 3. Jul 2017, 20:02 »
Freudestrahlend lief Zarifa die Straßen des Kaufmannsviertels entlang. Sie kam gerade von einem inoffiziellen Gespräch mit einem Ratsmitglied zurück. Die letzten Tage hatten die Hausbesetzer damit verbracht sich gegen die Schikanierungen des restlichen Kaufmannsviertels zu behaupten und gleichzeitig Ratsmitglieder zu finden, die ihrer Sache gewogen waren. Es stellte sich dabei schnell heraus, dass der Rat zwar geschlossen das Regime Hasaels abgelehnt hatte, jedoch im Bezug auf die Zukunftsvorstellungen für die Stadt große Uneinigkeit bestand. Es gab es im Rat jene, die kaum besser als Hasael selbst waren; die nur auf den eigenen Profit aus waren und sich einen Dreck um die eigentlichen Belange der Stadt scherten. Andere wiederum, schienen sich durchaus für die Belange des einfachen Volkes zu interessieren, allerdings trauten sie sich nicht, offen dafür zu arbeiten. Und dann gab es eine kleine Minderheit, die wirklich gewillt schien, die Situation zu verbessern. Insbesondere ein Mann hatte sich dabei hervorgetan. Dieser wurde dabei belauscht, wie er Wachen befahl die Hausbesetzer vorläufig in Frieden zu lassen, bis eine langfristige Lösung gefunden wurde. Er schien sich auch vor dem Rat dafür einzusetzen, die leerstehenden Häuser für Obdachlose zu nutzen. Nachdem sie diesen Mann einige Zeit beobachtet haben, kamen sie zu dem Schluss, dass es sicher war, zu ihm Kontakt aufzunehmen. Und genau das hatte Zarifa gerade getan.

Endlich gibt es jemanden in der Führungsriege der Stadt, der sich für uns einsetzt. Jemanden, dem nicht einfach scheißegal ist, wie es den einfachen Leuten geht. Und er sagt, es gibt noch mehr Leute im Rat, die seine Meinung teilen. Er will durchsetzen, dass wir in den leerstehenden Häusern bleiben dürfen. Hoffentlich hat er Erfolg dabei. Möglicherweise können wir ihm sogar helfen. Wir könnten ihm feindselig gesinnte Ratsmitglieder unter Druck setzen. Sie ausspionieren, schmutzige Geheimnisse aufdecken und an die Öffentlichkeit tragen.

Überwältigt von den positiven Erlebnissen bei dem Gespräch, hing Zarifa ihren Gedanken nach. Dabei fiel ihr zum ersten Mal wirklich auf, wie schön es hier im Kaufmannsviertel eigentlich war. Die Sonne schien, die Fenster schimmerten im Licht und an ihrem Gesicht flog ein Schmetterling vorbei. Zarifa konnte es kaum erwarten, Ziad und den anderen von dem Gespräch zu erzählen. Sie näherte sich allmählich dem Haus, das sich quasi als Hauptquartier der Hausbesetzer herauskristallisiert hatte. Dort gab es ein riesiges Wohnzimmer, in dem die Leute bestimmt schon gespannt auf Zarifas Rückkehr warteten.
Noch bevor die junge Haradan jedoch bei dem Haus angelangt war, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise wurde es in Hörweite des Hauses deutlich lauter als im Rest des Kaufmannsviertels, weil dort so viele Leute lebten und es sich gut gingen ließen. Es wurden zu jeder Tageszeit Lieder gesungen und Alkohol konsumiert. Doch jetzt lag eine nahezu gespenstische Stille über der Straße. Hatte der Rat nun doch einen Weg gefunden, die Leute zu vertreiben? Oder war etwa ein Gesetz zur Ruheeinhaltung durchgepeitscht worden?
Zarifa beschleunigte ihre Schritte. Schnell war sie bei dem Haus angelangt, öffnete leise die Tür und schlich Richtung Wohnzimmer. Sie hörte Stimmen.

„Aber wir müssen doch irgendwas tun! Wir können doch nicht einfach hier herumsitzen und es geschehen lassen.“
„Was willst du denn machen? Dich mit Küchenmessern bewaffnet einer Armee entgegenstellen? Wir werden alle sterben, wenn wir es wagen, Widerstand zu leisten.“
„Ich stimme zu. Wenn wir uns einmischen, geraten wir nur zwischen die Fronten. Bis auf ein paar wenige Verbündete im Rat, sind wir auf uns allein gestellt.“

Zarifa erkannte in der letzten Wortmeldung Ziads Stimme. Sie stieß die Tür auf.
„Was ist passiert?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Sie hatte Angst vor der Antwort.
„Hasael ist zurück. Er steht mit einer Armee vor den Toren“, erklärte Ziad in verbittertem Ton.
„Woher weißt du das?“
„Die beiden Neuen da drüben haben Aufregung am Stadttor mitbekommen. Anschließend sahen sie, wie ein großer Mann mit langen, schwarzen Locken zu den Wachen hinkte und ihnen etwas flüsterte. Daraufhin zogen sie ab, und der Mann verließ die Stadt, anscheinend auf dem Weg zu Hasael.“
Zarifa erstarrte. Es war, als würde ihr Inneres zu Eis gefrieren. Sie wusste, wer der Mann war. Und das bedeutete nichts Gutes. Ziad warf ihr einen besorgten Blick zu. Er verstand, genauso wie sie.
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Rohirrim

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #33 am: 22. Jul 2017, 22:17 »
Sie waren verraten worden. Während Zarifa mit verbundenen Augen, gefesselten Händen und Fußfesseln eine Straße entlang geführt wurde, machte sie sich unentwegt Vorwürfe, denn es war ihre Schuld. Voller Tatendrang hatte sie die Leute mobilisiert, hatte versucht die Situation in Umbar zum Besseren zu wenden. Sie hatte geglaubt, endlich etwas bewirken zu können und dabei völlig vergessen, vorsichtig und unentdeckt zu bleiben. Sie sofort bereit gewesen, einem Ratsmitglied zu vertrauen, weil es ihre Ansichten zu teilen schien. Sie hatte sich von einer besseren Zukunftsvorstellung blenden lassen und bezahlte nun den Preis. Einen schrecklichen Preis. Früher hatte sie niemandem vertraut. Hatte immer aufgepasst, dass man sie niemals erwischte. Und jetzt war sie auf einen ganz billigen Trick reingefallen. Sie hätte es besser wissen müssen. Diese reichen Bastarde waren alle gleich. Keiner von ihnen scherte sich um diejenigen, die weniger besaßen als sie. Sie versuchten nur diejenigen zu beeindrucken, die mehr besaßen als sie.
Und genau das hatte das Ratsmitglied getan -  der Mann mit den langen, schwarzen Locken und dem verletzen Bein. Er hatte sich ihr Vertrauen erschlichen, indem er ihnen das Blaue von Himmel versprochen hatte, nur um dann in dem Moment, da Zarifa ihm alles über die aufständischen Hausbesetzer erzählt hatte, sein wahres Gesicht zu zeigen. Er war direkt zu Hasael gerannt und hatte ihm alles erzählt. Vermutlich im Austausch gegen Geld.
Da ihre Augen für ihre Umgebung im Augenblick blind waren, sah Zarifa vor ihrem geistigen Auge noch einmal umso klarer, was geschehen war. Wie auf einmal etwa 10 Wachen an die Tür ihres Hauptquartiers klopften, wo sie immer noch alle versammelt waren. Wie die Wachen befahlen, sie sollten sich ergeben. Wie einer der Neuen, dessen Name Zarifa nicht kannte, sich weigerte und versuchte zu fliehen. Wie das gegen die Wand spritzte, als er von einem Schwert durchbohrt wurde. Wie sie selbst entsetzt und mit Tränen in den Augen Ziads Blick suchte. Wie dieser selbst ratlos und weinend den Kopf schüttelte.
Das konnte alles nicht wahr sein. Gerade als es so aussah, als würde es endlich bergauf gehen, brach alles in sich zusammen. Was hatte Hasael jetzt mit ihnen vor? Das Ratsmitglied wollte genaue Informationen über Anzahl und Altersstruktur innerhalb der Hausbesetzer haben, angeblich um den Rat mit Zahlen und harten Fakten überzeugen zu können. Doch nun, da Zarifa von dem Verrat wusste, beunruhigte sie das sehr. Was will Hasael mit einer Gruppe von Obdachlosen und wieso will er wissen, wie alt die sind? Etwas Gutes konnte das jedenfalls nicht bedeuten.
Neben sich konnte Zarifa Ziad atmen hören. Da hatte sie ihren alten Freund und Mentor gerade erst befreit und nun war er ihretwegen wieder gefangen. Wieso hatte sie das nur getan? Wieso hatte sie nicht nachgedacht? Wieso hatte sie einem Mann vertraut, der eindeutig mehr Geld besaß, als ihm zustand?

„Wir sind da“, hörte Zarifa eine Wache von vorne rufen. „Los, bringt die Gefangenen zu den Kutschen. Aber zählt vorher durch. Nicht dass schon jemand vor der Reise verloren geht.“
« Letzte Änderung: 22. Jul 2017, 22:25 von Rohirrim »
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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #34 am: 7. Aug 2017, 00:32 »
Zarifa wurde die Augenbinde unsanft heruntergerissen. Sie waren außerhalb der Stadt. Etwa dreißig gefesselte Männer und Frauen standen in einer Reihe vor einem edel gekleideten Mann, der von einer Leibgarde umgeben war. Dabei konnte es sich nur um einen Vertreter Hasaels handeln. Hinter dem Mann standen eine Reihe an Kutschen und etwas weiter links stand der Mann mit den langen, schwarzen Locken und dem verletzten Bein. Ein Gefühl des Hasses, wie Zarifa es noch nie zuvor verspürt hatte, überkam sie. Hier ging es nicht um Ungerechtigkeit oder soziale Missstände. Hier ging es um Verrat.

„Unsere Geschäftspartner aus Gorak werden bald hier sein. Zählt noch einmal durch!“, befahl der edel gekleidete Mann und sofort gehorchte einer seiner Wachen dem Befehl.
„Nochmal vielen Dank für die Einfädelung des Geschäfts, Yasin. Du hast dir deine Belohnung redlich verdient“, sagte er im Anschluss zu dem Mann mit den schwarzen Locken.
„Vielen Dank, Sir.“
„Ah, da sind sie ja endlich. Dann kann es also losgehen. Sind alle da?“
„Ja Sir, genau 30, wie abgesprochen.“
„Perfekt!“

Zarifa gefiel überhaupt nicht, worauf das hinauslief. Geschäftspartner aus Gorak? Von Gorak hatte sie noch nie etwas gehört. Wo lag das? Und warum interessierten sich Leute aus Gorak für Obdachlose aus Umbar? Um was für eine Art von Geschäft ging es dabei? So sehr Zarifa auch überlegte, ihr fiel nur eine Möglichkeit ein. Eine überaus schreckliche Möglichkeit. Sie sollten alle als Sklaven nach Gorak verkauft werden. Ihr graute es allein bei der Vorstellung. Eingesperrt, ohne Rechte und ohne Freiheit. Und das gerade jetzt, wo es so ausgesehen hatte, als würde sich alles zum Besseren wenden. Gerade jetzt, wo sie erstmals in ihrem Leben das Gefühl hatte, ein wirklich gutes Leben zu leben, sollte ihr das Einzige weggenommen werden, an das sie sich Jahre lange geklammert hatte. Was ihr jahrelang Hoffnung und Mut gemacht hatte: Ihre Freiheit. Ihre Freiheit stand auf dem Spiel, ebenso wie die Freiheit all dieser Leute, deren Hiersein sie allein zu verantworten hatte. Und wie musste es Ziad erst gehen? Er hatte seine Freiheit gerade erst wieder erlangt und jetzt wurde sie ihm wieder genommen.
Eine einsame Träne kullerte Zarifas Gesicht herunter, während sie beobachtete, wie die Geschäftsleute aus Gorak ankamen, Geld übergeben wurde und noch einmal geprüft wurde, ob alle da waren.

„Dann kann es ja sofort losgehen. Los, bringt sie in die Kutschen.“
„Hey, Moment mal. Ich hatte doch um eine spezielle Belohnung gebeten“, warf der Mann namens Yasin ein.
„Das stimmt. Das ist der Mann, der unser Geschäft hier heute möglich gemacht hat. Ihr erinnert euch?“
„Achja... nun gut, ihr habt eine Stunde. So lange können wir warten. Um wen ging es nochmal?“
„Die kleine, braunhaarige da“, sagte Yasin und deutete mit einem gierigem, fast wahnsinnigem Blick auf Zarifa. Sofort wurde die junge Haradan gepackt und aus der Reihe gezogen.
„NEIN! LASST SIE IN RUHE!“, schrie Ziad, während der versucht sich von seinen Fesseln und den Wachen zu befreien. „IHR HABT KEIN RECHT DAZU.“
„Kein Recht? KEIN RECHT?!“, fragte Yasin lachend.
„Offensichtlich besteht hier ein Missverständnis, was eure Position angeht. Lass es mich erklären: Ihr seid Nichts. Ihr seid Maden. Ihr seid Gesindel, das unsere schöne Stadt besudelt. Kein Mensch schert sich um euch. Niemand wird euch vermissen. Und niemand wird euch nachtrauern. Ich kann mit euch machen, was immer ich will. Wir alle können mit euch machen, was immer wir wollen. Denn wir besitzen etwas, das ihr niemals haben werdet: Geld. Euer einziger Nutzen besteht darin, den Leuten mit Geld zu dienen. Und das werdet ihr alle tun. Und die Kleine hier wird das jetzt schon auf besondere Weise tun.“
„DU DRECKIGER BASTARD! DAS LASSE ICH NICHT ZU!“, schrie Ziad und es gelang ihm tatsächlich, dem Griff der Wache, die ihn gepackt hatte, zu entkommen und auf Yasin zuzustürzen. Allerdings war er immer noch gefesselt, doch er versuchte alles, um Zarifa irgendwie von Yasin wegzubekommen.

„PACKT IHN!“, schrie Yasin und sofort kamen drei weitere Wachen herbei und zogen Ziad zurück. Die Szene hatte inzwischen auch die Aufmerksamkeit des Geschäftsmanns aus Gorak erregt, der nun langsam, auf einen Gehstock gestützt auf Ziad zuging.

„Soso, was haben wir denn hier? Wird hier etwa jemand aufmüpfig?“
„Und was geht dich das an?“
„Nun, eine ganze Menge. Immerhin habe ich euch soeben im Namen meines Herrn für eine ganze Menge Geld erworben. Ihr seid daher das Eigentum meines Herrn und ich bin für euch verantwortlich. Aber mein Herr schätzt es überhaupt nicht, wenn sein Eigentum aufmüpfig ist, versteht ihr?“
„Nun, dann wird ihm das hier wohl auch nicht gefallen.“
Ziad spuckte dem Mann ins Gesicht und versuchte sich im Anschluss wieder von den Wachen zu befreien. Doch es gelang ihm nicht. Es waren zu viele. Der Mann aus Gorak blieb indes ganz ruhig, wischte die Spucke mit einem Tuch aus seinem Gesicht und sprach ganz ruhig weiter:
„Nein, das würde ihm in der Tat überhaupt nicht gefallen. Und ich denke, dies ist der perfekte Zeitpunkt, um einmal ganz deutlich klarzustellen, um was es hier geht. Ihr seid unsere Sklaven. Ihr gehört uns. Das bedeutet, ihr habt unseren Befehlen zu gehorchen. Ihr redet nur, wenn ihr dazu aufgefordert werdet. Und ihr werdet euch niemals... ich wiederhole: NIEMALS gegen uns auflehnen. Ist das klar?“, fragte er mit bedrohlicher Miene zu Ziad gewandt? Ziad sagte nichts. Er blieb einige Sekunden lang ruhig stehen, bevor er dem Mann erneut ins Gesicht spuckte.
„Wie bedauerlich. Nun, dann wollen wir doch mal sehen. Du bist bereits über vierzig. Dein Temperament ist offensichtlich nicht im Zaum zu halten. Und du siehst ziemlich abgemagert aus. Damit bist du geradezu prädestiniert für...“

„NEIN!“ Diesmal war es Zarifa, die geschrien hatte. Sie hatte das Geschehen an der Seite von Yasin beobachtet und jetzt hatte sie eine schreckliche Ahnung wo das hinführen würde. Sie riss sich von Yasin los, der sie nur ganz locker festgehalten und selber gespannt zugesehen hatte und versucht irgendwie Ziad zu helfen, doch aufgrund ihrer Fesseln erreicht sie dabei überhaupt nichts und wurde schließlich von einer der drei Wachen, die Ziad im Zaum hielten, gepackt.
„Ach nein, wie rührend. Ist das dein Vater?“, fragte der Mann zu Zarifa gewandt. Sie schüttelte den Kopf. Mehr brachte sie im Moment nicht zustande. Die Wache tat ihr mit einem sehr festen Griff weh.
„Nun, hier scheint offensichtlich dennoch eine emotionale Beziehung zu bestehen. Stellt die beiden einander gegenüber und haltet sie fest. Führt die anderen Sklaven wieder aus den Kutschen und stellt sie in einer Reihe auf, sodass sie das hier mitansehen können. Sorgt dafür, dass keiner von ihnen sich vom Fleck bewegt. Das wird ihnen allen eine Lehre sein.“

Sofort wurde den Befehlen des Mannes Folge geleistet. Wachen aus Umbar und Wachen aus Gorak arbeiteten zusammen, um alle festhalten zu können. Der Geschäftsmann aus Umbar und Yasin sahen dem Schauspiel gespannt zu.

„Hier bekommt ihr nun eine kleine Kostprobe von dem zu sehen, was euch blüht, wenn ihr Widerstand leistet. Denkt an diese kleine Szene zurück, wenn euch mal wieder nach Freiheit sehnt und ihr die Flucht ergreifen wollt. Oder wenn ihr versuchen wollt, zu fliehen“, sagte der Mann aus Gorak und stellte sich nun direkt hinter Ziad, während er Zarifa direkt in die Augen blickte. Zahlreiche Tränen quollen nun aus ihren Augen. Sie fühlte sich hilflos. Sie war wütend, traurig und resigniert zugleich.
„Sieh genau hin, meine Hübsche. Dein Freund hier hat seinen Rang überschätzt. Wenn du nicht das gleiche Schicksal erleiden willst, wirst du von jetzt an gefälligst alles tun, was dir Befohlen wird, ist da klar?“
Zarifa antwortete nicht. Sie konnte nicht hinsehen. Stattdessen blickte sie auf ihr weißes Tuch, dass sie sich selber zu einem Kleid zurechtgeschnitten hatte.
Sie hörte, wie der Mann aus Gorak einen Dolch zog. Nach einer kurzen Pause folgte ekelerregendes Geräusch. Ziad keuchte und rote Blutflecken breiteten sich auf Zarifas Kleidung aus.
„SIEH HIN!“, brüllte der Mann aus Gorak und augenblicklich zog die Wache, die sie festhielt ihren Kopf an den Haaren nach oben. Sie sah den Dolch aus Ziads Brust hervorstechen. Und anschließend sah sie ihrem Freund in die Augen. Dem Mann, der sie gerettet hatte. Dem Mann, der wie ein Vater zu ihr gewesen war. Eine einzelne Träne floss aus seinem Auge und seine Wange herunter.
„Gib nicht auf. Niemals“, hauchte er. Dann zog der Mann aus Gorak den Dolch heraus und Ziad wurde losgelassen. Er fiel augenblicklich zu Boden.
„Nein... bitte nicht... ZIAD ANTOWORTE MIR“, kreischte Zarifa hysterisch. Sie wusste eigentlich, dass es keinen Zweck hatte, doch sie wollte es nicht wahr haben. Ziad konnte einfach nicht Tod sein. Das konnte er einfach nicht.
„Wie bedauerlich“, sagte der Mann aus Gorak. „Jetzt ist mein Dolch völlig mit Blut verdreckt. Du, Mädchen. Du wirst ihn säubern.“ Er kam auf Zarifa zu. Ihr war schlecht. Ihre Verachtung für diesen Mann war nicht in Worte zu fassen.
„Mach deinen Mund auf.“
Zarifa rührte sich nicht.
„Mach deinen Mund auf, habe ich gesagt. Oder soll ich diesen Dolch auch noch in deine Brust rammen?“
Zarifa öffnete ihren Mund. Was sollte das jetzt? Wieso konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Der Mann legte den Dolch in Zarifas Mund.
„Und jetzt... mach ihn sauber.“ Zarifa erstarrte. „Du hast mich verstanden. Mach ihn sauber oder ich stecke den Dolch doch noch woanders hin“, sagte er mit einem fiesen Grinsen im Gesicht.
Sie hatte keine Wahl. Ihr Hass auf die gesamte Situation war auf ein so immenses Maß angestiegen, dass sie fast vergaß, um Ziad zu trauern. Als sie jedoch den Geschmack seinen Blutes auf der Zunge spürte, viel es ihr jedoch schlagartig wieder ein, und sie musste sich fast übergeben. Sie wollte hier weg. Einfach nur weg. Sie wollte so lange rennen, bis ihr Körper aufgab. Sie wollte sich ins Gras legen und dort für immer liegen bleiben. Sie wollte einfach alles vergessen. Für immer schlafen, ohne zu träumen. Sie wollte... Sterben?
„Na also, geht doch. Du bist also doch ein braves Mädchen. Und jetzt wirst du mit Yasin mitgehen und alles tun, was er sagt. Anschließend wirst du wieder hierherkommen. Yasin? Du hast eine Stunde Zeit. Keine schweren oder gar tödlichen Verletzungen. Viel Spaß.“

Yasin packte Zarifa und schleifte sie mit. Sie wehrte sich nicht.

Zarifa nach Harondor
« Letzte Änderung: 16. Jan 2019, 13:47 von Fine »
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Eandril

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #35 am: 27. Feb 2020, 18:43 »
Edrahil und Hírilorn von Vor der Stadt

Der Platz hinter dem großen Tor von Umbar war voller Toter, Sterbender und Verwundeter. Männer des Malikats trieben Grüppchen der Verteidiger zusammen und nahmen ihnen die Waffen ab, während immer mehr Soldaten ins Innere der Stadt strömten. Nur kurz nachdem Edrahil und Hírilorn unter dem mächtigen Torbogen hindurch getreten waren, erblickte im flackernden Licht der Fackeln einen wohlbekannten, dunkelblonden Haarschopf.
Er rief Valirës Namen, und sie trafen sich am südlichen Rand des Platzes, unter den Mauern eines herrschaftlichen Anwesens.
"Bevor ihr fragt: Ich bin mit Erchirions Erlaubnis hier - oder auf seinen Befehl, wenn euch das besser gefällt", begann Valirë. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß und auf ihrer Rüstung klebte Blut, doch sie schien unverletzt. "Da ich mich als einzige halbwegs in Umbar auskenne, hat er mich mit ein paar Männern durch die Stadt zum Tor geschickt, und den Hafen angegriffen um von uns abzulenken." Sie setzte eine verschwörerische Miene auf, und fügte hinzu: "Unter uns gesagt war es meine Idee, und ich musste ihm ganz schön zusetzen, dass er sein Einverständnis gibt. Aber wir haben es geschafft, das Fallgitter geöffnet und die Jungs am Tor so durcheinander gebracht, dass die anderen durchbrechen konnten."
Edrahil nickte knapp. "Sehr gut. Wo ist Qúsay?"
Valirë verdrehte die Augen, und erwiderte: "Danke, Valirë, gute Arbeit, Valirë. Qúsay hatte auch kaum einen Blick für uns übrig, und ist gleich mit seiner Leibgarde in Richtung Palast weitermarschiert, und... brennt da etwas?"
Edrahil wandte sich in die Richtung um, in die sie blickte. Tatsächlich schien eines der Gebäude in der Nähe der Mauern Feuer gefangen zu haben, und dichte Rauchschwaden stiegen in den Nachthimmel auf. Soldaten und Stadtbewohner rannten hektisch durcheinander.
"Hírilorn", sagte Edrahil nur knapp, und der Angesprochene eilte ohne in weiteres Wort in Richtung des Brandes davon. Edrahil wandte sich wieder Valirë zu.
"Entschuldigung. Gut gemacht", sagte er, und Valirë grinste. "Wer seid ihr, und was habt ihr mit Edrahil gemacht?"
Edrahil ging nicht weiter darauf ein, und sagte stattdessen: "Wir müssen zum Palast. Du und der Rest deiner Truppe, sofern sie nicht verwundet sind, kommen mit mir."
Tatsächlich waren von Valirës Trupp nur noch sechs Männer einsatzbereit - drei waren gefallen, und sechs weitere waren zu schwer verwundet, um noch von großem Nutzen zu sein.
Gerade als Edrahil zum Palast aufbrechen wollte, kehrte Hírilorn zurück. "Niemand weiß, wie das Feuer entstanden ist", berichtete er atemlos. "Aber sie können es nicht löschen, denn es hat zu lange nicht geregnet. Und... mindestens zwei Brunnen sind wie über Nacht versiegt."
Bei Hírilorns letzten Worten beschlich Edrahil ein äußerst ungutes Gefühl. "Kommt mit. Wir müssen zu Qúsay - und zwar sofort."

Auf den Straßen Umbars herrschte ein heilloses Chaos. Zwar wurde entlang des Weges zum Palast im Zentrum der Stadt nicht mehr gekämpft, da Qúsays Truppen dieses Gebiet bereits unter Kontrolle hatten, doch inzwischen breiteten sich an mehreren Stellen Brände aus, und Stadtbewohner und Soldaten drängten sich in den Straßen. So brauchten Edrahil und seine Begleiter deutlich länger, um den Weg zum Palast zurückzulegen, als ihm lieb war.
Da der direkte Weg zum Palast schließlich doch versperrt war - Qúsays Soldaten hatten einen Trupp Verteidiger auf einer Kreuzung eingekesselt - wählte Edrahil schließlich den längeren Weg um den Palast herum, der auch an dem geheimen Eingang zum Palast vorüber führte. Edrahil hatte zwar nicht vor, diesen Eingang zu nehmen, und dennoch wurden sie aufgehalten, als ihnen eine unter einem Kopftuch verborgene Gestalt mit einem Kind an der Hand aus der unsichtbaren Seitentür heraus geradezu vor die Füße stolperte.
Sie blickte erschreckt auf, und presste eine Hand gegen die Brust. "Edrahil? Seid ihr das?"
Edrahil bedeutete den Soldaten, die instinktiv ihre Waffen gezogen hatten, mit erhobener Hand zurückzubleiben, und trat selbst vor.
"Ja. Aber ihr seid mir gegenüber im Vorteil." Als Antwort streifte die Frau das Kopftuch ab, und enthüllte eine Flut langer schwarzer Haare. Edrahil hob eine Augenbraue. "Fürstin Arannís."
Hasaels Gemahlin sah nicht gut aus. Sie war blass, und über ihr Gesicht zogen sich sichtliche Tränenspuren. "Ich glaube, eine Fürstin bin ich nicht mehr", erwiderte sie. "Bitte... ihr müsst mir helfen, bevor Qúsay uns tötet."
Edrahil warf dem Kind, dass sie an der Hand hielt einen Blick zu, und sie erklärte: "Menelmir, mein jüngster Sohn - und vielleicht mein einziger." Ihr Stimme bebte, und sie kämpfte sichtlich damit, die Tränen zurückzuhalten. "Bitte, Edrahil. Meneldur haben sie getötet, ich habe keine Ahnung, wo Calmacil ist. Ich... ich habe Angst, dass sie uns auch töten."
"Natürlich werden wir..." begann Valirë, doch Edrahil hob die Hand um sie zurückzuhalten. Sie warf ihm einen verständnislosen Blick zu, doch die Entscheidung fiel Edrahil alles andere als leicht. Schließlich sagte er: "Wenn Gondor euch Schutz bietet, Arannís, könnte das unser Bündnis mit Qúsay gefährden. Ich... Ihr werdet mir einen Eid leisten, hier und jetzt. Ihr erkennt Qúsays Anspruch auf Umbar an und schwört, dass weder ihr noch euer Sohn je etwas unternehmen werdet, die Herrschaft Qúsays oder seiner Nachfahren zu gefährden."
"Ich schwöre es", erwiderte Arannís ohne auch nur einen Wimpernschlag zu zögern. "Das... das alles ist mir gleich, wenn ihr uns nur beschützt."
Edrahil nickte mit zusammengebissenen Zähnen. "Also schön. Valirë, du und deine Männer bringen Arannís und ihren Sohn zu den Schiffen. Erkläre Erchirion die Situation, und bewahrt ansonsten absolutes Stillschweigen darüber."
"Wird gemacht", antwortete Valirë, die erleichtert wirkte. "Kommt mit uns, Arannís."
Edrahil blieb alleine mit Hírilorn zurück, der sagte: "Ich will euch nicht hinterfragen, aber... denkt ihr nicht, dass Qúsay diese Neuigkeiten schlecht aufnehmen wird, sobald er davon erfährt?"
"Sicherlich, er wird nicht begeistert sein. Aber ich denke, sobald sich die Lage beruhigt hat, wird er einsehen, dass es die beste Wahl war."

Edrahil und Hírilorn zum Fürstenpalast
« Letzte Änderung: 27. Feb 2020, 18:48 von Eandril »

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