Unser neuer Schulleiter hat per Durchsage eine Schweigeminute organisiert und die Lehrer gebeten, wenn angebracht, mit den Schülern darüber zu reden.^^
Das ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits fördert es den Ernst und die Sensibilität der Schüler für solche Themen, andererseits spielen wir dem Täter damit auch in die Hände. Wenn einer seiner Bewegründe war, noch mal ganz Deutschlands Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und einen "fetten Abgang" zu machen, dann hat er das geschafft. Nun, für diesen speziellen Täter ist das jetzt egal: Er ist weg. Aber für zukünftige Taten dieser Art schaffen wir mit unserer extrem medialisierten Auseinandersetzung mit dem Thema einen psychologischen Nährboden: Der Täter wird ja nicht nur als Monster verschrien. Hunderttausende Menschen sind zutiefst bestürtzt, interessieren sich ganz plötzlich für alle Details seines Lebens, empfinden Mitleid mit dem armen Opfer der Gesellschaft und zerbrechen sich den Kopf darüber, wie man solchen missverstandenen Individuen helfen kann.
Fernsehdebatten, Reportagen, Kommentare von jeder Person mit Rang und Nahmen, wissenschaftliche Analysen, Schweigeminuten, Gottesdienste... Was will der depressive, verlachte Außenseiter mehr?
Bitte versteht das jetzt nicht als krasse Verallgemeinerung für alle Depris dieser Welt, aber ich denke, ihr erkennt, worauf ich hinaus will.
Auf jeden Fall halte ich es für angebracht, sich folgendes klar zu machen:
Der Amokläufer war vieleicht ein Opfer der Gesellschaft, der unter familiärem Druck stand und in der Schule gemobbt wurde. Er war aber AUCH ein irrer Mörder, der 15 Menschen abgeknallt hat, die er wahrscheinlich alle nicht gekannt hat. Es gibt in Deutschland, und da bin ich mir ziemlich sicher, tausende Leute, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren wie dieser Täter. Von denen haben hunderte Depressionen und dutzende brüten so einen gewaltigen Zorn aus, dass sie auf den Gedanken kommen, Amok zu laufen. Und ein kleines Häufchen ist bescheuert genug, um das auch wirklich zu machen.
Ich verschließe mich nicht davor, den familiären Hintergund und das soziale Umfeld als DIE bedeutenden Faktoren zu erkennen, aber mein Mitleid mit dem Täter hält sich in Grenzen.
Edit: Achja, und am meisten Leid tut's mir für die Opfer, die für irgendeinen Mist, für den sie nichts konnten, ihr Leben lassen mussten.