Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dunland
Die Kerker in Dunland
Eandril:
Sobald die Dunländer den Zellengang verlassen hatten, lehnte Oronêl sich gegen das Gitter dass seine Zelle von Amrothos trennte, und sagte dessen Namen. Langsam kam Amrothos an das Gitter heran gekrochen, hob mühsam den Kopf und begegnete schließlich Oronêls Blick.
"Du bist es tatsächlich.", sagte er mit rauer Stimme. "Ich dachte du wärst vielleicht tot, nachdem ich..." Er unterbrach sich, von Scham überwältigt. Als er wieder aufblickte, sah Oronêl Tränen über seine Wangen rinnen. "Es tut mir so leid, was ich getan habe. Aber..."
"Du konntest dich nicht wehren.", beendete Oronêl ruhig den Satz für ihn. "Ich war nie wütend auf dich." Das war die Wahrheit, denn er hatte immer gewusst dass dieser verfluchte Ring einer der Neun war, die für die Menschen gemacht worden waren. Amrothos war einer Macht begegnet, die zu groß für ihn gewesen war. "Du hast keine Möglichkeit gehabt, die gegen die Macht dieses Ringes zu wehren. Ich war auf mich selbst wütend, dass ich dir davon erzählt habe."
Amrothso schüttelte verzweifelt den Kopf. "Nein nein nein. Ich habe gesehen, wie ich mit diesem... Ding nach Dol Amroth zurückkehre, und das Heer nach Osten führe, Minas Tirith befreie und Mordor über den Anduin zurückwerfe. Ich..."
Seine Augen wurden wieder trüb. "Mein Ring. Wo ist er? WO IST ER?" Seine Stimme hob sich, bis er beinahe schrie. Oronêl streckte die Hände zwischen den Gitterstäben hindurch, packte Amrothos an den Schultern und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen.
"Amrothos!", rief er leise seinen Namen, und versuchte die Schleier zu durchdringen, die Amrothos' Geist umgaben. "Komm zurück!" Nach einem Augenblick beruhigte der junge Gondorer sich, sein Atem ging ruhiger und er hörte auf, gegen Oronêl Griff anzukämpfen. "Es tut mir Leid.", sagte er schließlich und fasste sich an die Stirn. Oronêl stellte erleichtert fest, dass seine Augen wieder klar waren. "Ich weiß nicht was über mich gekommen ist." Er blickte sich im Kerker um, als ob er ihn zum ersten Mal richtig wahrnehmen würde.
"Da war doch noch jemand anderes. Ein... Halbling?", fragte er verwirrt.
"Der junge Aldoc ist schon vor ein paar Tagen entkommen.", antwortete aus der anderen Zelle die müde Stimme des Alten, der an Oronêl gewandt fortfuhr: "Jemanden wie euch hätten wir ihr schon lange gebrauchen können, manchmal war es wirklich anstrengend mit ihm." Amrothos schoss das Blut ins Gesicht, was Oronêl als gutes Zeichen deutete. Wenn er in der Lage war, wegen seines Verhaltens verlegen zu sein, beherrschte der Ring zumindest momentan nicht seine Gedanken.
Oronêl wandte sich dem alten Gefangenen zu. "Vergebt mir, ich habe noch gar nicht nach eurem Namen gefragt."
Der Alte lächelte mühsam. "Einst war ich Gamling, Hauptmann von Rohan. Jetzt bin ich nur noch ein alter Gefangener, der wahrscheinlich in diesem Loch sterben wird."
"Ich hoffe nicht.", erwiderte Oronêl. "Wenn ihr hier gefangen seid, dann seid ihr wohl ein Feind Sarumans ebenso wie Saurons, und solche Männer brauchen wir an unserer Seite. Ich werde..."
Er stoppte, denn im Gang waren schwere Schritte zu hören, und stand auf. Gamling und Amrothos taten es ihm nicht gleich, sondern verharrten an Ort und Stelle.
Vor Oronêls Zelle trat der Mann der ihn gefangen hatte. Er wurde von einem anderen Dunländer mit einem buschigen schmutzig grauen Bart, mächtigen Armen und einer Brust so breit wie ein Fass begleitet, der das Wort an den Elben richtete.
"Mein Hauptmann Forath hat mir berichtet, dass wir hier unten einen neuen Gast haben. Ich bin Bóran, Häuptling der Dunländer, und ich fühle mich geehrt einen so edlen Gast in meinem Haus zu haben." Er grinste, und ließ dabei gelbe Zähne sehen.
"Vielleicht wird mein geschätzter Gast mir verraten, was er hier zu suchen hatte... UND OB ER MEINE MÄNNER IN DEN HÜGELN GETÖTET HAT?" Den letzten Teil schrie der Häuptling so plötzlich, dass Oronêl zurückzuckte.
Er hob die Schultern und antwortete: "Ja, ich habe sie getötet, denn sie haben mich angegriffen." Zu lügen hätte seine Lage vermutlich auch nicht verbessert - und außerdem hätten die Dunländer dann weiter nach dem Mörder gesucht, und das hätte sie womöglich auf Orophins Spur gelenkt.
"So so...", sagte Bóran nun bedrohlich leise. "Dafür wirst du langsam sterben, Elb. Einer dieser Männer war mein Neffe, und dafür werde ich dir persönlich einzeln die Gliedmaßen ausreißen."
Der Mann neben ihm, Forath, hatte bislang regungslos dagestanden, machte plötzlich eine kleine Bewegung, die Bóran nicht auffiel - Oronêl aber schon. Er warf dem Hauptmann einen kurzen Blick zu, und sah wie der lautlos die Wörter "Gottesurteil" und "Kampf" mit den Lippen formte. Oronêl begriff schnell was der Mann ihm sagen wollte. Allerdings verstand er nicht, warum er ihm helfen sollte. Dennoch, diese Möglichkeit war ebenso gut wie jede andere.
"Ich forder ein Gottesurteil durch einen Kampf.", sagte er dem Häuptling mit steinerner Miene ins Gesicht. "Ein Gottes..." Für einen Augenblick verlor Bóran die Fassung, erlangte sie aber schnell wieder. "EIN GOTTESURTEIL? ICH WERDE DIR JEDEN FINGER EINZELN ABNEHMEN, DIE OHREN ABSCHNEIDEN UND ALS KETTE TRAGEN UND DEINE AUGEN MEINEN HUNDEN ZUM FRAß VORWERFEN!"
"Er hat das Recht, ein Gottesurteil zu fordern.", sagte Forath leise, sobald sein Häuptling aufgehört hatte, zu toben. "Vor allem, da sein Verbrechen der Mord an zweien unserer Männer ist, und er behauptet, sie in Notwehr getötet zu haben." Bóran sah seinen Hauptmann aus zusammengekniffenen Augen an, und erwiderte schließlich nach einem Moment unbehaglicher Stille: "Na, meinetwegen. Soll der Elb sein Gottesurteil haben. Aber..." Ein hässliches Grinse verzog seine ohnehin nicht allzu ansehnlichen Züge. "Da er ein Elb und somit einem Menschen überlegen ist, und weil er zwei Männer getötet hat, wird er auch gegen zwei Gegner antreten. Und außerdem..." Das Grinsen wurde noch breiter.
"Ich bin großmütig. Er bekommt die beiden anderen Gefangenen als Gefährten, und wird also gemeinsam mit ihnen gegen vier unserer Männer antreten. Wenn er gewinnt, sind sie alle frei. Wenn nicht..."
Er machte eine vielsagende Geste und begann mit schweren Schritten zur Wachstube zurück zu kehren. "In zwei Wochen findet der Kampf statt!", rief er noch über die Schulter, offenbar hochzufrieden mit sich selbst, während Forath im Zellengang zurückblieb.
Sobald der Häuptling krachend die Tür hinter sich verschlossen hatte seufzte der Hauptmann und sagte zu Oronêl: "Nun, dass ist besser gelaufen als befürchtet... und gleichzeitig schlechter, könnte man sagen. Könnt ihr gegen vier Mann bestehen und dabei noch eure Mitgefangenen beschützen?"
Oronêl schüttelte ratlos den Kopf. "Ich weiß nicht. Kommt drauf an welche Waffen ich habe und wie gut sie sind. Schwer zu sagen, aber ich muss es versuchen."
Dann erst fiel ihm auf, wie absurd das Gespräch war. "Ihr seid ein sehr merkwürdiger Dunländer.", sagte er, und blickte Forath scharf an. Der zuckte gleichmütig die Achseln.
"Das mag schon sein. Ich bin in meiner Jugend viel herumgekommen, im Gegensatz zu meinen Stammesbrüdern."
"Das erklärt nicht, warum ihr Interesse daran habt, mir die Flucht aus diesem Kerker zu ermöglichen."
Jetzt grinste Forath verlegen. "Habe ich eigentlich auch nicht. Oder habe ich etwa den beiden" er deutete auf Gamling und Amrothos "geholfen? Nein, mein Plan ist ein anderer."
"Erleuchtet mich.", meinte Oronêl, während er unbewusst mit Calenwens Medaillon spielte. Er sah, dass Gamling in seiner Zelle gespannt lauschte, und auch Amrothos schien neugierig. "Bóran ist ein typischer Dunländer.", begann Forath, der merkwürdige Dunländer. "Er hasst die Menschen von Rohan, er hasst die Elben, er hasst die Menschen des Nordens... kurz, er hasst alle, die keine Dunländer sind. Darum hat er sich damals mit den anderen Häuptlingen Isengart angeschlossen, weil er hoffte, Rohan niederwerfen zu können."
"Aber daraus ist nichts geworden.", fiel Gamling mit rauer Stimme ein. "Rohan gibt es immer noch."
Forath nickte. "Das ist richtig. Und Bóran ist dem weißen Zauberer längst nicht mehr so treu wie früher. Seit seiner Gefangennahme" er zeigte auf Amrothos "werden die Lebensmittellieferungen, die wir nach Moria bringen sollen, jedes Mal weniger. Und nun will er seine Hilfe für Saruman ganz einstellen. Irgendetwas hat ihn mutiger werden lassen, und nun will er dem Weißen die Stirn bieten. Er träumt davon, ganz Dunland zu vereinen... Bóran, Hochkönig der Dunländer. Das ist sein Ziel."
"Und ihr wollt ihn stürzen." Es war eine Feststellung, keine Frage, dennoch nickte Forath. "Ja, ich will ihn stürzen und dazu brauche ich euch und euer Gottesurteil. Wisst ihr, unser bester Krieger ist Bórans Sohn, Hafthor, und Hafthor wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einen Elben bei einem Gottesurteil im Kampf zu besiegen. Wenn ihr Hafthor und drei weitere von Bórans besten Kämpfern tötet..."
"Beraube ich ihn seines Erben und schwäche seine Position.", beendete Oronêl den Satz, und lehnte die Stirn gegen die kühlen Gitterstäbe. Die Politik in Aldburg hatte ihm gereicht, und er hatte nicht erwartet hier in Dunland solche Verwicklungen anzutreffen. Außerdem hatte er eine Vermutung warum Bóran seit Amrothos' Gefangennahme so selbstbewusst geworden war. Jetzt wusste er auch, warum ihm die Augen des Häuptlings seltsam trüb und dann wieder fiebrig glänzend vorgekommen waren - es war der selbe Blick den Amrothos hatte, wenn er von dem Ring sprach.
Forath nickte mit einem Lächeln und breitete die Arme aus. "Und darüberhinaus verliert er seinen wertvollen Gefangenen - oder inzwischen sogar alle drei."
"Und wenn ihr schließlich habt was ihr wollt... was dann?", fragte Oronêl. "Schließt ihr euch dann wieder Saruman an?" Der Hauptmann schüttelte den Kopf. "Nein. Wir Dunländer führen seit Generationen Krieg. Gegen die Rohirrim, untereinander... Und nun benutzt dieser Hexenmeister uns für seine Zwecke, und interessiert sich nicht dafür ob wir dabei untergehen. Dunland braucht Frieden, und ich will ihn dem Land bringen."
Eandril:
Auch nachdem Forath den Kerker verlassen hatte um seinen Pflichten als Hauptmann der Wächter nachzugehen, gingen Oronêl seine Worte nicht aus dem Kopf. Er hatte nie die Loyalität von Sarumans Dienern in Frage gestellt. Sie waren für ihn eine Masse gewesen, die blind dem weißen Zauberer folge - selbst die Dúnedain. Aber offenbar war in Sarumans Reich längst nicht alles so, wie es schien, und wenn es sogar unter den Dunländern solche gab, die Saruman aus den ein oder anderen Gründen die Gefolgschaft verweigerten, wie Bóran und Forath, wie mochte dann erst die Lage im Norden unter den Halblingen, Dúnedain und anderen Menschen des Nordens sein?
Sobald er hier raus war und seine Aufgabe, den Ring zu zerstören abgeschlossen hatte, würde Oronêl Mathan und Halarîn nach Norden folgen. Allerdings war er bislang weder sicher ob ihm die Flucht aus dem Kerker überhaupt gelingen würde, geschweige denn, den Ring wieder zu erlangen und zu zerstören.
Er ließ sich auf den kalten, schmutzigen Boden der Zelle sinken und wandte sich an Amrothos. "Hat dieser Häuptling dir den Ring abgenommen?" Amrothos schwieg einen Augenblick, und Oronêl sah wie er die Kiefer fester zusammenpresste und seine Hände zu zittern begannen. Er sah Amrothos fest in die Augen. "Nein, konzentriere dich. Lass nicht zu, dass er dich überwältigt." Er ergriff Amrothos zitternde Hände und hielt sie fest.
Amrothos schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete waren sie klar und sein Blick fest. "Ja.", sagte er, mit nur eine leichten Zittern in der Stimme. "Sie haben mich westlich des Tores von Moria gefunden, überwältigt und hierher geschleppt. Bóran hat mich persönlich durchsucht und den Ring in meiner Tasche gefunden. Er ahnt wohl, was es damit auf sich hat, denn er hat ihn nicht angesteckt sondern in seine eigene Tasche getan. Dann haben sie mich ohne weitere Worte in diese Zelle geworfen, und seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen."
Oronêl fragte nicht nach, ob er mit "ihn" Bóran meinte - oder den Ring.
"Was ist dir sonst passiert seit... Lórien?" Oronêl brachte das Wort nur mühsam über die Lippen, denn daran hangen zu viele schmerzhafte Erinnerungen, darunter, wie Amrothos ihn niedergeschlagen und den Ring gestohlen hatte. Amrothos schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf.
"Nein, nicht jetzt. Das ist zu..." Er atmete scharf ein, und brach ab. "Aber erzähl du mir, was du seitdem erlebt hast."
Und so erzählte Oronêl von der Schlacht um Lórien, auch wenn es ihm Schwierigkeiten bereitet, von der Niederlage zu sprechen - und von Amrûns Tod. Er erzählte, wie die Überlebenden aus dem Waldlandreich nach Rohan geflohen waren, und vom Rat in Aldburg. Als er zu Sarumans Auftritt und dem Bündnis der Rohirrim mit ihm kam, schlug Gamling, der aufmerksam und begierig nach Neuigkeiten aus Rohan zugehört hatte, mit der Faust gegen die Gitterstäbe. "Nein! Das kann nicht sein!", stieß er hervor.
Oronêl betrachtete den Alten mitleidig. "Doch, so ist es leider gewesen. Ich fühle ebenso wie ihr, denn Saruman hat auch über meine Heimat Feuer und Tod gebracht. Und jetzt sitze ich ebenso wie ihr im Kerker seiner Diener."
Oder seiner ehemaligen, wenn man die aktuelle Lage bedenkt.
Seine Worte schiene Gamling nicht zu beruhigen, sondern eher noch mehr aufzubringen. Mit Feuer in den Augen sagte der alte Rohir: "Wie auch immer ihr es anstellt, gewinnt diese Gottesurteil und bringt uns hier raus. Ich muss zurück nach Rohan, und wenn es mich das Leben kostet. Ich muss versuchen, mein Volk zur Vernunft zu bringen." Oronêl sah ihn mit neugewonnenem Respekt an. Offenbar hatte Gamling sich doch noch nicht aufgegeben, und wollte nicht in diesem erbärmlichen Loch sterben.
"Ich verspreche euch, dass ich mein bestes geben werde damit wir diesen Kerker lebendig verlassen.
Der Rest seiner Erzählung war kurz. Bei der Erwähnung Erchirions merkte Amrothos auf, und sah äußerst erfreut aus, als Oronêl erzählte wie er Mithrellas und die Erben Lenwes mit Erchirion als Verstärkung nach Dol Amroth geschickt hatte.
Als Oronêl zum Abschied von Irwyne kam, lächelte er, denn auch Amrothos hatte das Mädchen gern gehabt. Oronêl war erleichtert zu sehen, wie sich diese Regungen auf Amrothos' Gesicht abspielten. Die letzte Zeit war ohne Zweifel eine Qual gewesen, und es tat dem jungen Mann gut, von der Welt und seinen Freunden zu hören.
Schließlich kam Oronêl zum Ende seiner Geschichte, und Amrothos atmete tief durch. "Nun... dann bin ich wohl eigentlich an der Reihe." Oronêl sah die Angst in seinem Blick, und sagte: "Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst."
Doch Amrothos schüttelte den Kopf. "Nein, das ist es nicht. Ich... ich weiß nur noch wenig von dem was geschehen ist. Ich erinnere mich, wie ich aus Lórien nach Norden geflohen und beinahe Sarumans Heer in die Arme gelaufen bin. Dann muss ich den... Ring... angesteckt haben, denn von da an wird alles verschwommen. Offenbar hat er mich unsichtbar gemacht, denn ich konnte mich ungesehen an den Orks vorbeischleichen und nach Moria gehen. Dort... waren viele Orks. Sie haben Waffen geschmiedet, Kriegsmaschinen... und Feuer, überall Feuer... selbst in den tiefsten Tiefen der Minen... überall Feuer." Seine Stimme zitterte und er verstummte für einen Moment.
Dann fuhr er mit tonloser Stimme fort: "Irgendwann fand ich einen Ausgang, das war das Westtor von Moria. Ich wich nach Süden von der Straße ab und wollte den Ring abnehmen, aber... ich konnte nicht! Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, denn in meiner nächsten Erinnerung wache ich auf weil Regen auf mich fällt, und ich im Tal zwischen zwei Hügeln auf dem Erdboden liege, den Ring in meiner Faust.
Dann fanden die Dunländer mich, Bóran nahm ihn mir ab und alles was in diesem Kerker geschehen ist, ist verschwommen. Ich erinnere mich kaum... da war doch ein Halbling, oder nicht?" Den letzten Teil fragte er an Gamling gewandt, und der Alte nickte.
"Ja, Aldoc. Ein höflicher und mutiger junger Bursche."
"Was ist mit ihm geschehen?", fragte Oronêl, denn er erinnerte sich, dass die Wächter von einem Halbling gesprochen hatten. "Vor ein paar Tagen wurde er aus seiner Zelle geholt, und konnte wohl den Wächter überwältigen.", antwortete Gamling. "Er wollte auch mich befreien, aber keiner der Schlüssel passte zu meiner Zelle und er hatte keine Zeit mehr. Also habe ich ihm gesagt, er soll fliehen."
"Das muss euch einige gekostet haben." Oronêl sah den Schmerz im Gesicht des Alten. "Ja, es war nicht leicht. Aber wenn er versucht hätte mich mitzunehmen wären wir beide entdeckt worden. Ich hoffe, er hat es geschafft und ist nicht oben in Dorf getötet worden." Oronêl verneinte. "Ich habe die Wächter gelauscht, und auch wenn ich ihre Sprache nicht gut verstehen konnte, klang es eher als ob er ihnen entwischt wäre." Ein Lächeln breitete sich auf Gamlings Gesicht aus. "Gut. Das ist gut." Er klang sehr erleichtert, und Oronêl dachte bei sich, was für seltsame Freundschaften doch in einem Kerker entstehen konnten: Ein alter Rohir, und ein junger Halbling.
Eandril:
Die zwei Wochen vergingen nur langsam, und Oronêl verbrachte seine Zeit damit, seine beiden Mitgefangenen wenigstens einigermaßen zu stärken. Es war klar dass weder Gamling noch Amrothos in der Lage sein würden, zu kämpfen. Aber zumindest brachte er sie dazu, immer wieder in ihren Zellen auf und ab zu laufen, anstatt den Großteil des Tages im Liegen oder Sitzen zu verbringen.
Während Gamling nach einiger Zeit zumindest einigermaßen zu Kräften zu kommen schien, machte Amrothos' Zustand Oronêl mehr Sorgen, denn er fiel immer wieder in einen tranceähnlichen Zustand, in dem seine Gedanken nur um den Ring kreisten. Es gelang Oronêl nicht immer, ihn aus seinem Wahnsinn zurück zu holen, und manchmal half nur abwarten - ein paar Minuten, ein paar Stunden oder sogar einen halben Tag.
Bereits am ersten Tag seiner Gefangenschaft war Oronêl das größte Risiko seit er sich in den Kerker geschlichen hatte, ein. Forath übernahm, obwohl er der Hauptmann der Wache war, hin und wieder auch den Wachdienst im Kerker, um ungestört mit den Gefangenen reden zu können, und bereits am ersten Tag erzählte Oronêl ihm von Orophin. Er wusste dass er seinen Gefährten damit vermutlich in größte Gefahr brachte, weil er dem Hauptmann trotz seiner Hilfe nicht vollständig vertraute. Aber wenn Orophin nichts von dem Gottesurteil erfuhr, würde er wahrscheinlich auf eigene Faust versuchen, Oronêl zu finden und selbst gefangen werden.
Also erzählte Oronêl Forath von ihm, bat den Hauptmann, dem ehemaligen Grenzwächter alles über das Gottesurteil und die Lage in der Siedlung zu erzählen, und gab ihm Calenwens Medaillon mit, um Orophin zu beweisen, dass er tatsächlich von Oronêl geschickt wurde. Nach diesem Gespräch sah er Forath für drei Tage nicht wieder, aber da Orophin nicht in Fesseln in den Kerker geschleppt wurde, hatte er wohl Wort gehalten.
Am vierten Tag kam Forath zurück, und erzählte wie er Orophin gefunden hatte, von diesem beinahe getötet worden war und dennoch Oronêls Botschaft ausgerichtet hatte. Außerdem gab er Oronêl das Medaillon zurück, was diesen sehr erleichterte. Ohne das Medaillon um den Hals hatte er sich nackt gefühlt - was seltsam war, wenn man bedachte dass er es erst seit ein paar Tagen trug.
Bis zum Tag des Gottesurteils führte Oronêl viele Gespräche mit Amrothos und Gamling. Er erzählte beiden von der Welt, Gamling von Rohan und Amrothos von Dol Amroth und ihren gemeinsamen Erlebnissen. Er hoffte auf diese Weise die Düsternis des Kerkers, in dem Gamling schon so lange saß, zumindest ein wenig zu lichten und in beiden den Willen zum Leben zu erhalten.
Auch Forath kam hin und wieder und unterhielt sich heimlich mit den Gefangenen, und berichtete ihnen von der Lage oben in der Siedlung.
"Saruman hat einen Boten geschickt.", sagte Forath, an die Säule neben Gamlings Zelle gelehnt. "Offensichtlich ist ihm inzwischen aufgefallen, dass Bóran keine Vorräte mehr schickt." Das Gesicht des Hauptmanns war angespannt, was Oronêl zu er Annahme führte, dass der Bote kein normaler Mensch oder Ork war.
"Was ist das für ein Bote?", fragte er, und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er war müde, denn inzwischen zehrte die Gefangenschaft auch an seinen Kräften, und in der letzten Nacht war Amrothos wieder seinem Wahnsinn verfallen und hatte seine Mitgefangenen wachgehalten. Amrothos und Gamling schliefen nun beide, doch Oronêl war aufgewacht als Forath und einer seiner Anhänger die anderen Wächter abgelöst hatten.
"Er hat das ganze Dorf in Angst und Schrecken versetzt, und sogar Bórans unerschütterliches Selbstvertrauen ist ins Wanken gekommen.", erwiderte der Hauptmann mit grimmiger Miene, und verschränkte nervös seine Hände. "Es ist ein Mensch der sich Angbaug nennt, in der Sprache der Elben bedeutet das..."
"Eisenkrieger, ich weiß.", sagte Oronêl leise. Forath lachte nervös auf. "Verzeih mir, ich hatte vergessen dass du ja selbst ein Elb bist. Dieser Angbaug ist jedenfalls kein normaler Mensch. Sein rechter Arm ist ganz aus Eisen, und er stinkt noch drei Meilen weit nach Sarumans Zauberei."
"Wenn sein Arm wirklich ganz aus Eisen ist, hatte Saruman mit Sicherheit seine Hand im Spiel.", meinte Oronêl.
Forath nickte. "Ja, das denke ich auch. Er scheint jedenfalls ein mächtiger Krieger zu sein, und ich will nicht wissen was er sonst noch für Fähigkeiten von seinem Herrn erlernt hat. Allein seine Anwesenheit schüchtert das Dorf ein, und ich fürchte, selbst Bóran könnte einknicken."
"Hat der diesem Angbaug erzählt, welche Gefangenen in seinem Kerker sitzen?" Diesmal schüttelte Forath den Kopf. "Nein, noch nicht. Von Gamling weiß Saruman bereits, aber von euch anderen nicht und Angbaug hat nicht nach euch gefragt. Spätestens beim Gottesurteil wird er euch sowieso sehen."
Forath wandte sich zum gehen, blieb aber kurz stehen und sagte: "Bóran will euch die Wahl der Waffen beim Gottesurteil nicht überlassen, aber er hört auf meinen Rat. Womit möchtet ihr kämpfen?"
"Gebt mir eine Axt. Bóran wird nichts dagegen haben, denn so wie ich es gehört habe, kämpfen Elben immer mit dem Schwert oder dem Bogen." Oronêl lächelte schief, denn was er sagte entsprach der Wahrheit. Die meisten Elben kämpften ja tatsächlich mit diesen Waffen und einen Elben mit Axt schienen sich die meisten Menschen nicht vorstellen zu können. "Ich werde es ihm vorschlagen.", erwiderte Forath, und ging in die Wachstube zurück.
Die letzten Tage vor dem Gottesurteil vergingen ebenso wie die Wochen zuvor. Offenbar hatte Sarumans Botschafter nicht nach irgendwelchen Gefangenen gefragt, denn niemand kam um sie zu sehen, nicht einmal Forath. Dessen Abwesenheit machte Oronêl Sorgen, denn was wenn sein doppeltes Spiel entdeckt worden war?
Diese Sorgen erwiesen sich am Tag des Urteils als unbegründet, denn abends kam Forath mit vier weiteren Dunländern, öffnete die Zellen, fesselte den Gefangenen die Hände auf dem Rücken und befahl ihnen, ihm aus dem Kerker zu folgen.
Es war die Nacht vom neunundzwanzigsten auf den dreißigsten Juni.
Oronêl, Amrothos, Gamling und Forath nach Dunland...
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