Ein perfekter PlatzMerian und Turin vom Heerlager Dol Amroths Hilgorn und Elphir vom Treffen mit QúsayMerian war kein guter Fährtenleser, doch die Spuren, die das vorangehende Heer Dol Amroths hinterlassen hatte, konnte noch nicht einmal er übersehen. Auch in der sich immer mehr verstärkenden Dunkelheit der Nacht, erkannte Merian die umgeknickten Äste, das niedergetrampelte Gras und die Abdrucke der schweren Stiefel, wie sie die Menschen aus Gondor trugen, in den an vielen Stellen schlammig gewordenem Boden.
Alle diese Spuren benötigte Merian jedoch gar nicht um den Weg zur beschriebenen Schlucht zu finden, denn er ging direkt neben Turin und folgte den Männern, die vor im gingen.
Es war keine lange Strecke, die sie zurücklegen mussten um vom Heerlager zur Schlucht zu gelangen und schon bald sah Merian, warum Qúsays Freund Marwan diesen Ort für geeignet hielt.
Merian stand am oberen Rand der Schlucht. Vor ihm ging es steil ein paar Meter hinunter. Nur gute Kletterer würden dieses natürliche Hindernis in mühsamer Arbeit erklimmen können. Merian war sich unsicher es überhaupt zu schaffen, wenn man ihm viel Zeit ließe, an dieser Stelle hinauf zu klettern.
Er ließ seinen Blick weiter schwenken. Durch die Schlucht führte in Pfad, der, wie Turin ihm erklärte, von hinten ans Heerlager führte. Auf der anderen Seite der Schlucht ging es fast ebenso hoch hinauf, wie auf Merians Seite, jedoch nicht ganz so steil.
Alles in allem war Merian klar, dass, wenn die Haradrim den Weg durch die Schlucht nehmen würden, sie in eine ziemlich ausweglose Situation liefen, denn die Schlucht hatte trotz ihrer Länge nur zwei Ausgänge, durch die der Pfad führte; Den einen in Richtung des Heerlagers, den anderen Richtung Linhir.
Von der anderen Seite der Schlucht hörte Merian leise rufe: „Jetzt, jetzt!“
Zu Merians großem Erstaunen, nahezu Entsetzen, erhoben sich drüben überall dunkle Gestalten, die zuvor auf dem Boden gelegen oder gekniet hatten mussten und für Merian daher nicht sichtbar waren. Jetzt hielten sie ihre Bögen gespannt mit je einem Pfeil auf der Sehne in seine Richtung. Hinter den Bogenschützen sah Merian einen hochgewachsenen Mann, der auf seinem stolzen Ross hinter den Reihen entlang ritt. Es war Elphir.
„Angsteinflößend?!“, sprach Turin plötzlich, der zuvor hinter Merian an einem Stück Brot geknappert hatte, sich allerdings jetzt nicht nehmen lassen wollte, spaßhaft über Merian zu spotten: „Auf dem Weg nach Minas Tirith, wo wir uns das erste Mal trafen, bist du ähnlich erschreckt zusammengezuckt.“
Dies stimmte, wie Merian sich in Erinnerung rief und dabei an das schreckliche Geheul dachte, dass die Wölfe und Warge von sich gaben.
„Das war wohl eine Übung“, vermutete einer der Soldaten, der mit Merian und Turin als einer der Letzten bei der Schlucht eingetroffen war. „Genauso ist es“, hörte Merian die inzwischen bekannte Stimme von Hilgorn antworten.
Danach gab Hilgorn weitere Befehle und teilte jedem eine Aufgabe oder Position zu, wo er beim Auftauchen der Haradrim zu sein hatte. Die Bogenschützen ließ er größtenteils genau wie die auf der anderen Seite der Schlucht versteckt warten. Die Nahkämpfer schickte er zu Duinhir am Ausgang der Schlucht, die in Richtung Heerlager wies.
Merian und Turin behielt er bei sich. Zusammen stapften sie am oberen Rand der Schlucht an vielen der Männer mit Bögen entlang zum Ausgang der Schlucht in Richtung Linhir. Dort trafen sie eine kleine Schar wachehaltender Krieger und Hilgorn ließ sich bestätigen, dass es noch immer keine Bewegung der Haradrim außerhalb Linhirs gab.
„Mir gefällt das alles nicht“, sprach Turin ohne das ihn jemand gefragt hatte, „unser ganzer Plan hängt davon ab, dass die Haradrim diesen Pfad zum Heerlager nehmen.“ Hilgorn drehte sich zu ihm um, denn er schätze Turin sehr: „Warum sollten sie es nicht? Der Hügel vor Linhir liegt genau zwischen ihnen und dem Heerlager. Diesen mit einer ganzen Armee, die sich anschleichen soll um uns zu überfallen, zu überqueren ist nicht möglich. Somit gibt es nur den nördlichen Weg zuerst auf der Straße Richtung Dol Amroth entlang oder den geheimen Pfad durch die Schlucht, wo sie für niemanden sichtbar sind.“ Hilgorn holte kurz Luft und fügte dann noch hinzu: „Ich vertraue auf Qúsay und seine Verbündeten. Dieses ist der richtige Ort um sowohl ihre, als auch unsere Ziele zu erfüllen und das Ganze hoffentlich ohne Waffengewalt zu klären.“
Turin nickte: „Ich hoffe ihr behaltet recht.“
„Dort sind sie“, rief einer der Männer, der auf Ausguck war. Eine Wolke wurde durch den immer stärker werdenden Wind weiter getrieben, wodurch der Mond nun sein ganzes Licht, in der inzwischen tief dunklen Nacht, auf die Stadt am Gilrain werfen konnte. Auf der Ebene vor Linhir sahen sie einen dunklen Strom, der die Stadt verließ. Die Haradrim marschierten ohne Fackeln, doch hin unter wieder konnte Merian das Aufblitzen ihrer stählernen Waffen erkennen.
„Sie kommen in unsere Richtung“, rief Elphir, der inzwischen auf seinem Pferd eingetroffen war und Hilgorn antwortete:
„Wie es verabredet war.“