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Die Schlucht nahe Linhir

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--Cirdan--:
Ein perfekter Platz

Merian und Turin vom Heerlager Dol Amroths
Hilgorn und Elphir vom Treffen mit Qúsay

Merian war kein guter Fährtenleser, doch die Spuren, die das vorangehende Heer Dol Amroths hinterlassen hatte, konnte noch nicht einmal er übersehen. Auch in der sich immer mehr verstärkenden Dunkelheit der Nacht, erkannte Merian die umgeknickten Äste, das niedergetrampelte Gras und die Abdrucke der schweren Stiefel, wie sie die Menschen aus Gondor trugen, in den an vielen Stellen schlammig gewordenem Boden.
Alle diese Spuren benötigte Merian jedoch gar nicht um den Weg zur beschriebenen Schlucht zu finden, denn er ging direkt neben Turin und folgte den Männern, die vor im gingen.
Es war keine lange Strecke, die sie zurücklegen mussten um vom Heerlager zur Schlucht zu gelangen und schon bald sah Merian, warum Qúsays Freund Marwan diesen Ort für geeignet hielt.

Merian stand am oberen Rand der Schlucht. Vor ihm ging es steil ein paar Meter hinunter. Nur gute Kletterer würden dieses natürliche Hindernis in mühsamer Arbeit erklimmen können. Merian war sich unsicher es überhaupt zu schaffen, wenn man ihm viel Zeit ließe, an dieser Stelle hinauf zu klettern.
Er ließ seinen Blick weiter schwenken. Durch die Schlucht führte in Pfad, der, wie Turin ihm erklärte, von hinten ans Heerlager führte. Auf der anderen Seite der Schlucht ging es fast ebenso hoch hinauf, wie auf Merians Seite, jedoch nicht ganz so steil.
Alles in allem war Merian klar, dass, wenn die Haradrim den Weg durch die Schlucht nehmen würden, sie in eine ziemlich ausweglose Situation liefen, denn die Schlucht hatte trotz ihrer Länge nur zwei Ausgänge, durch die der Pfad führte; Den einen in Richtung des Heerlagers, den anderen Richtung Linhir.

Von der anderen Seite der Schlucht hörte Merian leise rufe: „Jetzt, jetzt!“
Zu Merians großem Erstaunen, nahezu Entsetzen, erhoben sich drüben überall dunkle Gestalten, die zuvor auf dem Boden gelegen oder gekniet hatten mussten und für Merian daher nicht sichtbar waren. Jetzt hielten sie ihre Bögen gespannt mit je einem Pfeil auf der Sehne in seine Richtung. Hinter den Bogenschützen sah Merian einen hochgewachsenen Mann, der auf seinem stolzen Ross hinter den Reihen entlang ritt. Es war Elphir.
„Angsteinflößend?!“, sprach Turin plötzlich, der zuvor hinter Merian an einem Stück Brot geknappert hatte, sich allerdings jetzt nicht nehmen lassen wollte, spaßhaft über Merian zu spotten: „Auf dem Weg nach Minas Tirith, wo wir uns das erste Mal trafen, bist du ähnlich erschreckt zusammengezuckt.“
Dies stimmte, wie Merian sich in Erinnerung rief und dabei an das schreckliche Geheul dachte, dass die Wölfe und Warge von sich gaben.

„Das war wohl eine Übung“, vermutete einer der Soldaten, der mit Merian und Turin als einer der Letzten bei der Schlucht eingetroffen war. „Genauso ist es“, hörte Merian die inzwischen bekannte Stimme von Hilgorn antworten.
Danach gab Hilgorn weitere Befehle und teilte jedem eine Aufgabe oder Position zu, wo er beim Auftauchen der Haradrim zu sein hatte. Die Bogenschützen ließ er größtenteils genau wie die auf der anderen Seite der Schlucht versteckt warten. Die Nahkämpfer schickte er zu Duinhir am Ausgang der Schlucht, die in Richtung Heerlager wies.
Merian und Turin behielt er bei sich. Zusammen stapften sie am oberen Rand der Schlucht an vielen der Männer mit Bögen entlang zum Ausgang der Schlucht in Richtung Linhir. Dort trafen sie eine kleine Schar wachehaltender Krieger und Hilgorn ließ sich bestätigen, dass es noch immer keine Bewegung der Haradrim außerhalb Linhirs gab.

„Mir gefällt das alles nicht“, sprach Turin ohne das ihn jemand gefragt hatte, „unser ganzer Plan hängt davon ab, dass die Haradrim diesen Pfad zum Heerlager nehmen.“ Hilgorn drehte sich zu ihm um, denn er schätze Turin sehr: „Warum sollten sie es nicht? Der Hügel vor Linhir liegt genau zwischen ihnen und dem Heerlager. Diesen mit einer ganzen Armee, die sich anschleichen soll um uns zu überfallen, zu überqueren ist nicht möglich. Somit gibt es nur den nördlichen Weg zuerst auf der Straße Richtung Dol Amroth entlang oder den geheimen Pfad durch die Schlucht, wo sie für niemanden sichtbar sind.“ Hilgorn holte kurz Luft und fügte dann noch hinzu: „Ich vertraue auf Qúsay und seine Verbündeten. Dieses ist der richtige Ort um sowohl ihre, als auch unsere Ziele zu erfüllen und das Ganze hoffentlich ohne Waffengewalt zu klären.“
Turin nickte: „Ich hoffe ihr behaltet recht.“

„Dort sind sie“, rief einer der Männer, der auf Ausguck war. Eine Wolke wurde durch den immer stärker werdenden Wind weiter getrieben, wodurch der Mond nun sein ganzes Licht, in der inzwischen tief dunklen Nacht, auf die Stadt am Gilrain werfen konnte. Auf der Ebene vor Linhir sahen sie einen dunklen Strom, der die Stadt verließ. Die Haradrim marschierten ohne Fackeln, doch hin unter wieder konnte Merian das Aufblitzen ihrer stählernen Waffen erkennen.
„Sie kommen in unsere Richtung“, rief Elphir, der inzwischen auf seinem Pferd eingetroffen war und Hilgorn antwortete:
„Wie es verabredet war.“

--Cirdan--:
Auf der Lauer

Immer näher kam das Heer der Haradrim über die Ebene vor Linhir auf die versteckten Gondorer zu.
Mit jedem Schritt, den die Haradrim marschierten, spürte Merian wie sein Herz immer schneller schlug. Er hätte erwartet, dass es ihn auszeichnete in einer Situation wie dieser, beim Warten und Lauern, ruhiger zu bleiben, als die Männer in Rüstungen neben ihm. Dort grade nun überschlugen sich seine Gedanken und es kribbelte ihn an den Händen und Armen.

Merian lag geduckt oben am Rand der Schlucht. Sein Schwert hatte er gezogen. Es lag neben ihm auf dem erdigen Boden. Seine Füße fühlten sich taub an, als wären sie eingeschlafen und er fror etwas, trotz der warmen Juninacht.
Merian wusste nicht, was er an diesem Ort zu suchen hatte. Einerseits hatte er einen riesigen Zorn auf die Haradrim in sich, welche seine Männer getötet oder gefangen hatten. Nur zu gerne hätte er diesen Zorn herausgelassen. Er sah sich aufspringen und heldenhaft, sein Schwert über den Kopf zum Schlag bereit, den Abhang in die Schlucht hinunterspringen. Doch eine Stimme ihn ihm rief Merian zur Vernunft an: Zum Einhalt, denn er war kein Krieger und dies sollte ohnehin kein Schlachtfeld werden, sondern der Treffpunkt von verbündeten Heeren der Menschen.

Immer wieder erhob sich Merian leicht und warf ein paar Blicke um zu verfolgen, ob das Heer der Haradrim auch weiter auf die Schlucht zu marschierte.
Ein kleiner Teil  der Haradrim hatte sich inzwischen von dem Hauptheer gelöst und war schneller vorgerückt. Merian beobachte wie gut zwanzig Krieger auf Pferden den Eingang zur Schlucht durchquerten. Die Männer hatten keine klare Formation eingenommen und ritten mit Vorsicht, wobei sie sich vermehrt umsahen.
Ob das Leute von Qúsay waren, die noch in letzter Sekunde wichtige Nachrichten überbringen sollten?
Fragte sich Merian und wollte sich ein bisschen mehr erheben um die Männer besser zu erkennen. „Bleib liegen!“, zischte Hilgorn nicht weit von ihm, „das sind Späher. Sie erkunden, ob der Weg durch die Schlucht frei ist.“
Immer weiter ritten die Haradrim ohne dass sich auch nur ein einziger Gondorer zu erkennen gab. Merian hörte die leise die Hufe der Pferde, als sich die Späher auf seiner Höhe unten durch die Schlucht bewegten. Er lag  nun flach auf dem Bauch und drückte seinen ganzen Körper in den Erdboden. Auf seiner linken Wange spürte Merian einen kleinen Stein und in seinem Mund ein paar Gräser.
Einige Zeit lag er dort so, mit pochendem Herzen. Die Haradrim zogen weiter und verschwanden hinter einer Biegung. Das Heer aus Linhir nahm vor dem Schluchteingang Aufstellung und ließ die vielen verschiedenen Banner im aufbauschenden Wind flattern.
Nach einiger Zeit kehrten einige der Späher der Haradrim zurück und gaben dem Heer das Zeichen zur gefahrlosen Durchquerung der Schlucht.

„Wie sich die weitere Nacht entwickelt liegt nun bei unseren Heerführern und den Häuptlingen der Haradrim“, hörte Merian leise Turin neben sich sagen.

--Cirdan--:
Über Hoffnung und Furcht

Mit dem Einmarschieren des Heeres der Haradrim in die Schlucht, begann es zu Merians Entsetzen, an zu regnen. Für ihn waren diese Momente schon schlimm genug und es gruselte ihn, unten in der Schlucht die ganzen bewaffneten, leicht vom Mondlicht beschienenen Gestalten entlang ziehen zu sehen. Er hörte ihre stapfenden Schritte und nun auch noch das leichte Prasseln des Regens, wie Trommeln, die einen finalen Moment einleiteten.

Neben Merian murmelte Turin etwas von Feuerkugeln, die nicht nass werden dürften, und verschwand daraufhin kurzerhand im Gestrüpp. Ohne Turin fühlte sich Merian noch fehlerhafter am Platz als zuvor und obendrein auch sehr verlassen.
 
Wenige Augenblicke später, in denen immer weitere Reihen der Haradrim in die Schlucht einzogen, hörte Merian hinter sich leise, entfernte Stimmen. Erst vermutete er, dass es Turin sei, der mit jemandem sprach. Doch nachdem sich Merian lautlos von der Oberkante der Schlucht zurückzog, um den Geräuschen auf den Grund zu gehen und möglicherweise darauf hinzuweisen, dass die Stimmen bis an die Schlucht heran zu hören waren, erkannte Merian die beiden Sprecher. Es waren Elphir und Hilgorn, die alleine in einer kleinen Mulde abseits der Schlucht standen und die Merian ganz woanders, nämlich bei ihrem Heer an der Schlucht, erwartet hätte.

Unerkannt von den beiden Anführern der Gondorer kniete Merian sich hin und lauschte dem Wortwechsel gespannt.
Grade setzte sich Elphir auf einen Baumstumpf und sah fragend zu Hilgorn auf: „Sag mir, bitte sag mir, was ich zu tun hab. Seit Dol Amroth schlagen wir uns weiter und weiter in feindliches Gebiet vor, doch wo soll das Enden. Wir sind die Männer aus Dol Amroth, der Stadt des Widerstandes und der Hoffnung. Tatsächlich sind wir der Widerstand, doch wo ist die Hoffnung? Ich sehe sie nicht.“
Merian schloss die Augen.
„Die Hoffnung sind wir, Elphir“, hörte Merian Hilgorn sagen, „die Hoffnung ist in uns, als eine Einheit. Siehst du in das Gesicht eines Mannes, siehst du alle, vereint in einem Heer des Widerstandes, das die Hoffnung in sich trägt. Und du bist es; deine Aufgabe ist es, dieses Heer zu führen.“
„Eine ziemlich schwere Aufgabe, selbst wenn du mich unterstützt Hilgorn.“
„Eine schaffbare Aufgabe für den Prinzen und Heerführer Dol Amroths. Wem sollen die Männer folgen, wenn nicht Elphir, dem ältesten Sohn von Truchsess Imrahil?“
„Ich kann das nicht. Ich kann die Hoffnung nicht in uns halten, wenn sie mich bereits verlassen hat. Du magst das Bündnis mit den Haradrim für eine große Hoffnung halten, doch ich kann das nicht. Ich bin nicht überzeugt davon und zum ersten Mal fürchte ich mich. Ich fürchte um mein eigenes Leben, Hilgorn. Wie soll ich so die Männer anführen?“
„Du fürchtest dich? Dann frage mich doch erst einmal Elphir. Ich bin der Hauptmann der Stadtwache von Dol Amroth, doch ich erzittere, wenn ein Ork auch nur meinen Weg kreuzt. Ich fürchte mich in jeder Sekunde, die ich aus Dol Amroth fort bin.“
„Bei dir ist das etwas anderes. Ich habe das Gefühl, dass ich die Nacht nicht überlebe.“
„Nein. Nein!“, antwortete Hilgorn. Merian öffnete erschreckt wieder seine Augen und sah wie Hilgorn auf Elphir zutrat, in an seinen Schultern packte und hochzerrte.
„Das ist nichts anderes“, sprach Hilgorn weiter, „ du wirst diese Nacht überleben wie jede zuvor. Du bist hier noch nicht fertig und du hast den Männern Mut und Stärke zu zeigen und die Hoffnung in ihnen zu bewahren.“

Elphir stand immer noch direkt vor Hilgorn. Beide Männer sahen sich Auge in Auge an.
Wieder ergriff Hilgorn das Wort: „Und wenn du das nicht kannst, dann spiele die Rolle des Anführers bis zum bitteren Ende.“
Lange Zeit gar nichts. Dann schlug Elphir seine Arme um Hilgorn und bei ihrer Umarmung schepperten beide Rüstungen aneinander.

In der Schlucht hörte man davon zum Glück rein gar nichts.

kolibri8:
Die Haradrim marschierten nicht lang. Geredet wurde nicht, das Einzige, was weit und breit zu hören war, war das Klappern der Hufe und das, schon fast rhythmische, Scheppern der Rüstungen. Die ersten Haradrim betraten die Schlucht. Der Abstieg war zwar zunächst kaum merklich, bald aber schon stiegen die Hänge an den Seiten des Pfades mannshoch an und wären nur mit großer Mühe zu erklimmen. Durch den dichten Wald wähnten sich die Haradrim, außerhalb der Sicht ihrer Feinde. Die Vorhut stoppte und Qúsay sah im Licht der Fackeln weit vor ihm eine dunkle Gestalt hoch zu Ross wild gestikulieren. Kurz darauf löste sich eine Abteilung Reiter von der Vorhut und bewegte sich im schnellen Galopp durch die Schlucht. Abdul-Aziz schickte Reiter aus, die den Weg erkunden und sichern sollte. Recht bald kamen die Späher zurück und die Vorhut setzte sich wieder in Bewegung.

Kaum waren die Haradrim in der Schlucht, fing es an zu regnen. Den Pechfackeln, die einige Haradrim, trugen um den Weg zu erleuchten, machte dies zwar wenig aus, jedoch litt die Moral der Haradrim merklich darunter. Dieses Wetter kannten die Männer zwar mittlerweile, aber richtig daran gewöhnt hatte sich noch keiner.

Die Nachhut erreichte den Eingang der Schlucht. Qúsay sah Marwan kurz an, und deutete seinen Männern an sich zurückfallen zu lassen. Der Abstand zwischen der Nachhut und dem Kern des Heeres wurde immer größer. Ein weiteres Handzeichen von Marwan ließ die Nachhut breiter werden, sodass sie nun die gesamte Breite der Schlucht ausfüllte. Als die Hänge schließlich zu hoch und steil waren, als dass man sie erklimmen konnte, ließ Qúsay seine Truppen stillstehen. Der Abstand zwischen Qúsays Männern und dem Rest des Heeres war nun so groß, dass die vor ihnen marschierenden Truppen nur noch schemenhafte Gestalten im Dunkel der Nacht waren.

Während Marwan sich in die erste Reihe der Reiter einordnete und den Fußsoldaten Befehle gab, ließ Qúsay sein Pferd einige Schritte nach vorn machen, und richtete sich selbst auf, sodass er nun in seinen Steigbügeln stand.

„HEDA, ABDUL-AZIZ!“, rief Qúsay laut, und er sah, wie die Soldaten vor ihm reagierten und sich umdrehten, und Qúsay rief weiter in die Schlucht hinein: „Heda ihr Männer des Südens! Haltet ein und hört mich an!“ Er zog seinen Säbel aus der Scheide und streckte ihn hoch in die Luft. „Lange schon leiden wir unter der Unterdrückung durch des Schattens Diener. Ganze Stämme werden ausgelöscht. Männer, Frauen und Kinder mit Hund und Katz’, Ross und Rind von Orks abgeschlachtet. Wir vergießen unser Blut auf fremden Feldern, für einen Herrn, dem wir nichts und wieder nichts schulden. Und was haben wir als Gegenleistung bekommen? Nichts! Die fruchtbaren Gebiete, die uns versprochen wurden, liegen brach, von Mordors Orks verwüstet. Wir bekommen weder Gold, noch Brot als Entschädigung für den Blutzoll, den wir Mordor gezahlt haben. Sûladan und Hasaël haben uns goldene, ruhmreiche Zeiten versprochen, in denen keiner Hunger leiden muss, und niemand es wagt sich gegen die vereinten Haradrim zu stellen. Stattdessen füllen sich die Gassen unserer Städte mit Bettlern und Armen, Häuser zerfallen, unsere Schulen und Universitäten, einst Zentren des Wissens und der Gelehrsamkeit, sind geschlossen. Uns ist es verboten worden, marodierende Orks in unserem Land anzugreifen. Wir teilen bereits unser Land mit dieser dunklen Brut. Wann werden wir unser Haus, unser Bett oder sogar unsere Frauen mit ihnen teilen müssen? Ich sage, dass wir dies nicht weiter tolerieren dürfen. Wir Haradrim haben unsere Freiheit aufgegeben. Ohne dass wir es gemerkt haben, sind wir zu Sklaven Saurons geworden. Ich sage, dass wir uns erheben sollten. Dass wir Sauron und seine Diener, wo wir sie auch Finden angreifen sollten. Dass wir unserem Land, unserer Heimat die Freiheit, die es einst hatte zurückgeben sollten. Damit wir unser Volk wieder zu alter Größe zurückführen können, müssen wir uns aus der Knechtschaft Saurons befreien. Und anfangen sollten wir mit Hasaël und Sûladan, die den Untergang Harads beschlossen haben.“

Während Qúsays Rede war Abdul-Aziz nach vorne getreten, und rief nun seinerseits: „Das ist Verrat Qúsay, Ihr wisst das. Darauf steht der Tod!“ „Es wäre Verrat, an unserem Volk, wenn wir uns weiter versklaven lassen. Lieber sterbe ich als freier Mann, als dass ich auf Knien lebe. Und da bin ich nicht allein.“ Er blickte hinter sich zu seinen Männern, die nut mit ihren Waffen auf ihre Schilde trommelten und Kriegsgeschrei ertönen ließen. „Jedem freien Mann“ so fuhr Qúsay fort, „steht es frei seinen Herrn zu wählen, so will es unsere Tradition. Saurons Diener werden diese Schlucht nicht frei verlassen, dafür werden wir sorgen. Jeder der für die Freiheit Harads kämpfen will soll sich mir anschließen.“

Tatsächlich lösten sich einige Haradrim aus der Gruppe heraus und gingen erhobenen Hauptes an Abdul-Aziz vorbei und reihten sich in Qúsays Schlachtreihe ein. „Verräter“, schimpfte sie Abdul-Aziz, „Ihr werdet mit ihm sterben.“

Qúsay wartete einen Moment, als sich niemand sonst mehr Anstalten machte die Seite zu wechseln, rief er Abdul-Aziz erneut zu: „Nun legt eure Waffen nieder, heute Nacht muss niemand sterben.“

Als Abdul-Aziz dies vernahm, musste er lauthals lachen. „Ihr seid noch immer in der Unterzahl Qúsay, euren erbärmlichen Haufen Aufständiger zerdrücke ich mit meinem kleinen Finger. Ihr seid allein und verloren!“

„Ihr habt nie die großen Feldherren gelesen, oder? Aus dieser Schlucht gibt es nur zwei Wege, entweder an uns vorbei oder an Gondors Armee. Welchen Weg ihr auch wählt es wird euer Untergang sein. Und so allein sind wir nicht: Meine Freunde! Zeigt auch.“

Auf diese Worte hin raschelte es an den Rändern des Tals und viele Hundert gondorische Bogenschützen richteten sich auf und legten die Pfeile in ihre Sehnen, bereit Abdul-Aziz’ Männer mit einem Tödlichen Pfeilhagel zu bedecken.

„Ihr habt euch mit unseren Feinden eingelassen“, schrie Abdul-Aziz, „euer Verrat wird immer Abscheulicher. Nun sterbt Verräter, Nerigalu Akbar!“

„Schamaschu Akbar!“, erwiderte Qúsay und gab seinem Pferd die Sporen, Marwan und die Reiter folgten ihm.

Mit Kriegsgeschrei rannten Abdul-Aziz’ Männer auf Qúsays Reiter zu, die jedoch schnell an Geschwindigkeit gewannen und die vordersten Krieger einfach niederritten. Qúsays Reiter trieben einen tiefen Keil in Abdul-Aziz’ Frontlinie, während Qúsays Fußtruppen in Formation vorrückten und die vereinzelt stehen gebliebenen Krieger, wie eine Walze, niedermachten. Das erste Blut der Nacht war geflossen. Doch auch vom anderen Ende der Schlucht hörten sie nun Kampfgeschrei und Kriegshörner: Gondors Krieger hatten ihren Angriff begonnen …

--Cirdan--:
Der Blick auf das Schlachtfeld

Merian lauschte den Worten von Qúsay, der laut und deutlich zu Abdul-Aziz sprach. Genauso folgten dem Gespräch die tausenden Haradrim, die zu Merians Füßen bereits weit in die Schlucht vorgedrungen waren und die Gondorer, die an den oberen Rändern der Schlucht, wie auch Merian, versteckt lagen.
Merians Angst war beim Einmarschieren der Haradrim in die Schlucht auf ihrem Höhepunkt gewesen. Doch nun, wo er Qúsay sah, wie er offen mit dem Anführer der feindlichen Haradrim redete und ihn zum Umdenken zu bewegen versuchte, sank Merians Angst wieder. Jetzt war endgültig klar, dass Qúsay es ernst meinte und es das Bündnis zwischen Harad und Gondor tatsächlich geben sollte.

Auf Qúsays Zeichen erhoben sich die Bogenschützen aus Gondor und auch Merian erhob sich, obwohl er keinen Bogen, sondern nur sein Schwert zur Hand hatte.
Angespannt sah sich Merian um, nachdem er sich die durch den Regen klitschnassen Haare aus dem Gesicht gewischte hatte. Merian suchte nicht die Blicke der überraschten Haradrim, sondern Elphir. Nach kurzem erkannte Merian ihn in einiger Entfernung; groß, in glänzender Rüstung, auf seinem hohen Schachtross, mit dem Banner Dol Amroths in der Einen und seinem Schwert in der anderen Hand.
Er spielt seine Rolle, dachte sich Merian.

Dann übertraf sich Merians Angst noch einmal, denn obwohl Abdul-Aziz seine missliche Lage wohl erkannte, ergab er sich nicht. Merian wurde übel, als er sah wie Qúsay und seine umgebenen Reiter losgaloppierten und wie die feindlichen Haradrim ihnen entgegen stürmten. Mehr sah er nicht, denn seine auf die Augen gedrückten Hände verhinderten es.
„Nein, nein!“, schrie Merian lauthals aus sich heraus, denn er konnte es nicht an sich halten.

So seid doch vernünftig! Bei den Grausamkeiten dieser Welt ist eine Schlacht zwischen Menschen umso idiotischer. Soweit darf es nie kommen.
Merian dachte an seine eigenen Vorstellungen, wie  er sich an den Haradrim für seine Männer rächen würde. Merian war aber immer bewusst gewesen, dass es nur Gedanken waren. Er wollte in keine Schlacht gegen Menschen ziehen. Auch jetzt noch nicht.
Dafür war Merian allerding zur falschen Zeit am falschen Ort, wie ihm sehr schnell wieder bewusst wurde, als ein Pfeil, der unten aus der Schlucht geflogen kam, ihn nur knapp verfehlte.

Merian hörte ohrenbetäubenden Hörnergeschall vom anderen Ende der Schlucht, wo die Soldaten Gondors, angeführt von Duinhir aus dem Morthondtal, eine Mauer aus Schildträgern bildeten.
Geduckt lief Merian hinter den Reihen der Bogenschützen entlang, die bereits Pfeile auf die unter ihnen befindenden Haradrim schossen. Nach seinem kurzen Spurt stoppte Merian. Er ging in die Knie und beugte sich vornüber. Es war ihm, als müsste er sich übergeben, doch es passierte nichts. Noch kurze Zeit blieb er in dieser Haltung, dann schleppte er sich zum Rand der Schlucht. Er musste es sehen! Er wollte sehen, was sich zutrug.

Die Haradrim, die wegen ihrer eigenen Männer weder vor noch zurück und wegen den steilen Hängen der Schlucht auch nicht zur Seite ausbrechen konnten, taten sich zusammen und bildeten Schildwälle um die Pfeile der Gondorer abzuwehren. Die Reiter waren von ihren Pferden gestiegen und versuchten die Tiere zu beruhigen oder hinter ihnen Schutz zu suchen.
Der andauernde Regen peitschte Merian ins Gesicht und tat sein übriges zum Dunkel der Nacht, dass er nicht allzu viel von den Haradrim erkennen konnte.
„Weißt du überhaupt, wohin du da schießst?“, ächzte Merian zu einem jungen Bogenschützen, der neben ihm wie wild in die Schlucht hinunter schoss. Eine Antwort erhielt Merian nie, denn zwangsweise wurde er nun in einem teuflischen Plan der Gondorer eingeweiht.
„Aus dem Weg! Merian!“, rief die vertraute Stimme von Turin hinter Merian. Keine Sekunde zu spät sah sich Merian um und konnte sich so grade noch rechtzeitig zur Seite wegrollen. Ein runder, nahezu Mannshoher, Heuballen, der vor seinen Augen in Flammen aufging, rollte neben ihm hinunter und stürzte dann in die Schlucht hinab. Panisch verfolgte Merian den Heuballen mit seinem Blick und sah, wie dieser unten in die Reihen der Haradrim brach. Schnell wandte er sich ab und sah wie Turin sichtlich erfreut schien.
Merian hörte die Schreie der Männer, die vom Feuer erfasst wurden mussten. Innerlich hoffte Merian nur, dass der Regen das Feuer rasch löschen würde, damit nur die grauenhaften Schreie aufhörten. Doch Turin erklärte, dass die Heuballen mit Pech bestrichen wurden und dem Regen lange standhalten konnten.

Langsam richtete sich Merian auf und ließ sein Blick über die Schlucht schwenken. Weit konnte er nicht sehen. Der Regen wurde stärker und die Nacht nicht heller. In der Entfernung sah er weitere brennende Heuballen in die Schlucht stürzen. Er guckte zum Ausgang der Schlucht, die in Richtung des Heerlagers von Dol Amroth führte, und erkannte ihm leichten Feuerschein die Reihen der Schildträger von Gondor. Dort drängte Soldat auf Soldat, Haradrim auf Gondorer. Merian stellte sich die ungeheuren Qualen vor, die die Männer erlitten. Von ihren Hintermännern wurden sie immer und immer weiter in die Feinde hineingedrückt. Es war ein Positionskampf auf engstem Raum. Die Haradrim wollten um jeden Preis durch die Reihen brechen. Das Ziel der Krieger Dol Amroths war es, auf jeden Fall zu verhindern, dass die Haradrim sie weiter zurückdrängen und die Schlucht verlassen konnten.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht, dessen Anstieg nicht ganz so steil war, versuchten vermehrt einzelne Krieger der Haradrim hinauf zu gelangen. Die Wenigen, denen es gelang die inzwischen nasse und somit rutschige natürliche Wand hinaufzukommen,  wurden von den Männern Gondors überwältigt.
Zum anderen Ende der Schlucht, wo Qúsay mit seinem Männern stand, konnte Merian gar nicht schauen. Er hörte nur den ungeheuren Kampflärm, der von dort hinüberwehte.

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