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Autor Thema: Bree  (Gelesen 14434 mal)

--Cirdan--

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Bree
« am: 12. Nov 2014, 23:06 »
Aus der Sicht Pallandos:

Pallando aus Bruchtal.

Der Schlamm der Straßen beschmutzte die Stiefel des blauen Zauberers. Es störte ihn jedoch wenig, da sie ohnehin schon die besten Jahre hinter sich hatten und er vielmehr an einem guten Abendmahl und einem weichen Bett, als an sauberen Stiefeln, interessiert war.
Ein leichter, kalter Regen ließ Pallando seine Kapuze weit über den Kopf ziehen, wodurch er nur spärlich etwas sehen konnte. So erkannte der Istar zwar das alte Schild, das auf das berühmteste Gasthaus in Bree verwies, jedoch nicht die zugehörigen Vermerke. Nicht entging ihm aber, dass das leise im Wind schwingende Schild seit Jahren nicht restauriert wurde und so einige der Buchstaben und der Kopf des Ponys fehlten. Auch fiel Pallando das fehlende Licht und die nicht vorhandenen Kneipengeräusche auf, die ansonsten durch die Fenster von Wirtshäusern drangen.

Mit einem unwohlen Gefühl klopfte Pallando an der verschlossenen Tür des tänzelnden Ponys. Nach Kurzem hörte er einen Schlüssel im Schloss drehen und sah, wie sich die schwere Holztür langsam vor ihm öffnete. Ein alter Mann mit kahlem Kopf und rundlichem, roten Gesicht trat heraus, ohne ein Wort zu sagen, und sah sich unsicher um. Er blickte ein paar Mal die Straße hinauf und hinter und winkte dann Pallando hastig ins Haus.
„Fremde sind hier selten gesehen. Ein Wunder, dass sie euch durch das Stadttor hineingelassen haben. Bei Nacht sind sie noch wachsamer. Aber schön, dass ihr hinein gekommen seid. Ich freue mich immer über Besucher. Ach, verzeiht. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt: Ich bin Barnabas Butterblume, aber alle sagen Gerstenmann Butterblume, was mir auch ganz recht ist“, erzählte der alte Gastwirt und führte Pallando, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, durch den verlassenen Schankraum, „ihr wollt wohl zu Nacht bleiben, nehme ich an.“ Da Pallando nicht widersprach, fuhr Herr Butterblume  fort: „Ach, wie schön. Ich hatte seit ewigen Zeiten keinen Besuch über Nacht mehr. Natürlich hat es auch seine Vorteile und meine Knochen sind sowieso nicht mehr die Jüngsten. Trotzdem eine Schande, dass sie mein Haus einfach geschlossen haben!“

Nun endlich sprach Pallando zu dem freundlichen Wirt und fragte warum das Pony geschlossen wurde und was im Breeland vor sich ging.
Butterblume nahm Pallando mit in seine Küche, in der das Chaos herrschte, setzte Kartoffeln auf und beantwortete die Fragen des Reisenden: „Ihr seid wohl wirklich nicht von hier: Wegen dem Krieg, wegen dem Krieg im Osten sind die Wirtshäuser im ganzen Breeland geschlossen. Es hieß, es sei falsch hier das Leben zu genießen, während nicht weit von hier gekämpft wird. Außerdem benötigen die Krieger, die uns schützen, unsere Vorräte.“
„Wegen dem Krieg?“, fragte Pallando erstaunt nach. Es überraschte ihn, dass die Menschen aus Bree anscheinend so gut informiert waren.  Aber er fragte sich, ob das Breeland tatsächlich Lebensmittel für die Krieger lieferte.

Pallando wusste nicht, was etwa zur gleichen Zeit in Aldburg bei der Ratsversammlung besprochen wurde. Hätte er es gewusst, wäre ihm einiges klarer geworden. In Aldburg wurde von Elrond und Celeborn schon lange vermutet, dass das Breeland und das Auenland die Krieger durch Lieferungen von Waren unterstützten, jedoch nicht den Soldaten der freien Völkern in Rohan oder Gondor, sondern den abscheulichen  Geschöpfen in Sarumans Armee.

Nach langen Gesprächen mit Gerstenmann, die tief in die Nacht hinein andauerten, konnte Pallando sich vieles zusammenreimen und ihm wurde bewusst, dass die Breeländer, sowie die Auenländer, Sarumans Heer versorgten und so einen Angriff auf Lorien und somit Loriens Zerstörung erst möglich gemacht hatten. Allerdings bemerkte er nicht zu Letzt, dass die Menschen und Hobbits getäuscht wurden. Saruman nahm ihnen viel ihrer Lebensmittel und ließ diese über den Grünweg nach Tharbad und dann weiter nach Osten transportieren. Er erzählte ihnen, dass es zu ihrem Schutz sei und durch ihre Opfer der Feind, Sauron, bekämpft werden könne und seine Armeen von ihrem Land abgehalten werden.

Butterblume erzählte von den Geschehnissen und Veränderungen in Bree auf seine Weise und Pallando entnahm, was er für mehr als den Klatsch eines alten Wirtes hielt.
Zuletzt, bevor sich Pallando in das frisch bezogene Bett in einem Zimmer im ersten Stock legte, berichtete der Wirt von Aufständen in Bree und von den Tuk im Auenland, die sich weigerten den Wagenfahrern ihre Vorräte zu übergeben, von den Fremden, die die Vorräte einkassierten und von den Flüchtlingen aus dem Krieg, die nicht in die Stadt hineingelassen und weggeschickt wurden.

Den nächsten Morgen nutze Pallando um sich weiter in Bree umzuschauen. Schnell bemerkte er eine hohe Anzahl von Stadtwachen und viele traurige Gesichter auf den Straßen der Stadt. Mit einigen der Bewohner sprach Pallando, wobei der schnell merkte, dass Keiner ansatzweise die Gastfreundschaft von dem alten Butterblume hatte und niemand lange mit ihm gesehen werden wollte.
An den Hauswänden größerer Straßen entdeckte Pallando Aushänge, die er am Abend zuvor übersehen hatte. In der Allgemeinsprache standen darauf Verhaltensregeln und Vorschriften für die Abgabe von Lebensmittelwaren an die Wagenfahrer.
Pallando bekam nicht wenig Lust die Aushänge herunterzureißen und den Menschen zu erzählen, wem sie hier wirklich dienten und unterstützten. Der Istar besann sich jedoch und entschied nicht überhastet vorzugehen. Immerhin wusste er nicht, wer in Bree vielleicht doch von Sarumans Verbrechen wusste und für ihn arbeitete.
Ohnehin war Pallando in Bree nur zur Durchreise, obwohl ihn diese neue Entdeckung nun viele Sorgen bereitete. 

Gegen Mittag kehrte Pallando zurück ins tänzelnde Pony und aß und redete mit Butterblume, der sich wirklich über den Besuch freute. Nachdem sein Gasthaus geschlossen wurde, hatte er niemanden mehr zum Reden und die meisten Stadtbewohner mieden ihn auf Grund von erfundenen Geschichten über sein Gasthaus.
Nach der stärkenden Mahlzeit verabschiedete sich der blaue Zauberer und traf vor den Toren der Stadt auf Radagast, der ihn mit Molli und Klockel schon erwartete.
Die beiden Istari hatten sich hinter den Mückenwassermooren getrennt, da Radagast unbedingt einen Umweg durch den Chetwald machen wollte um nach dem Rechten zu schauen und es Pallando eher in die Menschenstadt zog.
Nun folgten die Beiden der Straße von Bree Richtung Auenland um schon sehr bald das Ziel ihrer Reise zu erreichen.

Pallando und Radagast weiter auf der Straße nach Westen.


« Letzte Änderung: 20. Jun 2015, 13:02 von --Cirdan-- »

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In den Straßen von Bree
« Antwort #1 am: 13. Aug 2015, 02:03 »
Arwen, Lindir, Kerry, Magrochil, Rilmir, Lónar und die Elben von Imladris von der Großen Oststraße


In einem kleinen Wäldchen nahe der Straße machten sie Halt. Die Stadt Bree kam in der Ferne gerade in Sicht, doch anscheinend lag sie nicht auf ihrer Reiseroute. Kerry trat neben Lindir, der sein Pferd am Zügel führte und wollte wissen, was los war.
"Wir werden die Stadt nicht betreten," erklärte Lindir. "Zu viele unfreundliche Augen und Ohren."
"Ihr wollt den Umweg über die Felder nehmen?" wunderte sich Kerry.
"Oh, es wird kein Umweg sein. Wir kommen dort schneller voran als auf den engen und vollen Straßen von Bree. Wenn wir die Stadt umrundet haben werden wir an der Grünwegkreuzung wieder auf die Ostraße treffen. Ein Stück weiter werden wir ein Lager aufschlagen."
"Dann macht es euch sicher nichts aus, wenn ich nach Bree gehe und euch anschließend an der Kreuzung treffen?"
"Möglich ist es," sagte der Elb gleichmütig.
"Wenn du wirklich gehen willst dann sei bitte vorsichtig," sagte Rilmir, der hinzugetreten war. "Man hört seit einiger Zeit nichts Gutes mehr über den Umgang in Bree."
"Ich kann auf mich aufpassen," erwiderte Kerry.

Da sie niemand begleiten mochte ging sie alleine. Kurz darauf kam sie an das Südtor der Stadt, welches zwar offen stand aber von vier aufmerksamen Stadtwachen bewacht wurde. Kaum war sie heran hielten diese sie bereits mit finsteren Blicken auf.
"Wohin willst du, Mädchen?" wollte einer der Wächter wissen.
"Rein," gab sie die kurze Antwort.
"Das wollen heutzutage viele. Wir haben hier schon genug Gesindel und Rumtreiber," sagte er unfreundlich. "Verschwinde, wenn du keinen triftigen Grund hast dass wir dich einlassen sollten."
Kerry setzte ein schmollendes Gesicht auf. "Ihr seid aber nicht sehr freundlich. Brauche ich denn einen Grund, um mich in eurer schönen Stadt umzusehen?"
"Nun ja..." erwiderte der Mann der sie sich nun genauer ansah. Ihm schien zu gefallen was er sah denn schließlich machte er den Weg frei. "Wenn du in drei Stunden noch hier bist, schau' doch mal im Wachlokal vorbei. Hübsche Dinger wie du sind dort immer willkomen," fügte er anzüglich hinzu.
Kerry schenkte ihm ein Lächeln das fast echt war. Was für ein Haufen Idioten.
"Oh, was für eine schöne Idee!" säuselte sie. "Ich werde es mir merken." Und damit stolzierte sie an den Wächtern vorbei, wohl wissen dass deren Blicke sie bis zur Straßenecke verfolgen würden.

Auf den Straßen herrschte ein ziemliches Gedränge, doch Kerry fielen insbesondere mehrere Wägen und Karren auf, die anscheinend mit Vorräten für eine lange Reise beladen wurden. Neben den Menschen aus dem Breeland und dessen Umgebung sah Kerry auch viele Südländer; Gestalten die ihr gar nicht gefielen. Hobbits begegneten ihr nur wenige, obwohl in Bree und seiner Umgebung nach wie vor welche lebten. Sie bahnte sich ihren Weg zum Gasthaus um zu überprüfen, ob es weiterhin geschlossen war. Zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass dem so war. Glücklicherweise war das Tänzelnde Pony nicht der einzige Ort in Bree, in dem sie Leute kannte. Sie ging die Straße zum Westtor hinab und bog kurz darauf nach links in eine Seitengasse ab. Schnell hatte sie die richtige Tür gefunden und klopfte an.

"Linchen! Das ist aber eine Überraschung," sagte Celia Orangenblüte erfreut, als sie die Tür öffnete. "Hast dich aber lange nicht mehr in Bree blicken lassen," fügte sie hinzu. Celia Orangenblüte war eine Frau mittleren Alters die in der Stadt lebte und mit Kerry befreundet war. In ihrem ersten Jahr im Norden war sie oft in Bree gewesen und hatte dabei die Bekanntschaft der Frau gemacht.
"Komm rein," sagte Celia, und Kerry folgte ihr ins Innere.
"Es gab viel zu tun in letzter Zeit", erklärte sie ihre lange Abwesenheit. "Außerdem ist mir Bree seitdem das Pony geschlossen wurde immer weniger einladend erschienen."
"Sie sagen, es ist wegen dem Krieg im Osten. Sie brauchen immer mehr und mehr Vorräte, und da bleibt nicht mehr viel übrig."
Kerry setzte sich an den Tisch in Celias Küche, an dem bereits eine junge Frau mit blonden Haaren saß.
"Hallo!" sagte sie als sie sich hinsetzten. "Ich bin Kerry."
Ihr Gegenüber blickte auf und Kerry sah, dass sie geweint hatte. Ihre Augen waren rot umrandet und blickten sie teilnahmslos an.
"Das ist Lily," erklärte Celia mitfühlend. "Sie ist auf der Suche nach ihrem Freund, der vor einiger Zeit von Archet kam um eine dieser Vorratslieferungen in den Süden zu begleiten."
"Er sagte, er wäre nur ein paar Tage weg," sagte Lily leise, "Ich befürchte, ihm ist etwas Furchtbares zugestoßen."
Kerry wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Also sagte sie lieber nichts und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Hier in der Stadt läuft wohl mehr schief als ich dachte, überlegte sie. Ich hab' ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
"Wie ist es dir ergangen seitdem du mich zuletzt besucht hast, Linchen?"
Deine Abkürzung für den Namen Kerevalline ist immer noch zum Schreien, dachte Kerry. "Ich kann nicht klagen," sagte sie dann laut. "Gerade bin ich auf dem Weg ins Auenland. Eine Gelegenheit hat sich ergeben."
"Versprich mir, dass du dieses Mal versuchen wirst, weniger Aufsehen zu erregen," bat Celia sie.
"He! Dass es Ärger gab war gewiss nicht meine Schuld! Es sind diese leidigen Regeln, die seit einiger Zeit überall aufgestellt werden. Man kann sie einfach nicht alle befolgen."

Nachdem sie sich einige Zeit über ihre Erlebnisse ausgetauscht hatten verabschiedete sich Kerry von Celia und Lily, denn es wurde Zeit, sich mit den Elben zu treffen. Da sie keine Lust hatte, sich erneut mit den Wachen am Südtor herumzuschlagen verließ sie die Stadt durch das Westtor. Auch hier musste sie sich einige anzügliche Kommentare gefallen lassen, was sie jedoch mit einem Schulterzucken abtat. Es ist echt überall dasselbe.

Kurz darauf erreichte sie die Grünwegkreuzung, an der Magrochil bereits auf sie wartete.
"Das Lager der Elben von Bruchtal ist nicht weit. Ich zeige es dir."
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg dorthin.
« Letzte Änderung: 25. Jan 2016, 12:06 von Fine »
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Lager nahe der Grünwegkreuzung
« Antwort #2 am: 17. Aug 2015, 14:10 »
Kerry folgte Magrochil ein Stück die Straße in westlicher Richtung entlang. Bald schon bogen sie an einer großen Eiche rechts ab und kamen kurz darauf in eine kleine Schlucht, die von ungefähr sieben Meter hohen Felswänden an beiden Seiten eingerahmt wurde. Hier hatten die Elben das Lager für die Nacht aufgeschlagen. Magrochil zeigte ihr, wo ihre beiden Reisegefährten an einem der Feuer saßen, und die Mädchen setzten sich dazu.

"Wie war's in Bree?" wollte Lónar wissen.
"Noch schlimmer als letztes Mal," antwortete Kerry. "Das Pony ist immer noch zu. Es sind wieder mehr Wachen geworden, und fröhliche Gesichter sieht man nirgendwo mehr."
"Gut, dass ich mir den Abstecher in die Stadt erspart habe," sagte Magrochil. "Auf die Sprüche der Wachen kann ich gut verzichten."
"Ich frage mich, ob mit Absicht immer dieselbe Art von Menschen für diese Arbeit rekrutiert werden," überlegte Kerry. "Wie muss da nur die Anwerbung aussehen? 'Hallo, sind Sie geistig minderbemittelt und üben gerne sinnlose Gewalt aus? Lieben Sie es, anzügliche Kommentare fallen zu lassen und tagelang am selben Fleck Wache zu schieben? Dann sind Sie bei der Stadtwache von Bree genau richtig, denn hier werden sie dafür bezahlt, nicht mehr als ein nutzloser Idiot zu sein!'"
Magrochil und Lónar lachten, doch Rilmir behielt seinen düsteren Blick bei, den er seit einigen Tagen nicht mehr abzusetzen schien.

Später am Abend setzte sich Kerry neben den Waldläufer ans Feuer. Magrochil schlief bereits, und Lónar war in seine Karten vertieft. Zaghaft fragte sie: "Dúnadan... was ist eigentlich mit dir los? ... du bist in den letzten Tagen ziemlich düster gelaunt gewesen. War es ... hat's was mit mir zu tun? Wenn ja... dann tut's mir Leid!"
Rilmir schien aus seinen Gedanken aufzutauchen und wandte ihr das Gesicht zu. Einige Momente sagte er nichts und blickte sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Kerry spürte, wie sie errötete und strich sich nervös das Haar zur Seite.
Dann verging der Augenblick, und Rilmirs Augen nahmen einen warmen Glanz an.
"Oh meine liebe Kerry, bitte merke dir eins: Es dreht sich nicht immer alles um dich."
Ein kleines Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Waldläufers aus. "Meine Laune hat indirekt mit der Situation, die du in Bree gesehen hast zu tun. Es geht um das Land - du hast ja bereits gesehen, dass seit einiger Zeit viele zwielichtige Gestalten aufgetaucht sind und den größere Teil Eriadors unter ihre Kontrolle gebracht haben."
Kerry nickte und versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen. War das vielleicht peinlich! Ich hoffe, er versteht wenigstens, warum es mir wichtig ist was er von mir hält.

Rilmir schien es nicht zu bemerken. "Lass' mich dir von den Dúnedain erzählen. Vor einigen Jahren waren wir die Beschützer dieser Lande - des alten Reiches Arnor, welches vor langer Zeit unterging. Wir hielten Gefahren von den Bewohnern des Auenlandes und Brees ab, ohne dass sie etwas davon bemerkten. Sehr beliebt waren wir in Bree nicht - "Waldläufer" war noch eine der freundlichesten Bezeichnungen die man uns entgegenbrachte. Es war ein hartes Leben, aber dennoch ehrenhaft.
Nachdem unser Häuptling, Aragorn, in den Süden gezogen war um sein.... um in Gondor Krieg zu führen, änderte sich die Lage. Einige meiner Brüder waren mit ihm gezogen, und kehrten nun mit schlimmen Nachrichten zurück - der Krieg war verloren und Aragorn gefangen oder getötet worden. Da er keinen Sohn hatte suchten wir unter seinen nahen Verwandten nach einem Nachfolger, und der Rat der Dúnedain wählte schließlich Helluin, den Sohn von Aragorns Base Erelieva als Anführer aus.
Er war noch jung, schien aber die große Verantwortung ehrenvoll zu tragen. Bis vor einiger Zeit ein Diener des Zauberers Saruman zu ihm kam."

Saruman! schoss es Kerry durch den Kopf. Schon viel zu oft hatte sie Menschen diesen Namen furchterfüllt aussprechen hören.
Rilmir blickte ihr ins Gesicht und hielt einen Moment inne. "Du hast schon von ihm gehört, nicht wahr? Einst war er der Anführer des Ordens der Zauberer, doch er hat sich von seinem Auftrag abgewandt und strebt nun selbst nach Macht. Er überzog Rohan mit Krieg und kam nach seiner Flucht aus Isengard ins Nebelgebirge, wo er die dortigen Orkstämme unter seinem Banner vereinte. Doch damit nicht genug streckte er nun auch seine Finger nach Eriador aus. Vom neu erstrahlenden Glanz des Reiches Arnor sprach er und versprach uns Paläste und Reichtümer die wir uns kaum vorstellen konnten. Die Macht seiner Stimme blendete die Dúnedain, und so fielen sie. Viele sind mit ihm in den Osten gezogen um in seinen Kriegen zu kämpfen. Jene, die versuchen, sich ihm zu widersetzen, ließ er töten oder durch die Gefangennahme ihrer Familien ruhig halten."
Kerry blickte Rilmir mit großen Augen an, sie konnte kaum glauben was sie da hörte. Sollte Saruman tatsächlich die Kontrolle über Eriador erlangt haben? Es ergab Sinn, das musste sie zugeben. Und wenn es stimmte, dann waren seine Diener nun überall zu finden.

"Ich ... verstehe dich nun besser, Dúnadan," sagte sie leise, unsicher was sie auf Rilmirs Erzählung antworten sollte. "Gibt es denn nichts, was getan werden kann? Können wir Saruman finden und seine Machenschaften beenden?"
"Selbst wenn ich wüsste, wo sich der Zauberer gerade befindet ginge seine Macht dennoch deutlich über meine Fähigkeiten. Der Einzige, der ihm die Stirn bieten könnte wäre einer der Elbenfürsten oder ein anderer der Istari. Doch diese sind weit weg und haben andere Sorgen. Und von Mithrandir, jener den ich am meisten schätzte und vertraute habe ich schon sehr lange nichts mehr gehört, seitdem er nach Isengard ging um den Statthalter Mordors zu erschlagen."
"Mithrandir?"
"Du könntest ihn als Gandalf Graurock kennen. Er hat viele Namen bei vielen Völkern. Es heißt, Saruman habe ihn mit einem Zauber belegt, " fügte Rilmir niedergeschlagen hinzu.

Wie er so am Feuer saß, die Schultern tief hängend und den Blick ins Leere konnte Kerry nicht anders als ihre Arme um ihn zu schlingen und "Du darfst nicht aufgeben, Dúnadan," zu flüstern. "Solange wir am Leben sind gibt es noch Hoffnung."
Er antwortete zunächst nicht, dann ließ er einen tiefen Seufzer hören. "Vermutlich hast du Recht... Wir werden sehen, was der nächste Tag bringen wird..."
Schließlich legte er ihr den Arm um die Schulter und hob den Blick zu den Sternen, die hervorgekommen waren. Am Horizont war die Sichel der Valar zu erkennen.
"Onen í-estel dúnedain", murmelte er leise.
Doch Kerry hörte ihn schon kaum noch mehr, denn mit dem Kopf auf seiner Schulter war sie bereits dabei, einzuschlafen.

Am Morgen wachte sie eingehüllt in ihre Decke neben Magrochil auf. Hat der Dúnadan mich hierher gebracht? Das Feuer, an dem sie gesessen hatten war am anderen Ende des Lagers. Rilmir unterhielt sich mit Arwen und sie bekam keine Gelegenheit ihn danach zu fragen. Nach einem kurzen Frühstück kehrte die Reisegruppe zur Oststraße zurück und brach wieder auf.


Arwen, Lindir, Kerry, Magrochil, Rilmir, Lónar und die Elben von Imladris weiter nach Westen auf der Großen Oststraße...
« Letzte Änderung: 19. Aug 2015, 23:49 von Fine »
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Re: Bree
« Antwort #3 am: 15. Mär 2016, 19:29 »
Ardóneths Start:

Ardóneth verließ seinen Unterschlupf als die Dämmerung hereinbrach. Die Tavernen waren schon seit Monaten geschlossen, doch an einigen versteckten Orten in Bree konnte man mit etwas Glück noch etwas Gutes zu Trinken bekommen. Eine solche Stelle gab es in einem unscheinbaren Haus nahe des Nordtores. Vier abgerissene Gestalten lehnten drinnen an eine hölzerne Theke und hatten bereits teilweise geleerte Krüge vor sich stehen."Das Übliche", sagte Ardóneth beim Hereinkommen und der Mann hinterm Tresen nickte ihm zu. Er setzte sich auf einen der Barhocker und begann, aus seinen Krug zu trinken.

"Hast du in letzter Zeit etwas Interessantes gehört?" fragte Ardóneth den Wirt, in der Hoffnung mehr über den Sternenbund zu erfahren. Dieser verneinte im ersten, schob jedoch heimlich einen Umschlag zu Ardóneth herüber. "Mehr weiß ich auch nicht, doch nun geht" flüsterte der Schankwirt nervös. Ardóneth schaute verwundert, ließ einige Münzen auf den Tresen fallen und verließ schleunigst die Schänke.

Er nahm den Umschlag, riss ihn auf und hielte ein großes Stück Pergament in der Hand. Jedoch waren nur noch wenige Wörter zu lesen, die meisten waren verschmiert. Schon wieder keine  genauen Informationen, dachte er. Schließlich fiel ihm sein alter Mentor, Elrond aus Bruchtal ein. Vielleicht kann er entschlüsseln, was hier geschrieben steht, überlegte Ardóneth.

Er fasste den Entschluss sein altes Anwesen zu verkaufen. Eine schwere Entscheidung, denn schließlich lebte er hier viele Jahre mit seiner Frau. Doch war die Neugierde zu groß und gegen einen großen prall gefüllten Geldbeutel ging sein Haus an einen anderen Besitzer über, jedoch holte er aus einem geheimen Keller vorher noch seine Ausrüstung. Schließlich machte er sich gen Osten auf, in der Hoffnung, dort mehr Informationen sammeln zu können.


Ardóneth nach Imladris


Verlinkung ergänzt
« Letzte Änderung: 21. Mär 2016, 08:59 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

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Bree bei Nacht
« Antwort #4 am: 15. Jun 2016, 14:42 »
Kerry, Haleth und Rilmir vom Grünweg


Am Nordtor Brees angekommen stellte Kerry fest, dass ihr Plan sich gerade in Luft aufgelöst hatte. Das Loch in der großen, dichten Hecke, die die Stadt wie eine Mauer umgab, war verschwunden. An seine Stelle war ein hölzerner Wachturm getreten, der die Lücke verschloss und von dessen Spitze ein schwarzes Banner im Wind flatterte. Darauf erkannte Kerry die Weiße Hand Sarumans. Zu dritt blieben sie im Schatten der Bäume verborgen, die einige Meter nördlich des Stadttores wuchsen und spähten zu den Wachen hinüber, die am Tor ihre Posten bezogen hatten.
Blóden hell! fluchte sie innerlich auf Rohirrisch. Ich hasse es, wenn ein Plan schief geht!

Rilmir blickte nachdenklich zur Stadt hinüber. "Inzwischen werden sie sich in Bree verteilt oder versteckt haben. Es wird schwierig werden, die aus Fornost entflohenden Diener Sarumans dort aufzuspüren."
"Vielleicht wäre es besser zu warten, bis sie die Stadt wieder verlassen," wandte Haleth ein. "Wir können die Ausgänge beobachten und außer Sicht bleiben."
Kerry zupfte an einer eigensinnigen Strähne, die ihr über das rechte Auge fiel. "Ich kann 'reinkommen. Letztes Mal hab' ich es auch geschafft. Aber euch beiden sieht man eure Herkunft zu deutlich an. Ihr seid Dúnedain des Nordens. Vielleicht solltet ihr wirklich hier bleiben und die Lage vor der Stadt beobachten."
"Bist du dir sicher, dass du unbeschadet an den Wachen vorbeikommst?" fragte Rilmir.
"Ich schaffe es. Du wirst es sehen!" gab Kerry zurück.
Haleth lächelte sie an. "Ich vertraue dir, Kerry. Geh in die Stadt und finde heraus, was es herauszufinden gibt. Wir werden die Tore beobachten. Wenn unsere Freunde weiterziehen wollen werden wir es bemerken."
"Sei vorsichtig," ermahnte Rilmir sie. "Traue niemandem. Wir wissen nicht, wer inzwischen in Bree das Sagen hat."
Kerry nickte. "Ich werde vorsichtig sein. Das bin ich doch immer!"

Rasch stand sie auf und trat aus dem Schatten der Bäume, ihren grauen Umhang eng um die Schultern gelegt. Die Kapuze setzte sie ab um nicht für eine Waldläuferin gehalten zu werden. Festen Schrittes ging sie auf das Tor zu, dessen Wachen sie bereits bemerkt hatten.
Einer der beiden hob die Hand. "Halt," sagte er mürrisch. "Wer bist du und was willst du hier?"
Kerry setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Ich komme aus Archet und möchte meine Schwester besuchen!"
"Hab' dich noch nie hier geseh'n. Wie heißt du?" wollte der Wächter misstrauisch wissen.
"Dana Weizler. Vom Scheunenhof, hinter Archet." antwortete sie zuversichtlich.
"Wusste gar nicht dass der alte Weizler zwei Töchter hat," gab der Mann zurück. "Bera kenn' ich - aber von dir hab' ich noch nie 'was gehört."
Kerry unterdrückte ihre Aufregung. "Bera, meine Schwester, ist die Ältere von uns. Ich blieb auf dem Hof zurück als sie damals nach Bree ging."
Der Wächter blickte unschlüssig zwischen ihr und seinem Kollegen hin und her. Offenbar überlegte er, ob er Kerrys Geschichte glauben sollte.
"Ich werd' Bera einfach fragen," sagte er schließlich. "Du kannst 'rein, aber mach' keinen Ärger. Würde dir nicht gefallen was wir mit Unruhestiftern machen. Und wenn ich 'rausfinde dass du gar nicht Dana Weizler bist, steckst du in großen Schwierigkeiten!"
Das werden wir ja sehen, dachte Kerry als die Wachen den Weg freigaben. Bis du dieses Rätsel gelöst hast bin ich längst wieder aus Bree verschwunden.

Sie durchquerte die Straßen Brees, die vom Licht der Abendsonne einen rötlichen Ton angenommen hatten. Die Häuser warfen lange Schatten und die Stadt kam ihr noch unheimlicher als bei ihrem letzten Besuch vor. Kerry war froh, dass die Wachen ihr das Schwert nicht abgenommen hatten, das sie an ihrer Linken trug. Zwar habe ich damit geübt, und mir wurden einige Tricks gezeigt, aber auf einem richtigen Kampf kann ich mich bestimmt noch nicht einlassen. Nicht, dass sie das überhaupt wollte.
Sie machte sich auf den Weg zum Tänzelnden Pony. Dort angekommen fand sie das Gasthaus weiterhin verschlossen vor. Das Gebäude war in einem schlechten Zustand. Im Hof wucherten Gras und Unkraut zwischen den Pflastersteinen hervor und das Schild über dem Eingang hing schief herunter. Eine einzige starke Windbrise würde es herunterreißen. Kerry dachte an die fröhlichen Tage, die sie hier erlebt hatte, bevor Sarumans Einfluß bis nach Bree vorgedrungen war und sie spürte, wie sie wütend wurde. Sie ballte die Hände zu Fäusten und wandte sich ab.

Ziellos streifte sie durch die Gassen von Bree. Sie suchte schon lange nicht mehr nach den Menschen, die sie mit Haleth und Rilmir aus Fornost verfolgt hatte. Kerry wusste selber nicht mehr, wonach sie suchte. Die Sonne war inzwischen untergegangen und es wurde kalt. Frustriert blieb sie stehen und blickte sich um. Zwar war sie schon oft in Bree gewesen, doch nun hatten ihre Beine sie in eine Straße getragen, die sie nicht kannte. Sie hatte sich verlaufen. Gespenstisch still hier, dachte sie als sie ihre Kapuze aufsetzte. Vorsichtig ging sie die Gasse, durch die sie gekommen war entlang. In den Häusern zu beiden Seiten brannten keine Lichter mehr, es wurde immer dunkler. Schließlich musste Kerry die Arme nach vorne strecken, um nicht gegen eine Wand zu laufen.

Als ihre Finger etwas Hartes berührten blieb sie stehen. Sie spürte einen Windhauch auf der Nase und blickte nach oben zum Himmel, der zwischen zwei Dächern sichtbar wurde. Die Wolken teilten sich und der Mond ließ einige helle Strahlen auf Kerrys Gesicht fallen. Sie erkannte, dass sie in einer Sackgasse stand und beinahe gegen die Wand des Hauses am Ende der Straße gestoßen wäre. Einige Meter über ihr befand sich ein offenes Fenster. Während sie noch überlegte, ob sie umkehren sollte hörte sie mit einem Mal leise Stimmen, die durch das Fenster drangen, und ein Lichtschein wie von einer Fackel fiel hindurch auf die Straße. Schnell huschte sie in die Schatten eines großen Busches, der neben ihr an der Wand wuchs und spitzte die Ohren.

"Morgen ist es so weit," sagte die erste Stimme.
"Ist der Statthalter schon eingetroffen?" wollte eine zweite Person wissen.
"Heute Mittag," antwortete der Erste. "Er sagt, im Süden ist alles in Ordnung."
"Das sind gute Neuigkeiten," mischte sich eine dritte Stimme ein. "Vom Norden kann man das nicht behaupten, will ich meinen."
"Nein, da hast du Recht. Diese Waldläufer machen nichts als Ärger in der Sternenstadt!" klagte der Erste.
"Mach' dir keine Sorgen. Der Meister hat für alles einen Plan," versicherte der Dritte. "Wirst es schon seh'n!"
"Das will ich hoffen," äußerte sich Nummer Zwei. "Wird Zeit dass man dieses Gesindel ein für alle Mal aus Eriador 'rauswirft."
"Ja," pflichtete der Erste bei. "Der Statthalter soll sich darum kümmern."
"Das macht er," sagte der Zweite. "Gedulde dich nur bis morgen."
Einer der Männer lehnte sich aus dem Fenster. Kerry schloss die Augen und wagte nicht einmal zu atmen. Doch der Mann seufzte nur leise und schloss dann das Fenster von innen.
Ihm ist wohl nur kalt geworden, dachte Kerry erleichtert.

Das Gespräch der Männer hatte sie nachdenklich gemacht. Was würde morgen geschehen? Wer war der Statthalter von dem gesprochen wurde? Was war sein Plan?
Sie beschloss, noch einen Tag länger in Bree zu bleiben. Was auch immer da morgen passieren wird, ich werd's mir ansehen, dachte sie während sie sich ihren Weg zum Pony zurück suchte. Eine der Hintertüren war nur mit einem einzigen Brett vernagelt, welches sie mit ihrem Schwert aufhebelte. Drinnen suchte sie sich eines der Zimmer im oberen Stockwerk aus und legte sich in eines der Betten. Zwar waren keine Decken mehr dort, doch ihr Umhang reichte ihr. Bald schon war sie eingeschlafen.
« Letzte Änderung: 16. Jun 2016, 00:53 von Fine »
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Azaril

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Re: Bree
« Antwort #5 am: 22. Jun 2016, 18:27 »
Aldoc und Girion aus dem Auenland

"Wer seid ihr und was wollt ihr hier?", fragte sie der Torwächter mit krächzender Stimme.
Aldoc hob überrascht eine Augenbraue. "Du kennst mich, Arnie."
"Hm? Oh ja, Aldoc Tuk, nicht wahr?" Arnie, einer der Torwächter von Bree, ein alter Mann, der schon hier gewesen war, als Aldoc das erste Mal nach Bree gekommen war, schien den Hobbit nun endlich zu erkennen. "Ja, ich erinnere mich. Tut mir leid, neue Vorschriften, ich kann dich nicht mehr einfach hineinlassen. Vor allem wegen deines Nachnamens."
"Klar, natürlich", seufzte Aldoc genervt. "Wir Tuks sind in dieser Gegend inzwischen berühmt. Unter anderen Umständen würde ich mich ja freuen…"
"Gibt es ein Problem?", mischte sich nun der zweite der beiden Wächter hier am Westtor von Bree ein, und dieser war keineswegs ein alteingesessener Breeländer, sondern ein Fremder, den Aldoc noch nie zuvor gesehen hatte. Er war in Eisen gerüstet und mit einem Speer bewaffnet und mutete somit weitaus bedrohlicher an als Arnie, der wahrscheinlich keiner Fliege was zu leide tun könnte.
"Nein, es gibt kein Problem", entgegnete Aldoc. "Nur ein kleines Gespräch unter alten Freunden." Er warf Arnie einen unmissverständlichen Blick zu. "Und dieser alte Freund wird uns jetzt bestimmt hineinlassen, nicht wahr?"
Arnie kratzte sich kurz nachdenklich am Kopf, nickte aber schließlich. "Ich denke, das geht in Ordnung, solange du keine Probleme machst. Hast du verstanden? Mach uns ja keine Probleme! Ich öffne jetzt das Tor."
"Nicht so schnell", hielt der andere Wächter ihn auf und sah zu Girion. "Was ist mit diesem da? Der sieht gefährlich aus."
"Ich nehme das als Kompliment." Girion schenkte dem Mann ein Lächeln, das jedem gewöhnlichen Menschen wohl das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen. "Wir sind im Auftrag des Statthalters von Tharbad unterwegs, Lutz Farnrich. Ich deute deinen Gesichtsausdruck einmal so, dass dir der Name etwas sagt. Wenn du uns nun also bitte hineinlassen würdest."
"Ihr kennt den Statthalter?" Der Blick des Wächters huschte nervös vom Menschen zum Hobbit und wieder zurück. Dann schien ihm jedoch ein Gedanke zu kommen und er fasste sich wieder. "Nun, dann macht es euch sicherlich nichts aus, wenn ich euch jetzt sofort zu ihm bringe. Ich bin mir sicher, er kann es kaum erwarten, euren Bericht zu hören. Das heißt, sofern ihr ihn überhaupt tatsächlich kennt."
"Lutz ist hier?", fragte Aldoc überrascht. "In Bree?"
"Er ist gestern erst angekommen", erklärte Arnie. "Kenn' den noch von früher, der war mal nicht mehr als ein einfacher Mann hier in Bree, wie ich und Gerstenmann und all die Anderen. Ist ganz schön weit aufgestiegen, der Gute. Hat sich mit den hohen Herrschaften, die im Osten Krieg führen, gutgestellt. Gerissen. Sehr gerissen."
Aldoc schüttelte ungläubig den Kopf. Arnie schien nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wem Lutz seinen Posten wirklich zu verdanken hatte oder unter wessen Herrschaft sich Bree und ein großer Teil von Eriador im Moment befanden. Hatte er überhaupt schon einmal den Namen Saruman gehört? Vermutlich nicht. Aldoc musste an die bewaffneten Breeländer denken, auf die sie an der Brandyweinbrücke getroffen waren. Mit welchen Lügen waren sie gelockt worden? Wofür, dachten sie, würden sie kämpfen? Wahrscheinlich für dasselbe, was auch Aldoc erreichen wollte: Die Freiheit von den Unterdrückern. Nur dass die Identität dieser Unterdrücker in seinen und ihren Augen jeweils eine andere war.
"Genug geschwätzt, ich bring die beiden jetzt zum Statthalter", beharrte der andere Wächter. "Hältst du hier die Stellung, Arnie?"
"Natürlich!", Mit Elan salutierte der ältere Mann vor dem Fremden. Der seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Ich schicke besser jemanden vorbei, um dir zu helfen." An Aldoc und Girion gewandt fuhr er fort. "Und ihr beide kommt jetzt mit mir. Werden wir mal sehen, ob sich Lutz Farnrich an euch erinnert."

Wohl oder übel waren sie gezwungen, dem Wachmann zu folgen. Aldoc konnte Girion ansehen, dass er sich überlegte, den Wächter zu überwältigen, sobald sie einmal in der Stadt waren, und obwohl es auch Aldoc in den Fingern juckte, legte er seinem Freund beschwichtigend eine Hand auf den Unterarm.
"Lass uns erst einmal sehen, wie sich die Dinge entwickeln", raunte er dem Menschen aus Thal zu. "Lutz hat keinen Grund, wütend auf uns zu sein. Er sollte nichts davon wissen, dass wir meinen Leuten in Michelbinge geholfen haben. Vielleicht ist das sogar eine gute Gelegenheit, um ihm falsche Informationen über die Geschehnisse dort unterzuschieben."
Girion nickte stumm und unternahm vorerst nichts. Schweigend folgten sie dem Wächter durch die Straßen von Bree. Die Stadt hatte sich seit Aldocs letztem Besuch überhaupt nicht und zugleich aber auch gravierend verändert. Was gleich geblieben war, waren die Gebäude, noch immer dieselben alten Steinbauten und oben am Hang des Breeberges gelegenen Smials wie schon vor jener Ewigkeit, vor der er zuletzt hier gewesen war. Verändert hatten sich dagegen die Leute. Es waren viele Fremde in den Straßen unterwegs, die meisten bewaffnet, und selbst unter den alteingesessenen Einwohnern hatte sich etwas verändert.
Aldoc vermochte es nicht genau zu benennen, aber es fühlte sich irgendwie düsterer an als einstmals, als drückte irgendetwas auf die Gemüter sämtlicher Menschen und Hobbits aus Bree. Und doch wirkten sie nicht deprimiert, jedenfalls nicht auf eine Weise wie die Hobbits im Auenland, die so lange unterdrückt worden waren, oder die Elben in Bruchtal, denen die nahende, große Dunkelheit zu schaffen machte. Nein, es schien auch eher eine Art Zorn in der Luft zu liegen. Eine unheimliche Stimmung war das hier.
"Das ist nicht das Bree, wie ich es kenne", murmelte Aldoc. "Es ist alles so… falsch. Hier war es mal fast so friedlich wie im Auenland. Jetzt sieh dir nur all die bewaffneten Menschen an."
"Überrascht mich nicht", entgegnete Girion. "Das ist heutzutage doch überall so. Mich würde es eher wundern, wenn sie alle fröhlich und unbewaffnet wären. Diese Leute sind vielleicht ein leichtgläubiges Völkchen, aber selbst sie wissen vom Krieg. Und Krieg zehrt selbst an den fröhlichsten Gemütern."
"Manchmal können einem deine depressiven Ansichten gehörig die Laune verderben, Girion."
"Ach, du warst guter Laune? Davon habe ich aber nichts gemerkt."

Der Wächter, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, brachte den Halbling und den Menschen aus Thal zu einem Haus, das Ersterer nur zu gut kannte. Das Gasthaus "Zum Tänzelnden Pony", stellte Aldoc fest. Sagt bloß, Lutz hat es als seine Residenz gewählt. Dieser Schuft.
Der Wachmann klopfte kurz an und trat dann ein, nachdem er sie angewiesen hatte, erst einmal draußen zu warten, mit der deutlichen Warnung, dass es unschöne Konsequenzen haben würde, wenn sie diese Gelegenheit nutzten, um wegzulaufen. Weit wären sie aber ohnehin nicht gekommen, denn nach nicht einmal einer Minute kam der Mann bereits wieder heraus und teilte ihnen mit, dass Lutz sie nun empfangen würde.
Der Schankraum des Tänzelnden Ponys war kaum wiederzuerkennen. Bis auf die Theke, hinter der stets Gerstenmann Butterblume, der Wirt dieses Gasthauses, anzutreffen gewesen war, stand nichts mehr dort, wo es einmal gestanden hatte. Die Tische und Bänke waren größtenteils an die Wände gerückt worden, sodass der Raum nun weit und leer wirkte, und nur in der Mitte war noch ein Tisch übrig geblieben, um den mehrere Stühle herum standen. Dort saßen fünf Männer, die anscheinend in irgendein Kartenspiel vertieft waren – und einer von ihnen war unverkennbar Lutz Farnrich, der Statthalter von Tharbad.
"Ah, wen haben wir denn da?", rief Lutz lächelnd, als Aldoc und Girion eintraten. "Girion, mein Freund, setz dich doch zu uns. Du musst sicher erschöpft sein von der langen Reise. Hier, wir haben noch einen Platz frei."
"Danke, aber ich stehe lieber", lehnte Girion ab, wobei weder Sympathie noch Abneigung aus seiner Stimme zu hören waren. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und stand stramm wie ein richtiger Soldat. "Ich habe wie verlangt ein Auge auf diesen Hobbit, Aldoc Tuk, gehabt."
"Ja, natürlich hast du das", sagte Lutz, als gebe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt. Erst jetzt wandte er sich Aldoc zu. "Ah, tatsächlich, da ist ja der Hobbit. Ich hatte dich zuerst nicht gesehen, wegen deiner Größe, du weißt schon. Ich nehme an, du hast getan, was ich von dir verlangt habe? Andernfalls befände sich ja dein Kopf nicht mehr dort, wo er jetzt ist."
"Ja", antwortete Aldoc. Jetzt war es an der Zeit, Lutz mit Lügen zu füttern. Er hatte sich auf dem Weg hierher schon eine glaubhafte Geschichte zurechtgelegt, die der Statthalter ihm bestimmt abkaufen würde. Und wenn der dann seine Truppen losschickte, um Merry, Pippin und den Thain zu erledigen… Aldoc verkniff sich ein Lächeln. "Ich habe Informationen über die Ruhestifter, die euch interessieren könnten. Zwei von ihnen…"
"Diese Halblinge interessieren mich nicht mehr", unterbrach ihn der Statthalter brüsk. "Bald werde ich sie alle unter meinem Stiefel zermalmen, gleich nach diesen aufrührerischen Waldläufern."
Ah, es ist jetzt also dein Stiefel, Lutz?, dachte sich der junge Abenteurer. Nicht mehr Sarumans? Spiel dich nicht so auf, du bist im Großen und Ganzen auch nur ein Niemand. Aber viel wichtiger als das… was genau meinte er damit? Wenn Lutz einfach so sagte, er könne auf einmal den Sternenbund vernichten, dann sollte man das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Breeländer mochte vielleicht seine eigene Bedeutung für Saruman überschätzen, aber das änderte nichts daran, dass er wahrscheinlich über einige wichtige Informationen verfügte. Auf einmal erschien es Aldoc nur noch nebensächlich, Lutz mit Falschinformationen über die Geschehnisse im Auenland zu versorgen. Lieber sollte er herausfinden, was genau hier vor sich ging.
Doch Girion kam ihm zuvor. "Wie meint ihr das, Statthalter? Diese Dúnedain werden zahlreicher und zahlreicher. Sicher braucht es viele Krieger, um sie zu besiegen."
"Das stimmt", nickte Lutz. "Deswegen bin ich hier in Bree, um zu rekrutieren. Diesen gutgläubigen Bauern muss klar werden, welche Bedrohung nördlich von hier lauert. Bis jetzt ist der Krieg für sie etwas Fernes, nur ein vages Konzept, das sie nicht wirklich etwas angeht, aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Bald schon werden die Verräter ihre gierigen Finger nach diesen Landen ausstrecken und ihre tyrannische Herrschaft weit über die Mauern von Fornost hinweg ausbreiten. Wir müssen das um jeden Preis verhindern. Deswegen werde ich morgen eine Rede halten. Ich werde die Lügen dieses sogenannten Sternenbundes entlarven und die Menschen von Bree wachrütteln! Sie sollen zu den Waffen greifen und gegen die Unterdrückung durch diese Verräter ankämpfen, bevor es zu spät ist. Versteht ihr das? Hier geht es um die Freiheit von Bree, nein, von ganz Eriador!"
Oh ja, genau darum geht es, entgegnete Aldoc wütend, allerdings nur in Gedanken. Aber nicht die Dúnedain des Sternenbundes sind die Unterdrücker, sondern ihr seid es. Die Diener Sarumans! Heuchlerischer Bastard. Dir geht es doch nur um Macht. Dich interessiert die Freiheit dieser Leute einen Dreck. Oh, wie gerne hätte er das Lutz ins Gesicht gesagt! Aber Aldoc hing zu sehr an seinem Kopf, um das zu wagen.
"Und ihr erzählt uns das, weil…?", fragte der Halbling.
"Weil ich eine Aufgabe für euch habe", antwortete Farnrich. "Ihr kommt eigentlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich befürchte, dass mir morgen nicht jeder richtig zuhören wird. Es wird solche geben, die ihre Ohren vor meinen Worten verschließen. Sie wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Deshalb werde ich es ihnen persönlich verdeutlichen müssen. Da kommt ihr beiden ins Spiel. Ihr werdet euch unter die Menge mischen und darauf achten, ob jemand widerspenstig ist. Findet diejenigen, die sich nicht überzeugen lassen, und bringt sie zu mir."
In anderen Worten wollte er also herausfinden, ob es in Bree irgendwelche Aufrührer gab, die sich ihm nicht so einfach beugten. Im Ernst, wem wollte er durch diese bedachte Ausdrucksweise etwas vormachen? Findet die Verräter, so lautete der Auftrag, nicht mehr und nicht weniger. Es hätte auch gereicht, es ihnen genau so zu sagen. Auf diese Weise jedoch um den heißen Brei herumzureden und dabei ernsthaft anzunehmen, Aldoc und Girion würden nicht verstehen, worum es ihm wirklich ging, und glauben, er wolle tatsächlich nur das Beste für die Einwohner von Bree… das war eine Beleidigung für Aldocs Intelligenz!
Dennoch gab er sich weiterhin unterwürfig. Er hatte keine andere Wahl, vor allem, wenn er die muskulösen Gefährten des Statthalters betrachtete, denen bisher noch kein Wort über die Lippen gekommen war. Das war auch nicht nötig. Ihre bedrohliche Präsenz sagte alles. Diese Männer waren keine Freunde von Lutz, die mit ihm nach langer Zeit mal wieder ein wenig Karten spielten, nein, sie waren offensichtlich seine Leibwächter. Vermutlich wäre nicht einmal Girion allen vieren dieser Kerle auf einmal gewachsen.
"Einverstanden", sagte der Abenteurer daher. "Wir werden die Leute finden, die ihr sucht. Sollen wir sie gleich zu euch bringen oder nur ihre Namen in Erfahrung bringen?"
"Die Namen sollten genügen", erwiderte Lutz. "Aber wenn ihr sie gleich herbringen könnt, umso besser. Aber behandelt diese Angelegenheit diskret. Ich will keinen Aufruhr verursachen."
"Verstanden", nickte der Hobbit. "Es wird geschehen, wie ihr verlangt."
"Ausgezeichnet." Lutz lächelte wie jemand, der glaubte, jemanden anderen auf unheimlich raffinierte Weise überlistet zu haben. "Das wäre dann alles. Ich erwarte euch dann morgen nach meiner Rede."

Nachdem Aldoc und Girion die Taverne verlassen hatten und endlich aufatmen konnten, wandte sich der Mensch, sobald sie außer Hörweite etwaiger Wachen oder Anhänger von Lutz waren, mit sorgenvoll gerunzelter Stirn an den Hobbit. "Und was machen wir nun?"
"Na, was wohl?", entgegnete Aldoc. "Wir tun genau das, was Lutz uns aufgetragen hat. Wir suchen die Aufrührer." Er setzte ein fieses Lächeln auf. "Und dann schließen wir Freundschaft mit ihnen."

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

1. Char Aldoc befindet sich in Bree

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Erstes Blut
« Antwort #6 am: 23. Jun 2016, 15:58 »
Hochborn stand in Flammen. Déorwyn spürte die Hitze auf ihren Wangen, fühlte, wie ihre Tränen verdampften, hustete den Rauch aus ihren Lungen. Sie duckte sich hinter einem heruntergestürzten Dachbalken, der glücklicherweise noch nicht Feuer gefangen hatte und hielt den Atem an. Die Orks, die das Dorf überfallen, in Brand gesteckt und seine Bewohner erschlagen hatten, hatten sie bisher nicht entdeckt.

Dies waren nicht die Diener Sarumans, wie sie festgestellt hatte. Diese Scheusale trugen das Rote Auge Mordors. Dies konnte nur eines bedeuten: Der Ritt der Rohirrim zur Rettung des Westens war gescheitert. Alle waren sie gefallen, auch ihr Vater. Déorwyn war allein. Sie unterdrückte den Gedanken an ihre Mutter, die auf der Türschwelle ihres Hauses gestorben war und richtete sich auf. Ein schneller Blick zeigte ihr, dass die Orks sich am Nordrand des Dorfes sammelten. Wahrscheinlich würden sie weiter nach Dunharg ziehen. Déorwyn hastete durch die rauchenden Ruinen Hochborns nach Süden, immer darauf bedacht, außer Sicht zu bleiben. Als sie einen verkohlten Türbogen durchquerte, verfing sich ihr Kleid am gesplitterten Holz der Balken und sie stürzte der Länge nach auf den harten Boden. Keuchend blieb sie liegen und spürte, wie etwas Warmes über ihre Stirn lief. Als sie versucht, es wegzuwischen, färbte sich ihre Hand blutrot. Die Welt verschwamm und ihr wurde schwarz vor Augen.




Kerry fuhr mit einem Ruck aus dem Traum hoch. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Doch dann klärte sich ihr Verstand und sie atmete tief aus. Sie war im Pony und alles war gut. Das Haus stand nicht in Flammen. Sie schob jegliche Erinnerungen beiseite und wagte einen Blick aus dem kleinen Fenster. Die Helligkeit abschätzend vermutete sie, dass es ungefähr eine Stunde nach Sonnenaufgang war. Eilig suchte sie ihre Habseligkeiten zusammen, legte den Gürtel samt Schwert an und trat aus dem Zimmer in den Flur hinaus - und stieß mit einem sehr großen, sehr kräftig gebauten Mann zusammen. Kerry prallte zurück, doch der andere geriet nicht einmal ins Taumeln. Bevor sie reagieren konnte schoss seine Hand hervor und legte sich um ihren Hals, mit dem Rücken gegen die Wand gedrängt. Kerry japste nach Luft und versuchte, den eisernen Griff in dem sie sich befand zu lockern, doch ihre Mühen waren vergeblich.
"Wer bist du?" verlangte der Mann zu wissen.
"D..." Kerry brachte kaum einen Ton hervor, was ihren Gegenüber zu verwirren schien. Schließlich lockerte er seinen Griff um eine Wenigkeit sodass sie sprechen konnte.
"Ich bin Dana. Dana Weizler," stieß sie angestrengt hervor.
"Kenn' ich nicht," kam die Antwort. "Du hast hier nichts verloren, Mädchen. Der Statthalter hat dieses Haus für sich ausgewählt."
Schon wieder dieser Statthalter! "Das wusste ich nicht," verteidigte Kerry sich. "Ich hab' in dem Zimmer dort bloß übernachtet. Mehr nicht! Ich wollte nicht..."
Der Mann legte ihr die schwere Hand auf den Mund um sie zum Schweigen zu bringen und blickte zur Seite. Offensichtlich überlegte er, was er mit ihr anfangen sollte.
"Sollte dich wohl loswerden," sagte er schließlich und seine Hand wanderte von Kerrys Mund zu dem großen Messer, das er an seiner Seite trug. Kerry riss die Augen auf und spannte sich an, bereit um ihr Leben zu kämpfen.
"Wär aber schade um so'n hübsches Gesicht," fügte der Mann hinzu und seine Hand verharrte an seiner Seite. Er ließ Kerrys Hals los und stieß sie grob vor sich her, den Gang zur Treppe entlang die zu den unteren Stockwerken führte.
"Werden seh'n was der Statthalter zu dir zu sagen hat!" meinte er.

Die Treppe hinab ging es zum großen Schankraum, den Kerry gefüllt mit fröhlichen Menschen und Hobbits in Erinnerung hatte. Sie wunderte sich, dass alle Tische und Stühle bis auf einen an die Wände des Raums verschoben worden waren. Ein starker Schubser von hinten ließ sie auf die Gestalt in der Mitte des Raumes zutaumeln nachdem man ihr das Schwert abgenommen hatte. Dort saß ein Mann am Tisch, gebeugt über eine Schriftrolle und eine von Tinte tropfende Feder in der Hand. Offensichtlich war er dabei, etwas zu schreiben.
Der Mann sah auf und Kerry fühlte sich sogleich an Gríma Schlangenzunge erinnert. Zwar war dies offenbar ein Breeländer, doch in seinen Augen sah sie die gleiche Gier nach Macht und dasselbe Böse, das sie auch bei Sarumans Abgesandten im Auenland gesehen hatte. Zwei ähnlich muskulöse Gesellen wie ihr Häscher standen links und rechts von ihm und blickten unheilvoll drein.
"Hätten wohl doch schon gestern das Haus überprüfen sollen," erklärte der Mann, der Kerry erwischt hatte.
"Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, dass man nicht in fremden Häusern übernachtet?" fragte der Statthalter mit einem höhnischen Unterton. "Das war äußerst unhöflich von dir." Seine Stimme schlug um und gewann an Schärfe.
"Heraus mit der Sprache! Wer bist du, was hast du hier verloren und wie lange bist du schon hier?" zischte er.
"Ich verstehe nicht..." antwortete Kerry und versuchte, verängstigter zu klingen als sie wirklich war. "Ich dachte, das Pony steht leer! Ich habe nur übernachtet, sonst nichts, ehrlich! Bitte verschont mich!"
"Wer bist du?" bohrte der Statthalter unbarmherzig nach.
"Dana Weizler," stieß Kerry hervor.
"Die Tochter vom Alten Weizler, vom Scheunenhof?" fragte ihr Gegenüber misstrauisch. "Ich mag vielleicht einige Zeit nicht in der Stadt gewesen sein, aber ich erinnere mich, dass du früher rote Haare hattest."
"Ihr meint sicherlich meine Schwester, Bera," versuchte Kerry zu erklären. Bera Weizler war zwar nicht wirklich ihre Schwester, doch Kerry hatte vor einem Jahr einige Wochen auf dem kleinen Hof nördlich von Bree verbracht und festgestellt, dass ihre Gesichter sich tatsächlich so weit ähnelten, dass man sie für Schwestern halten konnte.
"Von dir hab' ich noch nie gehört," überlegte der Statthalter und legte eine Pause ein, die sich für Kerry unerträglich in die Länge zog.
"Nun, es macht auch keinen Unterschied," sprach der Statthalter schließlich. "Du hast hier nichts verloren! Zur Strafe wirst du hier bis zu meiner Rückkehr schön ordentlich sauber machen. Wenn du das tust, drücke ich noch einmal ein Auge zu. Doch jetzt habe ich keine Zeit mehr für dumme Mädchen wie dich. Es gilt, eine Rede zu halten und die Menschen wachzurütteln!"
Damit richtete er sich auf und verliess den Raum durch die Eingangstür, gefolgt von seinen beiden Leibwächtern. Kerry blieb einen Augenblick ratlos stehen bis ihr der dritte Mann wortlos einen Besen in die Hand drückte.
"Fang an," sagte er und deutete auf den Fußboden, den man beim besten Willen nicht als sauber bezeichnen konnte.
Na wunderbar.

Eine Viertelstunde verbrachte sie damit, zerbrochene Krüge, Essensreste und jede Menge Staub zusammenzufegen. Als der Mann, lässig an den Türrahmen gelehnt, schließlich abschätzig auf den Boden spuckte und ihr demonstrativ bedeutete, weiterzumachen, reichte es ihr.
Na warte. Kerry kam heran, wie um den neuen Fleck aufzuwischen, doch in einer schnellen Bewegung rammte sie dem Diener des Statthalters den hölzernen Besen zwischen die Beine. Überraschung und Schmerz breiteten sich auf dessen Gesicht aus und er ging in die Knie. Kerry holte erneut aus, doch der Besenstiel wurde in der Bewegung gestoppt, bevor er den Mann im Gesicht treffen konnte und prallte an dessen erhobener Hand ab. Er entriss ihr den Besen und versetzte ihr einen schweren Schlag, der sie zurücktaumeln ließ. Pure Wut ließ seinen Kopf rot werden als er sich erhob, und seine Hand packte sie erneut am Hals. Mit einer erschreckenden Leichtigkeit hob er Kerry an und ließ sie mit dem Rücken auf die Oberfläche eines der Tische prallen, die an der Wand standen, ohne dass der Druck um ihren Hals nachließ. Ihre Beine traten wie wild ins Leere und eine Schwärze begann, sich am Rande ihres Sichtfeldes auszubreiten. Verzweifelt schlug sie gegen seine Oberkörper, bekam durch Glück den Griff seines Messers zu fassen, packte zu und - stieß es ihm durch das dünne Hemd in die Brust.

Der Mann taumelte mit verwirrtem Gesichtsausdruck zurück und lockerte den Griff um Kerrys Hals. Keuchend schnappte sie nach Luft und ließ das Messer fallen, blieb völlig entkräftet auf dem Tisch liegen. Ihr Feind war am Boden in sich zusammengesunken, die Hände auf die Wunde über seinem Herzen gepresst. Einige Momente später rührte er sich nicht mehr.
Kerry starrte auf das Blut, das sich rings um ihn herum auszubreiten begann. Sie atmete noch immer schwer, doch nach und nach wurde ihr klar, was gerade geschehen war.
Ich hab' jemanden umgebracht, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe gerade einen Menschen getötet. Durch Zufall oder Glück hatte die Klinge das Herz des Mannes durchbohrt.

Sie stand auf und taumelte wie in Trance nach draußen. Das Sonnenlicht kam ihr ungewöhnlich hell vor und sie kniff die Augen zusammen. Mehrere Minuten lang irrte sie durch die Straßen, doch mehr und mehr Menschen kamen aus ihren Häusern und strebten in dieselbe Richtung. Kerry wurde von ihnen mitgerissen. So kam sie auf den großen Marktplatz Brees, wo sich nun offenbar die meisten Stadtbewohner versammelten. Eine vage Erinnerung an eine Rede, von der der Statthalter gesprochen hatte zog durch ihre Gedanken und tatsächlich konnte sie ihn am anderen Ende des Platzes entdecken, wo ein breites hölzernes Podium errichtet worden war. Offenbar würde die Rede bald beginnen.

"Kerry," wisperte eine helle Stimme an ihrem Ohr und riss sie aus ihrer Trance. Eine ihr unbekannte Frau in einem rotbraunen Kleid nahm sie am Arm und zog sie mehrere Schritte mit sich in den Schatten eines der größeren Häuser, das an den Marktplat grenzte. Es war Haleth.
"...Haleth?" fragte sie verwirrt. "Du siehst so anders aus..." brachte Kerry hervor.
Haleth trug die langen braunen Haare zu einer in Bree üblichen Flechtfrisur gebunden und sah in dem einfachen Kleid überhaupt nicht nach der Dúnadan-Waldläuferin aus, die sie war. Neben ihr tauchte nun auch Rilmir auf, der die Ausrüstung einer der Torwachen samt Schild mit Weißer Hand darauf trug.
"Wo bist du gewesen? Wir haben auf dich gewartet, doch unsere Sorge wurde zu groß," sagte der Waldläufer.
"Der Statthalter..." antwortete Kerry. "Er muss ein wichtiger Diener Sarumans sein. Ich habe seine Leute darüber reden hören, dass er gegen Fornost und den Sternenbund vorgehen wird." Abgelenkt von den Fragen und der Aufregung der Menge rückten die Geschehnisse im Pony in den Hintergrund und Kerry gelang es, sich wieder einigermaßen zu konzentrieren.
"Er wird eine Rede halten. Wir sollten hören, was er zu sagen hat," meinte sie.
"Vermutlich hast du Recht," pflichtete Haleth ihr bei. "Doch bleibt aufmerksam. Wir sind hier nicht sicher."
« Letzte Änderung: 3. Nov 2016, 09:37 von Fine »
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Re: Bree
« Antwort #7 am: 29. Sep 2016, 14:51 »
Aldoc und Girion übernachteten in einer der wenigen noch geöffneten Herbergen, einer heruntergekommenen Kneipe, die zu Zeiten des nun geschlossenen Tänzelnden Ponys vermutlich kaum genug Geld abgeworfen hatte, um den Wirt und seine Familie zu versorgen. Doch nun tummelte sich hier der aus Süden gekommene Abschaum und wurde bedient von schüchternen Breeländer-Mädchen, die manch einen anzüglichen Kommentar über sich ergehen lassen mussten. Um ehrlich zu sein war dieser Ort widerlich, und es dauerte nur wenige Minuten, da bereute es Aldoc bereits, hier ein Zimmer genommen zu haben. Es wäre besser gewesen, draußen auf der Straße zu schlafen.
Aber er hatte schlimmeres überstanden. Ein halbwegs gemütliches Strohbett, eine einigermaßen genießbare Mahlzeit, und gute Gesellschaft in Form seines Begleiters aus Thal – ja, es war wesentlich besser als der Kerker in Dunland. Bei dem Gedanken an seine Zeit dort erschauderte Aldoc unwillkürlich. Wie es Gamling wohl ging? Manchmal stellte er fest, dass er den alten Mann tatsächlich vermisste. Er wünschte, er hätte ihn befreien können, aber es war einfach nicht möglich gewesen. Und was den anderen Menschen anging, Amrothos… bei ihm war sich der Hobbit nicht wirklich sicher, was er denken sollte.
Nun, wie auch immer, bald schon brach ein neuer Tag an in Bree, ohne dass Aldoc wirklich gut geschlafen hatte. Er stand gähnend auf, als die Sonne ihre ersten Strahlen über die Dächer der kleinen Stadt warf, und fluchte innerlich über die kratzige Strohmatratze. Girion war auch bereits wach und sah nachdenklich aus dem Fenster, und obwohl es in diesem Augenblick auf Aldoc irgendwie den Eindruck machte, der Mensch sei die ganze Nacht über dort gesessen und hatte auf Bree hinaus geblickt, zeigte Girion keinerlei Anzeichen von Müdigkeit.
"Gut geschlafen?", fragte ihn der Mensch aus Thal, als er bemerkte, dass Aldoc aufgestanden war.
"Auf einer Skala von Dunland über Hobbingen bis Mithlond? Tharbad, schätze ich. Obwohl ich dort zugegebenermaßen niemals geschlafen habe", antwortete Aldoc in einem vergeblichen Versuch, die gedrückte Atmosphäre ein wenig aufzuheitern.
"Ich habe nicht mehr gut geschlafen seit… Thal." Mehr sagte Girion dazu nicht.

Sie gingen hinunter in den Schankraum, nahmen ein karges Frühstück zu sich und machten sich dann auf den Weg in Richtung des großen Marktplatzes, wo Lutz seine Rede zu halten gedachte. Offenbar hatte die Kunde davon bereits die Runde gemacht unter den Einwohnern der Stadt, da nun bereits einige von ihnen ebenfalls in diese Richtung strebten, hauptsächlich Menschen, aber auch der eine oder andere Hobbit.
"Also, wie sollen wir diese… Aufrührer finden?", fragte Girion schließlich, als sie am Rande des Platzes angelangt waren, an dessen anderen Ende sich ein eilends errichtetes Podest aus Holz befand, vor welchem sich bereits einige Wächter aufgestellt hatten, um die Leute daran zu hindern, es zu betreten. Lutz war allerdings noch nicht zu sehen. Der Mensch aus Thal sah sich mit suchendem Blick um, aber Aldoc schüttelte den Kopf.
"Jetzt wird das wahrscheinlich noch nicht möglich sein. Wir sollten auf den Beginn der Rede warten und dann vor allem den Rand des Platzes im Auge behalten. Jedenfalls werden sich diejenigen, die Lutz nicht zustimmen, vermutlich nicht direkt vorm Podest befinden."
"Ergibt Sinn", stimmte Girion nickend zu. "Und dann?"
"Das hab ich dir doch gestern schon gesagt", entgegnete der junge Hobbit. "Wir werden sie natürlich nicht ausliefern, wenn wir denn welche finden. Aber vielleicht können wir durch sie Kontakt zum Sternenbund knüpfen."
"Wie du meinst." Damit wurde Girion wieder still. Schweigend warteten die beiden Gefährten darauf, dass sich der Platz vollends füllte. Aldoc musste dabei allerdings feststellen, dass er wegen all der Menschen kaum etwas sah. Wie sollte er so diejenigen finden, die Lutz nicht zujubelten? Er sah zu Girion auf und überlegte, ob der es ihm erlauben würde, auf seinen Schultern zu stehen oder zu sitzen. Hm… nein, besser nicht.
Stattdessen drängte sich der Halbling zwischen all den Menschen hindurch bis ganz zum Rand des Platzes, der nur wenige Meter entfernt war, da sie sich nicht sehr weit hineinbegeben hatten, und erspähte den perfekten Ort, um einen Überblick über die Menge zu haben: ein hervorstehendes Fenstersims in etwa drei Metern Höhe bei einem Haus, an dessen Wand einige Kletterpflanzen empor wuchsen. Kurzerhand griff Aldoc nach einem der grünen Stränge und zog probeweise daran, aber diese Ranken schienen relativ widerstandsfähig zu sein. Perfekt!

Keine Minute später saß er auf dem Fenstersims und hoffte darauf, dass es den Bewohner des Hauses nicht stören würde, aber vielleicht befand sich dieser ja ohnehin auf dem Platz oder lauschte der Rede von einem anderen Fenster aus. Hier nun konnte Aldoc jedenfalls endlich den gesamten Marktplatz von Bree überblicken, der inzwischen aus allen Nähten platzte. Einige der neugierigen Breeländer, die wissen wollten, was Lutz zu sagen hatte, mussten sich sogar damit begnügen, von den anliegenden Straßen aus zuzuhören. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern… und da war er auch schon: Lutz Farnrich, Statthalter von Tharbad… oder Bree? Oder jetzt beidem? Wie auch immer, flankiert von mehreren Leibwachen stieg der Mann mit dem fiesen Gesicht soeben auf das Podest hinauf, wo ihn alle sehen konnten.
Dort hob er in einer theatralischen Geste die Hände, woraufhin schlagartig Schweigen auf dem Platz einkehrte. "Meine Freunde! Es freut mich, zu sehen, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid! Die meisten von euch kennen mich, aber ich will mich dennoch noch einmal vorstellen. Mein Name ist Lutz Farnrich."
Er verbeugte sich vor der Menge, ehe er fortfuhr. "Ich habe euch heute hier versammelt, weil ich einige wichtige Worte an euch zu richten habe. Ihr wisst, ich habe Bree für einige Zeit verlassen, denn viele große Dinge geschehen im Osten, Dinge, die uns alle betreffen! Ich habe mein Bestes gegeben, den hohen Herren, die für uns gegen die dunklen Mächte kämpfen, nach bestem Gewissen zu dienen, aber nun wende ich mich an euch, weil ich eure Hilfe brauche. Ihr alle habt bereits das eine oder andere Opfer erbracht, indem ihr daran mitgewirkt habt, unsere Streitkräfte im Osten zu versorgen, und dafür danke ich euch im Namen meines Herrn! Ihr alle tragt dazu bei, unseren Sieg zu sichern, und damit unsere Freiheit! Aber nun ist eine Bedrohung erschienen, die nicht in der weiten Ferne bekämpft werden kann, sondern nur hier, denn es gibt Verräter in unseren Reihen, die in ebendiesem Moment planen, uns zu unterwerfen und dieses Land dem dunklen Herrscher, der unser aller Feind ist, als Geschenk zu überreichen!"
Lügner, fauchte Aldoc innerlich, aber es laut auszusprechen, wäre Selbstmord gewesen, selbst hier oben auf dem Fenstersims, wo ihn vermutlich niemand hören konnte. Aber man konnte nie wissen, wo Leute wie Lutz ihre Ohren hatten, vor allem während eines solchen Ereignisses wie dieser Rede. Aldoc machte sich da keine Illusionen, er und Girion waren bestimmt nicht die einzigen Spione, die Lutz in der Menge versteckt hatte.
"Der Sternenbund, so nennen sich diese Menschen, die uns unserer Freiheit berauben wollen! Und ihr alle kennt diejenigen, die sich unter diesem Namen verstecken, denn es sind die Waldläufer, die uns rechtschaffene Einwohner von Bree schon immer mit Neid und Eifersucht bedacht haben, weil sie einsam durch die Wälder und Sümpfe streifen müssen, während wir warme Häuser und Betten haben. Sie sind so sehr vom Neid zerfressen, dass sie nun einen Pakt mit dem Feind geschlossen haben, um euch, meine Freunde, von hier zu vertreiben, weil sie euch euren Wohlstand nicht gönnen. Ja, nichts anderes ist ihr Ziel, als euch hinaus in die Wildnis zu treiben, um sich selbst hier einzunisten!"
Entrüstetes Gemurmel erhob sich in der Menge. Aldoc biss sich auf die Lippe, um seine Gedanken nicht doch noch laut hinauszuschreien. Das war einfach lächerlich! Die Dúnedain hatten das Auenland und auch das Breeland hunderte Jahre lang vor jedweden Gefahren beschützt. Sie sollten als Helden verehrt werden, stattdessen lenkte Lutz nun den Hass der Breeländer auf sie. Es war einfach nicht gerecht. Aber wann war es das schon jemals?
"Aber kann es uns denn wundern?", fragte Lutz seine sogenannten Freunde aus Bree. "Wir wussten doch schon immer, dass mit diesen zwielichtigen Gestalten etwas nicht stimmt, in ihren dunklen Mäntel und mit ihrer Geheimniskrämerei. Das ist nur die Bestätigung all unserer Befürchtungen! Aber seid unbesorgt, denn unser weiser Herr, der im Osten gegen die dunklen Mächte kämpft, die uns bedrohen, hat in weiser Voraussicht eine Streitmacht entsandt, die Verräter zu vernichten! Dennoch brauchen wir jede Hilfe, die wir bekommen können. Deswegen rufe ich euch auf, ehrliche und gute Bürger von Bree, lasst euch nicht einfach eure Heimat wegnehmen! Kämpft um sie! Greift zu den Waffen und zeigt diesen aufrührerischen Waldläufern, dass Bree nicht ihnen gehört, sondern uns!"
Aldoc konnte nicht mehr länger zuhören. Er lenkte sich ab, indem er nun endlich nach den Leuten Ausschau hielt, die sich von Lutz' Worten nicht mitreißen ließen, aber trotzdem gelang es ihm nicht, die Stimme des wahren Verräters vollständig auszuschließen.
"Die finsteren Mächte, die wir im Osten hartnäckig immer wieder zurückschlagen, wollen uns unserer Freiheit berauben, und nun haben sie einen Weg gefunden, uns hinter den Frontlinien zu bedrohen!", fuhr Lutz nach einer kurzen Pause fort, in der er seine Worte auf die Menge hatte wirken lassen. "Ich habe gesehen, wozu sie fähig sind. Ich bin einer von euch, und deshalb bin ich zurückgekehrt, um euch zu warnen und zu den Waffen zu rufen. Ich verlange nicht, dass ihr in einen Krieg zieht, den wir nicht gewinnen können. Aber ebenso wenig könnt ihr tatenlos zusehen, wie der Sternenbund alles zerstört, was ihr euch in eurem Leben durch harte, ehrliche Arbeit aufgebaut habt! Hier geht es nicht um einen fernen Krieg im Osten, sondern allein um eure Freiheit! Mein Herr wird euch helfen, so sehr er kann, doch letztlich obliegt es allein euch, eure Freiheit zu verteidigen! Deswegen sage ich, folgt mir, und wir ziehen gegen diese verräterischen Waldläufer, für unsere Familien, unsere Heimat und unsere Freiheit!"

Damit war es getan… und die Menge jubelte! Sie priesen Lutz, der gekommen war, ihnen in ihrer Not beizustehen, mit der Macht eines großen, weisen und gütigen Herrn im Rücken, und reckten aufgebracht die Fäuste in die Luft, um die Dúnedain des Sternenbundes zu verfluchen, die ihnen ihre kostbare Freiheit rauben wollten, schlimmer noch, die sie und ihre Familien aus ihrer Heimat vertreiben und elendig in der Wildnis verhungern lassen wollten! Aldoc wurde bei dem alleinigen Gedanken daran, wie sehr Lutz die Wahrheit verdreht hatte, übel. Aber er ignorierte es und ließ den Blick weiter über den Rand der aufgewiegelten Menge schweifen, indes Lutz noch ein paar abschließende Worte an diese richtete. Schließlich verharrten seine Augen auf zwei hochgewachsenen Gestalten, die ein wenig Abseits der übrigen Breeländer an der Mündung in eine der angrenzenden Gassen standen, im Schatten eines der nahen Häuser, und überraschend ruhig wirkten.
Aldoc kniff die Augen zusammen und musterte sie genauer, aber auf diese Distanz vermochte er sie nicht allzu deutlich zu erkennen. Dennoch… etwas an ihnen kam ihm vertraut vor. Er konnte es zuerst nicht benennen, aber dann fiel es ihm auf einmal wie Schuppen von den Augen: Diese Haltung, diese Ausstrahlung! Gelassen, aber nicht nachlässig, geschmeidig, aber bedrohlich, das… waren definitiv keine Breeländer. Ihnen fehlte dieser bodenständige, einfach gestrickte Anschein, stattdessen wirkten sie eher wie… Waldläufer.
Hab ich euch!, rief Aldoc in Gedanken und kletterte so schnell wie möglich wieder von dem Fenstersims hinunter, unter welchem Girion bereits auf ihn wartete. "Und, irgendetwas gefunden, Aldoc? Bei mir sieht's eher schlecht aus."
"Ich glaube, ich habe von da oben zwei Dúnedain gesehen", teilte der Hobbit seinem Begleiter mit und setzte sich sofort in die Richtung in Bewegung, in der er sie erspäht hatte, darauf hoffend, noch rechtzeitig dort anzukommen, bevor sie verschwanden – denn im Verschwinden waren Dúnedain bekanntermaßen talentiert.
"Bist du dir sicher?", fragte Girion jedoch.
"So sicher, wie man sich eben sein kann, wenn man jemanden von einem Fenstersims aus und zudem aus größerer Entfernung erblickt", entgegnete Aldoc ein wenig ungehalten. "Sie wirkten zumindest nicht wie gewöhnliche Breeländer. Hast du einen besseren Anhaltspunkt?"
Das brachte Girion vorerst zum Verstummen. Gemeinsam begaben sie sich zu der Gasse, bei der Aldoc die beiden gesehen hatte, und dort waren sie tatsächlich: Eine Frau und ein Mann, Erstere gehüllt in normale Breeländer-Kleidung, wohingegen Letzterer die Rüstung einer Wache trug. Aber als Aldoc ihre grauen Augen sah, war er sich sicher. Überrascht stellte er fest, dass sich noch ein weiteres Mädchen bei ihnen befand, mit langem, blonden Haar. Sie sah nicht wie eine Dúnadan aus, gehörte aber offenbar dennoch zu den beiden.
Aldoc zögerte nicht lange, sondern ergriff die Initiative und ging zu ihnen.

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

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Fine

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Aldoc und Girion
« Antwort #8 am: 30. Sep 2016, 19:20 »
Je länger die Rede Lutz Farnrichs dauerte, desto wütender wurde Kerry. Rilmir musste sie davon abhalten, zu viel Aufsehen zu erregen in dem sie Dinge wie "Das stimmt doch gar nicht!" oder "Du Lügner!" rief. Sie vergaß bei all der Aufregung mehr und mehr, was am Morgen passiert war; vergaß warum sie hier in Bree war; vergaß Gandalf und die Lage in Fornost. Wichtig waren nur noch Lutz Farnrich und die Lügen, die er den Bewohnern von Bree auftischte. Entsetzt stellte sie fest, dass sie einige der anwesenden Leute sogar kannte, Menschen die ganz normale Leben gehabt hatten und sich nichts anderes als Frieden wünschten - und nun wurden sie für Sarumans Zwecke verdreht. Sie wollte aufspringen, ihr Schwert ergreifen, es Lutz entgegenschleudern - doch ihre Finger griffen ins Leere. Die Waffe war ihr im Pony von den Dienern des Statthalters abgenommen worden, und auch den Dolch, mit dem sie Schläger erstochen hatte war ihr in ihrem wirren Zustand nach der Tat verloren gegangen. So blieb ihr nichts anderes übrig als zornig neben Rilmir und Haleth auf und ab zu gehen, bis ihr ein Hobbit und ein ihn begleitender Mensch auffielen, die zielstrebig auf ihre Gruppe zukamen.
Sind wir etwa entdeckt worden? fragte sie sich noch, doch da waren die Fremden bereits heran.

Als der Hobbit die beiden Dúnedain und Kerry erreichte musterte sie ihn bereits mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen. Die Vermutung, dass sie es wohl hier mit Häschern des Statthalters zu tun hatten stand ihr ins Gesicht geschrieben, und damit lag sie gar nicht einmal so falsch. Der Hobbit setzte ein freundliches Lächeln auf, wie um sie ein wenig zu beschwichtigen, und hob in einer Geste, die anscheinend zeigen sollte, dass er ihnen nichts tun wollte, die Hände. Auch Rilmir und Haleth bemerkten ihn nun und musterten ihn voller Argwohn.
"Ich sehe, Lutz' kleine Rede hat nicht alle Breeländer aufgerüttelt", sagte der Hobbit in einem ernsten, aber nicht bedrohlichen Ton, während er sich mit einem kurzen Blick auf die Umgebung vergewisserte, dass hier keiner von Farnrichs anderen Spitzeln lauerte. Dann fuhr er leiser und dringlicher fort: "Wenn ihr weniger auffallen wollt, solltet ihr vielleicht wenigstens so tun, als seiet ihr begeistert, vor allem Ihr, Wachmann. Ihr seid als Diener des Statthalters verkleidet, also benehmt euch besser auch wie einer, Dúnadan, bevor es noch jemand bemerkt, der euch weniger freundlich gesinnt ist."
"Damit wollt Ihr wohl andeuten, dass Ihr uns im Gegensatz zu anderen Schergen Farnrichs tatsächlich freundlich gesinnt seid?" fragte Rilmir vorsichtig. "Ich wusste nicht, dass inzwischen auch Hobbits in seinen Diensten stehen."

Der Dúnadan musterte den Hobbit von oben bis unten und nickte schließlich. "Nein, wie ein Diener der Weißen Hand seht Ihr nicht wirklich aus. Doch das Auge kann täuschen, und ist Saruman nicht ein Meister der Täuschung? Wenn Ihr gute Absichten habt, beweist es. Nennt Euren Namen (und den Eurers Begleiters), und erklärt, weshalb Ihr uns hier so ansprecht."
Haleth nickte zustimmend, doch Kerry warf ein: "Wenn er wirklich zu dieser Bande gehören würde hätte er doch längst Alarm geschlagen als er euch als Dúnedain erkannt hatte. Nein, ich denke ihm hat diese verlogene Rede genausowenig gefallen wie uns..."
"Das stimmt allerdings", nickte der Hobbit mit düsterem Gesicht und sah zum Podest hinüber, welches Lutz jedoch inzwischen verlassen hatte. Sein Blick wirkte nicht wie der eines loyalen Anhängers des weißen Zauberers. "Diese Rede hat mir kein bisschen gefallen."
Er wandte sich wieder an Rilmir. "Und um eure Fragen zu beantworten, Waldläufer, mein Name ist Aldoc Tuk und das…" Er deutete mit ausgestreckter Hand auf seinen menschlichen Begleiter. "…ist Girion aus Thal. Ich bin ein Freund von Peregrin Tuk und Meriadoc Brandybock, falls euch diese Namen etwas sagen."
"Merry und Pippin!" platzte es aus Kerry heraus. "Du kennst die beiden? Bist du mit Pippin verwandt? Wie geht es den beiden? Ich hoffe, sie sind nicht wieder in Schwierigkeiten geraten?" stürmte sie mit Fragen auf Aldoc ein, bevor Rilmir sie bremste.
"Ich bin Rilmir von den Dúnedain, und dies sind Haleth und Kerry," stellte er die Gruppe vor. "Wir sind tatsächlich Bekannte Meriadocs und Peregrins und haben ihnen bei der Befreiung Hobbingens geholfen bevor wir mit Mithrandir weiter nach Norden zogen. Doch sagt, was macht ein Hobbit aus gutem Hause in dieser inzwischen so wenig einladenden Stadt?"
"Wir sind eigentlich nur auf der Durchreise", eröffnete Aldoc ihnen. "Unser Ziel ist Fornost, aber… nun ja…"
"Lutz Farnrich ist uns dazwischengekommen", ergänzte der Mensch, den der Halbling als Girion vorgestellt hatte. "Er ist gewissermaßen ein alter Bekannter."
"Ja, das kann man so sagen", nickte Aldoc zustimmend. "Er wollte, dass wir diejenigen aufspüren, die von seiner Rede weniger begeistert sind, und das haben wir schlussendlich auch getan. Wir hatten eigentlich vor, nach den jüngsten Kämpfen im Auenland dem Sternenbund und dem grauen Pilger nach Fornost zu folgen und dort zu helfen, wenn wir können." Nun sah er auf einmal Kerry direkt an. "Merry und Pippin geht es übrigens gut, Kerry – das war doch dein Name, oder? Die beiden sind munter wie eh und je."

Kerry trug ein breites Lächeln im Gesicht als sie auf Aldocs Frage zur Antwort nickte. Merry und Pippin geht es gut! Was bin ich froh.
"Sie wollen nach Fornost! Wir nehmen sie am besten mit und zeigen ihnen dort alles. Dann trefft ihr auch Gandalf. Das wird so schön!" Sie hielt einen Augenblick inne und blickte zu den Dúnedain.
"Wir nehmen sie doch mit, oder?" fragte sie.
Rilmir und Haleth schwiegen einen langen Moment und tauschten einen vielsagenden Blick. Schließlich ergriff Haleth das Wort.
"Ja, wir werden euch nach Fornost zum Sternenbund bringen - unter einer Vorraussetzung. Ihr beiden werdet uns alles darüber erzählen, was ihr über Farnrich und seine Machenschaften wisst. Wenn ihr tatsächlich "alte Bekannte" seid, habt ihr bestimmt einige nützliche Informationen - je mehr, desto besser. Was hat er vor? Will er nun wirklich mit den Breeländern gegen uns vorgehen?"
Kerry spitzte die Ohren. Die Freude über Merry und Pippins Wohlergehen war noch immer präsent, doch was jetzt kommen würde versprach ebenfalls sehr interessant zu werden...
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Re: Bree
« Antwort #9 am: 5. Okt 2016, 12:27 »
Rilmir scheint uns noch immer nicht ganz zu vertrauen, ging es Aldoc durch den Kopf, aber er verübelte es dem Waldläufer nicht, im Gegenteil, er verstand es sogar. Von einem fremden Hobbit und einem fremden Menschen angesprochen zu werden, kurz nachdem man eine aufhetzende Rede gegen die Dúnedain des Sternenbundes – die eigenen Leute – gehört hatte, und dann auch noch zu erfahren, dass diese beiden Fremden denjenigen kannten, der diese Rede gehalten hatte, waren nicht gerade Gründe, ihnen zu vertrauen. Aber er schien vernünftig zu sein, sodass er zumindest bereit war, Aldoc und Girion anzuhören – und der Hobbit-Abenteurer hatte nicht das geringste Problem damit, alles Wissen mit Rilmir zu teilen, das er über Lutz Farnrich besaß, auch wenn es letztlich gar nicht so viel war. Er war jedenfalls froh, hier jemanden getroffen zu haben, der ihn offenbar direkt zum Sternenbund bringen konnte.
Auf die Fragen des Dúnadan hin konnte er jedoch zunächst nur mit den Schultern zucken. "Was sein Vorhaben angeht, wissen wir glaube ich nicht viel mehr als ihr. Ja, er will die Breeländer gegen den Sternenbund einsetzen, und ich glaube, dass auch der Teil mit der Streitmacht in seiner Rede nicht gelogen war. Als wir gestern im Tänzelnden Pony mit ihm sprachen, meinte er, dass die verräterischen Dúnedain bald komplett ausgelöscht werden würden."
"Bis vor Kurzem hat er noch in Tharbad residiert", fügte Girion hinzu. "Dass er jetzt hier in Bree auftaucht und schamlos gegen euch Waldläufer hetzt, muss bedeuten, dass etwas Großes im Gange ist."
Aldoc nickte seufzend. "Nun, was auch immer es ist, das er plant, wir sollten den Sternenbund warnen, oder nicht? Ich wäre sehr froh, wenn ihr uns tatsächlich nach Fornost mitnehmen würdet, wie Kerry es vorgeschlagen hat. Aber vielleicht sollten wir uns nicht mitten auf der Straße über all diese Dinge unterhalten. Kennt ihr vielleicht einen Ort, wo wir weniger anfällig gegen Lauscher sind?"
Der Dúnadan blickte Aldoc nachdenklich an ohne direkt zu antworten. Schließlich sagte er: "Nun, ich denke es wäre wirklich besser, etwas außer Sicht zu gehen. Allzu lange sollten wir uns dennoch nicht mehr in Bree aufhalten - die Gelegenheit ist gerade günstig, die Stadt ungesehen zu verlassen da Farnrichs Rede den Ameisenhaufen kräftig umgerührt hat. Dieses Durcheinander wird vielleicht noch ein, zwei Stunden anhalten, aber nicht nicht länger."
"Die Taverne am Nordtor," warf das Mädchen - Kerry - ein. "Dort war niemand als ich gestern daran vorbeigekommen bin. Ich schätze, sie steht schon seit einiger Zeit leer."
"Guter Vorschlag, Kerry," sagte Rilmir. "Gehen wir."

Sie machten sich auf den Weg. Kerry, die sich in Bree recht gut auszukennen schien, ging voran und führte sie durch kleinere, leere Gassen bis zu einem unscheinbaren Haus im nördlichen Teil der Stadt. Der Eingang war mit Brettern zugenagelt, doch die Hintertür war nur angelehnt und ließ sich mit etwas Kraftaufwand öffnen. Drinnen war es staubig, aber verlassen.
"Also dann, Herr Tuk," sagte Haleth, die zweite Dúnadan. "Hier sind wir ungestört. Ihr scheint mir ein aufrechter Geselle zu sein. Wie kommt es, dass Ihr Merry und Pippin nicht dabei helft, die Ordnung im Auenland wiederherzustellen?"
"Wir haben geholfen", entgegnete Aldoc. "Bis vor ein paar Tagen. Aber die Lage im Auenland ist vorerst stabil. Ich nehme an, ihr habt noch nichts von den jüngsten Ereignissen im Auenland gehört? Die Strolche haben eine Zeit lang den Vorratsstollen von Michelbinge besetzt und einige Gefangene bedroht, aber Girion und ich haben dabei geholfen, sie von dort zu vertreiben."
"Ein paar dieser Rüpel müssten sich allerdings noch an der Sarnfurt herumtreiben", ergriff Girion das Wort, der mit verschränkten Armen an der Wand des einstigen Schankraumes der nun verlassenen Taverne lehnte. "Aber das sollte kein großes Problem für diese kleinen Kerlchen darstellen. Sie sind tapfer und stärker, als man es ihnen bei ihrer Größte zutrauen würde, vor allem Peregrin und Meriadoc."
Aldoc bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. "Seit wann sprichst du in so hohen Tönen von uns Hobbits? Oder haben dich Merry und Pippin etwa heimlich zu einer Runde Pfeife rauchen eingeladen? Gehörst du jetzt zu ihrer eingeschworenen Gemeinschaft?"
"Warum, du etwa nicht?", konterte der Mensch aus Thal grinsend.
Hüstelnd wandte sich Aldoc wieder an die Dúnedain und Kerry, Girion ignorierend. "Nun, jedenfalls wollte ich anderweitig behilflich sein, deshalb habe ich das Auenland in Pippins und Merrys Obhut gelassen, um Gandalf nach Fornost zu folgen. Aber was ist mit euch? Wir haben eure Fragen beantwortet, jetzt seid ihr an der Reihe. Ihr gehört zum Sternenbund, wenn ich das richtig verstanden habe, aber was verschlägt euch nach Bree?"

Rilmir und Haleth wechselten einen Blick und schwiegen.
"Kommt schon, was ist denn mit euch los?" rief Kerry. "Die beiden sind in Ordnung. Also wenn ihr weiter so geheimniskrämerisch bleiben wollt werde ich es eben erzählen." Und sie stürzte sich in einen hastig erzählten Bericht von allerlei Aktivitäten des Sternenbunds im Norden, von Gefechten am Abendrotsee und in Fornost und der Befreiung der Stadt von Sarumans Schergen.
"Und deswegen sind wir nun hier," schloss das Mädchen. "Wir haben eine Bande von Halunken verfolgt, die aus Fornost abgehauen sind als sie festgestellt haben, dass ihr Schiff am Sinken ist."
Kerry erntete einen missbilligenden Blick von Rilmir, doch dann blickte der Dúnadan zu Aldoc und Girion hinüber und sagte: "Die Anzeichen verdichten sich, dass Saruman irgend eine Gemeinheit für uns vorbereitet. Wir wussten alle, dass es Folgen haben würde, wenn wir uns offen zeigen, doch die Befreiung des Auenlandes ließ sich anders nicht bewerkstelligen. Ich fürchte, Farnrich wird die armen Menschen Brees für einen Angriff auf Fornost einsetzen, auch wenn in seiner Rede noch kein Ziel genannt wurde."
"Umso mehr ein Grund, vor ihnen dort anzukommen, damit wir uns auf den Angriff vorbereiten können." Aldoc musste nicht lange darüber nachdenken, was als nächstes zu tun war, er hatte ohnehin von Anfang an vorgehabt, nach Fornost zu gehen. Nur dass es sich nun zu beeilen galt. "Ich hoffe nur, dass wirklich nur Fornost betroffen ist und nicht auch wieder das Auenland. Es ist zwar jetzt frei, aber ich denke nicht, dass die wenigen Truppen des Thains einem richtigen Heer lange standhalten könnten."
"Ich denke, wir sollten uns eher sorgen darüber machen, dass wir so schnell wie möglich hier wegkommen", meinte Girion jedoch, wobei er verstohlen zwischen zwei Brettern bei einem der zugenagelten Fenster hindurch spähte. "Lutz wollte uns nach der Rede sprechen. Er ist uns gegenüber auch so schon misstrauisch genug, und inzwischen muss er gemerkt haben, dass wir nicht kommen. Wenn wir uns nicht beeilen, wird er uns vielleicht einige Wachen auf den Hals hetzen oder die Tore verriegeln lassen oder schlimmeres."
Daran hatte Aldoc gar nicht mehr gedacht! Er war so vertieft darin gewesen, das Vertrauen der Dúnedain zu gewinnen und etwaige Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen, dass er vollkommen vergessen hatte, dass er und Girion ja eigentlich vom Statthalter erwartet wurden. Der Mensch aus Thal hatte recht, Eile war geboten, ehe Lutz bemerkte, dass sie ihm nicht Bericht erstatten würden.
"Es gibt zwar immer noch einiges, worüber ich gerne mit euch sprechen würde, aber ich schätze, das muss warten." Aldoc warf den neuen "Freunden" einen ernsten Blick zu. "Jetzt sollten wir erst einmal Bree verlassen. Auf dem Weg nach Fornost werden wir noch genug Zeit für interessante Gespräche haben."


Aldoc, Girion, Rilmir, Haleth und Kerry nach Fornost


Verlinkung ergänzt
« Letzte Änderung: 16. Jan 2019, 21:01 von Fine »

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Re: Bree
« Antwort #10 am: 16. Jan 2019, 18:04 »
Elea aus Moria

Einige Tage wanderten Sie durch ein ganzes System von Höhlen um schließlich das Nebelgebirge über eine kleine, kaum sichtbare Höhle zu verlassen, die nach Westen zeigte. Tränen lagen in den Augen Elea's. Und obwohl ihre Begleiter sich nichts anmerken ließen, wusste sie, dass es ihnen ähnlich ging.  Ihre Augen konnten sich an dem Grün, dem Blau, dem Gelb und Orange kaum sattsehen. Es war überwältigend.
Grashalm für Grashalm bewunderte sie, jeden Ton den ein Vogel zwitscherte genoss sie, jeden Sonnenstrahl auf ihrer Haut nahm sie in sich auf. Diese Momente waren endlos und so spürte sie kaum ihre schmerzenden Beine oder ihren Durst, noch bemerkte sie, dass das Ziel ihrer Reise bereits vor ihnen war.

Elea musste keine Sekunde überlegen um den Ort zu erkennen der vor ihren Füßen lag. Die sanfte Hügellandschaft, das öde Land umringt von alten Wäldern. Rauch stieg auf über den Dächern der Stadt Bree. Lange war es her, dass Elea dort war um Handel mit den Menschen zu treiben. Sie liebe es am Markt die neuesten Stoffe aus dem Süden zu erwerben. Sie erinnerte sich noch gut an den azurblauen Mantel den sie Haldar genäht hatte für die große Ratsversammlung bevor er nach Süden aufbrach.

Die Stadt hatte sich kaum verändert. Es war ihr noch nie geheuer, denn obwohl die Bewohner immer den Umständen entsprechend nett zu ihr waren, so hatte diese Stadt stets etwas Zwielichtiges an sich etwas dem man von Natur aus nicht traute. An den Toren musste Finjas lediglich vorweisen, dass er der weißen Hand diente und ihm wurde der Zutritt gewährt. Ohne Umschweife ritt er die Hauptstraße entlang und hielt vor einem Haus über dem das Schild "Gasthaus zum Eisfuchs" hing. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Trotzdem öffnete ein alter, hagerer Mann die Tür:
"Guten Abend mein Herr", sagte er unterwürfig "Baltur, zu euren Diensten."
Ohne ihn merklich zu beachten ging Finjas an dem alten Wirten vorbei. Elea folgte ihm unaufgefordert.
"Du kennst die Abmachung?", frage der Dunadan den Wirten.
"Kost gegen Logis sagte man mir"
Finjas nickte zustimmend: "Sie bekommt auch ein Zimmer, irgendwo unten neben der Küche. Sie wird dir in Zukunft helfen."
Er packte Elea am Oberarm und schob sie in Richtung des Wirten. Eilig führte er sie in eine kleine Kammer ohne Fenster. Am Ende des Raumes stand ein einfaches Bett, ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel und an der Wand waren Haken befestigt um die Kleidung aufzuhängen.

Dieses Bett bot zwar nur eine Strohmatratze, aber im Vergleich zu den Minen Morias fühlte sich das weich und leicht wie eine Wolke an. Viele Gedanken hielten Elea diese Nacht wach. Würde sie hier wohl auf alte Freunde und Bekannte treffen? Seit Jahren war sie ihrer Heimat nicht mehr so nahe. Irgendwann schlief sie schließlich ein.

In der folgenden Zeit konnte sich Elea kaum ein Bild über die Stadt machen. Baltur teilte sie fleißig zur Arbeit ein, da er selbst nicht mehr der kräftigste war. Sie musste die Wäsche waschen, kochen, die zahlreichen Zimmer putzen obwohl gar keine Gäste da waren, alte Kleidung flicken und Waren vom Markt holen. Dies waren die einzigen Stunden die sie außerhalb des Gasthofes verbrachte. Sie bemerkte, dass die Stimmung in der Stadt sehr angespannt war. Das Misstrauen war sehr groß, kaum einer schaute sie an, kaum einer schaute überhaupt jemanden an. Jeder kochte lediglich sein eigenes Süppchen und mischte sich in keinerlei andere Angelegenheiten ein.
Hie und da kam es in der Stadt zu einem Zwischenfall. Oft wegen Hausdurchsuchungen. Das waren die Tage an denen Finjas besonders mürrisch zurück kam. Elea wusste, dass sie ihn dann nicht ansprechen durfte. Es war schon einmal vorgekommen, dass er ihr vor lauter Wut mit der Hand ins Gesicht schlug. Daher zog sie sich dann am allerliebsten in ihre Stube zurück.

So trist diese Situation auch schien, hatte sie doch große Verbesserung mit sich gebracht. Elea konnte wieder besser schlafen und sie merkte bald, dass sie aufgrund des ausreichenden Essens wieder mehr Fleisch auf den Rippen hatte. Sie konnte sich wieder regelmäßig waschen und so war auch ihr Spiegelbild, dessen sie sich schon lange schämte, wieder akzeptabel geworden. 54 Jahre war sie mittlerweile doch durch das Blut der Dúnedain schien sie wesentlich jünger zu sein. Bald schon war sie wesentlich schneller bei der Arbeit und es fiel ihr alles viel leichter als vormals.
An einem kühlen Vormittag war Elea gerade damit fertig geworden die verderblichen Waren im Keller zu verstauen. Bevor sie sich daran machte das Essen zu kochen ging sie in den ersten Stock um die Betten neu zu beziehen. Eilig ging sie in Finjas Zimmer, da dieser vormittags immer unterwegs war. Umso mehr erschrak sie als dieser im Raum stand. Er war nackt und von ihr weggedreht. Aus lauter Verlegenheit senkte sie ihren Blick zu Boden und bat höflich um Entschuldigung. Erst dann bemerkte sie, dass seine Kleidung neben ihm auf dem Boden lag und blutig war. Finjas beachtete die Dunadan kaum und tat ungeachtet weiter. Es entfuhr ihm ein Zischlaut, der Elea entgegen ihrer Verlegenheit neugierig machte.
Mit einem nassen Tuch reinigte sich der Mann eine Stichwunde links an seiner seitlichen Hüfte. Als er bemerkte, dass sie noch immer da war drehte er seinen Kopf zu ihr und pfauchte sie an: "Was klotzt du denn so? Hier nimm das Gewand und wasche es gefälligst." Mit dem Fuß gab er den Fetzen am Boden einen Tritt in ihre Richtung. Eilig griff sie danach und floh aus dem Zimmer.
Sie wusste nicht genau was es war, ob der Schreck, die harschen Worte oder der giftige Blick die sie so trafen, aber plötzlich als sie das Gewand in kaltes Wasser legte schossen ihr die Tränen in die Augen.

Reiß dich zusammen Elea

Die Tränen unterdrückend ging sie zum Herd, nahm aus dem großen Kessel einen Schöpflöffel voll heißem Wasser und tat es in eine saubere Schüssel. Sie fügte ein paar getrocknete Kamillenblüten hinzu und lies diese kurz einwirken. Obwohl sich so einiges in ihr sträubte, ging sie treppauf, zurück in das Zimmer.
"Was willst du hier?", pfauchte er sie gleich wieder an "Gibt es schon zu essen?"
Sie schüttelte den Kopf, zaghaft und mit hauchdünner Stimme sagte sie: "Legt euch auf das Bett bitte."
Die Verwunderung in seinen Augen war kaum zu übersehen und Elea hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren würde. Seine linke Hand war zu einer Faust geformt und sein Gesicht war verzerrt vor Schmerz. Für einen Moment hatte sie Angst, dass er sie mit einer Tracht Prügel aus dem Zimmer jagen würde, aber dann ging er langsam zum Bett und setzte sich hin. Zielstrebig ging sie zu ihm und kniete sich neben ihm nieder.
"Bitte legt euch hin, sonst kann ich die Wunde nicht reinigen"
Er folgte ihrem vorsichtig formulierten Befehl. Die Wunde wurde nicht von einem Schwert zugefügt, sondern irgendetwas anderem. Die Ränder waren zerfetzt. Behutsam strich sie mit dem in lauwarmen Kamillenwasser getränkten Tuch über die blutende Wunde. Seine Muskeln spannten sich vor Schmerz an.
"Was ist das für ein Zeug?" fragte er zweifelnd.
"Sauberes Wasser mit Kamille. Meine Freundin Brianna hat mir dies gezeigt. Sie ist oder war Kräuterkundige in den Häusern der Heilung", antwortete Elea.
"Du willst mich sicherlich vergiften, damit du mich los bist und von hier abhauen kannst."
In ihrem unterwürfigen Blick sah er einen Hauch von Vorwurf.
"Ich kann ohnehin nirgends hin. Was ich einst kannte gibt es nicht mehr."

Sie wickelte Finjas einen Verband um die Hüfte. "Die Wunde muss mehrmals täglich gereinigt und neu verbunden werden, sonst eitert sie und euer Körper vergiftet sich selbst. Bleibt vorerst liegen, ich bringe euch Essen ans Bett."
Ohne Widerspruch ließ der Dunadan die Behandlung über sich ergehen und bleib einige Tage im Bett. Sie pflegte ihn mit größter Sorgfalt.

Während dieser Zeit kamen immer wieder Männer der Stadt zu Finjas. Sie berichteten ihm über die neusten Ereignisse und verbreiteten seine Botschaften unter den Männern Sarumans. Einer davon war Hildur. Ein stattlicher Mann, gut eineinhalb Kopf Größer als Elea. Er hatte einen säuberlich geschnittenen, dunklen Bart, dunkelbraune Augen und kurzes braunes Haar. Sein Umhang wurde von einer blauen, sternförmigen Fibel zusammengehalten so wie die Waldläufer sie damals auch trugen. Es war mutig von ihm diese hier so offen zu zeigen oder vielleicht sogar mit Absicht provokant.
„Guten Tag Erelieva“, begrüßte er sie in einem höflichen Tonfall „Es ist lange her, dass wir uns zuletzt sahen.“
Elea war es gar nicht mehr gewohnt so respektvoll behandelt zu werden, aber Hildur war immer schon ein sehr guter Freund gewesen. Noch bevor sie den Bund mit Haldar einging, war Hildur einer ihrer größten Bewunderer.
Lediglich ein „Hallo“ stieß es ihr heraus als sie ihn sah. Vertrauensvoll griff er nach ihren rauen Händen und hielt sie für ein paar Sekunden fest, so als wäre in all den Jahren nichts geschehen und alles beim Alten. Es löste ein Gefühl der Geborgenheit in ihr aus, sodass sie sofort in seine Arme fallen wollte. Danach verschwand er in Finjas Zimmer für eine ganze Weile. Sie aber setzte sich auf eine Bank in der Gaststube und begann ihre Gefühle zu sortieren. Am liebsten wäre sie auf der Stelle mit Hildur mitgegangen. Fest nahm sie sich vor ihn darum zu bitten, wenn er die Stiegen herunterkommen würde, doch letztlich traute sie sich nicht und redete sich noch ein Finjas pflegen zu müssen.
„Ich habe Finjas mit Nachdruck gebeten, dich künftig angemessen zu behandeln. Immerhin bist du die Mutter unseres Oberhauptes“, sagte er lächelnd zu ihr. Elea konnte dem allen kaum Glauben schenken. Was geschah hier? Sie hätte gedacht, dass ihr im Leben kein Glück mehr wiederfahren würde. Von Dankbarkeit überkommen stürzte sie nun doch noch in seine Arme: „Vielen Dank. Ich habe schon befürchtet, dass niemand mehr so ist wie ich ihn einst kannte“, ihre Stimme war wackelig „Aber du hast mir eben das Gegenteil bewiesen. Ich danke dir.“

Noch an diesem Tag brachte Baltur alle Sachen von Elea in ein Zimmer im ersten Stock. Darin waren ein kleiner Schrank, ein bequemes Bett, ein Schreibtisch mit Lampe, ein Waschtisch, ein Fenster und ein Regal voller alter Bücher. Behutsam strich sie über die Lederrücken der Bücher und überflog die Titel: Fram der Drachenkrieger, das Pfeifenkraut der Halblinge, ein elbisches Gesangsbuch, Die Schlacht von Grünfeld und noch etliche mehr befanden sich in dem Regal.
Von diesem Tag an schien sich einiges zu verändern. Elea musste nicht mehr im Haushalt helfen, allerdings tat sie viele Dinge gerne noch freiwillig. Sie hatte zum ersten Mal die Gelegenheit auch hinaus zu gehen und die Stadt zu erkunden. Es war keineswegs ein erfreuliches Abenteuer, da die Menschen alle misslaunig, schroff und abweisend waren. Sie erfuhr, dass den Flüchtlingen aus Süden die Tore versperrt wurden und die Anhänger Sarumans jeglichen Widerstand sofort im Keim erstickten. Es gab öffentliche Gerichtsverfahren und Hinrichtungen um die Leute zu verschrecken. All das hatte Elea bereits erlebt in ihrer Zeit in Minas Tirith.
1. Char Elea ist in Bree  -  2. Char Caelîf ist in Palisor

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Re: Bree
« Antwort #11 am: 18. Jan 2019, 10:32 »
Elea war eines morgens auf dem Weg zum Markt, da die ohnehin sehr spärliche Auswahl da noch am größten war. Auf dem Weg zurück zum Gasthaus fiel ihr ein kleines Mädchen auf, dass weinend am Straßenrand saß.
„Was ist denn los meine Kleine?“, fragte Elea sie aufmerksam.
Misstrauisch schaute das Mädchen auf: „Heute Nacht hat man mich auf die Straße gejagt“, antwortete sie schniefend.
„Wer? Wer hat dich rausgeschmissen?“
„Der Mann bei dem wir… ähm ich… gewohnt habe.“
„Und wieso hat er dich raugeschmissen?“
„Ich hatte solchen Hunger und habe mir ein Brot aus der Küche geholt“, entgegnete die Kleine.
„Du hast nicht danach gefragt, stimmts?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Komm mit mir, ich werde dir heute etwas Gutes auftischen.“

Kaum waren sie im Gasthaus angekommen, hat die Kleine jede Scheu abgelegt. Sie erzählte, dass ihr Name Rabea sei und dass sie ursprünglich aus Rohan komme. Sie hatte ihre Eltern im Krieg verloren und war mit einer ganzen Schar von Flüchtlingen nach Eriador gekommen. Als man sie bei Bree abwies, hat sie sich ein kleines kaum sichtbares Loch im Heckenwall gesucht und ist durchgeschlüpft. Seitdem ist sie von Almosen der Menschen abhängig.
Fröhlich über diesen Glücksgriff den Rabea gemacht hatte, half sie sofort überall mit. Beim Kochen, beim Vorräte holen und vielem mehr. Immer wieder stopfte sie sich beim Kochen bereits die rohen Zutaten in den Mund und lachte dabei schelmisch.
Elea selbst bemerke, dass ihr das Kochen mit der Kleinen sehr viel Freude bereitete. Es war bereits dämmrig als Finjas zur Tür hereinkam. Es war erst der dritte Tag nach seiner Bettruhe und er konnte zwar wieder gehen, verzog aber bei jeder Bewegung des Oberkörpers das Gesicht.

Kaum hatte er begriffen, dass Elea nicht alleine war lief sein Gesicht rot an: „Wer ist diese Göre?“, schrie er sie an.
„Ich habe sie auf der Straße aufgelesen. Sie ist eine Waise und hat Hunger“, verteidigte sie Elea.
„Wir sind hier aber kein Waisenhaus und keine Herberge! Ich kenne diese Kleine. Gemeinsam mit ein paar anderen Rotznasen bestehlen sie regelmäßig die Leute. Lumpenpack!“, bedrohlich schaute er die kleine Rabea an „Von hier aus geht es geradewegs in den Kerker!“
Von Panik erfasst versuchte das Mädchen zu flüchten, aber Elea hielt sie zurück.
„Sie stiehlt nicht, ich habe sie eingeladen“, unterstrich die Dunadan.
Finjas versuchte die Kleine am Arm zu packen aber Elea drückte ihn von sich und der Kleinen weg. Plötzlich griff er mit aller Gewalt Elea’s Oberarme und drückte sie gegen die Wand. Mit seinem ganzen Körpergewicht drückte er sie zur Wand. Ein Schmerz hämmerte durch den Körper der Frau, ihren Kopf dreht sie schützend zur Seite. Sie spürte seinen warmen, schnaubenden Atem auf ihrer Schläfe.
„Du widersprichst mir nicht!“, befahl er ihr in leisem aber festen Tonfall.
Starr vor Angst versuchte sie zu nicken.
„Gut so! Schick sie sofort weg!“, sagte er, lies langsam von ihr ab und setzte sich an den Tisch.
Zittrig vor Angst ging sie zurück in die Küche. Rabea hatte sich in eine Ecke gekauert. Sie wickelte ein paar Brotstücke in ein Tuch, schob es dem Mädchen unter ihren Mantel und schickte sie schleunigst weg. Ihre Hände zitterten noch immer als sie den Teller zu Finjas brachte.
Ohne weitere Worte aß er auf. Elea verschwand sofort in ihr Zimmer und vergrub sich unter der Bettdecke. Diesmal hatte sie sich offensichtlich zu weit hinausgelehnt.

In dieser Nacht war es das erste Mal, dass Finjas ihr Zimmer betrat und seinen Trieben nachgab. Ungefragt legte er sich mit seinem nackten Körper auf Elea und befriedigte seine Lust. Elea wusste, dass schreien keinen Sinn hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie vermochte kaum zu atmen. In dieser Nacht tat sie kein Auge zu und auch nicht in der nächsten. Aber zu einem weiteren Mal kam es nicht.

Ab diesem Zeitpunkt versuchte Elea Finjas so oft es ging aus dem Weg zu gehen. Sie verbrachte viel Zeit auf den Straßen von Bree. Sie sprach dort mit niemanden außer mit der kleinen Rabea wenn sie sie zufällig traf. Aber mit der Zeit wurden es sehr regelmäßige Treffen. Eines Tages hockte sie mit dem kleinen Mädchen unter einem Vordach nahe dem Markt.
„Erelieva!“, rief ihr Hildur an diesem verregneten, trüben Tag zu „Was machst du denn hier heraußen bei diesem miesen Wetter?“
„Ich… ich bin ein bisschen spazieren gegangen und hab mich hier mit der Kleinen getroffen“, antwortete sie flüchtig. Rabea begrüßte ihn.
„Aber ihr zittert ja und deine Hände, sie sind eiskalt. Wieso seid ihr nicht drinnen?“
„Finjas hat es nicht gerne wenn ich Besuch mitbringe“, antwortete sie und log dabei nicht einmal.
„Aber das ist ja lächerlich. Kommt mit, ich rede mit ihm.“
„Nein Hildur, bitte nicht. Das ist nicht notwendig“, entgegnete Elea schleunigst, aber der Mann ließ sich nicht abbringen. Gemeinsam gingen sie zum Gasthaus und Hildur klopfte an die Tür.
„Finjas mein Freund!“, begrüßte er ihn „Hast du eine nahrhafte Suppe und einen Krug Bier, ich habe wichtiges mit dir zu besprechen.“
Finjas zuckte mit den Schultern und warf einen Blick in die leere Gaststube.
„Deine Köchin und ihre Gehilfin habe ich mitgebracht, falls du sie suchst“, sagte Hildur und trat lächelnd einen Schritt zur Seite.
Finjas Mimik blieb unverändert, aber nur weil er seinen Zorn unterdrückte.
Elea verfiel innerlich in Panik, wollte sich die Blöße allerdings nicht geben und schob Rabea vor sich in die Gaststube. Die Frau ging von ihrer schlimmsten Befürchtung aus, daher beschloss sie wenigstens die paar Stunden des Glücks mit dem Mädchen zu genießen. Fröhlich und mit einem Lachen im Gesicht, kochten sie für die beiden Herren. Nur zugut erinnerte sie sich an die Zeit mit dem kleinen Helluin.

Nachdem sie Hildur und Finjas bewirtet hatten, setzten sie sich an einen Tisch abseits und aßen selbst eine große Schüssel der Suppe. Es war ein Genuss dem kleinen Mädchen zuzuschauen wie es die Suppe hinunterschlang als hätte sie nie etwas Besseres gegessen. Auf einmal kam Hildur zum Tisch der beiden und verabschiedete sich höflich von ihnen. Er bedankte sich für die ausgezeichnete Suppe. Anschließend gingen die beiden Männer zur Tür.
„Hör mir zu Rabea, wenn Finjas kommt werde ich ihn für einen Moment ablenken und dann kannst du schnell aus der Tür laufen. Versteck dich gut vor ihm“, wies sie das Mädchen an die nur zustimmend nickte. Als Finjas die Tür schloss und um die Ecke zum Tisch der beiden kam, schmiss sich Elea ihm entgegen und versuchte ihn festzuhalten. Das kleine Mädchen huschte von der Bank direkt zwischen seinen Beinen und der Wand vorbei zur verschlossenen Tür.
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Re: Bree
« Antwort #12 am: 21. Jan 2019, 19:31 »
Zu Elea’s Erstaunen wehrte sich der Mann kein bisschen. Wie angewurzelt blieb er stehen, die Überraschung war ihm kaum anzusehen: „Die Kleine“, sagte er mürrisch „Sie kann vorübergehend bleiben.“
Ihren Ohren kaum trauend schaute sie Finjas an und schickte sofort ein Dankgebet zugunsten Hildur’s an die Valar.

In dieser Nacht ließ Elea die kleine Rabea bei sich im Bett einschlafen. Geborgen in ihren Armen und in einem weichen Bett fand das Mädchen sofort in einen tiefen und ruhigen Schlaf. Stunden starrte Elea auf das zarte Gesicht in ihren Armen, dass im blassen Mondlicht aussah wie zerbrechliches Porzellan. Ach wie gerne würde sie den kleinen Helluin jetzt in ihren Armen halten. Geborgen und beschützt vor dieser rauen Welt da draußen. Und kaum dachte sie daran, hörte sie die schweren Schritte Finjas die Treppen hinaufsteigen. Augenblicklich spannte sich ihr ganzer Körper an und ihr Herz begann wild zu schlagen.
Erst als sie hörte wie eine Türe ins Schloss fiel beruhigte sie sich langsam. Aus irgendeinem Grund fühlte sie auch Dankbarkeit gegenüber Finjas. Vielleicht war es die Angst, dass er in ihr Zimmer kommt oder es war diese Dankbarkeit, die Elea aufstehen lies und langsam zur Tür schleichen. Sie öffnete sie einen Spaltbreit und starrte zu der gegenüberliegenden Tür zu seinem Zimmer. Sie zwängte sich durch den Spalt. Am Gang angelangt, atmete sie tief ein und lies die Luft mit einem leisen Seufzen wieder heraus. Sie fasste allen Mut und all ihre Kraft zusammen, öffnete leise die Tür zu seinem Zimmer. Sie lies ihre Nachthemd zu Boden gleiten und verschwand unter seiner Decke.

Die kommende Zeit verlief sehr friedlich. Rabea brachte noch zwei weitere Kinder zu Elea die keine Unterkunft hatten. Die beiden Jungen hießen Madal und Aldred. Zweiterer hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit Helluin in seiner Kindheit. Dies stimmte Elea zumeist sehr glücklich, zeitweise aber auch sehr traurig. Aber alles in allem genoss sie die Anwesenheit der Kinder und beschäftigte sich unentwegt mit ihnen. Abends las sie ihnen immer die Heldengeschichten aus den Büchern vor, sodass sie sogar von ihren Vorfahren erfuhren ehe sie Rohan besiedelten.
Trotz dessen, dass sie mehr Mäuler zu stopfen hatten, bekamen sie nicht mehr Lebensmittel. Hin und wieder ging Finjas jagen und brachte einen Hasen oder Fasan mit. Er behauptete zwar stets, dass er selbst wieder etwas Vernünftiges am Teller haben wollte, aber Elea vermutete auch andere Beweggründe.
Womit Elea gar nicht gerechnet hatte, war ein Kompliment einer fremden Frau, dass ihr eines Tages am Markt gemacht wurde. Sie bewunderte sie, dass sie in diesen schweren Zeiten einfach fremde Kinder aufnahm und sich um sie kümmerte als wären es ihre eigenen. Erst ab diesem Zeitpunkt fiel ihr auf, dass ihr so manche Frau und seltener ein Mann freundlich zunickte, wenn sie sie auf der Straße begegneten.

In den kommenden Wochen kam es immer wieder dazu, dass fremde Menschen das Gespräch mit Elea suchten und dieser Schleier des Zwielichtigen begann sich langsam zu senken. Ja manchmal verspürte sie sogar ein wenig Vertrauen in diesen Ort und ihre Bewohner. Die Dunadan wusste, dass diese Entwicklung nicht unbemerkt an Finjas vorbeiging und oft ertappte sie ihn, wie er sie argwöhnisch und misstrauisch musterte. Doch Elea versuchte ihm zu jeder Zeit das Gefühl zu geben, dass er keinen Grund zur Sorge gab. Manchmal, wenn er gut gelaunt war und zusätzlich etwas Fleisch mitbrachte, gab sie ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange, was er natürlich mit einem Murren abtat.

Es war an einem kalten Abend kurz nachdem die Dämmerung eingesetzt hat, als plötzlich die Tür der Gaststube aufstieß und der eisige Wind hereinwehte. Ein leichter Nieselregen kam aus den Wolken und kalter Dunst lag auf den Straßen. Elea war in der Küche als sie von dem Knall aufschreckte den die Tür beim Aufprall an die Wand von sich gab. Sie konnte niemanden sehen und ging zur Eingangstür um sie wieder zu schließen. Da erblickte sie plötzlich die kleine Rabea auf dem Boden. Sie zog an einer scheinbar leblosen Hand eines Jungen.

„Oh du meine Güte“, murmelte sie im Schock zu sich selbst und lief sofort zu der Kleinen.
„Rabea, was machst du da? Was ist geschehen? Wer ist das“, stießen ihr die Fragen wie ein Wasserfall heraus.
„Ich, ich“, die Kleine stotterte „Ich habe ihn am Straßenrand gefunden. Er… Ich glaube er wurde verprügelt.“
Elea sah die zahlreichen blutigen Wunden am Rücken des Jungen. Sachte drehte sie ihn zur Seite. Sein Gesicht war angeschwollen und von Blutergüssen übersäht: „Der arme Junge wurde nicht nur verprügelt.“
Von Angst erfüllt wollte Elea am liebsten Rabea bei der Hand nehmen und die Türe schließen. Sie wusste, dass dieser Junge von Sarumans Männern gefoltert wurde und zum Sterben auf die Straße geworfen wurde. Ihn aufzunehmen würde das Leben der Kinder und ihr eigenes gefährden.
„Bitte“, flehte Rabea „Bitte, Mama Elea.“ Ihre Augen waren Tränen unterlaufen.
„Kennst du ihn?“, frage Elea.
Das kleine Mädchen nickte beschämt.

Zusammen schafften sie es mit Müh und Not den Jungen in die kleine Kammer hinter der Küche zu bringen in der Elea zu Anfang geschlafen hatte. Sie legten ihn auf das Bett. Eilig holte Elea heißes Wasser, saubere Tücher und Kräuter. Sie zogen ihm die Kleider aus und gemeinsam begannen sie damit die Wunden zu reinigen. Zum Glück war der Verletzte bewusstlos, ansonsten hätte er vor Schmerzen gebrüllt.

Nachdem sie ihn so gut es ging verbunden haben, blieb Rabea bei seinem Bett sitzen.
„Ihr müsst ganz leise sein. Versprich es mir. Finjas darf nicht wissen, dass er da ist. Ich weiß nicht was er dann tun würde“, sagte sie zu dem Mädchen und versuchte gar nicht erst ihre Besorgnis zu verbergen.

Zitternd vor Angst lag Elea in ihrem Bett. Jeder noch so kleine Laut im Haus ließ sie zusammenzucken.
Sie legte ihre Hand auf ihr Herz und begann kaum hörbar zu flüstern: "Hohe Sternenkönigin, ich bitte euch, lindere den Schmerz des jungen Mannes damit er unbemerkt bleibt und uns nichts geschieht. Ich flehe dich an..."
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Re: Bree
« Antwort #13 am: 25. Jan 2019, 20:03 »
Die Nacht verlief ruhig bis plötzlich jemand leise aber schwungvoll die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Ein Schauer gefolgt von einem unaufhaltsamen Krampf breite sich über ihren Körper aus. Sie spürte kalte Hände die sie hilfesuchend umschlangen.
"Er ist tot", schluchzte Rabea unkontrolliert laut.
Mit Tränen in den Augen nahm sie das Mädchen, dass in diesem Moment noch kleiner und unschuldiger wirkte, in den Arm. Sie versuchte sie zu trösten, doch die Tränen flossen endlos aus ihr heraus. Lange noch streichelte sie ihm über den Rücken ehe es vor Erschöpfung einschlief.

Am nächsten Morgen wurde Elea unsanft vom Getrampel im Stiegenhaus geweckt. Sie konnte gerade so ihre Gedanken ordnen ehe die Tür gewaltsam aufgestoßen wurde und im ersten Anflug von Vernunft warf sich die Dunadan Finjas entgegen.
"Es ist meine Schuld!", schrie sie flehend "Ich habe den Jungen auf der Straße gefunden und hereingebracht"
Rabea wurde aus ihrem Schlaf gerissen und versteckte sich sofort hinter der Stirnseite des Bettes.

Finjas Adern an den Schläfen pulsierten heftig: "Du verdammtes Weib!", brüllte er sie an packte sie grob am Arm und schliff sie die Stiegen hinunter. Elea konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er zog sie in das Zimmer und warf sie gegen die Bettkante, sodass sie mit ihrem Oberkörper und Gesicht auf dem leblosen Körper landete, die Knie aber am Boden aufschlugen und aufsprangen.
"Denkst du jemals nach was du da machst?", schrie er und die Verzweiflung war ihm anzuhören. "Weißt du eigentlich, wen du uns da ins Haus gebracht hast?"
Elea krümmte sich vor Schmerz.
"Sag schon du idiotisches Weibsbild! Weißt du es?"
Zaghaft schüttelte sie den Kopf.
"Das ist Hildamar, Hildur's Sohn", sagte er etwas leiser um sicherzugehen, dass ihn niemand hörte.
"Sie, sie", Finjas musste aus lauter Verzweiflung stottern, "sie werden uns für Verbündete Fornosts halten, wenn wir die Leiche von Hildur's Sohn hier haben. Sie werden denken wir haben ihn zu Tode gefoltert."
Elea schluchzte: "Ich.. ich... Wir wussten nicht wer er war. Er lag bereits so verwundet auf der Straße."
"Ich wusste, dass ich mit dir nur Ärger haben werde. Dafür stehe ich nicht gerade, dafür werde ich nicht hängen... Baltur ist mein Zeuge!", sagte der Mann bestimmt und schrie seinem Gehilfen der ohnehin unmittelbar vor der Türe stand mit einem Ausdruck der Genugtuung im Gesicht.
"Baltur!"
"Ja mein Herr", antwortete er ohne Zögern.
"Geh und hole Herrn Hildur hierher, sofort"
"Natürlich, mein Herr!"

Es dauerte keine halbe Stunde bis Hildur das Gasthaus betrat. Elea's Wahrnehmung war verschwommen. Sie hörte nur Wortfetzen von dem was gesprochen wurde und sah nur schemenhaft was passierte. Sie war es nun - ganz alleine - die einem Vater die Nachricht über den Tod seines Sohnes überbrachte. In ihrem Magen formte sich ein großer schwerer Klumpen, die Schmerzen verdrängte sie. Unbewusst fiel sie in einen trostlosen Tagtraum in dem Helluin hier leblos am Bett lag. Rücksichtslos stieß sie alle beiseite und stürzte sich auf die Leiche ihres Sohnes. Tränen benetzten ihr ganzes Gesicht, Schreie stießen aus ihrem Mund bis kein Ton mehr kam. Ihr Herz zersprang in tausend Stücke... Erst durch das laute Geräusch eines fest aufsetzenden Schuhs wurde sie aus dieser albtraumhaften Illusion gerissen. Ihr Blick schärfte sich wieder und sie sah Hildur in der Tür der Kammer stehen. "Hildur..." brachte sie lediglich heraus, doch die übrigen Worte steckten in ihrer Kehle fest. Sein Gesicht war festgefroren. Wortlos drehte er sich um und ging.

Weinend und hoffnungslos schleppte sich Elea wieder die Treppe hoch. Niemand hinderte sie daran, da jeder ratlos war was nun passieren würde. Sie legte sich in ihr Bett und kauerte sich zusammen. Verloren starrte sie in die Leere. Die beiden Buben versuchten sie vergeblich zurück ins Leben zu holen indem sie sich neben sie legten, ihr ins Ohr flüsterten oder sogar lachend im Bett herum hüpften. Nur Rabea ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken.

Die Dämmerung war längst hereingebrochen als auf einmal Hildur die Tür zu Elea's Schlafzimmer öffnete. Er griff um ihren erschöpften Körper und richtete sie auf. Danach setzte er sich neben sie auf das Bett und lehnte sie an sich.
"Elea, du wunderbares Wesen", sprach er sie sanft an.
Sie rührte sich kaum.
"Was Finjas getan hat war keineswegs richtig, aber du musst verstehen warum er so gehandelt hat. Es war die pure Verzweiflung die ihn zu so einem groben Umgang gezwungen hat", versuchte er seinen Untergebenen zu verteidigen "In diesen Tagen ist der Zweifel und das Misstrauen in die anderen Menschen groß. Es ist nur natürlich, dass er Angst bekommen hat."
Elea blicke nun zu Hildur auf und verharrt einen Moment in seinen Augen: "Was mit mir geschieht ist mir egal. Dein Sohn... ich konnte ihm nicht helfen. Meine Angst vor Finjas war so groß; ich habe nur das nötigste getan." Beschämt blickte sie nach unten.
"Nein, nein. Du hast getan was du konntest. Hildamar ist bereits vor ein paar Wochen verschwunden. Wahrscheinlich hat der Sternenbund ihn entführt und gefoltert. Mein armer Sohn, er wusste von gar nichts", antwortete Hildur. Seine Stimme war gedämpft.
"Es tut mir so leid für dich", sagte sie mitfühlend.

Erst eine Woche später traute sich Elea wieder aus ihrem Bett. Baltur übernahm alle Arbeiten im Haus. Die Kinder ließ er links liegen, aber lange bevor sie hierher kamen lernten sie schon wie sie zu ihrem Essen kamen. Rabea blieb weiterhin verschollen. Die Dunadan wagte es nicht Finjas anzuschauen. Sie ging ihm wieder stets aus dem Weg und wenn sie ihm zufällig doch über den Weg lief, starrte sie schweigend auf den Boden. Eines Tages als Elea in die Küche ging um sich ein Frühstück zu machen, erblickte sie auf der Anrichte den Stern der Dunedain. Jenes wertvolle Erbstück, dass ihr ihr Großvater am Sterbebett überreicht hatte. Elea glaubte es verloren zu haben in der Zeit wo sie an der Grenze des Düsterwaldes nach Helluin gesucht hatte.
Ungläubig griff sie nach dem Schmuckstück. Der saphirblaue Edelstein eingefasst von einem silberglänzenden Stern war unverändert schön. Augenblicklich legte sie ihn an, dabei stellte sich die Frage woher er nun kam...

  Hatte Hildur den Stern als Dankeschön hier gelassen? Aber woher sollte er ihn haben? Oder hat ihn gar Finjas in Moria oder vorher an sich genommen. Aber warum gibt er ihn mir jetzt? Ist das seine Art sich zu entschuldigen? Oh nein, nicht so… garantiert nicht so. Er gibt mir mein Eigentum zurück und glaubt ich nehme seine Entschuldigung an.

Vor lauter Wut beschloss die Dunadan das Haus zu verlassen um nach Rabea zu suchen oder sonst wohinzugehen. Just in diesem Moment fiel ihr ein wo sie nach der Kleinen suchen konnte.
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Re: Bree
« Antwort #14 am: 27. Jan 2019, 19:52 »
Am Markt erkundigte sie sich bei einer ihr bekannten Händlerin wo die Toten hier bestattet werden und wurde von der Frau angewiesen die Straße nach Archet zu nehmen. Nach knapp einer Stunde Fußweg würde sie einen seltsam geformten Grabhügel erreichen. Dieser wurde erst vor knapp einem halben Jahr errichtet sagte die Händlerin dazu.

Ein kalter Schauer lief Elea über den Rücken, als sie diesen riesigen Grabhügel sah. Der Eingang stand offen und war so groß, dass Menschen ohne sich zu bücken reingehen konnten. Dies war sehr ungewöhnlich, da diese Orte nur geöffnet wurden um die Asche der Toten beizusetzen und dies war sehr selten der Fall - zumindest in Friedenszeiten. Voll Ehrfurcht betrat sie den hallenartigen Raum unter dem begrünten Dach. Die Wände waren nicht wie gewöhnlich aus Stein, sondern lediglich aus geglätteter Erde und wurden gestützt von dicken Holzbalken. An der hinteren Wand standen im Schein der Kerzen zahlreiche Urnen aus Holz. Sorgsam las Elea die Namen der Toten die feinsäuberlich in die Gefäße geschnitzt wurden bis sie die eine Gesuchte fand: Hildamar, Hildursohn - Erbe Numenors, ergebener Diener Arnors

"Es ist schon eigenartig", erklang plötzlich eine Frauenstimme aus dem Hintergrund. Elea erschrak und drehte sich um. Unter der Kapuze eines grünen Mantels fixierten graue Augen Elea's Gesicht.
"Wer bist du?", fragte sie und spürte dabei ihr Herz rasen.
"Ich bin Fíriel", gab sie zur Antwort "Und du bist Erelieva stimmts?"
"Woher wisst ihr das?"
"Man hört Gerüchte von dir in der Stadt. Elea, die Bamherzige. So nennen dich die Menschen am Markt. In manch einer Gutenachtgeschichte ist dein Name bereits eine Legende, aber bei uns - die die deinen Namen schon länger kennen - wir wissen wer du bist und was du getan hast."
"Was ich getan habe?", frage Elea verwundert.
"Dein Sohn, er hat uns alle verraten und verkauft und nun ist auch klar warum. Du bist sicher bei ihm gesessen und hast ihm den Verrat eingeflüstert", fauchte die Fremde sie nun an „Bist du hier um dein Werk zu betrachten oder nur um auf Nummer sicher zu gehen?“

Elea war wie gelähmt als sie diese Worte hörte, aber dann entfachte die Wut in ihr:
"Dass du hier stehst und mich eine Verräterin schimpfst!" fauchte Elea zurück und zeigte mit dem Finger auf die Urne von Hildamar "Warst du es nicht, die diesen armen Jungen gefoltert hat bis er nicht mehr auf seinen Beinen stehen konnte um ihn dann zum Sterben auf die Straße zu werfen? Du? Warst du es?"
Bei den folgenden Worten kämpfte Elea bereits mit den Tränen: "Dann warst auch du es, die die Seele meiner kleinen Ziehtochter zerbrochen hat als er in ihren Armen starb und die, die mir diese Wunden zufügte!"
Dabei zeigte sie ihr die Blutergüsse am Handgelenk und Schürfwunden an den Armen.
"und jetzt ist Rabea weg und ich hoffte doch so sie hier zu finden. Aber du, du bist schuld..."

Weinend sackte Elea auf die Knie: "Hast du sie gesehen? Die kalten eisblauen Augen? Die Augen die früher so viel Hoffnung, Zuversicht und Freude ausstrahlten?"
Fragend schaute sie in die grauen Augen der fremden Frau die bereits glasig waren. Sie gab allerdings keine Antwort.
"Du weißt nicht wie es ist in die kalten herzlosen Augen seines eigenen Kindes zu sehen, dass vorgibt dich nicht mehr zu kennen und dass seine Liebe in einen Kerker gesperrt hat tief unten in die dunkelsten Verliese der Welt, dorthin wo selbst die Zeit keinen Weg mehr findet. Ohne zu zögern würde ich mein Leben geben, wenn es meinen Helluin zurückbringen würde."

Das Wimmern Eleas hallte durch dieses Grabmal.

Die fremde Frau ging ein paar Schritte an Elea vorbei. Sie legte zwei ihrer Finger auf ihre Stirn, dann auf ihren Mund und schließlich auf ihr Herz. Dabei wisperte sie ein paar Worte zu sich selbst und legte die Finger sodann auf die Urne von Hildamar. Nach ihrem Gebet sprach sie wieder laut und deutlich:
"Hildamar war unser Verbündeter, ja unser Freund sogar. Nicht wir haben den armen Jungen so zugerichtet, sondern Sarumans Männer. Sein Vater hat entdeckt, dass er sich dem Sternenbund angeschlossen hat. Als ihn Hildur zu seinen Folterknechten brachte hatte er bereits aufklaffende Wunden am ganzen Körper. Wir wissen nicht wie lange er ihn zuhause verprügelt hat, aber er lebte noch als er in den Kerker gebracht wurde. Da siehst du was Saruman aus unseren ehemaligen Freunden gemacht hat. Ich wette er hat seinem Sohn nicht einmal eine Träne nachgeweint. Elender Verräter!"

Nein. Unmöglich. Ein Vater könnte das niemals seinem Kind antun. Sie ist eine Lügnerin! Hildur konnte unmöglich so grausam sein. Aber er hat tatsächlich keine einzige Träne vergossen. Er ist nach so kurzer Zeit schon wieder zu mir gekommen um mich zu trösten. Kann das wirklich wahr sein?

"Es ist schon eigenartig... Die Menschen versprechen uns eine glorreiche Zukunft, Reichtum und eine Ära in deren Vergleich alle vergangenen Königreiche wie ein Abglanz wirken und wir lassen uns ködern und werden zu Verrätern. Aber letztendlich landen wir alle, egal wo und für wen wir kämpfen, in so einem kleinen Krug und werden von den Überlebenden gerühmt oder auch verachtet", die Fremde pausierte ihren Monolog für einen Moment um nachzudenken "Manchmal wünschte ich mir in einer anderen Zeit geboren zu sein, aber darauf habe ich keinen Einfluss. Sehr wohl aber auf den Weg den ich einschlage."

Sie streichelte Elea über den Kopf und das Gesicht zum Kinn und drückte sanft ihren Kopf nach oben: "Der wunderschöne Stern den du hier trägst ist das Symbol unserer Vorfahren und unserer ganzen Familie. Wir sollten alles daran setzen wieder Eine Familie zu werden."
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Eine Infiltration
« Antwort #15 am: 27. Jan 2019, 23:52 »
Aus der Sicht Haleths:


Erelieva!

Der Name hallte in Haleths Gedanken nach, als sie sich durch die belebten Gassen Brees schlängelte, unterwegs zum Versteck ihrer Verbündeten nahe des Nordtores. Sie hatte die Schritte der Frau beschattet, als Erelieva die Stadt verlassen und zu den Grabhügeln gegangen war, doch als Haleth festgestellt hatte, dass Elea tatsächlich die Urne Hildamars besuchte, hatte sie es nicht länger ausgehalten und ihre Gegenwart enthüllt. Das Gespräch war kurz, aber intensiv gewesen, und Haleth hatte dabei zwei Dinge festgestellt: Erelieva schien von Lügnern umgeben zu sein, die die Wahrheit verdrehten, und zweitens schien der gute Ruf, den die Frau in Bree hatte, nicht grundlos entstanden zu sein.

Vielleicht haben wir uns in ihr getäuscht, dachte Haleth. Vielleicht hat sie wirklich ein gutes Herz - im Gegensatz zu ihrem Sohn.

Sie erreichte das Versteck des Sternenbundes. Erst vor fünf Tagen waren sieben Dúnedain aus Fornost hierher gekommen. Unter dem Befehl Avarons, der rechten Hand Belens, hatten sie Bree infiltriert und ihr Lager im Keller einer verlassenen Taverne nahe des nördlichen Tores von Bree aufgeschlagen. Haleth erinnerte sich noch gut daran, wie sie sich hier einst mit Kerry verborgen hatte, als sie vor der Belagerung von Fornost die Lage in Bree ausgekundschaftet hatten.
Die Waldläuferin trat an die mit Brettern wie zugenagelt aussehende Eingangstür und pochte siebenmal dagegen. Ein Vogelruf erklang aus dem Inneren, den sie auf dieselbe Art beantwortete. Ihren grünen Umhang hatte sie dabei eng um Kopf und Schultern geschlungen, denn obwohl es bereits dunkel geworden war, fürchtete sie, entdeckt zu werden. Die Wachen in Bree waren seit ihrem letzten Besuch vervielfacht worden.
Die Tür öffnete sich, und eine starke Hand packte Haleth und zog sie ins Innere. Am Geruch erkannte sie Rilmir und gestattete sich eine kurze, aber zärtliche Umarmung mit ihm. Ihre linke Hand, an der sein Ring mit dem Blütenmuster steckte, pulsierte dabei voller Aufregung. Doch sie zwang sich, ihre Gedanken auf das Hier und Jetzt zu richten.
„Komm,“ raunte Rilmir ihr zu. „Die anderen warten schon auf dich.“ Er eilte voran, die Treppe hinab in den mit steinernen Mauern versehenen Keller der Taverne. Fackeln erhellten das Dunkel des großen Vorratsraumes, den die beiden betraten. Fünf Gesichter wandten sich ihnen zu.
„Haleth,“ sagte Avaron mit einem zufriedenen Nicken. „Was hast du zu berichten?“
„Ich traf Erelieva an den Grabhügeln. Sie kam, um Hildamars Urne zu sehen, wie mir scheint.“
„Du hast dich ihr offenbart?“
„Ich konnte nicht anders, aber ich verhüllte mein Gesicht und nannte ihr nicht meinen richtigen Namen. Ich habe ihr erzählt, was die Schergen Sarumans mit dem Jungen gemacht haben.“
„Wie hat sie darauf reagiert?“ wollte Avaron sofort wissen.
„Sie schien geschockt zu sein und wollte mir erst nicht glauben,“ antwortete Haleth. „Ich hatte das Gefühl, dass man sie über die Untaten ihrer Landsleute größtenteils im Dunkeln lässt. Wenn sie mehr von der Wahrheit erfahren würde... ich glaube, ihre Loyalität ist fragwürdig. Ihre Liebe zu ihrem Sohn steht außer Frage, wie zu erwarten war. Aber seine Entscheidungen verachtet sie, wie es mir scheint.“
„Hm,“ machte Avaron nachdenklich. „Vielleicht bietet sich uns hier eine Gelegenheit, über seine Mutter an Helluin heranzukommen.“
„Das Risiko ist zu groß,“ warf einer der anderen Dúnedain ein. „Dadurch könnte unsere Präsenz hier in der Stadt aufgedeckt werden.“
„Was denkst du, Haleth?“ fragte Avaron. „Glaubst du, Elea würde dich verraten, wenn du ihr vom Sternenbund erzählen würde?“
„Ich bin mir nicht sicher,“ antwortete die Waldläuferin. „Sie ist beliebt beim einfachen Volk. Vielleicht könnte uns das zum Vorteil gereichen. Aber wenn sie gefoltert werden würde, so wie es mit Hildamar geschah...“ Sie wollte den Gedanken lieber nicht zu Ende denken, ganz gleich, was sie von Elea hielt.
„Die Gelegenheit ist zu gut um sie auszulassen,“ meinte Rilmir. „Wenn jemand Helluin zur Vernunft bringen kann, dann doch am ehesten seine Mutter, will ich meinen.“
Haleth nickte. Das war ein gutes Argument, wie sie fand. Doch noch immer gab es zwei Dúnedain, die gegen den Vorschlag sprachen. Schließlich ließ Avaron abstimmen und die Mehrheit stimmte dafür, weiteren Kontakt mit Erelieva aufzunehmen, was erneut Haleth als Aufgabe aufgetragen wurde. Avaron beendete das Treffen und sandte die Dúnedain zurück auf ihre jeweiligen Posten.

In dem kleinen, engen Gebäude bot sich kaum genug Platz für Privatsphäre und Zweisamkeit, weshalb Rilmir und Haleth sich in eine Ecke im oberen Raum zurückzogen und im Flüsterton miteinander sprachen. Nebeneinander sitzend genossen sie die Gegenwart des Anderen.
„Denkst du, Erelieva wird uns helfen wollen?“ fragte Rilmir.
„Ich würde es mir wünschen,“ antwortete Haleth wahrheitsgemäß. „Wenn es ihr wirklich gelingen sollte, ihren Sohn von seinem falschen Weg abzubringen, stehen die Chancen gut, dass unser Traum wahr wird.“
„Die Einheit unserer Familie. Unseres Volkes,“ flüsterte Rilmir.
„Ja,“ hauchte Haleth. „Ich will den Tag erleben, an dem die Dúnedain wieder unter einem Banner vereint sein werden. Und wenn Elea dabei die Schlüsselrolle einnimmt, werde ich dafür sorgen, dass es ihr gelingt. Ich werde bald mit ihr sprechen.“
„Mögest auch du Erfolg haben,“ sagte Rilmir behutsam. „Doch ich frage mich, was dann mit dem Sternenbund geschehen wird. Belen wird seine Führungsrolle wohl kaum abgeben wollen.“
„Nein, und sicherlich nicht an Helluin, selbst wenn dieser zur Vernunft gekommen sein sollte,“ meinte Haleth. „Die Frage nach dem Anführer unseres Volkes wird sich unweigerlich stellen, wenn unser Vorhaben gelingt.“ Sie seufzte tief. „Ich wünschte, Aragorn wäre hier. Er besäße die notwendige Autorität, um die Spaltung der Dúnedain auf der Stelle zu beenden.“
„Aragorn ist fort, Haleth.“ Rilmirs Stimme hatte einen melancholischen Klang angenommen. Jener Klang, in den Haleth sich einst verliebt hatte. „Er ist in den Schatten unerreichbar für uns.“
„Vielleicht nicht für immer. Noch besteht Hoffnung,“ antwortete Haleth.
„Du hast Recht. Wir dürfen niemals aufhören, zu hoffen.“
Bis der Stern der Dúnedain wieder an seinem rechtmäßigen Platz aufleuchtet und Licht in die Finsternis bringt, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Schlaf ein wenig, meine Liebe,“ sagte Rilmir kurz darauf. „Ich übernehme die erste Wache.“
Haleth gähnte und machte es sich, so gut es ging bequem. Das Leben in der Wildnis hatte sie abgehärtet, weshalb sie beinahe überall schlafen konnte, doch gegen ein weiches Bett hätte sie nichts einzuwenden gehabt. Mit den Gedanken auf ihre nächste Begegnung mit Erelieva gerichtet schlief sie auf Rilmirs Schoß ein.
« Letzte Änderung: 28. Jan 2019, 07:23 von Fine »
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Re: Bree
« Antwort #16 am: 28. Jan 2019, 22:30 »
Nächtelang nach diesem Ereignis im Grabhügel lag Elea wach. Sie dachte an diese mysteriöse Frau und ihre Worte. Wem sollte sie nun vertrauen? Hildur behauptete der Sternenbund hätte seinen Sohn gefoltert, Firiel jedoch behauptete genau das Gegenteil. Aber Elea konnte sich um keinen Preis dieser Welt vorstellen, dass der Vater seinen eigenen Sohn umbringen konnte. Niemand konnte aus ihrer Sicht so grausam sein.

Darüber hinaus machte sie sich weiterhin große Sorgen um ihre kleine Rabea. Sie saß gerade mit den beiden Jungen in der alten Gaststube, stütze sich mit ihrem Ellenbogen auf die Tischkante und der Kopf lag in ihrer Hand. Elea dachte über jenen Abend nach als Rabea weglief und augenblicklich war die Wut auf Finjas wieder da. Gleichzeitig hatte sie auch Angst vor ihm.
„Schau mal, ein Ork“, rief der kleine Aldred und riss sie damit aus ihren Gedanken. Er zeigte ihr eine Kritzelei, die er auf ein Stück Pergament gemalt hatte. Elea lobte den Jungen für sein Kunstwerk. Wie gewöhnlich ging auch an diesem Abend die Tür nach draußen auf und die schweren Schritte von Finjas waren zu hören. Elea zwang sich ihre Aufmerksamkeit bei den Buben zu lassen.

„Schau“, rief Madal freudestrahlend und zeigte mit dem Finger zur Tür. Neugierig schaute Elea nun zur Tür und sah an der Hand von Finjas die von Schmutz bedeckte Rabea. Ohne zu zögern stand sie auf und lief zu ihr. Sie umarmte sie ganz fest und küsste ihr auf die verschmierte Stirn.
„Wo warst du denn?“, fragte Elea. Sie bekam aber keine Antwort.

Sie ging mit dem Mädchen nach oben, um sie zu baden und von dem Schmutz zu befreien. Sie half ihr aus ihrem Kleid und wickelte sie in eine dicke Decke. Als sie aus dem Waschraum hinausging, um warmes Wasser aus der Küche zu holen, stolperte sie beinahe über die befüllten Eimer vor die Tür. Finjas hatte sie bereits befüllt und die Treppe heraufgetragen.

Behutsam säuberte sie den Körper der Kleinen und begann eine Unterhaltung mit ihr:
„Ich bin froh, dass du wieder da bist Rabea. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht“, leitete die Dunadan ein und erntete ein dankbares Nicken.
„Wo warst du denn solange?“
„Ich habe mich versteckt. Hin und wieder ging ich auf die Straße und habe geschaut ob ich dich finde. Aber hierher habe ich mich nicht getraut“, gab das Mädchen zur Antwort.
Elea sah ihr reumütig in die Augen: „Das tut mir so leid. Weißt du, auch ich habe mich versteckt.“
„Ich weiß!“, erwiderte sie leise.
„Hat Finjas dir weh getan oder?“
„Nein! Er hat mich heute am Marktplatz erwischt. Ich wollte mir nur etwas zu Essen holen und er hat mich erwischt. Ich hatte am Anfang so viel Angst. Aber er bezahlte das Brot, dass ich mir einfach genommen hatte“, sagte die Kleine beschämt „Und er hat gesagt ich soll nachhause kommen, weil es falsch war was er gemacht hat.“
Elea war sehr erstaunt über diese Geschichte.
„Warum hat er das getan, Mama Elea?“, frage sie.
„Weißt du mein Schatz, auch er hat Angst“, antwortete die Dunadan.

In dieser Nacht kuschelte sich Rabea wieder in Eleas Bett und seit längerem hatte die Dunadan wieder einen ruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen als Finjas die Gaststube betrat, stand sein Frühstück bereits auf dem Tisch. Überrascht blickte er auf die liebevoll zubereitete Speise.
„Setz dich“, bat ihn Elea „Es ist für dich.“
„Danke“, entgegnete er kurz und versuchte ein dankbares Lächeln aufzusetzen.
Die Dunadan setzte sich gegenüber an den Tisch: „Danke, dass du sie gesucht und zurückgebracht hast.“
Er nickte: „Sie war ja meinetwegen weg.“
Dass Finjas die Kleine gefunden hatte, war Entschuldigung genug für sie. Sie gab alles um diesen Morgen zu vergessen und wieder Normalität einkehren zu lassen. Ein Thema musste sie mit Rabea aber noch besprechen. Der geeignete Moment dazu ergab sich bald nach einem Mittagessen. Die beiden Jungen waren gleich wieder nach draußen gegangen um die paar Sonnenstrahlen des Tages zu nutzen und Rabea half beim Abwasch.

„Rabea?“, begann Elea.
„Ja.“
„Damals, als du Hildamar hierhergebracht hast, sagtest du, dass du ihn kennst.“
Wie ertappt schaute die Kleine ihre Ziehmutter an: „Ja“
„Woher kanntest du ihn?“
„Ich habe ihn gleich nach unserer Ankunft hier kennen gelernt. Wir haben uns oft in der Dämmerung getroffen. Meistens kam er vom Abendessen und brachte mir ein paar Rest mit. Er hatte meistens nicht viel Zeit und musste gleich weiter, irgendwohin.“
„Und das wars dann?“
„Nein“, gab das Mädchen gleich zu „Vor ein paar Wochen habe ich ihn dann in der Nähe vom Markt gesehen. Er hatte ganz schmutzige Kleider und hockte seitlich versteckt an einer Hauswand. Ich habe mich zu ihm gesetzt und mit ihm geredet. Er fragte wie es mir geht, wo ich jetzt wohne und ob ihr eh nett zu mir seid. Er freute sich sehr als ich ihm die Geschichten von dir erzählte. Dass Finjas so nett war, konnte er zunächst kaum glauben.“
„Warum hast du ihn nicht hergebracht?“, frage die Dunadan.
„Das wollte ich. Aber obwohl ich mehrere Male bitte gesagt habe hat er abgelehnt. Er sagte, er hat kein zuhause mehr und würde ohnehin nicht mehr lange hier sein. Ich war dann ganz traurig.“
„Das glaube ich dir. Hast du ihn dann nochmal getroffen?“
„Nein. Dann fand ich ihn schon an diesem Abend. Es war in der Nähe vom Gasthaus zum tänzendeln Pony.“

Also war es wahr. Die fremde Frau, Fíriel, hatte ihr die Wahrheit gesagt über Hildur. Er hatte seinen eigenen Sohn auf dem Gewissen. Kein Wort konnte sie mehr mit diesem Ungeheuer wechseln. Als sie daran dachte, dass sie sich bei ihm entschuldigt, ihn umarmt und angehimmelt hat wurde ihr ganz schwindlig. Letztlich konnte sie sich aber dann doch gleich wieder fangen.

„Und du hast ihn bis hierher gebracht?“, frage Elea erstaunt.
„Ja.“
„Du bist ein tapferes Mädchen“, sagte Elea „Dank dir hatte er wenigstens noch einen Hauch von Chance zu überleben.“
Ein stolzer aber trauriger Blick kam von dem Mädchen.
„Sag mir bitte noch, als ihr euch kennen gelernt habt; wo war denn das?“, frage die Dunadan abschließend.
„Damals trieb ich mich meistens im Norden der Stadt herum. Da waren am wenigsten Wachmänner unterwegs.“
„Kluges Kind!“
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Re: Bree
« Antwort #17 am: 2. Feb 2019, 11:57 »
Hurtig wusch sich Elea am nächsten Morgen und zog sich an. In kürzester Zeit richtete sie ein dürftiges Frühstück für Finjas und die Kinder, nahm sich einen Happen Brot und lief auf die Straße hinaus.
Als sie das Haustor schloss griff sie in ihre Tasche und holte ein weißes Tuch heraus. Sie öffnete es behutsam bis der Stern der Dunedain ihr entgegenstrahlte. Sie legte die Kette um den Hals und ging Richtung Norden.

In dieser schlaflosen Nacht hatte sie beschlossen irgendwie Kontakt zu der Frau aufzunehmen. Sie wollte mehr erfahren, denn scheinbar hatte Hildur – das Scheusal – auch Feinde hier in Bree. Das Problem war nur, wie würde sie Firiel wiederfinden? Sie würde wohl kaum auf der Straße herumlaufen und sie ansprechen. Zum Grabhügel zurück würde sie ebenfalls nur in letzter Not gehen.

Am Nordtor angekommen fiel ihr nichts sonderlich Auffälliges auf. Weder in den Gassen noch in den Fenstern der Häuser war etwas zu sehen. Die Taverne nahe dem Nordtor war wie alle Gasthäuser verbarrikadiert und geschlossen.

„Frau Erelieva“, kam ihr auf einmal ein aufmerksamer Wachmann entgegen.
Elea erschrak und fühlte sich ertappt. Darüber hinaus war sie verwundert, dass er ihren Namen kannte.
„Was macht ihr hier? Wonach sucht ihr?“, frage er neugierig.
Die Dúnadan war leicht nervös, konnte aber zum Glück schnell eine plausible Antwort finden: „Die beiden Jungen sind abgehauen als ich zum Markt gehen wollte.“

Als sie mit dem Wachmann sprach, fiel ihr Blick auf das Eckhaus hinter ihm gleich neben dem verbarrikadierten Gasthaus. Zur Hauptstraße hin hatte es eine große, mit Brettern vernagelte Luke. Daneben begann eine steinerne Arkade die sich um die abgeschrägte Ecke des Hauses schlängelte. Genau in der schrägen Kante befand sich das Haustor neben dem klar und deutlich eine Prägung zu erkennen war: ein Wappen.
„Dieses Haus?“, stotterte sie und der Wachmann drehte sich um.
„Ja, das alte Handelshaus“, antwortete er.
„Ist es bewohnt?“
Plötzlich ertönte ein lauter Ruf vom Stadttor: „Öffnet das Tor!“
„Ich muss wieder auf meine Posten. Aber nein, es war nie bewohnt. Und ich bin immerhin hier geboren“, gab er zur Antwort.
„Danke“, entgegnete sie leise und ging zu dem Gebäude. Als sie die Arkaden erreichte, kam ihr ein modriger Geruch entgegen aber das hielt sie nicht auf im Schatten des alten Gemäuers zu verschwinden.

Es war ein kurzer Blick in die Vergangenheit für Elea, als sie über das Wappen der Bachor Erthad Andúnië strich. Es waren schöne Erinnerungen an Brianna ihre Freundin, vertraute an ihren Beschützer Doreal, abscheuliche an Herumor ihren Unterdrücker. Sie erinnerte sich an die Geschichte über die Handelsgilde und über die Selbstlosigkeit der Händlerfamilien, die vielen das Leben retteten ehe Numenor für immer versank.

Die Tür klemmte ein wenig ließ sich aber dann doch öffnen. Vor ihr tat sich ein dunkler Vorraum auf. Die Wände waren kahl, auf dem Boden lagen umgekippte Stühle und in der Ecke stand eine morsche Kommode. Aus diesem Vorraum gingen zwei Türen. Eine nach rechts. Elea betrat diesen Raum in dem mittig ein großer Schreibtisch aus Holz stand. An den Wänden waren dunkle, leergeräumte Holzregale. Links von ihr war noch eine schmale Tür. Durch den Türspalt erspähte sie ein Bett in einem fensterlosen Raum. Sie wollte ihn lieber nicht betreten.

Der Raum links vom Vorraum war ein größerer leerer Raum. Hier war die Luke die auf die Hauptstraße zum Nordtor hinaus führte. An der hinteren Wand war eine breite Treppe nach oben. Sie folgte ihr und kam in einen einzigen großen Lagerraum. In einer Ecke standen noch einsam einige Kisten die mit Büchern befüllt waren. Sorgsam nahm sie eines davon heraus. Sie schlug es auf und blickte auf alte Karten Eriadors. Es waren noch die drei Reiche Arnors eingezeichnet.

„Erelieva“, flüsterte ihr jemand plötzlich zu. Elea war so erschrocken, dass ihr das Buch aus der Hand fiel. Sie schaute augenblicklich zum Treppenaufgang, doch da war niemand.
„Hier bin ich“, sagte die Stimme wieder.
Erst jetzt fiel ihr der Schatten hinter einem der Fenster auf. Sie ging eilig hin und erkannte sogleich Fíriel: „Wie kommst du hier herauf?“ fragte sie verwundert.
„Über das Dach des Nachbarhauses. Ich habe dich beobachtet wie du mit dem Wachmann gesprochen hast. Sie haben ein Auge auf dich geworfen.“
„So wie du? Bist du eigentlich immer hinter mir her?“
„Meistens“, antwortete Fíriel ehrlich.
„Wieso?“, fragte Elea.
„Viele meiner Freunde kennen dich von früher. Sie schätzen dich und wir alle hoffen, früher oder später, dass dein Sohn irgendwann zur Vernunft kommt und sich für sein Volk entscheidet und nicht immer wieder für Saruman.“
„Da muss ich euch enttäuschen“, sagte Elea und versuchte die Traurigkeit hinunterzuschlucken „Ich habe meinen Sohn gesehen, mehrmals; aber ich erreiche ihn einfach nicht.“ Tränen flossen über Eleas Wangen: „Und ich weiß einfach nicht mehr wo ich nach dem kleinen Helluin, den ich kannte, suchen soll.“

Schweigen trat zwischen die beiden Frauen. Elea kniete sich auf den Boden, setzte sich auf ihre Fersen und hob das Buch auf, um es in die Kiste zurück zu legen. Mitten in der Bewegung stockte sie, ließ das Buch auf ihre Knie sinken und hielt es weiterhin fest.

„Wie war er?“, frage Elea dann und schaute in das fragende Gesicht Fíriels.
„Wer? Helluin?“
„Nein, Hildamar. Erzähle mir von ihm, bitte.“
„Hildamar?!“, frage sie nun überrascht „Aber natürlich. Hildamar war ein mutiger Junge, wobei man eher Mann sagen sollte bei dem was er geleistet hat. Er hatte sicherlich mehr Mut als so mancher Soldat in vorderster Reihe. Und er war immer so fröhlich, er brachte uns zum Lachen… egal wie furchtbar und trostlos die Situation schien.“
Ein sanftes Lächeln legte sich auf das Gesicht der fremden Dunadan. Offensichtlich erinnerte sie sich an ein Erlebnis mit dem jungen Mann.

„Hildur’s Auftrag war es die Entwicklungen in Bree zu verfolgen und Bericht an Saruman zu erstatten. Er war eine Art Stabstelle neben dem Statthalter und den Ältesten. Lief etwas nicht nach den Vorstellungen Sarumans, so erstattete er sofort Bericht und ein paar Tage später sind ein paar Leute spurlos verschwunden.
Zu diesem Zweck suchte er sich ein Haus direkt am Marktplatz, gleich gegenüber dem Ratshaus. Die Familie die es seit mehreren hundert Jahren bewohnte, musste ihm natürlich weichen. Sie wurden lange Zeit nicht gesehen. Bereits ab diesem Zeitpunkt wandte sich sein Sohn von ihm ab, da er diese Ungerechtigkeit nicht ertrug.“

„Wenn ich sehe was, Sarumans Worte mit Helluin gemacht haben, wundert es mich nicht, dass auch Hildur sich so verändert hat und so grausam wurde“, warf Elea ein.
„Ich weiß es nicht wie mächtig dieser Zauber ist, aber ich glaube tiefsten Herzens daran, dass es noch wirksamere Mächte gibt die diesen Zauber Sarumans brechen können. Ich sehe es ja bei meinen Freunden, aber bei Hildur bin ich mir nicht sicher.“
„Wieso? Ich kenne ihn schon lange, er war stets ein sehr zuvorkommender und höflicher Mann“, antwortete Elea.
„War er das? Vielleicht nur zu dir und deinesgleichen. Du entstammst einem hohen Hause, er aber nicht. Daher war ihm der Weg in den Stammesrat der Dunedain immer verschlossen. Egal wie sehr er sich auch bemühen würde, es fehlte ihm ein ruhmreicher Name. Wut und Verbitterung waren sicherlich immer sein Begleiter, auch wenn er dies hinter seiner Maske verbarg. Der Zauber Sarumans hat dies sicher noch genährt, wenn man bedenkt was er seinem eigenen Sohn angetan hat.“

„Und du, und deine Freunde?“, frage Elea nun „Ihr seid die Befreier von Fornost, Bree oder gar von ganz Eriador?“
„Wir glauben an das Volk der Dunedain und an die freien Völker Mittelerdes“, antwortete Fíriel „Ich glaube daran, dass wir stärker sind als uns zugetraut wird, ja sogar als wir uns selbst zutrauen. Lange verbargen wir uns in den Wäldern und fürchteten unsere Vergangenheit, aber was diese Zeit uns abverlangt ist Einheit und Zusammenhalt… und Freundschaft. Einmal schon wurde unser Volk entzweit und es führte zum Untergang unserer Welt. Es liegt an uns, dass dies nie wieder geschieht.“

Nach diesen Worten schwieg Elea.

„Ich muss nun wieder gehen, meine Liebe. Hier können wir uns wiedersehen, wenn du es wünscht. Falls du nicht gesehen werden möchtest, das Fenster zur Seitengasse ist nie verschlossen. Ach und ehe ich es vergesse:“, die fremde Dunadan versuchte sich zu etwas zu überwinden „Mein Name ist Haleth.“
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Re: Bree
« Antwort #18 am: 3. Feb 2019, 23:09 »
Elea saß noch lange auf dem Boden des Lagerraumes und grübelte über den Karten Arnors und über das Gespräch mit Haleth. Als sie schließlich nach Hause ging war es bereits spät am Nachmittag. Finjas war wie immer nicht zuhause, nur die Kinder spielten fröhlich Verstecken in der Gaststube.

Elea war etwas planlos wie sie nun vorgehen sollte. Sie glaube Haleth grundsätzlich die Geschichte über Hildur, aber sie war nicht bereit blind der anderen Seite zu folgen. Oft genug war sie in diese Falle getappt.

Am nächsten Tag als sie in der Küche stand dachte sie über ihre nächsten Schritte nach, wobei sie keine Ahnung hatte was sie nun tun sollte. Plötzlich kam Finjas die Treppe herunter. Ohne ein Wort von sich zu geben, zog er sich seinen Mantel über und ging in Richtung Tür.
„Warte“, rief ihm Elea nach „Willst du heute gar nichts essen?“
„Nein, ich muss zu Herrn Hildur“, antwortete er nur kurz und bündig.
Kurzerhand und ohne viel über die Folgen nachzudenken rief sie ihm nach: „Warte Finjas, darf ich dich begleiten?“
Überrascht blieb er stehen und schaute zu der Dunadan.
„Wozu?“, antwortete er misstrauisch.
Blitzartig versuchte sie eine unauffällige Begründung zu finden: „Ich möchte sehen wie es ihm geht... wegen dem was mit Hildamar passiert ist.“
Nach einem prüfenden Blick stimmte er dem ganzen zu und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Marktplatz.

Hildur’s Haus stand genau gegenüber dem Marktplatz. Es war verhältnismäßig groß für die Häuser aus Bree. Die Tür war aus solidem und dunklem Holz. Im ersten Stock gab es ein großes Erkerfenster mit viel buntem Glas.
Finjas betrat nachdem er geklopft hatte einfach das Haus. Im Vorraum nahm er die erste Tür auf der rechten Seite und setzte sich auf einen Stuhl in dem Raum. Das Zimmer erinnerte sie sehr an die Feste der Dunedain. Dorthin hatte Aragorn oft seine engsten Vertrauten eingeladen um sich mit ihnen zu beraten. Elea musterte die Regale an der Wand hinter Finjas Stuhl und las aufmerksam die Buchrücken, wie sie es immer tat.
Nach kurzer Zeit hörte sie laute Tritte auf der Holzstiege. Sie drehte sich um, platzierte sich hinter Finjas und legte ihre Hand auf seine Schultern, was ihn leicht zusammenzucken ließ.

„Finjas mein Freund“, sagte Hildur beim Hereinkommen und erblickte da erst Elea „und einen schönen guten Morgen auch an dich Elea!“
Nach einer kurzen Pause setzte er fort: „Es überrascht mich sehr dich hier zu sehen. Was führt Dich denn zu mir?“
Elea versuchte ihr mitfühlendstes Gesicht aufzusetzen: „Ich wollte nach dir sehen, wie es dir den geht in dieser schwierigen Zeit.“
„Das ist sehr liebenswürdig von dir. Es ist gut, dass ich derzeit so wenig Zeit habe darüber nachzudenken“, er senkte seinen Blick auf den Schreibtisch „Hildamar fehlt mir sehr.“

In Eleas Kehle bildete sich ein großer Kloß. Am liebsten würde sie dieses verlogene Scheusal anschreien bis ihre Stimme versagen würde.
„Geh doch nach oben zu Fiona. Sie soll uns einen Tee zubereiten, dann können wir uns im Anschluss ein wenig austauschen.“
Um nicht auffällig zu erscheinen folgte sie seinen Anweisungen und verließ den Raum. Oben angekommen fand sie eine junge Frau vor. Sie hatte dunkles Haar und grau-grüne Augen.
„Hallo, ich bin Elea“, stellte sich die Dunadan vor „Du bist Fiona?“
Die junge Frau nickte eingeschüchtert.
„Hildur möchte, dass du Tee für uns zubereitest“, sagte Elea knapp und das Mädchen verschwand augenblicklich in der Küche. Es dauerte keine zehn Minuten bis sie mit einem Tablett aus der Küche kam um nach unten zu verschwinden. Wie vom Blitz getroffen ging Erelieva einen Schritt auf sie zu: „Ich danke dir. Ich werde es nach unten bringen.“
Fiona schaute sie verunsichert an: „Ist Finjas da?“
„Ja“, bestätigte Elea und löste damit ein trauriges Gesicht bei ihrem Gegenüber aus, aber wortlos übergab sie das Tablett.

Die Dunadan ging so leise es möglich war treppab und blieb vor der Türe stehen. So gut es ging versuchte sie dem Gespräch zu lauschen.

„…musst dort sein. Übermorgen Nacht werden sie ankommen“, hörte sie die Stimme Hildurs.
Finjas antwortete sicherlich nur mit einem Nicken.
„Aber dann? Ich möchte die Waffen nicht lange hier in Bree wissen. Es ist zu unsicher hier, noch immer gibt es viele die sich gegen die weiße Hand auflehnen. Was meinst du, der Grünweg: ist er sicher?“
Erstmals antwortete Finjas mit Worten: „Wenn du es riskieren willst? Für meinen Geschmack führt der Weg zu nahe an Fornost vorbei.“
„Du hast absolut Recht. Mhmmm… was können wir tun? Ich weiß, schicke nach Arik. Vielleicht kann er uns mehr dazu sagen oder eine günstige Alternative vorschlagen.“
„Ich werde sofort selbst zu ihm reiten“, antwortete Finjas kurz und bündig.
Um einem vorzeitigen Öffnen der Tür zuvorzukommen, klopfte Elea nun. Die Männer verstummten augenblicklich.
„Hier ist er schon der Tee“, sagte Elea ungestüm.
„Ach du bringst ihn gleich hierher!“ entgegnete Hildur erstaunt „Ich dachte wir trinken ihn oben.“
„Oh, das wusste ich nicht. Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Aber nein Elea, ich entschuldige mich. Das nächste Mal werde ich mich etwas klarer ausdrücken.“
„Wenn ihr aber noch nicht mit eurer Besprechung fertig seid, ich… ich müsste noch auf den Markt ehe alle guten Sachen weg sind. Ich hatte gehofft, dass es etwas schneller gehen würde.“
„Aber natürlich. Eine ‚Mutter‘ muss sich ja um ihre Kinder kümmern. Geh ruhig Elea, wir werden unser Gespräch ehest möglich nachholen und ich danke dir für deine aufrichtige Anteilnahmen“, sagte Hildur und stand bei der Verabschiedung auf.

Elea verließ das Haus. Sie war sehr aufgeregt über diese Neuigkeiten. Augenblicklich wollte sie in das Lagerhaus laufen um es Haleth mitzuteilen. Dann aber überkam sie die Vernunft. Es war wichtig zuerst ihre Gedanken zu sortieren und zum Markt zu gehen. Finjas würde Verdacht schöpfen, wenn nun nichts zu essen zuhause war.
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Re: Bree
« Antwort #19 am: 10. Feb 2019, 21:31 »
Finjas kam allerdings an diesem Abend nicht nachhause. Sie hatte den drei Kindern eben zu essen gegeben und Rabea mit den beiden Jungen nach oben geschickt. Das Mädchen hat ihnen noch beim waschen geholfen und ihnen eine Geschichte vorgelesen. Sie waren längst wie richtige Geschwister.

Erst im Anschluss kam Rabea herunter und setzte sich zu Elea an den Tisch:
„Alles in Ordnung, Mama Elea?“, frage sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck.
„Ja meine Kleine“
„Woran musst du denken? An Hildamar?“
„Ja, auch an ihn. Eine Freundin hat mir erzählt, dass er ein mutiger junger Mann war. Mutiger als wir es je sein könnten“, antwortete die Dunadan und hatte ein hauchdünnes Lächeln auf den Lippen.
„Wir sind auch mutig“, entgegnete die Kleine mit einem verschmitzten Lächeln.
„So, sind wir das? Ich weiß nicht ob ich jemals so mutig sein könnte um mich gegen mein Kind zu stellen. Hildamar hat das gemacht, er hat gegen seinen Vater gekämpft und auch umgekehrt.“
„Ich weiß. Aber es war richtig. Sein Vater ist kein guter Mann. Hildamar hat mir erzählt, dass er dieses Mädchen im Haus schlägt, wenn es nicht tut was er will und er sperrt sie über Nacht ein!“
Aufmerksam lauschte Elea den weisen Worten eines kleinen Mädchens.
„Hätte mein Vater so etwas getan, ich hätte glaube ich das gleiche getan wie Hildamar. Aber er war zum Glück immer lieb, mein Papa. Er hat mich ein einziges Mal geschlagen, aber gleich danach kam er wieder zu sich und hat sich bei mir entschuldigt. Und er hat dabei geweint.“
„Dann hat er es bitterlich bereut. Ich glaube nicht, dass Hildur es bereut. Zumindest hat er keine Tränen vergossen“, eine eisige Kälte kroch ihren Rücken hinauf bei dem Gedanken daran: „Ich möchte mir gar nicht vorstellen wie es ist sich gegen seine eigene Familie zu stellen.“
„Mein Papa hat mich auch damals geschlagen obwohl er es nicht wollte. Manchmal passiert so etwas einfach, aber wenn es ihm leid tut ist es gleich viel weniger schlimm.“
„Glaubst du, dass ich mutig genug bin mich gegen mein eigenes Kind zu stellen?“, frage sie nun angsterfüllt dieses kleine Mädchen vor sich.
„Helluin, ist er wirklich so böse wie alle sagen?“, frage sie.
„Nein, eigentlich nicht. Er war immer ein so fröhliches Kind. Nie gab er eine ruhe und musste sich immer beschäftigen. Er hat mit seinem Vater stundenlang herumgetobt und mit ihm kämpfen geübt, so als würde er gegen eine Horde Orks und Bergtrolle kämpfen. Niemals konnte er einem Menschen schaden zufügen der ihm nichts getan hatte.“
„Und denkst du er bereut alles was er getan hat?“, hakte die Kleine nach.
„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es inständig.“
„Mama hat immer zu mir gesagt, dass Papa so furchtbar traurig ist darüber was passiert ist und dass er verspricht es nie wieder soweit kommen zu lassen. Sie sagte dann, dass ich ihm immer vertrauen kann, weil er mit gutem Beispiel voran geht und uns den Weg zeigt.“
„Wie kann ein so kleines Mädchen - wie du es bist - schon so weise und klug sein?“ sagte Elea mit einem Lächeln auf den Lippen „Also werde ich meinem Sohn mit gutem Beispiel voran gehen und hoffen, dass er mir folgen wird?!“

Am nächsten Tag war Finjas noch immer nicht zurückgekehrt. In der Nacht hatte sie beschlossen Rabea mitzunehmen in das Handelshaus und sie mit Haleth bekannt zu machen. Diesem Plan folgte sie am nächsten Morgen. Über die kleinen Seitengassen schlichen sie sich zu dem Haus und stiegen über das Fenster hinein. Sie folgten der Treppe nach oben.

Als Elea sie auf die Bücher in der Kiste aufmerksam machte, lief sie aufgeregt dorthin um jedes einzelne von ihnen durchzublättern. Es dauerte keine halbe Stunde ehe Haleth am Fenster auftauchte und den großen Lagerraum betrat.

„Guten Tag“, begrüßte Haleth sie.
„Hallo“, entgegnete Elea ebenfalls aufgeregt.
„Firíel?“, stieß Rabea überrascht heraus als sie den Ankömmling sah. Sie ließ das Buch fallen und stürzte auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen. Behutsam strich ihr Haleth über den Kopf.
„Du kennst sie?“, fragte Elea überrascht.
„Ja! Sie hat mir früher oft geholfen, falls mich die Markthändler beim Stehlen erwischt haben oder wenn ich draußen alleine im Dunklen war“, antwortete das Mädchen und hatte feuchte Augen dabei.
„Das habe ich“, bestätigte Haleth „Und weißt du wer mich darum gebeten hat? Hildamar. Seit eurer ersten Begegnung wusste er, dass du etwas ganz Besonderes bist und dass du wahrscheinlich noch das ein oder andere Mal Hilfe benötigen wirst ehe du alleine deinen Weg beschreiten kannst.“

Die Kleine lächelte nun die Frau in ihren Armen an.
„Und bitte Rabea, nenne mich Haleth – bei meinem richtigen Namen.“
Das Mädchen nickte verstehend: „Also gehörst du auch zum Sternenbund?“
„Sternenbund?“, fragte Elea und neugierig.
„So ist es und ja, so nennen wir uns. All jene die wir Saruman’s Fluch entkommen sind und für unser Volk kämpfen. Belen ist unser Anführer und ihm folgen wir.“
„Belen? Das überrascht mich, wobei: er war stets ein aufrichtiger, prinzipientreuer und mutiger Mann. Er war ein guter Anführer wie Aragorn und ein guter Kämpfer, so sagte man.“
„Das IST er allerdings“, bestätigte Haleth und schloss stolz an „Fornost ist unser Sitz, den wir stets zu verteidigen wissen.“
„Dies erklärt nun, warum der Grünweg so gefährlich ist“, entgegnete Elea und erinnerte sich an die Unterhaltung zwischen Finjas und Hildur. Sie erzählte Haleth alles was sie gehört hatte in der Hoffnung, dass sie eine Logik darin erkannte.

„Ich verstehe! Saruman schickt Waffen nach Carn Dum um seine Armee wieder zu bewaffnen. Er muss den Weg über Bree gehen, da er weder zu Nahe an Gundabad gelangen darf noch an Fornost. Wir müssen es auf jedenfalls verhindern, dass Carn Dum an Waffen gelangt, die Bedrohung aus dem Norden ist so schon bedrückend genug.“
„Er erwähnte auch noch einen Arik. Er würde eventuell Alternativen wissen“
„Arik? Er ist der Ältestenrat aus Archet und für das gesamte Breeland zuständig. Es gibt alte Pfade die von Archet durch den dichten Chetwald führen, vielleicht möchte Hildur das wissen. Es muss jedenfalls alles schnell gehen, da der Norden Eriadors sehr umkämpft ist. Danke Elea, damit hast du uns sehr geholfen. Diese Informationen sind sehr beängstigend, aber es ist nun gut, dass wir davon wissen. So können wir den Feind vielleicht daran hindern in Bälde wieder zu erstarken. Ich muss sofort Bericht erstatten. Heute Nacht müssten die Waffen ja bereits hier eintreffen und dann kann es nicht lange dauern bis ihre Reise weitergeht.“
Haleth gab Rabea einen Abschiedskuss auf die Stirn, nickte Elea zu und verschwand wieder durch das Fenster
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Re: Bree
« Antwort #20 am: 22. Feb 2019, 22:30 »
„Was sagst du Rabea, können wir Haleth vertrauen?“, fragte Elea nun als sie alleine waren und hoffte auf die stets aufrichtige Antwort eines Kindes.
„Sie war immer sehr nett zu mir, lange schon bevor ich dich und Finjas oder sonst jemanden hier kannte“, gab sie zur Antwort.

Haleth scheint es also ehrlich zu meinen oder sie hatte nur Mitgefühl. Aber das ist ja auch ein gutes Zeichen. Verräter wie Hildur hätten kein Mitgefühl für Menschen die ihnen nicht in irgendeiner Form von Nutzen sind. Kann ich ihr vertrauen? Ja, ich vertraue ihr… und hoffe, dass ich mich nicht täusche

Gemeinsam verließen sie das Haus wieder über das Fenster und gingen nach einem kurzen Abstecher zum Markt gleich wieder zurück in das Gasthaus.

An diesem Nachmittag kehrte Finjas zurück. Er hatte einen mittelgroßen, braunhaarigen Mann im Gepäck. Er hatte krauses Haar und Elea schätzte ihn auf 40 bis 45 Jahre, was einem guten Alter in Bree entsprach.
„Hier kannst du heute schlafen“, sagte Finjas als sie hereinkamen „Sie wird dir ein Bett zurecht machen.“
„Zeig ihm sein Zimmer!“, befahl er Elea „Arik soll sich noch sein Gesicht waschen ehe Herr Hildur kommt.“
Elea musste sich bemühen ihre Aufregung versteckt zu halten. Sie konnte kaum glauben, dass Hildur hierher kam um seine Angelegenheiten zu besprechen. Es konnte kaum eine bessere Möglichkeit geben das Gespräch zu belauschen.
„Natürlich“, sagte sie unterwürfig und ging sofort die Treppe hoch. Arik folgte ihr. Als sie das Zimmer betraten legte er einen großen Lederbeutel mit dem Reisegepäck auf das Bett. Elea holte vom Flur noch einen Eimer mit frischem Wasser und stellte ihn neben den Waschtisch.
„Ich werde später dein Bett zurecht machen“, sagte sie „Zuerst bekommst du etwas zu essen. Nach diesem langen Marsch musst du sehr hungrig sein.“
Arik bedankte sich als sie das Zimmer verließ und sich auf den Weg in die Küche machte.

So langsam sie konnte bereitete sie das Essen in der Küche zu. Von hier aus würde sie das Gespräch gut belauschen können, aber Hildur kam und kam nicht. Bevor es absurd erschien, dass sie so lange mit der Essenszubereitung brauchte, stellte sie ihnen das Essen auf den Tisch.
Als sie zurück in die Küche gehen wollte, bemerkte sie Rabea auf einem Tisch in der Ecke. Sie blätterte in einem Buch und als Elea sich zu ihr setzte, klopfte es plötzlich an der Tür und sie öffnete sich von außen. Erwartungsgemäß trat Hildur herein und setzte sich an den Tisch der Männer. Er begrüßte Elea und Rabea freundlich, dabei drehte sich Finjas zu ihnen um und warf den beiden einen misstrauischen Blick zu.

„Sollen wir gehen?“, frage Elea so unschuldig sie konnte und hoffte inständig, dass Hildur’s übertriebene Höflichkeit ihr Gegenüber ein Nein auf seine Lippen zauberte.
„Ihr könnt gerne bleiben“, gab er zur Antwort. Glück gehabt
Elea tat so als ob sie sich in das Buch mit Rabea vertiefte: „Wir müssen so tun, als ob wir das Buch anschauen und lesen“, flüsterte sie zu dem Mädchen die nur ganz vorsichtig nickte.

 „Arik mein Freund. Wie geht es dir denn und deiner wunderhübschen Frau? Es ist lange her, dass ich sie gesehen habe.“
„Das ist es in der Tat und ich wünsche auch, dass es so bleibt“, antwortete Arik aufrecht.
„Ach, nach Archet verschlägt mich nichts so schnell“, entgegnete Hildur mit einem Grinsen im Gesicht.
„Arik, wir brauchen deine Hilfe“, begann nun Hildur „Leider sind wir in eine Situation geraten um die wir nicht gebeten haben. Was ich dir sage, bleibt unter uns, verstanden?“
Arik wirkte nun eingeschüchtert, allerdings lag auch ein Hauch von Neugier in seinem Blick. Er bestätigte mit einem Nicken.
„Wir wissen, dass es von Archet durch den Chetwald alte Pfade gibt um in den Norden zu gelangen. Welcher davon kann mit Wägen befahren werden?“
„Mit Wägen?“, fragte er überrascht „Keinen. Keiner dieser Trampelpfade ist befahrbar.“
„Es ist aber absolut notwendig!“
„Nein, das ist absolut absurd. Keiner dieser Wege ist breit genug noch eben genug. Ihr müsst den Grünweg nach Norden gehen.“
„Du weißt genau, dass das nicht geht. Gerade du weißt was im Breeland und Umgebung los ist.“
„Dann schicke genug Männer mit. Der Grünweg oder östlich der Stadt, das sind die einzigen Wege die dich nach Norden führen. Ich schwöre es dir.“
Hildur starrte ihm in die Augen, dachte dann einen Augenblick nach.
„Nun, dann. Finjas, was meinst du, sollen wir uns die Sache einmal persönlich anschauen?“, fragte nun Hildur übertrieben laut „Ich muss wohl meine Aussage von vorhin revidieren, da ich offensichtlich doch nach Archet reisen muss. Und deine Frau hat sicher das ein oder andere Bett für uns zur Verfügung.“
Augenblicklich war Arik die Angst ins Gesicht geschrieben. Es dauerte nur einen Bruchteil von Sekunden bis er all seinen Mut und seine Integrität verloren hatte.
„Keiner der Pfade ist derzeit befahrbar, aber es gibt manche, die könnten wir in kürzerer Zeit so verbreitern, dass schmale Wägen durchpassen.“
„Ausgezeichnet“, lobte Hildur ihn höhnisch „Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Man muss nur lange und intensiv genug danach suchen. Ich bin überglücklich, dass ich mir die Reise in dieses Drecksloch erspare.“
„Es ist gut“, beruhigte Finjas die Unterhaltung „Alle sind glücklich. Arik, bis wann werdet ihr damit fertig sein?“
„Wir sind nicht allzu viele Leute in Archet. Die meisten sind alt und können nicht mehr soviel arbeiten. Aodlind und seine Handwerker sind jung und kräftig. Ihm können wir vertrauen und seine Männer sind ihm gehorsam. Schicke ihn nach Archet und wir werden in vier Wochen soweit sein.“
„Vier Wochen?“, fragte Hildur, der bereits aufgestanden war „Vier Wochen? Ich schicke dir Aodlind gleich morgen, aber ihr seid in zwei Wochen fertig!“
Arik schaute ungläubig, nickte aber stumm. Widerspruch würde nur den Zorn Hildur`s befeuern.
„Und Arik“, sagte er abschließend „Du kannst dich schon auf eine längere Reise in den Norden vorbereiten!“

Mit diesen Worten verließ Hildur das Gasthaus.

Bedrückende Stille legte sich in den Raum. Verzweiflung lag in der Luft.

„Aodlind ist jung und kräftig und die Männer der Handwerksgilde auch“, sprach Finjas ihm nun Mut zu „Ihr schafft das schon. Wenn ich hier nicht gebraucht werde, komme ich ebenfalls.“
Arik setzte sein Nicken fort: „Ich werde mich nun waschen und hinlegen. Für die kommenden Wochen brauche ich alle Kraft die ich aufbringen kann.“

Die Stille kam wieder. Elea begann gedankenlos ein paar Wörter aus dem Buch zu nuscheln um zu verdecken, dass sie die ganze Zeit zugehört hatten.

„Geht es ihr gut?“, fragte Arik nun mit gebrochener Stimme.
Im Augenwinkel sah Elea wie Finjas den Kopf schüttelte und dabei seinem Blick auswich indem er auf den Tisch starrte.
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Re: Bree
« Antwort #21 am: 1. Mär 2019, 23:05 »
Elea hatte diese Angst die Arik ins Gesicht geschrieben war sofort erkannt. Es war nicht anders als damals in Minas Tirith unter Herumor. Alleine der Gedanken daran lies Elea zusammenzucken. Aber erstmals sah sie auch Finjas sehr geknickt. Erst jetzt fiel ihr dieser starke Kontrast in seinem Verhalten auf zwischen damals, als sie in Moria waren und jetzt. Irgendetwas musste geschehen sein in dieser Zeit.
Fieberhaft versuchte sie sich an alles zu erinnern was ihr über Finjas und seine Familie erzählt wurde. Elea liebte in ihrer Vergangenheit zwar Geschichten von früher, aber nicht jene bei denen sich Menschen mit ruhmreichen Taten und Siegen schmückten und krampfhaft versuchten ihrem Namen eine nennenswerte Geschichte zu geben und so war die Liste an Erinnerungen über Finjas leider relativ kurz.

In der Zwischenzeit waren Rabea und Elea längst alleine im Gasthaus. Das Mädchen hatte bemerkt, dass Elea konzentriert war und so vertiefte sie sich wirklich in das Buch.
„Sieh mal, Mama Elea!“, sagte sie plötzlich und zeigte Elea ein paar Karten aus dem Buch. Darauf war die Insel Numenor abgebildet.
„Worum geht es darin?“, fragte nun die Frau.
„Ich habe es vom Handelshaus mitgenommen. Es ist nicht so spannend wie die Bücher oben, es geht nur um die Gründung dieser Bach… Bachor…“
„Der Bachor Erthad Andúnië?“
„Ja genau. Was ist das, Mama Elea?“
„Ich weiß nicht sehr viel darüber, es ist oder war eine Handelsgilde aus Numenor. Fünf Familien haben sie damals gegründet. Kurz bevor Numenor unterging, retteten die Handelsgilde viele Getreue und brachten sie nach Mittelerde wo sie hier oder in Gondor lebten. Dank ihnen haben zahlreiche Menschen überlebt.“
„Getreue? Was sind das: ‚Getreue‘ und warum ist Numenor gesunken?“, fragte Rabea beiläufig und blätterte im Buch weiter.
„Hmm, das sind alte Geschichten. Weißt du, der Legende nach schenkten die Götter den Menschen, die Seite an Seite mit den Elben den dunklen Herrscher aus alter Zeit bekämpften, eine Insel im Meer und viele tausend Jahre lebten sie dort unbekümmert ihr Leben. Aber Sauron konnte die Menschen verführen und gegen die Götter aufbringen, aber nicht alle, manche von ihnen blieben treu. Diese Getreuen wurden vom Schicksal verschont und kamen nach Mittelerde und gründeten hier die Exilreiche Arnor und Gondor.“
„Sieh nur, hier sind die Wappen dieser fünf Familien“, sagte Rabea und freute sich offensichtlich über ihren Fund.

Elea warf einen kurzen Blick auf die Seite, schenkte ihr aber kaum Aufmerksamkeit.
„Komm, hilf mir oben das Bett für Arik zu beziehen“, sagte sie und so widmeten sie sich wieder ihrem Alltag. Elea hatte sich fest vorgenommen Hildur in den kommenden Tagen zu besuchen. Vielleicht würde sie noch das ein oder andere herausfinden ehe sie sich wieder mit Haleth treffen würde. Sie hatten ja jetzt immerhin ein wenig Zeit.



An jenem Nachmittag nahm sie all ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür bei Hildur. Es öffnete niemand. Sie klopfte erneut und wartete noch kurz ehe sie die Klinke nach unten drückte und die Tür aufging.
„Hallo?“, sagte sie laut in den Raum.
Sie ging ein paar Schritte das Vorzimmer entlang, warf einen Blick in das leere Zimmer zu ihrer Rechten. Sie ging die Treppen hoch, aber niemand war zu sehen.
„Hallo?“, fragte sie erneut in den leeren Raum.
„Was macht ihr da?“, überfiel sie plötzlich eine tiefe, bedrohliche Stimme die einem Mann gehörte der sie aus einem Nebenzimmer anstarrte.
„Oh verzeiht“, sagte sie erschrocken „Ich wollte zu Hildur. Er meinte, ich solle einmal hierher kommen, dann trinken wir gemeinsam einen Becher Tee.“
„Herr Hildur ist nicht da!“, entgegnete er knapp.
„Und wann kommt er wieder?“, frage Elea.
„Das weiß ich nicht“, gab er zur Antwort und sein Blick wanderte unübersehbar auf das Schmuckstück um Elea’s Hals.
„Ich habe ein wenig Zeit, ist es in Ordnung, wenn ich hier eine Weile auf ihn warte? Oder kannst du ihm ausrichten, dass Erelieva hier war?“
„Ihr könnt euch dorthin setzen“, sagte er und deutete auf eine gepolsterte Bank in der Mitte des Raumes.
Er verschwand wieder in dem Raum. Elea vernahm das Klirren von Schlüsseln auf einem Bund. Dann kam Fiona aus dem Zimmer heraus.
„Darf ich euch in der Zwischenzeit etwas zu trinken anbieten?“, frage sie und setzte dabei ein trauriges Lächeln auf.
„Tee bitte“, sagte sie höflich und nur einen kurzen Moment später kam das Mädchen mit einem Krug voll heißem Wasser, getrockneten Teeblättern und zwei Bechern.
Elea bedankte sich.
„Geht…“, die Kleine stotterte ein wenig „Geht es Finjas gut?“
„Ja“, entgegnete Elea kurz und überlegte, wie sie an weitere Informationen kam beziehungsweise was sie überhaupt mit Hildur sprechen sollte.

Moment! Wieso erkundigt sich dieses Mädchen ständig nach Finjas. Sie konnte wohl kaum seine Geliebte sein in diesem zarten Alter. Und Rabea hat erzählt, dass Hildur sie eingesperrt hält. Was will sie dann aber von Finjas?

„Fiona?“, das Mädchen wollte bereits den Raum wieder verlassen, drehte sich aber leicht verängstigt wieder um.  Elea fiel der Schatten des Wächters am Boden des Nebenraumes auf.
„Danke der Nachfrage, Finjas geht es ganz gut. Ich kümmere mich sehr gut um ihn.“
Das Lächeln auf Fiona’s Gesicht wandelte sich unverkennbar in ein echtes.

Sie verschwand wieder in dem Nebenzimmer. Sie trank den Tee langsam aus und schaute sich in dem Raum um. Immer wieder fragte sie sich in welcher Verbindung Finjas und Fiona standen und warum sie sich so aufrichtig um ihn sorgte. Konnte sie Finjas fragen? Aber er würde ihr wohl keine Antwort darauf geben.
Hildur kam jedenfalls in der gesamten Zeit nicht nachhause und so beschloss Elea wieder zu gehen als die Dämmerung einsetzte. Als sie das letzte Mal da war, mit Finjas war sicherlich kein Wächter in diesem Haus. Vielleicht kam er immer nur dann als Aufpasser, wenn Hildur nicht da war. Es war ihr aber klar, dass sie mit Fiona reden musste.

Als sie das Haus verließ kam Elea eine weitere Idee, wie sie vielleicht bereits früher zu dieser Information kam. Und so ging sie zielstrebig über einige Seitengassen zum Nordtor. Sie stieg über das Fenster in das Handelshaus und schlich sich in den ersten Stock. Trotz des Zwielichts in den Räumen fand sie den Weg problemlos und ohne stolpern hinauf.

Es war ihr ein Rätsel wie Haleth das machte, aber wie gewöhnlich betrat sie ein paar Minuten nach Elea den Raum.
„Ein ruhiger Abend heute“, begrüßte Elea die andere Dunedain, diese nickte ihr nur zu.
„Ich habe Neuigkeiten für dich, aber zuerst möchte ich etwas von dir wissen.“
„Natürlich, wenn ich es denn überhaupt weiß“, entgegnete Haleth.
„Dieses Mädchen im Haus von Hildur, wer ist sie?“, fragte Elea geradeheraus.
„Hast du sie eben getroffen?! Hildamar erzählte mir, dass sie Fiona heißt und dass sie die Tochter des vorhergehenden Hausbesitzers ist. Das war ein gewisser Raimond. Seine Familie lebt schon seit Jahrhunderten in Bree und seit vielen Generationen stellt seine Familie den Obersten des Ältestenrates. Ich habe dir bereits erzählt, dass Hildur diese Familie in die Kerker werfen ließ und ihr Haus für sich einnahm. Die Tochter hielt er als Gefangene um die Familie gefügig zu machen, aber schon seit langem wurde keiner von ihnen wiedergesehen. Entweder sind sie dort verendet oder Hildur hat sie nach Moria oder einen noch schlimmeren Ort geschickt. Aber das Schicksal der Kleinen ist noch weit schlimmer, denn seit Monaten hat sie kein Tageslicht gesehen und das nur, weil sie die Tochter eines Ältestenrates war.“
„Wer ist dieser Ältestenrat?“
„Fünf Einwohner aus Bree. Raimond ist verschollen, Gerwin ist der Erste der Stadtwache, Aodlind ist Herr der Handwerker, Arik der Vertreter des Breelandes und der Bauern und Ulrich ein Hobbit.“
„Arik kenne ich bereits, er hat unbeschreiblich große Angst vor Hildur.“
„Wie so viele die Hildur wirklich kennen! Gerwin ist Hildur vermutlich treu, so wie die Stadtwache agiert. Aodlind – er ist noch sehr jung - und seine Handwerkergilde folgen den Anweisungen des Rates und somit dem Befehl von Hildur. Ich denke ihm liegt das Wohl der Stadt am Herzen. Arik hat wie du sagst große Angst und handelt entsprechend und Ulrich wird im Rat kaum noch wahrgenommen.“
„Aodlind und seine Männer wurden bereits nach Archet geschickt“, gab nun Elea ihre Informationen preis „Sie haben den Auftrag in 14 Tagen einen Waldpfad zu verbreitern damit ein Wagen ihn passieren kann. Das war vor 3 Tagen.“
„Diese Neuigkeiten sind Gold wert“, freute sich Haleth „Wir müssen diese Lieferung abfangen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass der Feind wieder zu Waffen kommt, ansonsten ist Fornost dem Untergang geweiht.“
Als der Name Fornost fiel, dachte Elea sofort an die ruhige und feurigrote Oberfläche des Abendrotsees. Sie erinnerte sich an die glücklichen Tage der Vergangenheit, an denen sie ihr Glück nicht wirklich erkannte.

Auf dem Weg zurück zum Gasthaus musste sie auch an die eingeschlossene Fiona denken. Finjas war vermutlich der einzige der sich um sie sorgte und ihr einziger Kontakt nach Außen. Als sie die Gaststube betrat ging sie ohne große Worte zu ihm, gab ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand sogleich in der Küche um ein Abendessen vorzubereiten.
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Re: Bree
« Antwort #22 am: 10. Jun 2019, 21:02 »
Elea musste also zum letzten Plan greifen den sie hatte. Sie machte sich kaum Hoffnung, da diese letzte Möglichkeit war, Finjas selbst damit zu konfrontieren. Es kostete sie viel Mut, daher bereitete sie während der Essenszubereitung schon einige Worte in ihrem Kopf vor und spielte die Unterhaltung in ihrem Kopf durch. Arik war bereits zu Bett gegangen da er morgen sehr früh wieder abreisen musste.

Sie begann zögerlich zu sprechen als sie ihm den Teller auf den Tisch stellte: „Ich war heute bei Hildur und ich traf auf Fiona.“ Sorgfältig beobachtete sie die Regungen oder den Gesichtsausdruck von Finjas, aber sie erkannte keine Veränderung.
„Sie hat sich nach dir erkundigt“, legte sie nach, wieder ohne jegliche Reaktion.
„Das Mädchen erkundigt sich immer nach dir wenn ich sie sehe. Sie dürfte dich sehr gerne haben.“
„Wieso interessiert dich das?“ pfauchte er plötzlich zurück und Elea zuckte innerlich zusammen „Willst du sie auch hier unter deine Fittiche nehmen? Ein weiters Maul zu stopfen?“
„Wenn du es wünscht, kann sie gerne zu uns kommen“, erwiderte Elea, die scheinbar einen Nerv getroffen hatte.
„Das wird Hildur wohl kaum zulassen“, antwortete er und vertiefte sich wieder in sein Essen.
„Ich werde ihn einfach darum bitten. Zum Glück schlägt er mir meine Wünsche selten aus“, sagte sie in einem beinahe zu naiven Tonfall.
„Nichts wirst du sagen! Verstehst du mich!“ befahl er und warf ihr einen strengen Blick zu.
„Hier geht es ihr aber sicher besser als bei Hildur und davonlaufen wird sie weder da noch dort. Dafür hat sie viel zu viel Angst vor ihm und dir.“
„Hör auf, lass sie gehen. Jeder hat sein Schicksal zu tragen und das ist eben unseres.“
„Eures?“
Finjas biss sich auf die Lippen.
„Also willst du sie dort lassen, eingesperrt und abgeschottete von der Welt!“
„Ja! Denn ob du es glauben willst oder nicht, dort wo sie jetzt ist, ist sie wenigstens sicher und ich weiß, dass er ihr nichts antun wird.“
Die Dunadan war überrascht von seiner emotionalen Reaktion: „Du liebst sie. Ist sie nicht ein bisschen zu jung für dich?“
„Halt jetzt dein Maul!“
Erbost ließ er den Löffel in den Teller fallen und verließ den Raum. Elea war nach all der Zeit die sie Finajs kannte, erstaunt über dieses Verhalten. Es dürfte ihn mehr treffen als man ihm anmerkte, vielleicht weil Arik bereits das selbe Thema ansprach.

Eine Weile blieb sie noch sitzen und dachte über seine Worte nach. Teils hatte sie Mitleid mit ihm und teils konnte sie es nicht nachvollziehen. Sie brachte den Teller wieder zurück in die Küche und erledigte die restliche Arbeit ehe sie ins Bett ging.

Als sie die Stufen hinaufging, schlich sie sich lautlos zu Finjas Zimmertür. Sie hielt ihr Ohr gegen das Holz und lauschte aufmerksam. Sie hörte Geräusche als würde er die Schranktür schließen. Sie klopfte zaghaft und drückte die Klinke nach unten. Sie neigte nur den Kopf durch den Türschlitz. Er hatte gerade sein Hemd ausgezogen und war dabei die Hose aufzuschnüren. Verlegen schaute die Dúnadan weg.
„Geht es dir gut?“
„Natürlich!“, sagte er emotionslos „Kommst du um dein Gewissen zu besänftigen?“
„Verzeih mir bitte meine Neugier. Es war unangebracht. Fiona tut mir einfach sehr leid.“
Finjas hatte die Hose ausgezogen und sich auf das Bett gesetzt. Er versteckte einen Dolch zwischen Matratze und Bettrahmen ehe er ihr einen bösartigen Blick zuwarf.
„Komm her oder geh!“ herrschte er sie an.
Von ihrem schlechten Gewissen geplagt betrat sie den Raum und stellte sich vor sein Bett. Sie fühlte seinen festen Griff an ihrer Hüfte. Ihr Körper verkrampfte sich leicht. Plötzlich legte er seine Stirn auf ihren Bauch und sein Gesicht presste er an ihren Körper. Er zitterte am ganzen Leib.

Sanft legte Elea ihre Hände auf seinen Hinterkopf und Nacken und streichelte ihn. Mit vielem hatte Elea gerechnet, aber keinesfalls damit.

Nach einer Zeit legte sie sich neben ihn in das Bett und so verweilten sie die ganze Nacht. Elea noch in ihrer Tageskleidung umschloss mit ihren Armen seinen nackten Körper. Erst nach einer langen Zeit in der sie behutsam seine Schläfe, seinen Hinterkopf und seinen Rücken streichelte schlief sie ein.

Am darauffolgenden Morgen wurde Elea von schwachen Sonnenstrahlen geweckt. Sie lag allein in Finjas Bett. Nachdem sie ihre Glieder gestreckt hatte, stand sie auf und ging in ihr Zimmer um sich das Gesicht zu waschen und die Haare zu frisieren. Sie legte auch ein anderes Kleid an. Mit der Ungewissheit was als nächstes kam ging sie die Stiegen hinunter in die Gaststube. Finjas saß an einem Tisch und blätterte in dem Buch das Rabea aus dem Handelshaus mitgenommen hatte.

„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn „Möchtest du ein Frühstück?“
„Ich habe bereits etwas gegessen bevor Arik gegangen ist“, sagte er und schob das Buch geöffnet zur Seite: „Ich wünsche nicht, dass sich trotz gestern etwas verändert. Du sprichst nicht mit Hildur und mit niemanden und lässt Fiona da wo sie jetzt ist.“ In seiner Stimme war Bedrückung zu hören: „Bitte.“
Dieses Wort hatte Finjas noch nie zu Elea gesagt. „Natürlich“, antwortete sie.

Finjas, bereits mit dickem Umhang bekleidet, stand auf und ging wortlos zur Tür hinaus um seinem Tagesgeschäft nachzugehen. Ratlos schaute sie ihm hinterher. Sie ging zurück zu dem Tisch. Das Buch war auf der Seite aufgeschlagen wo die Wappen der Familie abgebildet waren die Rabea ihr am Vortag gezeigt hatte. Sie klappte das Buch zu und sah dabei, dass Finja’s Schwert noch auf der Bank lag. Er hatte es in seiner Verzweiflung vergessen.. Elea griff nach dem Heft und es fühlte sich sonderbar vertraut an.

Doreal, mein lieber Doreal. Es ist lange her, dass du mir das Schwert gereicht hast um das Kämpfen zu lernen. Ich hoffte stets und ich hoffe noch immer, dass ich es nie einsetzen muss. Diese Zeit, diese furchtbar dunkle Zeit. Diese Wahnsinnigen die mich gefoltert haben
Mit dem Daumen strich sie sich über den verstümmelten Finger.
Damals habe ich mir geschworen, dass ich niemals mehr so hilflos sein werde, niemals. Und jetzt, ich bin es schon wieder. Wie konnte nur wieder so etwas aus mir werden. Nein, niemals mehr so hilflos

Sie lehnte das Schwert neben die Tür und nahm den schweren Winterumhang von dem Haken. Nachdem sie ihn übergeworfen hatte ging sie in die morgendliche Oktoberkälte hinaus. Sie hatte keine Ahnung wo Finjas war, aber sie wusste wo sie zu Suchen beginnen würde.
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Finja's Geheimnis
« Antwort #23 am: 21. Jun 2019, 20:46 »
Elea eilte so schnell sie konnte zu Hildur’s Haus. Sie klopfte leise an die Tür, wartete einen Moment und öffnete sie dann. Die Türe zu dem Arbeitszimmer war geschlossen und Elea hörte die Stimmen von Hildur und von einem anderen Mann. Sie erkannte, dass es nicht Finjas war konnte sie aber auch keinem anderen Bekannten zuordnen.

Wenn Hildur da ist, vielleicht ist dann Fiona alleine oben im Stock. Soll ich es wagen? Ich kann noch immer sagen, dass ich auf Hildur warte oder Finjas suche. Ja, ich werde mein Glück probieren. Aufrecht Elea, gehe aufrecht

Sie ging zielbewusst die Treppen hinauf, versuchte dabei aber so gut wie keinen Lärm zu machen. Der obere Stock war wie leergefegt. „Hallo?“, sagte sie laut genug damit es alle oben hören konnten aber leise genug, dass es nicht nach unten drang.
Sie bekam keine Antwort. Auf Zehenspitzen schlich sie sich zu dem Zimmer wo sie Fiona vermutete. Sie klopfte sachte an die Tür vernahm aber keinerlei Geräusch auf der anderen Seite.
„Fiona?“, flüsterte sie. Es kam keine Antwort.
„Bist du da drin? Ich bin es, Elea.“ Wieder keine Antwort.
„Ich habe hier Finjas Schwert…“
„Ist ihm etwas passiert?“, fiel ihr plötzlich das Mädchen hinter der verschlossenen Tür ins Wort.
„Nein, nein. Er hat es nur vergessen. Ich wollte es ihm bringen und dachte er ist hier, aber scheinbar habe ich mich getäuscht.“
„Er ist bereits auf dem Weg nach Archet. Er kam vorhin vorbei um sich zu verabschieden.“
„Du hast ihn sehr gerne nicht wahr?“, fragte Elea direkt heraus.
Die Dunadan glaubte ein Seufzen zu hören.
„Du kannst es mir ruhig sagen. Ich mag ihn mittlerweile auch sehr gerne und ich könnte ihm nie etwas antun was ihn verletzt oder ihm schadet“, versuchte sie das Vertrauen des Mädchens zu gewinnen.
„Ich habe niemanden mehr außer ihm“, antwortete Fiona „Er ist der einzige der sich für mich einsetzt und der sich um mich kümmert. Von meinen Eltern habe ich schon seit Monaten nichts mehr gehört. Ich glaube, dass sie gar nicht mehr am Leben sind.“
„Ich habe vom Verschwinden deiner Familie gehört“, antwortete Elea und legte ihre flache Hand auf das Holz zwischen ihnen „Und ich kann es dir sehr gut nachempfinden.“
Die Dúnadan dachte dabei an ihren verstorbenen Mann und an Helluin, den sie vor Jahren zurückgelassen hatte. Schwermut überkam sie in diesem Augenblick.
„Hast du auch niemanden mehr?“, fragte Fiona in der Hoffnung eine Gleichgesinnte gefunden zu haben.
„Nur noch mein Sohn ist am Leben, aber ihn habe ich vor Jahren zurückgelassen. Es gibt nichts was ich mehr bereue und es gibt keine Entschuldigung dafür. Vielleicht hätte ich viel schlimmes verhindern können was passiert ist.“
„Eltern lassen ihre Kinder nicht zurück. Das tun sie einfach nicht, außer sie sind tot.“
„Mein Mann war es und glaube mir, auch wenn ich nicht stolz darauf bin, ich war es auch.“ So gut sie konnte, unterdrückte Elea das schlechte Gefühl das sie überkam. Schnell wechselte sie da Thema.
„Fiona, wie können wir dir da raushelfen aus diesem Verlies?“
Elea hörte wie etwas die Tür hinunterglitt: „Gar nicht“ folgten enttäuschte Worte.
„Ich kann dich da rausholen und dann bringen wir dich in Sicherheit.“
„Nein, tu das ja nicht. Wenn ich weg bin, wird er ihn umbringen. Und dann habe ich keine Familie mehr.“
„Finjas? Er wird Finjas töten?“, fragte Elea überrascht.
„Ja. Finjas ist der letzte von meiner Familie der übrig ist.“
„Ist er dein Vater?“, fragte Elea aufgeregt und verdutzt.
„Seine Schwester ist… war meine Mutter“, kam zur Antwort.
Wie konnte Elea nur so blind sein. Eine Liebschaft hatte sie Finjas angedichtet mit diesem jungen Mädchen, aber dass sie seine Nichte ist auf diese Idee wäre sie in ihren entferntesten Träumen nicht gekommen.
„Ich kann hier nicht raus. Finjas darf nichts passieren“, sagte Fiona nochmal als sie keine Antwort mehr bekam.
„Fiona, ich werde auch nicht zulassen, dass euch etwas geschieht. Eines Tages wird eine günstige Situation kommen und dann befreien wir dich und schicken euch ganz weit weg. Ihr werdet an einem Ort sein, wo euch Hildur oder Saruman nicht erreichen können.“
„Pass auf meinen Onkel auf bitte. Ich weiß, er ist kein sehr einfacher Mensch, aber ich glaube er hat dich gern.“
Auch von dieser Antwort war die Dúnadan überrascht worden.
„Ich werde stets mein Bestes geben. Wie ich schon sagte, ich habe ihn gerne“, entgegnete Elea und war selbst überrascht, dass es sich nicht wie eine Lüge anfühlte.
„Bis bald meine Kleine“, verabschiedete sich Elea. Sie schlich sich wieder die Stiegen hinunter als plötzlich Finjas im Gang vor ihr stand.

„Was machst du hier?“, attackierte er sie im Flüsterton.
„Ich habe dich gesucht um dir das zu bringen“, antwortet sie spontan und streckte ihm das Schwert entgegen.
„Oben? Komm mit!“, herrschte er sie an, packte sie am Oberarm und zog sie bei der Tür hinaus. Just in diesem Moment schaute Hildur aus seinem Arbeitszimmer heraus.
„Finjas? Elea? Was macht ihr hier?”, fragte er misstrauisch.
„Ich.. ähm ich war auf der Suche nach Finjas. Er hat das hier heute Morgen liegen lassen“, drückte Elea die Worte heraus.
„Wir sind uns zufällig hier über den Weg gelaufen“, legte Finjas in ruhiger, tiefer Stimmlage nach.
Hildur schien die Geschichte nicht zu glauben. Er drehte seinen Kopf und warf einen Blick zu den Stiegen: „Gerwin, wirf kurz einen Blick auf die beiden Turteltauben.“
Aus dem Zimmer trat ein großer Mann heraus. Seine Augen strahlten eine stille Autorität aus und er war schwer bewaffnet. Finjas beugte zum Gruß seinen Kopf. Hildur eilte die Treppe hinauf um sich zu vergewissern, dass seine Gefangene nicht geflohen ist. Als er herunterkam wünschte er Finjas in einem befehlshaberischen Tonfall eine gute Reise. Elea verabschiedete er kühl. Diesmal hatten sie wirklich Glück gehabt, aber es war offenkundig, dass sie Misstrauen in Hildur erzeugt haben und dies zurecht. Elea beschloss daher Fiona nicht mehr aufzusuchen bis zu dem Tag ihrer Befreiung.

Finjas bestieg vor dem Haus sein Pferd und ritt Richtung Archet davon. Kein Ton kam mehr über seine Lippen. Sicherlich befürchtete er, dass Hildur Fiona jetzt etwas antun würde, falls er nicht sofort seinen Befehl ausführen würde.

In dieser Nacht aber plagte Elea aus anderen Gründen ein schlechtes Gewissen und ein schlechtes Gefühl:
Ich habe mein eigenes Kind zurückgelassen; in den Händen anderer, ja wenn nicht sogar Fremder. Was habe ich Helluin nur angetan und den Dunedain. Hätte ich es verhindern können, dass Saruman solchen Einfluss auf Helluin hat? Hätte ich all das Leid verhindern können? Es ist das Schlimmste was Eltern tun können… ihre Kinder zurücklassen

Lange hallten diese Worte in Elea’s Kopf nach und ließen sie kaum schlafen.
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Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #24 am: 22. Jun 2019, 21:35 »
Eine Düsternis legte sich über Elea’s Gemüt, die sie nur noch halbherzig durch den Tag gehen ließ. Ihre Situation und die der kleinen Fiona fühlte sich dadurch auswegloser an als sie ohnehin schon war. All dies spürte natürlich auch Rabea die ständig um die Dúnadan herum war. Sie erkundigte sich regelmäßig was los sei, aber Elea wollte ihr dies nicht anlasten und so suchte sie bei der einzigen Freundin Rat die sie hier in Bree hatte.

„Man muss dich nicht gut kennen um dir deine Trübseligkeit anzusehen“, begrüßte sie Haleth im oberen Geschoss des Handelshauses.
Elea fühlte sich gezwungen ein schwaches Lächeln aufzusetzen.
„Was ist los? Was ist passiert?“, fragte Haleth besorgt und nahm ihre Hände, dabei fiel Elea erstmal der Ring an ihrem Finger auf. Eine Blume war darin eingraviert.
„Fiona! Ich hatte Gelegenheit kurz mit ihr zu sprechen, alleine. Ich wollte ihr Vertrauen gewinnen und habe ihr von Helluin erzählt. Es erfüllte seinen Zweck, aber…“ Elea blieben die Worte im Hals stecken. Sie sammelte sich kurz: „Haleth? Denkst du, dass all dies nicht passiert wäre mit den Dúnedain, wenn ich Helluin nicht schutzlos zurückgelassen hätte?“
Bei dieser Frage musste ihr Gegenüber einen Augenblick nachdenken, danach strich sie ihr über den Kopf, weiter zur Wange und unter das Kinn um ihr Gesicht sanft anzuheben. Sie blickte ihr in die grauen, glasigen Augen: „Nein“, antwortete sie leise aber bestimmt „Vielleicht wäre es für den Zauberer einen Hauch schwieriger gewesen sich Helluin’s zu bemächtigen, aber sicherlich nicht unmöglich. Er ist mächtig und listenreich. Viel zu spät haben wir erkannt, dass keiner von uns alleine die Macht hat sich Saruman zu widersetzen, unsere einzige Chance ist es zusammen zu halten und keine Zweifel zwischen uns kommen zu lassen. Niemals!“
Elea nickte und war dankbar für diese klaren Worte. Sie wusste aber auch, dass der Zweifel über diese Entscheidung immer in ihrem Herzen sein würde.
„Und Elea, leider haben wir nicht die Gabe unsere Entscheidungen rückgängig zu machen. Aber wir haben immer die Möglichkeit unsere Zukunft zu verändern. Diese Welt wird wieder ein besserer Ort werden, dafür müssen wir uns entscheiden, jeden Tag aufs Neue. Es wird die Zeit kommen, wo du deinen Sohn wieder in den Armen halten wirst und all das was uns jetzt als Fehler erscheint, nicht mehr wichtig ist.“
„Ich hoffe, dass es auch die anderen unseres Volkes so sehen. Eines Tages wird Belen Recht über mich und Helluin sprechen. Dies wird härter werden als jeder Kampf gegen unseren Feind.“
„Belen ist unser Anführer und unser König, mit keiner seiner Entscheidungen hat er uns bisher enttäuscht. Auch nicht als er über seinen eigenen Verwandten richtete. Die Weisheit war es, die Könige am Thron hielt, nicht die Grausamkeit.“

Bei diesen Worten fühlte Elea, dass ein Teil der Last von ihr abfiel. Sie begann wieder zu hoffen.

„Fiona, das Mädchen bei Hildur“, wechselte Elea nun wieder zu den Neuigkeiten zurück „Sie ist die Nichte von Finjas.“
„Dies ist also die Verbindung die wir alle nicht kannten“, antwortete Haleth „und deshalb hält Hildur das Mädchen gefangen. Dies ist sehr interessant.“
„Sie tut mir wahnsinnig leid. Gefangen zu sein ist bereits furchtbar, aber dann auch noch bei so einem grausamen Mann.“
„Können wir sie befreien?“
„Nein, ich glaube nicht solange Finjas Hildur dient. Er hat ihr gedroht Finjas töten zu lassen, sollte sie verschwinden.“
„Und vermutlich hat er es auch umgekehrt angedroht. Hildur ist ebenfalls sehr listenreich“, dachte Haleth laut „Es ist an der Zeit, dass ich gehe Elea.“
„Triffst du dich mit anderen von euch? Ist dein Mann auch hier in Bree?“
Ertappt schaute Haleth noch zu Elea zurück: „Ich denke nicht, dass es gut ist dir das zu sagen. Weder für dich noch für mich.“
„Vermutlich hast du Recht“, antwortete Elea einsichtig.

Haleth verschwand aus dem Zimmer nachdem sie sich verabschiedet hatte. Die Dúnadan ließ die Worte noch auf sich wirken. Als die Dämmerung bereits weit fortgeschritten war, beschloss auch Elea endlich nachhause zu gehen. Sie folgte den Stiegen ins Erdgeschoss des Handelshauses. Sie wollte gerade aus dem Fenster klettern das zu Seitengasse führte, da glaubte sie in dem kleinen Nebenzimmer mit dem Bett etwas gesehen zu haben. Auf Zehenspitzen und voller Furcht entdeckt worden zu sein, schlich sie zu dem Durchgang. Vom Boden hob sie ein abgebrochenes Stuhlbein auf um es als Waffe zu benutzen.

In dem kleinen Nebenraum roch es vermodert und feucht. Das Bett war zwar noch intakt, aber an den Rändern der Matratze hatte sich bereits der Schimmel angesetzt. Links neben der Tür war hinter einem Mauervorsprung ein Schrank, ansonsten war der Raum leer. Niemand war zu sehen. Sie schlich weiter zu dem Schrank. Vor Aufregung drehte sich ihr fast der Magen um und als sie mit der linken Hand langsam die Tür öffnete wurde es noch schlimmer. In der Rechten hielt sie schlagbereit den Holzprügel. Kein Atemzug kam mehr über ihre Lippen, aber sie erkannte nichts in der Dunkelheit.
Erst als sich ihre Augen gewöhnt hatten, bemerkte sie den schwarzen Fleck an der Rückwand des Schrankes. Es war ein Loch.

Sie streckte den Kopf leicht nach vorne in den Korpus des Möbelstückes. Sie nahm einen kaum hörbaren, flachen Atem wahr. Dort hinter dem Schrank musste ein Raum sein oder ein schmaler Gang.

Soll ich mich ein Stück weiter wagen? Wer ist dort? Ist es einer von Haleth‘ Verbündeten?  Oder gar ein Diener Saruman’s? Aber warum sollte er sich verstecken, außer er will uns auflauern um alle zu erwischen… Nein, ich bin alleine hier und niemand weiß, dass ich hier bin. Es ist zu gefährlich; Rabea, Madal, Aldred, Finjas, ich kann nicht riskieren sie hier alleine zurückzulassen. Nicht schon wieder.

So beschloss Elea so zu tun, als hätte sie nichts bemerkt. Das nächste Mal müsste sie aber vorsichtiger und aufmerksamer sein, wenn sie hierherkam. Sachte schloss sie die Tür des Schrankes, legte das Stuhlbein neben das Fenster damit es bei ihrem nächsten Besuch griffbereit war. Im dunkel der jungen Nacht ließ sie das Handelshaus hinter sich.
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Re: Bree
« Antwort #25 am: 23. Jun 2019, 19:00 »
Aus der Sicht von Haleth:

„Du? Wo kommst du denn her“, empfing Avaron einen unangemeldeten Gast der eben die Treppe herunterkam. Er zog an einer Schnur die an die Decke führte und im selben Augenblick ein kleines Glöckchen im ersten Stock zum erklingen brachte.
Augenblicklich richtete sich Haleth in ihrem Bett auf und orientierte sich im Raum. „Er ist wieder da“, sagte sie zu sich selbst und spürte die Vorfreude in ihrem Inneren. Fulthíen die am Fenster saß und aufmerksam den Hinterhof beobachtete sah kurz zu ihrer Freundin. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ist Elea schon gegangen?“, fragte sie Fulthíen.
„Ja, gerade eben. Es ist jetzt alles ruhig da draußen.“
„Gut, bleibe hier und behalte alles im Überblick. Wenn du mich brauchst…“
„Du bist bei deinem Mann“, unterbrach Fulthíen sie und teilte die Freude mit ihr. Im nächsten Moment stürzte Haleth lautlos die Treppe hinab.

Im Keller des Gasthauses angekommen fand sie Avaron in seinem Stuhl sitzend vor, ihm gegenüber saß Elrádan.
„Wie? Was machst du hier?“, fragte Haleth verunsichert.
„Ich erfülle Rilmir`s Auftrag!“, antwortete Elrádan.
Die Verunsicherung der Frau verwandelte sich in Angst: „Ist ihm etwas geschehen?“
„Nein, es geht ihm gut. Er ist wohlbehalten in Fornost angekommen und hat uns alles berichtet. Belen hatte aber einen anderen sehr wichtigen Auftrag für ihn.“
„Und welcher wäre das?“, frage die Dúnadan eingeschnappt.
„Das ist geheim. Wir gingen jedenfalls gemeinsam von Fornost bis nach Bree, er zeigte mir den geheimen Zugang zur Stadt und dann musste er weiter in Richtung Süden.“

„Was für Botschaft überbringst du uns von Belen?“, kehrte Avaron nun zum eigentlichen Thema zurück.
„Nunja, wo fange ich an: Belen war sehr überrascht über das Auftauchen Elea’s in Bree, aber man kann nicht sagen, dass er sich freute. Rilmir erzählte, dass Elea euch die Information über die Verbringung der Waffen überbracht hat – was Belen ein bisschen freundlicher ihr gegenüber stimmte.
Aber, und das ist der wichtigste Punkt: Er meinte, dass es ein zu großes Risiko sei den genauen Zeitpunkt des Transportes abzuwarten. Wir müssten jede mögliche Chance ergreifen um diese Waffen unschädlich zu machen, auch bereits vor dem Transport.“
„Wie stellt er sich das vor? Wir können hier in Bree nicht einfach auf offener Straße herumlaufen. Jeder unserer Schritte ist genauestens geplant“, warf Haleth nun ein „Ist ihm das Risiko, dass wir auffliegen egal?“
„Es ist ihm mit absoluter Sicherheit nicht egal, Haleth“, wies sie Avaron nun in die Schranken „Belen trifft eine Entscheidung für ein Volk nicht für einen Einzelnen. Wenn Sarumans Truppen im Norden an Waffen gelangen und Fornost erneut angreifen, dann fällt die ganze Stadt und alle sterben. Dies gilt es jedenfalls zu verhindern.“
Haleth war augenblicklich einsichtig und stimmte ihm zu. Sie schämte sich, dass die durch die Abwesenheit Rilmir’s ausgelöste Wut auf Belen ihr Urteilsvermögen trübten.
„Hat er noch etwas gesagt?“, fragte Avaron weiter nach.
„Rilmir erwähnte auch Finjas. Belen kennt ihn aus der Zeit, als der Rat der Dunedain noch nicht korrumpiert war. Finjas hat die Wahl Helluin`s zum Stammesoberhaupt nicht unterstützt. Cánotar erwähnte, dass Finjas Familie eine der ältesten unsers Blutes ist, was seine Stimme zu einer sehr Gewichtigen machte, dennoch wurde er damals überstimmt. Nachdem sich unser Volk entzweite war lange nicht klar, wem sich Finjas und seine Familie anschloss. Es war daher eine sehr bedauerliche Nachricht für Belen.“
„Gibt es Befehle wie wir mit den beiden umgehen sollen, wenn wir ihnen einmal Auge in Auge gegenüberstehen?“, fragte Avaron sicherheitshalber nach.
„Solange Elea uns nützlich ist, sollen wir nichts an der jetzigen Situation verändern. Wenn sie es nicht mehr ist, ist sie als Gefangene nach Fornost zu bringen. Belen glaubt damit ein gutes Druckmittel gegen Helluin in der Hand zu haben.“
„Und Finjas?“
„Er hat sich entschieden für unseren Feind zu kämpfen, daher sollen wir ihn als solchen behandeln“, antwortete Elrádan kühl.
„Es ist vielleicht nicht ganz so wie ihr denkt“, unterbrach Haleth die beiden Männer „Elea erzählte mir heute, dass Fiona – das Mädchen das Hildur gefangen hält – die Nichte von Finjas ist. Vielleicht hält er Finjas so unter seiner Kontrolle. Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass Finjas und Elea hier in Bree aufgetaucht sind, vielleicht wurden sie herbeordert!“
Avaron dachte einen Augenblick über Haleth’s Worte nach: „Vielleicht ist es so oder auch nicht. Wir müssen unsere eigenen Interessen schützen, für das nördliche Königreich. Danke Elrádan, du kannst dein Quartier beziehen. Heute Abend treffen wir uns alle hier und beratschlagen was wir betreffend diesem Waffentransport unternehmen. Gebt den anderen Bescheid.“

„Komm mit“, forderte Haleth Elrádan auf und deutete ihm mit der Hand ihr zu folgen. Sie stiegen die Treppen hinauf und sie zeigte ihm sein Quartier.
„Haleth, ehe ich es vergesse“, aus seinem Mantel nahm er ein zusammengefaltetes Pergamentstück „Das soll ich dir von Rilmir übergeben. Es ist nicht versiegelt, aber ich schwöre dir, außer euch beiden kenn niemand den Inhalt.“
Dankbar und freudig übernahm sie die Botschaft ihres geliebten Gatten.
„Fast wäre ich entdeckt worden dort im Handelshaus. Nicht auszudenken was mir Rilmir angetan hätte, wenn ich dir dies nicht überreicht hätte.“
„Entdeckt? Von wem?“
„Eine Frau kam gerade die Treppe herab als ich über den Geheimgang heraufkam. Ich konnte mich gerade noch in dem kleinen Schmugglerlager unterhalb des Schlafkabinetts verstecken. Es ist schon ein Wunder, dass wir diesen geheimen Zugang zur Stadt entdeckt haben.“
„Ja, die Unehrlichkeit der Handelsleute hat offensichtlich auch etwas Gutes und mir scheint, dass du beinahe mit Elea Bekanntschaft gemacht hast. Sei vorsichtig, wenn du das nächste Mal dorthin gehst. Es ist unser Treffpunkt.“

Als sie das Zimmer von Elrádan verließ, öffnete sie ohne zu zögern den Brief von Rilmir:

Meine wilde Blume, es schmerzt mich sehr zu erfahren, dass ich vorerst nicht mehr nach Bree in deine Arme zurückkehren werde. Unser König hat mich für einen geheimen Auftrag nach Dunland geschickt und wer wäre geeigneter dafür als ich? Aber auch wenn ich am Tage nicht bei dir bin, so bin ich es doch jede Nacht. In unseren Träumen liegst du in meinem Arm und wir tanzen, so wie damals auf dem Fest in den Gärten des Palastes; dort wo uns niemand erreichen kann und wo wir uns immer nah sind. Ich liebe dich, dein R.

Behutsam drückte sie den Brief gegen ihre Brust und wünschte sich nichts sehnlicher als in den Armen ihrer großen Liebe zu liegen.
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Re: Bree
« Antwort #26 am: 8. Jul 2019, 23:17 »
Es war bereits eine ganze Woche vergangen seit Finjas Bree verlassen hatte um im Norden den Menschen zu helfen die Waldpfade auszubauen. Elea musste sich eingestehen, dass sie ihn vermisste und es war ihr nicht immer behaglich ganz alleine mit den Kindern in dem Gasthaus zu sein.

Die Straßen waren in den Abend- und Nachtstunden wie leergefegt und die frostige Luft breitete sich bedingt durch die Jahreszeit immer schneller in der Dämmerung aus. An jenem Abend, nachdem Elea Rabea, Aldred und Madal zu Bett gebracht hatte, saß sie in der Gaststube und blätterte gedankenverloren in dem Buch über die Handelsgilde. Das Feuer knisterte im Kamin vor sich hin.

Die Erben Númenors unter Führung von Belen – als Anführer des Sternenbundes? Wie werden sie mich aufnehmen? Belen wird mich kaum mit offenen Armen empfangen, eher im Gegenteil. Wenn ich, nein wenn wir – die Kinder und ich – Bree verlassen, können wir dann nach Norden gehen? Aber was ist mit Finjas und mit Fiona? Wohin können wir sonst?

Schreie rissen Elea aus den Gedanken. Verwirrt starrte sie aus den beschlagenen Fenstern und sah schemenhaft Gestalten vorbeilaufen. Vorsichtig ging sie zu dem Fenster links neben dem Eingangstor. Sie strich mit der Hand über die angelaufene Scheibe. Soldaten und andere Bewohner liefen durch die Straße.
„Feuer! Feuer!“, riefen sie wild durcheinander.
Neugierig und ein wenig besorgt legte Elea ihren Umhang um, entriegelte die Tür und schaute durch einen Türspalt hinaus. Die Menschen liefen zur Hauptstraße und dann Richtung Südosten.
Was war hier los.

„Mama Elea?“, hörte sie plötzlich die Stimme von Rabea die verschlafen auf dem Treppenabsatz stand.
„Hol die beiden Buben und versteckt euch in dem Raum hinter der Küche. Anscheinend ist ein Feuer ausgebrochen. Ich werde nachsehen was los ist“, gab sie zur Antwort „Kann ich euch alleine lassen?“
Rabea nickte tapfer und folgte den Anweisungen.
In eiligem Schritt folgte die Dúnadan den Menschen auf die Hauptstraße und dann wandte sie sich nach Süden. Als sie sich dem Südtor näherte roch sie bereits verbranntes Holz und Rauchschwaden wehten ihr ins Gesicht.

Als sie um die Ecke bog sah sie wie ein zweigeschossiges Haus lichterloh in Flammen stand. Die Menschen liefen emsig und verzweifelt umher. Die meisten brachten Eimer mit Wasser und brachten sie in die umliegenden Gebäude wo sie aus den Fenstern auf die eigene Hausfassade geleert wurden. Teilweise benutzten sie auch das Wasser um das Feuer direkt zu löschen, aber das Feuer hatte bereits den oberen Stock eingenommen und das Löschen wurde dadurch nahezu unmöglich.

„Was ist hier passiert?“, fragte Elea schockiert eine unbekannte Frau neben ihr.
„Ich weiß es nicht. Das Haus ging plötzlich in Flammen auf, trotz des feuchten Nebels.“
„Ist den Menschen etwas passiert? Ist noch jemand in dem Haus?“
„Nein, nein zum Glück nicht. Dieses Haus steht schon seit längerem leer. Ich hoffe, dass niemand drin war“, antwortete die Frau besorgt „Sie tun alles damit sich das Feuer nicht ausbreitet!“

Elea’s Gedanken überschlugen sich: Haleth… War dies das Lager mit den Waffen? Habt ihr es in Brand gesteckt? Nein, unmöglich. Der Sternenbund kann doch unmöglich die unschuldigen Menschen solch einer Gefahr aussetzen. Was wenn halb Bree niedergebrannt wäre, was wenn Männer, Frauen oder Kinder in den Häusern verbrannt wären…

„Es ist wirklich sehr merkwürdig, dass um diese Jahreszeit ein Feuer ausbricht“, legte die fremde Frau nach.

Das Gemurmel um die Frauen herum wurde zunehmend lauter als ohnehin. Elea versuchte den Grund zu erfahren und schaute in alle möglichen Richtungen. Da sah sie Hildur aus der Ferne heranstolzieren und schnaubend, gefolgt von Gerwin und einigen Soldaten der Stadtwache. Das Entsetzen war ihm in das Gesicht gemeißelt. Elea sah sein Gesicht aus sicherer Entfernung von der Seite. Seine linke Gesichtshälfte war von den Flammen rötlich orange beleuchtet. Seine Zähne mahlten vor Wut aufeinander und seine Kiefergelenke bebten. Wäre dies nicht so ein tragisches Ereignis, hätte sich Elea darüber gefreut. Gerwin wies seine Soldaten an den Menschen zu helfen, was sie augenblicklich umsetzten. Nur ein paar Minuten stand Hildur fassungslos da, dann wandte er sich ab und ging eiligen Schrittes zurück zu seinem Haus, wieder gefolgt von Gerwin. Die Dúnadan beschloss ihnen auf leisen Sohlen zu folgen um zu sehen was er nun vorhatte. In dem Wirbel und den Menschenmassen die auf der Straße waren, würde es nicht auffallen, wenn sie ihnen folgte.

Kurz vor dem Markplatz suchte sie nach einem geeigneten Versteck. Sie verschwand im Dunkel einer Seitengasse und beobachtete wie die beiden miteinander redeten. Nach kurzer Zeit kam ein Dritter aus nördlicher Richtung hinzu. Er nahm offensichtlich nur ein paar Befehle entgegen und ging dann im Laufschritt wieder davon. Nach weiteren Minuten öffnete Hildur die Tür und bat Gerwin hinein, ehe er sie hinter sich schloss konnte Elea ein Grinsen der Genugtuung auf Hildur’s Lippen sehen. Es widerte sie unglaublich an.

Er war es! Dieses Scheusal hat das Feuer gelegt… vermutlich will er die Menschen gegen den Sternenbund und alle guten Menschen in der Stadt aufbringen. Ich sollte morgen Haleth warnen… oder ist es bereits zu gefährlich?

Das Haus nahe dem Südtor brannte in dieser Nacht bis zu seinen Grundmauern nieder, aber das Feuer der Wut brannte weiter in Elea. Sie tat kein Auge zu, so groß war ihre Wut gegen Hildur. Irgendwie musste sie es schaffen aus Bree zu entkommen.
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Re: Bree
« Antwort #27 am: 12. Jul 2019, 23:11 »
Am nächsten Abend war Bree kaum wieder zu erkennen. Überall auf den Straßen patrouillierten Soldaten der Stadtwache und Dunedaín mit dem Zeichen der Weißen Hand. Elea hörte, dass es Hausdurchsuchungen gab und den Menschen übel mitgespielt wurde. Hildur demonstrierte seine Macht als Handlanger des Zauberers.

Hoffentlich geht es Haleth und ihren Leuten gut. Sie sind hoffentlich ungesehen aus der Stadt geflohen und hoffentlich lassen sie uns in Ruhe. Hildur misstraut mir seit dem Vorfall mit Fiona, obwohl wir nichts gemacht haben, zumindest nachweislich nichts. Hoffentlich ging es dem Mädchen gut.

Plötzlich öffnete sich aus dem nichts die Tür. Ein kalter Wind blies herein, sodass das abrupte Luftholen im Hals kratzte.
„Finjas“, stieß Elea überrascht hervor und sah in die grün-grauen Augen des Mannes. Sie kannte diese ungewöhnliche Farbe von Fiona. Sie ging hinter der Schank des alten Wirtshauses hervor.
„Geht es euch gut?“, fragte er zur Überraschung der Dúnadan.
„Ja, ja zum Glück. Rabea und die Buben sind oben. Ich glaube sie liest ihnen vor“, gab sie zur Antwort.
„Es sieht nicht gut aus in der Stadt. Hildur lässt alle Häuser nach den Brandstiftern durchsuchen.“
„Pffff“, winkte Elea herablassend ab „Hat er schon an seiner eigenen Haustür geklopft?“
„Sei still!“, pfauchte er sofort zurück „Kein Wort hier herinnen gegen Herrn Hildur.“

Elea biss sich auf die Lippen.

Soll ich es ihm erzählen? Soll ich ihm sagen, dass ich alles weiß und was ich alles weiß? Was wenn er trotzdem treu zu Hildur hält oder zu große Angst hat. Was wenn er mich verrät?

Es war ein endloses hin und her in ihrem Kopf, aber schließlich hörte sie auf ihr Bauchgefühl.
„Ich weiß es!“, begann sie und ließ den Satz im Raum wirken.
Finjas Miene fror ein, sein Blick war starr.
„Ich weiß, dass Fiona die Tochter deiner Schwester ist und ich weiß, was Hildur deiner Familie angetan hat. Er hält dich gefangen, genauso wie er sie gefangen hält.“
„Bist du des Wahnsinns!“, sagte er leise aber bedrohlich „Du bringst Fiona in Lebensgefahr, wenn du so nachschnüffelst.“
„Ich bin vorsichtig und seitdem ich das weiß, habe ich sie weder gesehen noch gehört, jetzt da ich weiß, wieviel sie dir bedeutet“, entgegnete Elea verständnisvoll.
„Hör sofort auf damit. Vergiss das alles wieder und rede nie wieder darüber.“
„Finjas, wir können hier nicht ewig bleiben. Irgendwann braucht Hildur Fiona und dich nicht mehr und was dann. Denkst du er lässt dich gehen? Dieser Mann hat sein eigenes Kind töten lassen.“
Das Entsetzen war Finjas ins Gesicht geschrieben.
„In der Nacht als Rabea vor unserer Tür erschien mit Hildamar, hat ihn sein eigener Vater zu Tode foltern lassen. Aber der Junge war stark, stärker als Hildur ihm jemals zugetraut hätte. Eines Tages, wenn Hildur durch die Tore der Nacht geht, wird er hoffentlich dieselben Qualen erfahren die er auch den Menschen angetan hat.“
„Woher weißt du das alles?“, brachte Finjas gerade so über die Lippen.
„Von Rabea, von manchen Bewohnern und anderen.“
„Du kennst jene des Sternenbundes. Du weißt, wer und wo sie sind, nicht wahr?“, sein durchdringender Blick fesselte sie.

Elea bemerkte, dass die Adern auf Finjas Schläfen zu pulsieren begannen. Sein Kopf wurde rötlich. Angst machte sich in Elea breit, aber sie stand aufrecht, so wie sie es sich damals geschworen hatte. Sie versuchte ihre Furcht zu unterdrücken.

„Wie du bereits sagtest, ich weiß gar nichts“, entgegnete sie kühl, das leichte Zittern in ihrer Stimme hörte hoffentlich nur sie selbst „Dass du und ich hier sind in Bree, es ist kein Zufall nicht wahr?“
„Sag mir wer sie sind!“, er versuchte seine Stimme leise zu halten „Sag es mir und ich erkaufe mir unsere Freiheit.“

Erkaufen? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Haleth ausliefern, im Austausch gegen Freiheit für Fiona, Finjas, die Kinder und mich. Hildur würde ohne zu zögern zustimmen… Das mir diese Idee nicht gekommen ist, spricht wohl schon für sich

„Du willst sie ausliefern?“, frage Elea fassungslos „Sie sind die einzigen die auf der richtigen Seite kämpfen. Die einzigen die gegen den Wahnsinn dieses Mannes vorgehen und die Eriador vor Saruman beschützen.“
„Welche Seite ist denn die richtige? Im Moment scheinen sie eher die Verlierer zu sein und wohin sollen wir gehen, wenn der Sternenbund nicht mehr ist?“
„Lieber bin ich auf der Seite der Verlierer, als auf der Seite eines Mannes der sein Kind tötet und Häuser in Brand steckt.“
„Ha, dass ich nicht lache. Verzeih, wenn ich dir deine Illusionen raube, aber Hildur hat nicht den Brand gelegt.“
„Natürlich hat er das. Ich sah ihn am gestrigen Abend aus der Dunkelheit einer Seitengasse heraus, als sein schmutziges Grinsen auf seinen Lippen erschien. Er bring die Menschen dazu sich gegen den Sternenbund aufzulehnen und du siehst, was für Macht ihm das gibt.“
„Er hat den Brand nicht gelegt. Der Sternenbund hat ihn gelegt und ihm direkt in die Hände gespielt.“
Elea traute ihren Ohren nicht: „Und aus welchem Grund sollten sie das tun?“
„Weil sie dachten, dass Hildur untätig ist. Sie glaubten, dass er dort Waffen versteckt hält. Aber sie sind längst nicht mehr in der Stadt. Der Sternenbund kann sie nicht mehr erreichen“, sagte Finjas in einem überlegenen Tonfall.

Kann das denn wahr sein? War der Sternenbund nicht weniger grausam als Saruman? Ich kann das nicht glauben. Sie hätten Menschen dabei töten können und Kinder. Ich muss zu Haleth, koste es was es wolle…

In Windeseile lief Elea nach oben und holte sich einen dunklen, fast schwarzen Umhang aus dem Schrank. So ruhig sie konnte, öffnete die Tür in das Zimmer von Rabea und deutete ihr kurz herauszukommen: „Rabea mein Schatz, ich muss kurz weg.“
„Aber draußen ist es gefährlich.“
„Ich weiß, aber es muss sein. Ich muss mit Haleth sprechen. Bitte versprich mir, dass du, falls ich nicht wiederkomme, die beiden Buben nimmst und ihr euch versteckt haltet. Verlasst Bree. Nördlich von hier ist eine Stadt, Fornost wird sie genannt, und meine Verwandten leben dort. Aber erwähnt vielleicht nicht unbedingt meinen Namen, sagt ihnen, dass du Haleth kennst und Hildamar und dass ihr deswegen aus Bree fliehen musstet.“
Angsterfüllt aber aufmerksam hörte Rabea zu.
„Ich bin sicher bald wieder da, mein Schatz“, versuchte die Dúnadan sie zu beruhigen.

Als sie unten ankam stand Finjas vor der Tür.
„Ich kann dich nicht gehen lassen, wenn sie dich erwischen, hängen wir alle am Galgen.“
Sie sah ihn mit einem eiskalten Blick an: „Es ist nur eine Frage der Zeit bis wir alle hängen, aber bis dahin, möchte ich das tun, was ich für richtig halte und dazu gehört es nicht, Hildur zu unterstützen.“
„Elea, bitte. Du hast recht, du und ich wir sind nicht zufällig hier in Bree gelandet. Es war Hildur, der uns zu sich beordert hat.“
„Dann hat er einen großen Fehler gemacht“, antwortete sie. Sie drückte die Türklinke nach unten und stieß Finjas mit dem Öffnen der Tür weg. Sie spähte in die Nacht hinaus.
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Re: Bree
« Antwort #28 am: 13. Jul 2019, 23:13 »
Nächtlicher Nebel hing auf der schwach erleuchteten Hauptstraße von Bree. In der Ferne erkannte Elea kleine Lichtpunkte die sich hin und her bewegten. Es mussten die Soldaten von Hildur sein. Sie beschloss die Hauptstraße zu meiden, da es nicht gerne gesehen war, wenn man zu dieser Zeit herumstreifte und weil es zu unnötigen Fragen führen würde.
Sie bog in die erste Seitengasse ein. Die Dúnadan schlich so gut es ging, angeschmiegt an das Gemäuer, im Schatten der Hausfassaden. Die meisten Fensterläden waren geschlossen, die Tore verschlossen.

Wenn ich dieser Gasse folge und dann da vorne links abbiege… das müsste die Gasse sein die hinter dem Marktplatz vorbeiführt. Auf den Platz darf ich keines Falls hingehen…

In ihrem Kopf ging sie den Stadtplan durch, schon nach wenigen Momenten tadelte sie sich selbst, dafür dass sie so unüberlegt und überstürzt aufgebrochen war. Emotionale Entscheidungen waren ihr immer wieder zum Verhängnis geworden. In schnellst möglichen Schritt schlich sie weiter der Hausmauer entlang. Am Ende angelangt warf sie einen Blick in die Quergasse, es war niemand zu sehen. Plötzlich sah sie in zwei schimmernde Augen, die in nur drei Sätzen bei ihr angelangt waren: Eine Katze.
Die Dúnadan spürte wie ihr Herz klopfte als würde es gleich aus der Brust springen.

In die nächste Seitengasse die parallel zur Hauptstraße verlief bog sie links ein. Dort kam sie ebenfalls schnell voran. Sie wollte diese einfach nur hinter sich lassen, da sie sehr lange gezogen von Süden nach Norden führte. Immer wieder, als sie Geräusche hörte oder gar Schritte, verbarg sie sich hinter einem Vorsprung oder in einer kleinen Seitengasse. Als sie die Höhe des Marktplatzes erreichte, erreichte auch ihre Aufregung den Höhepunkt. Hier war eine entscheidende Stelle, vom Marktplatz aus strömten die meisten Patrouillen in alle Himmelsrichtungen aus.
Plötzlich hörte sie Schritte ganz nahe, sie kamen von der Tür des Hauses um die Ecke von ihr. Elea zuckte zusammen, sie ging in die Knie, presste ihren Körper gegen die Wand und kauerte sich hinter dem Holzfass, dass sie bereist als Sichtschutz genutzt hatte, zusammen.
„Hier ist nichts!“, hörte sie einen Mann sagen. „Wie sieht es bei euch aus?“
Aus einer anderen Richtung kam eine andere Stimme: „Hier ist auch alles in Ordnung.“
„Welches Haus steht als nächster am Plan?“
„Ein paar noch auf der anderen Seite des Marktplatzes und dann geht es an die Gasthäuser. Wer weiß, vielleicht haben sich da die Ratten eingenistet!“
„Früher hätten wir uns wenigsten des ein oder andern Kruges Bier dort angenommen, aber jetzt…“
„Ruhe, kommt machen wir weiter. Ich möchte heute noch nachhause.“

Elea’s Augen waren zusammengepresst, in der Hoffnung nicht gesehen zu werden solange sie niemanden sah.
Königin der Sterne, ich bitte dich um deine Hilfe und um deine Gnade: Mach mich unsichtbar für ihre Augen und bringe mich schnell wieder nachhause, sodass sie nicht erfahren, was ich in dieser Nacht getan habe.

Als die Schritte abklangen, nahm Elea ein paar kräftige Atemzüge und all ihren Mut zusammen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich wieder. Mit einem Satz sprang sie auf, sie vergewisserte sich, dass sie keiner sah und lief über die Quergasse. Sie war überglücklich, als sie endlich die Fassade des Handelshauses erblickte. Es war alles Dunkel darin.

So leise und nun in möglichster Ruhe schlich sie zu dem kleinen Fenster und kletterte in das Arbeitszimmer. Das Stuhlbein aus Holz lehnte noch an der Stelle wo sie es zurückgelassen hatte. Sie nahm es an sich um sich im Notfall verteidigen zu können. Die kaum merkbaren Konturen in der Dunkelheit erschwerten ihr eine lautlose Bewegung. Sie versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, wo in diesem Raum Möbel standen.
Da glaubte sie plötzlich ein Flüstern zu hören. Ja, da war tatsächlich etwas. Sie versuchte die Richtung auszumachen. Mit leisen Schritten ging sie in das kleine Kabinett neben dem Arbeitszimmer und da
war es wieder. Sie konnte gar nichts ausmachen in diesem schwarzen Raum.

Panik durchfuhr Elea, als sie plötzlich am Handgelenk gepackt wurde. Sie wirbelte durch das Dunkel des Raumes und ohne jegliche Vorwarnung spürte sie eine kalte Klinge an ihrem Hals, in etwa auf der Höhe wo die Narbe der Morgulklinge war. Die Dúnadan hielt den Atem an.
„Sag deinen Namen“, flüsterte die Stimme zu ihr.
„Erelieva.“
Der Griff lockerte sich: „Wieso kommst du in dieser gefährlichen Nacht hierher?“
„Habt ihr das Feuer gelegt?“, fragte Elea vorwurfsvoll.
„Wieso fragst du das nicht deine verräterischen Freunde? Sie wissen immer eine Antwort.“
„Weil ich es von euch hören möchte!“
„Deshalb kommst du hierher? Ja, ja wir waren es.“
„Wie könnt ihr nur; schimpft Hildur einen Verräter und Mörder und seid selbst keinen Deut besser. Es hätten Menschen sterben können und seht selbst, was das für Folgen hat. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Bewohner Hildur diese Nacht foltern oder gar töten lässt. Auf so einen Moment hat er doch nur gewartet.“
„Ja, wir haben das angerichtet. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Das Haus, es war voller Waffen die er nach Carn Dûm schicken wollte… Du selbst hast uns davon berichtet.“
Verbitterung breitete sich in Elea aus, weil sie in gewisser Weise all das selbst verursacht hatte.
„Dann dürfte es euch interessieren, dass es ein Misserfolg war. Die Waffen sind bereits weggebracht worden.“
„Was?“, die entsetzliche Überraschung war ihm anzuhören „Wir müssen schnell Fornost informieren. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.“

Auf einmal verstand Elea, warum Hildur an jenem Abend so schmierig grinste. Mit dem Feuer wusste er, dass der Sternenbund auf der falschen Fährte war und die eigentliche Tat ungesehen voranschritt.
„Bestelle Haleth meine Grüße“, sagte Elea kühl „Eines Tages werden euch dieselben Qualen widerfahren die ihr auch den Menschen angetan habt.“
„Und vergiss nicht den Part den du dazu beigetragen hast. Verschwinde jetzt.“

Der Mann lies von ihr ab. Desillusioniert nahm Elea denselben Weg retour den sie gekommen war. Die Stadt war weiterhin in Aufruhr, was ihr größtenteils zu Gute kam. Als sie wieder zuhause ankam, saß Finjas am Tisch in der Gaststube und blätterte in diesem Buch. Elea sah die Erleichterung in seinem Blick als sie über die Türschwelle kam. Vielleicht weil sie ungesehen wieder hier ankam oder einfach nur weil sie überhaupt zurückkam. Wortlos hängte sie den Mantel auf die Garderobe neben der Tür.

Sie spürte den Druck auf ihrer Brust, am liebsten würde sie schreien. Ihre Augen waren glasig, als sie zu ihm zum Tisch ging, dann brach sie in Tränen aus. Ohne zu zögern, stand Finjas auf und nahm Elea in den Arm.
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Re: Bree
« Antwort #29 am: 15. Sep 2019, 21:22 »
Elea stand an der steinernen Spüle im hintersten Zimmer der Gaststube. Sie hatte die Töpfe von den Überresten des Mittagessens befreit. Gedanklich war sie nicht bei der Sache. Immer wieder dachte sie über die Situation in Bree nach, über die Kinder, über Fiona, über Finjas und dann wieder an Helluin. Sie hörte die Tür des Schankraumes nicht in das Schloss fallen und nicht einmal die sich nähernden Schritte. Erst der schwere Atem über ihrer linken Schulter rief sie in die Gegenwart zurück.

„Sie haben ihn“, keuchte Finjas. Seine Stimme klang aufgeregt wegen der Situation, aber in ihr lag dieselbe Abgestumpftheit wie sonst auch. Die fürsorgliche und zugleich zärtliche Umarmung an dem Abend als Elea den Sternenbund das letzte Mal aufsuchte, endete nach nur wenigen Sekunden. Danach verfiel Finjas wieder in dieselbe Gefühlskälte wie all die Wochen zuvor.
„Wen?“
„Aodlind!“
„Wer hat ihn?“
„Die Besatzer aus Fornost!“
Dem Atem beraubt, drehte sich Elea um und sah in das bleiche Gesicht von Finjas.
„Aodlind und einige treue Soldaten aus Bree sollten die Waffen nach Norden bringen. Einer der Männer kam zurück und berichtete von einem Überfall durch die Waldläufer. Sie machten Jagd auf alle und töteten sie. Bis auf ihn und Aodlind. Sie haben ihn gefangen genommen.“
„Dann haben sie es also doch noch geschafft“, sagte Elea leise zu sich selbst.
„Hildur ist außer sich. Das was wir die letzten Wochen erlebt haben hier in Bree, war harmlos im Vergleich zu dem was nun folgen wird.“
„Finjas, wir müssen Fiona befreien und von hier verschwinden“, sagte Elea zudringlich.
„Nein, nein. Es ist zu gefährlich für Fiona. Wenn wir treu zu Hildur stehen, wird er uns nichts tun. Sag ihnen wo sie sind“, seine Stimme wurde lauter und bestimmter.
„Wann wirst du endlich verstehen, dass wir alle für Hildur nur Spielfiguren sind? Wenn er uns nicht mehr braucht, nimmt er uns einfach vom Feld“, sagte Elea traurig, nahm das saubere Geschirr und trug es in die Küche. Sie bemerkte wie Finjas hinter ihr den Raum verließ und sich im Schankraum auf eine Bank fallen ließ.

Als sie alles aufgeräumt hatte, fand sie ihn mit dem Ellenbogen auf den Tisch gestützt vor. Sie ging an seinem Tisch vorbei.
„Das hier“, sagte er ohne zu ihr aufzublicken „Das sind wir.“
Er schob das Buch über die Bachor Erthad Andúnië über den Tisch und zeigte auf eine Kapitelüberschrift neben der ein blau weißes Wappen abgedruckt war: Haus Finrumál
„Andreth aus dem Hause Beors begründete unser Haus. Unsere Ahnen standen treu zu Finrod und Getreue der wahren Könige Numenors waren wir. Sie retteten unzählige Unschuldige vor dem Untergang Numenors und unterstützten die Könige im Exil. Groß und mächtig war unsere Familie, aber alles was davon übrigblieb, sind Fiona und ich. Ich kann sie nicht einer solchen Gefahr aussetzen“, sagte Finjas gebrochen.

Elea schwieg. Sie blieb ihrer Meinung treu, dies zu betonen hätte aber nichts gebracht.
„Wenn du gehen willst, ich werde dich nicht aufhalten“, sagte er noch ehe er das Haus verließ. Er verabschiedete sich nicht.

Die Dúnadan überflog das Kapitel im Buch. Sie erkannte in welch große Fußstapfen Finjas steigen musste, konnte es aber nur begrenzt nachempfinden. Sie selbst entstammte dem königlichen Hause der Dunedain, aber nie hatte sie sich auch nur darum gekümmert.

Soll ich denn gehen? Finjas hat mir die Freiheit gewährt… ich könnte mit Haleth und den anderen fliehen. Sie kennen einen sicheren Weg aus der Stadt. Die Kinder wären dann in Sicherheit und ich ebenfalls. Aber was, was würde Hildur mit Finjas anstellen und mit Fiona? Hildur war grausam und kannte wohl auch keine Gnade. Einen solchen Fehler, würde er ihn entschuldigen? Ich kann Finjas nicht alleine lassen.

Mit dieser Entscheidung beschloss Elea zu einem günstigen Zeitpunkt in das Handelshaus zu schleichen. Sie musste Haleth davon überzeugen die Kinder von hier wegzubringen. So waren immerhin sie in Sicherheit und um ihr Verschwinden würde sich ohnehin niemand scheren. Hildur und sein Gefolge ging nach diesem Ereignis mit derselben Vehemenz vor wie schon zuvor. Es dauerte einige Tage ehe sich die Lage in der Stadt etwas beruhigte. Finjas kehrte währenddessen nicht zurück.
In einer wolkenbedeckten Nacht schlich sich Elea aus dem Haus. Sie nahm dieselbe Route zum Handelshaus wie in der damaligen Nacht. Die Straßen waren wie leergefegt, da niemand das Haus nach Einbruch der Nacht verlassen durfte. Der Boden war leicht feucht, was ihre Schritte leider hörbar machte. Die Dúnadan versuchte den Ballen so gut es ging abzurollen um das Schmatzen ihrer Schuhe zu vermindern.

Es dauerte wesentlich länger als beim letzten Mal um quer durch die Stadt zu gelangen, aber sie schaffte es. Behutsam öffnete sie das kleine Fenster und ließ sich in das Zimmer dahinter gleiten. Es war stockdunkel.
„Hallo“, flüsterte sie in die Dunkelheit „ich bin es, Elea!“
Niemand erwiderte etwas.
„Seid ihr hier?“, wieder keine Antwort.
Sie schlich sich zu der Treppe im anderen Zimmer und hinauf in den ersten Stock.
„Haleth?“, fragte sie in den Raum.
Sie setzte sich an das Fenster zum Innenhof und wartete ein paar Minuten. Das Gefühl überkam sie, dass heute hier niemand erscheinen würde. Vermutlich hatte sich der Sternenbund aus Bree zurückgezogen.
„Elea, was machst du hier?“, hörte sie plötzlich die Stimme von der Treppe kommen.
„Haleth, bitte. Bitte, ich brauche eure Hilfe“, begann Elea ohne Umschweife zu sprechen.
„Es ist gut, dass du hier bist. Ich muss dir etwas…“
„Bitte helft mir bzw. meinen Kindern“, fiel ihr Elea ins Wort.
„Was ist denn passiert?“
„Finjas lässt uns ziehen. Er hat große Angst um Fiona und um sich, aber er kann nicht gehen. Aber er lässt uns gehen, die Kinder und mich.“
„Aber du gehst nicht“, antwortete Haleth ein bisschen zu forsch.
Erstaunt schaute Elea sie an: „Du kennst mich wohl besser als ich dachte. Ich werde nicht gehen, aber ich möchte, dass ihr meine Kinder nach Fornost bringt und dann vielleicht weiter nach Bruchtal. Sie sollen in Sicherheit sein vor diesen Verbrechern.“

Plötzlich hörten sie das kalte Klirren eines Schwertes, dass aus der Scheide gezogen wurde. Starr vor Schreck saßen die beiden Dunedain da und ihre Worte starben ihren Mündern. Die Wand hinter dem Stiegenhaus warf das orangefarbene Licht einer Fackel zurück und die Silhouette mehrerer Soldaten wurde sichtbar. Als der Fackelträger die Stiege heraufkam, erkannten die beiden Frauen die angewiderte Fratze von Hildur: „Endlich haben wir eine von euch!“, sagte er und ein grausames Grinsen lag auf seinen Lippen.
1. Char Elea ist in Bree  -  2. Char Caelîf ist in Palisor

Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #30 am: 27. Sep 2019, 21:21 »
Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken zusammengebunden als die Soldaten die beiden Frauen vor sich hertrieben. Elea stürzte und landete auf der schmutzigen, kalten Straße.

„Steh auf… machst jetzt schon schlapp. Das wird wohl eine lange Nacht werden…“, raunte einer der Soldaten und zog sie wieder hoch.
Elea hatte große Angst, denn sie rechnete mit dem schlimmsten. Und es tat ihr leid, dass sie ihretwegen auch Haleth erwischt hatten. Sie wagte es nicht sich nach ihr umzudrehen.
Plötzlich trat Hildur neben sie: „Wie konntest du nur solch einen Verrat an deinem Sohn begehen? Seit Wochen spielst du unserem Feind in die Hände und verhilfst ihm zur Sabotage.“
Der Hass den sie gegen Hildur hegte, kroch ihr den Hals hinauf. Sie wusste, dass es besser gewesen wäre zu schweigen, aber sie konnte es nicht zurückhalten: „Glaubst du, du kannst mir ein schlechtes Gewissen machen? Verrat an meinem Sohn… vielleicht siehst du das so und er ebenfalls, aber eines ist sicher, Verrat am eigenen Sohn ist das geringere Übel als Mord.“
„Wie kannst du nur!“, presste er wütend heraus.
„Die Wahrheit ist schwer zu ertragen, nicht wahr?“, legte Elea nach und augenblicklich spürte sie seine Faust in ihrem Gesicht und sie stürzte erneut.
„Für dich mag es grausam aussehen du dreckige Verräterin. Du weißt ja offensichtlich wie ich mit Leuten wie dir umgehe, daher kannst du dir in etwa ausmalen wie deine nahe Zukunft aussieht und sich anfühlt, aber eines sei dir gesagt, mein eigen Fleisch und Blut habe ich geschont, etwas mit dem du und deine Freundin wohl nicht rechnen könnt.“
Er half ihr wieder auf.
„Wobei wenn ich es mir so recht überlege, sollte ich vielleicht doch ein wenig netter zu dir sein. Du bist die Wut die er auf mich haben wird nicht wert. Aber wir wollen dem Folterknecht nicht seinen versprochenen Spaß verderben. Was er bei dir ausspart, kann er an diesem hübschen Gesicht auslassen“, seine Augen funkelten als er Haleth ins Visier nahm. Sie passierten gleich den Marktplatz am Weg Richtung Süden, plötzlich entfleuchte der Dunadan des Sternenbundes ein verächtlich klingendes „Ha!“.
„Was ist? Willst du etwas sagen?“
„Ja, ich habe tatsächlich Neuigkeiten für euch. Es war nicht für eure Ohren bestimmt, aber ich bin nur wegen ihr in dieser Lage und ich werde sicherlich nicht ihre Strafe übernehmen. Ich habe Neuigkeiten…“
Hildur deutete den Soldaten stehen zu bleiben.
„Ihr habt nicht damit gerechnet, dass unsere Ohren soviel hören und unsere Beine so schnell laufen, aber wir haben eure Waffenlieferung abgefangen. Unsere tapferen Soldaten aus Fornost.“
„Das ist schon ein alter Hut, Schätzchen“, entgegnete Hildur spöttisch.
„Ja, ihr wisst, dass alle eure Männer bis auf einen getötet wurden und Aodlind sitzt in den Kerkern von Fornost. Aber ihr wisst nicht, dass unsere Männer, als sie die Waffen nach Fornost gebracht haben, von Helluin und seinen elendigen Dunedain-Verrätern angegriffen wurden. Sie kamen aus nördlicher Richtung und wollten sie in einen Hinterhalt locken. Der gute Helluin hatte wohl mit weniger unserer Männer gerechnet.“
Elea lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ihre Atmung wurde schneller.
„Einst gab uns Belen den Befehl Helluin, wo auch immer wir ihn finden würden, lebendig zu ihm zu bringen. Er würde Recht sprechen, sowie über jeden der Dunedain.“
„Wurde er gefangen genommen?“, stieß Elea voll Hoffnung heraus.
„Er hat soviel verbrochen in den wenigen Jahren und so vielen unseres Volkes Leid zugefügt. Es ist nur verständlich, dass die Menschen Rache wollen und er hat sie bekommen. Ich hörte, dass sie ihn überwältigten und fesselten und darüber abstimmten was mit ihm geschehen sollte. Letztendlich haben sie ihn zwischen vier Pferde gespannt und gevierteilt. Helluin ist tot!“

Elea hatte es gehört, aber in ihr geschah nichts. Rein gar nichts: Es floss keine Träne über ihre Wangen, ihre Knie waren nicht wackelig, ihre Hände waren ruhig.
Er ist tot? Nein, unmöglich. Sie hat es nur gesagt um ihrer Strafe zu entkommen und um sich an mir zu rächen. Helluin konnte nicht tot sein. Sie hätte es doch gespürt. Helluin tot?

Hildur war überrascht von dieser Nachricht, wenn nicht sogar schockiert: „Eine solche Nachricht hätte uns längst erreicht! Es ist eine Lüge!“
„Außer euer großer Gebieter wüsste, dass diese Nachricht Unsicherheit und Entmutigung im Volke streuen würde. Saruman hätte euch nie im Leben davon erzählt.“
Es war wohl die Machtlosigkeit die Hildur in diesem Moment verspürte und die ihn dazu veranlasste Haleth ins Gesicht zu schlagen.

Wie aus dem Nichts eilte auf einmal ein Soldat aus südlicher Richtung herbei: „Mein Herr!“
Hildur’s Blick war versteinert. Vom Südtor hörte man die Alarmglocke läuten, dies riss ihn aus seinen Gedanken.
In nur wenigen Sekunden eilten einige Soldaten die Hauptstraße von Nord nach Süd. Unter ihnen war Gerwin, der Oberste der Stadtwache. Er blieb bei Hildur stehen um die Lage zu prüfen.
„Meine Herren! Arik und einige Männer aus dem Breeland, sie stehen vor dem Tor. Sie sind wütend, es erfordert eure Anwesenheit. Kommt schnell.“
Hildur gab keine Antwort und so übernahm Gerwin: „Ihr beide“, sagte er zu den Soldaten „bring die beiden Verräterinnen in das Haus von Herrn Hildur und fesselt sie ordentlich. Ihr bleibt mit ihnen bis wir zurück sind.“ Die Soldaten nickten.
„Nein!“, widersprach nun Hildur zornig „Gerwin, du bleibst bei ihnen. Zuhause wartet mein Leibwächter, gemeinsam kümmert ihr euch um sie. Ich habe noch eine offene Rechnung mit Arik.“

„Natürlich. Geht weiter Verräterinnen, ihr habt Herrn Hildur gehört!“ befahl er. Elea ging einen Schritt und dann noch einen weiteren und sie spürte wie es ihr immer schwerer fiel. Ihre Knie gaben nach, ihr Schultern fielen nach vorne. Zögerlich strich sie mit ihrem Zeigefinger über ihr Auge, sie sah, dass ihre Hand zitterte.
„Nein“, hauchte sie „Nein, es darf nicht sein.“ Und plötzlich, ohne weitere Vorwarnung gab ihr Körper auf. Sie fiel auf die Knie, in ihrer Kehle schnürte sich alles zu.
„Steh auf“, brüllte sie Gerwin an.
„Helluin“, presste sie leise heraus, dann schrie sie „Helluin, Helluin. Mein kleiner Helluin.“
„Geh weiter!“, bestimmte er und zog sie dabei hoch. Mit ihrem gesamten Körpergewicht warf sie sich gegen den Hauptmann: „Helluin ist tot!“, brüllte sie ihn an und Tränen liefen über ihr schmerzverzerrtes Gesicht.
„Welchen Grund habe ich weiterzugehen… weiterzuleben? Er ist tot! Mein Sohn ist tot! Töte mich, bitte töte mich. Hier und jetzt“, heulte sie ihn an.
„Geh jetzt weiter!“, herrschte er sie ein letztes Mal an, dann packte er sie am Oberarm und zerrte sie zum Haus von Hildur.

Elea weinte bitterlich, als er sie die Treppe hochtrieb, sie auf einen Stuhl setzte und die Fesseln fester band. Der Leibwächter im Haus half ihm, wie Hildur gesagt hatte.

[\hr]

Als Elea ihre Augen öffnete sah sie in die Weite Eriadors. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen, die ganze Landschaft lag in einem goldenen Licht. Da, in unmittelbarer Nähe, sah sie die feurigrote Wasseroberfläche des Abendrotsees. Es ist Jahre her, dass sie ihn das letzte Mal sah, aber es kam ihr vor als wäre es gestern gewesen.
Sie sah sich mit Helluin und Haldar am Seeufer sitzen, ihr Leben schien perfekt zu sein. Sie begann leise ein Lied zu summen, dass ihr einst ihre Mutter immer vorgesungen hatte.

Elea, Haleth, Finjas & Fiona, Rabea, Aldred und Madal nach Fornost in das Versteck des Sternenbundes...
« Letzte Änderung: 28. Sep 2019, 10:13 von Thorondor the Eagle »
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