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Autor Thema: Bree  (Gelesen 14445 mal)

Fine

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Eine Infiltration
« Antwort #15 am: 27. Jan 2019, 23:52 »
Aus der Sicht Haleths:


Erelieva!

Der Name hallte in Haleths Gedanken nach, als sie sich durch die belebten Gassen Brees schlängelte, unterwegs zum Versteck ihrer Verbündeten nahe des Nordtores. Sie hatte die Schritte der Frau beschattet, als Erelieva die Stadt verlassen und zu den Grabhügeln gegangen war, doch als Haleth festgestellt hatte, dass Elea tatsächlich die Urne Hildamars besuchte, hatte sie es nicht länger ausgehalten und ihre Gegenwart enthüllt. Das Gespräch war kurz, aber intensiv gewesen, und Haleth hatte dabei zwei Dinge festgestellt: Erelieva schien von Lügnern umgeben zu sein, die die Wahrheit verdrehten, und zweitens schien der gute Ruf, den die Frau in Bree hatte, nicht grundlos entstanden zu sein.

Vielleicht haben wir uns in ihr getäuscht, dachte Haleth. Vielleicht hat sie wirklich ein gutes Herz - im Gegensatz zu ihrem Sohn.

Sie erreichte das Versteck des Sternenbundes. Erst vor fünf Tagen waren sieben Dúnedain aus Fornost hierher gekommen. Unter dem Befehl Avarons, der rechten Hand Belens, hatten sie Bree infiltriert und ihr Lager im Keller einer verlassenen Taverne nahe des nördlichen Tores von Bree aufgeschlagen. Haleth erinnerte sich noch gut daran, wie sie sich hier einst mit Kerry verborgen hatte, als sie vor der Belagerung von Fornost die Lage in Bree ausgekundschaftet hatten.
Die Waldläuferin trat an die mit Brettern wie zugenagelt aussehende Eingangstür und pochte siebenmal dagegen. Ein Vogelruf erklang aus dem Inneren, den sie auf dieselbe Art beantwortete. Ihren grünen Umhang hatte sie dabei eng um Kopf und Schultern geschlungen, denn obwohl es bereits dunkel geworden war, fürchtete sie, entdeckt zu werden. Die Wachen in Bree waren seit ihrem letzten Besuch vervielfacht worden.
Die Tür öffnete sich, und eine starke Hand packte Haleth und zog sie ins Innere. Am Geruch erkannte sie Rilmir und gestattete sich eine kurze, aber zärtliche Umarmung mit ihm. Ihre linke Hand, an der sein Ring mit dem Blütenmuster steckte, pulsierte dabei voller Aufregung. Doch sie zwang sich, ihre Gedanken auf das Hier und Jetzt zu richten.
„Komm,“ raunte Rilmir ihr zu. „Die anderen warten schon auf dich.“ Er eilte voran, die Treppe hinab in den mit steinernen Mauern versehenen Keller der Taverne. Fackeln erhellten das Dunkel des großen Vorratsraumes, den die beiden betraten. Fünf Gesichter wandten sich ihnen zu.
„Haleth,“ sagte Avaron mit einem zufriedenen Nicken. „Was hast du zu berichten?“
„Ich traf Erelieva an den Grabhügeln. Sie kam, um Hildamars Urne zu sehen, wie mir scheint.“
„Du hast dich ihr offenbart?“
„Ich konnte nicht anders, aber ich verhüllte mein Gesicht und nannte ihr nicht meinen richtigen Namen. Ich habe ihr erzählt, was die Schergen Sarumans mit dem Jungen gemacht haben.“
„Wie hat sie darauf reagiert?“ wollte Avaron sofort wissen.
„Sie schien geschockt zu sein und wollte mir erst nicht glauben,“ antwortete Haleth. „Ich hatte das Gefühl, dass man sie über die Untaten ihrer Landsleute größtenteils im Dunkeln lässt. Wenn sie mehr von der Wahrheit erfahren würde... ich glaube, ihre Loyalität ist fragwürdig. Ihre Liebe zu ihrem Sohn steht außer Frage, wie zu erwarten war. Aber seine Entscheidungen verachtet sie, wie es mir scheint.“
„Hm,“ machte Avaron nachdenklich. „Vielleicht bietet sich uns hier eine Gelegenheit, über seine Mutter an Helluin heranzukommen.“
„Das Risiko ist zu groß,“ warf einer der anderen Dúnedain ein. „Dadurch könnte unsere Präsenz hier in der Stadt aufgedeckt werden.“
„Was denkst du, Haleth?“ fragte Avaron. „Glaubst du, Elea würde dich verraten, wenn du ihr vom Sternenbund erzählen würde?“
„Ich bin mir nicht sicher,“ antwortete die Waldläuferin. „Sie ist beliebt beim einfachen Volk. Vielleicht könnte uns das zum Vorteil gereichen. Aber wenn sie gefoltert werden würde, so wie es mit Hildamar geschah...“ Sie wollte den Gedanken lieber nicht zu Ende denken, ganz gleich, was sie von Elea hielt.
„Die Gelegenheit ist zu gut um sie auszulassen,“ meinte Rilmir. „Wenn jemand Helluin zur Vernunft bringen kann, dann doch am ehesten seine Mutter, will ich meinen.“
Haleth nickte. Das war ein gutes Argument, wie sie fand. Doch noch immer gab es zwei Dúnedain, die gegen den Vorschlag sprachen. Schließlich ließ Avaron abstimmen und die Mehrheit stimmte dafür, weiteren Kontakt mit Erelieva aufzunehmen, was erneut Haleth als Aufgabe aufgetragen wurde. Avaron beendete das Treffen und sandte die Dúnedain zurück auf ihre jeweiligen Posten.

In dem kleinen, engen Gebäude bot sich kaum genug Platz für Privatsphäre und Zweisamkeit, weshalb Rilmir und Haleth sich in eine Ecke im oberen Raum zurückzogen und im Flüsterton miteinander sprachen. Nebeneinander sitzend genossen sie die Gegenwart des Anderen.
„Denkst du, Erelieva wird uns helfen wollen?“ fragte Rilmir.
„Ich würde es mir wünschen,“ antwortete Haleth wahrheitsgemäß. „Wenn es ihr wirklich gelingen sollte, ihren Sohn von seinem falschen Weg abzubringen, stehen die Chancen gut, dass unser Traum wahr wird.“
„Die Einheit unserer Familie. Unseres Volkes,“ flüsterte Rilmir.
„Ja,“ hauchte Haleth. „Ich will den Tag erleben, an dem die Dúnedain wieder unter einem Banner vereint sein werden. Und wenn Elea dabei die Schlüsselrolle einnimmt, werde ich dafür sorgen, dass es ihr gelingt. Ich werde bald mit ihr sprechen.“
„Mögest auch du Erfolg haben,“ sagte Rilmir behutsam. „Doch ich frage mich, was dann mit dem Sternenbund geschehen wird. Belen wird seine Führungsrolle wohl kaum abgeben wollen.“
„Nein, und sicherlich nicht an Helluin, selbst wenn dieser zur Vernunft gekommen sein sollte,“ meinte Haleth. „Die Frage nach dem Anführer unseres Volkes wird sich unweigerlich stellen, wenn unser Vorhaben gelingt.“ Sie seufzte tief. „Ich wünschte, Aragorn wäre hier. Er besäße die notwendige Autorität, um die Spaltung der Dúnedain auf der Stelle zu beenden.“
„Aragorn ist fort, Haleth.“ Rilmirs Stimme hatte einen melancholischen Klang angenommen. Jener Klang, in den Haleth sich einst verliebt hatte. „Er ist in den Schatten unerreichbar für uns.“
„Vielleicht nicht für immer. Noch besteht Hoffnung,“ antwortete Haleth.
„Du hast Recht. Wir dürfen niemals aufhören, zu hoffen.“
Bis der Stern der Dúnedain wieder an seinem rechtmäßigen Platz aufleuchtet und Licht in die Finsternis bringt, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Schlaf ein wenig, meine Liebe,“ sagte Rilmir kurz darauf. „Ich übernehme die erste Wache.“
Haleth gähnte und machte es sich, so gut es ging bequem. Das Leben in der Wildnis hatte sie abgehärtet, weshalb sie beinahe überall schlafen konnte, doch gegen ein weiches Bett hätte sie nichts einzuwenden gehabt. Mit den Gedanken auf ihre nächste Begegnung mit Erelieva gerichtet schlief sie auf Rilmirs Schoß ein.
« Letzte Änderung: 28. Jan 2019, 07:23 von Fine »
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Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #16 am: 28. Jan 2019, 22:30 »
Nächtelang nach diesem Ereignis im Grabhügel lag Elea wach. Sie dachte an diese mysteriöse Frau und ihre Worte. Wem sollte sie nun vertrauen? Hildur behauptete der Sternenbund hätte seinen Sohn gefoltert, Firiel jedoch behauptete genau das Gegenteil. Aber Elea konnte sich um keinen Preis dieser Welt vorstellen, dass der Vater seinen eigenen Sohn umbringen konnte. Niemand konnte aus ihrer Sicht so grausam sein.

Darüber hinaus machte sie sich weiterhin große Sorgen um ihre kleine Rabea. Sie saß gerade mit den beiden Jungen in der alten Gaststube, stütze sich mit ihrem Ellenbogen auf die Tischkante und der Kopf lag in ihrer Hand. Elea dachte über jenen Abend nach als Rabea weglief und augenblicklich war die Wut auf Finjas wieder da. Gleichzeitig hatte sie auch Angst vor ihm.
„Schau mal, ein Ork“, rief der kleine Aldred und riss sie damit aus ihren Gedanken. Er zeigte ihr eine Kritzelei, die er auf ein Stück Pergament gemalt hatte. Elea lobte den Jungen für sein Kunstwerk. Wie gewöhnlich ging auch an diesem Abend die Tür nach draußen auf und die schweren Schritte von Finjas waren zu hören. Elea zwang sich ihre Aufmerksamkeit bei den Buben zu lassen.

„Schau“, rief Madal freudestrahlend und zeigte mit dem Finger zur Tür. Neugierig schaute Elea nun zur Tür und sah an der Hand von Finjas die von Schmutz bedeckte Rabea. Ohne zu zögern stand sie auf und lief zu ihr. Sie umarmte sie ganz fest und küsste ihr auf die verschmierte Stirn.
„Wo warst du denn?“, fragte Elea. Sie bekam aber keine Antwort.

Sie ging mit dem Mädchen nach oben, um sie zu baden und von dem Schmutz zu befreien. Sie half ihr aus ihrem Kleid und wickelte sie in eine dicke Decke. Als sie aus dem Waschraum hinausging, um warmes Wasser aus der Küche zu holen, stolperte sie beinahe über die befüllten Eimer vor die Tür. Finjas hatte sie bereits befüllt und die Treppe heraufgetragen.

Behutsam säuberte sie den Körper der Kleinen und begann eine Unterhaltung mit ihr:
„Ich bin froh, dass du wieder da bist Rabea. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht“, leitete die Dunadan ein und erntete ein dankbares Nicken.
„Wo warst du denn solange?“
„Ich habe mich versteckt. Hin und wieder ging ich auf die Straße und habe geschaut ob ich dich finde. Aber hierher habe ich mich nicht getraut“, gab das Mädchen zur Antwort.
Elea sah ihr reumütig in die Augen: „Das tut mir so leid. Weißt du, auch ich habe mich versteckt.“
„Ich weiß!“, erwiderte sie leise.
„Hat Finjas dir weh getan oder?“
„Nein! Er hat mich heute am Marktplatz erwischt. Ich wollte mir nur etwas zu Essen holen und er hat mich erwischt. Ich hatte am Anfang so viel Angst. Aber er bezahlte das Brot, dass ich mir einfach genommen hatte“, sagte die Kleine beschämt „Und er hat gesagt ich soll nachhause kommen, weil es falsch war was er gemacht hat.“
Elea war sehr erstaunt über diese Geschichte.
„Warum hat er das getan, Mama Elea?“, frage sie.
„Weißt du mein Schatz, auch er hat Angst“, antwortete die Dunadan.

In dieser Nacht kuschelte sich Rabea wieder in Eleas Bett und seit längerem hatte die Dunadan wieder einen ruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen als Finjas die Gaststube betrat, stand sein Frühstück bereits auf dem Tisch. Überrascht blickte er auf die liebevoll zubereitete Speise.
„Setz dich“, bat ihn Elea „Es ist für dich.“
„Danke“, entgegnete er kurz und versuchte ein dankbares Lächeln aufzusetzen.
Die Dunadan setzte sich gegenüber an den Tisch: „Danke, dass du sie gesucht und zurückgebracht hast.“
Er nickte: „Sie war ja meinetwegen weg.“
Dass Finjas die Kleine gefunden hatte, war Entschuldigung genug für sie. Sie gab alles um diesen Morgen zu vergessen und wieder Normalität einkehren zu lassen. Ein Thema musste sie mit Rabea aber noch besprechen. Der geeignete Moment dazu ergab sich bald nach einem Mittagessen. Die beiden Jungen waren gleich wieder nach draußen gegangen um die paar Sonnenstrahlen des Tages zu nutzen und Rabea half beim Abwasch.

„Rabea?“, begann Elea.
„Ja.“
„Damals, als du Hildamar hierhergebracht hast, sagtest du, dass du ihn kennst.“
Wie ertappt schaute die Kleine ihre Ziehmutter an: „Ja“
„Woher kanntest du ihn?“
„Ich habe ihn gleich nach unserer Ankunft hier kennen gelernt. Wir haben uns oft in der Dämmerung getroffen. Meistens kam er vom Abendessen und brachte mir ein paar Rest mit. Er hatte meistens nicht viel Zeit und musste gleich weiter, irgendwohin.“
„Und das wars dann?“
„Nein“, gab das Mädchen gleich zu „Vor ein paar Wochen habe ich ihn dann in der Nähe vom Markt gesehen. Er hatte ganz schmutzige Kleider und hockte seitlich versteckt an einer Hauswand. Ich habe mich zu ihm gesetzt und mit ihm geredet. Er fragte wie es mir geht, wo ich jetzt wohne und ob ihr eh nett zu mir seid. Er freute sich sehr als ich ihm die Geschichten von dir erzählte. Dass Finjas so nett war, konnte er zunächst kaum glauben.“
„Warum hast du ihn nicht hergebracht?“, frage die Dunadan.
„Das wollte ich. Aber obwohl ich mehrere Male bitte gesagt habe hat er abgelehnt. Er sagte, er hat kein zuhause mehr und würde ohnehin nicht mehr lange hier sein. Ich war dann ganz traurig.“
„Das glaube ich dir. Hast du ihn dann nochmal getroffen?“
„Nein. Dann fand ich ihn schon an diesem Abend. Es war in der Nähe vom Gasthaus zum tänzendeln Pony.“

Also war es wahr. Die fremde Frau, Fíriel, hatte ihr die Wahrheit gesagt über Hildur. Er hatte seinen eigenen Sohn auf dem Gewissen. Kein Wort konnte sie mehr mit diesem Ungeheuer wechseln. Als sie daran dachte, dass sie sich bei ihm entschuldigt, ihn umarmt und angehimmelt hat wurde ihr ganz schwindlig. Letztlich konnte sie sich aber dann doch gleich wieder fangen.

„Und du hast ihn bis hierher gebracht?“, frage Elea erstaunt.
„Ja.“
„Du bist ein tapferes Mädchen“, sagte Elea „Dank dir hatte er wenigstens noch einen Hauch von Chance zu überleben.“
Ein stolzer aber trauriger Blick kam von dem Mädchen.
„Sag mir bitte noch, als ihr euch kennen gelernt habt; wo war denn das?“, frage die Dunadan abschließend.
„Damals trieb ich mich meistens im Norden der Stadt herum. Da waren am wenigsten Wachmänner unterwegs.“
„Kluges Kind!“
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Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #17 am: 2. Feb 2019, 11:57 »
Hurtig wusch sich Elea am nächsten Morgen und zog sich an. In kürzester Zeit richtete sie ein dürftiges Frühstück für Finjas und die Kinder, nahm sich einen Happen Brot und lief auf die Straße hinaus.
Als sie das Haustor schloss griff sie in ihre Tasche und holte ein weißes Tuch heraus. Sie öffnete es behutsam bis der Stern der Dunedain ihr entgegenstrahlte. Sie legte die Kette um den Hals und ging Richtung Norden.

In dieser schlaflosen Nacht hatte sie beschlossen irgendwie Kontakt zu der Frau aufzunehmen. Sie wollte mehr erfahren, denn scheinbar hatte Hildur – das Scheusal – auch Feinde hier in Bree. Das Problem war nur, wie würde sie Firiel wiederfinden? Sie würde wohl kaum auf der Straße herumlaufen und sie ansprechen. Zum Grabhügel zurück würde sie ebenfalls nur in letzter Not gehen.

Am Nordtor angekommen fiel ihr nichts sonderlich Auffälliges auf. Weder in den Gassen noch in den Fenstern der Häuser war etwas zu sehen. Die Taverne nahe dem Nordtor war wie alle Gasthäuser verbarrikadiert und geschlossen.

„Frau Erelieva“, kam ihr auf einmal ein aufmerksamer Wachmann entgegen.
Elea erschrak und fühlte sich ertappt. Darüber hinaus war sie verwundert, dass er ihren Namen kannte.
„Was macht ihr hier? Wonach sucht ihr?“, frage er neugierig.
Die Dúnadan war leicht nervös, konnte aber zum Glück schnell eine plausible Antwort finden: „Die beiden Jungen sind abgehauen als ich zum Markt gehen wollte.“

Als sie mit dem Wachmann sprach, fiel ihr Blick auf das Eckhaus hinter ihm gleich neben dem verbarrikadierten Gasthaus. Zur Hauptstraße hin hatte es eine große, mit Brettern vernagelte Luke. Daneben begann eine steinerne Arkade die sich um die abgeschrägte Ecke des Hauses schlängelte. Genau in der schrägen Kante befand sich das Haustor neben dem klar und deutlich eine Prägung zu erkennen war: ein Wappen.
„Dieses Haus?“, stotterte sie und der Wachmann drehte sich um.
„Ja, das alte Handelshaus“, antwortete er.
„Ist es bewohnt?“
Plötzlich ertönte ein lauter Ruf vom Stadttor: „Öffnet das Tor!“
„Ich muss wieder auf meine Posten. Aber nein, es war nie bewohnt. Und ich bin immerhin hier geboren“, gab er zur Antwort.
„Danke“, entgegnete sie leise und ging zu dem Gebäude. Als sie die Arkaden erreichte, kam ihr ein modriger Geruch entgegen aber das hielt sie nicht auf im Schatten des alten Gemäuers zu verschwinden.

Es war ein kurzer Blick in die Vergangenheit für Elea, als sie über das Wappen der Bachor Erthad Andúnië strich. Es waren schöne Erinnerungen an Brianna ihre Freundin, vertraute an ihren Beschützer Doreal, abscheuliche an Herumor ihren Unterdrücker. Sie erinnerte sich an die Geschichte über die Handelsgilde und über die Selbstlosigkeit der Händlerfamilien, die vielen das Leben retteten ehe Numenor für immer versank.

Die Tür klemmte ein wenig ließ sich aber dann doch öffnen. Vor ihr tat sich ein dunkler Vorraum auf. Die Wände waren kahl, auf dem Boden lagen umgekippte Stühle und in der Ecke stand eine morsche Kommode. Aus diesem Vorraum gingen zwei Türen. Eine nach rechts. Elea betrat diesen Raum in dem mittig ein großer Schreibtisch aus Holz stand. An den Wänden waren dunkle, leergeräumte Holzregale. Links von ihr war noch eine schmale Tür. Durch den Türspalt erspähte sie ein Bett in einem fensterlosen Raum. Sie wollte ihn lieber nicht betreten.

Der Raum links vom Vorraum war ein größerer leerer Raum. Hier war die Luke die auf die Hauptstraße zum Nordtor hinaus führte. An der hinteren Wand war eine breite Treppe nach oben. Sie folgte ihr und kam in einen einzigen großen Lagerraum. In einer Ecke standen noch einsam einige Kisten die mit Büchern befüllt waren. Sorgsam nahm sie eines davon heraus. Sie schlug es auf und blickte auf alte Karten Eriadors. Es waren noch die drei Reiche Arnors eingezeichnet.

„Erelieva“, flüsterte ihr jemand plötzlich zu. Elea war so erschrocken, dass ihr das Buch aus der Hand fiel. Sie schaute augenblicklich zum Treppenaufgang, doch da war niemand.
„Hier bin ich“, sagte die Stimme wieder.
Erst jetzt fiel ihr der Schatten hinter einem der Fenster auf. Sie ging eilig hin und erkannte sogleich Fíriel: „Wie kommst du hier herauf?“ fragte sie verwundert.
„Über das Dach des Nachbarhauses. Ich habe dich beobachtet wie du mit dem Wachmann gesprochen hast. Sie haben ein Auge auf dich geworfen.“
„So wie du? Bist du eigentlich immer hinter mir her?“
„Meistens“, antwortete Fíriel ehrlich.
„Wieso?“, fragte Elea.
„Viele meiner Freunde kennen dich von früher. Sie schätzen dich und wir alle hoffen, früher oder später, dass dein Sohn irgendwann zur Vernunft kommt und sich für sein Volk entscheidet und nicht immer wieder für Saruman.“
„Da muss ich euch enttäuschen“, sagte Elea und versuchte die Traurigkeit hinunterzuschlucken „Ich habe meinen Sohn gesehen, mehrmals; aber ich erreiche ihn einfach nicht.“ Tränen flossen über Eleas Wangen: „Und ich weiß einfach nicht mehr wo ich nach dem kleinen Helluin, den ich kannte, suchen soll.“

Schweigen trat zwischen die beiden Frauen. Elea kniete sich auf den Boden, setzte sich auf ihre Fersen und hob das Buch auf, um es in die Kiste zurück zu legen. Mitten in der Bewegung stockte sie, ließ das Buch auf ihre Knie sinken und hielt es weiterhin fest.

„Wie war er?“, frage Elea dann und schaute in das fragende Gesicht Fíriels.
„Wer? Helluin?“
„Nein, Hildamar. Erzähle mir von ihm, bitte.“
„Hildamar?!“, frage sie nun überrascht „Aber natürlich. Hildamar war ein mutiger Junge, wobei man eher Mann sagen sollte bei dem was er geleistet hat. Er hatte sicherlich mehr Mut als so mancher Soldat in vorderster Reihe. Und er war immer so fröhlich, er brachte uns zum Lachen… egal wie furchtbar und trostlos die Situation schien.“
Ein sanftes Lächeln legte sich auf das Gesicht der fremden Dunadan. Offensichtlich erinnerte sie sich an ein Erlebnis mit dem jungen Mann.

„Hildur’s Auftrag war es die Entwicklungen in Bree zu verfolgen und Bericht an Saruman zu erstatten. Er war eine Art Stabstelle neben dem Statthalter und den Ältesten. Lief etwas nicht nach den Vorstellungen Sarumans, so erstattete er sofort Bericht und ein paar Tage später sind ein paar Leute spurlos verschwunden.
Zu diesem Zweck suchte er sich ein Haus direkt am Marktplatz, gleich gegenüber dem Ratshaus. Die Familie die es seit mehreren hundert Jahren bewohnte, musste ihm natürlich weichen. Sie wurden lange Zeit nicht gesehen. Bereits ab diesem Zeitpunkt wandte sich sein Sohn von ihm ab, da er diese Ungerechtigkeit nicht ertrug.“

„Wenn ich sehe was, Sarumans Worte mit Helluin gemacht haben, wundert es mich nicht, dass auch Hildur sich so verändert hat und so grausam wurde“, warf Elea ein.
„Ich weiß es nicht wie mächtig dieser Zauber ist, aber ich glaube tiefsten Herzens daran, dass es noch wirksamere Mächte gibt die diesen Zauber Sarumans brechen können. Ich sehe es ja bei meinen Freunden, aber bei Hildur bin ich mir nicht sicher.“
„Wieso? Ich kenne ihn schon lange, er war stets ein sehr zuvorkommender und höflicher Mann“, antwortete Elea.
„War er das? Vielleicht nur zu dir und deinesgleichen. Du entstammst einem hohen Hause, er aber nicht. Daher war ihm der Weg in den Stammesrat der Dunedain immer verschlossen. Egal wie sehr er sich auch bemühen würde, es fehlte ihm ein ruhmreicher Name. Wut und Verbitterung waren sicherlich immer sein Begleiter, auch wenn er dies hinter seiner Maske verbarg. Der Zauber Sarumans hat dies sicher noch genährt, wenn man bedenkt was er seinem eigenen Sohn angetan hat.“

„Und du, und deine Freunde?“, frage Elea nun „Ihr seid die Befreier von Fornost, Bree oder gar von ganz Eriador?“
„Wir glauben an das Volk der Dunedain und an die freien Völker Mittelerdes“, antwortete Fíriel „Ich glaube daran, dass wir stärker sind als uns zugetraut wird, ja sogar als wir uns selbst zutrauen. Lange verbargen wir uns in den Wäldern und fürchteten unsere Vergangenheit, aber was diese Zeit uns abverlangt ist Einheit und Zusammenhalt… und Freundschaft. Einmal schon wurde unser Volk entzweit und es führte zum Untergang unserer Welt. Es liegt an uns, dass dies nie wieder geschieht.“

Nach diesen Worten schwieg Elea.

„Ich muss nun wieder gehen, meine Liebe. Hier können wir uns wiedersehen, wenn du es wünscht. Falls du nicht gesehen werden möchtest, das Fenster zur Seitengasse ist nie verschlossen. Ach und ehe ich es vergesse:“, die fremde Dunadan versuchte sich zu etwas zu überwinden „Mein Name ist Haleth.“
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Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #18 am: 3. Feb 2019, 23:09 »
Elea saß noch lange auf dem Boden des Lagerraumes und grübelte über den Karten Arnors und über das Gespräch mit Haleth. Als sie schließlich nach Hause ging war es bereits spät am Nachmittag. Finjas war wie immer nicht zuhause, nur die Kinder spielten fröhlich Verstecken in der Gaststube.

Elea war etwas planlos wie sie nun vorgehen sollte. Sie glaube Haleth grundsätzlich die Geschichte über Hildur, aber sie war nicht bereit blind der anderen Seite zu folgen. Oft genug war sie in diese Falle getappt.

Am nächsten Tag als sie in der Küche stand dachte sie über ihre nächsten Schritte nach, wobei sie keine Ahnung hatte was sie nun tun sollte. Plötzlich kam Finjas die Treppe herunter. Ohne ein Wort von sich zu geben, zog er sich seinen Mantel über und ging in Richtung Tür.
„Warte“, rief ihm Elea nach „Willst du heute gar nichts essen?“
„Nein, ich muss zu Herrn Hildur“, antwortete er nur kurz und bündig.
Kurzerhand und ohne viel über die Folgen nachzudenken rief sie ihm nach: „Warte Finjas, darf ich dich begleiten?“
Überrascht blieb er stehen und schaute zu der Dunadan.
„Wozu?“, antwortete er misstrauisch.
Blitzartig versuchte sie eine unauffällige Begründung zu finden: „Ich möchte sehen wie es ihm geht... wegen dem was mit Hildamar passiert ist.“
Nach einem prüfenden Blick stimmte er dem ganzen zu und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Marktplatz.

Hildur’s Haus stand genau gegenüber dem Marktplatz. Es war verhältnismäßig groß für die Häuser aus Bree. Die Tür war aus solidem und dunklem Holz. Im ersten Stock gab es ein großes Erkerfenster mit viel buntem Glas.
Finjas betrat nachdem er geklopft hatte einfach das Haus. Im Vorraum nahm er die erste Tür auf der rechten Seite und setzte sich auf einen Stuhl in dem Raum. Das Zimmer erinnerte sie sehr an die Feste der Dunedain. Dorthin hatte Aragorn oft seine engsten Vertrauten eingeladen um sich mit ihnen zu beraten. Elea musterte die Regale an der Wand hinter Finjas Stuhl und las aufmerksam die Buchrücken, wie sie es immer tat.
Nach kurzer Zeit hörte sie laute Tritte auf der Holzstiege. Sie drehte sich um, platzierte sich hinter Finjas und legte ihre Hand auf seine Schultern, was ihn leicht zusammenzucken ließ.

„Finjas mein Freund“, sagte Hildur beim Hereinkommen und erblickte da erst Elea „und einen schönen guten Morgen auch an dich Elea!“
Nach einer kurzen Pause setzte er fort: „Es überrascht mich sehr dich hier zu sehen. Was führt Dich denn zu mir?“
Elea versuchte ihr mitfühlendstes Gesicht aufzusetzen: „Ich wollte nach dir sehen, wie es dir den geht in dieser schwierigen Zeit.“
„Das ist sehr liebenswürdig von dir. Es ist gut, dass ich derzeit so wenig Zeit habe darüber nachzudenken“, er senkte seinen Blick auf den Schreibtisch „Hildamar fehlt mir sehr.“

In Eleas Kehle bildete sich ein großer Kloß. Am liebsten würde sie dieses verlogene Scheusal anschreien bis ihre Stimme versagen würde.
„Geh doch nach oben zu Fiona. Sie soll uns einen Tee zubereiten, dann können wir uns im Anschluss ein wenig austauschen.“
Um nicht auffällig zu erscheinen folgte sie seinen Anweisungen und verließ den Raum. Oben angekommen fand sie eine junge Frau vor. Sie hatte dunkles Haar und grau-grüne Augen.
„Hallo, ich bin Elea“, stellte sich die Dunadan vor „Du bist Fiona?“
Die junge Frau nickte eingeschüchtert.
„Hildur möchte, dass du Tee für uns zubereitest“, sagte Elea knapp und das Mädchen verschwand augenblicklich in der Küche. Es dauerte keine zehn Minuten bis sie mit einem Tablett aus der Küche kam um nach unten zu verschwinden. Wie vom Blitz getroffen ging Erelieva einen Schritt auf sie zu: „Ich danke dir. Ich werde es nach unten bringen.“
Fiona schaute sie verunsichert an: „Ist Finjas da?“
„Ja“, bestätigte Elea und löste damit ein trauriges Gesicht bei ihrem Gegenüber aus, aber wortlos übergab sie das Tablett.

Die Dunadan ging so leise es möglich war treppab und blieb vor der Türe stehen. So gut es ging versuchte sie dem Gespräch zu lauschen.

„…musst dort sein. Übermorgen Nacht werden sie ankommen“, hörte sie die Stimme Hildurs.
Finjas antwortete sicherlich nur mit einem Nicken.
„Aber dann? Ich möchte die Waffen nicht lange hier in Bree wissen. Es ist zu unsicher hier, noch immer gibt es viele die sich gegen die weiße Hand auflehnen. Was meinst du, der Grünweg: ist er sicher?“
Erstmals antwortete Finjas mit Worten: „Wenn du es riskieren willst? Für meinen Geschmack führt der Weg zu nahe an Fornost vorbei.“
„Du hast absolut Recht. Mhmmm… was können wir tun? Ich weiß, schicke nach Arik. Vielleicht kann er uns mehr dazu sagen oder eine günstige Alternative vorschlagen.“
„Ich werde sofort selbst zu ihm reiten“, antwortete Finjas kurz und bündig.
Um einem vorzeitigen Öffnen der Tür zuvorzukommen, klopfte Elea nun. Die Männer verstummten augenblicklich.
„Hier ist er schon der Tee“, sagte Elea ungestüm.
„Ach du bringst ihn gleich hierher!“ entgegnete Hildur erstaunt „Ich dachte wir trinken ihn oben.“
„Oh, das wusste ich nicht. Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Aber nein Elea, ich entschuldige mich. Das nächste Mal werde ich mich etwas klarer ausdrücken.“
„Wenn ihr aber noch nicht mit eurer Besprechung fertig seid, ich… ich müsste noch auf den Markt ehe alle guten Sachen weg sind. Ich hatte gehofft, dass es etwas schneller gehen würde.“
„Aber natürlich. Eine ‚Mutter‘ muss sich ja um ihre Kinder kümmern. Geh ruhig Elea, wir werden unser Gespräch ehest möglich nachholen und ich danke dir für deine aufrichtige Anteilnahmen“, sagte Hildur und stand bei der Verabschiedung auf.

Elea verließ das Haus. Sie war sehr aufgeregt über diese Neuigkeiten. Augenblicklich wollte sie in das Lagerhaus laufen um es Haleth mitzuteilen. Dann aber überkam sie die Vernunft. Es war wichtig zuerst ihre Gedanken zu sortieren und zum Markt zu gehen. Finjas würde Verdacht schöpfen, wenn nun nichts zu essen zuhause war.
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Re: Bree
« Antwort #19 am: 10. Feb 2019, 21:31 »
Finjas kam allerdings an diesem Abend nicht nachhause. Sie hatte den drei Kindern eben zu essen gegeben und Rabea mit den beiden Jungen nach oben geschickt. Das Mädchen hat ihnen noch beim waschen geholfen und ihnen eine Geschichte vorgelesen. Sie waren längst wie richtige Geschwister.

Erst im Anschluss kam Rabea herunter und setzte sich zu Elea an den Tisch:
„Alles in Ordnung, Mama Elea?“, frage sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck.
„Ja meine Kleine“
„Woran musst du denken? An Hildamar?“
„Ja, auch an ihn. Eine Freundin hat mir erzählt, dass er ein mutiger junger Mann war. Mutiger als wir es je sein könnten“, antwortete die Dunadan und hatte ein hauchdünnes Lächeln auf den Lippen.
„Wir sind auch mutig“, entgegnete die Kleine mit einem verschmitzten Lächeln.
„So, sind wir das? Ich weiß nicht ob ich jemals so mutig sein könnte um mich gegen mein Kind zu stellen. Hildamar hat das gemacht, er hat gegen seinen Vater gekämpft und auch umgekehrt.“
„Ich weiß. Aber es war richtig. Sein Vater ist kein guter Mann. Hildamar hat mir erzählt, dass er dieses Mädchen im Haus schlägt, wenn es nicht tut was er will und er sperrt sie über Nacht ein!“
Aufmerksam lauschte Elea den weisen Worten eines kleinen Mädchens.
„Hätte mein Vater so etwas getan, ich hätte glaube ich das gleiche getan wie Hildamar. Aber er war zum Glück immer lieb, mein Papa. Er hat mich ein einziges Mal geschlagen, aber gleich danach kam er wieder zu sich und hat sich bei mir entschuldigt. Und er hat dabei geweint.“
„Dann hat er es bitterlich bereut. Ich glaube nicht, dass Hildur es bereut. Zumindest hat er keine Tränen vergossen“, eine eisige Kälte kroch ihren Rücken hinauf bei dem Gedanken daran: „Ich möchte mir gar nicht vorstellen wie es ist sich gegen seine eigene Familie zu stellen.“
„Mein Papa hat mich auch damals geschlagen obwohl er es nicht wollte. Manchmal passiert so etwas einfach, aber wenn es ihm leid tut ist es gleich viel weniger schlimm.“
„Glaubst du, dass ich mutig genug bin mich gegen mein eigenes Kind zu stellen?“, frage sie nun angsterfüllt dieses kleine Mädchen vor sich.
„Helluin, ist er wirklich so böse wie alle sagen?“, frage sie.
„Nein, eigentlich nicht. Er war immer ein so fröhliches Kind. Nie gab er eine ruhe und musste sich immer beschäftigen. Er hat mit seinem Vater stundenlang herumgetobt und mit ihm kämpfen geübt, so als würde er gegen eine Horde Orks und Bergtrolle kämpfen. Niemals konnte er einem Menschen schaden zufügen der ihm nichts getan hatte.“
„Und denkst du er bereut alles was er getan hat?“, hakte die Kleine nach.
„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es inständig.“
„Mama hat immer zu mir gesagt, dass Papa so furchtbar traurig ist darüber was passiert ist und dass er verspricht es nie wieder soweit kommen zu lassen. Sie sagte dann, dass ich ihm immer vertrauen kann, weil er mit gutem Beispiel voran geht und uns den Weg zeigt.“
„Wie kann ein so kleines Mädchen - wie du es bist - schon so weise und klug sein?“ sagte Elea mit einem Lächeln auf den Lippen „Also werde ich meinem Sohn mit gutem Beispiel voran gehen und hoffen, dass er mir folgen wird?!“

Am nächsten Tag war Finjas noch immer nicht zurückgekehrt. In der Nacht hatte sie beschlossen Rabea mitzunehmen in das Handelshaus und sie mit Haleth bekannt zu machen. Diesem Plan folgte sie am nächsten Morgen. Über die kleinen Seitengassen schlichen sie sich zu dem Haus und stiegen über das Fenster hinein. Sie folgten der Treppe nach oben.

Als Elea sie auf die Bücher in der Kiste aufmerksam machte, lief sie aufgeregt dorthin um jedes einzelne von ihnen durchzublättern. Es dauerte keine halbe Stunde ehe Haleth am Fenster auftauchte und den großen Lagerraum betrat.

„Guten Tag“, begrüßte Haleth sie.
„Hallo“, entgegnete Elea ebenfalls aufgeregt.
„Firíel?“, stieß Rabea überrascht heraus als sie den Ankömmling sah. Sie ließ das Buch fallen und stürzte auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen. Behutsam strich ihr Haleth über den Kopf.
„Du kennst sie?“, fragte Elea überrascht.
„Ja! Sie hat mir früher oft geholfen, falls mich die Markthändler beim Stehlen erwischt haben oder wenn ich draußen alleine im Dunklen war“, antwortete das Mädchen und hatte feuchte Augen dabei.
„Das habe ich“, bestätigte Haleth „Und weißt du wer mich darum gebeten hat? Hildamar. Seit eurer ersten Begegnung wusste er, dass du etwas ganz Besonderes bist und dass du wahrscheinlich noch das ein oder andere Mal Hilfe benötigen wirst ehe du alleine deinen Weg beschreiten kannst.“

Die Kleine lächelte nun die Frau in ihren Armen an.
„Und bitte Rabea, nenne mich Haleth – bei meinem richtigen Namen.“
Das Mädchen nickte verstehend: „Also gehörst du auch zum Sternenbund?“
„Sternenbund?“, fragte Elea und neugierig.
„So ist es und ja, so nennen wir uns. All jene die wir Saruman’s Fluch entkommen sind und für unser Volk kämpfen. Belen ist unser Anführer und ihm folgen wir.“
„Belen? Das überrascht mich, wobei: er war stets ein aufrichtiger, prinzipientreuer und mutiger Mann. Er war ein guter Anführer wie Aragorn und ein guter Kämpfer, so sagte man.“
„Das IST er allerdings“, bestätigte Haleth und schloss stolz an „Fornost ist unser Sitz, den wir stets zu verteidigen wissen.“
„Dies erklärt nun, warum der Grünweg so gefährlich ist“, entgegnete Elea und erinnerte sich an die Unterhaltung zwischen Finjas und Hildur. Sie erzählte Haleth alles was sie gehört hatte in der Hoffnung, dass sie eine Logik darin erkannte.

„Ich verstehe! Saruman schickt Waffen nach Carn Dum um seine Armee wieder zu bewaffnen. Er muss den Weg über Bree gehen, da er weder zu Nahe an Gundabad gelangen darf noch an Fornost. Wir müssen es auf jedenfalls verhindern, dass Carn Dum an Waffen gelangt, die Bedrohung aus dem Norden ist so schon bedrückend genug.“
„Er erwähnte auch noch einen Arik. Er würde eventuell Alternativen wissen“
„Arik? Er ist der Ältestenrat aus Archet und für das gesamte Breeland zuständig. Es gibt alte Pfade die von Archet durch den dichten Chetwald führen, vielleicht möchte Hildur das wissen. Es muss jedenfalls alles schnell gehen, da der Norden Eriadors sehr umkämpft ist. Danke Elea, damit hast du uns sehr geholfen. Diese Informationen sind sehr beängstigend, aber es ist nun gut, dass wir davon wissen. So können wir den Feind vielleicht daran hindern in Bälde wieder zu erstarken. Ich muss sofort Bericht erstatten. Heute Nacht müssten die Waffen ja bereits hier eintreffen und dann kann es nicht lange dauern bis ihre Reise weitergeht.“
Haleth gab Rabea einen Abschiedskuss auf die Stirn, nickte Elea zu und verschwand wieder durch das Fenster
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Re: Bree
« Antwort #20 am: 22. Feb 2019, 22:30 »
„Was sagst du Rabea, können wir Haleth vertrauen?“, fragte Elea nun als sie alleine waren und hoffte auf die stets aufrichtige Antwort eines Kindes.
„Sie war immer sehr nett zu mir, lange schon bevor ich dich und Finjas oder sonst jemanden hier kannte“, gab sie zur Antwort.

Haleth scheint es also ehrlich zu meinen oder sie hatte nur Mitgefühl. Aber das ist ja auch ein gutes Zeichen. Verräter wie Hildur hätten kein Mitgefühl für Menschen die ihnen nicht in irgendeiner Form von Nutzen sind. Kann ich ihr vertrauen? Ja, ich vertraue ihr… und hoffe, dass ich mich nicht täusche

Gemeinsam verließen sie das Haus wieder über das Fenster und gingen nach einem kurzen Abstecher zum Markt gleich wieder zurück in das Gasthaus.

An diesem Nachmittag kehrte Finjas zurück. Er hatte einen mittelgroßen, braunhaarigen Mann im Gepäck. Er hatte krauses Haar und Elea schätzte ihn auf 40 bis 45 Jahre, was einem guten Alter in Bree entsprach.
„Hier kannst du heute schlafen“, sagte Finjas als sie hereinkamen „Sie wird dir ein Bett zurecht machen.“
„Zeig ihm sein Zimmer!“, befahl er Elea „Arik soll sich noch sein Gesicht waschen ehe Herr Hildur kommt.“
Elea musste sich bemühen ihre Aufregung versteckt zu halten. Sie konnte kaum glauben, dass Hildur hierher kam um seine Angelegenheiten zu besprechen. Es konnte kaum eine bessere Möglichkeit geben das Gespräch zu belauschen.
„Natürlich“, sagte sie unterwürfig und ging sofort die Treppe hoch. Arik folgte ihr. Als sie das Zimmer betraten legte er einen großen Lederbeutel mit dem Reisegepäck auf das Bett. Elea holte vom Flur noch einen Eimer mit frischem Wasser und stellte ihn neben den Waschtisch.
„Ich werde später dein Bett zurecht machen“, sagte sie „Zuerst bekommst du etwas zu essen. Nach diesem langen Marsch musst du sehr hungrig sein.“
Arik bedankte sich als sie das Zimmer verließ und sich auf den Weg in die Küche machte.

So langsam sie konnte bereitete sie das Essen in der Küche zu. Von hier aus würde sie das Gespräch gut belauschen können, aber Hildur kam und kam nicht. Bevor es absurd erschien, dass sie so lange mit der Essenszubereitung brauchte, stellte sie ihnen das Essen auf den Tisch.
Als sie zurück in die Küche gehen wollte, bemerkte sie Rabea auf einem Tisch in der Ecke. Sie blätterte in einem Buch und als Elea sich zu ihr setzte, klopfte es plötzlich an der Tür und sie öffnete sich von außen. Erwartungsgemäß trat Hildur herein und setzte sich an den Tisch der Männer. Er begrüßte Elea und Rabea freundlich, dabei drehte sich Finjas zu ihnen um und warf den beiden einen misstrauischen Blick zu.

„Sollen wir gehen?“, frage Elea so unschuldig sie konnte und hoffte inständig, dass Hildur’s übertriebene Höflichkeit ihr Gegenüber ein Nein auf seine Lippen zauberte.
„Ihr könnt gerne bleiben“, gab er zur Antwort. Glück gehabt
Elea tat so als ob sie sich in das Buch mit Rabea vertiefte: „Wir müssen so tun, als ob wir das Buch anschauen und lesen“, flüsterte sie zu dem Mädchen die nur ganz vorsichtig nickte.

 „Arik mein Freund. Wie geht es dir denn und deiner wunderhübschen Frau? Es ist lange her, dass ich sie gesehen habe.“
„Das ist es in der Tat und ich wünsche auch, dass es so bleibt“, antwortete Arik aufrecht.
„Ach, nach Archet verschlägt mich nichts so schnell“, entgegnete Hildur mit einem Grinsen im Gesicht.
„Arik, wir brauchen deine Hilfe“, begann nun Hildur „Leider sind wir in eine Situation geraten um die wir nicht gebeten haben. Was ich dir sage, bleibt unter uns, verstanden?“
Arik wirkte nun eingeschüchtert, allerdings lag auch ein Hauch von Neugier in seinem Blick. Er bestätigte mit einem Nicken.
„Wir wissen, dass es von Archet durch den Chetwald alte Pfade gibt um in den Norden zu gelangen. Welcher davon kann mit Wägen befahren werden?“
„Mit Wägen?“, fragte er überrascht „Keinen. Keiner dieser Trampelpfade ist befahrbar.“
„Es ist aber absolut notwendig!“
„Nein, das ist absolut absurd. Keiner dieser Wege ist breit genug noch eben genug. Ihr müsst den Grünweg nach Norden gehen.“
„Du weißt genau, dass das nicht geht. Gerade du weißt was im Breeland und Umgebung los ist.“
„Dann schicke genug Männer mit. Der Grünweg oder östlich der Stadt, das sind die einzigen Wege die dich nach Norden führen. Ich schwöre es dir.“
Hildur starrte ihm in die Augen, dachte dann einen Augenblick nach.
„Nun, dann. Finjas, was meinst du, sollen wir uns die Sache einmal persönlich anschauen?“, fragte nun Hildur übertrieben laut „Ich muss wohl meine Aussage von vorhin revidieren, da ich offensichtlich doch nach Archet reisen muss. Und deine Frau hat sicher das ein oder andere Bett für uns zur Verfügung.“
Augenblicklich war Arik die Angst ins Gesicht geschrieben. Es dauerte nur einen Bruchteil von Sekunden bis er all seinen Mut und seine Integrität verloren hatte.
„Keiner der Pfade ist derzeit befahrbar, aber es gibt manche, die könnten wir in kürzerer Zeit so verbreitern, dass schmale Wägen durchpassen.“
„Ausgezeichnet“, lobte Hildur ihn höhnisch „Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Man muss nur lange und intensiv genug danach suchen. Ich bin überglücklich, dass ich mir die Reise in dieses Drecksloch erspare.“
„Es ist gut“, beruhigte Finjas die Unterhaltung „Alle sind glücklich. Arik, bis wann werdet ihr damit fertig sein?“
„Wir sind nicht allzu viele Leute in Archet. Die meisten sind alt und können nicht mehr soviel arbeiten. Aodlind und seine Handwerker sind jung und kräftig. Ihm können wir vertrauen und seine Männer sind ihm gehorsam. Schicke ihn nach Archet und wir werden in vier Wochen soweit sein.“
„Vier Wochen?“, fragte Hildur, der bereits aufgestanden war „Vier Wochen? Ich schicke dir Aodlind gleich morgen, aber ihr seid in zwei Wochen fertig!“
Arik schaute ungläubig, nickte aber stumm. Widerspruch würde nur den Zorn Hildur`s befeuern.
„Und Arik“, sagte er abschließend „Du kannst dich schon auf eine längere Reise in den Norden vorbereiten!“

Mit diesen Worten verließ Hildur das Gasthaus.

Bedrückende Stille legte sich in den Raum. Verzweiflung lag in der Luft.

„Aodlind ist jung und kräftig und die Männer der Handwerksgilde auch“, sprach Finjas ihm nun Mut zu „Ihr schafft das schon. Wenn ich hier nicht gebraucht werde, komme ich ebenfalls.“
Arik setzte sein Nicken fort: „Ich werde mich nun waschen und hinlegen. Für die kommenden Wochen brauche ich alle Kraft die ich aufbringen kann.“

Die Stille kam wieder. Elea begann gedankenlos ein paar Wörter aus dem Buch zu nuscheln um zu verdecken, dass sie die ganze Zeit zugehört hatten.

„Geht es ihr gut?“, fragte Arik nun mit gebrochener Stimme.
Im Augenwinkel sah Elea wie Finjas den Kopf schüttelte und dabei seinem Blick auswich indem er auf den Tisch starrte.
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Re: Bree
« Antwort #21 am: 1. Mär 2019, 23:05 »
Elea hatte diese Angst die Arik ins Gesicht geschrieben war sofort erkannt. Es war nicht anders als damals in Minas Tirith unter Herumor. Alleine der Gedanken daran lies Elea zusammenzucken. Aber erstmals sah sie auch Finjas sehr geknickt. Erst jetzt fiel ihr dieser starke Kontrast in seinem Verhalten auf zwischen damals, als sie in Moria waren und jetzt. Irgendetwas musste geschehen sein in dieser Zeit.
Fieberhaft versuchte sie sich an alles zu erinnern was ihr über Finjas und seine Familie erzählt wurde. Elea liebte in ihrer Vergangenheit zwar Geschichten von früher, aber nicht jene bei denen sich Menschen mit ruhmreichen Taten und Siegen schmückten und krampfhaft versuchten ihrem Namen eine nennenswerte Geschichte zu geben und so war die Liste an Erinnerungen über Finjas leider relativ kurz.

In der Zwischenzeit waren Rabea und Elea längst alleine im Gasthaus. Das Mädchen hatte bemerkt, dass Elea konzentriert war und so vertiefte sie sich wirklich in das Buch.
„Sieh mal, Mama Elea!“, sagte sie plötzlich und zeigte Elea ein paar Karten aus dem Buch. Darauf war die Insel Numenor abgebildet.
„Worum geht es darin?“, fragte nun die Frau.
„Ich habe es vom Handelshaus mitgenommen. Es ist nicht so spannend wie die Bücher oben, es geht nur um die Gründung dieser Bach… Bachor…“
„Der Bachor Erthad Andúnië?“
„Ja genau. Was ist das, Mama Elea?“
„Ich weiß nicht sehr viel darüber, es ist oder war eine Handelsgilde aus Numenor. Fünf Familien haben sie damals gegründet. Kurz bevor Numenor unterging, retteten die Handelsgilde viele Getreue und brachten sie nach Mittelerde wo sie hier oder in Gondor lebten. Dank ihnen haben zahlreiche Menschen überlebt.“
„Getreue? Was sind das: ‚Getreue‘ und warum ist Numenor gesunken?“, fragte Rabea beiläufig und blätterte im Buch weiter.
„Hmm, das sind alte Geschichten. Weißt du, der Legende nach schenkten die Götter den Menschen, die Seite an Seite mit den Elben den dunklen Herrscher aus alter Zeit bekämpften, eine Insel im Meer und viele tausend Jahre lebten sie dort unbekümmert ihr Leben. Aber Sauron konnte die Menschen verführen und gegen die Götter aufbringen, aber nicht alle, manche von ihnen blieben treu. Diese Getreuen wurden vom Schicksal verschont und kamen nach Mittelerde und gründeten hier die Exilreiche Arnor und Gondor.“
„Sieh nur, hier sind die Wappen dieser fünf Familien“, sagte Rabea und freute sich offensichtlich über ihren Fund.

Elea warf einen kurzen Blick auf die Seite, schenkte ihr aber kaum Aufmerksamkeit.
„Komm, hilf mir oben das Bett für Arik zu beziehen“, sagte sie und so widmeten sie sich wieder ihrem Alltag. Elea hatte sich fest vorgenommen Hildur in den kommenden Tagen zu besuchen. Vielleicht würde sie noch das ein oder andere herausfinden ehe sie sich wieder mit Haleth treffen würde. Sie hatten ja jetzt immerhin ein wenig Zeit.



An jenem Nachmittag nahm sie all ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür bei Hildur. Es öffnete niemand. Sie klopfte erneut und wartete noch kurz ehe sie die Klinke nach unten drückte und die Tür aufging.
„Hallo?“, sagte sie laut in den Raum.
Sie ging ein paar Schritte das Vorzimmer entlang, warf einen Blick in das leere Zimmer zu ihrer Rechten. Sie ging die Treppen hoch, aber niemand war zu sehen.
„Hallo?“, fragte sie erneut in den leeren Raum.
„Was macht ihr da?“, überfiel sie plötzlich eine tiefe, bedrohliche Stimme die einem Mann gehörte der sie aus einem Nebenzimmer anstarrte.
„Oh verzeiht“, sagte sie erschrocken „Ich wollte zu Hildur. Er meinte, ich solle einmal hierher kommen, dann trinken wir gemeinsam einen Becher Tee.“
„Herr Hildur ist nicht da!“, entgegnete er knapp.
„Und wann kommt er wieder?“, frage Elea.
„Das weiß ich nicht“, gab er zur Antwort und sein Blick wanderte unübersehbar auf das Schmuckstück um Elea’s Hals.
„Ich habe ein wenig Zeit, ist es in Ordnung, wenn ich hier eine Weile auf ihn warte? Oder kannst du ihm ausrichten, dass Erelieva hier war?“
„Ihr könnt euch dorthin setzen“, sagte er und deutete auf eine gepolsterte Bank in der Mitte des Raumes.
Er verschwand wieder in dem Raum. Elea vernahm das Klirren von Schlüsseln auf einem Bund. Dann kam Fiona aus dem Zimmer heraus.
„Darf ich euch in der Zwischenzeit etwas zu trinken anbieten?“, frage sie und setzte dabei ein trauriges Lächeln auf.
„Tee bitte“, sagte sie höflich und nur einen kurzen Moment später kam das Mädchen mit einem Krug voll heißem Wasser, getrockneten Teeblättern und zwei Bechern.
Elea bedankte sich.
„Geht…“, die Kleine stotterte ein wenig „Geht es Finjas gut?“
„Ja“, entgegnete Elea kurz und überlegte, wie sie an weitere Informationen kam beziehungsweise was sie überhaupt mit Hildur sprechen sollte.

Moment! Wieso erkundigt sich dieses Mädchen ständig nach Finjas. Sie konnte wohl kaum seine Geliebte sein in diesem zarten Alter. Und Rabea hat erzählt, dass Hildur sie eingesperrt hält. Was will sie dann aber von Finjas?

„Fiona?“, das Mädchen wollte bereits den Raum wieder verlassen, drehte sich aber leicht verängstigt wieder um.  Elea fiel der Schatten des Wächters am Boden des Nebenraumes auf.
„Danke der Nachfrage, Finjas geht es ganz gut. Ich kümmere mich sehr gut um ihn.“
Das Lächeln auf Fiona’s Gesicht wandelte sich unverkennbar in ein echtes.

Sie verschwand wieder in dem Nebenzimmer. Sie trank den Tee langsam aus und schaute sich in dem Raum um. Immer wieder fragte sie sich in welcher Verbindung Finjas und Fiona standen und warum sie sich so aufrichtig um ihn sorgte. Konnte sie Finjas fragen? Aber er würde ihr wohl keine Antwort darauf geben.
Hildur kam jedenfalls in der gesamten Zeit nicht nachhause und so beschloss Elea wieder zu gehen als die Dämmerung einsetzte. Als sie das letzte Mal da war, mit Finjas war sicherlich kein Wächter in diesem Haus. Vielleicht kam er immer nur dann als Aufpasser, wenn Hildur nicht da war. Es war ihr aber klar, dass sie mit Fiona reden musste.

Als sie das Haus verließ kam Elea eine weitere Idee, wie sie vielleicht bereits früher zu dieser Information kam. Und so ging sie zielstrebig über einige Seitengassen zum Nordtor. Sie stieg über das Fenster in das Handelshaus und schlich sich in den ersten Stock. Trotz des Zwielichts in den Räumen fand sie den Weg problemlos und ohne stolpern hinauf.

Es war ihr ein Rätsel wie Haleth das machte, aber wie gewöhnlich betrat sie ein paar Minuten nach Elea den Raum.
„Ein ruhiger Abend heute“, begrüßte Elea die andere Dunedain, diese nickte ihr nur zu.
„Ich habe Neuigkeiten für dich, aber zuerst möchte ich etwas von dir wissen.“
„Natürlich, wenn ich es denn überhaupt weiß“, entgegnete Haleth.
„Dieses Mädchen im Haus von Hildur, wer ist sie?“, fragte Elea geradeheraus.
„Hast du sie eben getroffen?! Hildamar erzählte mir, dass sie Fiona heißt und dass sie die Tochter des vorhergehenden Hausbesitzers ist. Das war ein gewisser Raimond. Seine Familie lebt schon seit Jahrhunderten in Bree und seit vielen Generationen stellt seine Familie den Obersten des Ältestenrates. Ich habe dir bereits erzählt, dass Hildur diese Familie in die Kerker werfen ließ und ihr Haus für sich einnahm. Die Tochter hielt er als Gefangene um die Familie gefügig zu machen, aber schon seit langem wurde keiner von ihnen wiedergesehen. Entweder sind sie dort verendet oder Hildur hat sie nach Moria oder einen noch schlimmeren Ort geschickt. Aber das Schicksal der Kleinen ist noch weit schlimmer, denn seit Monaten hat sie kein Tageslicht gesehen und das nur, weil sie die Tochter eines Ältestenrates war.“
„Wer ist dieser Ältestenrat?“
„Fünf Einwohner aus Bree. Raimond ist verschollen, Gerwin ist der Erste der Stadtwache, Aodlind ist Herr der Handwerker, Arik der Vertreter des Breelandes und der Bauern und Ulrich ein Hobbit.“
„Arik kenne ich bereits, er hat unbeschreiblich große Angst vor Hildur.“
„Wie so viele die Hildur wirklich kennen! Gerwin ist Hildur vermutlich treu, so wie die Stadtwache agiert. Aodlind – er ist noch sehr jung - und seine Handwerkergilde folgen den Anweisungen des Rates und somit dem Befehl von Hildur. Ich denke ihm liegt das Wohl der Stadt am Herzen. Arik hat wie du sagst große Angst und handelt entsprechend und Ulrich wird im Rat kaum noch wahrgenommen.“
„Aodlind und seine Männer wurden bereits nach Archet geschickt“, gab nun Elea ihre Informationen preis „Sie haben den Auftrag in 14 Tagen einen Waldpfad zu verbreitern damit ein Wagen ihn passieren kann. Das war vor 3 Tagen.“
„Diese Neuigkeiten sind Gold wert“, freute sich Haleth „Wir müssen diese Lieferung abfangen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass der Feind wieder zu Waffen kommt, ansonsten ist Fornost dem Untergang geweiht.“
Als der Name Fornost fiel, dachte Elea sofort an die ruhige und feurigrote Oberfläche des Abendrotsees. Sie erinnerte sich an die glücklichen Tage der Vergangenheit, an denen sie ihr Glück nicht wirklich erkannte.

Auf dem Weg zurück zum Gasthaus musste sie auch an die eingeschlossene Fiona denken. Finjas war vermutlich der einzige der sich um sie sorgte und ihr einziger Kontakt nach Außen. Als sie die Gaststube betrat ging sie ohne große Worte zu ihm, gab ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand sogleich in der Küche um ein Abendessen vorzubereiten.
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Re: Bree
« Antwort #22 am: 10. Jun 2019, 21:02 »
Elea musste also zum letzten Plan greifen den sie hatte. Sie machte sich kaum Hoffnung, da diese letzte Möglichkeit war, Finjas selbst damit zu konfrontieren. Es kostete sie viel Mut, daher bereitete sie während der Essenszubereitung schon einige Worte in ihrem Kopf vor und spielte die Unterhaltung in ihrem Kopf durch. Arik war bereits zu Bett gegangen da er morgen sehr früh wieder abreisen musste.

Sie begann zögerlich zu sprechen als sie ihm den Teller auf den Tisch stellte: „Ich war heute bei Hildur und ich traf auf Fiona.“ Sorgfältig beobachtete sie die Regungen oder den Gesichtsausdruck von Finjas, aber sie erkannte keine Veränderung.
„Sie hat sich nach dir erkundigt“, legte sie nach, wieder ohne jegliche Reaktion.
„Das Mädchen erkundigt sich immer nach dir wenn ich sie sehe. Sie dürfte dich sehr gerne haben.“
„Wieso interessiert dich das?“ pfauchte er plötzlich zurück und Elea zuckte innerlich zusammen „Willst du sie auch hier unter deine Fittiche nehmen? Ein weiters Maul zu stopfen?“
„Wenn du es wünscht, kann sie gerne zu uns kommen“, erwiderte Elea, die scheinbar einen Nerv getroffen hatte.
„Das wird Hildur wohl kaum zulassen“, antwortete er und vertiefte sich wieder in sein Essen.
„Ich werde ihn einfach darum bitten. Zum Glück schlägt er mir meine Wünsche selten aus“, sagte sie in einem beinahe zu naiven Tonfall.
„Nichts wirst du sagen! Verstehst du mich!“ befahl er und warf ihr einen strengen Blick zu.
„Hier geht es ihr aber sicher besser als bei Hildur und davonlaufen wird sie weder da noch dort. Dafür hat sie viel zu viel Angst vor ihm und dir.“
„Hör auf, lass sie gehen. Jeder hat sein Schicksal zu tragen und das ist eben unseres.“
„Eures?“
Finjas biss sich auf die Lippen.
„Also willst du sie dort lassen, eingesperrt und abgeschottete von der Welt!“
„Ja! Denn ob du es glauben willst oder nicht, dort wo sie jetzt ist, ist sie wenigstens sicher und ich weiß, dass er ihr nichts antun wird.“
Die Dunadan war überrascht von seiner emotionalen Reaktion: „Du liebst sie. Ist sie nicht ein bisschen zu jung für dich?“
„Halt jetzt dein Maul!“
Erbost ließ er den Löffel in den Teller fallen und verließ den Raum. Elea war nach all der Zeit die sie Finajs kannte, erstaunt über dieses Verhalten. Es dürfte ihn mehr treffen als man ihm anmerkte, vielleicht weil Arik bereits das selbe Thema ansprach.

Eine Weile blieb sie noch sitzen und dachte über seine Worte nach. Teils hatte sie Mitleid mit ihm und teils konnte sie es nicht nachvollziehen. Sie brachte den Teller wieder zurück in die Küche und erledigte die restliche Arbeit ehe sie ins Bett ging.

Als sie die Stufen hinaufging, schlich sie sich lautlos zu Finjas Zimmertür. Sie hielt ihr Ohr gegen das Holz und lauschte aufmerksam. Sie hörte Geräusche als würde er die Schranktür schließen. Sie klopfte zaghaft und drückte die Klinke nach unten. Sie neigte nur den Kopf durch den Türschlitz. Er hatte gerade sein Hemd ausgezogen und war dabei die Hose aufzuschnüren. Verlegen schaute die Dúnadan weg.
„Geht es dir gut?“
„Natürlich!“, sagte er emotionslos „Kommst du um dein Gewissen zu besänftigen?“
„Verzeih mir bitte meine Neugier. Es war unangebracht. Fiona tut mir einfach sehr leid.“
Finjas hatte die Hose ausgezogen und sich auf das Bett gesetzt. Er versteckte einen Dolch zwischen Matratze und Bettrahmen ehe er ihr einen bösartigen Blick zuwarf.
„Komm her oder geh!“ herrschte er sie an.
Von ihrem schlechten Gewissen geplagt betrat sie den Raum und stellte sich vor sein Bett. Sie fühlte seinen festen Griff an ihrer Hüfte. Ihr Körper verkrampfte sich leicht. Plötzlich legte er seine Stirn auf ihren Bauch und sein Gesicht presste er an ihren Körper. Er zitterte am ganzen Leib.

Sanft legte Elea ihre Hände auf seinen Hinterkopf und Nacken und streichelte ihn. Mit vielem hatte Elea gerechnet, aber keinesfalls damit.

Nach einer Zeit legte sie sich neben ihn in das Bett und so verweilten sie die ganze Nacht. Elea noch in ihrer Tageskleidung umschloss mit ihren Armen seinen nackten Körper. Erst nach einer langen Zeit in der sie behutsam seine Schläfe, seinen Hinterkopf und seinen Rücken streichelte schlief sie ein.

Am darauffolgenden Morgen wurde Elea von schwachen Sonnenstrahlen geweckt. Sie lag allein in Finjas Bett. Nachdem sie ihre Glieder gestreckt hatte, stand sie auf und ging in ihr Zimmer um sich das Gesicht zu waschen und die Haare zu frisieren. Sie legte auch ein anderes Kleid an. Mit der Ungewissheit was als nächstes kam ging sie die Stiegen hinunter in die Gaststube. Finjas saß an einem Tisch und blätterte in dem Buch das Rabea aus dem Handelshaus mitgenommen hatte.

„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn „Möchtest du ein Frühstück?“
„Ich habe bereits etwas gegessen bevor Arik gegangen ist“, sagte er und schob das Buch geöffnet zur Seite: „Ich wünsche nicht, dass sich trotz gestern etwas verändert. Du sprichst nicht mit Hildur und mit niemanden und lässt Fiona da wo sie jetzt ist.“ In seiner Stimme war Bedrückung zu hören: „Bitte.“
Dieses Wort hatte Finjas noch nie zu Elea gesagt. „Natürlich“, antwortete sie.

Finjas, bereits mit dickem Umhang bekleidet, stand auf und ging wortlos zur Tür hinaus um seinem Tagesgeschäft nachzugehen. Ratlos schaute sie ihm hinterher. Sie ging zurück zu dem Tisch. Das Buch war auf der Seite aufgeschlagen wo die Wappen der Familie abgebildet waren die Rabea ihr am Vortag gezeigt hatte. Sie klappte das Buch zu und sah dabei, dass Finja’s Schwert noch auf der Bank lag. Er hatte es in seiner Verzweiflung vergessen.. Elea griff nach dem Heft und es fühlte sich sonderbar vertraut an.

Doreal, mein lieber Doreal. Es ist lange her, dass du mir das Schwert gereicht hast um das Kämpfen zu lernen. Ich hoffte stets und ich hoffe noch immer, dass ich es nie einsetzen muss. Diese Zeit, diese furchtbar dunkle Zeit. Diese Wahnsinnigen die mich gefoltert haben
Mit dem Daumen strich sie sich über den verstümmelten Finger.
Damals habe ich mir geschworen, dass ich niemals mehr so hilflos sein werde, niemals. Und jetzt, ich bin es schon wieder. Wie konnte nur wieder so etwas aus mir werden. Nein, niemals mehr so hilflos

Sie lehnte das Schwert neben die Tür und nahm den schweren Winterumhang von dem Haken. Nachdem sie ihn übergeworfen hatte ging sie in die morgendliche Oktoberkälte hinaus. Sie hatte keine Ahnung wo Finjas war, aber sie wusste wo sie zu Suchen beginnen würde.
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Finja's Geheimnis
« Antwort #23 am: 21. Jun 2019, 20:46 »
Elea eilte so schnell sie konnte zu Hildur’s Haus. Sie klopfte leise an die Tür, wartete einen Moment und öffnete sie dann. Die Türe zu dem Arbeitszimmer war geschlossen und Elea hörte die Stimmen von Hildur und von einem anderen Mann. Sie erkannte, dass es nicht Finjas war konnte sie aber auch keinem anderen Bekannten zuordnen.

Wenn Hildur da ist, vielleicht ist dann Fiona alleine oben im Stock. Soll ich es wagen? Ich kann noch immer sagen, dass ich auf Hildur warte oder Finjas suche. Ja, ich werde mein Glück probieren. Aufrecht Elea, gehe aufrecht

Sie ging zielbewusst die Treppen hinauf, versuchte dabei aber so gut wie keinen Lärm zu machen. Der obere Stock war wie leergefegt. „Hallo?“, sagte sie laut genug damit es alle oben hören konnten aber leise genug, dass es nicht nach unten drang.
Sie bekam keine Antwort. Auf Zehenspitzen schlich sie sich zu dem Zimmer wo sie Fiona vermutete. Sie klopfte sachte an die Tür vernahm aber keinerlei Geräusch auf der anderen Seite.
„Fiona?“, flüsterte sie. Es kam keine Antwort.
„Bist du da drin? Ich bin es, Elea.“ Wieder keine Antwort.
„Ich habe hier Finjas Schwert…“
„Ist ihm etwas passiert?“, fiel ihr plötzlich das Mädchen hinter der verschlossenen Tür ins Wort.
„Nein, nein. Er hat es nur vergessen. Ich wollte es ihm bringen und dachte er ist hier, aber scheinbar habe ich mich getäuscht.“
„Er ist bereits auf dem Weg nach Archet. Er kam vorhin vorbei um sich zu verabschieden.“
„Du hast ihn sehr gerne nicht wahr?“, fragte Elea direkt heraus.
Die Dunadan glaubte ein Seufzen zu hören.
„Du kannst es mir ruhig sagen. Ich mag ihn mittlerweile auch sehr gerne und ich könnte ihm nie etwas antun was ihn verletzt oder ihm schadet“, versuchte sie das Vertrauen des Mädchens zu gewinnen.
„Ich habe niemanden mehr außer ihm“, antwortete Fiona „Er ist der einzige der sich für mich einsetzt und der sich um mich kümmert. Von meinen Eltern habe ich schon seit Monaten nichts mehr gehört. Ich glaube, dass sie gar nicht mehr am Leben sind.“
„Ich habe vom Verschwinden deiner Familie gehört“, antwortete Elea und legte ihre flache Hand auf das Holz zwischen ihnen „Und ich kann es dir sehr gut nachempfinden.“
Die Dúnadan dachte dabei an ihren verstorbenen Mann und an Helluin, den sie vor Jahren zurückgelassen hatte. Schwermut überkam sie in diesem Augenblick.
„Hast du auch niemanden mehr?“, fragte Fiona in der Hoffnung eine Gleichgesinnte gefunden zu haben.
„Nur noch mein Sohn ist am Leben, aber ihn habe ich vor Jahren zurückgelassen. Es gibt nichts was ich mehr bereue und es gibt keine Entschuldigung dafür. Vielleicht hätte ich viel schlimmes verhindern können was passiert ist.“
„Eltern lassen ihre Kinder nicht zurück. Das tun sie einfach nicht, außer sie sind tot.“
„Mein Mann war es und glaube mir, auch wenn ich nicht stolz darauf bin, ich war es auch.“ So gut sie konnte, unterdrückte Elea das schlechte Gefühl das sie überkam. Schnell wechselte sie da Thema.
„Fiona, wie können wir dir da raushelfen aus diesem Verlies?“
Elea hörte wie etwas die Tür hinunterglitt: „Gar nicht“ folgten enttäuschte Worte.
„Ich kann dich da rausholen und dann bringen wir dich in Sicherheit.“
„Nein, tu das ja nicht. Wenn ich weg bin, wird er ihn umbringen. Und dann habe ich keine Familie mehr.“
„Finjas? Er wird Finjas töten?“, fragte Elea überrascht.
„Ja. Finjas ist der letzte von meiner Familie der übrig ist.“
„Ist er dein Vater?“, fragte Elea aufgeregt und verdutzt.
„Seine Schwester ist… war meine Mutter“, kam zur Antwort.
Wie konnte Elea nur so blind sein. Eine Liebschaft hatte sie Finjas angedichtet mit diesem jungen Mädchen, aber dass sie seine Nichte ist auf diese Idee wäre sie in ihren entferntesten Träumen nicht gekommen.
„Ich kann hier nicht raus. Finjas darf nichts passieren“, sagte Fiona nochmal als sie keine Antwort mehr bekam.
„Fiona, ich werde auch nicht zulassen, dass euch etwas geschieht. Eines Tages wird eine günstige Situation kommen und dann befreien wir dich und schicken euch ganz weit weg. Ihr werdet an einem Ort sein, wo euch Hildur oder Saruman nicht erreichen können.“
„Pass auf meinen Onkel auf bitte. Ich weiß, er ist kein sehr einfacher Mensch, aber ich glaube er hat dich gern.“
Auch von dieser Antwort war die Dúnadan überrascht worden.
„Ich werde stets mein Bestes geben. Wie ich schon sagte, ich habe ihn gerne“, entgegnete Elea und war selbst überrascht, dass es sich nicht wie eine Lüge anfühlte.
„Bis bald meine Kleine“, verabschiedete sich Elea. Sie schlich sich wieder die Stiegen hinunter als plötzlich Finjas im Gang vor ihr stand.

„Was machst du hier?“, attackierte er sie im Flüsterton.
„Ich habe dich gesucht um dir das zu bringen“, antwortet sie spontan und streckte ihm das Schwert entgegen.
„Oben? Komm mit!“, herrschte er sie an, packte sie am Oberarm und zog sie bei der Tür hinaus. Just in diesem Moment schaute Hildur aus seinem Arbeitszimmer heraus.
„Finjas? Elea? Was macht ihr hier?”, fragte er misstrauisch.
„Ich.. ähm ich war auf der Suche nach Finjas. Er hat das hier heute Morgen liegen lassen“, drückte Elea die Worte heraus.
„Wir sind uns zufällig hier über den Weg gelaufen“, legte Finjas in ruhiger, tiefer Stimmlage nach.
Hildur schien die Geschichte nicht zu glauben. Er drehte seinen Kopf und warf einen Blick zu den Stiegen: „Gerwin, wirf kurz einen Blick auf die beiden Turteltauben.“
Aus dem Zimmer trat ein großer Mann heraus. Seine Augen strahlten eine stille Autorität aus und er war schwer bewaffnet. Finjas beugte zum Gruß seinen Kopf. Hildur eilte die Treppe hinauf um sich zu vergewissern, dass seine Gefangene nicht geflohen ist. Als er herunterkam wünschte er Finjas in einem befehlshaberischen Tonfall eine gute Reise. Elea verabschiedete er kühl. Diesmal hatten sie wirklich Glück gehabt, aber es war offenkundig, dass sie Misstrauen in Hildur erzeugt haben und dies zurecht. Elea beschloss daher Fiona nicht mehr aufzusuchen bis zu dem Tag ihrer Befreiung.

Finjas bestieg vor dem Haus sein Pferd und ritt Richtung Archet davon. Kein Ton kam mehr über seine Lippen. Sicherlich befürchtete er, dass Hildur Fiona jetzt etwas antun würde, falls er nicht sofort seinen Befehl ausführen würde.

In dieser Nacht aber plagte Elea aus anderen Gründen ein schlechtes Gewissen und ein schlechtes Gefühl:
Ich habe mein eigenes Kind zurückgelassen; in den Händen anderer, ja wenn nicht sogar Fremder. Was habe ich Helluin nur angetan und den Dunedain. Hätte ich es verhindern können, dass Saruman solchen Einfluss auf Helluin hat? Hätte ich all das Leid verhindern können? Es ist das Schlimmste was Eltern tun können… ihre Kinder zurücklassen

Lange hallten diese Worte in Elea’s Kopf nach und ließen sie kaum schlafen.
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Re: Bree
« Antwort #24 am: 22. Jun 2019, 21:35 »
Eine Düsternis legte sich über Elea’s Gemüt, die sie nur noch halbherzig durch den Tag gehen ließ. Ihre Situation und die der kleinen Fiona fühlte sich dadurch auswegloser an als sie ohnehin schon war. All dies spürte natürlich auch Rabea die ständig um die Dúnadan herum war. Sie erkundigte sich regelmäßig was los sei, aber Elea wollte ihr dies nicht anlasten und so suchte sie bei der einzigen Freundin Rat die sie hier in Bree hatte.

„Man muss dich nicht gut kennen um dir deine Trübseligkeit anzusehen“, begrüßte sie Haleth im oberen Geschoss des Handelshauses.
Elea fühlte sich gezwungen ein schwaches Lächeln aufzusetzen.
„Was ist los? Was ist passiert?“, fragte Haleth besorgt und nahm ihre Hände, dabei fiel Elea erstmal der Ring an ihrem Finger auf. Eine Blume war darin eingraviert.
„Fiona! Ich hatte Gelegenheit kurz mit ihr zu sprechen, alleine. Ich wollte ihr Vertrauen gewinnen und habe ihr von Helluin erzählt. Es erfüllte seinen Zweck, aber…“ Elea blieben die Worte im Hals stecken. Sie sammelte sich kurz: „Haleth? Denkst du, dass all dies nicht passiert wäre mit den Dúnedain, wenn ich Helluin nicht schutzlos zurückgelassen hätte?“
Bei dieser Frage musste ihr Gegenüber einen Augenblick nachdenken, danach strich sie ihr über den Kopf, weiter zur Wange und unter das Kinn um ihr Gesicht sanft anzuheben. Sie blickte ihr in die grauen, glasigen Augen: „Nein“, antwortete sie leise aber bestimmt „Vielleicht wäre es für den Zauberer einen Hauch schwieriger gewesen sich Helluin’s zu bemächtigen, aber sicherlich nicht unmöglich. Er ist mächtig und listenreich. Viel zu spät haben wir erkannt, dass keiner von uns alleine die Macht hat sich Saruman zu widersetzen, unsere einzige Chance ist es zusammen zu halten und keine Zweifel zwischen uns kommen zu lassen. Niemals!“
Elea nickte und war dankbar für diese klaren Worte. Sie wusste aber auch, dass der Zweifel über diese Entscheidung immer in ihrem Herzen sein würde.
„Und Elea, leider haben wir nicht die Gabe unsere Entscheidungen rückgängig zu machen. Aber wir haben immer die Möglichkeit unsere Zukunft zu verändern. Diese Welt wird wieder ein besserer Ort werden, dafür müssen wir uns entscheiden, jeden Tag aufs Neue. Es wird die Zeit kommen, wo du deinen Sohn wieder in den Armen halten wirst und all das was uns jetzt als Fehler erscheint, nicht mehr wichtig ist.“
„Ich hoffe, dass es auch die anderen unseres Volkes so sehen. Eines Tages wird Belen Recht über mich und Helluin sprechen. Dies wird härter werden als jeder Kampf gegen unseren Feind.“
„Belen ist unser Anführer und unser König, mit keiner seiner Entscheidungen hat er uns bisher enttäuscht. Auch nicht als er über seinen eigenen Verwandten richtete. Die Weisheit war es, die Könige am Thron hielt, nicht die Grausamkeit.“

Bei diesen Worten fühlte Elea, dass ein Teil der Last von ihr abfiel. Sie begann wieder zu hoffen.

„Fiona, das Mädchen bei Hildur“, wechselte Elea nun wieder zu den Neuigkeiten zurück „Sie ist die Nichte von Finjas.“
„Dies ist also die Verbindung die wir alle nicht kannten“, antwortete Haleth „und deshalb hält Hildur das Mädchen gefangen. Dies ist sehr interessant.“
„Sie tut mir wahnsinnig leid. Gefangen zu sein ist bereits furchtbar, aber dann auch noch bei so einem grausamen Mann.“
„Können wir sie befreien?“
„Nein, ich glaube nicht solange Finjas Hildur dient. Er hat ihr gedroht Finjas töten zu lassen, sollte sie verschwinden.“
„Und vermutlich hat er es auch umgekehrt angedroht. Hildur ist ebenfalls sehr listenreich“, dachte Haleth laut „Es ist an der Zeit, dass ich gehe Elea.“
„Triffst du dich mit anderen von euch? Ist dein Mann auch hier in Bree?“
Ertappt schaute Haleth noch zu Elea zurück: „Ich denke nicht, dass es gut ist dir das zu sagen. Weder für dich noch für mich.“
„Vermutlich hast du Recht“, antwortete Elea einsichtig.

Haleth verschwand aus dem Zimmer nachdem sie sich verabschiedet hatte. Die Dúnadan ließ die Worte noch auf sich wirken. Als die Dämmerung bereits weit fortgeschritten war, beschloss auch Elea endlich nachhause zu gehen. Sie folgte den Stiegen ins Erdgeschoss des Handelshauses. Sie wollte gerade aus dem Fenster klettern das zu Seitengasse führte, da glaubte sie in dem kleinen Nebenzimmer mit dem Bett etwas gesehen zu haben. Auf Zehenspitzen und voller Furcht entdeckt worden zu sein, schlich sie zu dem Durchgang. Vom Boden hob sie ein abgebrochenes Stuhlbein auf um es als Waffe zu benutzen.

In dem kleinen Nebenraum roch es vermodert und feucht. Das Bett war zwar noch intakt, aber an den Rändern der Matratze hatte sich bereits der Schimmel angesetzt. Links neben der Tür war hinter einem Mauervorsprung ein Schrank, ansonsten war der Raum leer. Niemand war zu sehen. Sie schlich weiter zu dem Schrank. Vor Aufregung drehte sich ihr fast der Magen um und als sie mit der linken Hand langsam die Tür öffnete wurde es noch schlimmer. In der Rechten hielt sie schlagbereit den Holzprügel. Kein Atemzug kam mehr über ihre Lippen, aber sie erkannte nichts in der Dunkelheit.
Erst als sich ihre Augen gewöhnt hatten, bemerkte sie den schwarzen Fleck an der Rückwand des Schrankes. Es war ein Loch.

Sie streckte den Kopf leicht nach vorne in den Korpus des Möbelstückes. Sie nahm einen kaum hörbaren, flachen Atem wahr. Dort hinter dem Schrank musste ein Raum sein oder ein schmaler Gang.

Soll ich mich ein Stück weiter wagen? Wer ist dort? Ist es einer von Haleth‘ Verbündeten?  Oder gar ein Diener Saruman’s? Aber warum sollte er sich verstecken, außer er will uns auflauern um alle zu erwischen… Nein, ich bin alleine hier und niemand weiß, dass ich hier bin. Es ist zu gefährlich; Rabea, Madal, Aldred, Finjas, ich kann nicht riskieren sie hier alleine zurückzulassen. Nicht schon wieder.

So beschloss Elea so zu tun, als hätte sie nichts bemerkt. Das nächste Mal müsste sie aber vorsichtiger und aufmerksamer sein, wenn sie hierherkam. Sachte schloss sie die Tür des Schrankes, legte das Stuhlbein neben das Fenster damit es bei ihrem nächsten Besuch griffbereit war. Im dunkel der jungen Nacht ließ sie das Handelshaus hinter sich.
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Re: Bree
« Antwort #25 am: 23. Jun 2019, 19:00 »
Aus der Sicht von Haleth:

„Du? Wo kommst du denn her“, empfing Avaron einen unangemeldeten Gast der eben die Treppe herunterkam. Er zog an einer Schnur die an die Decke führte und im selben Augenblick ein kleines Glöckchen im ersten Stock zum erklingen brachte.
Augenblicklich richtete sich Haleth in ihrem Bett auf und orientierte sich im Raum. „Er ist wieder da“, sagte sie zu sich selbst und spürte die Vorfreude in ihrem Inneren. Fulthíen die am Fenster saß und aufmerksam den Hinterhof beobachtete sah kurz zu ihrer Freundin. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ist Elea schon gegangen?“, fragte sie Fulthíen.
„Ja, gerade eben. Es ist jetzt alles ruhig da draußen.“
„Gut, bleibe hier und behalte alles im Überblick. Wenn du mich brauchst…“
„Du bist bei deinem Mann“, unterbrach Fulthíen sie und teilte die Freude mit ihr. Im nächsten Moment stürzte Haleth lautlos die Treppe hinab.

Im Keller des Gasthauses angekommen fand sie Avaron in seinem Stuhl sitzend vor, ihm gegenüber saß Elrádan.
„Wie? Was machst du hier?“, fragte Haleth verunsichert.
„Ich erfülle Rilmir`s Auftrag!“, antwortete Elrádan.
Die Verunsicherung der Frau verwandelte sich in Angst: „Ist ihm etwas geschehen?“
„Nein, es geht ihm gut. Er ist wohlbehalten in Fornost angekommen und hat uns alles berichtet. Belen hatte aber einen anderen sehr wichtigen Auftrag für ihn.“
„Und welcher wäre das?“, frage die Dúnadan eingeschnappt.
„Das ist geheim. Wir gingen jedenfalls gemeinsam von Fornost bis nach Bree, er zeigte mir den geheimen Zugang zur Stadt und dann musste er weiter in Richtung Süden.“

„Was für Botschaft überbringst du uns von Belen?“, kehrte Avaron nun zum eigentlichen Thema zurück.
„Nunja, wo fange ich an: Belen war sehr überrascht über das Auftauchen Elea’s in Bree, aber man kann nicht sagen, dass er sich freute. Rilmir erzählte, dass Elea euch die Information über die Verbringung der Waffen überbracht hat – was Belen ein bisschen freundlicher ihr gegenüber stimmte.
Aber, und das ist der wichtigste Punkt: Er meinte, dass es ein zu großes Risiko sei den genauen Zeitpunkt des Transportes abzuwarten. Wir müssten jede mögliche Chance ergreifen um diese Waffen unschädlich zu machen, auch bereits vor dem Transport.“
„Wie stellt er sich das vor? Wir können hier in Bree nicht einfach auf offener Straße herumlaufen. Jeder unserer Schritte ist genauestens geplant“, warf Haleth nun ein „Ist ihm das Risiko, dass wir auffliegen egal?“
„Es ist ihm mit absoluter Sicherheit nicht egal, Haleth“, wies sie Avaron nun in die Schranken „Belen trifft eine Entscheidung für ein Volk nicht für einen Einzelnen. Wenn Sarumans Truppen im Norden an Waffen gelangen und Fornost erneut angreifen, dann fällt die ganze Stadt und alle sterben. Dies gilt es jedenfalls zu verhindern.“
Haleth war augenblicklich einsichtig und stimmte ihm zu. Sie schämte sich, dass die durch die Abwesenheit Rilmir’s ausgelöste Wut auf Belen ihr Urteilsvermögen trübten.
„Hat er noch etwas gesagt?“, fragte Avaron weiter nach.
„Rilmir erwähnte auch Finjas. Belen kennt ihn aus der Zeit, als der Rat der Dunedain noch nicht korrumpiert war. Finjas hat die Wahl Helluin`s zum Stammesoberhaupt nicht unterstützt. Cánotar erwähnte, dass Finjas Familie eine der ältesten unsers Blutes ist, was seine Stimme zu einer sehr Gewichtigen machte, dennoch wurde er damals überstimmt. Nachdem sich unser Volk entzweite war lange nicht klar, wem sich Finjas und seine Familie anschloss. Es war daher eine sehr bedauerliche Nachricht für Belen.“
„Gibt es Befehle wie wir mit den beiden umgehen sollen, wenn wir ihnen einmal Auge in Auge gegenüberstehen?“, fragte Avaron sicherheitshalber nach.
„Solange Elea uns nützlich ist, sollen wir nichts an der jetzigen Situation verändern. Wenn sie es nicht mehr ist, ist sie als Gefangene nach Fornost zu bringen. Belen glaubt damit ein gutes Druckmittel gegen Helluin in der Hand zu haben.“
„Und Finjas?“
„Er hat sich entschieden für unseren Feind zu kämpfen, daher sollen wir ihn als solchen behandeln“, antwortete Elrádan kühl.
„Es ist vielleicht nicht ganz so wie ihr denkt“, unterbrach Haleth die beiden Männer „Elea erzählte mir heute, dass Fiona – das Mädchen das Hildur gefangen hält – die Nichte von Finjas ist. Vielleicht hält er Finjas so unter seiner Kontrolle. Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass Finjas und Elea hier in Bree aufgetaucht sind, vielleicht wurden sie herbeordert!“
Avaron dachte einen Augenblick über Haleth’s Worte nach: „Vielleicht ist es so oder auch nicht. Wir müssen unsere eigenen Interessen schützen, für das nördliche Königreich. Danke Elrádan, du kannst dein Quartier beziehen. Heute Abend treffen wir uns alle hier und beratschlagen was wir betreffend diesem Waffentransport unternehmen. Gebt den anderen Bescheid.“

„Komm mit“, forderte Haleth Elrádan auf und deutete ihm mit der Hand ihr zu folgen. Sie stiegen die Treppen hinauf und sie zeigte ihm sein Quartier.
„Haleth, ehe ich es vergesse“, aus seinem Mantel nahm er ein zusammengefaltetes Pergamentstück „Das soll ich dir von Rilmir übergeben. Es ist nicht versiegelt, aber ich schwöre dir, außer euch beiden kenn niemand den Inhalt.“
Dankbar und freudig übernahm sie die Botschaft ihres geliebten Gatten.
„Fast wäre ich entdeckt worden dort im Handelshaus. Nicht auszudenken was mir Rilmir angetan hätte, wenn ich dir dies nicht überreicht hätte.“
„Entdeckt? Von wem?“
„Eine Frau kam gerade die Treppe herab als ich über den Geheimgang heraufkam. Ich konnte mich gerade noch in dem kleinen Schmugglerlager unterhalb des Schlafkabinetts verstecken. Es ist schon ein Wunder, dass wir diesen geheimen Zugang zur Stadt entdeckt haben.“
„Ja, die Unehrlichkeit der Handelsleute hat offensichtlich auch etwas Gutes und mir scheint, dass du beinahe mit Elea Bekanntschaft gemacht hast. Sei vorsichtig, wenn du das nächste Mal dorthin gehst. Es ist unser Treffpunkt.“

Als sie das Zimmer von Elrádan verließ, öffnete sie ohne zu zögern den Brief von Rilmir:

Meine wilde Blume, es schmerzt mich sehr zu erfahren, dass ich vorerst nicht mehr nach Bree in deine Arme zurückkehren werde. Unser König hat mich für einen geheimen Auftrag nach Dunland geschickt und wer wäre geeigneter dafür als ich? Aber auch wenn ich am Tage nicht bei dir bin, so bin ich es doch jede Nacht. In unseren Träumen liegst du in meinem Arm und wir tanzen, so wie damals auf dem Fest in den Gärten des Palastes; dort wo uns niemand erreichen kann und wo wir uns immer nah sind. Ich liebe dich, dein R.

Behutsam drückte sie den Brief gegen ihre Brust und wünschte sich nichts sehnlicher als in den Armen ihrer großen Liebe zu liegen.
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Re: Bree
« Antwort #26 am: 8. Jul 2019, 23:17 »
Es war bereits eine ganze Woche vergangen seit Finjas Bree verlassen hatte um im Norden den Menschen zu helfen die Waldpfade auszubauen. Elea musste sich eingestehen, dass sie ihn vermisste und es war ihr nicht immer behaglich ganz alleine mit den Kindern in dem Gasthaus zu sein.

Die Straßen waren in den Abend- und Nachtstunden wie leergefegt und die frostige Luft breitete sich bedingt durch die Jahreszeit immer schneller in der Dämmerung aus. An jenem Abend, nachdem Elea Rabea, Aldred und Madal zu Bett gebracht hatte, saß sie in der Gaststube und blätterte gedankenverloren in dem Buch über die Handelsgilde. Das Feuer knisterte im Kamin vor sich hin.

Die Erben Númenors unter Führung von Belen – als Anführer des Sternenbundes? Wie werden sie mich aufnehmen? Belen wird mich kaum mit offenen Armen empfangen, eher im Gegenteil. Wenn ich, nein wenn wir – die Kinder und ich – Bree verlassen, können wir dann nach Norden gehen? Aber was ist mit Finjas und mit Fiona? Wohin können wir sonst?

Schreie rissen Elea aus den Gedanken. Verwirrt starrte sie aus den beschlagenen Fenstern und sah schemenhaft Gestalten vorbeilaufen. Vorsichtig ging sie zu dem Fenster links neben dem Eingangstor. Sie strich mit der Hand über die angelaufene Scheibe. Soldaten und andere Bewohner liefen durch die Straße.
„Feuer! Feuer!“, riefen sie wild durcheinander.
Neugierig und ein wenig besorgt legte Elea ihren Umhang um, entriegelte die Tür und schaute durch einen Türspalt hinaus. Die Menschen liefen zur Hauptstraße und dann Richtung Südosten.
Was war hier los.

„Mama Elea?“, hörte sie plötzlich die Stimme von Rabea die verschlafen auf dem Treppenabsatz stand.
„Hol die beiden Buben und versteckt euch in dem Raum hinter der Küche. Anscheinend ist ein Feuer ausgebrochen. Ich werde nachsehen was los ist“, gab sie zur Antwort „Kann ich euch alleine lassen?“
Rabea nickte tapfer und folgte den Anweisungen.
In eiligem Schritt folgte die Dúnadan den Menschen auf die Hauptstraße und dann wandte sie sich nach Süden. Als sie sich dem Südtor näherte roch sie bereits verbranntes Holz und Rauchschwaden wehten ihr ins Gesicht.

Als sie um die Ecke bog sah sie wie ein zweigeschossiges Haus lichterloh in Flammen stand. Die Menschen liefen emsig und verzweifelt umher. Die meisten brachten Eimer mit Wasser und brachten sie in die umliegenden Gebäude wo sie aus den Fenstern auf die eigene Hausfassade geleert wurden. Teilweise benutzten sie auch das Wasser um das Feuer direkt zu löschen, aber das Feuer hatte bereits den oberen Stock eingenommen und das Löschen wurde dadurch nahezu unmöglich.

„Was ist hier passiert?“, fragte Elea schockiert eine unbekannte Frau neben ihr.
„Ich weiß es nicht. Das Haus ging plötzlich in Flammen auf, trotz des feuchten Nebels.“
„Ist den Menschen etwas passiert? Ist noch jemand in dem Haus?“
„Nein, nein zum Glück nicht. Dieses Haus steht schon seit längerem leer. Ich hoffe, dass niemand drin war“, antwortete die Frau besorgt „Sie tun alles damit sich das Feuer nicht ausbreitet!“

Elea’s Gedanken überschlugen sich: Haleth… War dies das Lager mit den Waffen? Habt ihr es in Brand gesteckt? Nein, unmöglich. Der Sternenbund kann doch unmöglich die unschuldigen Menschen solch einer Gefahr aussetzen. Was wenn halb Bree niedergebrannt wäre, was wenn Männer, Frauen oder Kinder in den Häusern verbrannt wären…

„Es ist wirklich sehr merkwürdig, dass um diese Jahreszeit ein Feuer ausbricht“, legte die fremde Frau nach.

Das Gemurmel um die Frauen herum wurde zunehmend lauter als ohnehin. Elea versuchte den Grund zu erfahren und schaute in alle möglichen Richtungen. Da sah sie Hildur aus der Ferne heranstolzieren und schnaubend, gefolgt von Gerwin und einigen Soldaten der Stadtwache. Das Entsetzen war ihm in das Gesicht gemeißelt. Elea sah sein Gesicht aus sicherer Entfernung von der Seite. Seine linke Gesichtshälfte war von den Flammen rötlich orange beleuchtet. Seine Zähne mahlten vor Wut aufeinander und seine Kiefergelenke bebten. Wäre dies nicht so ein tragisches Ereignis, hätte sich Elea darüber gefreut. Gerwin wies seine Soldaten an den Menschen zu helfen, was sie augenblicklich umsetzten. Nur ein paar Minuten stand Hildur fassungslos da, dann wandte er sich ab und ging eiligen Schrittes zurück zu seinem Haus, wieder gefolgt von Gerwin. Die Dúnadan beschloss ihnen auf leisen Sohlen zu folgen um zu sehen was er nun vorhatte. In dem Wirbel und den Menschenmassen die auf der Straße waren, würde es nicht auffallen, wenn sie ihnen folgte.

Kurz vor dem Markplatz suchte sie nach einem geeigneten Versteck. Sie verschwand im Dunkel einer Seitengasse und beobachtete wie die beiden miteinander redeten. Nach kurzer Zeit kam ein Dritter aus nördlicher Richtung hinzu. Er nahm offensichtlich nur ein paar Befehle entgegen und ging dann im Laufschritt wieder davon. Nach weiteren Minuten öffnete Hildur die Tür und bat Gerwin hinein, ehe er sie hinter sich schloss konnte Elea ein Grinsen der Genugtuung auf Hildur’s Lippen sehen. Es widerte sie unglaublich an.

Er war es! Dieses Scheusal hat das Feuer gelegt… vermutlich will er die Menschen gegen den Sternenbund und alle guten Menschen in der Stadt aufbringen. Ich sollte morgen Haleth warnen… oder ist es bereits zu gefährlich?

Das Haus nahe dem Südtor brannte in dieser Nacht bis zu seinen Grundmauern nieder, aber das Feuer der Wut brannte weiter in Elea. Sie tat kein Auge zu, so groß war ihre Wut gegen Hildur. Irgendwie musste sie es schaffen aus Bree zu entkommen.
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Re: Bree
« Antwort #27 am: 12. Jul 2019, 23:11 »
Am nächsten Abend war Bree kaum wieder zu erkennen. Überall auf den Straßen patrouillierten Soldaten der Stadtwache und Dunedaín mit dem Zeichen der Weißen Hand. Elea hörte, dass es Hausdurchsuchungen gab und den Menschen übel mitgespielt wurde. Hildur demonstrierte seine Macht als Handlanger des Zauberers.

Hoffentlich geht es Haleth und ihren Leuten gut. Sie sind hoffentlich ungesehen aus der Stadt geflohen und hoffentlich lassen sie uns in Ruhe. Hildur misstraut mir seit dem Vorfall mit Fiona, obwohl wir nichts gemacht haben, zumindest nachweislich nichts. Hoffentlich ging es dem Mädchen gut.

Plötzlich öffnete sich aus dem nichts die Tür. Ein kalter Wind blies herein, sodass das abrupte Luftholen im Hals kratzte.
„Finjas“, stieß Elea überrascht hervor und sah in die grün-grauen Augen des Mannes. Sie kannte diese ungewöhnliche Farbe von Fiona. Sie ging hinter der Schank des alten Wirtshauses hervor.
„Geht es euch gut?“, fragte er zur Überraschung der Dúnadan.
„Ja, ja zum Glück. Rabea und die Buben sind oben. Ich glaube sie liest ihnen vor“, gab sie zur Antwort.
„Es sieht nicht gut aus in der Stadt. Hildur lässt alle Häuser nach den Brandstiftern durchsuchen.“
„Pffff“, winkte Elea herablassend ab „Hat er schon an seiner eigenen Haustür geklopft?“
„Sei still!“, pfauchte er sofort zurück „Kein Wort hier herinnen gegen Herrn Hildur.“

Elea biss sich auf die Lippen.

Soll ich es ihm erzählen? Soll ich ihm sagen, dass ich alles weiß und was ich alles weiß? Was wenn er trotzdem treu zu Hildur hält oder zu große Angst hat. Was wenn er mich verrät?

Es war ein endloses hin und her in ihrem Kopf, aber schließlich hörte sie auf ihr Bauchgefühl.
„Ich weiß es!“, begann sie und ließ den Satz im Raum wirken.
Finjas Miene fror ein, sein Blick war starr.
„Ich weiß, dass Fiona die Tochter deiner Schwester ist und ich weiß, was Hildur deiner Familie angetan hat. Er hält dich gefangen, genauso wie er sie gefangen hält.“
„Bist du des Wahnsinns!“, sagte er leise aber bedrohlich „Du bringst Fiona in Lebensgefahr, wenn du so nachschnüffelst.“
„Ich bin vorsichtig und seitdem ich das weiß, habe ich sie weder gesehen noch gehört, jetzt da ich weiß, wieviel sie dir bedeutet“, entgegnete Elea verständnisvoll.
„Hör sofort auf damit. Vergiss das alles wieder und rede nie wieder darüber.“
„Finjas, wir können hier nicht ewig bleiben. Irgendwann braucht Hildur Fiona und dich nicht mehr und was dann. Denkst du er lässt dich gehen? Dieser Mann hat sein eigenes Kind töten lassen.“
Das Entsetzen war Finjas ins Gesicht geschrieben.
„In der Nacht als Rabea vor unserer Tür erschien mit Hildamar, hat ihn sein eigener Vater zu Tode foltern lassen. Aber der Junge war stark, stärker als Hildur ihm jemals zugetraut hätte. Eines Tages, wenn Hildur durch die Tore der Nacht geht, wird er hoffentlich dieselben Qualen erfahren die er auch den Menschen angetan hat.“
„Woher weißt du das alles?“, brachte Finjas gerade so über die Lippen.
„Von Rabea, von manchen Bewohnern und anderen.“
„Du kennst jene des Sternenbundes. Du weißt, wer und wo sie sind, nicht wahr?“, sein durchdringender Blick fesselte sie.

Elea bemerkte, dass die Adern auf Finjas Schläfen zu pulsieren begannen. Sein Kopf wurde rötlich. Angst machte sich in Elea breit, aber sie stand aufrecht, so wie sie es sich damals geschworen hatte. Sie versuchte ihre Furcht zu unterdrücken.

„Wie du bereits sagtest, ich weiß gar nichts“, entgegnete sie kühl, das leichte Zittern in ihrer Stimme hörte hoffentlich nur sie selbst „Dass du und ich hier sind in Bree, es ist kein Zufall nicht wahr?“
„Sag mir wer sie sind!“, er versuchte seine Stimme leise zu halten „Sag es mir und ich erkaufe mir unsere Freiheit.“

Erkaufen? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Haleth ausliefern, im Austausch gegen Freiheit für Fiona, Finjas, die Kinder und mich. Hildur würde ohne zu zögern zustimmen… Das mir diese Idee nicht gekommen ist, spricht wohl schon für sich

„Du willst sie ausliefern?“, frage Elea fassungslos „Sie sind die einzigen die auf der richtigen Seite kämpfen. Die einzigen die gegen den Wahnsinn dieses Mannes vorgehen und die Eriador vor Saruman beschützen.“
„Welche Seite ist denn die richtige? Im Moment scheinen sie eher die Verlierer zu sein und wohin sollen wir gehen, wenn der Sternenbund nicht mehr ist?“
„Lieber bin ich auf der Seite der Verlierer, als auf der Seite eines Mannes der sein Kind tötet und Häuser in Brand steckt.“
„Ha, dass ich nicht lache. Verzeih, wenn ich dir deine Illusionen raube, aber Hildur hat nicht den Brand gelegt.“
„Natürlich hat er das. Ich sah ihn am gestrigen Abend aus der Dunkelheit einer Seitengasse heraus, als sein schmutziges Grinsen auf seinen Lippen erschien. Er bring die Menschen dazu sich gegen den Sternenbund aufzulehnen und du siehst, was für Macht ihm das gibt.“
„Er hat den Brand nicht gelegt. Der Sternenbund hat ihn gelegt und ihm direkt in die Hände gespielt.“
Elea traute ihren Ohren nicht: „Und aus welchem Grund sollten sie das tun?“
„Weil sie dachten, dass Hildur untätig ist. Sie glaubten, dass er dort Waffen versteckt hält. Aber sie sind längst nicht mehr in der Stadt. Der Sternenbund kann sie nicht mehr erreichen“, sagte Finjas in einem überlegenen Tonfall.

Kann das denn wahr sein? War der Sternenbund nicht weniger grausam als Saruman? Ich kann das nicht glauben. Sie hätten Menschen dabei töten können und Kinder. Ich muss zu Haleth, koste es was es wolle…

In Windeseile lief Elea nach oben und holte sich einen dunklen, fast schwarzen Umhang aus dem Schrank. So ruhig sie konnte, öffnete die Tür in das Zimmer von Rabea und deutete ihr kurz herauszukommen: „Rabea mein Schatz, ich muss kurz weg.“
„Aber draußen ist es gefährlich.“
„Ich weiß, aber es muss sein. Ich muss mit Haleth sprechen. Bitte versprich mir, dass du, falls ich nicht wiederkomme, die beiden Buben nimmst und ihr euch versteckt haltet. Verlasst Bree. Nördlich von hier ist eine Stadt, Fornost wird sie genannt, und meine Verwandten leben dort. Aber erwähnt vielleicht nicht unbedingt meinen Namen, sagt ihnen, dass du Haleth kennst und Hildamar und dass ihr deswegen aus Bree fliehen musstet.“
Angsterfüllt aber aufmerksam hörte Rabea zu.
„Ich bin sicher bald wieder da, mein Schatz“, versuchte die Dúnadan sie zu beruhigen.

Als sie unten ankam stand Finjas vor der Tür.
„Ich kann dich nicht gehen lassen, wenn sie dich erwischen, hängen wir alle am Galgen.“
Sie sah ihn mit einem eiskalten Blick an: „Es ist nur eine Frage der Zeit bis wir alle hängen, aber bis dahin, möchte ich das tun, was ich für richtig halte und dazu gehört es nicht, Hildur zu unterstützen.“
„Elea, bitte. Du hast recht, du und ich wir sind nicht zufällig hier in Bree gelandet. Es war Hildur, der uns zu sich beordert hat.“
„Dann hat er einen großen Fehler gemacht“, antwortete sie. Sie drückte die Türklinke nach unten und stieß Finjas mit dem Öffnen der Tür weg. Sie spähte in die Nacht hinaus.
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Re: Bree
« Antwort #28 am: 13. Jul 2019, 23:13 »
Nächtlicher Nebel hing auf der schwach erleuchteten Hauptstraße von Bree. In der Ferne erkannte Elea kleine Lichtpunkte die sich hin und her bewegten. Es mussten die Soldaten von Hildur sein. Sie beschloss die Hauptstraße zu meiden, da es nicht gerne gesehen war, wenn man zu dieser Zeit herumstreifte und weil es zu unnötigen Fragen führen würde.
Sie bog in die erste Seitengasse ein. Die Dúnadan schlich so gut es ging, angeschmiegt an das Gemäuer, im Schatten der Hausfassaden. Die meisten Fensterläden waren geschlossen, die Tore verschlossen.

Wenn ich dieser Gasse folge und dann da vorne links abbiege… das müsste die Gasse sein die hinter dem Marktplatz vorbeiführt. Auf den Platz darf ich keines Falls hingehen…

In ihrem Kopf ging sie den Stadtplan durch, schon nach wenigen Momenten tadelte sie sich selbst, dafür dass sie so unüberlegt und überstürzt aufgebrochen war. Emotionale Entscheidungen waren ihr immer wieder zum Verhängnis geworden. In schnellst möglichen Schritt schlich sie weiter der Hausmauer entlang. Am Ende angelangt warf sie einen Blick in die Quergasse, es war niemand zu sehen. Plötzlich sah sie in zwei schimmernde Augen, die in nur drei Sätzen bei ihr angelangt waren: Eine Katze.
Die Dúnadan spürte wie ihr Herz klopfte als würde es gleich aus der Brust springen.

In die nächste Seitengasse die parallel zur Hauptstraße verlief bog sie links ein. Dort kam sie ebenfalls schnell voran. Sie wollte diese einfach nur hinter sich lassen, da sie sehr lange gezogen von Süden nach Norden führte. Immer wieder, als sie Geräusche hörte oder gar Schritte, verbarg sie sich hinter einem Vorsprung oder in einer kleinen Seitengasse. Als sie die Höhe des Marktplatzes erreichte, erreichte auch ihre Aufregung den Höhepunkt. Hier war eine entscheidende Stelle, vom Marktplatz aus strömten die meisten Patrouillen in alle Himmelsrichtungen aus.
Plötzlich hörte sie Schritte ganz nahe, sie kamen von der Tür des Hauses um die Ecke von ihr. Elea zuckte zusammen, sie ging in die Knie, presste ihren Körper gegen die Wand und kauerte sich hinter dem Holzfass, dass sie bereist als Sichtschutz genutzt hatte, zusammen.
„Hier ist nichts!“, hörte sie einen Mann sagen. „Wie sieht es bei euch aus?“
Aus einer anderen Richtung kam eine andere Stimme: „Hier ist auch alles in Ordnung.“
„Welches Haus steht als nächster am Plan?“
„Ein paar noch auf der anderen Seite des Marktplatzes und dann geht es an die Gasthäuser. Wer weiß, vielleicht haben sich da die Ratten eingenistet!“
„Früher hätten wir uns wenigsten des ein oder andern Kruges Bier dort angenommen, aber jetzt…“
„Ruhe, kommt machen wir weiter. Ich möchte heute noch nachhause.“

Elea’s Augen waren zusammengepresst, in der Hoffnung nicht gesehen zu werden solange sie niemanden sah.
Königin der Sterne, ich bitte dich um deine Hilfe und um deine Gnade: Mach mich unsichtbar für ihre Augen und bringe mich schnell wieder nachhause, sodass sie nicht erfahren, was ich in dieser Nacht getan habe.

Als die Schritte abklangen, nahm Elea ein paar kräftige Atemzüge und all ihren Mut zusammen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich wieder. Mit einem Satz sprang sie auf, sie vergewisserte sich, dass sie keiner sah und lief über die Quergasse. Sie war überglücklich, als sie endlich die Fassade des Handelshauses erblickte. Es war alles Dunkel darin.

So leise und nun in möglichster Ruhe schlich sie zu dem kleinen Fenster und kletterte in das Arbeitszimmer. Das Stuhlbein aus Holz lehnte noch an der Stelle wo sie es zurückgelassen hatte. Sie nahm es an sich um sich im Notfall verteidigen zu können. Die kaum merkbaren Konturen in der Dunkelheit erschwerten ihr eine lautlose Bewegung. Sie versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, wo in diesem Raum Möbel standen.
Da glaubte sie plötzlich ein Flüstern zu hören. Ja, da war tatsächlich etwas. Sie versuchte die Richtung auszumachen. Mit leisen Schritten ging sie in das kleine Kabinett neben dem Arbeitszimmer und da
war es wieder. Sie konnte gar nichts ausmachen in diesem schwarzen Raum.

Panik durchfuhr Elea, als sie plötzlich am Handgelenk gepackt wurde. Sie wirbelte durch das Dunkel des Raumes und ohne jegliche Vorwarnung spürte sie eine kalte Klinge an ihrem Hals, in etwa auf der Höhe wo die Narbe der Morgulklinge war. Die Dúnadan hielt den Atem an.
„Sag deinen Namen“, flüsterte die Stimme zu ihr.
„Erelieva.“
Der Griff lockerte sich: „Wieso kommst du in dieser gefährlichen Nacht hierher?“
„Habt ihr das Feuer gelegt?“, fragte Elea vorwurfsvoll.
„Wieso fragst du das nicht deine verräterischen Freunde? Sie wissen immer eine Antwort.“
„Weil ich es von euch hören möchte!“
„Deshalb kommst du hierher? Ja, ja wir waren es.“
„Wie könnt ihr nur; schimpft Hildur einen Verräter und Mörder und seid selbst keinen Deut besser. Es hätten Menschen sterben können und seht selbst, was das für Folgen hat. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Bewohner Hildur diese Nacht foltern oder gar töten lässt. Auf so einen Moment hat er doch nur gewartet.“
„Ja, wir haben das angerichtet. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Das Haus, es war voller Waffen die er nach Carn Dûm schicken wollte… Du selbst hast uns davon berichtet.“
Verbitterung breitete sich in Elea aus, weil sie in gewisser Weise all das selbst verursacht hatte.
„Dann dürfte es euch interessieren, dass es ein Misserfolg war. Die Waffen sind bereits weggebracht worden.“
„Was?“, die entsetzliche Überraschung war ihm anzuhören „Wir müssen schnell Fornost informieren. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.“

Auf einmal verstand Elea, warum Hildur an jenem Abend so schmierig grinste. Mit dem Feuer wusste er, dass der Sternenbund auf der falschen Fährte war und die eigentliche Tat ungesehen voranschritt.
„Bestelle Haleth meine Grüße“, sagte Elea kühl „Eines Tages werden euch dieselben Qualen widerfahren die ihr auch den Menschen angetan habt.“
„Und vergiss nicht den Part den du dazu beigetragen hast. Verschwinde jetzt.“

Der Mann lies von ihr ab. Desillusioniert nahm Elea denselben Weg retour den sie gekommen war. Die Stadt war weiterhin in Aufruhr, was ihr größtenteils zu Gute kam. Als sie wieder zuhause ankam, saß Finjas am Tisch in der Gaststube und blätterte in diesem Buch. Elea sah die Erleichterung in seinem Blick als sie über die Türschwelle kam. Vielleicht weil sie ungesehen wieder hier ankam oder einfach nur weil sie überhaupt zurückkam. Wortlos hängte sie den Mantel auf die Garderobe neben der Tür.

Sie spürte den Druck auf ihrer Brust, am liebsten würde sie schreien. Ihre Augen waren glasig, als sie zu ihm zum Tisch ging, dann brach sie in Tränen aus. Ohne zu zögern, stand Finjas auf und nahm Elea in den Arm.
1. Char Elea ist in Bree  -  2. Char Caelîf ist in Palisor

Thorondor the Eagle

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Re: Bree
« Antwort #29 am: 15. Sep 2019, 21:22 »
Elea stand an der steinernen Spüle im hintersten Zimmer der Gaststube. Sie hatte die Töpfe von den Überresten des Mittagessens befreit. Gedanklich war sie nicht bei der Sache. Immer wieder dachte sie über die Situation in Bree nach, über die Kinder, über Fiona, über Finjas und dann wieder an Helluin. Sie hörte die Tür des Schankraumes nicht in das Schloss fallen und nicht einmal die sich nähernden Schritte. Erst der schwere Atem über ihrer linken Schulter rief sie in die Gegenwart zurück.

„Sie haben ihn“, keuchte Finjas. Seine Stimme klang aufgeregt wegen der Situation, aber in ihr lag dieselbe Abgestumpftheit wie sonst auch. Die fürsorgliche und zugleich zärtliche Umarmung an dem Abend als Elea den Sternenbund das letzte Mal aufsuchte, endete nach nur wenigen Sekunden. Danach verfiel Finjas wieder in dieselbe Gefühlskälte wie all die Wochen zuvor.
„Wen?“
„Aodlind!“
„Wer hat ihn?“
„Die Besatzer aus Fornost!“
Dem Atem beraubt, drehte sich Elea um und sah in das bleiche Gesicht von Finjas.
„Aodlind und einige treue Soldaten aus Bree sollten die Waffen nach Norden bringen. Einer der Männer kam zurück und berichtete von einem Überfall durch die Waldläufer. Sie machten Jagd auf alle und töteten sie. Bis auf ihn und Aodlind. Sie haben ihn gefangen genommen.“
„Dann haben sie es also doch noch geschafft“, sagte Elea leise zu sich selbst.
„Hildur ist außer sich. Das was wir die letzten Wochen erlebt haben hier in Bree, war harmlos im Vergleich zu dem was nun folgen wird.“
„Finjas, wir müssen Fiona befreien und von hier verschwinden“, sagte Elea zudringlich.
„Nein, nein. Es ist zu gefährlich für Fiona. Wenn wir treu zu Hildur stehen, wird er uns nichts tun. Sag ihnen wo sie sind“, seine Stimme wurde lauter und bestimmter.
„Wann wirst du endlich verstehen, dass wir alle für Hildur nur Spielfiguren sind? Wenn er uns nicht mehr braucht, nimmt er uns einfach vom Feld“, sagte Elea traurig, nahm das saubere Geschirr und trug es in die Küche. Sie bemerkte wie Finjas hinter ihr den Raum verließ und sich im Schankraum auf eine Bank fallen ließ.

Als sie alles aufgeräumt hatte, fand sie ihn mit dem Ellenbogen auf den Tisch gestützt vor. Sie ging an seinem Tisch vorbei.
„Das hier“, sagte er ohne zu ihr aufzublicken „Das sind wir.“
Er schob das Buch über die Bachor Erthad Andúnië über den Tisch und zeigte auf eine Kapitelüberschrift neben der ein blau weißes Wappen abgedruckt war: Haus Finrumál
„Andreth aus dem Hause Beors begründete unser Haus. Unsere Ahnen standen treu zu Finrod und Getreue der wahren Könige Numenors waren wir. Sie retteten unzählige Unschuldige vor dem Untergang Numenors und unterstützten die Könige im Exil. Groß und mächtig war unsere Familie, aber alles was davon übrigblieb, sind Fiona und ich. Ich kann sie nicht einer solchen Gefahr aussetzen“, sagte Finjas gebrochen.

Elea schwieg. Sie blieb ihrer Meinung treu, dies zu betonen hätte aber nichts gebracht.
„Wenn du gehen willst, ich werde dich nicht aufhalten“, sagte er noch ehe er das Haus verließ. Er verabschiedete sich nicht.

Die Dúnadan überflog das Kapitel im Buch. Sie erkannte in welch große Fußstapfen Finjas steigen musste, konnte es aber nur begrenzt nachempfinden. Sie selbst entstammte dem königlichen Hause der Dunedain, aber nie hatte sie sich auch nur darum gekümmert.

Soll ich denn gehen? Finjas hat mir die Freiheit gewährt… ich könnte mit Haleth und den anderen fliehen. Sie kennen einen sicheren Weg aus der Stadt. Die Kinder wären dann in Sicherheit und ich ebenfalls. Aber was, was würde Hildur mit Finjas anstellen und mit Fiona? Hildur war grausam und kannte wohl auch keine Gnade. Einen solchen Fehler, würde er ihn entschuldigen? Ich kann Finjas nicht alleine lassen.

Mit dieser Entscheidung beschloss Elea zu einem günstigen Zeitpunkt in das Handelshaus zu schleichen. Sie musste Haleth davon überzeugen die Kinder von hier wegzubringen. So waren immerhin sie in Sicherheit und um ihr Verschwinden würde sich ohnehin niemand scheren. Hildur und sein Gefolge ging nach diesem Ereignis mit derselben Vehemenz vor wie schon zuvor. Es dauerte einige Tage ehe sich die Lage in der Stadt etwas beruhigte. Finjas kehrte währenddessen nicht zurück.
In einer wolkenbedeckten Nacht schlich sich Elea aus dem Haus. Sie nahm dieselbe Route zum Handelshaus wie in der damaligen Nacht. Die Straßen waren wie leergefegt, da niemand das Haus nach Einbruch der Nacht verlassen durfte. Der Boden war leicht feucht, was ihre Schritte leider hörbar machte. Die Dúnadan versuchte den Ballen so gut es ging abzurollen um das Schmatzen ihrer Schuhe zu vermindern.

Es dauerte wesentlich länger als beim letzten Mal um quer durch die Stadt zu gelangen, aber sie schaffte es. Behutsam öffnete sie das kleine Fenster und ließ sich in das Zimmer dahinter gleiten. Es war stockdunkel.
„Hallo“, flüsterte sie in die Dunkelheit „ich bin es, Elea!“
Niemand erwiderte etwas.
„Seid ihr hier?“, wieder keine Antwort.
Sie schlich sich zu der Treppe im anderen Zimmer und hinauf in den ersten Stock.
„Haleth?“, fragte sie in den Raum.
Sie setzte sich an das Fenster zum Innenhof und wartete ein paar Minuten. Das Gefühl überkam sie, dass heute hier niemand erscheinen würde. Vermutlich hatte sich der Sternenbund aus Bree zurückgezogen.
„Elea, was machst du hier?“, hörte sie plötzlich die Stimme von der Treppe kommen.
„Haleth, bitte. Bitte, ich brauche eure Hilfe“, begann Elea ohne Umschweife zu sprechen.
„Es ist gut, dass du hier bist. Ich muss dir etwas…“
„Bitte helft mir bzw. meinen Kindern“, fiel ihr Elea ins Wort.
„Was ist denn passiert?“
„Finjas lässt uns ziehen. Er hat große Angst um Fiona und um sich, aber er kann nicht gehen. Aber er lässt uns gehen, die Kinder und mich.“
„Aber du gehst nicht“, antwortete Haleth ein bisschen zu forsch.
Erstaunt schaute Elea sie an: „Du kennst mich wohl besser als ich dachte. Ich werde nicht gehen, aber ich möchte, dass ihr meine Kinder nach Fornost bringt und dann vielleicht weiter nach Bruchtal. Sie sollen in Sicherheit sein vor diesen Verbrechern.“

Plötzlich hörten sie das kalte Klirren eines Schwertes, dass aus der Scheide gezogen wurde. Starr vor Schreck saßen die beiden Dunedain da und ihre Worte starben ihren Mündern. Die Wand hinter dem Stiegenhaus warf das orangefarbene Licht einer Fackel zurück und die Silhouette mehrerer Soldaten wurde sichtbar. Als der Fackelträger die Stiege heraufkam, erkannten die beiden Frauen die angewiderte Fratze von Hildur: „Endlich haben wir eine von euch!“, sagte er und ein grausames Grinsen lag auf seinen Lippen.
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