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Autor Thema: Bree  (Gelesen 14439 mal)

--Cirdan--

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Bree
« am: 12. Nov 2014, 23:06 »
Aus der Sicht Pallandos:

Pallando aus Bruchtal.

Der Schlamm der Straßen beschmutzte die Stiefel des blauen Zauberers. Es störte ihn jedoch wenig, da sie ohnehin schon die besten Jahre hinter sich hatten und er vielmehr an einem guten Abendmahl und einem weichen Bett, als an sauberen Stiefeln, interessiert war.
Ein leichter, kalter Regen ließ Pallando seine Kapuze weit über den Kopf ziehen, wodurch er nur spärlich etwas sehen konnte. So erkannte der Istar zwar das alte Schild, das auf das berühmteste Gasthaus in Bree verwies, jedoch nicht die zugehörigen Vermerke. Nicht entging ihm aber, dass das leise im Wind schwingende Schild seit Jahren nicht restauriert wurde und so einige der Buchstaben und der Kopf des Ponys fehlten. Auch fiel Pallando das fehlende Licht und die nicht vorhandenen Kneipengeräusche auf, die ansonsten durch die Fenster von Wirtshäusern drangen.

Mit einem unwohlen Gefühl klopfte Pallando an der verschlossenen Tür des tänzelnden Ponys. Nach Kurzem hörte er einen Schlüssel im Schloss drehen und sah, wie sich die schwere Holztür langsam vor ihm öffnete. Ein alter Mann mit kahlem Kopf und rundlichem, roten Gesicht trat heraus, ohne ein Wort zu sagen, und sah sich unsicher um. Er blickte ein paar Mal die Straße hinauf und hinter und winkte dann Pallando hastig ins Haus.
„Fremde sind hier selten gesehen. Ein Wunder, dass sie euch durch das Stadttor hineingelassen haben. Bei Nacht sind sie noch wachsamer. Aber schön, dass ihr hinein gekommen seid. Ich freue mich immer über Besucher. Ach, verzeiht. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt: Ich bin Barnabas Butterblume, aber alle sagen Gerstenmann Butterblume, was mir auch ganz recht ist“, erzählte der alte Gastwirt und führte Pallando, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, durch den verlassenen Schankraum, „ihr wollt wohl zu Nacht bleiben, nehme ich an.“ Da Pallando nicht widersprach, fuhr Herr Butterblume  fort: „Ach, wie schön. Ich hatte seit ewigen Zeiten keinen Besuch über Nacht mehr. Natürlich hat es auch seine Vorteile und meine Knochen sind sowieso nicht mehr die Jüngsten. Trotzdem eine Schande, dass sie mein Haus einfach geschlossen haben!“

Nun endlich sprach Pallando zu dem freundlichen Wirt und fragte warum das Pony geschlossen wurde und was im Breeland vor sich ging.
Butterblume nahm Pallando mit in seine Küche, in der das Chaos herrschte, setzte Kartoffeln auf und beantwortete die Fragen des Reisenden: „Ihr seid wohl wirklich nicht von hier: Wegen dem Krieg, wegen dem Krieg im Osten sind die Wirtshäuser im ganzen Breeland geschlossen. Es hieß, es sei falsch hier das Leben zu genießen, während nicht weit von hier gekämpft wird. Außerdem benötigen die Krieger, die uns schützen, unsere Vorräte.“
„Wegen dem Krieg?“, fragte Pallando erstaunt nach. Es überraschte ihn, dass die Menschen aus Bree anscheinend so gut informiert waren.  Aber er fragte sich, ob das Breeland tatsächlich Lebensmittel für die Krieger lieferte.

Pallando wusste nicht, was etwa zur gleichen Zeit in Aldburg bei der Ratsversammlung besprochen wurde. Hätte er es gewusst, wäre ihm einiges klarer geworden. In Aldburg wurde von Elrond und Celeborn schon lange vermutet, dass das Breeland und das Auenland die Krieger durch Lieferungen von Waren unterstützten, jedoch nicht den Soldaten der freien Völkern in Rohan oder Gondor, sondern den abscheulichen  Geschöpfen in Sarumans Armee.

Nach langen Gesprächen mit Gerstenmann, die tief in die Nacht hinein andauerten, konnte Pallando sich vieles zusammenreimen und ihm wurde bewusst, dass die Breeländer, sowie die Auenländer, Sarumans Heer versorgten und so einen Angriff auf Lorien und somit Loriens Zerstörung erst möglich gemacht hatten. Allerdings bemerkte er nicht zu Letzt, dass die Menschen und Hobbits getäuscht wurden. Saruman nahm ihnen viel ihrer Lebensmittel und ließ diese über den Grünweg nach Tharbad und dann weiter nach Osten transportieren. Er erzählte ihnen, dass es zu ihrem Schutz sei und durch ihre Opfer der Feind, Sauron, bekämpft werden könne und seine Armeen von ihrem Land abgehalten werden.

Butterblume erzählte von den Geschehnissen und Veränderungen in Bree auf seine Weise und Pallando entnahm, was er für mehr als den Klatsch eines alten Wirtes hielt.
Zuletzt, bevor sich Pallando in das frisch bezogene Bett in einem Zimmer im ersten Stock legte, berichtete der Wirt von Aufständen in Bree und von den Tuk im Auenland, die sich weigerten den Wagenfahrern ihre Vorräte zu übergeben, von den Fremden, die die Vorräte einkassierten und von den Flüchtlingen aus dem Krieg, die nicht in die Stadt hineingelassen und weggeschickt wurden.

Den nächsten Morgen nutze Pallando um sich weiter in Bree umzuschauen. Schnell bemerkte er eine hohe Anzahl von Stadtwachen und viele traurige Gesichter auf den Straßen der Stadt. Mit einigen der Bewohner sprach Pallando, wobei der schnell merkte, dass Keiner ansatzweise die Gastfreundschaft von dem alten Butterblume hatte und niemand lange mit ihm gesehen werden wollte.
An den Hauswänden größerer Straßen entdeckte Pallando Aushänge, die er am Abend zuvor übersehen hatte. In der Allgemeinsprache standen darauf Verhaltensregeln und Vorschriften für die Abgabe von Lebensmittelwaren an die Wagenfahrer.
Pallando bekam nicht wenig Lust die Aushänge herunterzureißen und den Menschen zu erzählen, wem sie hier wirklich dienten und unterstützten. Der Istar besann sich jedoch und entschied nicht überhastet vorzugehen. Immerhin wusste er nicht, wer in Bree vielleicht doch von Sarumans Verbrechen wusste und für ihn arbeitete.
Ohnehin war Pallando in Bree nur zur Durchreise, obwohl ihn diese neue Entdeckung nun viele Sorgen bereitete. 

Gegen Mittag kehrte Pallando zurück ins tänzelnde Pony und aß und redete mit Butterblume, der sich wirklich über den Besuch freute. Nachdem sein Gasthaus geschlossen wurde, hatte er niemanden mehr zum Reden und die meisten Stadtbewohner mieden ihn auf Grund von erfundenen Geschichten über sein Gasthaus.
Nach der stärkenden Mahlzeit verabschiedete sich der blaue Zauberer und traf vor den Toren der Stadt auf Radagast, der ihn mit Molli und Klockel schon erwartete.
Die beiden Istari hatten sich hinter den Mückenwassermooren getrennt, da Radagast unbedingt einen Umweg durch den Chetwald machen wollte um nach dem Rechten zu schauen und es Pallando eher in die Menschenstadt zog.
Nun folgten die Beiden der Straße von Bree Richtung Auenland um schon sehr bald das Ziel ihrer Reise zu erreichen.

Pallando und Radagast weiter auf der Straße nach Westen.


« Letzte Änderung: 20. Jun 2015, 13:02 von --Cirdan-- »

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In den Straßen von Bree
« Antwort #1 am: 13. Aug 2015, 02:03 »
Arwen, Lindir, Kerry, Magrochil, Rilmir, Lónar und die Elben von Imladris von der Großen Oststraße


In einem kleinen Wäldchen nahe der Straße machten sie Halt. Die Stadt Bree kam in der Ferne gerade in Sicht, doch anscheinend lag sie nicht auf ihrer Reiseroute. Kerry trat neben Lindir, der sein Pferd am Zügel führte und wollte wissen, was los war.
"Wir werden die Stadt nicht betreten," erklärte Lindir. "Zu viele unfreundliche Augen und Ohren."
"Ihr wollt den Umweg über die Felder nehmen?" wunderte sich Kerry.
"Oh, es wird kein Umweg sein. Wir kommen dort schneller voran als auf den engen und vollen Straßen von Bree. Wenn wir die Stadt umrundet haben werden wir an der Grünwegkreuzung wieder auf die Ostraße treffen. Ein Stück weiter werden wir ein Lager aufschlagen."
"Dann macht es euch sicher nichts aus, wenn ich nach Bree gehe und euch anschließend an der Kreuzung treffen?"
"Möglich ist es," sagte der Elb gleichmütig.
"Wenn du wirklich gehen willst dann sei bitte vorsichtig," sagte Rilmir, der hinzugetreten war. "Man hört seit einiger Zeit nichts Gutes mehr über den Umgang in Bree."
"Ich kann auf mich aufpassen," erwiderte Kerry.

Da sie niemand begleiten mochte ging sie alleine. Kurz darauf kam sie an das Südtor der Stadt, welches zwar offen stand aber von vier aufmerksamen Stadtwachen bewacht wurde. Kaum war sie heran hielten diese sie bereits mit finsteren Blicken auf.
"Wohin willst du, Mädchen?" wollte einer der Wächter wissen.
"Rein," gab sie die kurze Antwort.
"Das wollen heutzutage viele. Wir haben hier schon genug Gesindel und Rumtreiber," sagte er unfreundlich. "Verschwinde, wenn du keinen triftigen Grund hast dass wir dich einlassen sollten."
Kerry setzte ein schmollendes Gesicht auf. "Ihr seid aber nicht sehr freundlich. Brauche ich denn einen Grund, um mich in eurer schönen Stadt umzusehen?"
"Nun ja..." erwiderte der Mann der sie sich nun genauer ansah. Ihm schien zu gefallen was er sah denn schließlich machte er den Weg frei. "Wenn du in drei Stunden noch hier bist, schau' doch mal im Wachlokal vorbei. Hübsche Dinger wie du sind dort immer willkomen," fügte er anzüglich hinzu.
Kerry schenkte ihm ein Lächeln das fast echt war. Was für ein Haufen Idioten.
"Oh, was für eine schöne Idee!" säuselte sie. "Ich werde es mir merken." Und damit stolzierte sie an den Wächtern vorbei, wohl wissen dass deren Blicke sie bis zur Straßenecke verfolgen würden.

Auf den Straßen herrschte ein ziemliches Gedränge, doch Kerry fielen insbesondere mehrere Wägen und Karren auf, die anscheinend mit Vorräten für eine lange Reise beladen wurden. Neben den Menschen aus dem Breeland und dessen Umgebung sah Kerry auch viele Südländer; Gestalten die ihr gar nicht gefielen. Hobbits begegneten ihr nur wenige, obwohl in Bree und seiner Umgebung nach wie vor welche lebten. Sie bahnte sich ihren Weg zum Gasthaus um zu überprüfen, ob es weiterhin geschlossen war. Zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass dem so war. Glücklicherweise war das Tänzelnde Pony nicht der einzige Ort in Bree, in dem sie Leute kannte. Sie ging die Straße zum Westtor hinab und bog kurz darauf nach links in eine Seitengasse ab. Schnell hatte sie die richtige Tür gefunden und klopfte an.

"Linchen! Das ist aber eine Überraschung," sagte Celia Orangenblüte erfreut, als sie die Tür öffnete. "Hast dich aber lange nicht mehr in Bree blicken lassen," fügte sie hinzu. Celia Orangenblüte war eine Frau mittleren Alters die in der Stadt lebte und mit Kerry befreundet war. In ihrem ersten Jahr im Norden war sie oft in Bree gewesen und hatte dabei die Bekanntschaft der Frau gemacht.
"Komm rein," sagte Celia, und Kerry folgte ihr ins Innere.
"Es gab viel zu tun in letzter Zeit", erklärte sie ihre lange Abwesenheit. "Außerdem ist mir Bree seitdem das Pony geschlossen wurde immer weniger einladend erschienen."
"Sie sagen, es ist wegen dem Krieg im Osten. Sie brauchen immer mehr und mehr Vorräte, und da bleibt nicht mehr viel übrig."
Kerry setzte sich an den Tisch in Celias Küche, an dem bereits eine junge Frau mit blonden Haaren saß.
"Hallo!" sagte sie als sie sich hinsetzten. "Ich bin Kerry."
Ihr Gegenüber blickte auf und Kerry sah, dass sie geweint hatte. Ihre Augen waren rot umrandet und blickten sie teilnahmslos an.
"Das ist Lily," erklärte Celia mitfühlend. "Sie ist auf der Suche nach ihrem Freund, der vor einiger Zeit von Archet kam um eine dieser Vorratslieferungen in den Süden zu begleiten."
"Er sagte, er wäre nur ein paar Tage weg," sagte Lily leise, "Ich befürchte, ihm ist etwas Furchtbares zugestoßen."
Kerry wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Also sagte sie lieber nichts und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Hier in der Stadt läuft wohl mehr schief als ich dachte, überlegte sie. Ich hab' ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
"Wie ist es dir ergangen seitdem du mich zuletzt besucht hast, Linchen?"
Deine Abkürzung für den Namen Kerevalline ist immer noch zum Schreien, dachte Kerry. "Ich kann nicht klagen," sagte sie dann laut. "Gerade bin ich auf dem Weg ins Auenland. Eine Gelegenheit hat sich ergeben."
"Versprich mir, dass du dieses Mal versuchen wirst, weniger Aufsehen zu erregen," bat Celia sie.
"He! Dass es Ärger gab war gewiss nicht meine Schuld! Es sind diese leidigen Regeln, die seit einiger Zeit überall aufgestellt werden. Man kann sie einfach nicht alle befolgen."

Nachdem sie sich einige Zeit über ihre Erlebnisse ausgetauscht hatten verabschiedete sich Kerry von Celia und Lily, denn es wurde Zeit, sich mit den Elben zu treffen. Da sie keine Lust hatte, sich erneut mit den Wachen am Südtor herumzuschlagen verließ sie die Stadt durch das Westtor. Auch hier musste sie sich einige anzügliche Kommentare gefallen lassen, was sie jedoch mit einem Schulterzucken abtat. Es ist echt überall dasselbe.

Kurz darauf erreichte sie die Grünwegkreuzung, an der Magrochil bereits auf sie wartete.
"Das Lager der Elben von Bruchtal ist nicht weit. Ich zeige es dir."
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg dorthin.
« Letzte Änderung: 25. Jan 2016, 12:06 von Fine »
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Lager nahe der Grünwegkreuzung
« Antwort #2 am: 17. Aug 2015, 14:10 »
Kerry folgte Magrochil ein Stück die Straße in westlicher Richtung entlang. Bald schon bogen sie an einer großen Eiche rechts ab und kamen kurz darauf in eine kleine Schlucht, die von ungefähr sieben Meter hohen Felswänden an beiden Seiten eingerahmt wurde. Hier hatten die Elben das Lager für die Nacht aufgeschlagen. Magrochil zeigte ihr, wo ihre beiden Reisegefährten an einem der Feuer saßen, und die Mädchen setzten sich dazu.

"Wie war's in Bree?" wollte Lónar wissen.
"Noch schlimmer als letztes Mal," antwortete Kerry. "Das Pony ist immer noch zu. Es sind wieder mehr Wachen geworden, und fröhliche Gesichter sieht man nirgendwo mehr."
"Gut, dass ich mir den Abstecher in die Stadt erspart habe," sagte Magrochil. "Auf die Sprüche der Wachen kann ich gut verzichten."
"Ich frage mich, ob mit Absicht immer dieselbe Art von Menschen für diese Arbeit rekrutiert werden," überlegte Kerry. "Wie muss da nur die Anwerbung aussehen? 'Hallo, sind Sie geistig minderbemittelt und üben gerne sinnlose Gewalt aus? Lieben Sie es, anzügliche Kommentare fallen zu lassen und tagelang am selben Fleck Wache zu schieben? Dann sind Sie bei der Stadtwache von Bree genau richtig, denn hier werden sie dafür bezahlt, nicht mehr als ein nutzloser Idiot zu sein!'"
Magrochil und Lónar lachten, doch Rilmir behielt seinen düsteren Blick bei, den er seit einigen Tagen nicht mehr abzusetzen schien.

Später am Abend setzte sich Kerry neben den Waldläufer ans Feuer. Magrochil schlief bereits, und Lónar war in seine Karten vertieft. Zaghaft fragte sie: "Dúnadan... was ist eigentlich mit dir los? ... du bist in den letzten Tagen ziemlich düster gelaunt gewesen. War es ... hat's was mit mir zu tun? Wenn ja... dann tut's mir Leid!"
Rilmir schien aus seinen Gedanken aufzutauchen und wandte ihr das Gesicht zu. Einige Momente sagte er nichts und blickte sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Kerry spürte, wie sie errötete und strich sich nervös das Haar zur Seite.
Dann verging der Augenblick, und Rilmirs Augen nahmen einen warmen Glanz an.
"Oh meine liebe Kerry, bitte merke dir eins: Es dreht sich nicht immer alles um dich."
Ein kleines Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Waldläufers aus. "Meine Laune hat indirekt mit der Situation, die du in Bree gesehen hast zu tun. Es geht um das Land - du hast ja bereits gesehen, dass seit einiger Zeit viele zwielichtige Gestalten aufgetaucht sind und den größere Teil Eriadors unter ihre Kontrolle gebracht haben."
Kerry nickte und versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen. War das vielleicht peinlich! Ich hoffe, er versteht wenigstens, warum es mir wichtig ist was er von mir hält.

Rilmir schien es nicht zu bemerken. "Lass' mich dir von den Dúnedain erzählen. Vor einigen Jahren waren wir die Beschützer dieser Lande - des alten Reiches Arnor, welches vor langer Zeit unterging. Wir hielten Gefahren von den Bewohnern des Auenlandes und Brees ab, ohne dass sie etwas davon bemerkten. Sehr beliebt waren wir in Bree nicht - "Waldläufer" war noch eine der freundlichesten Bezeichnungen die man uns entgegenbrachte. Es war ein hartes Leben, aber dennoch ehrenhaft.
Nachdem unser Häuptling, Aragorn, in den Süden gezogen war um sein.... um in Gondor Krieg zu führen, änderte sich die Lage. Einige meiner Brüder waren mit ihm gezogen, und kehrten nun mit schlimmen Nachrichten zurück - der Krieg war verloren und Aragorn gefangen oder getötet worden. Da er keinen Sohn hatte suchten wir unter seinen nahen Verwandten nach einem Nachfolger, und der Rat der Dúnedain wählte schließlich Helluin, den Sohn von Aragorns Base Erelieva als Anführer aus.
Er war noch jung, schien aber die große Verantwortung ehrenvoll zu tragen. Bis vor einiger Zeit ein Diener des Zauberers Saruman zu ihm kam."

Saruman! schoss es Kerry durch den Kopf. Schon viel zu oft hatte sie Menschen diesen Namen furchterfüllt aussprechen hören.
Rilmir blickte ihr ins Gesicht und hielt einen Moment inne. "Du hast schon von ihm gehört, nicht wahr? Einst war er der Anführer des Ordens der Zauberer, doch er hat sich von seinem Auftrag abgewandt und strebt nun selbst nach Macht. Er überzog Rohan mit Krieg und kam nach seiner Flucht aus Isengard ins Nebelgebirge, wo er die dortigen Orkstämme unter seinem Banner vereinte. Doch damit nicht genug streckte er nun auch seine Finger nach Eriador aus. Vom neu erstrahlenden Glanz des Reiches Arnor sprach er und versprach uns Paläste und Reichtümer die wir uns kaum vorstellen konnten. Die Macht seiner Stimme blendete die Dúnedain, und so fielen sie. Viele sind mit ihm in den Osten gezogen um in seinen Kriegen zu kämpfen. Jene, die versuchen, sich ihm zu widersetzen, ließ er töten oder durch die Gefangennahme ihrer Familien ruhig halten."
Kerry blickte Rilmir mit großen Augen an, sie konnte kaum glauben was sie da hörte. Sollte Saruman tatsächlich die Kontrolle über Eriador erlangt haben? Es ergab Sinn, das musste sie zugeben. Und wenn es stimmte, dann waren seine Diener nun überall zu finden.

"Ich ... verstehe dich nun besser, Dúnadan," sagte sie leise, unsicher was sie auf Rilmirs Erzählung antworten sollte. "Gibt es denn nichts, was getan werden kann? Können wir Saruman finden und seine Machenschaften beenden?"
"Selbst wenn ich wüsste, wo sich der Zauberer gerade befindet ginge seine Macht dennoch deutlich über meine Fähigkeiten. Der Einzige, der ihm die Stirn bieten könnte wäre einer der Elbenfürsten oder ein anderer der Istari. Doch diese sind weit weg und haben andere Sorgen. Und von Mithrandir, jener den ich am meisten schätzte und vertraute habe ich schon sehr lange nichts mehr gehört, seitdem er nach Isengard ging um den Statthalter Mordors zu erschlagen."
"Mithrandir?"
"Du könntest ihn als Gandalf Graurock kennen. Er hat viele Namen bei vielen Völkern. Es heißt, Saruman habe ihn mit einem Zauber belegt, " fügte Rilmir niedergeschlagen hinzu.

Wie er so am Feuer saß, die Schultern tief hängend und den Blick ins Leere konnte Kerry nicht anders als ihre Arme um ihn zu schlingen und "Du darfst nicht aufgeben, Dúnadan," zu flüstern. "Solange wir am Leben sind gibt es noch Hoffnung."
Er antwortete zunächst nicht, dann ließ er einen tiefen Seufzer hören. "Vermutlich hast du Recht... Wir werden sehen, was der nächste Tag bringen wird..."
Schließlich legte er ihr den Arm um die Schulter und hob den Blick zu den Sternen, die hervorgekommen waren. Am Horizont war die Sichel der Valar zu erkennen.
"Onen í-estel dúnedain", murmelte er leise.
Doch Kerry hörte ihn schon kaum noch mehr, denn mit dem Kopf auf seiner Schulter war sie bereits dabei, einzuschlafen.

Am Morgen wachte sie eingehüllt in ihre Decke neben Magrochil auf. Hat der Dúnadan mich hierher gebracht? Das Feuer, an dem sie gesessen hatten war am anderen Ende des Lagers. Rilmir unterhielt sich mit Arwen und sie bekam keine Gelegenheit ihn danach zu fragen. Nach einem kurzen Frühstück kehrte die Reisegruppe zur Oststraße zurück und brach wieder auf.


Arwen, Lindir, Kerry, Magrochil, Rilmir, Lónar und die Elben von Imladris weiter nach Westen auf der Großen Oststraße...
« Letzte Änderung: 19. Aug 2015, 23:49 von Fine »
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Re: Bree
« Antwort #3 am: 15. Mär 2016, 19:29 »
Ardóneths Start:

Ardóneth verließ seinen Unterschlupf als die Dämmerung hereinbrach. Die Tavernen waren schon seit Monaten geschlossen, doch an einigen versteckten Orten in Bree konnte man mit etwas Glück noch etwas Gutes zu Trinken bekommen. Eine solche Stelle gab es in einem unscheinbaren Haus nahe des Nordtores. Vier abgerissene Gestalten lehnten drinnen an eine hölzerne Theke und hatten bereits teilweise geleerte Krüge vor sich stehen."Das Übliche", sagte Ardóneth beim Hereinkommen und der Mann hinterm Tresen nickte ihm zu. Er setzte sich auf einen der Barhocker und begann, aus seinen Krug zu trinken.

"Hast du in letzter Zeit etwas Interessantes gehört?" fragte Ardóneth den Wirt, in der Hoffnung mehr über den Sternenbund zu erfahren. Dieser verneinte im ersten, schob jedoch heimlich einen Umschlag zu Ardóneth herüber. "Mehr weiß ich auch nicht, doch nun geht" flüsterte der Schankwirt nervös. Ardóneth schaute verwundert, ließ einige Münzen auf den Tresen fallen und verließ schleunigst die Schänke.

Er nahm den Umschlag, riss ihn auf und hielte ein großes Stück Pergament in der Hand. Jedoch waren nur noch wenige Wörter zu lesen, die meisten waren verschmiert. Schon wieder keine  genauen Informationen, dachte er. Schließlich fiel ihm sein alter Mentor, Elrond aus Bruchtal ein. Vielleicht kann er entschlüsseln, was hier geschrieben steht, überlegte Ardóneth.

Er fasste den Entschluss sein altes Anwesen zu verkaufen. Eine schwere Entscheidung, denn schließlich lebte er hier viele Jahre mit seiner Frau. Doch war die Neugierde zu groß und gegen einen großen prall gefüllten Geldbeutel ging sein Haus an einen anderen Besitzer über, jedoch holte er aus einem geheimen Keller vorher noch seine Ausrüstung. Schließlich machte er sich gen Osten auf, in der Hoffnung, dort mehr Informationen sammeln zu können.


Ardóneth nach Imladris


Verlinkung ergänzt
« Letzte Änderung: 21. Mär 2016, 08:59 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

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Bree bei Nacht
« Antwort #4 am: 15. Jun 2016, 14:42 »
Kerry, Haleth und Rilmir vom Grünweg


Am Nordtor Brees angekommen stellte Kerry fest, dass ihr Plan sich gerade in Luft aufgelöst hatte. Das Loch in der großen, dichten Hecke, die die Stadt wie eine Mauer umgab, war verschwunden. An seine Stelle war ein hölzerner Wachturm getreten, der die Lücke verschloss und von dessen Spitze ein schwarzes Banner im Wind flatterte. Darauf erkannte Kerry die Weiße Hand Sarumans. Zu dritt blieben sie im Schatten der Bäume verborgen, die einige Meter nördlich des Stadttores wuchsen und spähten zu den Wachen hinüber, die am Tor ihre Posten bezogen hatten.
Blóden hell! fluchte sie innerlich auf Rohirrisch. Ich hasse es, wenn ein Plan schief geht!

Rilmir blickte nachdenklich zur Stadt hinüber. "Inzwischen werden sie sich in Bree verteilt oder versteckt haben. Es wird schwierig werden, die aus Fornost entflohenden Diener Sarumans dort aufzuspüren."
"Vielleicht wäre es besser zu warten, bis sie die Stadt wieder verlassen," wandte Haleth ein. "Wir können die Ausgänge beobachten und außer Sicht bleiben."
Kerry zupfte an einer eigensinnigen Strähne, die ihr über das rechte Auge fiel. "Ich kann 'reinkommen. Letztes Mal hab' ich es auch geschafft. Aber euch beiden sieht man eure Herkunft zu deutlich an. Ihr seid Dúnedain des Nordens. Vielleicht solltet ihr wirklich hier bleiben und die Lage vor der Stadt beobachten."
"Bist du dir sicher, dass du unbeschadet an den Wachen vorbeikommst?" fragte Rilmir.
"Ich schaffe es. Du wirst es sehen!" gab Kerry zurück.
Haleth lächelte sie an. "Ich vertraue dir, Kerry. Geh in die Stadt und finde heraus, was es herauszufinden gibt. Wir werden die Tore beobachten. Wenn unsere Freunde weiterziehen wollen werden wir es bemerken."
"Sei vorsichtig," ermahnte Rilmir sie. "Traue niemandem. Wir wissen nicht, wer inzwischen in Bree das Sagen hat."
Kerry nickte. "Ich werde vorsichtig sein. Das bin ich doch immer!"

Rasch stand sie auf und trat aus dem Schatten der Bäume, ihren grauen Umhang eng um die Schultern gelegt. Die Kapuze setzte sie ab um nicht für eine Waldläuferin gehalten zu werden. Festen Schrittes ging sie auf das Tor zu, dessen Wachen sie bereits bemerkt hatten.
Einer der beiden hob die Hand. "Halt," sagte er mürrisch. "Wer bist du und was willst du hier?"
Kerry setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Ich komme aus Archet und möchte meine Schwester besuchen!"
"Hab' dich noch nie hier geseh'n. Wie heißt du?" wollte der Wächter misstrauisch wissen.
"Dana Weizler. Vom Scheunenhof, hinter Archet." antwortete sie zuversichtlich.
"Wusste gar nicht dass der alte Weizler zwei Töchter hat," gab der Mann zurück. "Bera kenn' ich - aber von dir hab' ich noch nie 'was gehört."
Kerry unterdrückte ihre Aufregung. "Bera, meine Schwester, ist die Ältere von uns. Ich blieb auf dem Hof zurück als sie damals nach Bree ging."
Der Wächter blickte unschlüssig zwischen ihr und seinem Kollegen hin und her. Offenbar überlegte er, ob er Kerrys Geschichte glauben sollte.
"Ich werd' Bera einfach fragen," sagte er schließlich. "Du kannst 'rein, aber mach' keinen Ärger. Würde dir nicht gefallen was wir mit Unruhestiftern machen. Und wenn ich 'rausfinde dass du gar nicht Dana Weizler bist, steckst du in großen Schwierigkeiten!"
Das werden wir ja sehen, dachte Kerry als die Wachen den Weg freigaben. Bis du dieses Rätsel gelöst hast bin ich längst wieder aus Bree verschwunden.

Sie durchquerte die Straßen Brees, die vom Licht der Abendsonne einen rötlichen Ton angenommen hatten. Die Häuser warfen lange Schatten und die Stadt kam ihr noch unheimlicher als bei ihrem letzten Besuch vor. Kerry war froh, dass die Wachen ihr das Schwert nicht abgenommen hatten, das sie an ihrer Linken trug. Zwar habe ich damit geübt, und mir wurden einige Tricks gezeigt, aber auf einem richtigen Kampf kann ich mich bestimmt noch nicht einlassen. Nicht, dass sie das überhaupt wollte.
Sie machte sich auf den Weg zum Tänzelnden Pony. Dort angekommen fand sie das Gasthaus weiterhin verschlossen vor. Das Gebäude war in einem schlechten Zustand. Im Hof wucherten Gras und Unkraut zwischen den Pflastersteinen hervor und das Schild über dem Eingang hing schief herunter. Eine einzige starke Windbrise würde es herunterreißen. Kerry dachte an die fröhlichen Tage, die sie hier erlebt hatte, bevor Sarumans Einfluß bis nach Bree vorgedrungen war und sie spürte, wie sie wütend wurde. Sie ballte die Hände zu Fäusten und wandte sich ab.

Ziellos streifte sie durch die Gassen von Bree. Sie suchte schon lange nicht mehr nach den Menschen, die sie mit Haleth und Rilmir aus Fornost verfolgt hatte. Kerry wusste selber nicht mehr, wonach sie suchte. Die Sonne war inzwischen untergegangen und es wurde kalt. Frustriert blieb sie stehen und blickte sich um. Zwar war sie schon oft in Bree gewesen, doch nun hatten ihre Beine sie in eine Straße getragen, die sie nicht kannte. Sie hatte sich verlaufen. Gespenstisch still hier, dachte sie als sie ihre Kapuze aufsetzte. Vorsichtig ging sie die Gasse, durch die sie gekommen war entlang. In den Häusern zu beiden Seiten brannten keine Lichter mehr, es wurde immer dunkler. Schließlich musste Kerry die Arme nach vorne strecken, um nicht gegen eine Wand zu laufen.

Als ihre Finger etwas Hartes berührten blieb sie stehen. Sie spürte einen Windhauch auf der Nase und blickte nach oben zum Himmel, der zwischen zwei Dächern sichtbar wurde. Die Wolken teilten sich und der Mond ließ einige helle Strahlen auf Kerrys Gesicht fallen. Sie erkannte, dass sie in einer Sackgasse stand und beinahe gegen die Wand des Hauses am Ende der Straße gestoßen wäre. Einige Meter über ihr befand sich ein offenes Fenster. Während sie noch überlegte, ob sie umkehren sollte hörte sie mit einem Mal leise Stimmen, die durch das Fenster drangen, und ein Lichtschein wie von einer Fackel fiel hindurch auf die Straße. Schnell huschte sie in die Schatten eines großen Busches, der neben ihr an der Wand wuchs und spitzte die Ohren.

"Morgen ist es so weit," sagte die erste Stimme.
"Ist der Statthalter schon eingetroffen?" wollte eine zweite Person wissen.
"Heute Mittag," antwortete der Erste. "Er sagt, im Süden ist alles in Ordnung."
"Das sind gute Neuigkeiten," mischte sich eine dritte Stimme ein. "Vom Norden kann man das nicht behaupten, will ich meinen."
"Nein, da hast du Recht. Diese Waldläufer machen nichts als Ärger in der Sternenstadt!" klagte der Erste.
"Mach' dir keine Sorgen. Der Meister hat für alles einen Plan," versicherte der Dritte. "Wirst es schon seh'n!"
"Das will ich hoffen," äußerte sich Nummer Zwei. "Wird Zeit dass man dieses Gesindel ein für alle Mal aus Eriador 'rauswirft."
"Ja," pflichtete der Erste bei. "Der Statthalter soll sich darum kümmern."
"Das macht er," sagte der Zweite. "Gedulde dich nur bis morgen."
Einer der Männer lehnte sich aus dem Fenster. Kerry schloss die Augen und wagte nicht einmal zu atmen. Doch der Mann seufzte nur leise und schloss dann das Fenster von innen.
Ihm ist wohl nur kalt geworden, dachte Kerry erleichtert.

Das Gespräch der Männer hatte sie nachdenklich gemacht. Was würde morgen geschehen? Wer war der Statthalter von dem gesprochen wurde? Was war sein Plan?
Sie beschloss, noch einen Tag länger in Bree zu bleiben. Was auch immer da morgen passieren wird, ich werd's mir ansehen, dachte sie während sie sich ihren Weg zum Pony zurück suchte. Eine der Hintertüren war nur mit einem einzigen Brett vernagelt, welches sie mit ihrem Schwert aufhebelte. Drinnen suchte sie sich eines der Zimmer im oberen Stockwerk aus und legte sich in eines der Betten. Zwar waren keine Decken mehr dort, doch ihr Umhang reichte ihr. Bald schon war sie eingeschlafen.
« Letzte Änderung: 16. Jun 2016, 00:53 von Fine »
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Azaril

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Re: Bree
« Antwort #5 am: 22. Jun 2016, 18:27 »
Aldoc und Girion aus dem Auenland

"Wer seid ihr und was wollt ihr hier?", fragte sie der Torwächter mit krächzender Stimme.
Aldoc hob überrascht eine Augenbraue. "Du kennst mich, Arnie."
"Hm? Oh ja, Aldoc Tuk, nicht wahr?" Arnie, einer der Torwächter von Bree, ein alter Mann, der schon hier gewesen war, als Aldoc das erste Mal nach Bree gekommen war, schien den Hobbit nun endlich zu erkennen. "Ja, ich erinnere mich. Tut mir leid, neue Vorschriften, ich kann dich nicht mehr einfach hineinlassen. Vor allem wegen deines Nachnamens."
"Klar, natürlich", seufzte Aldoc genervt. "Wir Tuks sind in dieser Gegend inzwischen berühmt. Unter anderen Umständen würde ich mich ja freuen…"
"Gibt es ein Problem?", mischte sich nun der zweite der beiden Wächter hier am Westtor von Bree ein, und dieser war keineswegs ein alteingesessener Breeländer, sondern ein Fremder, den Aldoc noch nie zuvor gesehen hatte. Er war in Eisen gerüstet und mit einem Speer bewaffnet und mutete somit weitaus bedrohlicher an als Arnie, der wahrscheinlich keiner Fliege was zu leide tun könnte.
"Nein, es gibt kein Problem", entgegnete Aldoc. "Nur ein kleines Gespräch unter alten Freunden." Er warf Arnie einen unmissverständlichen Blick zu. "Und dieser alte Freund wird uns jetzt bestimmt hineinlassen, nicht wahr?"
Arnie kratzte sich kurz nachdenklich am Kopf, nickte aber schließlich. "Ich denke, das geht in Ordnung, solange du keine Probleme machst. Hast du verstanden? Mach uns ja keine Probleme! Ich öffne jetzt das Tor."
"Nicht so schnell", hielt der andere Wächter ihn auf und sah zu Girion. "Was ist mit diesem da? Der sieht gefährlich aus."
"Ich nehme das als Kompliment." Girion schenkte dem Mann ein Lächeln, das jedem gewöhnlichen Menschen wohl das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen. "Wir sind im Auftrag des Statthalters von Tharbad unterwegs, Lutz Farnrich. Ich deute deinen Gesichtsausdruck einmal so, dass dir der Name etwas sagt. Wenn du uns nun also bitte hineinlassen würdest."
"Ihr kennt den Statthalter?" Der Blick des Wächters huschte nervös vom Menschen zum Hobbit und wieder zurück. Dann schien ihm jedoch ein Gedanke zu kommen und er fasste sich wieder. "Nun, dann macht es euch sicherlich nichts aus, wenn ich euch jetzt sofort zu ihm bringe. Ich bin mir sicher, er kann es kaum erwarten, euren Bericht zu hören. Das heißt, sofern ihr ihn überhaupt tatsächlich kennt."
"Lutz ist hier?", fragte Aldoc überrascht. "In Bree?"
"Er ist gestern erst angekommen", erklärte Arnie. "Kenn' den noch von früher, der war mal nicht mehr als ein einfacher Mann hier in Bree, wie ich und Gerstenmann und all die Anderen. Ist ganz schön weit aufgestiegen, der Gute. Hat sich mit den hohen Herrschaften, die im Osten Krieg führen, gutgestellt. Gerissen. Sehr gerissen."
Aldoc schüttelte ungläubig den Kopf. Arnie schien nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wem Lutz seinen Posten wirklich zu verdanken hatte oder unter wessen Herrschaft sich Bree und ein großer Teil von Eriador im Moment befanden. Hatte er überhaupt schon einmal den Namen Saruman gehört? Vermutlich nicht. Aldoc musste an die bewaffneten Breeländer denken, auf die sie an der Brandyweinbrücke getroffen waren. Mit welchen Lügen waren sie gelockt worden? Wofür, dachten sie, würden sie kämpfen? Wahrscheinlich für dasselbe, was auch Aldoc erreichen wollte: Die Freiheit von den Unterdrückern. Nur dass die Identität dieser Unterdrücker in seinen und ihren Augen jeweils eine andere war.
"Genug geschwätzt, ich bring die beiden jetzt zum Statthalter", beharrte der andere Wächter. "Hältst du hier die Stellung, Arnie?"
"Natürlich!", Mit Elan salutierte der ältere Mann vor dem Fremden. Der seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Ich schicke besser jemanden vorbei, um dir zu helfen." An Aldoc und Girion gewandt fuhr er fort. "Und ihr beide kommt jetzt mit mir. Werden wir mal sehen, ob sich Lutz Farnrich an euch erinnert."

Wohl oder übel waren sie gezwungen, dem Wachmann zu folgen. Aldoc konnte Girion ansehen, dass er sich überlegte, den Wächter zu überwältigen, sobald sie einmal in der Stadt waren, und obwohl es auch Aldoc in den Fingern juckte, legte er seinem Freund beschwichtigend eine Hand auf den Unterarm.
"Lass uns erst einmal sehen, wie sich die Dinge entwickeln", raunte er dem Menschen aus Thal zu. "Lutz hat keinen Grund, wütend auf uns zu sein. Er sollte nichts davon wissen, dass wir meinen Leuten in Michelbinge geholfen haben. Vielleicht ist das sogar eine gute Gelegenheit, um ihm falsche Informationen über die Geschehnisse dort unterzuschieben."
Girion nickte stumm und unternahm vorerst nichts. Schweigend folgten sie dem Wächter durch die Straßen von Bree. Die Stadt hatte sich seit Aldocs letztem Besuch überhaupt nicht und zugleich aber auch gravierend verändert. Was gleich geblieben war, waren die Gebäude, noch immer dieselben alten Steinbauten und oben am Hang des Breeberges gelegenen Smials wie schon vor jener Ewigkeit, vor der er zuletzt hier gewesen war. Verändert hatten sich dagegen die Leute. Es waren viele Fremde in den Straßen unterwegs, die meisten bewaffnet, und selbst unter den alteingesessenen Einwohnern hatte sich etwas verändert.
Aldoc vermochte es nicht genau zu benennen, aber es fühlte sich irgendwie düsterer an als einstmals, als drückte irgendetwas auf die Gemüter sämtlicher Menschen und Hobbits aus Bree. Und doch wirkten sie nicht deprimiert, jedenfalls nicht auf eine Weise wie die Hobbits im Auenland, die so lange unterdrückt worden waren, oder die Elben in Bruchtal, denen die nahende, große Dunkelheit zu schaffen machte. Nein, es schien auch eher eine Art Zorn in der Luft zu liegen. Eine unheimliche Stimmung war das hier.
"Das ist nicht das Bree, wie ich es kenne", murmelte Aldoc. "Es ist alles so… falsch. Hier war es mal fast so friedlich wie im Auenland. Jetzt sieh dir nur all die bewaffneten Menschen an."
"Überrascht mich nicht", entgegnete Girion. "Das ist heutzutage doch überall so. Mich würde es eher wundern, wenn sie alle fröhlich und unbewaffnet wären. Diese Leute sind vielleicht ein leichtgläubiges Völkchen, aber selbst sie wissen vom Krieg. Und Krieg zehrt selbst an den fröhlichsten Gemütern."
"Manchmal können einem deine depressiven Ansichten gehörig die Laune verderben, Girion."
"Ach, du warst guter Laune? Davon habe ich aber nichts gemerkt."

Der Wächter, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, brachte den Halbling und den Menschen aus Thal zu einem Haus, das Ersterer nur zu gut kannte. Das Gasthaus "Zum Tänzelnden Pony", stellte Aldoc fest. Sagt bloß, Lutz hat es als seine Residenz gewählt. Dieser Schuft.
Der Wachmann klopfte kurz an und trat dann ein, nachdem er sie angewiesen hatte, erst einmal draußen zu warten, mit der deutlichen Warnung, dass es unschöne Konsequenzen haben würde, wenn sie diese Gelegenheit nutzten, um wegzulaufen. Weit wären sie aber ohnehin nicht gekommen, denn nach nicht einmal einer Minute kam der Mann bereits wieder heraus und teilte ihnen mit, dass Lutz sie nun empfangen würde.
Der Schankraum des Tänzelnden Ponys war kaum wiederzuerkennen. Bis auf die Theke, hinter der stets Gerstenmann Butterblume, der Wirt dieses Gasthauses, anzutreffen gewesen war, stand nichts mehr dort, wo es einmal gestanden hatte. Die Tische und Bänke waren größtenteils an die Wände gerückt worden, sodass der Raum nun weit und leer wirkte, und nur in der Mitte war noch ein Tisch übrig geblieben, um den mehrere Stühle herum standen. Dort saßen fünf Männer, die anscheinend in irgendein Kartenspiel vertieft waren – und einer von ihnen war unverkennbar Lutz Farnrich, der Statthalter von Tharbad.
"Ah, wen haben wir denn da?", rief Lutz lächelnd, als Aldoc und Girion eintraten. "Girion, mein Freund, setz dich doch zu uns. Du musst sicher erschöpft sein von der langen Reise. Hier, wir haben noch einen Platz frei."
"Danke, aber ich stehe lieber", lehnte Girion ab, wobei weder Sympathie noch Abneigung aus seiner Stimme zu hören waren. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und stand stramm wie ein richtiger Soldat. "Ich habe wie verlangt ein Auge auf diesen Hobbit, Aldoc Tuk, gehabt."
"Ja, natürlich hast du das", sagte Lutz, als gebe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt. Erst jetzt wandte er sich Aldoc zu. "Ah, tatsächlich, da ist ja der Hobbit. Ich hatte dich zuerst nicht gesehen, wegen deiner Größe, du weißt schon. Ich nehme an, du hast getan, was ich von dir verlangt habe? Andernfalls befände sich ja dein Kopf nicht mehr dort, wo er jetzt ist."
"Ja", antwortete Aldoc. Jetzt war es an der Zeit, Lutz mit Lügen zu füttern. Er hatte sich auf dem Weg hierher schon eine glaubhafte Geschichte zurechtgelegt, die der Statthalter ihm bestimmt abkaufen würde. Und wenn der dann seine Truppen losschickte, um Merry, Pippin und den Thain zu erledigen… Aldoc verkniff sich ein Lächeln. "Ich habe Informationen über die Ruhestifter, die euch interessieren könnten. Zwei von ihnen…"
"Diese Halblinge interessieren mich nicht mehr", unterbrach ihn der Statthalter brüsk. "Bald werde ich sie alle unter meinem Stiefel zermalmen, gleich nach diesen aufrührerischen Waldläufern."
Ah, es ist jetzt also dein Stiefel, Lutz?, dachte sich der junge Abenteurer. Nicht mehr Sarumans? Spiel dich nicht so auf, du bist im Großen und Ganzen auch nur ein Niemand. Aber viel wichtiger als das… was genau meinte er damit? Wenn Lutz einfach so sagte, er könne auf einmal den Sternenbund vernichten, dann sollte man das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Breeländer mochte vielleicht seine eigene Bedeutung für Saruman überschätzen, aber das änderte nichts daran, dass er wahrscheinlich über einige wichtige Informationen verfügte. Auf einmal erschien es Aldoc nur noch nebensächlich, Lutz mit Falschinformationen über die Geschehnisse im Auenland zu versorgen. Lieber sollte er herausfinden, was genau hier vor sich ging.
Doch Girion kam ihm zuvor. "Wie meint ihr das, Statthalter? Diese Dúnedain werden zahlreicher und zahlreicher. Sicher braucht es viele Krieger, um sie zu besiegen."
"Das stimmt", nickte Lutz. "Deswegen bin ich hier in Bree, um zu rekrutieren. Diesen gutgläubigen Bauern muss klar werden, welche Bedrohung nördlich von hier lauert. Bis jetzt ist der Krieg für sie etwas Fernes, nur ein vages Konzept, das sie nicht wirklich etwas angeht, aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Bald schon werden die Verräter ihre gierigen Finger nach diesen Landen ausstrecken und ihre tyrannische Herrschaft weit über die Mauern von Fornost hinweg ausbreiten. Wir müssen das um jeden Preis verhindern. Deswegen werde ich morgen eine Rede halten. Ich werde die Lügen dieses sogenannten Sternenbundes entlarven und die Menschen von Bree wachrütteln! Sie sollen zu den Waffen greifen und gegen die Unterdrückung durch diese Verräter ankämpfen, bevor es zu spät ist. Versteht ihr das? Hier geht es um die Freiheit von Bree, nein, von ganz Eriador!"
Oh ja, genau darum geht es, entgegnete Aldoc wütend, allerdings nur in Gedanken. Aber nicht die Dúnedain des Sternenbundes sind die Unterdrücker, sondern ihr seid es. Die Diener Sarumans! Heuchlerischer Bastard. Dir geht es doch nur um Macht. Dich interessiert die Freiheit dieser Leute einen Dreck. Oh, wie gerne hätte er das Lutz ins Gesicht gesagt! Aber Aldoc hing zu sehr an seinem Kopf, um das zu wagen.
"Und ihr erzählt uns das, weil…?", fragte der Halbling.
"Weil ich eine Aufgabe für euch habe", antwortete Farnrich. "Ihr kommt eigentlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich befürchte, dass mir morgen nicht jeder richtig zuhören wird. Es wird solche geben, die ihre Ohren vor meinen Worten verschließen. Sie wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Deshalb werde ich es ihnen persönlich verdeutlichen müssen. Da kommt ihr beiden ins Spiel. Ihr werdet euch unter die Menge mischen und darauf achten, ob jemand widerspenstig ist. Findet diejenigen, die sich nicht überzeugen lassen, und bringt sie zu mir."
In anderen Worten wollte er also herausfinden, ob es in Bree irgendwelche Aufrührer gab, die sich ihm nicht so einfach beugten. Im Ernst, wem wollte er durch diese bedachte Ausdrucksweise etwas vormachen? Findet die Verräter, so lautete der Auftrag, nicht mehr und nicht weniger. Es hätte auch gereicht, es ihnen genau so zu sagen. Auf diese Weise jedoch um den heißen Brei herumzureden und dabei ernsthaft anzunehmen, Aldoc und Girion würden nicht verstehen, worum es ihm wirklich ging, und glauben, er wolle tatsächlich nur das Beste für die Einwohner von Bree… das war eine Beleidigung für Aldocs Intelligenz!
Dennoch gab er sich weiterhin unterwürfig. Er hatte keine andere Wahl, vor allem, wenn er die muskulösen Gefährten des Statthalters betrachtete, denen bisher noch kein Wort über die Lippen gekommen war. Das war auch nicht nötig. Ihre bedrohliche Präsenz sagte alles. Diese Männer waren keine Freunde von Lutz, die mit ihm nach langer Zeit mal wieder ein wenig Karten spielten, nein, sie waren offensichtlich seine Leibwächter. Vermutlich wäre nicht einmal Girion allen vieren dieser Kerle auf einmal gewachsen.
"Einverstanden", sagte der Abenteurer daher. "Wir werden die Leute finden, die ihr sucht. Sollen wir sie gleich zu euch bringen oder nur ihre Namen in Erfahrung bringen?"
"Die Namen sollten genügen", erwiderte Lutz. "Aber wenn ihr sie gleich herbringen könnt, umso besser. Aber behandelt diese Angelegenheit diskret. Ich will keinen Aufruhr verursachen."
"Verstanden", nickte der Hobbit. "Es wird geschehen, wie ihr verlangt."
"Ausgezeichnet." Lutz lächelte wie jemand, der glaubte, jemanden anderen auf unheimlich raffinierte Weise überlistet zu haben. "Das wäre dann alles. Ich erwarte euch dann morgen nach meiner Rede."

Nachdem Aldoc und Girion die Taverne verlassen hatten und endlich aufatmen konnten, wandte sich der Mensch, sobald sie außer Hörweite etwaiger Wachen oder Anhänger von Lutz waren, mit sorgenvoll gerunzelter Stirn an den Hobbit. "Und was machen wir nun?"
"Na, was wohl?", entgegnete Aldoc. "Wir tun genau das, was Lutz uns aufgetragen hat. Wir suchen die Aufrührer." Er setzte ein fieses Lächeln auf. "Und dann schließen wir Freundschaft mit ihnen."

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

1. Char Aldoc befindet sich in Bree

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Erstes Blut
« Antwort #6 am: 23. Jun 2016, 15:58 »
Hochborn stand in Flammen. Déorwyn spürte die Hitze auf ihren Wangen, fühlte, wie ihre Tränen verdampften, hustete den Rauch aus ihren Lungen. Sie duckte sich hinter einem heruntergestürzten Dachbalken, der glücklicherweise noch nicht Feuer gefangen hatte und hielt den Atem an. Die Orks, die das Dorf überfallen, in Brand gesteckt und seine Bewohner erschlagen hatten, hatten sie bisher nicht entdeckt.

Dies waren nicht die Diener Sarumans, wie sie festgestellt hatte. Diese Scheusale trugen das Rote Auge Mordors. Dies konnte nur eines bedeuten: Der Ritt der Rohirrim zur Rettung des Westens war gescheitert. Alle waren sie gefallen, auch ihr Vater. Déorwyn war allein. Sie unterdrückte den Gedanken an ihre Mutter, die auf der Türschwelle ihres Hauses gestorben war und richtete sich auf. Ein schneller Blick zeigte ihr, dass die Orks sich am Nordrand des Dorfes sammelten. Wahrscheinlich würden sie weiter nach Dunharg ziehen. Déorwyn hastete durch die rauchenden Ruinen Hochborns nach Süden, immer darauf bedacht, außer Sicht zu bleiben. Als sie einen verkohlten Türbogen durchquerte, verfing sich ihr Kleid am gesplitterten Holz der Balken und sie stürzte der Länge nach auf den harten Boden. Keuchend blieb sie liegen und spürte, wie etwas Warmes über ihre Stirn lief. Als sie versucht, es wegzuwischen, färbte sich ihre Hand blutrot. Die Welt verschwamm und ihr wurde schwarz vor Augen.




Kerry fuhr mit einem Ruck aus dem Traum hoch. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Doch dann klärte sich ihr Verstand und sie atmete tief aus. Sie war im Pony und alles war gut. Das Haus stand nicht in Flammen. Sie schob jegliche Erinnerungen beiseite und wagte einen Blick aus dem kleinen Fenster. Die Helligkeit abschätzend vermutete sie, dass es ungefähr eine Stunde nach Sonnenaufgang war. Eilig suchte sie ihre Habseligkeiten zusammen, legte den Gürtel samt Schwert an und trat aus dem Zimmer in den Flur hinaus - und stieß mit einem sehr großen, sehr kräftig gebauten Mann zusammen. Kerry prallte zurück, doch der andere geriet nicht einmal ins Taumeln. Bevor sie reagieren konnte schoss seine Hand hervor und legte sich um ihren Hals, mit dem Rücken gegen die Wand gedrängt. Kerry japste nach Luft und versuchte, den eisernen Griff in dem sie sich befand zu lockern, doch ihre Mühen waren vergeblich.
"Wer bist du?" verlangte der Mann zu wissen.
"D..." Kerry brachte kaum einen Ton hervor, was ihren Gegenüber zu verwirren schien. Schließlich lockerte er seinen Griff um eine Wenigkeit sodass sie sprechen konnte.
"Ich bin Dana. Dana Weizler," stieß sie angestrengt hervor.
"Kenn' ich nicht," kam die Antwort. "Du hast hier nichts verloren, Mädchen. Der Statthalter hat dieses Haus für sich ausgewählt."
Schon wieder dieser Statthalter! "Das wusste ich nicht," verteidigte Kerry sich. "Ich hab' in dem Zimmer dort bloß übernachtet. Mehr nicht! Ich wollte nicht..."
Der Mann legte ihr die schwere Hand auf den Mund um sie zum Schweigen zu bringen und blickte zur Seite. Offensichtlich überlegte er, was er mit ihr anfangen sollte.
"Sollte dich wohl loswerden," sagte er schließlich und seine Hand wanderte von Kerrys Mund zu dem großen Messer, das er an seiner Seite trug. Kerry riss die Augen auf und spannte sich an, bereit um ihr Leben zu kämpfen.
"Wär aber schade um so'n hübsches Gesicht," fügte der Mann hinzu und seine Hand verharrte an seiner Seite. Er ließ Kerrys Hals los und stieß sie grob vor sich her, den Gang zur Treppe entlang die zu den unteren Stockwerken führte.
"Werden seh'n was der Statthalter zu dir zu sagen hat!" meinte er.

Die Treppe hinab ging es zum großen Schankraum, den Kerry gefüllt mit fröhlichen Menschen und Hobbits in Erinnerung hatte. Sie wunderte sich, dass alle Tische und Stühle bis auf einen an die Wände des Raums verschoben worden waren. Ein starker Schubser von hinten ließ sie auf die Gestalt in der Mitte des Raumes zutaumeln nachdem man ihr das Schwert abgenommen hatte. Dort saß ein Mann am Tisch, gebeugt über eine Schriftrolle und eine von Tinte tropfende Feder in der Hand. Offensichtlich war er dabei, etwas zu schreiben.
Der Mann sah auf und Kerry fühlte sich sogleich an Gríma Schlangenzunge erinnert. Zwar war dies offenbar ein Breeländer, doch in seinen Augen sah sie die gleiche Gier nach Macht und dasselbe Böse, das sie auch bei Sarumans Abgesandten im Auenland gesehen hatte. Zwei ähnlich muskulöse Gesellen wie ihr Häscher standen links und rechts von ihm und blickten unheilvoll drein.
"Hätten wohl doch schon gestern das Haus überprüfen sollen," erklärte der Mann, der Kerry erwischt hatte.
"Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, dass man nicht in fremden Häusern übernachtet?" fragte der Statthalter mit einem höhnischen Unterton. "Das war äußerst unhöflich von dir." Seine Stimme schlug um und gewann an Schärfe.
"Heraus mit der Sprache! Wer bist du, was hast du hier verloren und wie lange bist du schon hier?" zischte er.
"Ich verstehe nicht..." antwortete Kerry und versuchte, verängstigter zu klingen als sie wirklich war. "Ich dachte, das Pony steht leer! Ich habe nur übernachtet, sonst nichts, ehrlich! Bitte verschont mich!"
"Wer bist du?" bohrte der Statthalter unbarmherzig nach.
"Dana Weizler," stieß Kerry hervor.
"Die Tochter vom Alten Weizler, vom Scheunenhof?" fragte ihr Gegenüber misstrauisch. "Ich mag vielleicht einige Zeit nicht in der Stadt gewesen sein, aber ich erinnere mich, dass du früher rote Haare hattest."
"Ihr meint sicherlich meine Schwester, Bera," versuchte Kerry zu erklären. Bera Weizler war zwar nicht wirklich ihre Schwester, doch Kerry hatte vor einem Jahr einige Wochen auf dem kleinen Hof nördlich von Bree verbracht und festgestellt, dass ihre Gesichter sich tatsächlich so weit ähnelten, dass man sie für Schwestern halten konnte.
"Von dir hab' ich noch nie gehört," überlegte der Statthalter und legte eine Pause ein, die sich für Kerry unerträglich in die Länge zog.
"Nun, es macht auch keinen Unterschied," sprach der Statthalter schließlich. "Du hast hier nichts verloren! Zur Strafe wirst du hier bis zu meiner Rückkehr schön ordentlich sauber machen. Wenn du das tust, drücke ich noch einmal ein Auge zu. Doch jetzt habe ich keine Zeit mehr für dumme Mädchen wie dich. Es gilt, eine Rede zu halten und die Menschen wachzurütteln!"
Damit richtete er sich auf und verliess den Raum durch die Eingangstür, gefolgt von seinen beiden Leibwächtern. Kerry blieb einen Augenblick ratlos stehen bis ihr der dritte Mann wortlos einen Besen in die Hand drückte.
"Fang an," sagte er und deutete auf den Fußboden, den man beim besten Willen nicht als sauber bezeichnen konnte.
Na wunderbar.

Eine Viertelstunde verbrachte sie damit, zerbrochene Krüge, Essensreste und jede Menge Staub zusammenzufegen. Als der Mann, lässig an den Türrahmen gelehnt, schließlich abschätzig auf den Boden spuckte und ihr demonstrativ bedeutete, weiterzumachen, reichte es ihr.
Na warte. Kerry kam heran, wie um den neuen Fleck aufzuwischen, doch in einer schnellen Bewegung rammte sie dem Diener des Statthalters den hölzernen Besen zwischen die Beine. Überraschung und Schmerz breiteten sich auf dessen Gesicht aus und er ging in die Knie. Kerry holte erneut aus, doch der Besenstiel wurde in der Bewegung gestoppt, bevor er den Mann im Gesicht treffen konnte und prallte an dessen erhobener Hand ab. Er entriss ihr den Besen und versetzte ihr einen schweren Schlag, der sie zurücktaumeln ließ. Pure Wut ließ seinen Kopf rot werden als er sich erhob, und seine Hand packte sie erneut am Hals. Mit einer erschreckenden Leichtigkeit hob er Kerry an und ließ sie mit dem Rücken auf die Oberfläche eines der Tische prallen, die an der Wand standen, ohne dass der Druck um ihren Hals nachließ. Ihre Beine traten wie wild ins Leere und eine Schwärze begann, sich am Rande ihres Sichtfeldes auszubreiten. Verzweifelt schlug sie gegen seine Oberkörper, bekam durch Glück den Griff seines Messers zu fassen, packte zu und - stieß es ihm durch das dünne Hemd in die Brust.

Der Mann taumelte mit verwirrtem Gesichtsausdruck zurück und lockerte den Griff um Kerrys Hals. Keuchend schnappte sie nach Luft und ließ das Messer fallen, blieb völlig entkräftet auf dem Tisch liegen. Ihr Feind war am Boden in sich zusammengesunken, die Hände auf die Wunde über seinem Herzen gepresst. Einige Momente später rührte er sich nicht mehr.
Kerry starrte auf das Blut, das sich rings um ihn herum auszubreiten begann. Sie atmete noch immer schwer, doch nach und nach wurde ihr klar, was gerade geschehen war.
Ich hab' jemanden umgebracht, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe gerade einen Menschen getötet. Durch Zufall oder Glück hatte die Klinge das Herz des Mannes durchbohrt.

Sie stand auf und taumelte wie in Trance nach draußen. Das Sonnenlicht kam ihr ungewöhnlich hell vor und sie kniff die Augen zusammen. Mehrere Minuten lang irrte sie durch die Straßen, doch mehr und mehr Menschen kamen aus ihren Häusern und strebten in dieselbe Richtung. Kerry wurde von ihnen mitgerissen. So kam sie auf den großen Marktplatz Brees, wo sich nun offenbar die meisten Stadtbewohner versammelten. Eine vage Erinnerung an eine Rede, von der der Statthalter gesprochen hatte zog durch ihre Gedanken und tatsächlich konnte sie ihn am anderen Ende des Platzes entdecken, wo ein breites hölzernes Podium errichtet worden war. Offenbar würde die Rede bald beginnen.

"Kerry," wisperte eine helle Stimme an ihrem Ohr und riss sie aus ihrer Trance. Eine ihr unbekannte Frau in einem rotbraunen Kleid nahm sie am Arm und zog sie mehrere Schritte mit sich in den Schatten eines der größeren Häuser, das an den Marktplat grenzte. Es war Haleth.
"...Haleth?" fragte sie verwirrt. "Du siehst so anders aus..." brachte Kerry hervor.
Haleth trug die langen braunen Haare zu einer in Bree üblichen Flechtfrisur gebunden und sah in dem einfachen Kleid überhaupt nicht nach der Dúnadan-Waldläuferin aus, die sie war. Neben ihr tauchte nun auch Rilmir auf, der die Ausrüstung einer der Torwachen samt Schild mit Weißer Hand darauf trug.
"Wo bist du gewesen? Wir haben auf dich gewartet, doch unsere Sorge wurde zu groß," sagte der Waldläufer.
"Der Statthalter..." antwortete Kerry. "Er muss ein wichtiger Diener Sarumans sein. Ich habe seine Leute darüber reden hören, dass er gegen Fornost und den Sternenbund vorgehen wird." Abgelenkt von den Fragen und der Aufregung der Menge rückten die Geschehnisse im Pony in den Hintergrund und Kerry gelang es, sich wieder einigermaßen zu konzentrieren.
"Er wird eine Rede halten. Wir sollten hören, was er zu sagen hat," meinte sie.
"Vermutlich hast du Recht," pflichtete Haleth ihr bei. "Doch bleibt aufmerksam. Wir sind hier nicht sicher."
« Letzte Änderung: 3. Nov 2016, 09:37 von Fine »
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Re: Bree
« Antwort #7 am: 29. Sep 2016, 14:51 »
Aldoc und Girion übernachteten in einer der wenigen noch geöffneten Herbergen, einer heruntergekommenen Kneipe, die zu Zeiten des nun geschlossenen Tänzelnden Ponys vermutlich kaum genug Geld abgeworfen hatte, um den Wirt und seine Familie zu versorgen. Doch nun tummelte sich hier der aus Süden gekommene Abschaum und wurde bedient von schüchternen Breeländer-Mädchen, die manch einen anzüglichen Kommentar über sich ergehen lassen mussten. Um ehrlich zu sein war dieser Ort widerlich, und es dauerte nur wenige Minuten, da bereute es Aldoc bereits, hier ein Zimmer genommen zu haben. Es wäre besser gewesen, draußen auf der Straße zu schlafen.
Aber er hatte schlimmeres überstanden. Ein halbwegs gemütliches Strohbett, eine einigermaßen genießbare Mahlzeit, und gute Gesellschaft in Form seines Begleiters aus Thal – ja, es war wesentlich besser als der Kerker in Dunland. Bei dem Gedanken an seine Zeit dort erschauderte Aldoc unwillkürlich. Wie es Gamling wohl ging? Manchmal stellte er fest, dass er den alten Mann tatsächlich vermisste. Er wünschte, er hätte ihn befreien können, aber es war einfach nicht möglich gewesen. Und was den anderen Menschen anging, Amrothos… bei ihm war sich der Hobbit nicht wirklich sicher, was er denken sollte.
Nun, wie auch immer, bald schon brach ein neuer Tag an in Bree, ohne dass Aldoc wirklich gut geschlafen hatte. Er stand gähnend auf, als die Sonne ihre ersten Strahlen über die Dächer der kleinen Stadt warf, und fluchte innerlich über die kratzige Strohmatratze. Girion war auch bereits wach und sah nachdenklich aus dem Fenster, und obwohl es in diesem Augenblick auf Aldoc irgendwie den Eindruck machte, der Mensch sei die ganze Nacht über dort gesessen und hatte auf Bree hinaus geblickt, zeigte Girion keinerlei Anzeichen von Müdigkeit.
"Gut geschlafen?", fragte ihn der Mensch aus Thal, als er bemerkte, dass Aldoc aufgestanden war.
"Auf einer Skala von Dunland über Hobbingen bis Mithlond? Tharbad, schätze ich. Obwohl ich dort zugegebenermaßen niemals geschlafen habe", antwortete Aldoc in einem vergeblichen Versuch, die gedrückte Atmosphäre ein wenig aufzuheitern.
"Ich habe nicht mehr gut geschlafen seit… Thal." Mehr sagte Girion dazu nicht.

Sie gingen hinunter in den Schankraum, nahmen ein karges Frühstück zu sich und machten sich dann auf den Weg in Richtung des großen Marktplatzes, wo Lutz seine Rede zu halten gedachte. Offenbar hatte die Kunde davon bereits die Runde gemacht unter den Einwohnern der Stadt, da nun bereits einige von ihnen ebenfalls in diese Richtung strebten, hauptsächlich Menschen, aber auch der eine oder andere Hobbit.
"Also, wie sollen wir diese… Aufrührer finden?", fragte Girion schließlich, als sie am Rande des Platzes angelangt waren, an dessen anderen Ende sich ein eilends errichtetes Podest aus Holz befand, vor welchem sich bereits einige Wächter aufgestellt hatten, um die Leute daran zu hindern, es zu betreten. Lutz war allerdings noch nicht zu sehen. Der Mensch aus Thal sah sich mit suchendem Blick um, aber Aldoc schüttelte den Kopf.
"Jetzt wird das wahrscheinlich noch nicht möglich sein. Wir sollten auf den Beginn der Rede warten und dann vor allem den Rand des Platzes im Auge behalten. Jedenfalls werden sich diejenigen, die Lutz nicht zustimmen, vermutlich nicht direkt vorm Podest befinden."
"Ergibt Sinn", stimmte Girion nickend zu. "Und dann?"
"Das hab ich dir doch gestern schon gesagt", entgegnete der junge Hobbit. "Wir werden sie natürlich nicht ausliefern, wenn wir denn welche finden. Aber vielleicht können wir durch sie Kontakt zum Sternenbund knüpfen."
"Wie du meinst." Damit wurde Girion wieder still. Schweigend warteten die beiden Gefährten darauf, dass sich der Platz vollends füllte. Aldoc musste dabei allerdings feststellen, dass er wegen all der Menschen kaum etwas sah. Wie sollte er so diejenigen finden, die Lutz nicht zujubelten? Er sah zu Girion auf und überlegte, ob der es ihm erlauben würde, auf seinen Schultern zu stehen oder zu sitzen. Hm… nein, besser nicht.
Stattdessen drängte sich der Halbling zwischen all den Menschen hindurch bis ganz zum Rand des Platzes, der nur wenige Meter entfernt war, da sie sich nicht sehr weit hineinbegeben hatten, und erspähte den perfekten Ort, um einen Überblick über die Menge zu haben: ein hervorstehendes Fenstersims in etwa drei Metern Höhe bei einem Haus, an dessen Wand einige Kletterpflanzen empor wuchsen. Kurzerhand griff Aldoc nach einem der grünen Stränge und zog probeweise daran, aber diese Ranken schienen relativ widerstandsfähig zu sein. Perfekt!

Keine Minute später saß er auf dem Fenstersims und hoffte darauf, dass es den Bewohner des Hauses nicht stören würde, aber vielleicht befand sich dieser ja ohnehin auf dem Platz oder lauschte der Rede von einem anderen Fenster aus. Hier nun konnte Aldoc jedenfalls endlich den gesamten Marktplatz von Bree überblicken, der inzwischen aus allen Nähten platzte. Einige der neugierigen Breeländer, die wissen wollten, was Lutz zu sagen hatte, mussten sich sogar damit begnügen, von den anliegenden Straßen aus zuzuhören. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern… und da war er auch schon: Lutz Farnrich, Statthalter von Tharbad… oder Bree? Oder jetzt beidem? Wie auch immer, flankiert von mehreren Leibwachen stieg der Mann mit dem fiesen Gesicht soeben auf das Podest hinauf, wo ihn alle sehen konnten.
Dort hob er in einer theatralischen Geste die Hände, woraufhin schlagartig Schweigen auf dem Platz einkehrte. "Meine Freunde! Es freut mich, zu sehen, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid! Die meisten von euch kennen mich, aber ich will mich dennoch noch einmal vorstellen. Mein Name ist Lutz Farnrich."
Er verbeugte sich vor der Menge, ehe er fortfuhr. "Ich habe euch heute hier versammelt, weil ich einige wichtige Worte an euch zu richten habe. Ihr wisst, ich habe Bree für einige Zeit verlassen, denn viele große Dinge geschehen im Osten, Dinge, die uns alle betreffen! Ich habe mein Bestes gegeben, den hohen Herren, die für uns gegen die dunklen Mächte kämpfen, nach bestem Gewissen zu dienen, aber nun wende ich mich an euch, weil ich eure Hilfe brauche. Ihr alle habt bereits das eine oder andere Opfer erbracht, indem ihr daran mitgewirkt habt, unsere Streitkräfte im Osten zu versorgen, und dafür danke ich euch im Namen meines Herrn! Ihr alle tragt dazu bei, unseren Sieg zu sichern, und damit unsere Freiheit! Aber nun ist eine Bedrohung erschienen, die nicht in der weiten Ferne bekämpft werden kann, sondern nur hier, denn es gibt Verräter in unseren Reihen, die in ebendiesem Moment planen, uns zu unterwerfen und dieses Land dem dunklen Herrscher, der unser aller Feind ist, als Geschenk zu überreichen!"
Lügner, fauchte Aldoc innerlich, aber es laut auszusprechen, wäre Selbstmord gewesen, selbst hier oben auf dem Fenstersims, wo ihn vermutlich niemand hören konnte. Aber man konnte nie wissen, wo Leute wie Lutz ihre Ohren hatten, vor allem während eines solchen Ereignisses wie dieser Rede. Aldoc machte sich da keine Illusionen, er und Girion waren bestimmt nicht die einzigen Spione, die Lutz in der Menge versteckt hatte.
"Der Sternenbund, so nennen sich diese Menschen, die uns unserer Freiheit berauben wollen! Und ihr alle kennt diejenigen, die sich unter diesem Namen verstecken, denn es sind die Waldläufer, die uns rechtschaffene Einwohner von Bree schon immer mit Neid und Eifersucht bedacht haben, weil sie einsam durch die Wälder und Sümpfe streifen müssen, während wir warme Häuser und Betten haben. Sie sind so sehr vom Neid zerfressen, dass sie nun einen Pakt mit dem Feind geschlossen haben, um euch, meine Freunde, von hier zu vertreiben, weil sie euch euren Wohlstand nicht gönnen. Ja, nichts anderes ist ihr Ziel, als euch hinaus in die Wildnis zu treiben, um sich selbst hier einzunisten!"
Entrüstetes Gemurmel erhob sich in der Menge. Aldoc biss sich auf die Lippe, um seine Gedanken nicht doch noch laut hinauszuschreien. Das war einfach lächerlich! Die Dúnedain hatten das Auenland und auch das Breeland hunderte Jahre lang vor jedweden Gefahren beschützt. Sie sollten als Helden verehrt werden, stattdessen lenkte Lutz nun den Hass der Breeländer auf sie. Es war einfach nicht gerecht. Aber wann war es das schon jemals?
"Aber kann es uns denn wundern?", fragte Lutz seine sogenannten Freunde aus Bree. "Wir wussten doch schon immer, dass mit diesen zwielichtigen Gestalten etwas nicht stimmt, in ihren dunklen Mäntel und mit ihrer Geheimniskrämerei. Das ist nur die Bestätigung all unserer Befürchtungen! Aber seid unbesorgt, denn unser weiser Herr, der im Osten gegen die dunklen Mächte kämpft, die uns bedrohen, hat in weiser Voraussicht eine Streitmacht entsandt, die Verräter zu vernichten! Dennoch brauchen wir jede Hilfe, die wir bekommen können. Deswegen rufe ich euch auf, ehrliche und gute Bürger von Bree, lasst euch nicht einfach eure Heimat wegnehmen! Kämpft um sie! Greift zu den Waffen und zeigt diesen aufrührerischen Waldläufern, dass Bree nicht ihnen gehört, sondern uns!"
Aldoc konnte nicht mehr länger zuhören. Er lenkte sich ab, indem er nun endlich nach den Leuten Ausschau hielt, die sich von Lutz' Worten nicht mitreißen ließen, aber trotzdem gelang es ihm nicht, die Stimme des wahren Verräters vollständig auszuschließen.
"Die finsteren Mächte, die wir im Osten hartnäckig immer wieder zurückschlagen, wollen uns unserer Freiheit berauben, und nun haben sie einen Weg gefunden, uns hinter den Frontlinien zu bedrohen!", fuhr Lutz nach einer kurzen Pause fort, in der er seine Worte auf die Menge hatte wirken lassen. "Ich habe gesehen, wozu sie fähig sind. Ich bin einer von euch, und deshalb bin ich zurückgekehrt, um euch zu warnen und zu den Waffen zu rufen. Ich verlange nicht, dass ihr in einen Krieg zieht, den wir nicht gewinnen können. Aber ebenso wenig könnt ihr tatenlos zusehen, wie der Sternenbund alles zerstört, was ihr euch in eurem Leben durch harte, ehrliche Arbeit aufgebaut habt! Hier geht es nicht um einen fernen Krieg im Osten, sondern allein um eure Freiheit! Mein Herr wird euch helfen, so sehr er kann, doch letztlich obliegt es allein euch, eure Freiheit zu verteidigen! Deswegen sage ich, folgt mir, und wir ziehen gegen diese verräterischen Waldläufer, für unsere Familien, unsere Heimat und unsere Freiheit!"

Damit war es getan… und die Menge jubelte! Sie priesen Lutz, der gekommen war, ihnen in ihrer Not beizustehen, mit der Macht eines großen, weisen und gütigen Herrn im Rücken, und reckten aufgebracht die Fäuste in die Luft, um die Dúnedain des Sternenbundes zu verfluchen, die ihnen ihre kostbare Freiheit rauben wollten, schlimmer noch, die sie und ihre Familien aus ihrer Heimat vertreiben und elendig in der Wildnis verhungern lassen wollten! Aldoc wurde bei dem alleinigen Gedanken daran, wie sehr Lutz die Wahrheit verdreht hatte, übel. Aber er ignorierte es und ließ den Blick weiter über den Rand der aufgewiegelten Menge schweifen, indes Lutz noch ein paar abschließende Worte an diese richtete. Schließlich verharrten seine Augen auf zwei hochgewachsenen Gestalten, die ein wenig Abseits der übrigen Breeländer an der Mündung in eine der angrenzenden Gassen standen, im Schatten eines der nahen Häuser, und überraschend ruhig wirkten.
Aldoc kniff die Augen zusammen und musterte sie genauer, aber auf diese Distanz vermochte er sie nicht allzu deutlich zu erkennen. Dennoch… etwas an ihnen kam ihm vertraut vor. Er konnte es zuerst nicht benennen, aber dann fiel es ihm auf einmal wie Schuppen von den Augen: Diese Haltung, diese Ausstrahlung! Gelassen, aber nicht nachlässig, geschmeidig, aber bedrohlich, das… waren definitiv keine Breeländer. Ihnen fehlte dieser bodenständige, einfach gestrickte Anschein, stattdessen wirkten sie eher wie… Waldläufer.
Hab ich euch!, rief Aldoc in Gedanken und kletterte so schnell wie möglich wieder von dem Fenstersims hinunter, unter welchem Girion bereits auf ihn wartete. "Und, irgendetwas gefunden, Aldoc? Bei mir sieht's eher schlecht aus."
"Ich glaube, ich habe von da oben zwei Dúnedain gesehen", teilte der Hobbit seinem Begleiter mit und setzte sich sofort in die Richtung in Bewegung, in der er sie erspäht hatte, darauf hoffend, noch rechtzeitig dort anzukommen, bevor sie verschwanden – denn im Verschwinden waren Dúnedain bekanntermaßen talentiert.
"Bist du dir sicher?", fragte Girion jedoch.
"So sicher, wie man sich eben sein kann, wenn man jemanden von einem Fenstersims aus und zudem aus größerer Entfernung erblickt", entgegnete Aldoc ein wenig ungehalten. "Sie wirkten zumindest nicht wie gewöhnliche Breeländer. Hast du einen besseren Anhaltspunkt?"
Das brachte Girion vorerst zum Verstummen. Gemeinsam begaben sie sich zu der Gasse, bei der Aldoc die beiden gesehen hatte, und dort waren sie tatsächlich: Eine Frau und ein Mann, Erstere gehüllt in normale Breeländer-Kleidung, wohingegen Letzterer die Rüstung einer Wache trug. Aber als Aldoc ihre grauen Augen sah, war er sich sicher. Überrascht stellte er fest, dass sich noch ein weiteres Mädchen bei ihnen befand, mit langem, blonden Haar. Sie sah nicht wie eine Dúnadan aus, gehörte aber offenbar dennoch zu den beiden.
Aldoc zögerte nicht lange, sondern ergriff die Initiative und ging zu ihnen.

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

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Fine

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Aldoc und Girion
« Antwort #8 am: 30. Sep 2016, 19:20 »
Je länger die Rede Lutz Farnrichs dauerte, desto wütender wurde Kerry. Rilmir musste sie davon abhalten, zu viel Aufsehen zu erregen in dem sie Dinge wie "Das stimmt doch gar nicht!" oder "Du Lügner!" rief. Sie vergaß bei all der Aufregung mehr und mehr, was am Morgen passiert war; vergaß warum sie hier in Bree war; vergaß Gandalf und die Lage in Fornost. Wichtig waren nur noch Lutz Farnrich und die Lügen, die er den Bewohnern von Bree auftischte. Entsetzt stellte sie fest, dass sie einige der anwesenden Leute sogar kannte, Menschen die ganz normale Leben gehabt hatten und sich nichts anderes als Frieden wünschten - und nun wurden sie für Sarumans Zwecke verdreht. Sie wollte aufspringen, ihr Schwert ergreifen, es Lutz entgegenschleudern - doch ihre Finger griffen ins Leere. Die Waffe war ihr im Pony von den Dienern des Statthalters abgenommen worden, und auch den Dolch, mit dem sie Schläger erstochen hatte war ihr in ihrem wirren Zustand nach der Tat verloren gegangen. So blieb ihr nichts anderes übrig als zornig neben Rilmir und Haleth auf und ab zu gehen, bis ihr ein Hobbit und ein ihn begleitender Mensch auffielen, die zielstrebig auf ihre Gruppe zukamen.
Sind wir etwa entdeckt worden? fragte sie sich noch, doch da waren die Fremden bereits heran.

Als der Hobbit die beiden Dúnedain und Kerry erreichte musterte sie ihn bereits mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen. Die Vermutung, dass sie es wohl hier mit Häschern des Statthalters zu tun hatten stand ihr ins Gesicht geschrieben, und damit lag sie gar nicht einmal so falsch. Der Hobbit setzte ein freundliches Lächeln auf, wie um sie ein wenig zu beschwichtigen, und hob in einer Geste, die anscheinend zeigen sollte, dass er ihnen nichts tun wollte, die Hände. Auch Rilmir und Haleth bemerkten ihn nun und musterten ihn voller Argwohn.
"Ich sehe, Lutz' kleine Rede hat nicht alle Breeländer aufgerüttelt", sagte der Hobbit in einem ernsten, aber nicht bedrohlichen Ton, während er sich mit einem kurzen Blick auf die Umgebung vergewisserte, dass hier keiner von Farnrichs anderen Spitzeln lauerte. Dann fuhr er leiser und dringlicher fort: "Wenn ihr weniger auffallen wollt, solltet ihr vielleicht wenigstens so tun, als seiet ihr begeistert, vor allem Ihr, Wachmann. Ihr seid als Diener des Statthalters verkleidet, also benehmt euch besser auch wie einer, Dúnadan, bevor es noch jemand bemerkt, der euch weniger freundlich gesinnt ist."
"Damit wollt Ihr wohl andeuten, dass Ihr uns im Gegensatz zu anderen Schergen Farnrichs tatsächlich freundlich gesinnt seid?" fragte Rilmir vorsichtig. "Ich wusste nicht, dass inzwischen auch Hobbits in seinen Diensten stehen."

Der Dúnadan musterte den Hobbit von oben bis unten und nickte schließlich. "Nein, wie ein Diener der Weißen Hand seht Ihr nicht wirklich aus. Doch das Auge kann täuschen, und ist Saruman nicht ein Meister der Täuschung? Wenn Ihr gute Absichten habt, beweist es. Nennt Euren Namen (und den Eurers Begleiters), und erklärt, weshalb Ihr uns hier so ansprecht."
Haleth nickte zustimmend, doch Kerry warf ein: "Wenn er wirklich zu dieser Bande gehören würde hätte er doch längst Alarm geschlagen als er euch als Dúnedain erkannt hatte. Nein, ich denke ihm hat diese verlogene Rede genausowenig gefallen wie uns..."
"Das stimmt allerdings", nickte der Hobbit mit düsterem Gesicht und sah zum Podest hinüber, welches Lutz jedoch inzwischen verlassen hatte. Sein Blick wirkte nicht wie der eines loyalen Anhängers des weißen Zauberers. "Diese Rede hat mir kein bisschen gefallen."
Er wandte sich wieder an Rilmir. "Und um eure Fragen zu beantworten, Waldläufer, mein Name ist Aldoc Tuk und das…" Er deutete mit ausgestreckter Hand auf seinen menschlichen Begleiter. "…ist Girion aus Thal. Ich bin ein Freund von Peregrin Tuk und Meriadoc Brandybock, falls euch diese Namen etwas sagen."
"Merry und Pippin!" platzte es aus Kerry heraus. "Du kennst die beiden? Bist du mit Pippin verwandt? Wie geht es den beiden? Ich hoffe, sie sind nicht wieder in Schwierigkeiten geraten?" stürmte sie mit Fragen auf Aldoc ein, bevor Rilmir sie bremste.
"Ich bin Rilmir von den Dúnedain, und dies sind Haleth und Kerry," stellte er die Gruppe vor. "Wir sind tatsächlich Bekannte Meriadocs und Peregrins und haben ihnen bei der Befreiung Hobbingens geholfen bevor wir mit Mithrandir weiter nach Norden zogen. Doch sagt, was macht ein Hobbit aus gutem Hause in dieser inzwischen so wenig einladenden Stadt?"
"Wir sind eigentlich nur auf der Durchreise", eröffnete Aldoc ihnen. "Unser Ziel ist Fornost, aber… nun ja…"
"Lutz Farnrich ist uns dazwischengekommen", ergänzte der Mensch, den der Halbling als Girion vorgestellt hatte. "Er ist gewissermaßen ein alter Bekannter."
"Ja, das kann man so sagen", nickte Aldoc zustimmend. "Er wollte, dass wir diejenigen aufspüren, die von seiner Rede weniger begeistert sind, und das haben wir schlussendlich auch getan. Wir hatten eigentlich vor, nach den jüngsten Kämpfen im Auenland dem Sternenbund und dem grauen Pilger nach Fornost zu folgen und dort zu helfen, wenn wir können." Nun sah er auf einmal Kerry direkt an. "Merry und Pippin geht es übrigens gut, Kerry – das war doch dein Name, oder? Die beiden sind munter wie eh und je."

Kerry trug ein breites Lächeln im Gesicht als sie auf Aldocs Frage zur Antwort nickte. Merry und Pippin geht es gut! Was bin ich froh.
"Sie wollen nach Fornost! Wir nehmen sie am besten mit und zeigen ihnen dort alles. Dann trefft ihr auch Gandalf. Das wird so schön!" Sie hielt einen Augenblick inne und blickte zu den Dúnedain.
"Wir nehmen sie doch mit, oder?" fragte sie.
Rilmir und Haleth schwiegen einen langen Moment und tauschten einen vielsagenden Blick. Schließlich ergriff Haleth das Wort.
"Ja, wir werden euch nach Fornost zum Sternenbund bringen - unter einer Vorraussetzung. Ihr beiden werdet uns alles darüber erzählen, was ihr über Farnrich und seine Machenschaften wisst. Wenn ihr tatsächlich "alte Bekannte" seid, habt ihr bestimmt einige nützliche Informationen - je mehr, desto besser. Was hat er vor? Will er nun wirklich mit den Breeländern gegen uns vorgehen?"
Kerry spitzte die Ohren. Die Freude über Merry und Pippins Wohlergehen war noch immer präsent, doch was jetzt kommen würde versprach ebenfalls sehr interessant zu werden...
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Re: Bree
« Antwort #9 am: 5. Okt 2016, 12:27 »
Rilmir scheint uns noch immer nicht ganz zu vertrauen, ging es Aldoc durch den Kopf, aber er verübelte es dem Waldläufer nicht, im Gegenteil, er verstand es sogar. Von einem fremden Hobbit und einem fremden Menschen angesprochen zu werden, kurz nachdem man eine aufhetzende Rede gegen die Dúnedain des Sternenbundes – die eigenen Leute – gehört hatte, und dann auch noch zu erfahren, dass diese beiden Fremden denjenigen kannten, der diese Rede gehalten hatte, waren nicht gerade Gründe, ihnen zu vertrauen. Aber er schien vernünftig zu sein, sodass er zumindest bereit war, Aldoc und Girion anzuhören – und der Hobbit-Abenteurer hatte nicht das geringste Problem damit, alles Wissen mit Rilmir zu teilen, das er über Lutz Farnrich besaß, auch wenn es letztlich gar nicht so viel war. Er war jedenfalls froh, hier jemanden getroffen zu haben, der ihn offenbar direkt zum Sternenbund bringen konnte.
Auf die Fragen des Dúnadan hin konnte er jedoch zunächst nur mit den Schultern zucken. "Was sein Vorhaben angeht, wissen wir glaube ich nicht viel mehr als ihr. Ja, er will die Breeländer gegen den Sternenbund einsetzen, und ich glaube, dass auch der Teil mit der Streitmacht in seiner Rede nicht gelogen war. Als wir gestern im Tänzelnden Pony mit ihm sprachen, meinte er, dass die verräterischen Dúnedain bald komplett ausgelöscht werden würden."
"Bis vor Kurzem hat er noch in Tharbad residiert", fügte Girion hinzu. "Dass er jetzt hier in Bree auftaucht und schamlos gegen euch Waldläufer hetzt, muss bedeuten, dass etwas Großes im Gange ist."
Aldoc nickte seufzend. "Nun, was auch immer es ist, das er plant, wir sollten den Sternenbund warnen, oder nicht? Ich wäre sehr froh, wenn ihr uns tatsächlich nach Fornost mitnehmen würdet, wie Kerry es vorgeschlagen hat. Aber vielleicht sollten wir uns nicht mitten auf der Straße über all diese Dinge unterhalten. Kennt ihr vielleicht einen Ort, wo wir weniger anfällig gegen Lauscher sind?"
Der Dúnadan blickte Aldoc nachdenklich an ohne direkt zu antworten. Schließlich sagte er: "Nun, ich denke es wäre wirklich besser, etwas außer Sicht zu gehen. Allzu lange sollten wir uns dennoch nicht mehr in Bree aufhalten - die Gelegenheit ist gerade günstig, die Stadt ungesehen zu verlassen da Farnrichs Rede den Ameisenhaufen kräftig umgerührt hat. Dieses Durcheinander wird vielleicht noch ein, zwei Stunden anhalten, aber nicht nicht länger."
"Die Taverne am Nordtor," warf das Mädchen - Kerry - ein. "Dort war niemand als ich gestern daran vorbeigekommen bin. Ich schätze, sie steht schon seit einiger Zeit leer."
"Guter Vorschlag, Kerry," sagte Rilmir. "Gehen wir."

Sie machten sich auf den Weg. Kerry, die sich in Bree recht gut auszukennen schien, ging voran und führte sie durch kleinere, leere Gassen bis zu einem unscheinbaren Haus im nördlichen Teil der Stadt. Der Eingang war mit Brettern zugenagelt, doch die Hintertür war nur angelehnt und ließ sich mit etwas Kraftaufwand öffnen. Drinnen war es staubig, aber verlassen.
"Also dann, Herr Tuk," sagte Haleth, die zweite Dúnadan. "Hier sind wir ungestört. Ihr scheint mir ein aufrechter Geselle zu sein. Wie kommt es, dass Ihr Merry und Pippin nicht dabei helft, die Ordnung im Auenland wiederherzustellen?"
"Wir haben geholfen", entgegnete Aldoc. "Bis vor ein paar Tagen. Aber die Lage im Auenland ist vorerst stabil. Ich nehme an, ihr habt noch nichts von den jüngsten Ereignissen im Auenland gehört? Die Strolche haben eine Zeit lang den Vorratsstollen von Michelbinge besetzt und einige Gefangene bedroht, aber Girion und ich haben dabei geholfen, sie von dort zu vertreiben."
"Ein paar dieser Rüpel müssten sich allerdings noch an der Sarnfurt herumtreiben", ergriff Girion das Wort, der mit verschränkten Armen an der Wand des einstigen Schankraumes der nun verlassenen Taverne lehnte. "Aber das sollte kein großes Problem für diese kleinen Kerlchen darstellen. Sie sind tapfer und stärker, als man es ihnen bei ihrer Größte zutrauen würde, vor allem Peregrin und Meriadoc."
Aldoc bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. "Seit wann sprichst du in so hohen Tönen von uns Hobbits? Oder haben dich Merry und Pippin etwa heimlich zu einer Runde Pfeife rauchen eingeladen? Gehörst du jetzt zu ihrer eingeschworenen Gemeinschaft?"
"Warum, du etwa nicht?", konterte der Mensch aus Thal grinsend.
Hüstelnd wandte sich Aldoc wieder an die Dúnedain und Kerry, Girion ignorierend. "Nun, jedenfalls wollte ich anderweitig behilflich sein, deshalb habe ich das Auenland in Pippins und Merrys Obhut gelassen, um Gandalf nach Fornost zu folgen. Aber was ist mit euch? Wir haben eure Fragen beantwortet, jetzt seid ihr an der Reihe. Ihr gehört zum Sternenbund, wenn ich das richtig verstanden habe, aber was verschlägt euch nach Bree?"

Rilmir und Haleth wechselten einen Blick und schwiegen.
"Kommt schon, was ist denn mit euch los?" rief Kerry. "Die beiden sind in Ordnung. Also wenn ihr weiter so geheimniskrämerisch bleiben wollt werde ich es eben erzählen." Und sie stürzte sich in einen hastig erzählten Bericht von allerlei Aktivitäten des Sternenbunds im Norden, von Gefechten am Abendrotsee und in Fornost und der Befreiung der Stadt von Sarumans Schergen.
"Und deswegen sind wir nun hier," schloss das Mädchen. "Wir haben eine Bande von Halunken verfolgt, die aus Fornost abgehauen sind als sie festgestellt haben, dass ihr Schiff am Sinken ist."
Kerry erntete einen missbilligenden Blick von Rilmir, doch dann blickte der Dúnadan zu Aldoc und Girion hinüber und sagte: "Die Anzeichen verdichten sich, dass Saruman irgend eine Gemeinheit für uns vorbereitet. Wir wussten alle, dass es Folgen haben würde, wenn wir uns offen zeigen, doch die Befreiung des Auenlandes ließ sich anders nicht bewerkstelligen. Ich fürchte, Farnrich wird die armen Menschen Brees für einen Angriff auf Fornost einsetzen, auch wenn in seiner Rede noch kein Ziel genannt wurde."
"Umso mehr ein Grund, vor ihnen dort anzukommen, damit wir uns auf den Angriff vorbereiten können." Aldoc musste nicht lange darüber nachdenken, was als nächstes zu tun war, er hatte ohnehin von Anfang an vorgehabt, nach Fornost zu gehen. Nur dass es sich nun zu beeilen galt. "Ich hoffe nur, dass wirklich nur Fornost betroffen ist und nicht auch wieder das Auenland. Es ist zwar jetzt frei, aber ich denke nicht, dass die wenigen Truppen des Thains einem richtigen Heer lange standhalten könnten."
"Ich denke, wir sollten uns eher sorgen darüber machen, dass wir so schnell wie möglich hier wegkommen", meinte Girion jedoch, wobei er verstohlen zwischen zwei Brettern bei einem der zugenagelten Fenster hindurch spähte. "Lutz wollte uns nach der Rede sprechen. Er ist uns gegenüber auch so schon misstrauisch genug, und inzwischen muss er gemerkt haben, dass wir nicht kommen. Wenn wir uns nicht beeilen, wird er uns vielleicht einige Wachen auf den Hals hetzen oder die Tore verriegeln lassen oder schlimmeres."
Daran hatte Aldoc gar nicht mehr gedacht! Er war so vertieft darin gewesen, das Vertrauen der Dúnedain zu gewinnen und etwaige Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen, dass er vollkommen vergessen hatte, dass er und Girion ja eigentlich vom Statthalter erwartet wurden. Der Mensch aus Thal hatte recht, Eile war geboten, ehe Lutz bemerkte, dass sie ihm nicht Bericht erstatten würden.
"Es gibt zwar immer noch einiges, worüber ich gerne mit euch sprechen würde, aber ich schätze, das muss warten." Aldoc warf den neuen "Freunden" einen ernsten Blick zu. "Jetzt sollten wir erst einmal Bree verlassen. Auf dem Weg nach Fornost werden wir noch genug Zeit für interessante Gespräche haben."


Aldoc, Girion, Rilmir, Haleth und Kerry nach Fornost


Verlinkung ergänzt
« Letzte Änderung: 16. Jan 2019, 21:01 von Fine »

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Re: Bree
« Antwort #10 am: 16. Jan 2019, 18:04 »
Elea aus Moria

Einige Tage wanderten Sie durch ein ganzes System von Höhlen um schließlich das Nebelgebirge über eine kleine, kaum sichtbare Höhle zu verlassen, die nach Westen zeigte. Tränen lagen in den Augen Elea's. Und obwohl ihre Begleiter sich nichts anmerken ließen, wusste sie, dass es ihnen ähnlich ging.  Ihre Augen konnten sich an dem Grün, dem Blau, dem Gelb und Orange kaum sattsehen. Es war überwältigend.
Grashalm für Grashalm bewunderte sie, jeden Ton den ein Vogel zwitscherte genoss sie, jeden Sonnenstrahl auf ihrer Haut nahm sie in sich auf. Diese Momente waren endlos und so spürte sie kaum ihre schmerzenden Beine oder ihren Durst, noch bemerkte sie, dass das Ziel ihrer Reise bereits vor ihnen war.

Elea musste keine Sekunde überlegen um den Ort zu erkennen der vor ihren Füßen lag. Die sanfte Hügellandschaft, das öde Land umringt von alten Wäldern. Rauch stieg auf über den Dächern der Stadt Bree. Lange war es her, dass Elea dort war um Handel mit den Menschen zu treiben. Sie liebe es am Markt die neuesten Stoffe aus dem Süden zu erwerben. Sie erinnerte sich noch gut an den azurblauen Mantel den sie Haldar genäht hatte für die große Ratsversammlung bevor er nach Süden aufbrach.

Die Stadt hatte sich kaum verändert. Es war ihr noch nie geheuer, denn obwohl die Bewohner immer den Umständen entsprechend nett zu ihr waren, so hatte diese Stadt stets etwas Zwielichtiges an sich etwas dem man von Natur aus nicht traute. An den Toren musste Finjas lediglich vorweisen, dass er der weißen Hand diente und ihm wurde der Zutritt gewährt. Ohne Umschweife ritt er die Hauptstraße entlang und hielt vor einem Haus über dem das Schild "Gasthaus zum Eisfuchs" hing. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Trotzdem öffnete ein alter, hagerer Mann die Tür:
"Guten Abend mein Herr", sagte er unterwürfig "Baltur, zu euren Diensten."
Ohne ihn merklich zu beachten ging Finjas an dem alten Wirten vorbei. Elea folgte ihm unaufgefordert.
"Du kennst die Abmachung?", frage der Dunadan den Wirten.
"Kost gegen Logis sagte man mir"
Finjas nickte zustimmend: "Sie bekommt auch ein Zimmer, irgendwo unten neben der Küche. Sie wird dir in Zukunft helfen."
Er packte Elea am Oberarm und schob sie in Richtung des Wirten. Eilig führte er sie in eine kleine Kammer ohne Fenster. Am Ende des Raumes stand ein einfaches Bett, ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel und an der Wand waren Haken befestigt um die Kleidung aufzuhängen.

Dieses Bett bot zwar nur eine Strohmatratze, aber im Vergleich zu den Minen Morias fühlte sich das weich und leicht wie eine Wolke an. Viele Gedanken hielten Elea diese Nacht wach. Würde sie hier wohl auf alte Freunde und Bekannte treffen? Seit Jahren war sie ihrer Heimat nicht mehr so nahe. Irgendwann schlief sie schließlich ein.

In der folgenden Zeit konnte sich Elea kaum ein Bild über die Stadt machen. Baltur teilte sie fleißig zur Arbeit ein, da er selbst nicht mehr der kräftigste war. Sie musste die Wäsche waschen, kochen, die zahlreichen Zimmer putzen obwohl gar keine Gäste da waren, alte Kleidung flicken und Waren vom Markt holen. Dies waren die einzigen Stunden die sie außerhalb des Gasthofes verbrachte. Sie bemerkte, dass die Stimmung in der Stadt sehr angespannt war. Das Misstrauen war sehr groß, kaum einer schaute sie an, kaum einer schaute überhaupt jemanden an. Jeder kochte lediglich sein eigenes Süppchen und mischte sich in keinerlei andere Angelegenheiten ein.
Hie und da kam es in der Stadt zu einem Zwischenfall. Oft wegen Hausdurchsuchungen. Das waren die Tage an denen Finjas besonders mürrisch zurück kam. Elea wusste, dass sie ihn dann nicht ansprechen durfte. Es war schon einmal vorgekommen, dass er ihr vor lauter Wut mit der Hand ins Gesicht schlug. Daher zog sie sich dann am allerliebsten in ihre Stube zurück.

So trist diese Situation auch schien, hatte sie doch große Verbesserung mit sich gebracht. Elea konnte wieder besser schlafen und sie merkte bald, dass sie aufgrund des ausreichenden Essens wieder mehr Fleisch auf den Rippen hatte. Sie konnte sich wieder regelmäßig waschen und so war auch ihr Spiegelbild, dessen sie sich schon lange schämte, wieder akzeptabel geworden. 54 Jahre war sie mittlerweile doch durch das Blut der Dúnedain schien sie wesentlich jünger zu sein. Bald schon war sie wesentlich schneller bei der Arbeit und es fiel ihr alles viel leichter als vormals.
An einem kühlen Vormittag war Elea gerade damit fertig geworden die verderblichen Waren im Keller zu verstauen. Bevor sie sich daran machte das Essen zu kochen ging sie in den ersten Stock um die Betten neu zu beziehen. Eilig ging sie in Finjas Zimmer, da dieser vormittags immer unterwegs war. Umso mehr erschrak sie als dieser im Raum stand. Er war nackt und von ihr weggedreht. Aus lauter Verlegenheit senkte sie ihren Blick zu Boden und bat höflich um Entschuldigung. Erst dann bemerkte sie, dass seine Kleidung neben ihm auf dem Boden lag und blutig war. Finjas beachtete die Dunadan kaum und tat ungeachtet weiter. Es entfuhr ihm ein Zischlaut, der Elea entgegen ihrer Verlegenheit neugierig machte.
Mit einem nassen Tuch reinigte sich der Mann eine Stichwunde links an seiner seitlichen Hüfte. Als er bemerkte, dass sie noch immer da war drehte er seinen Kopf zu ihr und pfauchte sie an: "Was klotzt du denn so? Hier nimm das Gewand und wasche es gefälligst." Mit dem Fuß gab er den Fetzen am Boden einen Tritt in ihre Richtung. Eilig griff sie danach und floh aus dem Zimmer.
Sie wusste nicht genau was es war, ob der Schreck, die harschen Worte oder der giftige Blick die sie so trafen, aber plötzlich als sie das Gewand in kaltes Wasser legte schossen ihr die Tränen in die Augen.

Reiß dich zusammen Elea

Die Tränen unterdrückend ging sie zum Herd, nahm aus dem großen Kessel einen Schöpflöffel voll heißem Wasser und tat es in eine saubere Schüssel. Sie fügte ein paar getrocknete Kamillenblüten hinzu und lies diese kurz einwirken. Obwohl sich so einiges in ihr sträubte, ging sie treppauf, zurück in das Zimmer.
"Was willst du hier?", pfauchte er sie gleich wieder an "Gibt es schon zu essen?"
Sie schüttelte den Kopf, zaghaft und mit hauchdünner Stimme sagte sie: "Legt euch auf das Bett bitte."
Die Verwunderung in seinen Augen war kaum zu übersehen und Elea hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren würde. Seine linke Hand war zu einer Faust geformt und sein Gesicht war verzerrt vor Schmerz. Für einen Moment hatte sie Angst, dass er sie mit einer Tracht Prügel aus dem Zimmer jagen würde, aber dann ging er langsam zum Bett und setzte sich hin. Zielstrebig ging sie zu ihm und kniete sich neben ihm nieder.
"Bitte legt euch hin, sonst kann ich die Wunde nicht reinigen"
Er folgte ihrem vorsichtig formulierten Befehl. Die Wunde wurde nicht von einem Schwert zugefügt, sondern irgendetwas anderem. Die Ränder waren zerfetzt. Behutsam strich sie mit dem in lauwarmen Kamillenwasser getränkten Tuch über die blutende Wunde. Seine Muskeln spannten sich vor Schmerz an.
"Was ist das für ein Zeug?" fragte er zweifelnd.
"Sauberes Wasser mit Kamille. Meine Freundin Brianna hat mir dies gezeigt. Sie ist oder war Kräuterkundige in den Häusern der Heilung", antwortete Elea.
"Du willst mich sicherlich vergiften, damit du mich los bist und von hier abhauen kannst."
In ihrem unterwürfigen Blick sah er einen Hauch von Vorwurf.
"Ich kann ohnehin nirgends hin. Was ich einst kannte gibt es nicht mehr."

Sie wickelte Finjas einen Verband um die Hüfte. "Die Wunde muss mehrmals täglich gereinigt und neu verbunden werden, sonst eitert sie und euer Körper vergiftet sich selbst. Bleibt vorerst liegen, ich bringe euch Essen ans Bett."
Ohne Widerspruch ließ der Dunadan die Behandlung über sich ergehen und bleib einige Tage im Bett. Sie pflegte ihn mit größter Sorgfalt.

Während dieser Zeit kamen immer wieder Männer der Stadt zu Finjas. Sie berichteten ihm über die neusten Ereignisse und verbreiteten seine Botschaften unter den Männern Sarumans. Einer davon war Hildur. Ein stattlicher Mann, gut eineinhalb Kopf Größer als Elea. Er hatte einen säuberlich geschnittenen, dunklen Bart, dunkelbraune Augen und kurzes braunes Haar. Sein Umhang wurde von einer blauen, sternförmigen Fibel zusammengehalten so wie die Waldläufer sie damals auch trugen. Es war mutig von ihm diese hier so offen zu zeigen oder vielleicht sogar mit Absicht provokant.
„Guten Tag Erelieva“, begrüßte er sie in einem höflichen Tonfall „Es ist lange her, dass wir uns zuletzt sahen.“
Elea war es gar nicht mehr gewohnt so respektvoll behandelt zu werden, aber Hildur war immer schon ein sehr guter Freund gewesen. Noch bevor sie den Bund mit Haldar einging, war Hildur einer ihrer größten Bewunderer.
Lediglich ein „Hallo“ stieß es ihr heraus als sie ihn sah. Vertrauensvoll griff er nach ihren rauen Händen und hielt sie für ein paar Sekunden fest, so als wäre in all den Jahren nichts geschehen und alles beim Alten. Es löste ein Gefühl der Geborgenheit in ihr aus, sodass sie sofort in seine Arme fallen wollte. Danach verschwand er in Finjas Zimmer für eine ganze Weile. Sie aber setzte sich auf eine Bank in der Gaststube und begann ihre Gefühle zu sortieren. Am liebsten wäre sie auf der Stelle mit Hildur mitgegangen. Fest nahm sie sich vor ihn darum zu bitten, wenn er die Stiegen herunterkommen würde, doch letztlich traute sie sich nicht und redete sich noch ein Finjas pflegen zu müssen.
„Ich habe Finjas mit Nachdruck gebeten, dich künftig angemessen zu behandeln. Immerhin bist du die Mutter unseres Oberhauptes“, sagte er lächelnd zu ihr. Elea konnte dem allen kaum Glauben schenken. Was geschah hier? Sie hätte gedacht, dass ihr im Leben kein Glück mehr wiederfahren würde. Von Dankbarkeit überkommen stürzte sie nun doch noch in seine Arme: „Vielen Dank. Ich habe schon befürchtet, dass niemand mehr so ist wie ich ihn einst kannte“, ihre Stimme war wackelig „Aber du hast mir eben das Gegenteil bewiesen. Ich danke dir.“

Noch an diesem Tag brachte Baltur alle Sachen von Elea in ein Zimmer im ersten Stock. Darin waren ein kleiner Schrank, ein bequemes Bett, ein Schreibtisch mit Lampe, ein Waschtisch, ein Fenster und ein Regal voller alter Bücher. Behutsam strich sie über die Lederrücken der Bücher und überflog die Titel: Fram der Drachenkrieger, das Pfeifenkraut der Halblinge, ein elbisches Gesangsbuch, Die Schlacht von Grünfeld und noch etliche mehr befanden sich in dem Regal.
Von diesem Tag an schien sich einiges zu verändern. Elea musste nicht mehr im Haushalt helfen, allerdings tat sie viele Dinge gerne noch freiwillig. Sie hatte zum ersten Mal die Gelegenheit auch hinaus zu gehen und die Stadt zu erkunden. Es war keineswegs ein erfreuliches Abenteuer, da die Menschen alle misslaunig, schroff und abweisend waren. Sie erfuhr, dass den Flüchtlingen aus Süden die Tore versperrt wurden und die Anhänger Sarumans jeglichen Widerstand sofort im Keim erstickten. Es gab öffentliche Gerichtsverfahren und Hinrichtungen um die Leute zu verschrecken. All das hatte Elea bereits erlebt in ihrer Zeit in Minas Tirith.
1. Char Elea ist in Bree  -  2. Char Caelîf ist in Palisor

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Re: Bree
« Antwort #11 am: 18. Jan 2019, 10:32 »
Elea war eines morgens auf dem Weg zum Markt, da die ohnehin sehr spärliche Auswahl da noch am größten war. Auf dem Weg zurück zum Gasthaus fiel ihr ein kleines Mädchen auf, dass weinend am Straßenrand saß.
„Was ist denn los meine Kleine?“, fragte Elea sie aufmerksam.
Misstrauisch schaute das Mädchen auf: „Heute Nacht hat man mich auf die Straße gejagt“, antwortete sie schniefend.
„Wer? Wer hat dich rausgeschmissen?“
„Der Mann bei dem wir… ähm ich… gewohnt habe.“
„Und wieso hat er dich raugeschmissen?“
„Ich hatte solchen Hunger und habe mir ein Brot aus der Küche geholt“, entgegnete die Kleine.
„Du hast nicht danach gefragt, stimmts?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Komm mit mir, ich werde dir heute etwas Gutes auftischen.“

Kaum waren sie im Gasthaus angekommen, hat die Kleine jede Scheu abgelegt. Sie erzählte, dass ihr Name Rabea sei und dass sie ursprünglich aus Rohan komme. Sie hatte ihre Eltern im Krieg verloren und war mit einer ganzen Schar von Flüchtlingen nach Eriador gekommen. Als man sie bei Bree abwies, hat sie sich ein kleines kaum sichtbares Loch im Heckenwall gesucht und ist durchgeschlüpft. Seitdem ist sie von Almosen der Menschen abhängig.
Fröhlich über diesen Glücksgriff den Rabea gemacht hatte, half sie sofort überall mit. Beim Kochen, beim Vorräte holen und vielem mehr. Immer wieder stopfte sie sich beim Kochen bereits die rohen Zutaten in den Mund und lachte dabei schelmisch.
Elea selbst bemerke, dass ihr das Kochen mit der Kleinen sehr viel Freude bereitete. Es war bereits dämmrig als Finjas zur Tür hereinkam. Es war erst der dritte Tag nach seiner Bettruhe und er konnte zwar wieder gehen, verzog aber bei jeder Bewegung des Oberkörpers das Gesicht.

Kaum hatte er begriffen, dass Elea nicht alleine war lief sein Gesicht rot an: „Wer ist diese Göre?“, schrie er sie an.
„Ich habe sie auf der Straße aufgelesen. Sie ist eine Waise und hat Hunger“, verteidigte sie Elea.
„Wir sind hier aber kein Waisenhaus und keine Herberge! Ich kenne diese Kleine. Gemeinsam mit ein paar anderen Rotznasen bestehlen sie regelmäßig die Leute. Lumpenpack!“, bedrohlich schaute er die kleine Rabea an „Von hier aus geht es geradewegs in den Kerker!“
Von Panik erfasst versuchte das Mädchen zu flüchten, aber Elea hielt sie zurück.
„Sie stiehlt nicht, ich habe sie eingeladen“, unterstrich die Dunadan.
Finjas versuchte die Kleine am Arm zu packen aber Elea drückte ihn von sich und der Kleinen weg. Plötzlich griff er mit aller Gewalt Elea’s Oberarme und drückte sie gegen die Wand. Mit seinem ganzen Körpergewicht drückte er sie zur Wand. Ein Schmerz hämmerte durch den Körper der Frau, ihren Kopf dreht sie schützend zur Seite. Sie spürte seinen warmen, schnaubenden Atem auf ihrer Schläfe.
„Du widersprichst mir nicht!“, befahl er ihr in leisem aber festen Tonfall.
Starr vor Angst versuchte sie zu nicken.
„Gut so! Schick sie sofort weg!“, sagte er, lies langsam von ihr ab und setzte sich an den Tisch.
Zittrig vor Angst ging sie zurück in die Küche. Rabea hatte sich in eine Ecke gekauert. Sie wickelte ein paar Brotstücke in ein Tuch, schob es dem Mädchen unter ihren Mantel und schickte sie schleunigst weg. Ihre Hände zitterten noch immer als sie den Teller zu Finjas brachte.
Ohne weitere Worte aß er auf. Elea verschwand sofort in ihr Zimmer und vergrub sich unter der Bettdecke. Diesmal hatte sie sich offensichtlich zu weit hinausgelehnt.

In dieser Nacht war es das erste Mal, dass Finjas ihr Zimmer betrat und seinen Trieben nachgab. Ungefragt legte er sich mit seinem nackten Körper auf Elea und befriedigte seine Lust. Elea wusste, dass schreien keinen Sinn hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie vermochte kaum zu atmen. In dieser Nacht tat sie kein Auge zu und auch nicht in der nächsten. Aber zu einem weiteren Mal kam es nicht.

Ab diesem Zeitpunkt versuchte Elea Finjas so oft es ging aus dem Weg zu gehen. Sie verbrachte viel Zeit auf den Straßen von Bree. Sie sprach dort mit niemanden außer mit der kleinen Rabea wenn sie sie zufällig traf. Aber mit der Zeit wurden es sehr regelmäßige Treffen. Eines Tages hockte sie mit dem kleinen Mädchen unter einem Vordach nahe dem Markt.
„Erelieva!“, rief ihr Hildur an diesem verregneten, trüben Tag zu „Was machst du denn hier heraußen bei diesem miesen Wetter?“
„Ich… ich bin ein bisschen spazieren gegangen und hab mich hier mit der Kleinen getroffen“, antwortete sie flüchtig. Rabea begrüßte ihn.
„Aber ihr zittert ja und deine Hände, sie sind eiskalt. Wieso seid ihr nicht drinnen?“
„Finjas hat es nicht gerne wenn ich Besuch mitbringe“, antwortete sie und log dabei nicht einmal.
„Aber das ist ja lächerlich. Kommt mit, ich rede mit ihm.“
„Nein Hildur, bitte nicht. Das ist nicht notwendig“, entgegnete Elea schleunigst, aber der Mann ließ sich nicht abbringen. Gemeinsam gingen sie zum Gasthaus und Hildur klopfte an die Tür.
„Finjas mein Freund!“, begrüßte er ihn „Hast du eine nahrhafte Suppe und einen Krug Bier, ich habe wichtiges mit dir zu besprechen.“
Finjas zuckte mit den Schultern und warf einen Blick in die leere Gaststube.
„Deine Köchin und ihre Gehilfin habe ich mitgebracht, falls du sie suchst“, sagte Hildur und trat lächelnd einen Schritt zur Seite.
Finjas Mimik blieb unverändert, aber nur weil er seinen Zorn unterdrückte.
Elea verfiel innerlich in Panik, wollte sich die Blöße allerdings nicht geben und schob Rabea vor sich in die Gaststube. Die Frau ging von ihrer schlimmsten Befürchtung aus, daher beschloss sie wenigstens die paar Stunden des Glücks mit dem Mädchen zu genießen. Fröhlich und mit einem Lachen im Gesicht, kochten sie für die beiden Herren. Nur zugut erinnerte sie sich an die Zeit mit dem kleinen Helluin.

Nachdem sie Hildur und Finjas bewirtet hatten, setzten sie sich an einen Tisch abseits und aßen selbst eine große Schüssel der Suppe. Es war ein Genuss dem kleinen Mädchen zuzuschauen wie es die Suppe hinunterschlang als hätte sie nie etwas Besseres gegessen. Auf einmal kam Hildur zum Tisch der beiden und verabschiedete sich höflich von ihnen. Er bedankte sich für die ausgezeichnete Suppe. Anschließend gingen die beiden Männer zur Tür.
„Hör mir zu Rabea, wenn Finjas kommt werde ich ihn für einen Moment ablenken und dann kannst du schnell aus der Tür laufen. Versteck dich gut vor ihm“, wies sie das Mädchen an die nur zustimmend nickte. Als Finjas die Tür schloss und um die Ecke zum Tisch der beiden kam, schmiss sich Elea ihm entgegen und versuchte ihn festzuhalten. Das kleine Mädchen huschte von der Bank direkt zwischen seinen Beinen und der Wand vorbei zur verschlossenen Tür.
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Re: Bree
« Antwort #12 am: 21. Jan 2019, 19:31 »
Zu Elea’s Erstaunen wehrte sich der Mann kein bisschen. Wie angewurzelt blieb er stehen, die Überraschung war ihm kaum anzusehen: „Die Kleine“, sagte er mürrisch „Sie kann vorübergehend bleiben.“
Ihren Ohren kaum trauend schaute sie Finjas an und schickte sofort ein Dankgebet zugunsten Hildur’s an die Valar.

In dieser Nacht ließ Elea die kleine Rabea bei sich im Bett einschlafen. Geborgen in ihren Armen und in einem weichen Bett fand das Mädchen sofort in einen tiefen und ruhigen Schlaf. Stunden starrte Elea auf das zarte Gesicht in ihren Armen, dass im blassen Mondlicht aussah wie zerbrechliches Porzellan. Ach wie gerne würde sie den kleinen Helluin jetzt in ihren Armen halten. Geborgen und beschützt vor dieser rauen Welt da draußen. Und kaum dachte sie daran, hörte sie die schweren Schritte Finjas die Treppen hinaufsteigen. Augenblicklich spannte sich ihr ganzer Körper an und ihr Herz begann wild zu schlagen.
Erst als sie hörte wie eine Türe ins Schloss fiel beruhigte sie sich langsam. Aus irgendeinem Grund fühlte sie auch Dankbarkeit gegenüber Finjas. Vielleicht war es die Angst, dass er in ihr Zimmer kommt oder es war diese Dankbarkeit, die Elea aufstehen lies und langsam zur Tür schleichen. Sie öffnete sie einen Spaltbreit und starrte zu der gegenüberliegenden Tür zu seinem Zimmer. Sie zwängte sich durch den Spalt. Am Gang angelangt, atmete sie tief ein und lies die Luft mit einem leisen Seufzen wieder heraus. Sie fasste allen Mut und all ihre Kraft zusammen, öffnete leise die Tür zu seinem Zimmer. Sie lies ihre Nachthemd zu Boden gleiten und verschwand unter seiner Decke.

Die kommende Zeit verlief sehr friedlich. Rabea brachte noch zwei weitere Kinder zu Elea die keine Unterkunft hatten. Die beiden Jungen hießen Madal und Aldred. Zweiterer hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit Helluin in seiner Kindheit. Dies stimmte Elea zumeist sehr glücklich, zeitweise aber auch sehr traurig. Aber alles in allem genoss sie die Anwesenheit der Kinder und beschäftigte sich unentwegt mit ihnen. Abends las sie ihnen immer die Heldengeschichten aus den Büchern vor, sodass sie sogar von ihren Vorfahren erfuhren ehe sie Rohan besiedelten.
Trotz dessen, dass sie mehr Mäuler zu stopfen hatten, bekamen sie nicht mehr Lebensmittel. Hin und wieder ging Finjas jagen und brachte einen Hasen oder Fasan mit. Er behauptete zwar stets, dass er selbst wieder etwas Vernünftiges am Teller haben wollte, aber Elea vermutete auch andere Beweggründe.
Womit Elea gar nicht gerechnet hatte, war ein Kompliment einer fremden Frau, dass ihr eines Tages am Markt gemacht wurde. Sie bewunderte sie, dass sie in diesen schweren Zeiten einfach fremde Kinder aufnahm und sich um sie kümmerte als wären es ihre eigenen. Erst ab diesem Zeitpunkt fiel ihr auf, dass ihr so manche Frau und seltener ein Mann freundlich zunickte, wenn sie sie auf der Straße begegneten.

In den kommenden Wochen kam es immer wieder dazu, dass fremde Menschen das Gespräch mit Elea suchten und dieser Schleier des Zwielichtigen begann sich langsam zu senken. Ja manchmal verspürte sie sogar ein wenig Vertrauen in diesen Ort und ihre Bewohner. Die Dunadan wusste, dass diese Entwicklung nicht unbemerkt an Finjas vorbeiging und oft ertappte sie ihn, wie er sie argwöhnisch und misstrauisch musterte. Doch Elea versuchte ihm zu jeder Zeit das Gefühl zu geben, dass er keinen Grund zur Sorge gab. Manchmal, wenn er gut gelaunt war und zusätzlich etwas Fleisch mitbrachte, gab sie ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange, was er natürlich mit einem Murren abtat.

Es war an einem kalten Abend kurz nachdem die Dämmerung eingesetzt hat, als plötzlich die Tür der Gaststube aufstieß und der eisige Wind hereinwehte. Ein leichter Nieselregen kam aus den Wolken und kalter Dunst lag auf den Straßen. Elea war in der Küche als sie von dem Knall aufschreckte den die Tür beim Aufprall an die Wand von sich gab. Sie konnte niemanden sehen und ging zur Eingangstür um sie wieder zu schließen. Da erblickte sie plötzlich die kleine Rabea auf dem Boden. Sie zog an einer scheinbar leblosen Hand eines Jungen.

„Oh du meine Güte“, murmelte sie im Schock zu sich selbst und lief sofort zu der Kleinen.
„Rabea, was machst du da? Was ist geschehen? Wer ist das“, stießen ihr die Fragen wie ein Wasserfall heraus.
„Ich, ich“, die Kleine stotterte „Ich habe ihn am Straßenrand gefunden. Er… Ich glaube er wurde verprügelt.“
Elea sah die zahlreichen blutigen Wunden am Rücken des Jungen. Sachte drehte sie ihn zur Seite. Sein Gesicht war angeschwollen und von Blutergüssen übersäht: „Der arme Junge wurde nicht nur verprügelt.“
Von Angst erfüllt wollte Elea am liebsten Rabea bei der Hand nehmen und die Türe schließen. Sie wusste, dass dieser Junge von Sarumans Männern gefoltert wurde und zum Sterben auf die Straße geworfen wurde. Ihn aufzunehmen würde das Leben der Kinder und ihr eigenes gefährden.
„Bitte“, flehte Rabea „Bitte, Mama Elea.“ Ihre Augen waren Tränen unterlaufen.
„Kennst du ihn?“, frage Elea.
Das kleine Mädchen nickte beschämt.

Zusammen schafften sie es mit Müh und Not den Jungen in die kleine Kammer hinter der Küche zu bringen in der Elea zu Anfang geschlafen hatte. Sie legten ihn auf das Bett. Eilig holte Elea heißes Wasser, saubere Tücher und Kräuter. Sie zogen ihm die Kleider aus und gemeinsam begannen sie damit die Wunden zu reinigen. Zum Glück war der Verletzte bewusstlos, ansonsten hätte er vor Schmerzen gebrüllt.

Nachdem sie ihn so gut es ging verbunden haben, blieb Rabea bei seinem Bett sitzen.
„Ihr müsst ganz leise sein. Versprich es mir. Finjas darf nicht wissen, dass er da ist. Ich weiß nicht was er dann tun würde“, sagte sie zu dem Mädchen und versuchte gar nicht erst ihre Besorgnis zu verbergen.

Zitternd vor Angst lag Elea in ihrem Bett. Jeder noch so kleine Laut im Haus ließ sie zusammenzucken.
Sie legte ihre Hand auf ihr Herz und begann kaum hörbar zu flüstern: "Hohe Sternenkönigin, ich bitte euch, lindere den Schmerz des jungen Mannes damit er unbemerkt bleibt und uns nichts geschieht. Ich flehe dich an..."
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Re: Bree
« Antwort #13 am: 25. Jan 2019, 20:03 »
Die Nacht verlief ruhig bis plötzlich jemand leise aber schwungvoll die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Ein Schauer gefolgt von einem unaufhaltsamen Krampf breite sich über ihren Körper aus. Sie spürte kalte Hände die sie hilfesuchend umschlangen.
"Er ist tot", schluchzte Rabea unkontrolliert laut.
Mit Tränen in den Augen nahm sie das Mädchen, dass in diesem Moment noch kleiner und unschuldiger wirkte, in den Arm. Sie versuchte sie zu trösten, doch die Tränen flossen endlos aus ihr heraus. Lange noch streichelte sie ihm über den Rücken ehe es vor Erschöpfung einschlief.

Am nächsten Morgen wurde Elea unsanft vom Getrampel im Stiegenhaus geweckt. Sie konnte gerade so ihre Gedanken ordnen ehe die Tür gewaltsam aufgestoßen wurde und im ersten Anflug von Vernunft warf sich die Dunadan Finjas entgegen.
"Es ist meine Schuld!", schrie sie flehend "Ich habe den Jungen auf der Straße gefunden und hereingebracht"
Rabea wurde aus ihrem Schlaf gerissen und versteckte sich sofort hinter der Stirnseite des Bettes.

Finjas Adern an den Schläfen pulsierten heftig: "Du verdammtes Weib!", brüllte er sie an packte sie grob am Arm und schliff sie die Stiegen hinunter. Elea konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er zog sie in das Zimmer und warf sie gegen die Bettkante, sodass sie mit ihrem Oberkörper und Gesicht auf dem leblosen Körper landete, die Knie aber am Boden aufschlugen und aufsprangen.
"Denkst du jemals nach was du da machst?", schrie er und die Verzweiflung war ihm anzuhören. "Weißt du eigentlich, wen du uns da ins Haus gebracht hast?"
Elea krümmte sich vor Schmerz.
"Sag schon du idiotisches Weibsbild! Weißt du es?"
Zaghaft schüttelte sie den Kopf.
"Das ist Hildamar, Hildur's Sohn", sagte er etwas leiser um sicherzugehen, dass ihn niemand hörte.
"Sie, sie", Finjas musste aus lauter Verzweiflung stottern, "sie werden uns für Verbündete Fornosts halten, wenn wir die Leiche von Hildur's Sohn hier haben. Sie werden denken wir haben ihn zu Tode gefoltert."
Elea schluchzte: "Ich.. ich... Wir wussten nicht wer er war. Er lag bereits so verwundet auf der Straße."
"Ich wusste, dass ich mit dir nur Ärger haben werde. Dafür stehe ich nicht gerade, dafür werde ich nicht hängen... Baltur ist mein Zeuge!", sagte der Mann bestimmt und schrie seinem Gehilfen der ohnehin unmittelbar vor der Türe stand mit einem Ausdruck der Genugtuung im Gesicht.
"Baltur!"
"Ja mein Herr", antwortete er ohne Zögern.
"Geh und hole Herrn Hildur hierher, sofort"
"Natürlich, mein Herr!"

Es dauerte keine halbe Stunde bis Hildur das Gasthaus betrat. Elea's Wahrnehmung war verschwommen. Sie hörte nur Wortfetzen von dem was gesprochen wurde und sah nur schemenhaft was passierte. Sie war es nun - ganz alleine - die einem Vater die Nachricht über den Tod seines Sohnes überbrachte. In ihrem Magen formte sich ein großer schwerer Klumpen, die Schmerzen verdrängte sie. Unbewusst fiel sie in einen trostlosen Tagtraum in dem Helluin hier leblos am Bett lag. Rücksichtslos stieß sie alle beiseite und stürzte sich auf die Leiche ihres Sohnes. Tränen benetzten ihr ganzes Gesicht, Schreie stießen aus ihrem Mund bis kein Ton mehr kam. Ihr Herz zersprang in tausend Stücke... Erst durch das laute Geräusch eines fest aufsetzenden Schuhs wurde sie aus dieser albtraumhaften Illusion gerissen. Ihr Blick schärfte sich wieder und sie sah Hildur in der Tür der Kammer stehen. "Hildur..." brachte sie lediglich heraus, doch die übrigen Worte steckten in ihrer Kehle fest. Sein Gesicht war festgefroren. Wortlos drehte er sich um und ging.

Weinend und hoffnungslos schleppte sich Elea wieder die Treppe hoch. Niemand hinderte sie daran, da jeder ratlos war was nun passieren würde. Sie legte sich in ihr Bett und kauerte sich zusammen. Verloren starrte sie in die Leere. Die beiden Buben versuchten sie vergeblich zurück ins Leben zu holen indem sie sich neben sie legten, ihr ins Ohr flüsterten oder sogar lachend im Bett herum hüpften. Nur Rabea ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken.

Die Dämmerung war längst hereingebrochen als auf einmal Hildur die Tür zu Elea's Schlafzimmer öffnete. Er griff um ihren erschöpften Körper und richtete sie auf. Danach setzte er sich neben sie auf das Bett und lehnte sie an sich.
"Elea, du wunderbares Wesen", sprach er sie sanft an.
Sie rührte sich kaum.
"Was Finjas getan hat war keineswegs richtig, aber du musst verstehen warum er so gehandelt hat. Es war die pure Verzweiflung die ihn zu so einem groben Umgang gezwungen hat", versuchte er seinen Untergebenen zu verteidigen "In diesen Tagen ist der Zweifel und das Misstrauen in die anderen Menschen groß. Es ist nur natürlich, dass er Angst bekommen hat."
Elea blicke nun zu Hildur auf und verharrt einen Moment in seinen Augen: "Was mit mir geschieht ist mir egal. Dein Sohn... ich konnte ihm nicht helfen. Meine Angst vor Finjas war so groß; ich habe nur das nötigste getan." Beschämt blickte sie nach unten.
"Nein, nein. Du hast getan was du konntest. Hildamar ist bereits vor ein paar Wochen verschwunden. Wahrscheinlich hat der Sternenbund ihn entführt und gefoltert. Mein armer Sohn, er wusste von gar nichts", antwortete Hildur. Seine Stimme war gedämpft.
"Es tut mir so leid für dich", sagte sie mitfühlend.

Erst eine Woche später traute sich Elea wieder aus ihrem Bett. Baltur übernahm alle Arbeiten im Haus. Die Kinder ließ er links liegen, aber lange bevor sie hierher kamen lernten sie schon wie sie zu ihrem Essen kamen. Rabea blieb weiterhin verschollen. Die Dunadan wagte es nicht Finjas anzuschauen. Sie ging ihm wieder stets aus dem Weg und wenn sie ihm zufällig doch über den Weg lief, starrte sie schweigend auf den Boden. Eines Tages als Elea in die Küche ging um sich ein Frühstück zu machen, erblickte sie auf der Anrichte den Stern der Dunedain. Jenes wertvolle Erbstück, dass ihr ihr Großvater am Sterbebett überreicht hatte. Elea glaubte es verloren zu haben in der Zeit wo sie an der Grenze des Düsterwaldes nach Helluin gesucht hatte.
Ungläubig griff sie nach dem Schmuckstück. Der saphirblaue Edelstein eingefasst von einem silberglänzenden Stern war unverändert schön. Augenblicklich legte sie ihn an, dabei stellte sich die Frage woher er nun kam...

  Hatte Hildur den Stern als Dankeschön hier gelassen? Aber woher sollte er ihn haben? Oder hat ihn gar Finjas in Moria oder vorher an sich genommen. Aber warum gibt er ihn mir jetzt? Ist das seine Art sich zu entschuldigen? Oh nein, nicht so… garantiert nicht so. Er gibt mir mein Eigentum zurück und glaubt ich nehme seine Entschuldigung an.

Vor lauter Wut beschloss die Dunadan das Haus zu verlassen um nach Rabea zu suchen oder sonst wohinzugehen. Just in diesem Moment fiel ihr ein wo sie nach der Kleinen suchen konnte.
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Re: Bree
« Antwort #14 am: 27. Jan 2019, 19:52 »
Am Markt erkundigte sie sich bei einer ihr bekannten Händlerin wo die Toten hier bestattet werden und wurde von der Frau angewiesen die Straße nach Archet zu nehmen. Nach knapp einer Stunde Fußweg würde sie einen seltsam geformten Grabhügel erreichen. Dieser wurde erst vor knapp einem halben Jahr errichtet sagte die Händlerin dazu.

Ein kalter Schauer lief Elea über den Rücken, als sie diesen riesigen Grabhügel sah. Der Eingang stand offen und war so groß, dass Menschen ohne sich zu bücken reingehen konnten. Dies war sehr ungewöhnlich, da diese Orte nur geöffnet wurden um die Asche der Toten beizusetzen und dies war sehr selten der Fall - zumindest in Friedenszeiten. Voll Ehrfurcht betrat sie den hallenartigen Raum unter dem begrünten Dach. Die Wände waren nicht wie gewöhnlich aus Stein, sondern lediglich aus geglätteter Erde und wurden gestützt von dicken Holzbalken. An der hinteren Wand standen im Schein der Kerzen zahlreiche Urnen aus Holz. Sorgsam las Elea die Namen der Toten die feinsäuberlich in die Gefäße geschnitzt wurden bis sie die eine Gesuchte fand: Hildamar, Hildursohn - Erbe Numenors, ergebener Diener Arnors

"Es ist schon eigenartig", erklang plötzlich eine Frauenstimme aus dem Hintergrund. Elea erschrak und drehte sich um. Unter der Kapuze eines grünen Mantels fixierten graue Augen Elea's Gesicht.
"Wer bist du?", fragte sie und spürte dabei ihr Herz rasen.
"Ich bin Fíriel", gab sie zur Antwort "Und du bist Erelieva stimmts?"
"Woher wisst ihr das?"
"Man hört Gerüchte von dir in der Stadt. Elea, die Bamherzige. So nennen dich die Menschen am Markt. In manch einer Gutenachtgeschichte ist dein Name bereits eine Legende, aber bei uns - die die deinen Namen schon länger kennen - wir wissen wer du bist und was du getan hast."
"Was ich getan habe?", frage Elea verwundert.
"Dein Sohn, er hat uns alle verraten und verkauft und nun ist auch klar warum. Du bist sicher bei ihm gesessen und hast ihm den Verrat eingeflüstert", fauchte die Fremde sie nun an „Bist du hier um dein Werk zu betrachten oder nur um auf Nummer sicher zu gehen?“

Elea war wie gelähmt als sie diese Worte hörte, aber dann entfachte die Wut in ihr:
"Dass du hier stehst und mich eine Verräterin schimpfst!" fauchte Elea zurück und zeigte mit dem Finger auf die Urne von Hildamar "Warst du es nicht, die diesen armen Jungen gefoltert hat bis er nicht mehr auf seinen Beinen stehen konnte um ihn dann zum Sterben auf die Straße zu werfen? Du? Warst du es?"
Bei den folgenden Worten kämpfte Elea bereits mit den Tränen: "Dann warst auch du es, die die Seele meiner kleinen Ziehtochter zerbrochen hat als er in ihren Armen starb und die, die mir diese Wunden zufügte!"
Dabei zeigte sie ihr die Blutergüsse am Handgelenk und Schürfwunden an den Armen.
"und jetzt ist Rabea weg und ich hoffte doch so sie hier zu finden. Aber du, du bist schuld..."

Weinend sackte Elea auf die Knie: "Hast du sie gesehen? Die kalten eisblauen Augen? Die Augen die früher so viel Hoffnung, Zuversicht und Freude ausstrahlten?"
Fragend schaute sie in die grauen Augen der fremden Frau die bereits glasig waren. Sie gab allerdings keine Antwort.
"Du weißt nicht wie es ist in die kalten herzlosen Augen seines eigenen Kindes zu sehen, dass vorgibt dich nicht mehr zu kennen und dass seine Liebe in einen Kerker gesperrt hat tief unten in die dunkelsten Verliese der Welt, dorthin wo selbst die Zeit keinen Weg mehr findet. Ohne zu zögern würde ich mein Leben geben, wenn es meinen Helluin zurückbringen würde."

Das Wimmern Eleas hallte durch dieses Grabmal.

Die fremde Frau ging ein paar Schritte an Elea vorbei. Sie legte zwei ihrer Finger auf ihre Stirn, dann auf ihren Mund und schließlich auf ihr Herz. Dabei wisperte sie ein paar Worte zu sich selbst und legte die Finger sodann auf die Urne von Hildamar. Nach ihrem Gebet sprach sie wieder laut und deutlich:
"Hildamar war unser Verbündeter, ja unser Freund sogar. Nicht wir haben den armen Jungen so zugerichtet, sondern Sarumans Männer. Sein Vater hat entdeckt, dass er sich dem Sternenbund angeschlossen hat. Als ihn Hildur zu seinen Folterknechten brachte hatte er bereits aufklaffende Wunden am ganzen Körper. Wir wissen nicht wie lange er ihn zuhause verprügelt hat, aber er lebte noch als er in den Kerker gebracht wurde. Da siehst du was Saruman aus unseren ehemaligen Freunden gemacht hat. Ich wette er hat seinem Sohn nicht einmal eine Träne nachgeweint. Elender Verräter!"

Nein. Unmöglich. Ein Vater könnte das niemals seinem Kind antun. Sie ist eine Lügnerin! Hildur konnte unmöglich so grausam sein. Aber er hat tatsächlich keine einzige Träne vergossen. Er ist nach so kurzer Zeit schon wieder zu mir gekommen um mich zu trösten. Kann das wirklich wahr sein?

"Es ist schon eigenartig... Die Menschen versprechen uns eine glorreiche Zukunft, Reichtum und eine Ära in deren Vergleich alle vergangenen Königreiche wie ein Abglanz wirken und wir lassen uns ködern und werden zu Verrätern. Aber letztendlich landen wir alle, egal wo und für wen wir kämpfen, in so einem kleinen Krug und werden von den Überlebenden gerühmt oder auch verachtet", die Fremde pausierte ihren Monolog für einen Moment um nachzudenken "Manchmal wünschte ich mir in einer anderen Zeit geboren zu sein, aber darauf habe ich keinen Einfluss. Sehr wohl aber auf den Weg den ich einschlage."

Sie streichelte Elea über den Kopf und das Gesicht zum Kinn und drückte sanft ihren Kopf nach oben: "Der wunderschöne Stern den du hier trägst ist das Symbol unserer Vorfahren und unserer ganzen Familie. Wir sollten alles daran setzen wieder Eine Familie zu werden."
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