Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Thal

Vor der Stadtmauer

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Eandril:
Oronêl vom Erebor

Oronêls Weg führte ihn einmal quer durch die Stadt Thal hindurch, wo die Menschen unter König Bards Führung damit beschäftigt waren, die Ordnung wiederherzustellen. Offenbar hatten einige derjenigen, die in Sarumans Heer in die Stadt zurückgekehrt waren, totgeglaubte Verwandte unter denen gefunden, die die Herrschaft Khâmuls und der Ostlinge überstanden hatten. Und rasend schnell verbreitete sich die Neuigkeit, dass König Bard selbst wie durch ein Wunder seine Frau und seinen jüngeren Sohn in einem Versteck an der westlichen Stadtmauer wiedergefunden hatte.
Als Oronêl aus dem südlichen Tor hinaus auf die Ebene trat, war die Nacht bereits angebrochen. Er folgte langsam der Straße ein wenig nach Süden, und es erschien ihm seltsam, dass nicht ganz einen Tag zuvor hier noch die Schlacht gewütet hatte. Natürlich lagen noch immer die Leichen der Gefallenen - zumeist Orks und Ostlinge, denn die Elben hatten ihre Gefallenen bereits in Ehren fortgeschafft - und verlorene Waffen auf dem Schlachtfeld, doch hier, ein gutes Stück vom Tor des Erebor entfernt, herrschte beinahe Stille. Die Geräusche der Belagerung waren ein fernes Echo aus dem Norden, und hier blinkte sogar der ein oder andere Stern durch kleine Lücken in der Wolkendecke hindurch. Oronêl fand den Stein wieder, auf dem er, Finelleth und Mírwen vor gar nicht so langer Zeit die Schlacht überblickt hatten, lehnte sich mit dem Rücken an seine bemooste Oberfläche, und blickte nach Süden. Der Celduin zog sich als helles Band durch die Nacht, und Oronêls Augen folgten dem Fluss nach Südwesten bis zu der Stelle, wo der Fluss dem südlichen Ende des Erebors, dem Rabenberg, nahe kam. Er blickte hinauf auf den Gipfel des Rabenbergs, und als er seine Augen ein wenig anstrengte, erkannte er den alten zwergischen Wachtturm, der dort stand, und glaubte auch einige kleine Gestalten in grauen Mänteln zu sehen. Doch vielleicht war es auch nur eine Einbildung, weil er wusste, dass die Dúnedain - und Kerry - sich dort oben befinden musste.
So erleichtert Oronêl auch war, dass Kerry sich durch Sarumans Befehle fern der Schlacht befand, ein wenig verwunderlich war es, dass Saruman diese Position von den Dúnedain hatte besetzen lassen. Natürlich waren die Waldläufer geübte Späher und Kundschafter, doch ihre Augen waren naturgemäß bei weitem nicht so scharf die die der Elben. Warum also hatte Saruman eine solche Stellung nicht von einigen Elben besetzen lassen? Die Antwort darauf war so einfach, dass Oronêl beinahe über sich selbst gelacht hatte. Saruman vertraute den Elben nicht, also behielt er sie in seiner Nähe, wo sie wenig Schaden anrichten konnten. Und Helluins Dúnedain wurden geschont, während die Elben in der Schlacht unvermeidlich Verluste erleiden würden.
Oronêl seufzte. Es wurde Zeit, diesen Ort zu verlassen - nach der Schlacht, gleich, wie Thranduil handeln würde. Seine Gedanken wanderten nach Süden, über den Celduin und den Düsterwald hinaus zum Anduin, zum Weißen Gebirge noch weiter, nach Dol Amroth am großen westlichen Meer. In den Monaten seit er Gondor verlassen hatte war vieles geschehen, und er fragte sich, wie es inzwischen dort aussah. War der Krieg  mit Mordor, der zwischenzeitlich zu einem Stillstand gekommen war, inzwischen erneut ausgebrochen? Hatten Mithrellas, Amrothos und Irwyne Dol Amroth erreicht, und waren sie dort ebenso sehr in Sicherheit wie in Lindon? Vermutlich nicht, doch Oronêl konnte es keinem von ihnen verdenken, dass sie lieber in Dol Amroth sein wollten als in Lindon auf Nachrichten aus der Welt zu warten.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er hinter sich das Geräusch leiser Schritte hörte, und Mírwen sich neben ihm an den Felsen lehnte. "Woran denkst du?", fragte sie, und Oronêl antwortete leise: "Wohin ich gehen werde, wenn diese Schlacht vorüber ist. Ich werde nicht hierbleiben können."
"Ich verstehe", meinte Mírwen ebenso leise. "Und wohin wirst du gehen?"
"Nach Dol Amroth, glaube ich. Dort sind einige Freunde von mir, und meine Tochter wird inzwischen ebenfalls dort sein."
"Ich würde dich gerne begleiten", sagte Mírwen, und schloss ein wenig zaghaft ihre Hand um seine. "Ich würde auch gerne deine Tochter kennenlernen - in Lindon habe ich sie zwar kurz gesehen, aber nie wirklich mit ihr gesprochen."
"Es wäre mir eine Ehre", erwiderte Oronêl mit einem Lächeln, und diesmal war er es, der sie küsste. Dieses Mal war ihm egal, dass die Stimme in seinem Hinterkopf ihm sagte, dass es falsch war, und dass er es aus den falschen Gründen tat. Mírwen hatte an seiner Seite gekämpft, für ihn gekämpft, obwohl sie es nicht hätte tun müssen. Ihr Vater war in der Schlacht gestorben, in die Oronêl ihn geführt hatte, und trotzdem liebte sie ihn aus irgendeinem Grund - und Oronêl fühlte sich schuldig, ihr so viel Glück zu geben, wie er konnte.
Er unterbrach den Kuss, als er von Südwesten schwach das Geräusch vieler Füße in metallenen Stiefeln, die auf Stein trafen, hörte. "Was ist?", fragte Mírwen leise, und Oronêl hob die Hand und deutete nach Südwesten, wo die Straße zwischen Celduin und Rabenberg verlief. "Hörst du das?"
Einen Augenblick lauschten sie schweigend, bis Mírwen nickte. "Da marschiert jemand von Süden heran."
"Allerdings." Oronêl löste seine Hand sanft aus ihrer, und kletterte mit einer raschen Bewegung auf den Felsen hinauf. Mírwen folgte ihm, und gemeinsam blickten sie angestrengt nach Süden. Auf der Straße, jetzt bereits ein kleines Stück nördlich der Biegung, die der Celduin auf Höhe des Rabenbergs machte, marschierte ein großer Trupp dunkler Gestalten heran. Zuvor hatte Oronêl sie nicht sehen können, weil das Land südlich des Rabenbergs hügelig war, und die Straße sich ein wenig westlich des Flusses zwischen den Hügeln entlang schlängelte. "Verstärkung für den Feind?", vermutete Mírwen, doch Oronêl schüttelte unsicher den Kopf. "Es sind zu wenige, um Saruman ernsthaft gefährden zu können. Und außerdem glaube ich, dass sie das Zeichen der Weißen Hand führen."
"Dann könnte es die Besatzung sein, die Saruman in Esgaroth zurückgelassen hat. Aber warum sollten sie die Stadt verlassen und hierher kommen?"
"Vielleicht hat Saruman sie gerufen, um den Erebor mit voller Kraft zu stürmen...", meinte Oronêl langsam. "Das würde erklären, warum die Wachen auf dem Rabenberg keinen Alarm schlagen. Sie wüssten sicherlich Bescheid. Es sei denn..." Er zögerte, den Gedanken zu Ende zu führen. "Es sei denn, irgendjemand dort oben spielt ein doppeltes Spiel, und verhindert, dass Saruman gewarnt wird." Was das für Kerry bedeuten mochte, wenn er Recht hatte, wollte Oronêl sich nicht ausmalen. "Lauf zurück", sagte er zu Mírwen. "Und warne Thranduil und König Bard. Sie sollen möglichst unauffällig eine Verteidigungslinie im Süden von Thal errichten. Falls dort oben tatsächlich ein Verräter ist, und dort aus dem Süden Feinde kommen, dürfen sie nicht bemerken, dass wir gewarnt sind."
Mírwen sprang sofort vom Felsen herab, stoppte aber kurz und fragte: "Und was ist mit Saruman?" Oronêl zögerte einen Augenblick, antwortete dann aber: "Er würde dir nicht zuhören, sondern uns selbst für Verräter halten, die ihn ablenken wollen. Wenn es Feinde sind, werden wir uns hoffentlich lange genug halten können, dass Saruman reagieren kann." Mírwen nickte, und eilte dann in die Dunkelheit in Richtung Thal davon.
Oronêl beobachtete die nahenden Truppen weiterhin, und mit jeder Minute die verstrich konnte er sie besser erkennen. Er war sich jetzt sicher, dass es Orks mit dem Zeichen der Weißen Hand waren, und trotzdem verließ er seinen Beobachtungsposten nicht. Als die Neuankömmlinge etwa die Hälfte der Strecke zwischen dem Rabenberg und Thal zurückgelegt hatten, bemerkte er eine weitere Bewegung auf Höhe des Rabenberges, und diesmal war er sicher, dass dort Feinde kamen. Ganz gleich ob der erste Trupp wirklich die Nachhut aus Esgaroth war oder nicht, mehr Truppen hatte Saruman nicht im Süden, und von dort kam eine starke Streitmacht in ihre Richtung marschiert. Sein Blick wanderte den Berghang hinauf zur Spitze des Rabenberges, um zu sehen, ob die Dúnedain bereits alarmiert waren - doch im gleichen Augenblick flammte dort oben eine Feuerkugel auf, und in ihrem kurzen Lichtschein war Oronêl sich sicher, miteinander kämpfende Gestalten zu sehen. Seine Hand packte unwillkürlich den Axtgriff, doch gleichzeitig war ihm klar, dass er nichts tun könnte. Bis er den Wachtturm auf dem Rabenberg erreichte würde der Kampf schon vorüber sein, und außerdem würde er den heranmarschierenden Feinden genau in die Arme laufen. Stattdessen sprang er vom Felsen hinab und rannte so schnell er konnte in Richtung Norden davon, um Bard und Thranduil zu warnen, dass tatsächlich Feinde von Süden nahten. Ihm war egal, ob Saruman und seine Orks in der Schlacht untergingen, doch mit ihnen würden auch alle Menschen und Elben, die dem Zauberer zum Erebor gefolgt waren, sterben. Und das durfte nicht geschehen, ganz gleich zu welchem Preis.

Eandril:
Oronêl streckte einen weiteren Ostling in mit falschem Gold beschlagener Rüstung nieder, indem er ihm die Axt in die Lücke zwischen Schulter und Halsberge trieb, und zog sich dann einen Schritt aus dem Kampf zurück. Sein verlassener Platz wurde sofort von einem anderen Elbenkrieger eingenommen, der sich zuvor ein wenig ausgeruht hatte - nur durch diese Taktik des Wechselns war des den Elben möglich, dem Ansturm von Süden überhaupt standzuhalten, und dennoch barg jeder Positionswechsel die Gefahr, dass die Feinde durch die kurzzeitig entstandene Lücke brachen. Oronêl wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn, und eilte dann über das niedergetrampelte Gras zu der Stelle, wo er Thranduil inmitten der verwundeten und sich kurz erholenden Elbenkrieger entdeckt hatte. Der König selbst hatte sich nicht weniger geschont als seine Krieger. Seine prachtvolle Rüstung sah inzwischen ziemlich mitgenommen aus, und Thranduil selbst blutete aus mehreren kleinen Wunden und Schrammen.
"Ewig können wir so nicht standhalten", sagte Oronêl, und Thranduil schüttelte den Kopf. "Nein, können wir nicht. Ich habe bereits Boten zur Nordseite der Stadt entsandt, die Verstärkung holen sollen, aber sie sind nicht zurückgekehrt. Ich fürchte, ihnen könnte etwas zugestoßen sein."
"Sie sind tot", erklang Celebithiels Stimme. Sie kam in ihrer silbernen Rüstung von Norden angeschritten, und ihre geschwungenen Schwerter waren vom Blut ihrer Feinde rot und schwarz gefärbt. Sie selbst hatte eine tiefe Schramme quer über der Stirn vorzuweisen, schien aber ansonsten unverletzt zu sein. "Khâmul hat einen Ausfall aus dem Erebor unternommen, der kräftiger war als erwartet. Er hat Sarumans Orks nach Südwesten abgedrängt, und einen Keil zwischen ihn und uns getrieben."
"Das sind überaus schlechte Neuigkeiten", erwiderte Thranduil mit ernster Miene. Sein Blick schweifte über das Schlachtfeld, als wollte er die Lage abschätzen - und diese war nach Oronêls Meinung alles andere als gut.
Die Elben hatten die Vorhut des Feindes, die sich mit den Rüstungen und Bannern der Garnison in Esgaroth getarnt hatte, etwas weniger als eine halbe Meile südwestlich der Stadtmauern von Thal abgefangen. Der Angriff war weitaus weniger überraschend erfolgt als von den Feinden geplant, denn zu Oronêls Erleichterung hatte sich auch Thranduil seine Vorsicht bewahrt und war wachsam geblieben. Die Vorhut an sich, selbst von der heftigen Gegenwehr überrascht, war kein großes Problem gewesen, doch als das Hauptheer aus Ostlingen eintraf, begann es anders auszusehen. Die Stadt Thal an sich bildete bereits ein hervorragendes Hindernis, dass Sarumans Hauptheer am Fuß des Erebor den Rücken deckte, doch zwischen Thal und der Südostflanke des Berges lag ein breites Stück Ebene, über dass die Neuankömmlinge Saruman ungehindert in den Rücken fallen konnten. Die Elben waren viel zu wenige, um die gesamte Lücke blockieren zu können, doch indem sie ein Stück westlich der Stadt ihre Stellungen errichtet hatten, waren die Feinde gezwungen, zunächst sie anzugreifen, bevor sie weiter nach Norden vorrücken konnten. Bislang war diese Taktik gut aufgegangen, doch inzwischen widerstanden sie dem Ansturm nur noch mit großer Mühe. Oronêl selbst spürte, wie allmählich jeder Muskel in seinem Körper zu schmerzen begann - kein Wunder, inzwischen befand er sich seit über einem Tag die meiste Zeit im Kampf. Den meisten Elben ging es nicht anders, und so würden sie ohne Verstärkung nicht mehr viel länger aushalten können.
"Wir haben keine andere Wahl, als trotzdem auszuhalten", erklärte Thranduil schließlich. "Wir könnten uns nach Thal zurückziehen", schlug Oronêl vor. "Hinter den Stadtmauern - beschädigt wie sie sind - dürfte es uns leichter fallen, standzuhalten."
"Nein", widersprach Thranduil mit einer Stimme, die keinen weiteren Widerspruch zuließ. "Ziehen wir uns nach Thal zurück, brechen sie endgültig durch und kesseln Sarumans Truppen ein. Fliehen wir nach Westen über den Rabenberg, geschieht das ebenfalls, nur lassen wir überdies die Menschen in der Stadt im Stich - und das werde ich nicht ein zweites Mal tun. Wir haben keine Wahl, wir müssen standhalten bis Verstärkung kommt."
Obwohl Oronêl anderer Meinung war, konnte er nicht umhin der Entschlossenheit des Königs Respekt zu zollen, und so nickte er nur.

Die Schlacht zog sich hin, und die Flut der Feinde wollte kein Ende nehmen. Schon lange hatte Oronêl keine Gelegenheit mehr gehabt, sich auszuruhen, denn mit jedem vergangenen Augenblick schienen die Ostlinge entschlossener, dass kleine Heer der Elben, das ihnen den Weg nach Norden noch immer verwehrte, zu vernichten. Er hatte keine Ahnung, ob König Bard Thal noch immer hielt, wie die Lage bei Saruman am Fuß des Berges war, oder ob die Dúnedain auf dem Rabenberg noch die Stellung hielten. Seine Welt war auf das Geschehen unmittelbar um ihn herum geschrumpft, auf die Krieger die neben ihm kämpften und auf die Feinde, die immer wieder gegen ihre Stellungen anrannten, über die Leichen ihrer Gefallenen hinweg. Er verbannte jegliche Sorge um Finelleth, Kerry, Celebithiel, Mírwen und all seine Freunde aus seinem Kopf, und konzentrierte sich nur auf das Töten und Überleben - bis er eine helle, wohlbekannte Stimme seinen Namen rufen hörte.
"Oronêl!" Mit größter Mühe löste er sich aus dem Kampfgewühl, auf die schrumpfende freie Fläche in der Mitte ihrer Stellung. Inzwischen wurden sie auch von Norden angegriffen, und Thranduil hatte sein Heer einen Halbkreis bilden lassen, dessen Enden sich an die Mauern von Thal schmiegten. Oronêls Augen suchten die Quelle des Rufes, und blieb schließlich an einer schmalen Gestalt inmitten der Ostlinge hängen, die einen schlecht sitzenden Kettenpanzer und einen viel zu großen Helm auf dem Kopf trug. Während sie sich den Weg durch die Reihen der Ostlinge auf die Elben zu bahnte, rief sie erneut seinen Namen - und diesmal blieb für Oronêl kein Zweifel, dass es sich um Kerry handelte. Bevor er sich jedoch wunderte, wie das Mädchen hierher gelangt sein mochte, machte er einen langen Schritt nach vorne und hinderte gerade noch einen hochgewachsenen Elben daran, Kerry mit dem Schwert niederzustrecken. "Lasst sie durch, sie gehört zu uns!", rief der dem Mann über den Schlachtenlärm zu, und dieser trat gerade lange genug einen Schritt zur Seite um Kerry durchzulassen, die zu Oronêls Erstaunen einen jungen Mann in der Rüstung der Ostlinge an der Hand mit sich zog. Im Inneren der Formation angekommen riss Kerry sich keuchend den Helm vom Kopf, und hielt sich die offensichtlich schmerzenden Seiten.
"Was bei den Bäumen tust du hier?", fragte Oronêl laut, doch bevor Kerry antworten konnte, wurde seine Aufmerksamkeit von einem Schrei auf sich gelenkt. Den Ostlingen war es gelungen, den hochgewachsenen Elben, der Kerry eben noch durchgelassen hatte, zu überwältigen, und zwei von ihnen hatten die Formation durchbrochen bevor es gelungen war, die Lücke wieder zu schließen. Der vordere stürzte sich mit einem Kriegsschrei auf Kerry und ihren Begleiter, die noch mit dem Rücken zu ihnen standen, doch Oronêl war schneller als er. Er parierte den Schwerthieb des Ostlings mit Hatholdôr nur wenige Zentimeter von Kerrys ungeschütztem Kopf entfernt, brachte ihn mit einem wohlgezielten Tritt gegen den Knöchel aus dem Gleichgewicht, und gab ihm mit einem beidhändigen Axthieb, der den Brustpanzer des Mannes spaltete, den Rest. Inzwischen war auch der zweite Ostling herangekommen, doch der Tod seines Gefährten ließ ihn einen Augenblick zu lange zögern. Oronêl sprang nach vorne, fegte das hastig zur Abwehr erhobene Schwert zur Seite, drehte sich um ihn herum und stieß ihm den rasch gezogenen Dolch unterhalb des Helms in den Nacken. Das ganze hatte nur wenige Augenblicke gedauert, und sobald der Ostling gefallen war, fragte er Kerry: "Und wie bist du eigentlich hierher gekommen?"
"Nicht... wichtig", japste Kerry, und in ihren Augen stand Furcht, aber auch eine Art wilder Entschlossenheit. "Saruman... zieht sich zurück. Er will über den Rabenberg entkommen, und... euch zurücklassen."
Oronêl spürte, wie ihm sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. Zorn stieg in ihm auf, doch er unterdrückte ihn - dafür würde später noch Zeit sein. Jetzt war es Zeit zu handeln. "Komm mit", sagte er, und schlug die Richtung ein, in der er Thranduil zuletzt gesehen hatte. Während sie liefen, fragte er: "Hat Helluin dich geschickt?" Das hielt er kaum für möglich, so wie er den jungen Anführer der Dúnedain einschätzte. "Und wer ist dein Freund?"
"Nein, er... hat uns eher gehen lassen", erwiderte Kerry, während sie sich bemühte, mit Oronêl Schritt zu halten. "Und das ist Aino, Sohn des..." "Rauno", half ihr der Ostling, dessen Stimme noch jünger als erwartet klang, aus.
"Richtig. Ich habe ihn gefangen genommen, und er hat mir geholfen, durch die Ostlinge zu kommen. Wir haben diese Rüstung einem der Gefallenen abgenommen, und... Warte mal." Kerry blieb stehen, und kämpfte sich mit einiger Mühe aus dem schweren Waffenrock heraus. Sie ließ ihn an Ort und Stelle fallen, und hatte daraufhin weitaus weniger Schwierigkeiten, Oronêl zu folgen. "Jedenfalls ist er der Sohn irgendeines Generals, und hat allen befohlen uns durchzulassen - das hat auch gut geklappt, bis dieser Elb mich beinahe geköpft hätte. Aber glücklicherweise warst du ja da. Was werden wir jetzt tun?"
Oronêl zuckte mit den Schultern und blieb stehen. Sie hatten den Ort erreicht, an dem Thranduil seines Wissens nach zuletzt gekämpft hatte. "Das kann ich nicht entscheiden." Er ließ den Blick über die Reihe der Kämpfer schweifen, doch Thranduil war nirgends zu entdecken - doch dafür das sandfarbene Haar von Finelleth. Als er ihren Namen rief, löste sie sich sofort aus dem Kampf. "Was ist los?" Ihr Blick fiel auf Kerry. "Und was bei allen verfluchten Geistern treibst du hier? Solltest du nicht in Sicherheit sein?" Kerry öffnete den Mund um zu antworten, doch Oronêl hob die Hand um ihr zuvor zu kommen. "Saruman lässt und im Stich", antwortete er knapp. "Wo ist dein Vater?"
"Weiter östlich, näher bei Thal", erwiderte Finelleth, die blass geworden war. "Da waren ein paar fiese Trolle, die beinahe durchgebrochen wären, und... ich werde euch begleiten."
Ohne weitere Worte eilten sie in die angegebene Richtung davon, Oronêl und Finelleth vorneweg, Kerry und der junge Ostling hinterher. Tatsächlich fanden sie Thranduil nahe der Stadtmauer von Thal, und als Oronêl ihm berichtet hatte, was geschehen war, erstarrte seine Miene zu Eis.
"Ist das wahr?", fragte er schließlich, und bevor Oronêl etwas erwidern konnte sagte Kerry bereits: "Ja. Ich habe Sarumans Boten selbst gehört. Angeblich ist es zu gefährlich, euch zu warnen - aber das kann ja nicht sein, wenn sogar ich es geschafft habe."
Thranduils Gesichtszüge wurden ein wenig weicher, als er antwortete: "Der Weg, den du hinter dir hast, mag gefährlicher gewesen sein als du dir bewusst bist. Wenn du die Wahrheit sagst - und da du eine Freundin meiner Tochter und Oronêls bist, glaube ich daran - kannst du dich mit den größten unter den Elbenfreunden messen."
Kerry errötete, doch Oronêl ließ ihr keine Zeit etwas zu erwidern. "Was werden wir also tun?"
"Wir ziehen uns ebenfalls zurück", sagte Thranduil fest. "Ohne die Aussicht auf Verstärkung ist unsere Lage hoffnungslos. Doch wir werden die Menschen von Thal nicht im Stich lassen." Er wandte sich Finelleth zu. "Faerwen, du wirst zu König Bard gehen. Er soll die Stadt räumen lassen, zunächst alle Zivilisten die schnell genug gehen können, und danach seine Krieger. Wer zu langsam ist, muss zurückgelassen werden - ich will möglichst viele von ihnen retten, doch wir können uns dabei nicht in zu große Gefahr begeben." Finelleth nickte knapp, und schoss dann mit großen Schritten in Richtung des Stadttores, dass sich zwischen den Linien der Elben befand, davon.
"Wir werden die, die nicht kämpfen können, in die Mitte nehmen", fuhr Thranduil fort. "Und uns dann nach Westen durch die Reihen der Feinde hindurch schlagen, und uns wie Saruman über den Rabenberg hinweg zurückziehen."
"Wir sind zu wenige dafür, sie werden uns überrennen." Glorfindel und Celebithiel, die ganz in der Nähe gekämpft hatten, hatten Thranduils Abwesenheit offenbar bemerkt, und sich unbemerkt zu der Gruppe gesellt. Oronêl nickte zustimmend, denn er glaubte, dass Glorfindel mit seinem Einwand richtig lag. "Wir bräuchten eine Ablenkung. Etwas, das die Ostlinge daran hindert, uns zu stark in die Zange zu nehmen."
"Sarumans Orthanc-Feuer", meinte Celebithiel. "Es ist noch immer in Thal, denn er hatte keine Gelegenheit, es ans Tor des Erebor zu schaffen."
"Weißt du, wie es funktioniert?", fragte Thranduil, und Celebithiel nickte. "Es besitzt eine Schnur, die langsam abbrennt. Wenn der Funken das Pulver erreicht, wird es mit gewaltiger Kraft entzündet."
"Also nehmen wir das Feuer mit uns, und zünden es hinter uns wenn die Feinde uns zu nahe kommen." Auf Oronêls Vorschlag hin nickte Thranduil zustimmend. "Angvagor, Galanthir!", befahl er Finelleths alte Gefährten zu sich. "Ihr werde das Orthanc-Feuer aus Thal mit euch nehmen. Beeilt euch, denn es kann sein, das wir jeden Augenblick aufbrechen müssen."

Fine:
Eryniel aus Thal - In der Stadt


Kerry sah zu, wie Finelleth und einige weitere Elben den Befehlen ihres Vaters folgend durch das Tor Thals in Inneren der Stadt verschwanden, während die Schlacht ringsum ein wenig abgeebbt war. Wie durch ein Wunder gewährte ihnen der Feind tatsächlich eine kurze Ruhepause, doch die scharfäugigen Elben des Düsterwaldes berichteten schon wenige Minuten später von weiteren Feinden, die aus dem Tor des Erebors hervorströmten. Und auch eine weitere Verschiebung der Schlachtlinien war nur allzu deutlich zu beobachten: Wie Kerry es von Sarumans Boten gehört hatte, zogen sich die an den nordwestlichen Rand des Tales zurückgedrängten Orks und Uruk-hai der Weißen Hand nun langsam in Richtung des Rabenberges zurück. Es war keine heillose Flucht, sondern ein koordinierter Rückzug, auch wenn die Nachhut des Heeres von sie verfolgenden Ostlingen hart bedrängt wurde. Die Disziplin der Uruks in den hinteren Reihen sorgte dafür, dass es bei einem geordneten Rückzug blieb und das Heer nicht in Unordnung geriet.
Während Kerry sich noch umblickte, um einen besseren Überblick über die Lage zu bekommen, tauchte plötzlich Eryniel neben ihr auf. Die Waldelbin war von Norden gekommen, aus der Richtung des Tors des Erebors, und kam schwer atmend neben Kerry zum Stehen.
“Wo ist der König?” stieß Eryniel hervor. “Weiß er schon Bescheid, dass sich Sarumans Heer zurückzieht?”
“Er steht dort hinten,” sagte Kerry und zeigte auf ein Bruchstück der Mauer Thals, das während der Belagerung abgebrochen war und ein Stück außerhalb der Reste der Mauern zum Stillstand gekommen war. Thranduil hatte dort eine etwas erhöhte Position bezogen und brachte die wenigen Elben in Stellung, die genügend Pfeile aufgesammelt hatten, um ihre Bögen effektiv verwenden zu können. “Er weiß bereits Bescheid. Wir holen alle aus Thal ‘raus und bringen sie hier weg.”
Eryniel atmete auf und nickte. “Das ist gut. Es sind viele Menschen in der Stadt, die nicht kämpfen können. Sie brauchen Schutz.”
“Da kommen bereits die Ersten,” antwortete Kerry, als sie Bewegungen am Stadttor erspähte. Und tatsächlich war dort ein Waldelb aufgetaucht, der am Tor Stellung bezog und Menschen aus Thal heraus und in Richtung des Elbenheeres lotste.
“Ich werde ihnen helfen,” sagte Eryniel entschlossen. Dann eilte sie in Richtung des Tores davon, um bei der Evakuierung mitzuhelfen.

Kerry hingegen blieb wo sie war, in der Nähe Oronêls, der die kurze Pause nutzte, um sich von den harten Kämpfen zumindest ein wenig zu erholen. Er sah müde aus, wie er dort auf dem felsigen Boden außerhalb der Mauern Thals kniete und sich auf seine Axt stützte. Celebithiel und Glorfindel standen dicht beieinander in einigen Metern Entfernung und tauschten leise Worte miteinander aus.
“Bist du verletzt?” fragte Kerry.
“Nur erschöpft,” erwiderte Oronêl. “Es wird schon gehen.” Er wandte Kerry den Blick zu und seufzte. “Weißt du, dies ist die vierte große Schlacht, an der ich dieses Jahr teilnehme. Und das nach hunderten Jahren des Lebens in der Abgeschiedenheit. Ich kann nicht behaupten, dass ich es vermisst habe.”
“Das Töten?”
“Das... alles. Die Ungewissheit. Die ständige Gefahr. Und dass immer so viel auf dem Spiel steht. Ich habe genug davon.”
Kerry musterte den Elb lange. Er wirkte körperlich müde, doch sie erkannte an seinen Worten, dass er auch im Inneren an seine Grenzen kam. Sein Blick ging ins Leere - nein, nicht ins Leere, sondern nach Südwesten, wo der Fluss ins Tal hinab verschwand. Und dort lag der Lange See, und jenseits des Sees floss der Fluss weiter, bis...
“Du hast vor, zu gehen, nicht wahr?”
Sie hatte die Frage aus einem Impuls heraus gestellt und dabei nicht gewollt, dass es wie eine Anschuldigung klang. Doch gleichzeitig schwang darin ein Gefühl mit, das ihr sagte, dass Oronêl sie und insbesondere Finelleth im Stich lassen würde, wenn er ginge.
Oronêls Blick traf ihren. Er antwortete zunächst nicht, und seine Miene zeigte kaum eine Regung. Kerry hörte, wie er langsam und lange ausatmete.
“Ich habe es bereits Mírwen gesagt. Wenn diese Schlacht geschlagen ist, werde ich diesen Ort verlassen. Ich kann so nicht weitermachen, Kerry. Verstehst du das?”
“Ich - ich weiß es nicht, Oronêl. Einerseits kann ich dich verstehen, wirklich. Aber warst du nicht derjenige, der Finelleth erst dazu gedrängt hat, hierher zu kommen und für ihre Heimat einzutreten? Hast du ihr nicht versprochen, sie dabei zu unterstützen?”
“Das habe ich. Und ich hoffe, es gelingt ihr, Thranduil von Sarumans Einfluss zu befreien. Sie ist stark genug dafür.”
Kerry wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte, dass Oronêl ehrlich mit ihr war und wirklich kriegsmüde war. Und doch gelang es ihr nicht ganz, ihren Ärger darüber, dass er sie im Stich lassen wollte, zu unterdrücken.
Ehe sie sich eine Antwort überlegen konnte, ertönte eine Warnung von Norden. Die Ostlinge rückten erneut vor und die Schlacht ging weiter.

Mehr und mehr Flüchtlinge verließen die Stadt Thal und sammelten sich zwischen den Schlachtreihen der Waldelben. Kerry erschien es, als ob es nicht mehr lange dauern würde, bis Thranduil den Rückzug befehlen würde. Und ehe das geschah, gab es noch etwas, um das sie sich kümmern musste.
“Aino,” sagte sie und weckte damit den jungen Ostling, der es tatsächlich geschafft hatte, während der kurzen Kampfpause einzuschlafen. Er gab ein verschlafenes Geräusch von sich und rappelte sich mühsam auf, als Kerry neben ihm in die Hocke ging.
“Die Elben werden sich schon bald zurückziehen,” informierte Kerry den Jungen. “Ich danke dir für deine Hilfe, aber es wird Zeit, dass du nach Hause gehst.”
“Nach... Hause?” wiederholte Aino ungläubig. “Kann ich denn nicht...”
“Du kannst nicht mit mir kommen,” sagte Kerry und schüttelte den Kopf. “Das geht nicht. Sie werden dich töten. Es tut mir Leid, Aino, aber... du musst verschwinden.”
Aino schluckte. “Aber wohin soll ich gehen?”
“Nach Hause. Sieh dich doch um: Die Ostlinge werden diese Schlacht gewinnen. Für uns geht es nur noch darum, die Menschen von Thal in Sicherheit zu bringen. Niemand weiß, dass ich dich gefangen genommen habe, also kannst du als siegreicher Kämpfer nach Hause zurückkehren.”
“Ich kann nicht so einfach nach Hause zurück. Mein Vater....”
“Doch, du kannst. Sei ein Mann und sag deinem Vater, dass du kein Krieger sein willst. Du hast jetzt ja eine Schlacht überstanden, vielleicht reicht ihm das ja.”
“...Vielleicht,” wiederholte Aino, dann nickte er langsam. “Es könnte funktionieren.” Dann stand er auf und blickte Kerry lange an. “Danke, Kerry. Dafür, dass du mich nicht getötet hast. Ich werde dich nicht vergessen.”
“Keine Ursache. Geh’ schon, solange du noch kannst.”
Er wollte sich gerade abwenden, da packte sie ihn am Unterarm. “Eines noch, ehe du verschwindest - solltest du in Rhûn auf einen Mann namens Cyneric treffen, dann sag ihm.... dann sag ihm... dass seine Tochter am Leben ist und im Waldlandreich ist. Versprichst du es mir?”
“Ich verspreche es, Kerry. Leb’ wohl.”
“Leb’ wohl, Aino.”
Er verschwand in Richtung Südosten und soweit Kerry es sehen konnte, gelang es dem jungen Ostling tatsächlich, durch die Reihen ihrer Feinde zu schlüpfen. Sie hoffte, dass er den Weg nach Hause finden würde. Doch viele Gedanken konnte sie nicht daran verschwenden. Die Schlacht kam immer näher an sie heran.

Am Stadttor waren inzwischen kaum noch Menschen zu sehen. Stattdessen erspähte Kerry den sandfarbenen Haarschopf Finelleths, die gemeinsam mit Eryniel dafür sorgte, dass die letzten Nachzügler sicher aus der Stadt hinaus gelangten. Einige von Thranduils Elben hatten derweil das Orthancfeuer aus Thal beschafft. Kerry hatte die Zerstörungskraft der mit Pulver gefüllten Metallkugeln bereits auf dem Rabenberg mit eigenen Augen gesehen, doch die Kugeln, die die Elben nun zu ihrem König brachten, waren deutlich größer als die, die die Dúnedain verwendet hatten. Neugierig ging Kerry etwas näher heran, um vielleicht mitzubekommen, wie Thranduils Plan bezüglich des Orthancfeuers aussah. Doch sie war zu langsam. Als sie in der Nähe des Elbenkönigs angekommen war, waren dessen Befehle bereits erteilt worden. Acht Kugeln, jede größer als Kerrys Kopf, wurden von acht Elben entgegengenommen. Vier eilten zur südlichen Schlachtreihe davon, vier zur nördlichen Front.
“Was haben sie vor?” fragte Kerry Celebithiel, die gerade von Norden heran kam und einen blutigen Schnitt an ihrer Stirn betastete.
“Ich bin mir nicht sicher. Sicherlich werden sie das Feuer gegen unsere Feinde wenden, aber den genauen Zeitpunkt kenne ich nicht.”
Ehe sie weitersprechen konnte, kam das Signal zum Aufbruch, und die Elben setzten sich im Bewegung. Thranduil persönlich setzte sich mit seiner Waldgarde an die westliche Spitze, die nun zum Rabenberg vordrängte. Eryniel, Glorfindel und Finelleth waren mit ihm gegangen. Dicht hinter ihnen kam der Großteil der Menschen von Thal, angeführt von ihrem König, Bard. Alle, die kämpfen konnten, hatten sich notdürftig bewaffnet und halfen dabei, die Flanken zu sichern.
Es dauerte nicht lange, bis die feindlichen Kommandanten bemerkten, was die Elben vorhatten. Orkhörner ertönten und sowohl im Norden als auch im Süden verdoppelten die Feinde ihre Anstrengungen. Kerry, die sich am Ende des Heereszuges wiederfand, sah, wie sich Orks und Ostlinge am Fuße der Stadtmauer Thals trafen, wo die Elben bereits abgerückt waren. Nun wurde Thranduils Streitmacht auch von hinten bedrängt. Und dort mitten unter den Ostlingen schritt ein finsterer Mensch in dunkler Rüstung. Ein schwarzer Umhang mit Kapuze bedeckte Gesicht und Rüstung und in jeder Hand führte er ein gezacktes Schwert.
“Das muss der Fürst von Durthang sein,” stieß Celebithiel hervor, die Kerrys Hand gepackt hatte und sie mit sich nach Westen zog. “Dem sollten wir besser nicht in die Quere geraten, auch wenn ich nur allzu gerne mit ihm die Klingen kreuzen würde. Leider fehlt uns die Zeit dafür.” Sie war stehen geblieben und hielt den Blick zur Stadt hin gerichtet, die nun wieder vollständig  in feindliche Hand geraten war.
“Ich habe keine große Lust auf eine Begegnung mit ihm,” sagte Kerry, die ihr Schwert fest mit beiden Händen gepackt hatte. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und sah, wie der dunkle Fürst die Orks und Ostlinge zur Verfolgung antrieb.
“Dein Vater hat in Dol Guldur gegen ihn gekämpft,” sagte Celebithiel. “Glorfindel hat es mir erzählt.”
Kerry verspürte Stolz darüber, dass ihr Vater sich einer so furchteinflößenden Gestalt gestellt hatte und überlebt hatte. Doch für weitere Gedanken blieb keine Zeit. Ein Ostling trat ihr in den Weg. Celebithiel sprang vorwärts und hieb den Krieger nieder, doch zwei weitere nahmen seinen Platz ein. Kerry drängte sich einfach an ihnen vorbei, denn inzwischen waren sie und Celebithiel die Letzten. Sie waren zu langsam gewesen!
Pfeile schwirrten dicht über ihre Köpfe hinweg und schlugen in die Verfolger ein. Thranduil hatte seinen wenigen verbliebenen Bogenschützen befohlen, alle ihre übrigen Pfeile zu verschießen. Das genügte, damit Kerry und Celebithiel zu Oronêl aufschließen konnten, der wenige Meter entfernt inmitten der Waldelben wartete und ihnen die Hand entgegenstreckte.
“Was habt ihr euch dabei gedacht?”
“Es ging alles so schnell - mit einem Mal waren wir allein inmitten der Feinde,” erwiderte Celebithiel.
Oronêl schüttelte langsam den Kopf, doch dann wandte er sich zu einem der Elben neben ihm und sagte: “Sag’ dem König, er soll das Orthancfeuer einsetzen! Wir haben jetzt genug Abstand zur Stadt.”
Der Waldelb eilte davon, während Kerry und Celebithiel sich wieder dem Heer anschlossen. Nur wenige Minuten später erschütterten acht gewaltige Explosionen das Tal vor dem Erebor. Wie es den Elben gelungen war, die Kugeln in Brand zu stecken, konnte Kerry nicht sagen. Sie sah mit einer Mischung aus Staunen und Erschrecken zu, wie die vorderen Reihen der Feinde südlich und nördlich der Waldelben buchstäblich in Stücke gerissen wurden. Das verschaffte Menschen und Elben den Aufschub, den sie gebraucht hatten. Für einige Minuten unbedrängt gelang es ihnen, sich über den Rabenberg hinweg zurück zu ziehen. Den Spuren von Sarumans Orks folgend kamen sie auf die andere Seite in das Gebiet, das zwischen dem Erebor und dem Rand des Düsterwalds lag.


Oronêl, Thranduil, Glorfindel, Celebithiel, Bard, Finelleth, Eryniel, Mírwen und Kerry zum Ostrand des Düsterwaldes

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