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Autor Thema: Tharbad  (Gelesen 7934 mal)

--Cirdan--

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Tharbad
« am: 18. Aug 2015, 22:14 »
Aus der Sicht des Halblings:

Elrond, Galadriel, Celeborn, Celebithiel mit der Gruppe Elben und Pippin und Merry aus Aldburg.

„Ist sie das?“, fragte Peregrin Tuk seinen alten Freund Meriadoc Brandybock. Eine Antwort war jedoch unnötig, denn es konnte nur Tharbad sein. Die Elben hatten schon seit einigen Tagen von dieser Stadt am Fluss Gwathló gesprochen.
Eine Marschformation wurde gebildet, die die Frauen und Kinder in die Mitte nahm. Vorne wurden elbische Banner in die Höhe gehalten und dann zogen die Galadhrim aus Lothlorien begleitet durch einige Elben aus Bruchtal und dem Waldlandreich zusammen mit Pippin und Merry in die Stadt ein.
Menschenleer waren die Straßen von Tharbad, doch nicht verlassen schien die Stadt. Denn in den Gassen und auf den Plätzen standen Karren, lagen auf Ständen frische Vorräte und an einigen Stellen qualmten noch einige eilig gelöschte Feuer.
In den Häusern versteckten sich die Bürger von Tharbad, während die Elben langsam durch ihre Straßen zogen.

Nach einigen Wendungen der Straße erhob sich vor ihnen eine große Steinbrücke über den breiten Fluss. In aller Vorsicht überquerten die beiden Hobbits auf ihren Ponys als einige der Ersten die Brücke und warten auf der anderen Seite.
„Riechst du das?“, fragte Merry Pippin und stieg daraufhin von seinem Pony. Er lief aufgeregt zu einem stehen gelassenen Karren. „Was hast du da?“, rief Pippin seinem Freund nach. „Rate mal“, lachte Merry und hob ein kleines Fass in die Luft, „das ist Alter Tobi, mein liebstes Pfeifenkraut in ganz Mittelerde!“
Freudig über diesen Fund, insbesondere da sie Sarumans Vorrat auf der Reise bis hierher bereits aufgebraucht hatten, setzten sich die beiden Hobbits mit ihren Pfeifen an das Ufer des Gwathló und beobachteten die Elben dabei die Brücke zu überqueren.

Als Merry zum ersten Mal begann das Pfeifenkraut nachzustopfen, sahen sie Frau Galadriel und Herrn Celeborn Seite an Seite den Fluss zu überqueren und danach in ihre Richtung wandern. Galadriel ließ die Hand ihres Mannes los und ging einige Schritte hinunter zum Gwathló, während Celeborn zu ihnen trat. Einander grüßten sie freundlich und blickten daraufhin zu Galadriel, die das Wasser des Flusses durch ihre gespreizten Finger gleiten ließ.
„Was tut sie da?“, fragte Merry unsicher. „Sie horcht nach den Worten der Fluten“, antwortete der Elbenfürst, „entspringen tut der Fluss nahe Imladris im Nebelgebirge und bringt Nachricht aus Elronds Haus.“ Mehr wollte Celeborn ihnen nicht sagen und fragte stattdessen nach ihrem neuen Fund.
„Eine Spur aus Kraut. Womöglich das neue Zeichen Sarumans. Wo auch immer das Pfeifenkraut in größeren Mengen gefunden wird, muss er seine Hand im Spiel haben. Diese Stadt ist sein Umschlageplatz für die Lieferungen aus dem Land der Hobbits und Menschen. Vermutet hatte ich es, doch nun haben wir Gewissheit.“, sprach Celeborn mehr zu sich selbst als zu den Hobbits. Pippin und Merry nickten verstehend. Auch ihnen Gefiel diese Entwicklung ganz und gar nicht und sie wussten, dass sie im Auenland einiges zu erwarten hatten.

Als alle Elben die Brücke überquert hatten, setzten sie ihren Weg durch Tharbads Straßen fort. Weiterhin trafen sie keine Bewohner der Stadt, doch Pippin hatte verstärkt das Gefühl aus den zugeklappten Fensterläden beobachtet zu werden. Einmal schien es ihm fast so, als erkannte er ein Gesicht im Fenster eines zweistöckigen Steinhauses und wie er so drüber nachdachte, überlegte er, ob es der finstere Lutz Farnrich gewesen sein könnte, denn er noch durch seinen einstigen Aufenthalt in Bree in schlechter Erinnerung hatte.

Nachdem die Elben und Hobbits Tharbad ohne Zwischenfälle verlassen hatten, setzten sie ihren Weg auf der Nordsüdstraße fort.


« Letzte Änderung: 18. Aug 2015, 22:32 von --Cirdan-- »

Azaril

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Re: Tharbad
« Antwort #1 am: 17. Mär 2016, 18:25 »
Aldoc aus Dunland

Die Dunländer gaben nicht so einfach auf, wie Aldoc es sich erhofft hatte. Noch mehrere Tage nach seiner Flucht aus dem Kerker konnte er nachts immer wieder helle Punkte in der Ferne erspähen, die sich langsam über das Land bewegten. Kleine, bewaffnete Gruppen von Kriegern, die offenbar nach ihm suchten, wie er erkannte, als er sich näher an sie heranschlich. Warum ließen sie nicht locker? Was war so wichtig an ihm, dass sie nicht einfach aufgaben und ihn ziehen ließen? Er würde es ja verstehen, wenn ein wichtiger Kriegsgefangener entkommen wäre, ein hoher Fürst oder gar ein König, aber ein im Grunde bedeutungsloser Hobbit? Wozu sich die Mühe machen, ihn so hartnäckig zu jagen?
Wie auch immer, durch seine Verfolger sah er sich gezwungen, selbst kein Feuer zu entzünden, was bedeutete, dass seine ohnehin schon karge Nahrung noch ein wenig mehr eingegrenzt wurde. Er besaß nur wenig Essbares, das meiste davon stahl er in kleinen Dörfern auf seinem Weg, der Rest waren Beeren und andere Früchte von Sträuchern und Bäumen, die in dieser Gegend wuchsen. Es war definitiv nicht viel, und oftmals schmeckte es auch nicht gerade gut, aber es war immerhin besser als der Fraß, den sie ihm im Kerker gegeben hatten.
Dennoch war er heilfroh, als er schließlich am Horizont die Stadt Tharbad erblickte, und mit ihr die Aussicht auf eine richtige Mahlzeit... sofern er irgendwie das Geld dafür auftreiben konnte.
Die Sonne stand im Zenit, als er am Südtor von Tharbad angelangte, wo einige gelangweilte Wachen sich müde auf ihre Speere stützten und ihn mit desinteressierten Blicken musterten. Aldoc atmete tief durch. Tharbad stand vermutlich noch immer unter Sarumans Herrschaft, ebenso wie Dunland, wenn er also Pech hatte, dann hatten die Dunländer die Wachen hier informiert, dass ein Hobbit aus ihren Kerkern entkommen war. Er durfte sich seine Nervosität jedenfalls nicht anmerken lassen. Er musste sich verhalten, als wäre es nichts Sonderbares, dass er die Stadt betrat.
Aldoc schritt zwischen zwei Wächtern hindurch, betrat den kurzen Torgang der recht schmalen Mauer und kam schon kurz Zeit später wieder auf der anderen Seite wieder hinaus. Alles schien gut zu laufen, bis...
"Hey du, warte mal!"
Aldoc erstarrte auf der Stelle. Sollte er so tun, als hätte er nichts gehört? Oder als denke er, dass nicht er gemeint war? Aber wen sollten sie denn sonst meinen? Hier war weit und breit außer ihm und den Wachen niemand zu sehen.
"Ich rede mit dir, Halbling!"
Halbling... nun, damit erübrigte sich die zweite Option. Langsam drehte Aldoc sich zu dem Menschen um, der nach ihm gerufen hatte, und setzte dabei ein freundliches Lächeln auf. "Gibt es ein Problem? Kann ich irgendwie behilflich sein?"
Der Mann, der nun vor ihm stand, ein etwas älterer Kerl in einer schäbigen Rüstung, kniff skeptisch die Augen zusammen und musterte ihn von oben bis unten. "Hm... du scheinst keiner von den Unruhestiftern zu sein. Wie heißt du?"
Unruhestifter? Wovon redete dieser Wächter? "Ich... äh... Aldoc." In Ermangelung eines Ersatznamens stellte er sich mit seinem richtigen Namen vor. Die Dunländer hatten ihn ohnehin nie danach gefragt.
"Aldoc... und weiter? Dein Nachname, Bursche", forderte der Mensch.
Irgendwie sagte ihm sein Gefühl, dass es sehr unklug wäre, in diesem Moment die Wahrheit zu sagen. "Also... Nachname... hm... Gamdschie?"
"Gamdschie?" Der Wächter runzelte die Stirn. "Nie gehört. Naja, dein Gesicht passt sowieso nicht zu den Bildern, die wir uns einprägen sollten. Ich denke, du kannst passieren."
"Nicht so schnell, Herod", erklang plötzlich eine Stimme von Links, wo soeben ein weiterer Wachmann aus einer kleinen Wachstube neben dem Tor trat. Die Rüstung von diesem war jedoch in weit besserem Zustand als die des Mannes, der als Herod angesprochen worden war, und verfügte zudem über einen weißen Federbusch am Helm. Ein gewöhnlicher Torwächter schien das nicht zu sein, eher so etwas wie ein Hauptmann.
Dieser kam nun auf seinen Untergebenen und den Hobbit zu und blieb kurz vor ihnen stehen, Der Hauptmann war deutlich jünger als Herod, und er ging aufrecht und stolz, als wäre der der Fürst dieses Landes. Sein langes, braunes Haar fiel ihm wirr über die Schultern. Ebenso wie sein Gefolgsmann zuvor musterte auch dieser Offizier Aldoc nun von oben bis unten.
"Du heißt also Aldoc Gamdschie?", fragte er daraufhin.
"Das habe ich gesagt." Aldoc wurde langsam nervös. Er war so kurz davor gewesen, in die Stadt zu gelangen, ohne Verdacht zu erregen, und jetzt das. "Wen auch immer ihr sucht, ich bin keiner dieser Unruhestifter. Ich weiß nicht einmal genau, was ihr damit meint. Darf ich jetzt endlich weitergehen, ich habe Hunger, und möchte am besten noch etwas Essen, bevor die Sonne untergeht."
Der Hauptmann ließ sich von diesen Worten jedoch nicht erweichen. "Woher kommst du?"
"Aus dem Auenland." Wie fast alle Hobbits. "Woher denn sonst?"
"Nein, ich meine nicht, wo du geboren wurdest, sondern woher du jetzt gerade kommst. Du bist hier am Südtor, folglich bist du aus Süden gekommen. Das Auenland liegt nördlich von hier."
"Nun ja... also ja... ich komme gerade aus Süden", stammelte Aldoc. Dieser Kerl wusste irgendetwas, da war er sich sicher. Hatten die Dunländer doch bereits eine Nachricht hierher geschickt? Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. "Ich... äh... war in Rohan, bis vor Kurzem. In Aldburg, um genau zu sein."
"Ist das so?" Der Offizier strich sich nachdenklich übers Kinn. "Dann kannst du uns doch sicher sagen, was die dortige Ratsversammlung ergeben hat. Die Nachricht ist zwar bereits bis hierher vorgedrungen, aber ich würde es dennoch gerne noch einmal aus dem Munde von jemandem hören, der zum Zeitpunkt der Versammlung tatsächlich in Aldburg war. Also, ich höre."
"Nun... das war so..." Aldoc trat vorsichtig einen Schritt nach hinten und machte sich für eine rasche Flucht bereit. Er hatte natürlich nicht den Hauch einer Ahnung, welche Ergebnisse die Ratsversammlung in Aldburg erzielt hatte. Dieser Hauptmann hatte ihn geschickt in eine Sackgasse manövriert. Der Hobbit stand mit dem Rücken zur Wand. "Die Elben von... Bruchtal... haben..."
"Ja? Was haben sie?" Der Hauptmann lächelte. Er schien es zu genießen, Aldoc zappeln zu sehen. Es war offensichtlich, dass er bereits wusste, dass der Hobbit ihm keine richtige Antwort geben konnte. Er spielte nur noch mit ihm.
"Nun, wisst ihr, Herr, ich bin aufgebrochen, noch bevor die Versammlung vorbei war, daher..."
"Aber sicher hast du auf deinem Weg hierher von den Beschlüssen des Rates gehört, oder? Zumindest ein paar Gerüchte." Aldoc schwieg. Nichts. Er wusste rein gar nichts. "Es sei denn natürlich, du hättest die letzten Wochen in einem dunklen Kerker irgendwo in Dunland verbracht."
Verdammter Mist! Höchste Zeit, auf Wiedersehen zu sagen! Augenblicklich drehte Aldoc sich um und hastete zurück durch den Torgang, während er im Laufen reflexartig sein Schwert zog. Sehr weit kam er jedoch nicht, denn die Wachen auf der anderen Seite des Tores verstellten ihm den Weg, als der Hauptmann laut "Ergreift ihn!" rief, und entwaffneten ihn mühelos. Somit endete seine überstürzte Flucht vor den Wachen von Tharbad bereits nach wenigen Sekunden auf unrühmliche Weise und er wurde zurück vor den jungen Offizier geschleift, ohne auch nur das geringste dagegen unternehmen zu können. Gerade aus dem Kerker der Dunländer entkommen, nur um jetzt in Tharbad erneut eingekerkert zu werden? Pech war ein zu milder Ausdruck dafür.
"Weißt du, Halbling." Der Hauptmann beugte sich mit einem spöttischen Lächeln auf dem Gesicht zu ihm herunter. "Wir warten schon seit einigen Tagen auf einen Gefangenentransport aus Dunland, aber er kam und kam nicht. Ich dachte mir bereits, dass es vielleicht Komplikationen gegeben hat. Deshalb finde ich es sehr zuvorkommend von dir, dass du freiwillig zu uns gekommen bist. Und nun folge mir, unser Statthalter möchte mit dir sprechen."

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

1. Char Aldoc befindet sich in Bree

Azaril

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Re: Tharbad
« Antwort #2 am: 19. Mär 2016, 12:16 »
Der Statthalter von Tharbad, so stellte sich heraus, war ein schmächtiger Breeländer namens Lutz Farnrich.
Nach seiner Ergreifung am Südtor von Tharbad wurde Aldoc vom Hauptmann der Torwächter zu einem großen, steinernen Haus nahe der Brücke über den Gwathló gebracht, wo der Statthalter ihn in einem geräumigen Zimmer mit luxuriösen Möbeln empfing. Lutz Farnrich bot nicht viel für das Auge, sein Gesicht wirkte auf den ersten Blick unsympathisch und seine Kleidung mutete wie die abgetragenen, bleichen Überreste einer einstmals fürstlichen Robe an. Man merkte sofort, dass dieser Mann sich Mühe gab, wie ein richtiger Statthalter zu erscheinen, aber dabei konnte er seine eher bescheidene, breeländische Herkunft kaum verbergen. Letztlich war er eben kein hoher Numenorer oder mächtiger Elb.
"Das ist der Hobbit?" Das war die erste Frage, die Lutz stellte, doch war sie nicht an Aldoc gerichtet, sondern an den Hauptmann. Dieser nickte und erklärte kurz die Situation. "Er kam zwar nicht wie geplant mit den Dunländern, aber er ist der Halbling, den sie eingefangen haben, ja. Anscheinend konnte er sich befreien und wollte nun zurück nach Norden. Wir haben ihn am Tor abgefangen. Er behauptet, sein Name sei Aldoc Gamdschie."
"Gamdschie? Wie interessant", sagte Farnrich. "Der letzte Gamdschie, dem ich begegnet bin, hat mir zum Abschied einen Apfel an den Kopf geworfen. Aber ich nehme an, dass Gamdschie ohnehin nicht dein richtiger Name ist."
"Du irrst dich", widersprach Aldoc. "Ich bin ein waschechter Gamdschie, so wahr ich hier stehe."
"Aber sicher. Jemand in deiner Situation ist natürlich ehrlich wie ein unschuldiges Kind und sagt immer nur die Wahrheit, vor allem, wenn es um die eigene Identität geht." Schlagartig trat ein ernster Ausdruck in Lutz' Gesicht. "Hältst du mich für blöd, Junge? Du sagst mir besser die Wahrheit. Das wäre zu deinem eigenen Besten. Glaube nicht, ich würde zimperlich mit dir umgehen, nur weil ich mal ein paar Hobbits gekannt habe. Du bist ein Gefangener. Vergiss das nicht."
Nun, ganz Unrecht hatte der Statthalter damit nicht. Aldoc befand sich tatsächlich in einer äußerst ungünstigen Position. Und Breeländer oder nicht, irgendwie glaubte er, dass dieser Lutz tatsächlich nicht davor zurückschrecken würde, ihn zu foltern, auch wenn es vielleicht nicht über ein paar Schläge hinausging. Dennoch würde Aldoc das lieber vermeiden. Sollte er doch besser seinen richtigen Namen verraten? Oder weiter darauf beharren, ein Gamdschie zu sein?
"Nun, ich sehe, du bist hartnäckig, Aldoc Gamdschie." Auf einmal legte sich ein beunruhigendes Lächeln auf das Gesicht des Menschen. "Bestimmt finden sich im Auenland noch ein paar andere Gamdschies, die ein wenig Züchtigung und mehr Arbeit verdient haben. Ich denke, ich werde meinem Vorgesetzten im Auenland den Vorschlag unterbreiten, diese Familie besonders hart ranzunehmen."
"Warte!" Das hatte Aldoc nicht erwartet. Verprügelt zu werden oder schlimmeres, bis er schließlich kooperierte, darauf war er eingestellt gewesen, aber nicht darauf, dass Lutz an seiner statt andere Hobbits würde leiden lassen, die mit der ganzen Sache gar nichts zu tun hatten. Er gab es nur ungern zu, aber mit diesem unerwarteten Schachzug hatte der Mensch aus Bree ihn aus der Reserve gelockt. Was bedeutete schon ein Name? Die Tuks hatten noch immer Widerstand geleistet, als er aus dem Auenland aufgebrochen war, und so, wie er seine Familie einschätzte, hatte sich daran nichts geändert. Lutz konnte ihnen nichts antun, so wie er den Gamdschies etwas antun konnte. "Tuk. Ich bin ein Tuk. Aldoc Tuk, Sohn von Reginard Tuk. Bist du jetzt zufrieden?"
"Ein Tuk also. Schon besser." Das fiese Lächeln im Antlitz des Statthalters von Tharbad wuchs noch weiter an. "Nun denn, Aldoc Tuk, setz dich doch bitte, damit wir in Ruhe miteinander reden können."
Lutz wies auf einen Stuhl bei einem rechteckigen Tisch aus irgendeinem Edelholz, wo Aldoc nun wie aufgefordert Platz nahm. Der Breeländer setzte sich daraufhin ihm gegenüber und befahl dem Hauptmann, Speis und Trank bringen zu lassen. Danach faltete er die Hände und sah den Hobbit über den Tisch hinweg an.
"Also, Aldoc Tuk, du fragst dich sicher, warum ich dich habe hierher bringen lassen. Als ich hörte, die Dunländer hätten einen aufmüpfigen Hobbit gefangen, dachte ich, es könnte einer der Unruhestifter sein oder vielleicht sonst jemand Wichtiges, immerhin trifft man nicht alle Tage einen Halbling außerhalb des Auenlandes oder Breelandes an. Im Grunde war ich wohl einfach ein wenig neugierig. Aber wie es aussieht, bist du niemand Besonderes. Ich habe jedenfalls noch nie von dir gehört. Einerlei, wenn du wirklich ein Tuk bist, kannst du uns trotzdem noch nützlich werden."
"Das bezweifle ich", sagte Aldoc mit vor der Brust verschränkten Armen.
"Wir werden sehen." Lutz lehnte sich entspannt zurück, wie um zu sagen, dass er den ganzen Tag Zeit hatte und es ihm vollkommen egal war, wie unkooperativ sich Aldoc zum jetzigen Zeitpunkt noch verhielt. Dieser Mann wirkte zwar nicht annähernd so furchteinflößend wie manch einer der Dunländer, denen Aldoc in letzter Zeit begegnet war, aber er war auf seine ganz eigene Art unheimlich. "Kommen wir gleich zur Sache: Ist dir ein Peregrin Tuk bekannt? Und vielleicht auch ein Meriadoc Brandybock? Diese beiden haben in letzter Zeit im Auenland für einige... Probleme gesorgt, zusammen mit ein paar anderen Unruhestiftern."
Pippin und Merry sind zurück im Auenland? Die Elben in Imladris hatten ihm mitgeteilt, diese beiden Hobbits seien in Aldburg, aber offenbar war diese Information inzwischen veraltet. Aldoc seufzte tief. Wieder einmal stellte sich ihm die Frage, wie viel Zeit er eigentlich im Kerker verbracht und was er währenddessen alles verpasst hatte. Zu viel, das stand fest.
Die Situation im Auenland hatte sich offenbar grundlegend geändert. Pippin und Merry waren anscheinend aus dem Süden zurückgekehrt... dann diese Probleme, von denen Lutz sprach, und all die Erwähnungen dieser Unruhestifter... so langsam begann das alles, sich zu einem deutlichen Bild zusammenzufügen. Aber noch wusste er nicht genug. Er musste mehr über das erfahren, was in letzter Zeit geschehen war.
"Was genau meinst du mit Unruhestiftern?", fragte er Farnrich, obwohl ihm bewusst war, dass er sich eigentlich nicht in der Position befand, um Fragen zu stellen.
"Was man mit Unruhestiftern eben meint", gab Lutz genervt zurück. "Leute, die Unruhe stiften. Aufrührer. Widerspenstige, kleine Plagen, die nicht wissen, wann sie sich unterzuordnen haben. Und du, mein kleiner Freund, wirst mir jetzt ein bisschen mehr über die Leute erzählen, die einigen wichtigen Persönlichkeiten wie mir in letzter Zeit so viele Kopfschmerzen bereiten."
Aldoc zuckte mit den Schultern. Er würde reden, um Lutz zufriedenzustellen, aber das bedeutete nicht, dass er die Wahrheit sagen musste. Dieser Mensch durfte auf keinen Fall erfahren, wie gut er mit Pippin befreundet war. "Peregrin ist ein Familienmitglied, also ja, ich kenne ihn, aber nicht sehr gut. Anderer Familienzweig und so, wenn du verstehst. Und Meriadoc, das ist einer der Hobbits aus Bockland, meilenweit von Tuckbergen entfernt. Ich kenne ihn nur vom Sehen. Was die aktuellen Ereignisse angeht, weiß ich nicht mehr als du, im Gegenteil. Ich meine, ich saß die letzte Zeit in einer stickigen Zelle unter der Erde fest. Woher soll ich denn wissen, was im Auenland vor sich geht und wer diese Unruhestifter sind, von denen du immerzu sprichst?"
"Nun, wenn man das so sieht, hast du wohl recht." Lutz strich sich nachdenklich über das Kinn. "Aber nun lass uns erst einmal etwas essen. Du bist nach deiner Flucht vor den Dunländern sicher hungrig. Wir mögen keine Freunde sein, aber du sollst später trotzdem nicht behaupten können, ich hätte dir nicht eine gewisse Gastfreundschaft entgegengebracht."
Tatsächlich erschienen schon kurz darauf einige ziemlich abgemagerte Diener und brachten das Mahl, das der Statthalter zu Beginn des Gespräches geordert hatte. Aldoc fühlte sich zwar zum einen nicht gut dabei, sich an den reichen Speisen gütlich zu tun, die nun aufgetischt wurden, nachdem er die ausgemergelten Diener gesehen hatte, aber zum anderen hatte er selbst lange genug viel zu karge Mahlzeiten erdulden müssen. Er war Lutz fast schon dankbar dafür, dass er es ihm ermöglichte, die Zähne endlich wieder in richtiger Nahrung vergraben zu können. Gebratenes Fleisch, verschiedene Obstsorten, frisches Brot... das war nach dem Kerker wahrlich ein Festschmaus!
"Wie kommt es, dass die Diener hier so ausgehungert wirken?", fragte er, während sie aßen.
Farnrichs Blick verdüsterte sich. "Der Krieg im Osten. Die Heere meines Herrn müssen versorgt werden, weißt du. Da bleibt nicht viel für die Leute hier. Aber es ist genug. Niemand muss verhungern. Sie müssen nur ein paar kleine Entbehrungen hinnehmen, zum größeren Wohle."
"Dein Herr", griff Aldoc dieses eine Wort aus der Erklärung auf. "Saruman, nehme ich an?"
"Das ist kein Geheimnis", gab der Breeländer zurück. "Jeder hier dient dieser Tage dem weißen Zauberer."
Jeder, hm? Aldoc runzelte die Stirn. Aber ich nicht. Niemals.
Der Rest des Mahles verlief schweigend, wobei sich Aldoc durchweg der wachsamen Blicke des Hauptmannes bewusst war, der noch immer neben der Tür stand und das ganze Treffen mit starrem Blick beobachtete. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Hobbit zu fesseln, lediglich seine Waffen hatte man ihm abgenommen, daher war es wohl nicht verwunderlich, dass ein Wachmann mit im Raum blieb. Selbst ein unbewaffneter Feind war noch ein Feind, auch wenn er nur ein kleiner Hobbit sein mochte.
Als sie fertig waren, wurden die leeren Teller abgeräumt und Lutz zögerte keinen Moment lang, das Gespräch an dem Punkt fortzusetzen, an dem er es vor dem Mahl unterbrochen hatte. "Nun, du behauptest also, nichts von den Dingen zu wissen, die zurzeit im Auenland geschehen. Und ich glaube dir das, immerhin warst du tatsächlich einige Zeit in den Kerkern dieser Wilden. Aber das bedeutet nicht, dass ich dich einfach gehen lassen kann. Ich denke, ich werde einen Brief an den Thain schicken und Lösegeld verlangen. So kann ich vielleicht sogar noch ein wenig Profit aus deiner Gefangennahme schlagen."
Lösegeld und Gefangennahme waren zwei Worte, die in Aldocs Ohren über einen sehr schlechten Klang verfügten. Er hatte langsam genug von Kerkern. Irgendwie musste er Lutz davon überzeugen, ihn gehen zu lassen. "Ich glaube nicht, dass sich das lohnt. Du weißt bestimmt, dass wir Hobbits nicht gerade ein wohlhabendes Volk sind, das über Berge von Gold verfügt wie ein habgieriger Drache. Ich denke, unser wichtigstes Handelsgut dieser Tage ist das Pfeifenkraut, und davon karrt ihr ohnehin schon massenweise aus dem Auenland heraus, sofern sich daran seit meinem Aufbruch von dort nichts geändert hat. Außerdem sind die Tuks nicht gerade für ihre Krautfelder bekannt. Im Ernst, was genau, denkst du, kann meine Familie dir geben, was du hier nicht schon im Überfluss hast, Lutz Farnrich? Lösegeld zu fordern, ist die Mühe nicht wert, mich versorgen zu müssen, bis alles geregelt ist. Außerdem stamme ich wie gesagt nur aus einem bedeutungslosen Nebenzweig der Tuks. Mit dem Thain habe ich kaum etwas zu tun."
"Warum sind deine Argumente nur so einleuchtend?", fragte der Statthalter von Tharbad seufzend. Er kratzte sich ein wenig irritiert am Kopf. "Hm... ich kann für dich kein Lösegeld fordern, aber Informationen kannst du mir auch keine geben. So langsam gelange ich zu dem Schluss, dass dieses ganze Gespräch nur reine Zeitverschwendung war. Am besten schicke ich dich einfach wieder zurück nach Dunland."
"Können wir nicht irgendeine andere Lösung finden?", fragte Aldoc hastig. Er wollte auf keinen Fall zurück nach Dunland! "Ich meine, ich habe dir und den anderen Dienern Sarumans im Grunde keine Probleme bereitet wie diese Unruhestifter. Gut, vielleicht gehen ein oder zwei tote Dunländer auf mein Konto, aber ich möchte nur einmal anmerken, dass sie mich angegriffen haben, nicht umgekehrt. Ich habe mich lediglich verteidigt. Komm schon, besteht denn wirklich die Notwendigkeit, mich wieder in einen Kerker zu stecken? Lasse mich laufen, und ich verspreche, dir keine Probleme zu machen."
"Ich bezweifle, dass du dieses Versprechen halten kannst." Lutz verschränkte die Arme vor der Brust. "Nun denn, Aldoc Tuk, es ist Zeit..."
"Verzeiht, Statthalter, aber ich hätte vielleicht eine Idee", meldete sich der Hauptmann plötzlich zu Wort, der bislang das ganze Gespräch über geschwiegen hatte.
Überrascht hob Farnrich eine Augenbraue. "So, eine Idee? Dann lass mal hören, Girion."
Jetzt kannte Aldoc wenigstens endlich den Namen des Hauptmannes. Girion trat nun an den Tisch heran und räusperte sich. "Nun... also, wenn es euch darum geht, Informationen zu erlangen, Statthalter, warum schickt ihr diesen Hobbit dann nicht ins Auenland, damit er mehr für euch herausfindet?"
"Als Spion, meinst du?" Der Gedanke schien Lutz zu gefallen, zumindest veranlasste er ihn wieder einmal zu einem fiesen Lächeln, während er Aldoc mit einem abschätzenden Blick bedachte. "Die Frage ist nur, wie stellen wir sicher, dass er uns auch gehorcht?"
"Gar nicht", sagte Aldoc entschieden. "Ich werde mich definitiv nicht zu einem Spitzel Sarumans machen lassen. Dass kannst du vergessen, Farnrich."
"Dann ist es wohl doch der Kerker..."
"Halt! Warte! Vielleicht können wir doch über die Spion-Sache reden!" Aldoc biss sich verärgert auf die Lippe. Das verlief in eine Richtung, die ihm ganz und gar nicht gefiel. Aber vielleicht war es tatsächlich das beste, sich auf Lutz' Forderung einzulassen, damit er endlich von hier wegkam. Sobald er Tharbad erst einmal hinter sich gelassen hatte, könnte Lutz lange auf seine ersehnten Informationen warten. Oder vielleicht würde er ja doch welche erhalten... Falschinformationen allerdings. So betrachtet stellte es möglicherweise sogar einen gewissen Vorteil dar, ein Spion zu sein. "Na gut, ich mache es."
Lutz nickte zufrieden. "Ich will die genauen Namen sämtlicher Aufrührer im Auenland wissen, ich will wissen, wo sie sich derzeit aufhalten, ich will wissen, was sie als nächstes planen. Und du, Aldoc Tuk, wirst mir all dieses Wissen beschaffen. Hauptmann Girion wird dich begleiten."
"Wie bitte?", fragte besagter Hauptmann verdutzt. "Warum? Ich meine, was will ich denn im Auenland? Ich habe hier in Tharbad alles, was ich brauche."
"Ja, ja, schon klar, aber ich vertraue diesem Hobbit nunmal nicht. Dir vertraue ich jedoch, Girion. Die Sache ist die: Niemand kann mir garantieren, dass Aldoc sich auch wirklich an unsere Abmachung hält. Deshalb werde ich ihm sozusagen noch einen zweiten Spion mitgeben." Nun wandte er sich an den Hobbit. "Du, mein kleiner Freund, wirst deinen Hobbitfreunden im Auenland sagen, Girion sei ein vertrauenswürdiger Reisegefährte, der dich schon lange begleitet. Er wird dich überwachen und zugleich selbst versuchen, an einige Informationen zu gelangen. Wie sagt man so schön? Doppelt hält besser. Ach ja, Aldoc, bevor ich vergesse, es zu erwähnen, Girion ist autorisiert, dir den Kopf abzuschlagen, solltest du irgendetwas verdächtiges versuchen, was mir nicht gefallen könnte. Klar soweit?"
"Glasklar", grummelte der junge Tuk ganz und gar nicht begeistert. In letzter Zeit lief aber auch wirklich alles schief! Nun, vielleicht konnte er Girion auf dem Weg ins Auenland ja irgendwie entkommen. Noch war es nicht in Stein gemeißelt, dass er Lutz und somit indirekt auch Saruman als Spion dienen musste. Nicht, solange er noch über einen freien Willen verfügte.
Lutz sah das Gespräch damit offenbar als beendet an. Er erhob sich, verabschiedete sich mit seinem üblichen, unsympathischen Lächeln von dem Hobbit und dem Menschenhauptmann, und schickte die beiden somit offiziell ins Auenland. Ihnen wurden einige Vorräte zur Verfügung gestellt, und Aldocs Waffen wurden Girion übergeben, der sie unter Verschluss halten würde. Noch am Nachmittag desselben Tages überquerten die beiden unfreiwilligen Gefährten schließlich die steinerne Brücke im Zentrum von Tharbad und verließen die Stadt am Nordtor in Richtung Auenland.
So kam es, dass Aldoc Tuk als Spion Sarumans in die Heimat zurückkehrte.

Aldoc und Girion zur Nord-Süd-Straße
« Letzte Änderung: 19. Mär 2016, 18:06 von Azaril »

Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient.
- Bilbo Beutlin -

1. Char Aldoc befindet sich in Bree

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Foraths Heerlager
« Antwort #3 am: 4. Feb 2017, 22:05 »
Oronêl, Adrienne, Celebithiel und Kerry mit Aéd vom Gwathló


Die kleine Gruppe folgte Aéd und seinen Männern durch das Unterholz am Flussufer. Kerry warf einen letzten Blick zurück und sah die Avalosse hinter einem dichten, mannshohen Busch verschwinden. Ich hoffe, sie bleiben außer Sicht bis Oronêl die Lage geklärt und den Weg frei gemacht hat, dachte sie. Seitdem sie den Ring nicht mehr trug hatte eine innere Unruhe Kerry erfüllt und sie war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und neue Gegenden zu erkunden als immer nur auf dem kleinen Elbenschiff auf und ab zu laufen. Zwar machte sie sich Sorgen um ihre Familie, doch sie vertraute darauf, dass Mathan gut auf das Schiff aufpassen würde.

Kerry ging am Ende der Reihe, und Adrienne kam als Letzte hinter ihr. Oronêl und Celebithiel liefen neben Aéd und unterhielten sich angeregt mit dem jungen Krieger, der sie immer außer Sichtweite der Mauern Tharbads bis an den Rand eines großen Heerlagers führte, wo sich Zelt an Zelt reihte und an vielen Stellen Lagerfeuer brannten.
Aéd winkte den Wachen lässig zu, als diese die Gruppe bemerkten, und man ließ sie passieren. Während sie zielstrebig durch das Lager gingen, begann Kerry, sich mehr und mehr unbehaglich zu fühlen, denn obwohl die meisten Blicke den beiden Elben galten war es doch sehr deutlich zu sehen, dass es nur sehr wenige Frauen im Heerlager gab. Und nicht alle Blicke, die an Kerry und Adrienne hängen blieben waren freundlich - auch wenn keiner wirklich abweisend dreinblickte, ganz im Gegenteil sogar...
Adrienne packte den Griff ihres Schwertes fester und ging mit finsterem Blick neben Kerry her. "Mir gefällt es gar nicht, wo wir hier hinein geraten sind," wisperte sie.
"Mir auch nicht," gab Kerry ebenso leise zurück. "Das sind alles Dunländer... in meiner Heimat hört man nur sehr wenig Gutes über diese Leute. Sie sind wild und rachsüchtig. Und sie hegen seit Jahrhunderten einen tiefen Groll gegen Rohan und seine Bewohner."
"Dann wollen wir hoffen, dass sie dir deine Herkunft nicht ansehen," antwortete Adrienne.
Kerry hoffte das ebenfalls. Ihr Haar war heute nach Elbenart geflochten und sie trug ihre normale Reisekleidung, die genauso gut aus Rohan wie aus jedem anderen Land, in dem Menschen lebten, stammen konnte. Aber dennoch spürte sie, dass es unter den Dunländern hier durchaus einige gab, die in ihr eine Eorlinga erkannten.
"Wir können froh sein, dass die Dunländer sich gegenseitig bekämpfen," flüsterte Kerry Adrienne zu. "Sie waren schon immer Feinde der Rohirrim, und das letzte was Rohan jetzt gebrauchen kann ist ein neuer Angriff auf die Isenfurten."

Ehe Adrienne etwas erwidern konnte kamen sie an ein besonders großes Zelt, das von aufmerksamen Kriegern mit großen runden Schilden und schweren Äxten bewacht wurde.
"Sagt meinem Vater, dass ein alter Freund hier ist, um mit ihm zu sprechen," kündigte Aéd Oronêls Ankunft an. "Geht ruhig schon hinein," fuhr er an die Elben gewandt fort. "Ich sorge derweil dafür, dass sich die jungen Damen nicht langweilen."
Oronêl warf ihn einen zweifelnden Blick zu.  "Sollte ihnen etwas zustoßen..."
"Macht euch keine Sorgen. Das Wolfsrudel wird für die Sicherheit der beiden garantieren," versicherte Aéd. "Ich bringe sie wohlbehalten zurück, darauf habt ihr mein Wort, so wahr ich Aéd Forathssohn bin."
"Also gut," sagte Oronêl schließlich.

"Sie werden mit meinem Vater sprechen und wichtige Pläne machen," sagte Aéd an die Mädchen gewandt, während Oronêl und Celebithiel das Zelt betraten. "Kriegspolitik und solche Dinge liegen bestimmt nicht unbedingt in eurem Interesse. Lasst mich euch in der Zwischenzeit einen Rundgang durch das Lager anbieten und die einzelnen Stämme und Abteilungen des Heeres vorstellen." Er wartete gar nicht auf eine Antwort sondern ging gut gelaunt voran, während sich das Wolfsrudel in der nahen Umgebung zerstreute. Kerry warf Adrienne einen hilflosen Blick zu und folgte Aéd dann notgedrungen. Sie war zwar nicht sonderlich davon begeistert, dass er es sich herausnahm, ihre Interessen besser zu kennen als sie selbst, und eigentlich wäre Kerry auch gerne dabei gewesen wenn Oronêl mit dem Anführer der Dunländer Pläne schmiedete,  doch sie wusste, dass sie in ihrer momentanen Lage gut beraten wäre, im Lager nicht für Aufregung zu sorgen. Adrienne verdrehte die Augen und schien dasselbe zu denken. Eilig schlossen sie zu Aéd auf, der bereits ein Stück voraus gelaufen war.
"Der Stamm des Schildes lagert hauptsächlich in der Mitte des Heeres, weil er das herz unserer Rebellion gegen Saruman bildet," erklärte der junge Krieger, "Nach dem Tod Boráns, des vorherigen Häuptlings, stieg mein Vater Forath zum Anführer auf und schloss mit drei anderen Stämmen ein Bündnis, um unser Land von Sarumans schädlichem Einfluss zu befreien. Zwei Schlachten haben wir bereits geschlagen, und beide waren wir siegreich. Und jetzt haben wir unsere Feinde hier in Tharbad in die Enge getrieben."

Die Führung durch das Heerlager dauerte am Ende zwei Stunden, und Kerrys Füße begannen mehr und mehr zu schmerzen. Aéd hingegen schien unermüdlich zu sein und stellte jeden noch so kleinen Stamm und jede Gruppe vor, die sich Foraths Rebellen gegen Saruman angeschlossen hatten. Adrienne sah mit jedem Schritt genervter aus und stahl sich schließlich in einem unbemerkten Moment davon - Kerry stellte plötzlich fest, dass das gondorische Mädchen spurlos verschwunden war und hatte nicht mitbekommen, wo und wann es dazu gekommen war.
"Wo ist Adrienne?" fragte sie und unterbrach Aéds Nacherzählung der Geschichte und der Traditionen des Stammes des Stabes.
"Sie ist bereits vor einer halben Stunde zum Schiff zurück gekehrt," antwortete der junge Krieger seelenruhig. "Vermutlich war sie nicht ganz so interessiert der Zusammensetzung unseres Heeres wie du," sagte er. "Sag mal, wie heißt du eigentlich?" fragte er plötzlich und blieb stehen.
"Ténawen Morilië Nénharma von den Manarîn," sagte Kerry auf, und als sie Aéd hochgezogenen Augenbrauen sah fügte sie hinzu: "Wenn dir das zu schwierig zu merken ist, kannst du mich auch Kerry nennen." Ihren rohirrischen Namen wagte sie nicht zu nennen - nicht hier, inmitten einer wortwörtlichen Armee von Dunländern.
"Kerry also," wiederholte Aéd. "Ein schöner Name für eine schöne Dame. Wer ist denn der Glückliche, der sich deine Hand gesichert hat? Oder ist diese Position etwa noch offen?"
Kerry blinzelte mehrmals und fragte sich, ob sie sich verhört hatte. Doch es war wahr: Aéd hatte sie tatsächlich gerade einfach so gefragt, ob sie vergeben war. Kerry war sehr überrumpelt von dieser Frage und machte den Mund auf, um eine Antwort zu geben, doch ihr fiel keine Erwiderung ein.
"Aha, es ist also ein Geheimnis?" sagte Aéd lächelnd, der ihre Reaktion offenbar missverstanden hatte.
"Nein, nein," sagte Kerry schnell als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. "Es gibt niemanden. Meine Eltern würden das sowieso nicht erlauben."
"Soso, strenge Eltern, was?" sagte Aéd und lachte. "Das ist bei mir anders. Mein Vater vertraut mir und ich vertraue ihm." Er machte eine Pause und sagte dann: "Ich hoffe, die Führung hat dir gefallen, schöne Kerry?"
"Äh... ja, sicher," sagte Kerry unschlüssig. So direkte Komplimente wie Aéd sie gerade machte waren ihr etwas fremd und sie wusste gerade nicht, wie sie damit umgehen sollte. "Sehr freundlich von dir, Wolf," sagte sie und fiel wieder in ihre alte Gewohnheit, Namen direkt wieder zu vergessen.
"Ein Spitzname? Na du gehst aber ran," amüsierte sich Foraths Sohn. "Damit will ich natürlich nicht sagen, dass er mir mir gefällt. Das alles gefällt mir sogar ziemlich gut." Er kam ganz nahe und nahm Kerrys Hand, was sie für einen Augenblick aufgeregt erstarren ließ. Was macht er denn da? schoss es ihr dich den Kopf, der hochrot geworden war.
"Süß," kommentierte Aéd die Errötung, und endlich überwand Kerry ihre Starre. Sie riss die Hand etwas zu grob weg und machte einen Schritt rückwärts.
"T-tut mir leid," stieß sie hervor. "Ich sollte wohl zum Schiff zurück, ehe sich meine Eltern noch Sorgen um mich machen..."
"Und das wollen wir ja nicht," antwortete Aéd mit einem schiefen Lächeln. Kerrys Reaktionen schienen ihn nicht im geringsten verletzt zu haben. "Ich lasse dich zum Schiff eskortieren. Würde mich freuen, wenn wir uns mal wieder treffen würden."
"Ich weiß nicht," antwortete Kerry, ehe sie ging. Sie war zu durcheinander um weiter darauf einzugehen und war froh, dass Aéd nur wenige Worte mit ihr wechselt während er sie zurück zur Avalosse führte. Kerry wollte so schnell wie möglich aus den Augen der Dunländer verschwinden, ehe noch mehr von ihnen auf ähnliche Ideen wie Aéd kommen konnten...


Kerry zurück zum Gwathló
« Letzte Änderung: 15. Feb 2017, 11:18 von Fine »
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Eandril

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Re: Tharbad
« Antwort #4 am: 6. Feb 2017, 18:01 »
Als Oronêl und Celebithiel das dämmrige Zelt betraten, wandten sich ihnen sofort alle Gesichter zu, und Foraths ernste Miene verwandelte sich zu einem Grinsen.
"Ha, hier ist derjenige, durch dessen Hilfe wir Bóran losgeworden sind." Die anderen drei anwesenden Männer wirkten weniger begeistert, sahen die Elben allerdings mit verholener Neugierde an.
"Soweit ich mich erinnere, wäre ich ohne deine Hilfe ein wenig länger in Bórans Kerker geblieben", erwiderte Oronêl lächelnd, und packte den Arm, den Forath ihm darbot. "Wie ich sehe, führt ihr euren Krieg recht erfolgreich."
"Bis heute zumindest", knurrte einer der anderen Männer mit einem buschigen Bart. "Und jetzt haben sich unsere Feinde wie Ratten hinter diesen Mauern verkrochen und wir können sie nicht erreichen."
Forath warf ihm einen tadelnden Blick zu und erklärte: "Corgan, Häuptling des Stammes des Stabes. Und auch wenn ich es anders ausgedrückt hätte, hat er nicht Unrecht - offene Feldschlachten sind eine Sache, doch Belagerungen sind eine andere."
Oronêl wechselte einen Blick mit Celebithiel, die entschlossen nickte. "Wie können wir helfen?"

Einige Zeit später hatten sie ihren Plan gefasst. Während Forath und Corgan mit ganzer Kraft die Mauern von Tharbad angreifen würden, würden Oronêl und Celebithiel unterstützt von Aéd und einigen wenigen seiner Männer heimlich in die Stadt eindringen und sich zum Tor durchschlagen, um es für das Hauptheer zu öffnen. Die Avalosse würde als zusätzliche Ablenkung den Hafen von Tharbad angreifen, wobei Forath so viele seiner Männer wie möglich abstellen würde um Mathan, Finelleth und Halarîn zu unterstützen.
Als der Plan beschlossen war, verließen die anderen Häuptlinge das Zelt, und ließen Forath alleine mit Oronêl und Celebithiel zurück.
"Also", begann der Häuptling. "Du scheinst einiges erlebt zu haben seit du Dunland verlassen hast - damals hast du noch fünf Finger an der linken Hand gehabt."
"Einiges", bestätigte Oronêl, und hob die Linke. "Ein Andenken von einem alten Feind. Aber er ist tot und ich nicht, also denke ich, dass ich besser aus der Sache herausgekommen bin."
Forath lachte. "Mit Sicherheit. Wir für unseren Teil haben auch den ein oder anderen Kampf durchgestanden, zuletzt vor etwa zehn Tagen."
In diesem Moment betrat sein Sohn Aéd das Zelt, und Forath meinte: "Wie aufs Stichwort, der Held der Stunde."
Aéd wirkte verlegen und murmelte etwas von "Pflicht" und "Nicht mein Verdienst", und Forath erklärte: "Ich hatte vor der Schlacht einen Fehler gemacht, und dem falschen Mann vertraut - was uns beinahe den Sieg und das Leben gekostet hätte, wenn Aéd die Sache nicht noch herumgerissen hätte." Er wirkte äußerst stolz auf seinen Sohn, der seinem Blick jedoch erneut auswich und gedankenverloren auf die sich im Wind bewegende Zeltplane starrte. Irgendetwas schien den jungen Krieger zu beschäftigen, und auch Forath hatte es bemerkt, denn er sagte an seinen Sohn gewandt: "Du wirkst, als hättest du einen Geist gesehen. Was ist los?"
Aéd atmete tief durch, und blickte Oronêl an. "Dieses Mädchen, Kerry... ist sie schon lange mit euch unterwegs?"
"Seit der Schlacht von Fornost", erklärte Oronêl. "Also seit etwas über einem Monat. Warum?"
"Ich... weiß nicht recht", erwiderte Aéd unsicher. "Sie kommt mir bekannt vor, so als ob... ich sie zuvor gesehen hätte."
"Ihr Volk hat wenig mit den Dunländern zu tun, glaube ich...", meinte Oronêl langsam. "Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass..." Aéd unterbrach ihn, wobei seine Augen einfach an ihm vorbei in weite Ferne zu blicken schienen.
"Ich meinte nicht, dass ich ihr begegnet bin." Er sah den fragenden Ausdruck in den Gesichtern der anderen, und erklärte langsam und ein wenig widerwillig: "Ich hatte vor einiger Zeit einen Traum, der teilweise die Wahrheit gezeigt hat."
Oronêl erwartete eigentlich, dass Forath über die Worte seines Sohnes lachen würde, doch dieser nickte nur ernst und meinte: "Brigid hat hin und wieder ähnliche Träume." Auf Oronêls fragenden Blick hin erklärte er: "Meine Frau - nicht Aéds Mutter. Seine Mutter war die Tochter eines reichen Bauern aus Gondor, und sie ist... schon lange tot." Er wandte sich wieder seinem Sohn zu. "Du hast mir vor der Schlacht davon erzählen wollen, und wolltest mich vor Gleryons Verrat warnen, doch ich habe nicht zugehört. Was gibt es noch?"
"Nun...", sprach Aéd zögerlich weiter, während Oronêl aufmerksam lauschte. Er erinnerte sich daran, selbst nach dem Gottesurteil einen Traum gehabt zu haben, der ihn nach Fornost geführt hatte. "Da war eine Frau, die zu mir sprach. Sie war in ein weißes Gewand gekleidet, blond und sehr schön - und gleichzeitig irgendwie traurig und weise."
Celebithiel, die bei Aéds Worten aufgehorcht hatte, sagte leise: "Galadriel."
"Ihr wisst von wem er spricht?", fragte Forath verwundert, und beide Elben nickten.
"Sein Traum zeigt die Wahrheit, ich bin mir sicher", erwiderte Celebithiel. "Er hat die Herrin Galadriel gesehen. Was hat sie gesagt?"
"Sie zeigte mir, was weiter im Osten droht", fuhr Aéd fort, jetzt sicherer, da klar war, dass alle Anwesenden ihm Glauben schenken würden. "Und sie forderte mich auf, die Menschen Dunlands gegen den Schatten zu vereinigen."
Forath wirkte besorgt, als er einwarf: "Wir kämpfen gemeinsam, doch einig sind wir nicht wirklich. Vielleicht war es ein Fehler, das Amt des Wolfskönigs nicht zu beanspruchen, doch diese Dinge sollten geklärt werden, wenn Tharbad unser und dieser Krieg vorüber ist."
"Ich verstehe nicht ganz, was das mit Kerry zu tun hat", meinte Oronêl, und Aéd schüttelte langsam den Kopf. "Ich ebenfalls nicht, aber... ich glaube, ich habe sie in diesem Traum gesehen. Da waren Bilder, die zu schnell wechselten um sie zu erkennen, doch jetzt, wo ich ihr begegnet bin... Ja, ich bin mir sicher, dass sie es war. Und... sie ist schöner als ich geträumt habe."
Oronêl musste seine Belustigung mühsam verbergen. Er hatte davon gehört, dass Kerry einige Zeit für den Dúnadan Rilmir geschwärmt hatte - offenbar hatte sie nun selbst einen Verehrer. Forath dagegen kannte keine solche Zurückhaltung, lachte stattdessen herzhaft. "Mein Sohn ist verliebt, und das nach einer Begegnung! Ist das zu glauben?"
Man musste es Aéd lassen, er errötete kein bisschen, auch wenn sie Situation ihm sichtlich peinlich war, und erwiderte: "Ich weiß nicht. Vielleicht. Aber ich weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Ich war offen und vielleicht ein bisschen voreilig und... ich scheine sie ein wenig verschreckt zu haben."
Oronêl konnte ein leichtes Lächeln nicht länger zurückhalten - aber nicht, weil er über Aéd lachen musste, sondern weil es ihn an seine eigenen Schwierigkeiten erinnerte, als er begonnen hatte, um Calenwen zu werben.
"Kerry... hat einige schreckliche Dinge erlebt und Freunde verloren", sagte er. "Und ich glaube, sie ist es nicht gewohnt, dass jemand sich für sie interessiert. Sie braucht Freundlichkeit und Wärme, und das Gefühl, dass sie nicht weniger wert ist als andere."
"Wir sollten uns allmählich auf den Rückweg machen", meinte Celebithiel, während Aéd über Oronêls Worte nachzudenken schien, und Oronêl nickte.
"Ja, wir sollten den anderen von dem Angriffsplan berichten", stimmte er zu. "Und, Aéd..." Foraths Sohn hob den Kopf, und blickte Oronêl fest an. "Wenn es dir ernst ist mit Kerry, wünsche ich dir viel Glück - aber vergiss nicht, dass du auch Mathan überzeugen musst."
Aéd nickte ernst, und als Oronêl mit Celebithiel das Zelt verließ, hörte er Forath sagen: "Hast du es schon mit Blumen versucht? Frauen lieben Blumen. Brigid zum Beispiel..."

Oronêl und Celebithiel zurück zum Gwathló
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Curanthor

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Eine Ablenkung
« Antwort #5 am: 7. Feb 2017, 04:40 »
Mathan, Halarîn, Kerry, Adrienne und Finelleth mit den Dunländern auf der Avalosse vom Gwathló kommend.

Je näher sie der Stadt kamen, umso deutlicher wurde es, dass sie besetzt war, denn die Banner der Weißen Hand hingen überall deutlich zu sehen. Mathan meinte im Kopf zu haben, dass es gestern nicht so viele waren, schüttelte aber den Eindruck rasch ab. Konzentration war der Schlüssel. Die meisten Dunländer drängelten sich unter Deck, wobei der Elb sehr deutlich gemacht hatte, dass sie die Frauen an Bord nicht anfassen oder einen falschen Blick zuwerfen sollen. Die Konsequenzen ließ er unausgeprochen, doch die Kälte in seiner Stimme schien jeder verstanden zu haben. Zusätzlich hatte der Anführer der Dunländer für seine Männer gebürgt, was Mathan mit einem zufriedenen Nicken quitierte, ehe sie unter Deck verschwanden. Nur eine Hand voll Dunländer waren an Deck geblieben und Mathan in einige grobe Leinen verhüllt. Er hoffte, dass das Theater funktionierte und lugte zwischen den Stoff hervor, der seine elbischen Gesichtszüge verdeckte. Ein scharfer Ruf ertönte, doch das Schiff fuhr nicht langsamer. "Diese Stadt steht unter Sarumans Schutz! Wer seit ihr und was wollt ihr?", fragte einer der Wächter laut.
"Wir haben das Schiff auf dem Fluss gekapert und wollen heimkehren!", antwortete der Anführer der Gruppe Dunländer laut und klang dabei sogar glaubhaft. Mathan mutmaßte, dass der Mann wohl aus Tharbad kam, sonst würde er nicht die Männer in eine fremde Stadt führen. Er wusste es aber nicht, sondern achtete gebannt auf die Antwort des Wachmannes. Dieser schien sich noch kurz zu Unterhalten, wärend das Schiff kaum langsamer wurde. "Also gut, aber ihr legt sofort am Hafen an, wo wir eure Geschichte überprüfen!", rief der Wächter und winkte seinen Bogenschützen, die ihre Waffen senkten. Der Elb atmete erleichtert auf und tat so, als ob er einige der nassen Laken aufräumen würde, was er natürlich nicht tat. Die Gefahr entdeckt zu werden war nun am höchsten und das wusste jeder an Bord.

Die Avalosse passierte die Stadtmauer und aus den Augenwinkel sah er, wie einige Bogenschützen parallel zum Schiff liefen. Mathan zählte sechs und war sich sicher noch mehr würden in der Nähe sein. Seine empfindlichen Ohren nahmen lautes Fußgetrappel war, er schloss die Augen und konzentrierte sich. Dabei fasste er unwillkührlich an das Medallion seiner Mutter, das gut unter seiner Tarnung verborgen lag. Vier..., dachte sich Mathan und wandte den Kopf zum Westufer. Sechs, zwei, neun und drei, zählte er die Schritte, die ihnen folgten und schloss auf vierundzwanzig Bogenschützen. Leise flüsterte er die Anzahl an den nächsten Mann weiter und wie zuvor abgesprochen verbreitete sich die Nachricht auf dem Schiff. Vereinzelt konnte der Elb sogar einige Orks und Uruks in den Straßen Tharbads erkennen, doch meistens waren es Schufte von Saruman, der hier sämtlichen Abschaum des Nordens gesammelt hatte. Ganz selten erblickte Mathan einen Bewohner Tharbads, die sich in ihren Häusern verschanzt hatten, anhand ihren Augen erkannte er, dass sie nicht glücklich über die Besetzung waren. Er hoffte, dass die Dunländer den Unterschied erkennen würden. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Aufforderungen zum Andocken gerufen worden. Vor ihnen lag ein größerer Hafen, der wohl eine ganze Zeit lang als Umschlagplatz von irgendwelchen Waren gedient haben musste. Hier können einige Schiffe der Manarîn anlanden, schoss es Mathan durch den Kopf und er schätzte, dass an jedem Schiff etwa fünzig Elben passen würden. Immerhin mehr als das, was sie nun an Leuten dabei hatten. Seine Vermutung, dass sie erst Lond Daer einnahmen war wohl zutreffend, sonst hätten die Manarîn sie schon lange eingeholt. Mathan erhob sich, während die sechs Bogenschützen auf den Kai kamen, an denen sich dutzende Kisten, Fässer und allerlei Gerümpel stapelte. Sie ankerten am Ostufer, was ihnen sehr gelegen kam, so hatten sie eine gute Ausgangsposition und würden einige der Männer an den westlichen Wällen weglocken. Rasch blickte sich der Elb um, wärend die sechs Männer an Bord kamen, von den restlichen achtzehn Männern, die sie in die Stadt begleitet hatten, konnte er elf erfassen. "He du, zeig uns dein Gesicht", sprach ihn der Hauptmann der Bogenschützen an.
"Der ist taub", antwortete der Anführer der Dunländer rasch und blickte unauffällig zu seinen Männern.
"Dann wollen wir herausfinden, ob das auch stimmt", sagte der Bogenschütze und trat auf Mathan zu. Der Mann griff nach dem Leinen und zog daran. In einer fließenden Bewegung zog Mathan seine Silmacil und legte sie den Kerl an die Kehle, dabei drückte er ganz leicht. Dieser verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als die eisigen Klingen in dessen Fleisch schnitten. Seine Lippen liefen blau an, sämtliche Farbe wich aus dem Gesicht des Anführers der Bogenschützen. Zitternd wandte sich der Kerl zu seinen Männernum, die ihn mit Grauen anstarrte, als das gefrorene Blut wie Zapfen aus seiner Wunde trat. "Los!", rief Mathan und die Dunländer zögerten keinen Augenblick den Schockmoment auszunutzen. Sie zogen ihre Waffen und machten die verbliebenden fünf Bogenschützen nieder. Einige Pfeile schlug auf das Deck ein, einer ihrer Männer fiel in den Fluss. Pfeile steckten in seinem Rücken. Die restlichen Dunländer stürmten an Deck und sprangen an Land, wo ihnen neun Diener der Weißen Hand entgegenkamen. Ein kurzes, aber heftiges Gefecht am Hafen entbrannte, bei denen noch wenige Dunländer verletzt wurden. Die Truppen der Stadt ware schlecht ausgerüstet und nicht gut ausgebildet. Brüllen sprang ein Uruk von einem Haus auf einen der Verladekräne und rannte über den langen Holzbalken. Das Schwert zum Schlag erhoben sprang er auf die Avalosse, während er im Flug vom einem Pfeil durchbohrt wurde. Grunzend schlug er der Länge nach auf. Mathan eilte zu ihm und stach den Uruk in den Nacken. Halarîn hatte bereits einen neuen Pfeil auf der Sehne und tötete einen der zwei Bogenschützen am Westufer, wärend der Anere auf sie anlegte. Mathan sah die Gefahr kommen und machte einen Sprung nach vorn, dabei zerschlug er den Pfeil des Bogenschützen, den seine Frau im selben Moment tötete. Er rollte sich über das Vordeck ab und kam geschwind auf die Füße. Adrienne zog Kerry auf die Füße, die sie zuvor zu Boden gezogen geworfen hatte. "Gut gemacht! Jetzt auf den Kai mit euch und verschanzt euch zwischen den Kisten. Der Kampf am Hafen fängt gerade erst an, wir müssen mehr Aufmerksamkeit erregen.", erklärte Mathan und sprang auf den Kai, wo bereits sechs der neun Stadtwachen tot am Boden lag. Nur zwei der Dunländer war gefallen, drei wenn man den Mann mitzählte, der von Bord gefallen war. Wahrscheinlich hat Forath ihnen die erfahrenen Männer geschickt, wofür Mathan nun froh war. Zwei große Gruppen von Feinden erreichten den Hafen, davon eine Horde Orks. Kurz blickte er zu den drei Frauen und biss die Zähne zusammen. "Geh, wir schaffen das schon", sagte seine Frau, die gerade Kerry auf den Kai half. Geduckt geleitete Mathan sie zu einigen Fässern und Kisten, die eine guten Schutz vor Bogenschützen bot. Halarîn legte sogleich einen Pfeil auf die Sehne, beiläufig bemerkte Mathan das Elbenschwert an Kerrys Hüfte und runzelte die Stirn. Er schenkte seiner Tochter ein kurzes Lächeln, dann wandt er sich ab. Nun, da er seine Familie an einemeinigermaßen sicheren Platz wusste, konnte er seine Fähigkeiten voll ausspielen. Er schloss zu den Dunländern auf, der Anführer trat einen seiner Gegner zu Boden und deutete mit einem Kopfnicken zu der Orkmeute, die die lange Straße heruntergelaufen kam. Mathan verstand und ließ seine Schwherter kreisen, "Die übernehme ich, kümmert euch um die rechte Flanke. Niemand soll bis zum Schiff vordringen.", sagte er grimmig und spürte den bekannten Zorn in seinem Blut, sein Temperament begann sich zu regen. Doch diesmal war es eine kalte Welle, die seinen erfasste. Er wollte seine Familie beschützen und ihnen zeigen, dass er es konnte. Einen letzten Blick warf er über die Schulter, sah Halarîn in ihre wundervollen Augen, in Kerrys sorgen- und angsterfüllte türkisen Augen und Adriennes ernster Mine. Dann ließ er sich von der Kälte davontragen. Zwei Orks sprangen ihn gleichzeitig an. Er ging in die Hocke, spießte sie durch den Torso auf und schleuderte sie zu Boden. Mit einem Ausatmen zog er langsam seine Ránceti, während die Simacil in den Leichen der Orks steckten. Dann atmete er ein und warf die schwarzen Schwerter in die Luft und fing sie wieder auf, dabei wechselte er zum Stil mit umgekehrten Griff, sodass die Klingen an seinen Unterarmen lagen und die Schneiden von ihm weg zeigten. Kalt lächelnd hielt der die Ránceti mit dem Daumen fest und griff nach den Silmacil. Die Griffe der Schwerter schmiegten sich aneinander und er packte zu. Ein bläulicher Schimmer legten sich über die matt-schwarzen Klingen, dann waren die restlichen Orks heran und Mathan ließ jegliche Vorsicht fahren.

Adrienne stand hinter einem Fass und hielt ihr Schwert quer vor der Brust, ein Pfeil bohrte sich dumpf in ihre Deckung, woraufhin sie sich duckte. Halarîn erhob sich und ließ ihrerseits einen Pfeil von der Sehne schnellen. Schreien fiel der Bogenschütze, der auf einem ausgebrannten Haus stand in die Tiefe.  Die Elbe blickte sich rasch um und sah eine große Glocke am Ende des Kais, zu dessen Zugang die Dunländer mit der feindlichen Verstärkung ein erbitterten Kampf führten. Noch sah es so aus, als ob ihre Verbündeten durchhielten. "Adrienne, wenn es soweit ist, läutest du die Glocke", sagte Halarîn schließlich und fixierte ihren Mann, der gerade bei den Anführer der Dunländer angekommen war. Sie schienen zu eine der Seitenstraßen zu blickten, auf der soeben eine Horde Orks auftauchte. Mathan hielt eben auf jene Orks zu. "Wir müssen ihm helfen!", rief Kerry sogleich, doch Halarîn schüttelte den Kopf und lugte hinter der Kiste hervor und beobachte Mathan.
Er tötete zwei Orks und was danach geschah, ließ sogar Halarin überrascht die Brauen hochziehen. "Zieht er gerade noch die anderen Schwerter?", fragte Adrienne verblüfft. Die Antwort erübrigte sich, als der Elb tatsächlich nach den Silmacil griff und mit vier Schwertern in den Händen zum Angriff überging. Eine Klinge in jeder Hand nach vorn, die andere nach hinten gerichtet, sprang Mathan inmitten unter die Orks und drehte sich einmal um die eigene Achse. Dabei trennte er Gliedmaßen ab, zerschnitt Körper und ließ das Blut nur so spritzen. Er parierte einige Hiebe, trat um sich und nutzte jede Deckung. Adrienne blieb der Mund offen stehen, noch nie hatte sie einen Mann gesehen, der es mit zehn Gegner aufnahm und den Kampf dominierte.
"Kämpft er immer so?", fragte sie und erhielt nur schweigendes Kopfschütteln.
Halarîn riss sich von dem Anblick los und schaltete zwei weitere Bogenschützen aus, die sich am Westufer postiert hatten. "Ich schätze er kämpft uns einen Weg frei und will uns beweisen, dass er seine Familie beschützen kann.", erklärte die Elbe und zog die Sehne ihres Bogens bis zu Wange. Kurz hielt sie die Luft an und zielte auf einen Ork, der sich hinter Mathan geschlichen hatte. Sogleich ließ sie den Pfeil von der Sehne, als der Orks zum Hieb ausholte. Ihr Schuss traf und durchschlug den Kopf. Sofort legte sie einen neuen Pfeil auf und schoss erneut, traf aber nur den nächsten Ork an der Schulter, der herumgerissen wurde. Immerhin blieb Mathans Rücken frei von Feinden so gut es ging, da er wie ein Wirbelwind sich durch die Gegner drehte. Sie müsste nochmal mit ihm schimpfen, seinen Kampfstil anzupassen, nun, da er Kerry Vorbild ist. Doch selbst sie musste zugeben, dass sie einen Kampfstil mit vier Klingen noch nie gesehen hatte, dabei waren sie schon sehr lange zusammen.

Ein Quiken und Kreichen hallte in seinen empfindlichen Ohren, doch Mathan versuchte es so gut es ging zu ignorieren. Unter den Augen Kerrys zu kämpfen fühlte sich ganz anders an, als zuvor. Selbst Faelivrin hat ihn nicht kämpfen sehen. Er würde beweisen, dass er ihr Vater sein kann und ihr zur Hilfe kommen kann, wenn sie sie braucht. Das bekannte Geräusch von seinem Pfeil, der einen Körper durchbohrte drang an seine Ohren und Mathan machte einige schnelle Drehungen und ließ dabei seine Klingen durch die vorn stehenden Orks fahren. Leider hatte er nicht genug Kraft aufgewendet und blockte zwei schartige Schwerter, die auf seinen Kopf zielten. Er machte eine Rolle zurück und blickte sich rasch um. Sechs Orks lagen tot im schwarzen Blut, drei krochen mit abgetrennten Gliedmaßen auf dem Boden und zwei bluteten aus tiefen Wunden. Ihm standen noch fünf Gegner gegenüber. Ein Pfeil durchbohrte einem Ork die Schulter. Vier und ein Halber, dachte er sich schmunzelnd und blickte rasch zum Kai, wo er Halarîn mit ihren Bogen entdeckte. Die Kälte verkoch sich langsam aus seinem Körper und sein Temperent versiegte. Die restlichen Orks schienen unschlüssig zu sein, wahrscheinlich hatte er den Anführer der Horde getötet. Ihm war es egal, mit einem Satz sprang nach vorn und stach dem verletzten Ork durch die Schulter, wo Halarîn ihn zuvor getroffen hatte, gleichzeitig führte er mit der anderen Hand einen Rückhandhieb. Das Silmacil durchtrennte Arm, Schulter und die Hälfte des Kopfes, von Halarîns Opfer. Der Rückhandhieb traf in eine der Wunden von einem verletzten Ork. Mathan ließ die Klinge fahren und blockte einen wuchtigen Hieb gegen seine Brust. Er zog die andere Hand nach vorn und die rückwärtige Klinge über die Kehle des Angreifers. Schwarzes Blut sprudelte hervor und Mathan trat ihn angewidert von sich, in die verbliebenden Orks. Eine Taktik, die Anastioras gern verwendete, Gegner mit den Leichen der Getöteten behindern. Der Effekt war überraschend effektiv. Die drei Orks stießen den Kadaver von sich und Mathan sprang hinterher. Seine Füße krachten gegen das Kinn eines Feindes, dessen Kiefer brach, rasch rollte er sich ab und achtete dabei nicht in einer Blutlache zu landen. Ein Hieb mit einem unförmigen Hammer verfehlte seinen Kopf dabei nur knapp. Fluchend kam er auf die Beine und versenkte die verbliebende rückwärtige Klinge der Ránceti mit einem Rückhandhieb in der Brust des vorletzten Orks.
Ehe Mathan etwas machen konnte, rannte der verbliebende Ork davon. Ein bekanntes Sirren ertönte, dass unter den Kampfeslärm kaum zu vernehmen war. Der Ork brüllte kurz, dadurch gewarnt warf der Elb sich zu Boden, zwischen die Leichen. Pfeile zischten über seinem Kopf hinweg, einer streifte schmerzhaft über seinen Nacken. Bogenschützen!, fluchte er leise und unterdrückte seinen Zorn. Flink kam Mathan auf die Beine, riss seine Schwerter aus den Leichen und rannte in Deckung, wärend weitere Pfeile an ihm vorbeipfiffen. Mit einem Hechtsprung brachte er sich in Sicherheit und landete in einer engen Gasse. "Na, auch mal da?", fragte Halarîn grinsen und ließ ihn zusammenzucken.
"Wo kommt ihr denn her?", stellte die Gegenfrage und rappelte sich mühsam aus.
Besorgt tastete seine Frau über seinen Nacken, Schulter und den rechten Unterarm, wo sich kleine Schnitte und Schrammen befanden.
Sie befand es für nichts Schlimmes und erzählte mit knappen Worten: "Während deinem Kampf sind die Dunländer siegreich gewesen und sind ausgeschwärmt. Wir sind kurz nachdem du den drittletzten Gegner vor dir hattest hierhin gelaufen."
Der Elb nickte schwach und keuchte erschöpft. "Sind Elben immer so nach Kämpfen erschöpft" Die Frage Adriennes ließ Mathan entschieden den Kopf schütteln. "Nein aber der Kampfstil... er verbraucht viel Kraft. Ich kann ihn nicht oft einsetzen, er strapaziert die Muskeln in den Händen und Armen sehr stark."
"Die Schwerter zu halten. Mit deinen großen Händen geht das ja, mit würde es nicht gelingen", stellte die Gondorerin bewundernd fest.
"Wir sollten verschwinden und woanders Unruhe stiften, der Hafen ist ein Blutbad. Außerdem werden die Bogenschützen gleich hier sein", befand Halarîn, während sie Mathan auf die Beine half. Dieser nickte schließlich und verstaute die Ránceti in den Schwertscheiden auf dem Rücken. Die Silmacil behielt er in den Händen und prüfte den Griff. Etwas geht noch, dachte er sich zufrieden und dankte innerlich seinem Vater für die harte Ausbildung. Sein Blick ging zu Kerry und er schenkte ihr ein warmes Lächeln, das für ihn und sie wie ein Auge um Sturm sein musste. Ruhig und sehr geborgen. Mathan war froh eine Familie zu haben, dem wurde er sich in der letzten Zeit immer mehr bewussst.
« Letzte Änderung: 14. Feb 2017, 17:35 von Fine »

Eandril

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Re: Tharbad
« Antwort #6 am: 7. Feb 2017, 12:56 »
Oronêl und Celebithiel von der Avalosse

Oronêl hockte unterhalb der alten Mauern von Tharbad, den Rücken fest an die Steine gepresst. Vor dem östlichen Teil der Mauer waren Büsche und Bäume sehr sorgfältig beseitigt worden, und dort war ein heimliches Anschleichen vollkommen unmöglich, doch im Westen, nahe des Flusses, kam die Vegetation dicht an die Befestigungsanlagen heran. Oronêl, Celebithiel, Aéd und zwei seiner Männer, die er als seinen Vetter Domnall und Muird aus dem Stamm des Gewandes vorgestellt hatte, hatten diese Deckung genutzt, um ungesehen nahe an die Mauern zu gelangen, und im passenden Moment war Oronêl von den Büschen hinüber an die Mauer gehuscht.
Nun wartete er ab, lauschte gespannt auf die Geräusche vom Hafen - die sehr bald kamen. Von Norden, aus der Richtung des Hafens, wehten leise Kampfgeräusche an seine empfindlichen Ohren, der Klang von Stahl auf Stahl und die Schmerzens- und Todesschreie der Verwundeten. Oronêl gab seinen etwa zehn Meter entfernt im Gebüsch versteckten Gefährten ein rasches Zeichen, dass über eine Kette aus Posten bis an Forath weitergegeben würde - das Zeichen zum Angriff.
Nur wenig später sah er weiter im Osten Foraths Männer wie eine Welle gegen die Stadtmauer anbranden, und hörte ihr Kampfschreie. Sie legten rasch gefertigte Leitern an die Mauern an, und warfen Seilschlingen an denen sie hinaufklettern konnten, doch gegen eine entschlossen verteidigte Befestigung würde das nicht ausreichen - doch das musste es auch nicht, wenn alles glatt ging.
Als Celebithiel ihm aus den Büschen heraus mit einer Geste bedeutete, dass ihre Vermutung eingetroffen und ein Großteil der Wachen abgezogen war um entweder den Hafen oder den östlichen Teil der Mauer zu unterstützen, löste Oronêl ein Seil von seinem Gürtel, in das eine breite Schlinge gebunden war.  Einen zielsicheren Wurf später hatte sich die Schlinge um eine der Zinnen gelegt, und Oronêl begann, daran gewandt die Mauer hinaufzusteigen. Etwa auf halber Höhe angekommen, hörte er von oben eine verwunderte Stimme "He, was ist..." sagen, ersetzt von einem dumpfen Aufschlag und einem erstickten Gurgeln.
Er warf kurz einen Blick zurück, wo der Dunländer mit dem Namen Domnall gerade wieder hinter seiner Deckung verschwand, den Bogen in der Hand. Oben angelangt spähte Oronêl kurz über die Mauerkrone, zog sich dann hinüber und landete auf dem Wehrgang. Dieser Teil der Mauer war beinahe komplett leergefegt, bis auf die Leiche zu seinen Füßen und einigen Wächtern weiter östlich in der Nähe des Tores. Diese blickten jedoch die ganze Zeit nach Osten auf Foraths Heer, von wo immer heftigerer Schlachtenlärm zu hören war. Auch vom Hafen kamen wieder laute Kampfgeräusche, nachdem für einen kurzen Moment Stille geherrscht hatte. Anscheinend kümmerten Mathan und Finelleth sich um die inzwischen eingetroffene Verstärkung.
Oronêl winkte seine noch immer verborgenen Gefährten heran zum Zeichen, dass die Mauer unbewacht zurückgelassen worden war, und einer nach dem anderen verließen sie ihre Deckung und kletterten das Seil hinauf - Celebithiel trotz ihrer silbernen Rüstung ohne jegliche Schwierigkeit und ebenso schnell wie er selbst, Aéd und seine Männer ein wenig langsamer aber ebenso problemlos.
Oben angekommen schüttelte Aéd den Kopf. "Also wirklich. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Ablenkung so gut funktioniert."
"Ich ebenfalls nicht", bestätigte Oronêl, während er bereits die Mauer entlang in Richtung einer der Treppen ging. Sie durften nicht zögern, denn sonst würden Foraths Männer im Osten aufgerieben werden, und Mathan und Finelleth hatten am Hafen und in der Stadt eine Übermacht gegen sich, gegen die selbst sie nicht ewig siegreich bleiben konnten.
"Die Verteidiger haben ebenso wenig Erfahrung im Verteidigen wie eure Männer im Angreifen einer Festung", meinte Celebithiel ruhig. "Und eine Ablenkung von zwei Seiten ist zu viel für sie."

Auf ihrem Weg zum Tor trafen sie nur zwei Mal auf Widerstand. Das erste Mal war eine Truppe Orks auf dem Weg zu Hafen, die von der Begegnung überraschter zu sein schien als sie selbst, und nur wenig Gegenwehr leisteten. Das zweite Mal trafen sie auf eine Gruppe Dunländer und anderer Menschen in Sarumans Diensten, die sich deutlich besser zu wehren wussten.
Während die drei Dunländer auf ihrer Seite gemeinsam kämpften - vermutlich hatten sie oft Gelegenheit gehabt, das zu üben - griffen Oronêl und Celebithiel einzeln an, rissen die Gruppe der Feinde auseinander und töten ihre Gegner einzeln und leise. Oronêl kämpfte gerade gegen einen Hünen mit einer gewaltigen Streitaxt, als ihm ein kleinerer Mann auffiel, der sich rückwärts aus dem Kampf zurück zog. Er wich einem mächtigen Schlag seines Gegners aus, hieb ihm die Axt in die Seite und rammte ihm gleichzeitig den rasch gezogenen Dolch in dir Brust. Als der Hüne mit einem dumpfen Krachen zu Boden ging, blickte Oronêl sich rasch nach dem Flüchtigen um, konnte ihn aber nirgends entdecken.
Er stieß einen leisen Fluch aus, während neben ihm Celebithiel sich ihrer beiden letzten Gegner entledigte und ihr rotes Haar dabei wie Flammen um sie herumwirbelte. Auch die Dunländer hatten ihre letzten Feine niedergestreckt, wobei Aéd einen blutigen Schnitt am rechten Arm davon getragen hatte. Auf Oronêls Blick hin bewegte er den Arm, und meinte: "Schmerzhaft, aber ich kann weitermachen. Aber du siehst trotzdem nicht zufrieden aus."
Oronêl schüttelte den Kopf und steckte seinen Dolch zurück in die Scheide. "Einer von ihnen ist entkommen, wird vermutlich seinem Kommandanten berichten, und wenn der nur halbwegs Verstand besitzt, wird er erraten, weshalb wir hier sind. Wir müssen uns beeilen."
Sie eilten die Straße, die parallel zur Mauer verlief entlang, und als sie in die Nähe des Tores kamen blieb Celebithiel, die voranging, abrupt stehen und presste sich an eine Hauswand. Oronêl tat es ihr gleich, und spähte dann kurz um die Ecke auf den Platz hinter dem Tor. Seine Befürchtungen hatten sich erfüllt, denn dort hatte sich eine große Gruppe Uruks und Menschen versammelt, die wachsam in alle Richtungen Ausschau hielt. Hier war auch der Lärm der Schlacht deutlich besser zu hören, und über das Getöse glaubte Oronêl Foraths Stimme zu hören, die laute Befehle gab.
"Wir müssen hart und schnell zuschlagen", meinte Celebithiel, und das Amulett unter ihrer Rüstung schien dabei ein wenig mehr zu leuchten als üblich. Oronêl hatte sie nie danach gefragt, doch es schien ihr und allen in ihrer Nähe Mut zu geben, auch wenn der Schein etwas gedämpft wirkte, seit die Narya nicht länger trug.
"Uns bleibt wohl keine andere Wahl", erwiderte Oronêl. Er hatte damit gerechnet, dass sie kämpfen müssten, doch er hatte gehofft, ihre Feinde bis zum Tor hin überraschen zu können. "Wer die Möglichkeit sieht, öffnet das Tor."
Die Dunländer nickten entschlossen, und Celebithiel lächelte, und dann griffen sie an.

Trotz der ernsten Lage genoss Oronêl es, zum ersten Mal seit Monaten wieder an Celebithiels Seite zu kämpfen. Sie tötete rasch und ohne große Bewegungen, doch schien dabei von innen heraus leicht zu schimmern - ein Anblick, der ihm bereits in Dol Amroth im Angesicht des Nazgûl Mut gemacht hatte. Oronêl hieb einem Uruk die Klinge seiner Axt seitlich in den Schädel, befreite sie mit einem Ruck und einem ekelerregenden Knirschen, und wich vor dem unsicher geführten Schwerthieb eines wild aussehenden Dunländers zurück. Dann rammte er dem Mann das Ende seines Axtstiel frontal in den Bauch, was zwar nicht viel Schaden anrichtete, aber ihm die Gelegenheit bot, seine Klinge auf den entblößten Nacken seines sich krümmenden Gegners niedergehen zu lassen.
In einer kurzen Atempause sah er Aéd und Domnall Rücken an Rücken kämpfen, während Muird den schweren Torriegel anhob. Doch völlig beschäftigt mit seiner Aufgabe bemerkte der junge Dunländer den Gegner, der sich von hinten näherte, zu spät, und bevor Oronêl einen Warnruf ausstoßen konnte, hatte der Feind Muird sein Schwert bereits mit ganzer Kraft in den Rücken gerammt. Im nächsten Augenblick waren Oronêl und Celebithiel bei ihm, und obwohl Celebithiel den feindlichen Dunländer mit einem raschen Hieb tötete, war es zu spät. Muird war tödlich verwundet zu Boden gegangen, und der Torriegel war wieder herunter gefallen.
"Öffnet das Tor", sagte Oronêl grimmig zu Aéd, der sich mit Domnall ebenfalls zu ihnen durchgeschlagen hatte, und seinen Gefährten ein Stück vom Tor fort an die Mauer gezogen hatte. Dann blickte er entschlossen zu Celebithiel, die langsam nickte. "Wir halten sie auf."
Gemeinsam stemmten sie sich den verbliebenen anstürmenden Orks und Menschen entgegen, wie ein halbes Jahr zuvor in Dol Amroth - auch wenn sie einander damals nicht gekannt hatten, und dafür gekämpft hatten, ein Tor zu schließen und nicht eines zu öffnen. Celebithiel stach einen Ork, der sich in Oronêls Rücken geschlichen hatte, nieder, und Oronêl revanchierte sich in dem er einen Schwerthieb parierte, der sie ansonsten unter dem Arm, wo ihre Rüstung verwundbar war, getroffen hätte. Wie lange sie kämpften wusste Oronêl nicht, doch schließlich wurde ein Feind, der ihn von der Seite angreifen wollte, von einer blitzenden Klinge gefällt, und Forath stand neben ihm.
Um sie herum strömten seine Männer in die Stadt, und der Häuptling rief: "Corgan, auf die Mauer, räum da auf!" Mit einem Kampfschrei rannte der andere Häuptling an ihnen vorbei, die Treppe östlich des Tores auf die Mauer, auf der noch immer heftig gekämpft wurde, hinauf. Seine Männer folgten ihm ebenso schreiend.
"Der Rest sicher die Stadt!", brüllte Forath über den Lärm hinweg. "Tötet sämtliche Orks, nehmt an Menschen gefangen was ihr könnt, aber tötet wenn ihr müsst. Und verschont die einfachen Einwohner, die sich nicht wehren!"
"Keine Plünderungen und Vergewaltigungen", fügte er leise an Oronêl und Celebithiel gewandt hinzu. "Wir müssen lernen ein wenig umzudenken, sonst könnten wir ebenso gut an Mordors Seite stehen." Er warf einen forschenden Blick über die Leichen auf dem inneren Torhof, über die seine Männer achtlos hinweg eilten. "Wo ist mein Sohn?"
"Ich bin hier, Vater", sagte Aéd von hinten, wo er Muird an die Wand gelehnt und ihm die Augen geschlossen hatte. Seine eigenen Augen blitzten kampfeslustig. "Was gibt es zu tun?"
Forath grinste. "Ich bin froh, dass du noch lebst, Aéd. Also los, lass uns da hier beenden."
« Letzte Änderung: 14. Feb 2017, 17:39 von Fine »

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Curanthor

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Ein unerwarteter Feind
« Antwort #7 am: 8. Feb 2017, 17:14 »
Mathan duckte sich hinter einem Fass, in dem sich dumpf ein Pfeil bohrte. Nachdem sie die Gasse verlassen hatten, waren sie rasch zum Hafen gelaufen, denn die Straßen Tharbabds gaben einem kaum Deckung gegen Bogenschützen. Acht oder mehr feindliche Schützen standen in der Straße, wo sie erst vor einigen Augenblicken sich versteckten. Nun ließen sie vereinzelt Pfeile auf die Barrikade regnen und lieferten sich ein Duell mit Halarîn die es schaffte zwei zu töten, bis ihre Gegner nur noch auf sie anlegten. Mathan blickte zu Adrienne, Kerry und seiner Frau, die neben ihm hinter Fässern und Kisten hockten, die sich rasch aufgestapelt hatten. Seine Schülerin schien es etwas zu bereuen, dass sie nicht mit einem Bogen umgehen konnte, denn sie blickte oft auf Halarîns Bögen. Nach jedem Schuss wechselte die Elbe den Bogen, da manche Feinde hinter Deckung versteckten. Einzig der Bogen aus Westernis konnte manche Bretter durchdringen, was aber nur bedingt Erfolg zeigte. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen duckte Halarîn sich wieder neben ihm.
"Sieben Bogenschützen sind noch übrig, zwei habe ich durch ihre Deckung hindurch verwundet.", erklärte sie und blickte auf ihren Köcher, in dem sich nur noch eine handvoll Pfeile befanden, "Hoffen wir, dass einige der Dunländer wieder zurückkehren, ich würde ungern meine letzten Pfeile verschießen."
Wie auf das Stichwort schlug neben ihnen ein Pfeil ein, der von hinten kam und Adriennes Schulter nur knapp verfehlte. Halarîn reagierte sofort und griff zum Langbogen und legte ein Pfeil auf die Sehne, inwzischen legten sich Kerry, Adrienne und Mathan flach auf den Boden. Ein weiterer Pfeil schlug über ihnen ein, bis die Elbe den Bogenschützen am Westufer ausgeschaltete. Mathan lugte an dem Fass vorbei und erblickte die feindlichen Bogenschützen, die sich aus ihrer Deckung wagten und nun mit gespannten Bogen auf sie zukamen. Plötzlich erbleichte Adrienne und starrte ihn mit angsterfüllten Augen an. "Sie sind hier", wisperte sie und griff zitternd nach ihrem Schwert. "Wer?", fragte Kerry und legte dem Mädchen eine Hand auf die zitterne Schulter.
"Meine Schatten...", antwortete die Gondorerin nach einer langen Pause, in der Mathan die Bogenschützen beobachtete, die sich erschrocken umwandten.
"Da ist jemand und er scheint unseren Feinden auch nicht freundlich gesinnt zu sein", beschrieb er und drehte sich zu Adrienne, die panisch die Augen aufgerissen hatte, "Wer ist das?" Seine Frage ließ sie erzittern.
"Attentäter...aus Mordor", stieß sie hervor, "Lautlos und gnadelos. Sie sind Meister darin, ihre Opfer unerkannt zu töten."
Der Elb runzelte die Stirn, denn so etwas hatte er noch nie gehört. Er packte Adrienne an den Schultern und blickte ihr ernst in die Augen; anfangs mied sie den Blickkontakt, hob ihn jedoch, als die Bogenschütze erstickte Laute von sich gaben.
"Ihre größte Waffe ist die Angst. Sie verbreiten Furcht und diese lässt jeden Widerstand dahinschmelzen. Das ist ihre größte Waffe und Schwäche zugleich. Hast du keine Furcht-"
"Ich kann das nicht!", unterbrach sie ihn mit zitternder Stimme und wandte den Blick ab, "Sie erinnern mich an die schlimmsten Tage und Nächte meines Lebens."
"Irgendwann muss man sich seinen Schatten stellten, Adrienne. Du hast seitdem viel gelernt, aber manchmal muss man herausfinden, ob man bereit ist sich seinen Schatten zu stellen oder nicht."
Nachdenklich geworden senkte sie den Blick und wandte sich ab, spielte mit beiden Daumen. Mathan seufzte und spähte auf die Stelle, wo zuvor die Bogenschützen standen. Ihre Leichen lagen verteilt auf dem Boden und eine Gestalt in einem schwarzen Mantel stand aufrecht in dem Blutbad. Die Kapuze verbarg das Gesicht vollständig und erinnerte damit entfernt an einen der Ringgeister. Zwei schwarze Handschuhe lugten auf den Ärmeln hervor, beide Hände hielten einen Säbel mit spitzen Zacken an der Schneide. Er musst zugeben, dass dieser Attentäter nicht gerade schwach zu sein schien. Die Gestalt schien schon in eine andere Richtung davongehen zu wollen, als sie ruckartig den Kopf zu ihnen drehte. "Du kannst da nicht rausgehen!", rief Kerry schockiert. Mathan blickte auf und sah Adrienne, die mit entschlossenen Gesichtsausdruck aufgestanden war und ihr Schwert zog.
"Ich muss", antwortete sie grimmig und verließ ihre Deckung, ehe Mathan sie zurückhalten konnte. "Alleine, ohne Hilfe", setzte sie mit einer ungeahnten Entschlossenheit in der Stimme nach, die er nicht erwartet hätte.
Halarîn wollte etwas sagen, doch er schüttelte den Kopf und starrte hinaus auf dem Kai, auf den Adrienne langsam entlangging. Die Gestalt legte den Kopf schief, sagte jedoch nichts. Mathan hielt sich bereit seiner Schülerin zur Hilfe zu eilen und legte seine Schwerter bereit, während Halarîn einen Pfeil auf die Sehne spannte.
"So treffen wir uns also wieder..." Die Stimme war männlich und röchelte, während sie sprach.
Adrienne wirbelte ihr Schwert umher und deutete damit auf die Gestalt. "Die Rache für Fornost und Minas Tirith erwartet dich, Dôlguthôr", antwortete das Mädchen kühl und Mathan hörte heraus, dass sie ihre Angst voll im Griff hatte. Halarîn atmete scharf ein, als das Duell zwischen den beiden plötzlich losbrach, indem der schwarze Númenorer einen Ausfallschritt machte und die Klinge auf Adriennes Bauch zustechen ließ. Sie reagierte aber erstaunlich schnell, machte einen Schritt zur Seite und ließ die Klinge an sich vorbeifahren, gleichzeitig setzte sie ihren Fuß hinter ihren Gegner. Mathan hielt die Luft an, da es der Schritt war, den er zuvor nur gezeigt hatte und dieser meist nicht bei erfahrenen Kämpfern funktionierte. Eine Hand schob sich auf seinen Schulter und klammerte sich daran fest, ein rascher Blick verriet ihm, dass Kerry sich an ihm festhielt. Als er nach vorn blickte, stand Adrienne hinter ihren Gegner, der nach vorn taumelte. Das Mädchen stach dem Mann in den Rücken. Kerry zuckte, als Stahl auf Stahl schlug. Adriennes Gegner war durchaus erfahren und hatte rechtzeitig sein Schwert nach hinten geschwungen.
Lautes Grölen und Getrappel ertönte hinter ihnen, aus dem westlichen Teil der Stadt. Halarîn atmete hörbar auf, als die Truppen Foraths über die Brücke stürmten. Doch Mathan warf nur einen raschen Blick aus den Augenwinkeln zur Seite, wobei er sah, dass einige Männer bei dem Blutbad kurz langsamer wurden. Die meisten hielten jedoch auf die beiden Duellanten zu.
"Zurück! Er gehört mir!", schrie Adrienne und ging nun zum Angriff über. Einige Dunländer zögerten, während die meisten Männer weiterstürmten und sich vom Hafen aus verteilten. Dutzende Schwerthiebe prasselten auf Dôlguthôr nieder, der die meisten parierte oder ihnen auswich. Er wirbelte umher, gleichzeitig beschrieb Adriennes Schwert einen blitzenden Halbkreis. Der Attentäter ging auf Abstand und betastete seine Brust, wo ein breiter Schnitt den Mantel und der schwarze Lederrüstung prangte. Als er den Handschuh zurückzog, konnte man Blut erkennen.
"Du wirst sterben...", wisperte Dôlguthôr hasserfüllt und startete einige brutale Angriffe. Seine wuchtigen Hiebe trieben Adrienne zurück, der Stahl der Schwerter sang ein unbarmherziges Lied, bis es abrupt unterbrochen wurde. Oronêl und Celebithiel waren auf der Brücke über dem Fluss erschienen, sie eilten zum Kampfplatz, doch der Attentäter rannte blitzschnell davon. Die beiden Elben waren mit einer beträchtlichen Truppe im Schlepptau erschienen. Im Lauf stach Dôlguthôr zwei Dunländer nieder, die ihn aufhalten wollten. "Das ist nicht vorbei!", schrie er hasserflüllt, ehe er in einer Gasse verschwand, verfolgt von sechs Dunländern. Kurz darauf kehrten vier der Männer zurück, ihre Gesichter mit Blut gesprenkelt und zerfetzten Schilden in den Händen.
Erschöpft ließ sie Adrienne sich auf die Knie sinken und wurde sogleich von Celebithiel in ihrer silbernen Rüstung auf die Füße gezogen. Oronêl ließ seinen Blick über den von Leichen geplasterten Hafen schweifen und entdeckte schließlich Mathan und Halarîn, die Kerry an der Hand hielten. Langsam kamen sie hinter ihrer Barrikade hervor und nickten den beiden Elben zu, während Kerry zu Adrienne lief und sich um sie kümmerte. Die Gondorerin hatte nur einige Schnitte davon getragen, wirkte aber trotzdem sehr erschöpfte und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Mathan ließ seine Schwerter in die Scheiden verschwinden und bemerkte beiläufig, dass das Blut an den Klingen festgefroren war.
"Ich bin froh, dass ihr am Leben seid, wir waren schon in Sorge", sagte Oronêl und packte Mathans Arm zum Kriegergruß. Celebithiel nickte, ebenfalls zum Gruß.
"Es ist schön zu sehen, dass euer Vorhaben ein Erfolg war, mein Freund", erwiderte Mathan und deutete zum Hafen, "Es war nicht einfach..."
"Das sehe ich", antwortete Oronêl und runzelte die Stirn, "Wer war der Kerl im Umhang?"
Mathan blickte rasch zu Adrienne und schüttelte unmerklich den Kopf. Die beiden Elben verstanden und wechselten das Thema: "Wo ist eigentlichen Finelleth?"
Die Frage von Celebithiel ließ sie alle umherblicken, woraufhin Halarîn anmerkte, dass Finelleth einige Späher ausschalten wollte. Kurz legte sich Schweigen über die Gruppe, als eine bekannte Stimme ertönte: "Na, habt ihr mich vermisst?" Die Tochter des Waldlandreiches kletterte geschickt von einem der Verladekräne herunter und landete vor ihnen auf einer Kiste. "Ich habe die ganzen Bogenschützen auf den Dächern und in den Fenstern beseitigt", sagte sie mit einem Blick zu Mathan.
Dieser grummelte und zuckte mit den Schultern. "Trotzdem habe ich mehr Gegner erwischt als du!", erwiderte er mit einem schiefen Grinsen.
Finelleth lachte leise und legte Oronêl und Mathan die Hände auf den Schultern. "Es ist schön zu sehen, dass ihr heil aus der Sache rausgekommen seid", Mit einem Blick auf Mathan, der einige Wunden von den Pfeilen davongetragen hatte, setzte sie noch ein "Einigermaßen heil" hinterher.
"Nur Kratzer", brummte er und brachte damit den Rest zum Schmunzeln.
« Letzte Änderung: 8. Feb 2017, 17:54 von Curanthor »

Eandril

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Re: Tharbad
« Antwort #8 am: 8. Feb 2017, 20:01 »
Gerade als Mathan ausgesprochen hatte, gesellte sich Forath zu ihnen. Der Häuptling hatte einen blutigen Kratzer quer über der Stirn, schien ansonsten jedoch unverletzt und recht gut gelaunt zu sein.
"Der Südteil der Stadt ist gesichert", sagte er zur Begrüßung. "Und im Nordteil werden wir auch bald den letzten Widerstand gebrochen haben, und dann ist dieser Krieg vorüber. Nicht zuletzt euretwegen."
Er nickte den Elben dankbar zu, und sagte zu Mathan, Finelleth und Halarîn: "Ihr seid ein großes Wagnis für uns eingegangen, und ich bin froh, dass ihr alle überlegt habt." Dann fügte er an alle gerichtet hinzu: "Ich weiß nicht, wie genau ich euch für eure Hilfe danken kann, doch fürs erste seid ihr in Tharbad so lange willkommen, wie ihr wollt."
Oronêl wechselte einen raschen Blick mit Mathan, und erwiderte dann: "Wir danken dir für das Angebot, aber wir müssen so rasch wie möglich weiter nach Eregion - Hulsten, wie ihr es vielleicht nennt."
Foraths Miene verdüsterte sich bei diesen Worten. "Ins alte Elbenland? Das ist schlecht. Meine Späher berichten, dass sich nördlich des Grenzflusses noch immer viele Feinde - Orks und anderes Gezücht - im Dienst des Zauberers herumtreiben."
"Fürchtest du nicht, dass sie den Glanduin überqueren könnten? Dein Stamm lebt dort ganz in der Nähe", meinte Oronêl, und Forath nickte. "Deswegen sollten wir unsere Kräfte vereinen, und mit ganzer Stärke über den Fluss nach Norden ziehen und das Land von den Dienern des Zauberers säubern. Vorher, fürchte ich, können wir nicht in Frieden leben."
Auch wenn Oronêl Forath sehr schätzte und mehr Unterstützung bei ihrem Vorhaben eigentlich nicht schaden konnte, war ihm bei dem Gedanken, mit einem Heer von Dunländern nach Eregion zu ziehen, doch unwohl. Wer wusste schon was passieren würde, wenn jemand anderes als Forath seine Ring oder gar den des Hexenkönigs zu Gesicht bekam?
"Ihr seht allerdings nicht so aus, als würdet ihr an diese Möglichkeit glauben", kam Finelleth Oronêl zuvor, und Forath wirkte bedrückt als er erwiderte: "Nein. Ich mag dieses Bündnis anführen, doch es hat seinen Zweck fürs erste erfüllt. Corgan und die anderen Häuptlinge sind dagegen, direkt weiter zu ziehen und wollen zunächst nach Hause zurückkehren und ihre Wunden lecken. Was an der Grenze meines Stammes geschieht, betrifft sie nicht - glauben sie."
"Und gerade deshalb hättest du dich bereits vorher zum Wolfskönig wählen lassen sollen", warf Aéd, der inzwischen zu ihnen getreten war, ein. "Jetzt würden sie dich nicht mehr wählen, denn sie wissen, dass du sie dann gegen ihren Willen nach Eregion führen würdest."
Der junge Krieger bewies damit einen Scharfsinn, der Oronêl ein wenig überraschte - er würde eines Tages einen guten Anführer für sein Volk abgeben. Forath zuckte mit den Schultern.
"Ja, ich habe einen Fehler gemacht, aber es hat keinen Zweck sich über vergossenes Bier zu ärgern. Stattdessen sollten wir sehen, was wir tun können."
"Vielleicht ist es besser so", sagte Mathan. "Ich will euch nicht beleidigen, aber ich denke, unser Vorhaben hat größere Aussicht auf Erfolg, wenn wir nicht zu viele sind."
"Ich bin nicht beleidigt", entgegnete Forath gleichmütig, doch seine Augen glitten forschend über die Gruppe der Elben. "Doch ich habe in Gondor einiges gehört über das Land Eregion - das Land, in dem die Ringe der Macht geschmiedet wurden. Und ich kann mir ungefähr vorstellen, was ihr vorhabt."
Die Elben tauschten unbehagliche Blicke, doch bevor jemand etwas erwidern konnte, hob Forath abwehrend die Hände. "Ihr müsst es nicht aussprechen, denn euer Schweigen genügt als Antwort, und je weniger davon wissen, desto besser. Ich habe gesehen, was mit Bóran und deinem jungen Freund geschehen ist."
Er schien einen Augenblick nachzudenken, bevor er fortfuhr: "Nun, in der derzeitigen Situation gibt es nur eines, was ich tun kann: Ich werde mit euch gehen und euch helfen - falls ihr mich nehmt. Betrachtet es als Dank für eure Taten heute."
Einen Moment lang herrschte Schweigen, während sich Oronêl und Mathan über stumme Blicke verständigten. Während Oronêl sich über Foraths Unterstützung freuen würde, wirkte Mathan ein wenig skeptischer, und Oronêl konnte es ihm kaum verdenken. Also antwortete er: "Das ist ein großzügiges Angebot, und wir werden darüber sprechen."
"Wenn mein Vater mit euch geht, werde ich ebenfalls mitkommen", meinte Aéd plötzlich, der aufmerksam zugehört hatte, doch dabei auffällig vermieden hatte, Kerry anzusehen. "Doch zuvor..." Jetzt wandte er sich Kerry zu, und verneigte sich dabei leicht. "Ich möchte mich für mein aufdringliches Verhalten gestern entschuldigen - ich wollte dich nicht belästigen. Wenn du mir verzeihen kannst, vielleicht könnten wir von vorn anfangen und ein wenig mit einander reden."
Kerry, die leicht errötet war, warf einen hilfesuchenden Blick durch die Runde - von Mathan und Halarîn über Oronêl bis zu Adrienne, die mit finsterer Miene über das Schlachtfeld starrte. Niemand gab Kerry ein Zeichen, denn ob sie mit Aéd sprechen wollte oder nicht, war allein ihre Entscheidung.
"Also... ja? Vielleicht?", antwortete sie dann unsicher, und Aéd lächelte erleichtert. "Großartig. Nur, äh..." Er ließ seinen Blick über das Schlachtfeld schweifen und blickte dann an sich hinunter, auf seine blutbespritzte Kleidung und den tiefen Schnitt in seinem rechten Arm. "Vielleicht sollten wir damit ein wenig warten, bis ich ein wenig... präsentabler bin, und wir einen angenehmeren Ort gefunden haben."
Er warf Mathan einen fragenden Blick zu, der ein wenig widerwillig zustimmend nickte - so knapp, dass es beinah unsichtbar war.

Forath, der mit in die Höhe gezogenen Augenbrauen zugesehen hatte, brummte: "Nun, da der peinliche Teil vorüber ist, sollten wir vielleicht..." Er unterbrach sich, und deutete mit vor Überraschung geweiteten Augen nach Südwesten, den Gwathló hinunter. "Was bei allen Göttern ist das?"
Von dort kamen zwei große Schiffe mit weißen Segeln heran, deren eiserne Rammsporne Oronêl sehr bekannt vorkamen. Mathan und Halarîn lächelten, und Halarîn erwiderte: "Ihr lebt doch an der Grenze zu Eregion, nicht wahr? Dann habt ihr nun die Gelegenheit, eure neuen Nachbarn kennen zu lernen."
"Sind das... Elbenschiffe?", fragte Aéd ein wenig ehrfürchtig, und Mathan nickte. "Die Vorhut der Manarîn. Sie werden Eregion ein wenig von seinem alten Glanz zurückgeben."
"Ich hätte nicht gedacht, so etwas in meinem Leben zu sehen", meinte Forath, der sich ein wenig gefangen hatte, während das vordere der beiden Schiffe langsam in den Hafen von Tharbad einschwenkte. "Aber was auch immer eure Freunde für Elben sind, sie sind mir auf jeden Fall lieber als unsere jetzigen Nachbarn."
"Solange ihr euch respektvoll verhaltet und sie angemessen begrüßt, solltet ihr mit ihnen auskommen können", meinte Finelleth, und Forath grinste kurz. Das vordere Schiff, in dem Oronêl inzwischen die Naira, das Flaggschiff der Manarîn, erkannt zu haben glaubte, stieß sanft gegen die Kaimauer, und Forath machte einen Schritt nach vorne. "Dann ist es gut, dass ich sie empfange und nicht Corgan..."
Die Besatzung des Schiffes ließ eine Planke vom Deck, dass deutlich höher lag als der Hafen, zum Kai hinunter gleiten, und hinab schritt Faelivrin, langsam und mit jeder Faser eine Königin, gefolgt von ihren drei Leibwachen.
Als sie den Boden des Hafens betreten hatte, sank Forath zur Überraschung aller Anwesenden vor ihr auf die Knie. "Willkommen in Tharbad, Herrin. Ich bin Forath, Häuptling des Stammes des Schildes, und für den Moment so etwas wie der Herr dieser Stadt." Faelivrin blickte den vor ihr knienden Häuptling verwundert an, und ließ dann einen raschen Blick über die Anlegestelle, auf der sich allmähliche eine größere Menge Menschen versammelte - nicht nur Dunländer, sondern auch die Bewohner Tharbads, deren Neugierde ihre Furcht überwältigte. Ihre Miene entspannte sich, als sie ihre Eltern und deren Gefährten erblickte. Oronêl wusste, dass allein ihre offensichtlich freiwillige Anwesenheit hier Faelivrin zu dem Schluss kommen ließ, dass es sich bei diesen Dunländern nicht um Feinde handelte. Dann sagte sie: "Erhebt euch, denn wenn ihr der Herr dieser Stadt seid, steht ihr nicht niedriger als ich."
Forath kam etwas unbeholfen auf die Füße, und erwiderte: "Ich nehme an, ihr seid auf dem Weg nach Eregion? Unsere Freunde dort deuteten so etwas an, vielleicht kennt ihr ja jemanden von ihnen..."
Oronêl lächelte ob dieser Worte still in sich hinein, denn eigentlich war die Ähnlichkeit zwischen Faelivrin und ihren Eltern kaum zu übersehen. Doch vermutlich war Forath so überwältigt von der Ankunft der Vorhut, dass er diese offensichtliche Ähnlichkeit nicht bemerkt hatte.
Auch Faelivrin lächelte sanft, als sie sagte: "In der Tat kenne ich sogar jeden einzelnen von ihnen - das sollte ich, denn schließlich sind meine Eltern darunter."
"Eure...", begann Forath, und warf einen Blick zurück auf die anderen Elben. Sein Blick blieb an Mathan und Halarîn hängen und er musste lachen. "Verzeiht, Herrin. Anscheinend sind die Menschen hin und wieder blind für Offensichtliches."
Er trat beiseite und machte Faelivrin damit den Weg frei, um zum Rest der Elben zu treten.

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Re: Tharbad
« Antwort #9 am: 9. Feb 2017, 18:39 »
Die Ankunft der Manarîn war eine deutliche Erleichterung für Mathan und Halarîn, die sich auch sogleich zu Faelivrin gingen. Ihre Tochter trug ihr aufwändiges gefertigtes Kleid, das mit dutzenden kleinen Perlen und Edelsteinen verziert war, ein reich geschmückter Haarreif ruhte auf ihrem Kopf. Sanft nahm sie ihre Eltern in den Arm, wobei Mathan sich auf die Lippen beißen musste um nicht sofort zu fragen, wo sie gewesen waren.
Anastorias erschien auf dem Kai und eilte sofort zu Halarîn um mit ihr zu sprechen, mit einem entschuldigenden Lächeln zog er sie zur Seite.
"Ich hoffe wir sind nicht zu spät?", fragte Faelivrin mit einem Blick auf die Blutspritzer auf dem Boden und Mathans Kleidung.
"Nun, es gibt nur noch vereinzelte Kämpfe im Norden der Stadt", mischte sich Forath ein, der neben ihnen stand, er wirkte noch immer fasziniert.
"Verstehe, meine Krieger werden die Sache schnell beenden, wenn Ihr nichts dagegen habt.", antwortete Faelivrin und machte einen Wink zum Schiff.
"Nicht doch", erwiderte Forath wollte noch etwas sagen, doch er verstummte als sich etwa einhundert schwer gerüstete Elben sich auf dem Hauptdeck versammelten.
Ein triumphierendes Lächeln erschien auf den Lippen der Königin der Manarîn. "Sorgt Euch nicht um uns; dies sind meine besten Krieger, keiner von ihnen wird in dieser Stadt fallen. Seht es als Beginn einer guten Freundschaft unserer Völker, Forath vom Stamm des Schildes."
Der Häuptling fing sich nach einigen Momenten und verkündete: "Meine Männer werden mitgehen und diese neue Zusammenarbeit vertiefen, kein Elb wird heute fallen." Daraufhin wandte er sich mit einem respektvollen Nicken ab und trat zu einigen seiner Anführer, denen er Befehle erteilte.
Anastorias gesellte sich zu ihnen und blickte Faelivrin erwartungsvoll an, woraufhin sie ihm einige knappe Befehle gab. Kurz darauf liefen die Soldaten der Manarîn in Zehnergruppen über den Kai. Die neugierige Bevölkerung machte rasch Platz, während die Elben nach Norden ausschwärmten, von Anastorias angeführt.
"Warum hat es so lange gedauert?", fragte Mathan an seine Tochter gewand, als sie alleine waren. Er ahnte zwar die Antwort, doch er wollte sicher sein.
"Lond Daer war nicht schwer befestigt und wir konnten es noch am Abend der Seeschlacht einnehmen. Wir haben ingesamt nur eine handvoll Leute verloren und ein paar Verletzte. Wir mussten die Schiffe reparieren und das Dock war dafür nicht ausgelegt, also mussten wir improvisieren. Nachdem wir auf die restliche Flotte gewartet haben, sind wir sofort aufgeschlossen", erklärte Faelivrin zusammengefasst und strich sich ihre langen Haare zurück, dabei machte sie einen erschöpften Eindruck.
"Ich schätze die Flotte ankert vor Lond Daer und teilweise auf dem Fluss?", erkundigte er sich, woraufhin sie nickte. Mathan ahnte, dass es schwer war, jedem Schiff der Flotte zu sagen, wo sie ankern sollten und es viel Zeit kostete. Das Löschen der Ladung würde auch eine ganze Weile dauern, dachte der Elb sich und sreckte aus dem Gedanken als Faelivrin fragte: "Ihr werdet bald aufbrechen oder?"
Er nickte und auf seine Gegenfrage, ob sie nicht mitkommen wollte schüttelte sie den Kopf. "Nein, ich muss mein Volk anführen, sie sind unsicher. Einige von ihnen wollen von Lond Daer aus nach Eregion ziehen, da sie die Menschen von Tharbad erst später kennenlernen wollen. Es ist zwar nur eine Gruppe, aber darum muss ich mich kümmern."
Mathan verstand und legte ihr die Hand auf die Schulter, "Du bist eine großartige Königin und ich bin mir sicher, dass wir uns sicher in Eregion wiedersehen." Sie lächelte daraufhin nur, was Mathan fragend eine Braue heben ließ.
"Meine Späher haben sich bei Lond Daer noch etwas weiter umgehört. Wie es scheint, werden wir in Eregion noch andere Bekannte treffen", antwortete sie geheimnisvoll und setzte ein Schmunzeln auf, das Mathan sehr gut kannte. So hatte sie ihn in ihrer Jugend immer angesehen, wenn sie Etwas wusste, aber nicht mit der Antwort herausrücken würde. Selbst wenn sie dafür zur Strafe zum nächsten Dorf laufen musste. Er beließ das Thema und warf einen Blick zu Adrienne, die düster vor sich hin starrte. Faelivrin ermunterte ihn zu seiner Schülerin zu gehen, da sie noch ein paar Dinge mit Forath besprechen wollte. Er nickte knapp und ging auf die Gondorerin zu, die auf einer Kiste saß und ihn etwas unbehaglich anblickte.

Mathan setzte sich neben seiner Schülerin, die ihr Schwert abgeschnallt und neben sich liegen hatte. "Jetzt bekomme ich wohl Ärger, dass ich einfach gegangen bin, obwohl er mir überlegen war", murmelte Adrienne schließlich. Der Elb dachte kurz nach, schüttelte aber dann den Kopf während er sprach: "Nein, es war deine Entscheidung ob du dem Schreckgespenst die Maske der Furcht herunterreißen willst, oder nicht. Du hast es getan und ihn überrascht, was ihm seine Überlegenheit nahm."
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und blickte sie ernst an, "Beim nächsten Mal jedoch, musst du dich auf einen harten Kampf gefasst machen. Wir werden ein bisschen zulegen müssen bei deinem Training."
Adrienne nickte langsam und bedankte sich für sein Vertrauen. Woraufhin Mathan abwinkte und sie bat, das nächste mal vorsichtiger zu sein.


Fine

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Das Gespräch mit dem Sohn des Häuptlings
« Antwort #10 am: 10. Feb 2017, 16:37 »
Als es Abend geworden war und nach und nach wieder Ruhe in und um Tharbad eingekehrt war stand Kerry am südöstlichen Tor der Stadt, das Oronêl und Celebithiel für Forath auf dem Höhepunkt der Schlacht geöffnet hatten, und wartete. Ihre Haare waren zu einem breiten Zopf geflochten, der ihr über die linke Schulter fiel, und sie trug die lederne Reisekleidung, die sie sich im Laufe der Jahr in Eriador zusammengestellt hatte. Um Mathans Befürchtungen im Keim zu ersticken hatte sie von sich aus angeboten, ein kurzes Schwert mitzunehmen und hatte ihm versprochen, vorsichtig zu sein. Mathan hatte zuletzt mit Adrienne gesprochen, und als Kerry an ihre gondorische Freundin dachte, fiel ihr wieder ein, wie Adrienne sich mutig gegen den geheimnisvollen Angreifer gewehrt hatte, der gegen Ende der Schlacht aufgetaucht war. Kerry wusste nicht, um was für einen Feind es sich dabei gehandelt hatte, aber die hoffte, dass er so schnell nicht wieder auftauchen würde. Und sie war sehr beeindruckt von Adriennes Kampfkünsten gewesen, die es der jungen Frau ermöglicht hatten, das Duell mit dem schwarzen Númenorer nahezu unbeschadet zu überstehen. Kerry war sehr froh, dass die ganze Schlacht um Tharbad ohne Verluste in ihrer Gruppe verlaufen war. Doch ihre Erwartungen an die Reise nach Eregion hatten sich bisher nicht wirklich erfüllt: ursprünglich hatte Kerry angenommen, dass sie bequem mit dem Schiff bis an ihr Ziel fahren könnten und der Weg entspannt und ohne Hindernisse ablaufen würde. Doch nun hatten sie bereits zwei Schlachten hinter sich und wenn es stimmte, dass Eregion von Orks und Menschen in Sarumans Diensten besetzt war, stünden ihnen sehr wahrscheinlich noch weitere Kämpfe bevor ehe Oronêl und Finelleth die Ringe der Nazgul in der Schmiede zerstören konnten, in der sie gemacht worden waren.

Vor ihr lagen die Überreste des Heerlagers der Dunländer. Einige Teile der Armee waren bereits abgezogen um in ihre Heimat zurückzukehren, während der Rest Unterkünfte in der Stadt bezogen hatte. Gefällte Bäume und zertrampelte Erde zogen sich in einem breiten Streifen entlang der Stadtmauer dahin und erinnerten Kerry daran, wie es außerhalb der Mauern Fornosts ausgesehen hatte nachdem sich die Armee aus Angmar nach Norden zurückgezogen hatte. Doch im Gegensatz zu den vielen Hunderten toten Orks, die den Boden außerhalb von Fornost bedeckt hatten waren diesmal keine Leichen zu sehen - Foraths Krieger hatten ihre Gefallenen bereits geborgen und zu den Scheiterhaufen geschafft, die in der Nähe der Brücke von Tharbad errichtet wurden.
"Hallo, Ténawen Morilië," sagte Aéd und trat sie.
"Du musst nicht so förmlich sein," erwiderte sie. "Nenn mich einfach Kerry. Das machen alle."
"Wenn es dir so lieber ist, Kerry," meinte Aéd. "Ich habe gerade meinem Wolfsbruder Muird die letzte Ehre erwiesen. Er fiel am Tor."
"Das tut mir leid," sagte Kerry betroffen.
"Nein, das muss es nicht. Muird war ein Krieger, und er starb als Krieger. Wir alle wussten, dass Oronêls Mission gefährlich werden würde, aber im Wolfsrudel hat niemand gezögert, sich freiwillig zu melden." Er erzählte Kerry die Geschichte der Truppe, die nur aus jungen Kriegern aus allen Stämmen Dunlands bestand, und erwähnte jedes einzelne Mitglied namentlich. Von den beiden großen Schlachten an der Messermine und am Silbersee berichtete er und davon, dass sie nun mit dem Fall Tharbads einen kriegsentscheidenden Sieg errungen hatten.
"Das bedeutet dann also dass Saruman keinerlei Einfluss mehr in Dunland hat?" fragte Kerry.
"Nein, so einfach ist es leider nicht," antwortete Aéd. "Der Weiße Zauberer ist listenreich. Er hat schon vor vielen Jahren, lange vor deiner oder meiner Geburt, seine vergifteten Worte in die Ohren der Häuptlinge geflüstert. Trotz des verlorenen Krieges gibt es immer noch viele, die es insgeheim mit Saruman halten. Es wird lange dauern, bis wieder wirklicher Frieden in Dunland einziehen kann."
"Vielleicht gelingt es dank der baldigen Nachbarschaft mit den Manarîn ja schneller," überlegt Kerry.
"Das wird sich zeigen," erwiderte Aéd. "Viele Menschen Dunlands sind mindestens skeptisch, wenn nicht sogar misstrauisch den Elben gegenüber - die Erstgeborenen haben hier nicht so einen guten Ruf wie in Gondor. Die meisten hielten sie sogar für Legenden oder Märchen - bis heute. Ich hätte niemals gedacht, dass es... so viele sein würden."
"Und das ist nur die Vorhut," sagte Kerry stolz. "Meine nésa, die Königin, hat gesagt, dass auf den übrigen Schiffen noch mehr Avari darauf warten, ihre neue Heimat zu betreten."
"Deine was?" fragte Aéd verwundert.
"Meine nésa - das bedeutet Schwester," erklärte Kerry.
"Wie kam es dazu, dass du von Elben adoptiert wurdest?" fragte der junge Wolf interessiert und bot Kerry auf einer umgestürzten Säule einen Sitzplatz an.
"Ich habe sie in Fornost kennengelernt, aber dass sie mich adoptieren wollten, war eine sehr schöne Überraschung," erzählte Kerry und berichtete Aéd von den genaueren Umständen. Er stellte hin und wieder eine Zwischenfrage, während Kerry ihm von allen Ereignissen seit der Schlacht um Fornost bis zur Ankunft in Tharbad erzählte.
"Du hast wirklich eine Menge erlebt in letzter Zeit, Kerry," sagte er anerkennend. "Aber was war vorher? Wo kommst du her?"
Kerry hatte diese Frage seit dem Beginn des Gespräches mit Aéd erwartet, doch nun, da sie da war, wusste sie dennoch nicht, was sie antworten sollte. Sie genoss Aéds Gegenwart und seine unkomplizierte Art, aber er war trotz allem ein Dunländer -  ein Mitglied eines Volkes von Menschen, dass die Rohirrim bis aufs Blut hasste. Wie würde er reagieren, wenn er herausfinden würde , dass Kerry eigentlich Déorwyn aus Rohan war? Sie wollte es sich gar nicht vorstellen. Also sagte sie: "Ich habe in Bree gelebt, einer großen Stadt weit nördlich von Tharbad. Bevor ich Kerry - Kerevalline - war, hieß ich D... Dana." Fast hätte sie Déorwyn gesagt.
"Dana," wiederholte Aéd. "Auch ein schöner Name." Dann stellte er einige Fragen über Bree und seine Bewohner, die Kerry nur zu gerne beantwortete, doch ehe Aéd sie auf ihre Kindheit ansprechen wollte kam sie ihm zuvor und fragte: "Hast du Geschwister, Aéd?"
"Drei," bestätigte er. "Zwei Schwestern - die ich dir unbedingt vorstellen muss - und einen jüngeren Bruder. Sie sind zuhause, bei meiner Mutter." Er erklärte, dass Brigid nicht seine leibliche Mutter war und stellte Kerry seine drei Geschwister eins nach dem anderen vor, ehe er sagte: "Henwas, mein Bruder, wäre auch diesmal gerne mit in den Kampf gezogen, so wie ich es vor vier Jahren tat als wir - damals noch unter Saruman - die Pferdemenschen an den Furten des Isen angriffen. Es war meine erste Schlacht, und es war fürchterlich und aufregend zugleich. Am Ende trieben wir die Rohirrim bis ans Westufer, wo sie schließlich einen Schildwall bildeten. Dort fiel der Sohn ihres Königs, und der Sieg war unser. Wir waren damals etwas enttäuscht, dass der König Rohans nicht auch da war sondern sich feige in seiner fernen Halle versteckte..."
Hätte er Kerrys Gesicht während seinem schwärmerischen Bericht gesehen, hätte Aéd vielleicht rechtzeitig gestoppt. Aber sein Blick war in die Ferne geschweift, während er in Erinnerungen geschwelgt hatte. Und so sah er nicht, wie Kerry immer wütender wurde. Hier saß dieser unverschämte Bursche und prahlte mit dem Leid, das er und seine Horde wilder Menschen über ihre Heimat gebracht hatten! Sie hielt es nicht mehr aus - und versetzte ihm eine Ohrfeige.
"He! Wofür war das denn?" wunderte er sich, sichtlich betroffen.
"Ich hätte wissen müssen, dass du kein bisschen anders als der Rest dieser Dunländer bist," sagte Kerry und spie das Wort voller Abscheu aus.
"Was hat das zu bedeuten? Was ist denn plötzlich..." fragte er, doch dann trat Verstehen auf sein Gesicht. "Bist du etwa... du bist..."
"Ich bin Déorwyn Cynericstochter aus Rohan - und niemand macht sich ungestraft über das Unglück meiner Heimat lustig," knurrte Kerry, sprang auf und lief davon, den sprachlosen Aéd zurücklassend.

"Wann ziehen wir weiter?" fragte sie sobald sie Halarîn gefunden hatte, die einigen Manarîn-Soldaten Anweisungen gab während sie die Avalosse entluden.
"Bald," versprach Halarîn. "Hast du -"
"Wie bald?" unterbrach Kerry ungeduldig.
"Sobald die Sachen, die wir mitnehmen, von den Schiffen geladen sind und Oronêl und Mathan sich über den Weg einig geworden sind, den wir bis nach Eregion nehmen werden. Kannst du es kaum mehr erwarten, unsere neue Heimat zu sehen?" fragte Halarîn neugierig. "Oder hat es vielleicht etwas mit dem Jungen zu tun, der mit dir reden wollte? Ist er nett?"
"Er ist nur ein Dunländer, genau wie die anderen," sagte Kerry ärgerlich. "Ich will ihn nicht mehr sehen. Er hat gemeine Sachen über Rohan gesagt."
Anstatt einer Antwort nahm Halarîn ihre Tochter in den Arm. "Ich bin mir sicher, er hat es nicht so gemeint. Und selbst wenn -  wir reisen schon bald weiter, und dann musst du dir keine Gedanken mehr über ihn machen."
Doch Kerry wusste, dass es dafür längst zu spät war. Sie wusste, dass das Thema Aéd sie wahrscheinlich den ganzen Weg bis nach Eregion beschäftigen würde...
« Letzte Änderung: 14. Feb 2017, 17:40 von Fine »
RPG:

Eandril

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Re: Tharbad
« Antwort #11 am: 11. Feb 2017, 15:38 »
Am Morgen nach der Schlacht war Oronêl bereits früh auf den Beinen. Er und seine Gefährten hatten die Nacht auf der Avalosse verbracht, und als Oronêl als erster das Schiff verließ, ging die Sonne gerade über den Hügeln im Osten auf, wo er in weiter Ferne schwach die Gipfel des Nebelgebirges erahnen konnte. Dahinter lagen die Wälder Lothlóriens, oder was von ihnen übrig war, und sein Herz sehnte sich gleichermaßen nach seiner Heimat wie es davor zurückschreckte, was er dort finden mochte.
Er eilte die Planke zum Kai hinunter und durch die langsam erwachende Stadt. Die Leichen der Orks und feindlichen Menschen waren bereits größtenteils beseitigt worden, auch am Tor und an der südlichen Mauer. Schon bald erreichte Oronêl das Feldlager der Dunländer vor der Stadt, wo aus Foraths Zelt laute Stimmen zu hören waren.
"Ich werde keinen einzigen meiner Männer auf eine solche Unternehmung schicken!", hörte er eine Stimme sagen, in der er Corgan, einen der anderen Häuptlinge erkannte. Oronêl verlangsamte seinen Schritt, und blieb schließlich in der Nähe des Zeltes stehen, nah genug um zu hören, was gesprochen wurde. "Diese Angelegenheit geht uns nichts an, der Krieg ist gewonnen und wir sollten nach Hause gehen."
Forath erwiderte nicht weniger laut: "Es geschieht an unseren Grenzen, und damit geht es uns natürlich etwas an. Aber wenn du mir nach allem, was wir getan haben, nun die Hilfe versagst... Eines seid du und die anderen Häuptlinge mir schuldig: Sobald die Lage hier in Tharbad gesichert ist, werdet ihr mir folgen. Wir werden uns in meinem Dorf versammeln, und einen Wolfskönig wählen, denn es wird Zeit, dass wir als ein Volk handeln, und nicht als mehrere."
Für einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Corgan etwas leiser: "Das werde ich tun, selbst wenn dir das Ergebnis vielleicht nicht gefallen wird."
"Dann werde ich damit leben", knurrte Forath zurück, kam aus dem Zelt gestürmt und blieb abrupt stehen, als er Oronêl erblickte.
"Hast du das mit angehört?", fragte er knapp, setzte sich wieder in Bewegung und ging neben Oronêl mit schnellen Schritten in Richtung der Stadt.
Oronêl nickte, obwohl es ihm ein wenig unangenehm war. "Die anderen Häuptlinge scheinen zu glauben, dass der Krieg für sie nun vorbei ist."
"Sie sind dumm und blind für das, was außerhalb unserer Grenzen geschieht", erwiderte Forath mit einem Kopfschütteln. "Und sie interessieren sich auch nicht dafür."
"Ich kann sie ein wenig verstehen", meinte Oronêl, als sie das Tor erreichten, mit einem Blick auf die Gefallenen auf und vor der Mauer. "Sie haben lange gekämpft, erst für Saruman, dann gegen ihn, und sie sehnen sich nach Frieden." Er wechselte das Thema. "Wo ist eigentlich dein Sohn? Wollte er uns nicht begleiten?"
"Aéd ist bereits vorgegangen, ihr müsst euch knapp verpasst haben", antwortete Forath. "Er und Corgan haben ein interessantes Verhältnis, deshalb wollte er bei unserem kleinen Streit nicht dabei sein."
Sie erreichten den Hafen, wo sich inzwischen die anderen Mitglieder ihrer Gruppe versammelt hatten.
Mathan sprach unterhalb der Naira mit Faelivrin, während Halarîn sich ein Stück entfernt leise mit Adrienne unterhielt. Halarîn sah etwas blasser aus als normalerweise, und fühlte sich sichtlich ein wenig unwohl - was vermutlich an der Schwangerschaft lag, denn Oronêl erinnerte sich, dass Calenwen oft ähnlich ausgesehen hatte, als sie mit Mithrellas schwanger gewesen war. Er vermutete, dass nur noch wenige Monate bis zur Geburt des Kindes vergehen würden.
Auch Celebithiel und Finelleth sprachen angeregt miteinander, doch Kerry und Aéd standen schweigend an entgegengesetzten Enden der Gruppe und vermieden es ziemlich offensichtlich, einander anzusehen. Jetzt fiel Oronêl auf, dass Halarîn, während sie mit Adrienne sprach, dem jungen Dunländer immer wieder prüfende Blicke zuwarf.
"Was ist denn mit den beiden passiert?", fragte er Forath leise, während er seine Schritte verlangsamte, und der Häuptling zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ich weiß nicht, ob es dir bewusst war, aber das Mädchen stammt aus Rohan - und bis vor kurzem haben wir gegen ihr Volk Krieg geführt."
"Oh", erwiderte Oronêl nur, und fragte sich dabei ob es klug von ihm gewesen war, Aéd zu ermutigen, mit Kerry zu sprechen. "Aéd hat wohl etwas falsches über Rohan gesagt und sich dafür eine saftige Ohrfeige eingefangen", fuhr Forath grinsend fort. "Die Erfahrung müssen wir alle irgendwann machen."
Kerry schien Oronêl gesehen zu haben, denn sie winkte ihn unauffällig heran und fragte dann leise: "Kommen die etwa mit?"
"Forath und Aéd?", fragte Oronêl und Kerry nickte hastig. Der Gedanke schien ihr wenig zu gefallen. Dennoch antwortete Oronêl: "Ja, sie werden uns begleiten - als Dank für unsere Hilfe."
"Aber... sie haben für Saruman gekämpft! Gegen Rohan!", gab Kerry zurück, und in ihren Augen stand keine Furcht, sondern Wut, und Oronêl zögerte, bevor er erwiderte: "Zwerge und Noldor haben die Heimat meiner Mutter angegriffen und zerstört. Dúnedain unter Sarumans Befehl haben meine Heimat angegriffen und einen meiner Freunde getötet. Und trotzdem habe ich gemeinsam mit Zwergen in Lórien gekämpft, für die Dúnedain in Fornost, und zwei meiner besten Freunde in Mittelerde sind Noldor."
"Aber es waren nicht sie selbst, die diese Taten begangen haben, sondern nur welche von ihrem Volk. Nicht so... wie er." Kerry deutete mit dem Finger auf Aéd, der es sah, zusammenzuckte und den Blick abwandte.
"Nein, dieser Fall ist vielleicht etwas anders", gab Oronêl zu. "Und trotzdem, heute kämpfen sie nicht gegen Rohan, sondern gegen Saruman. Sie sind bereit, ihre Leben zu riskieren um uns zu helfen. Und sie wollen Frieden."
"Aber ich will nicht, dass sie...", begann Kerry, doch Oronêl unterbrach sie. "Sie werden uns begleiten, denn ich werde keine Hilfe abweisen, die freiwillig gegeben wird. Du wirst damit leben müssen - oder hier bleiben, was vielleicht sicherer für dich wäre."
Zur Antwort schnaubte Kerry nur verächtlich und wandte sich demonstrativ ab. Oronêl zuckte mit den Schultern, und wandte sich ebenfalls um. Er wollte sich nicht mit Kerry streiten, doch er hatte jetzt keine Zeit, sich weiter mit ihrem Problem auseinander zu setzen.
Während auf Mathan zuging, wurden Halarîn und Adrienne von Faelivrin in ihrem Gespräch unterbrochen. Die Königin der Manarîn wurde von ihren Leibwächtern begleitet, die nun in blau-silberne Stahlrüstungen gehüllt waren und von denen eine ein großes Bündel Pfeile trug. Nach einem kurzen Austausch nahm Halarîn die Pfeile entgegen, und füllte damit ihren in der Schlacht leergeschossenen Köcher auf. Oronêl hatte bereits am Abend zuvor in der Stadt bei einem Flüchtling aus Thal eine ganze Menge ordentlicher Pfeile auftreiben können.
"Ist alles in Ordnung mit dir und Kerry?", fragte Mathan, und Oronêl schüttelte langsam den Kopf. "Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit", antwortete er. "Sie ist dagegen, dass Forath und Aéd uns begleiten."
"Ich bin ebenfalls nicht allzu glücklich darüber", gab Mathan zu, und warf den Dunländern, die nun leise miteinander sprachen einen raschen Blick zu. "Aber ich vertraue dir, und wenn du sie dabei haben möchtest..."
"Das möchte ich", meinte Oronêl fest. "Ich vertraue ihnen, und sie haben es sich verdient."
Mathan zuckte mit den Schultern, und zog eine Karte hervor, die offenbar Tharbad und die größere Umgebung zeigte. "Wir sind hier", sagte er, und deutete auf den Fleck der die Stadt Tharbad darstellte, und dann auf einen weiteren weiter östlich davon. "Und müssen dorthin. Nach Eregion."
"Mit dem Schiff weiterfahren können wir nicht", meinte Oronêl, und Mathan stimmte zu: "Richtig, die Brücke von Tharbad versperrt uns den Weg. Und danach könnten wir die Nîn-in-Eilph ohnehin nicht mit dem Schiff durchqueren."
"Und auch zu Fuß solltet ihr die Schwanenfleet meiden", warf Forath ein, der sein Gespräch mit Aéd beendet zu haben schien, und zu ihnen getreten war. "Ich schlage vor, am Südufer des Grenzflusses nach Osten zu gehen, bis wir mein Dorf erreichen. Dort gibt es in der Nähe ein paar elbische Ruinen, und ihr wollt ja ins alte Elbenreich, nicht wahr?"
Sowohl Oronêl als auch Mathan fuhren zu ihm herum. "Ruinen?", fragte Mathan rasch. "Was für Ruinen - und wo?"
Forath zuckte mit den Schultern. "Nicht wirklich Ruinen, nur ein paar Steine - nördlich des Flusses. Doch man kann sehen, dass sie bearbeitet sind, und vielleicht mal zu einer Stadtmauer oder so gehört haben."
"Dann sollten wir diesen Weg gehen", erwiderte Mathan. "Ich hätte ihn ohnehin vorgeschlagen, denn es ist der einzige, auf dem man einigermaßen sicher nach Eregion kommt."
"Erst recht jetzt, wo die Dunländer auf eurer Seite stehen", meinte Forath mit einem Grinsen. "Wird eure Tochter, Herrin Faelivrin, uns ebenfalls begleiten?"
"Die Vorhut benötigt noch einige Zeit, die Schiffe zu entladen", verneinte Mathan. "Doch sie wird schon sehr bald mit der ersten größeren Gruppe folgen."

Als alles beschlossen war, war der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen. Mathan versetzte Anastorias, der neben Faelivrin stand, einen Klaps auf den Rücken, umarmte seine Tochter und sagte: "Wir sehen uns bald wieder."
"Darauf zähle ich", erwiderte Faelivrin, während sie ihre Mutter umarmte. Während Halarîn auch Anastorias kurz zum Abschied in die Arme schloss, ließ die Königin einen kurzen Blick über die Gemeinschaft schweifen, und sagte dann wieder an Mathan gewandt: "Passt auf euch auf und... versucht, nicht schon wieder in eine Schlacht zu geraten."
Als sie vom Hafen in Richtung des Südtores aufbrachen warf Oronêl, der mit Finelleth den Schluss bildete, einen Blick zurück. Auf dem obersten Deck der Naira stand die hochgewachsene Gestalt Ivyns, die ihnen mit silbernen, wissenden Augen hinterherblickte, und als Oronêl ihrem Blick begegnete, kurz zum Gruß die Hand hob. Dann bogen sie um eine Ecke, und der Hafen war nicht mehr zu sehen.

Mathan, Oronêl, Halarîn, Kerry, Finelleth, Adrienne, Celebithiel, Aéd und Forath nach Dunland
« Letzte Änderung: 14. Feb 2017, 17:41 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva