Salia, von: Celduin-EbeneWochenlang marschierte das Heer schon den Fluss entlang. Celduin, Eilend, Carnen, welcher wusste jedoch mittlerweile kaum mehr ein Ostling. Einerseits kannten viele die westlichen Namen nicht und andererseits war das Unwetter hier so stark, dass es für jeden Nichtkartographen unmöglich war herauszufinden welchen der Flüsse man nun in südlicher Richtung folgte. Darüber hinaus waren viele so froh darüber nach einem scheinbar sinnlosen Umweg wieder den Weg gefunden zu haben, dass sie diese Unterscheidung auch nicht kümmerte...außer Brodderick: Bestimmt wies er die Richtung an und bestrafte jeden, der ihm widersprechen wollte. Er, so schien es, kannte die Unterscheidung und lehrte seine Untergebenen nach alter Schule die Bedeutung der alten Grenzen...bei jedem Fehler zehn Schläge.
So zog die Gruppe ohne weitere Widerworte den Fluss entlang, stets auf der Suche nach Essbarem oder sicheren Plätzen für die Nacht und fand sich nach weiteren kargen Wochen schließlich bei den Eisenbergen ein. Großteile des Viehs mussten während des Weges bereits geopfert werden und zwangen die Soldaten wertvolle - und vor allem schwere - Ausrüstung selbst zu tragen, während mit dem schwindenden Vieh auch die Nahrung immer knapper wurde. Als das Heer nun ausgehungert und zu Großteilen überlastet die Berge erreichte, hätte der Unmut gegenüber Broddericks Führung nun wahrscheinlich endgültig in puren Hass umgeschlagen, wenn das Heer nicht zu erschöpft dazu wäre. So blieb es zeitweise nur bei wüsten Beschimpfungen und dem weiterem Voranschreiten zum Berg, "um die Reserven aufzufüllen", ein Vorschlag, den selbst der erbittertste Feind Broddericks als klug ansehen musste.
Vor den Mauern der alten Zwergenstätte fielen vor allem zwei Sachen sofort ins Auge: Die Mauern zu den Gängen waren eingerissen worden und das Banner Mordors prangte an Fahnen und Wänden, ein Umstand, der nicht wenigen Ostlingen den Magen umdrehte: Trotz ihrer Anbetung Saurons, dem Bündnis mit Mordor und der Führung Khamuls war dies noch immer der Krieg Rhuns!
Ein stattlicher Südländer, der wohl zu Khamuls innerem Zirkel gehörte, grüßte da Heer verwirrt und fragte, was sie hier oben täten.
"Vorräte auffüllen", erwiderte Brodderick, "Unser Vieh ist umgekommen, die Wege sind versperrt und wir hatten Blutsverräter unter uns."
"Der hat gut reden", dachte Salia, "Er hat das Vieh doch selbst zu Großteilen gegessen und die Wege hat er sich ausgesucht", mit einem kurzem Lächeln schoss ihr jedoch eines durch den Kopf: "Mit einem Punkt hat er aber schon recht..."
"Ich hoffe doch sehr, Ihr habt Euch der Verräter angenommen", erwiderte der Südländer, "Holt Euch hier was Ihr braucht, unsere zwergischen Freunde werden Euch gerne ausstatten! Ihr werdet sehen, diese hier haben gemerkt wann Widerstand zwecklos ist und tun was man ihnen befiehlt. Außer Phrasen über ihre wundervollen Tunnelsysteme und ihre Fluchtmöglichleiten bringen sie keine Drohungen zustande.
Zweifellos könnt Ihr unsere Heimstätten einnehmen, doch bis dahin sind wir in den fernen Bergen verschwunden und haben uns neue Heimstätten gegraben. Aber wir wollen dieses Gebirge hier nicht aufgeben. Bleibt im Rahmen und wir ergeben uns! Das war alles, was sie hervorgebracht haben. Aber was will man mehr? Freiwillige Sklaven...dass ich so etwas noch erleben darf!"
Er befahl den Zwergen in seiner Nähe genug wetterfestes Vieh und große Wagen anderweitiger, haltbarer Lebensmittel heranzuschaffen und verfiel kurz darauf in ein anhaltendes Gespräch mit Brodderick, während das restliche Heer den halbwegs geschützten Standort nutzte um sich auszuruhen. Als die Zwerge schließlich zurückkamen, brach Brodderick das Gespräch abrupt ab und befahl seinen Soldaten sich wieder bereit zu machen, doch drei größere Ostlinge mit jeweils dutzenden Abzeichen traten nun neben ihn.
"Nein!"
"Wagt Ihr es eurem Heerführer zu widersprechen", zischte Brodderick.
"Du hast unsere Söhne getötet! Unsere Vorräte verschwendet und falsch geführt! Du bist es nicht würdig dich Heerführer zu nennen!" Der Mann spuckte ihm vor die Füße, "Wir bleiben hier!"
Brodderick überlegte kurz mit zu Schlitzen verengten Augen und pulsierenden Adern und entgegnete dann ungewohnt freundlich: "Gewiss,
meine Freunde. Bleibt hier und genießt Eure neue Heimat. Ich kehre zurück in meine."
"Sie können nicht hier bleiben", sagte der Südländer, "Khamul hat befo..."
"Zum Teufel mit Khamul und seinen Befehlen!", brüllte er nun wieder zornig, "ICH bin hier seine Stimme! ICH führe für ihn dieses Heer. Was immer er gesagt hat ist hier nichts wert, ICH sage hier was los ist!"
Die meisten Ostlinge in der Umgebung japsten entsetzt aus. Sie hatten vieles von Brodderick erwartet, aber dass er so offen gegen den obersten Feldherren Saurons schimpfte und dies seinem Boten ins Gesicht schrie, gehörte nicht dazu. Die drei Rebellen lachten kurz auf, "Das ist dein Todesurteil drüben in Gortharia". Der Südländer fixierte ihn kurz und sagte: "Das war in Fehler, Brodderick! Der Osten vergibt keinen Verrätern und Sauron erst recht nicht. Diese Geschichte wird fortgetragen werden, bis es keinen Ort mehr zum Verstecken gibt...bis jeder Ort Mittelerdes "Brodderick" auf seiner Todesliste stehen haben wird. Dies ist Bestrafung genug. Verschwindet und führt Eure Männer nach Gortharia, dort soll sich Euer Schicksal entscheiden!"
Brodderick behielt sein unheimliches Lächeln als er sich umdrehte und den Großteilen der Armee, die dieses Schauspiel nicht verfolgen konnten, mitteilte: "Auf Leute, weiter geht's! Auf Geheiß Khamuls werden drei unserer Divisionen hier bleiben und sich der Zwerge annehmen!"
Das Heer machte sich bereit und ging ein paar Schritte bis zum Tal vor dem Gebirge, während Salia, welche in der vorersten Reihe gestanden hatte beeindruckt, aber viel mehr schockiert über die Dreistigkeit von Broddericks Lügen weiterhin dastand und sich über dessen Verhalten wunderte. Alle Bewunderung wich jedoch noch mehr Schock, als er sich umdrehte und dem protestbereiten Südländer sein Schwert durch den Bauch jagte. "Euer Berg", sagte er zu den drei Rebellen, "hoffentlich gefällt er Euch!"
Mit Leerem Blick und noch immer mit dem unnatürlichem, furchteinflößendem Lächeln verließ auch er den Berg, an den drei Heerführern, Salia und den zurückgebliebenen Soldaten vorbei zu der marschbereiten Gruppe, in der sich gerade die Gerüchte über das Geschehene breit machten.
Hastig folgte Salia Brodderick und erkannte auf dem Rückweg verschiedene Zwerge, welche aus Steinnischen hervorlugten: Keine Leere war mehr zu erkennen wie bei jenen, die die Vorräte brachten, sondern eine Kombination aus Angst und Hass. Je länger sie jedoch bei dem Blick verharrte, wichen diese Emotionen immer mehr denen der Hoffnungslosigkeit: Dieser Berg blieb verloren egal was sie versuchten, die Frage blieb nur, wie sich die neuen Besatzer verhielten!"
Es dauerte einige Zeit bis Salia diese Gesichter aus ihrem Kopf fegen konnte und trotzdem jagte sie noch immer das Gefühl ein weiteres Stück Heimat verloren zu haben.
Die Gerüchte über Broddericks Verhalten hatte sich mittlerweile durchs ganze Heer gezogen und immer absurdere Formen angenommen, welche, so fand Salia schnell heraus, zumeist von Morrandir und Ryltha geschürt wurden.
"Ganz einfach", erklärte Morrandir, "Es muss wahr genug wirken um ihn endgültig beim König zu diskreditieren, aber gleichzeitig verrückt genug, dass keine Revolte ausbricht. Darüber hinaus...es bestehen hohe Chancen, dass ich seinen Posten bekomme, wenn er fällt und ich will nicht den Zorn des Königs dafür spüren Monate hinter dem Zeitplan zu hängen und drei Kompanien die Fahnenflucht ermöglicht zu haben."
Salia, nach: Gebiete westlich des Meeres von Rhûn