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Autor Thema: Am Mering-Strom  (Gelesen 7724 mal)

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Am Mering-Strom
« am: 11. Feb 2016, 23:52 »
16. Juni 3022
Aus der Sicht Faramirs



Es tat gut, dem Alltag am Hofe Aldburgs für einige wenige Stunden zu entfliehen. Fast war er froh, die vertraute Ausrüstung eines Waldläufers zu tragen und seine Aufmerksamkeit nur auf eine einzige Sache zu richten: Die Grenze nach Anórien in der Gestalt des Mering-Stromes. Der Fluss strömte ruhig an ihm vorbei als gäbe es diesen Krieg gar nicht und als stünden die Bäume an seinem Ostufer nicht in Flammen. Die Orks von Mordor hatten Feuer gelegt, um den versteckten Wachposten die Deckung zu nehmen, doch bisher war das Westufer unberührt geblieben. Seit dem Angriff mehrerer kleiner Banden von Ork-Plünderern in der Ostfold vor knapp einem Monat wurden die Grenzen Rohans scharf bewacht und die Wachen ließen niemanden in Diensten Saurons den Mering-Strom passieren.

Faramir blickte sich um. Zwei seiner besten Männer knieten neben ihm und spähten über den Rand des dicht bewaldeten Hügels auf dem sie postiert waren. Er war froh, dass unter den Flüchtlingen die dem erneuten Fall Minas Tiriths entkommen und Rohan erreicht hatten viele gewesen waren, die sich auf die versteckte Art der Kriegsführung der Waldläufer verstanden oder die er darin ausbilden konnte. Den Rohirrim war es eher schwer gefallen, es zu lernen.
Er hob den Blick zum Halifirien und atmete erleichtert aus. Noch hatten die Brände den Amon Anwar nicht erreicht. Seine Männer ahnten nichts, doch Faramir wusste, dass sich dort das Grab Elendils befand und ein Heiligtum der Könige und Truchsessen von Gondor. Und auf dem Gipfel des Berges, wo heute eines der Leuchtfeuer Anóriens stand, hatten einst Cirion und Eorl den Bündniseid zwischen Rohan und Gondor abgelegt. Er wollte nicht dabei zusehen, wie diese ehrwürdige Stätte von den Dienern Mordors zerstört wurde.

Einer der Männer neben ihm lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Strom. Einen einzigen Übergang gab es, der sich unterhalb ihrer Position befand. Dort sammelten sich nun die Orks, ungefähr drei- oder vierhundert von ihnen. Faramir ergriff seinen Bogen und machte sich bereit. Er legte einen Pfeil auf und spannte die Sehne, wartete aber noch ab, bis der erste Ork seinen Fuß ans Westufer setzte. Wie viele andere trug er eine Fackel, in der Absicht nun auch den Wald am Westufer in Brand zu setzen. Das würde Faramir nicht zulassen. Er schoss den Pfeil ab und traf den Ork am Oberkörpfer.

Sofort folgten ihm die versteckten Waldläufer an seiner Position. Von der Nordseite schlug ein zweiter Pfeilhagel in die Reihen der Orks ein, denn auch dort waren Wachen postiert. Der Vormarsch ihrer Feinde geriet ins Stocken, kam jedoch nicht ganz zum Erliegen. Zu viele waren es, die nun über den Fluss drängten, und zu wenige Pfeile flogen ihnen entgegen. Faramir verschoss seinen letzten Pfeil und gab dem Mann neben ihm das verabredete Zeichen. "Los, Aradan!"
Der Mann hob sein großes Kriegshorn an die Lippen und stieß dreimal kräftig hinein. Der Klang hallte durch die Reihen der Orks und einen Moment hielten sie inne, harrten ungewiss dem, was kommen würde.
Doch nichts geschah. Johlend rückte die Horde wieder vor. Faramirs Männer hatten ihre Pfeile verschossen und zogen nun die Schwerter. Sie waren bereit.
Da erklang das Donnern von vierhundert Hufen auf der Straße und eine éored aus Aldburg preschte mit voller Wucht durch die Orkhorde hindurch. Sie hatten sich hinter dem Hügel in Bereitschaft gehalten und hatten nur auf das Hornsignal gewartet. Die Orks die den Ansturm überlebt hatten wandten sich zur Flucht nach Osten, doch die Reiter waren schneller. Keinen einzigen Diener Saurons ließen sie davonkommen.

Am Ende des Tages hatten sie die meisten Brände am Ostufer gelöscht. Der Halifieren war vom Feuer verschont geblieben. Faramir war zufrieden. Die Verteidigung an den Grenzen war getestet worden und hatte sich als standhaft erwiesen. Er würde das Kommando guten Gewissens an Aradan übergeben können. Saurons Aufmerksamkeit war offenbar durch die Ereignisse sowohl im Norden als auch im Süden abgelenkt, so dass Faramir nicht mit einem Großangriff auf die Ostfold rechnete. Für den Fall, dass es doch dazu kommen sollte würden er und seine Männer die Streitmacht Saurons so lange es ging aufhalten, um den Bewohnern Aldburgs die Flucht in das leichter zu verteidigende Dunharg zu ermöglichen. Und von dort stünde ihnen der Weg nach Gondor frei, sollte Dunharg ebenfalls fallen.

Guter Dinge machte er sich auf den Rückweg nach Aldburg. Éowyn würde dort bereits auf ihn warten.
« Letzte Änderung: 12. Sep 2016, 14:17 von Fine »
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Im Kampfrausch
« Antwort #1 am: 29. Aug 2017, 21:06 »
Córiels Start:

Zwischen zwei großen, grünen Fichtenzweigen blitzten zwei dunkelbraune, wachsame Augen hervor, die nur selten blinzelten. Ein vertrauter Geruch lag in der Luft: die scharfe Note von fernen, schwelenden Bränden. Die Flammen des Krieges waren erneut entzündet worden und verschlangen einen weiteren Teil des Firienwaldes an der westlichen Grenze Anóriens. Die Augen blieben unerbittlich auf den am nahesten liegenden Brand gerichtet, direkt gegenüber der kleinen Furt, an der sich der Meringfluss überqueren ließ. Denn dort sammelten sich nun dunkle, grobschlächtige Gestalten. Orks, dachte Córiel und schob die Fichtenzweige vorsichtig beiseite. Noch immer wendete sie den Blick nicht von den sich am gegenüberliegenden Ufer sammelnden Feinden ab, während sie langsam und lautlos vorwärts pirschte. Ihre feinfühligen Ohren sagten ihr, dass die Waldläufer Faramirs zu beiden Seiten dasselbe taten und die Schlinge des Hinterhaltes enger und enger zogen. Wieder und wieder laufen sie in unsere Falle. Sie lernen nicht aus ihren Fehlern. So war es schon immer mit den niederen Orks. Solange Mordor keinen fähigeren Kommandanten hierher schickt, wird sich daran auch nichts ändern. In all den Jahrhunderten des Krieges, die Córiel erlebt und überlebt hatte, waren ihr im Kampfverhalten der Orks so einige Muster aufgefallen. Seit mehreren Wochen folgten die Orks, die die Ostgrenze Rohans immer wieder angriffen, demselben Plan. Sie wussten, dass ihre Feinde sich im Schutz der Bäume versteckt hielten. Also setzten sie die Bäume in Brand. Doch bislang war es ihnen nicht gelungen, die Brände auf das westliche Flussufer auszuweiten, denn dort erwarteten sie die Pfeile und Speere der verborgenen Wachposten. Das ging meist einige Tage lang so, ehe sich die Orks zu einer großen Horde zusammenrotteten und einen direkten Angriff über die Furt wagten. Geschah dies, verlangsamten die Waldläufer den Angriff mit Pfeilhageln und Fallen, ehe die ganz in der Nähe stationierten Reiter von Rohan alle verbliebenen Feinde niedertrampelten oder in die Flucht schlugen. Zwar erhielten die Orks immer wieder sporadische Verstärkung aus dem Osten, doch Córiel vermutete, dass noch kein neuer Kommandant eingetroffen war. Sie glaubte, es hier mit einem unerfahrenen orkischen Befehlshaber zu tun zu haben. Wäre ein Mornadan oder gar ein Ringgeist anwesend gewesen, hätten die Verteidiger der Ostgrenze Rohans sicherlich kein so leichtes Spiel mehr gehabt.

Sie setzte geräuschlos einen Fuß vor den anderen, den Bogen griffbereit in der rechten Hand. Ihr Speer hing über ihren Rücken und wartete schon auf seinen Einsatz. Córiel erreichte den oberen Rand der steilen Böschung des westlichen Flussufers und ließ sich auf ein Knie hinab. Ihr Köcher hing links an ihrer Hüfte. Sie zog vorsichtig einen weiß gefiederten Pfeil heraus und ließ ihn geschickt durch ihre Finger gleiten. Sie hatte freies Schussfeld auf die Furt, an deren gegenüberliegendem Ende sich die Orks noch immer sammelten. Córiel spürte, wie die Kampfeslust in ihr aufstieg, doch sie unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und sich mit blitzenden Klingen in die Reihen ihrer Feinde zu stürzen. Noch war sie diszipliniert genug, um auf den Angriffsbefehl zu warten. Dies konnte sich jedoch rasch ändern, wenn sich das Gefecht in den Nahkampf verlagern würde.
Eine breitschultrige Gestalt ließ sich neben ihr nieder. Der Beorninger trug kaum Rüstung bis auf eine feste Hose aus Leder und eine leichte Weste, doch Córiel wusste aus Erfahrung, dass er keinen zusätzlichen Schutz benötigen würde. Die gewaltige zweihändige Axt, deren Griff er locker ergriffen hatte, ruhte auf dem weichen Waldboden und glänzte blutrot im schwindenden Licht der Abendsonne.
"Endlich ist es wieder soweit, Stikke," sagte Jarbeorn leise, und seine tiefe Stimme war voller freudiger Erwartung.
Córiel teilte sein Empfinden. Auch sie hatte sich seit Tagen nach einem Kampf gesehnt. "Ja, mein Freund. Endlich werden unsere Klingen wieder Blut schmecken."
Stikke war ein Wort aus der Sprache der Beorninger und ein Spitzname, den Jarbeorn Córiel nach ihrem ersten gemeinsamen Kampf gegeben hatte, nachdem er gesehen hatte, wie sie mit ihrem Speer unter den Orks gewütet hatte. Er sagte, das wäre vergleichbar mit dem Stich einer Biene aus seiner Heimat, dem Tal des Anduin. Ehe Córiel eine empörte Antwort hatte geben können, hatte er ihr erklärt, dass die Bienen der Beorninger um ein vielfaches größer und weitaus tödlicher als die in Rohan lebenden gewöhnlichen Bienen waren. Und so nahm sie den Namen an, da sie zugeben musste, dass ihr Speerstich durchaus damit zu vergleichen war.
Jarbeorn war der Sohn Grimbeorns, des Anführers der Beorninger. Und wie Córiel liebte er den Kampf. Aus dieser gemeinsamen Vorliebe war rasch eine enge Freundschaft und Kameradschaft geworden.
"Es geht los," murmelte der dunkelhaarige Krieger und Córiel sah, wie sich die Muskeln an seinen Schultern anspannten. Auch sie verspürte tief in ihrem Inneren ein immer stärker ansteigendes Hochgefühl, ein Vorgeschmack auf den Kampfrausch, dem sie sich schon bald hingeben würde.

Der Beorninger sollte recht behalten. Ein rohirrisches Horn erklang und Pfeile schossen zwischen den die Furt umgebenden Bäumen hervor. Córiel handelte instinktiv. Sie legte ihren Pfeil auf die Sehne, zielte, und schoss - alles innerhalb von wenigen Bruchteilen von Sekunden. Zwar ging der Schuss aufgrund ihrer Eile daneben, doch der Pfeilhagel fordete dennoch viele Opfer unter den Orks, die gerade dabei waren, das flache Wasser des Mering zu überqueren. Fackeln fielen aus toten Händen und verloschen zischend in der Strömung und der Fluss färbte sich schwarz vom Blut der Horden Mordors. Córiel ließ ihrem ersten Pfeil noch ein Dutzend weitere folgen, bis ihr Köcher leer war. Jarbeorn war aufgesprungen und schwang ungeduldig seine Axt hin und her, bis endlich das erlösende zweite Hornsignal ertönte. Sofort stürmte der mächtige Krieger los, die Böschung hinab zur Furt, hinunter zu den Orks. Córiel war mit einem weiten Satz direkt hinter ihm gelandet und schloss mit federndem Gang zu ihm auf. Ihren Bogen hatte sie an Ort und Stelle liegen gelassen und sich mit dem Speer Sercehtë bewaffnet, ihrem treuen Gefährten seit nahezu drei Jahrtausenden voller Blutvergießen. Es ging steil hinab und ein einziger Fehltritt konnte einen tödlichen Sturz bedeuten. Doch Córiel und Jarbeorn kannten das Schlachtfeld gut, das sie nun betraten. Viele Male waren sie bereits eben jene Böschung hinuntergestürmt und hatten sich mit blitzenden Klingen auf ihre Feinde geworfen. Und so war es auch an diesem Abend.
Mit einem lauten Schrei leitete Córiel den Schwung ihres Ansturms in einen mächtigen Speerstoß, der dem vordersten Ork die Brust durchbohrte und ihn rückwärts gegen seine Mitstreiter schleuderte. Geschickt zog die Hochelbin die Speerspitze aus dem Kadaver und duckte sich unter einem gegen ihren Kopf geführten Hieb hinweg, um aus derselben Bewegung in einen heftigen Tritt überzugehen, der einem weiteren Ork den Unterkiefer zertrümmerte. Córiel drehte sich wie ein Wirbelwind herum und ihr Speer fegte dem nächsten Feind die Beine weg und ließ ihn hilflos zusammenbrechen. Ein rascher Stich in die Kehle beendete das Leben der Kreatur. Und so kämpfte Córiel unermüdlich weiter und verfiel tiefer und tiefer dem verlockenden Ruf des Kampfes und dem Blutrausch. Mehr und mehr gab sie ihre Verteidigung auf und führte immer wildere Hiebe und Drehungen. Doch trotz all ihrer Geschwindigkeit, Geschicklichkeit und Erfahrung musste sie dennoch einige Treffer hinnehmen, denn noch immer waren die Orks in der Überzahl, auch wenn der Pfeilhagel der Waldläufer sie stark dezimiert hatte. Córiels noldorische Rüstung fing die meisten Hiebe ab, aber nicht alle. Aus mehreren Schnitten blutend setzte Córiel ihren rücksichtslosen Angriff fort, bis eine schwere Hand sich auf ihre Schulter legte und sie hart beiseite riss, ehe sie reagieren konnte. Etwas Großes und Schweres rauschte nahe, viel zu nahe an ihrem Gesicht vorbei und schleuderte die Orks mit brutaler Kraft zurück. Es waren die Reiter von Rohan, die jetzt in den Kampf eingriffen und die Orks mit großer Effizienz niederritten. Córiel war so vertieft in ihren Kampf gewesen, dass sie das dritte Hornsignal überhört hatte, welches die Ankunft der Reiterei ankündigte.
"Das war knapp, Stikke," rief Jarbeorn mit rauer Stimme, während er einen Ork entzwei hackte. Er war es gewesen, der Córiel gerade noch rechtzeitig aus der Bahn der Reiter gerissen hatte.
Er hat recht, dachte sie bestürzt. Doch mehr Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht, denn einer der wenigen verbliebenen Orks rammte ihr seinen Schild gegen die Brust, sodass die Elbin rückwärts taumelte. Rasch fing sie sich wieder und schleuderte ihrem Feind kurzerhand ihren Speer entgegen, der seinen Kopf durchbohrte. Mit einem schnellen Sprung war sie bei ihm und holte sich ihre Waffe zurück.

Rücken an Rücken kämpfend machten Córiel und Jarbeorn die letzten noch lebenden Feinde nieder. Der Großteil der Orks hatte die Flucht ergriffen. Jetzt galt es, die Feuer auf dem Ostufer zu löschen, ehe sie sich ausbreiteten. Und so halfen sie beide beim Befüllen von Eimern in der Furt, die von den Reitern benutzt wurden, um die Flammen zu ersticken. Kurze Zeit später schon war alles vorbei.
Jarbeorn reinigte seine Axt in den Fluten des Mering vom schwarzen Blut der Orks, und Córiel tat dasselbe mit der Spitze ihres Speeres. Schweigend knieten sie nebeneinander, ehe sie sich dazu durchrang, etwas zu sagen.
"Danke," stieß sie hervor. "Wenn du nicht gewesen wärst..."
Er winkte ab. "Ich verstehe nicht, wie du all die Jahrhunderte überstehen konntest, Stikke. Jeder Knappe Rohans hat mehr Schlachtübersicht als du."
Sie schluckte. Auf seine Frage hatte sie keine Antwort. Diese Sorte von Gesprächen waren ihr noch nie leicht gefallen. Also schwieg sie. Doch Jarbeorn von den Beorningern war niemand, der lange zornig war. Er schlug ihr freundschaftlich auf den Rücken und lachte herzlich. "Mach nicht so ein Gesicht! Nach einem ordentlichen Schluck Met auf deine Kosten ist die Sache vergessen."
Córiel brachte ein Lächeln zustande. Sie wünschte sich, all ihre Bekanntschaften wären so einfach gestrickt wie Jarbeorn. Sie hatte kaum Freunde, weil sie das Konzept von Freunschaft noch nie richtig verstanden hatte. Was sie verstand war Respekt und Anerkennung aufgrund von herausragenden Leistungen im Krieg und Kameradschaft unter Kriegern. Doch Beziehungen in Friedenszeiten waren ihr ein Rätsel.
"Also gut," sagte sie und stand auf. "Ich zahle für dein Getränk. Aber nur dieses eine Mal."
Jarbeorn legte ihr freundschaftlich seine Pranke auf die Schulter. Er war beinahe zwei Köpfe größer als die zierliche Hochelbin. "Bis ich dir das nächste Mal den Hintern rette."
"Dazu wird es nicht kommen, Schwarzpelz" erwiderte sie schlagfertig. "Ich mache niemals denselben Fehler zweimal."
"Wir werden sehen, Stikke. Wir werden sehen..."

Die Waldläufer teilten sich mit den an der Ostgrenze stationierten Rohirrim ein kleines Feldlager, das ungefähr eine Meile vom Flussufer des Mering entfernt versteckt in einer Talmulde im Firienwald lag. Dort angekommen verschwand Jarbeorn im Zelt des Quartiermeisters, nachdem ihm Córiel den Betrag ausgehändigt hatte, den sie ihm schuldete. Doch noch ehe er zurückkehrte, kam ein Meldereiter ins Lager geprescht, der das rotsilberne Banner von Imladris führte.
"Córyeldë von Haus Arheston," sprach er sie auf Quenya an als er sie entdeckte. "Herr Faramir erfordert deine Anwesenheit in Aldburg, so schnell es geht."
"Worum geht es?" fragt sie verwundert, dieselbe Sprache verwendend.
"Der Grund wurde mir nicht mitgeteilt," antwortete der Bote. "Ich weiß nur, dass Eile geboten ist. Große Eile."
Sie blickte über ihre Schulter hinweg und entdeckte Jarbeorn in einiger Entfernung, der gerade einen Humpen leerte und sehr zufrieden mit sich selbst wirkte.
"Keine Zeit dafür," unterbrach sie der Reiter und sprang aus dem Sattel. "Nimm mein Pferd und reite! Verweile nicht länger!"
Córiel mochte öfters im Kampf die Kontrolle verlieren, doch außerhalb davon verstand sie es, Befehle zu befolgen. Und so tat sie, wie man sie geheißen hatte und stieg rasch auf den Rücken des Pferdes. Einen letzten Blick warf sie zurück, ehe sie das Ross antrieb und westwärts preschte. Westwärts, wo das letzte rote Licht der Abendsonne gerade verlosch und wo ein ungewisses Schicksal auf sie wartete...


Córiel nach Aldburg
« Letzte Änderung: 3. Sep 2017, 21:36 von Fine »
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Eandril

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Re: Am Mering-Strom
« Antwort #2 am: 9. Dez 2019, 19:03 »
Narissa, Aerien, Gandal, Aragorn, Gimli und Aino aus Anórien

Narissa stocherte abwesend mit einem Zweig in dem niedrig brennenden Feuer herum, während sie in die Dunkelheit um sie herum lauschte. Um das Feuer verteilt schliefen ihre Gefährten, bis auf Gandalf, der, sobald sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, ohne eine weitere Erklärung verschwunden war. Das hätte Narissas Misstrauen geweckt, wenn Aragorn dem Alten nicht so bedingungslos vertraut hätte. So verließ Narissa sich auf Aragorns Urteil, und hatte ihren eigenen Instinkt nieder gekämpft.
Gandalf hatte sie auf einem schmalen Pfad geführt, zunächst den Halifirien hinab, dann wieder ein wenig hinauf in die Berge bis zur Quelle des Merings und schließlich wieder hinab in den Wald. Als sie die Berge hinter sich gelassen hatten und so im westlichen Teil des Waldes angelangt waren, war die Dunkelheit bereits hereingebrochen, und so hatten sie sich entschlossen, für die Nacht ein Lager aufzuschlagen.
Narissa hob den Kopf, als sie Geräusche aus nördlicher Richtung hörte. Äste knackten, und sie glaubte ein leises... Wiehern zu hören. Sie sprang von ihrem Sitz auf einem umgestürzten Baumstamm auf die Füße, ging um das Feuer herum, wobei sie dem quer über ihrem Weg liegenden Aino ausweichen musste, und starrte angestrengt in den nächtlichen Wald hinein. Mehrere große Gestalten bewegten sich zwischen den Bäumen, und unter ihnen eine kleinere, vollkommen weiße Gestalt. Gandalf. Narissa atmete erleichtert auf, und als Gandalf sie am Rand des Lagers stehen sah, lächelte er unter seinem Bart. Narissas Gehör hatte sie nicht getäuscht, denn den Alten begleiteten vier Pferde.
"Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte er freundlich. Die Pferde blieben am Rand des Lagers stehen, während Gandalf auf seinen weißen Stab gestützt in den Lichtkreis des Feuers trat. Narissa zuckte mit den Schultern, und setzte sich wieder auf den umgestürzten Baumstamm. "Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass ihr so spät noch auftauchen würdet."
Die Augen des Alten blitzten belustigt, als er erwiderte: "Ein Zauberer kommt niemals spät. Er trifft genau dann ein, wann er es beabsichtigt." Er ließ sich Narissa schräg gegenüber auf einem flachen Stein nieder, den Stab neben sich angelehnt.
Narissa betrachtete ihn aus verengten Augen. "Zauberer? Was soll das heißen?" Gandalf brummte, eindeutig belustigt, zog eine Pfeife aus einer Tasche seines Gewandes und entzündete sie, ohne dass Narissa verstand, wie er das gemacht hatte. Er hatte jedenfalls keinen Feuerstein oder etwas ähnliches genutzt... Nachdem Gandalf die Pfeife in Gang gebracht und einen tiefen Zug genommen hatte, antwortete er schließlich: "Sofern mein altes Gedächtnis noch funktioniert, kommst du von der Weißen Insel." Er tat einen weiteren genüsslichen Zug, und stieß einen perfekten Rauchring aus. "Hast du dort nie von den Istari gehört?"
Narissa stockte. Natürlich hatte sie von den Istari gehört, mächtigen Wesen, die aus dem Westen gekommen waren um Mittelerde im Kampf gegen Mordor zu helfen, aber... "Ja, aber ich dachte... ich dachte, das wäre nur eine Legende", sagte sie, und Gandalf lachte leise. "Aus jeder Geschichte wird irgendwann Legende. Was glaubst du, meine Liebe, wie die Menschen in ein paar hundert Jahren über euch und eure Reise nach Mordor reden werden?"
Narissa spürte zu ihrem Schreck, wie sie errötete, und wandte rasch den Blick ab. Stattdessen blickte sie ins Feuer, das irgendwie ein Eigenleben entwickelt zu haben schien. Kleine Gestalten aus Flammen bewegten sich dort, schienen gegeneinander zu kämpfen, und im nächsten Augenblick zu tanzen. Sie blickte wieder zu Gandalf, der, die Pfeife im Mundwinkel, lächelte. "Du solltest erst mein Feuerwerk sehen." Ein kaum merklicher Schatten huschte nach diesen Worten über das Gesicht des Zauberers, war aber sogleich wieder verschwunden.
"Ich... manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Rolle in dieser Geschichte nach dieser Geschichte zu Ende ist", hörte Narissa sich selbst sagen. "Was könnte ich schon noch tun, nachdem ich im Dunklen Turm selbst gewesen bin?"
Gandalf blickte sie unter buschigen Augenbrauen hervor über das Feuer hinweg an. "Niemand weiß, wann seine Rolle in der Geschichte der Welt zu Ende ist, und niemand weiß, auf welche Weise das Ende kommt. Vielleicht wirst du dich in Gondor niederlassen, und glücklich bis ans Ende deiner Tage leben und deine Rolle in der Geschichte von Mittelerde mag enden, ja. Doch ich denke du ahnst, dass dies vorläufig nicht dein Schicksal ist", schloss der Zauberer scharfsinnig.
Narissa schüttelte den Kopf. Es war seltsam - noch nicht einmal einen ganzen Tag war es her, dass sie Gandalf begegnet waren, und dennoch teilte sie Gedanken mit ihm, über die sie bislang höchstens mit Aerien gesprochen hätte. "Ich habe keine Ahnung, was mein Schicksal ist", sagte sie. "Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es so etwas überhaupt gibt - Vorherbestimmung und all das. Aber... ich habe noch einiges zu erledigen und..." Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Was ist, wenn mein Glück mit Aragorns Befreiung endgültig erschöpft ist? Was, wenn irgendwelche Mächte beschließen, dass ich meine Rolle gespielt habe?" Es war eine irrationale Furcht, die sie ergriffen hatte, das wusste sie. Doch je länger Narissa über das nach dachte, was sie und Aerien in den letzten Monaten alles getan und erlebt hatten, desto mehr fürchtete sie sich.
Gandalf brummte nachdenklich, und zog an seiner Pfeife, die zu erlöschen gedroht hatte. "Fürchtest du das Ende?", fragte er schließlich leise. "Den Tod?"
"Nein. Ich fürchte weder Tod noch Schmerz." Das war auf eine gewisse Art und Weise die Wahrheit. Natürlich fürchtete Narissa sich wie jeder Mensch vor dem Tod oder vor Schmerzen, doch es war keine lähmende, erstickende Furcht, wie sie sie früher davor verspürt haben mochte.
"Nun, was fürchtest du dann?", fragte Gandalf, und Narissa, die diese Frage nicht erwartet hatte, stockte.
"Einsamkeit", erwiderte sie schließlich so leise, dass es beinahe ein Flüstern war. "Allein zu sein, ohne meine Freunde, Menschen, die ich liebe. Ich fürchte mich davor, sie zu verlieren - oder sie allein zu lassen." Für einen Augenblick war nur das leise Knacken des Feuers zu hören, und das Prasseln der Glut in Gandalfs Pfeife, wenn der Zauberer daran zog.
"Ich glaube nicht, dass du jemals wirklich alleine sein wirst", sagte Gandalf schließlich. "Niemand von uns ist je wirklich allein, selbst wenn niemand bei ihm ist - wenn du verstehst, was ich sagen will." Wirklich verstanden hatte Narissa nicht, und dennoch beruhigten Gandalfs Worte sie auf seltsame Weise.
"Nun", sprach Gandalf weiter, "ich denke, dir würde ein wenig Schlaf gut tun. Ich werde den Rest deiner Wache übernehmen - in meinem Alter braucht man wenig Schlaf, und ich habe vor einiger Zeit mehr geschlafen, als mir lieb ist."
Narissa wollte ansetzen, ihm zu widersprechen, stellte allerdings fest, dass ihre Augenlider mit einem Mal zu zufallen drohten. Also nickte sie nur dankbar, und streckte sich auf ihrem Lager neben Aerien aus. Bevor sie die Augen schloss, blickte sie noch einmal zu Gandalf hinüber, der offenbar tief in Gedanken versunken am Feuer saß, und fragte: "Gandalf... woher kommen die Pferde?"
Der Zauberer blickte über die Schulter zu den Tieren, die hinter ihm still, offenbar ebenfalls schlafend, unter den Bäumen standen.
"Es gibt Wachtposten der Rohirrim in der Nähe, und sie haben mir freundlicherweise einige überzählige Tiere überlassen", erklärte er, und lächelte dann. "Ich habe sie nicht gestohlen, wenn du das befürchtet hattest. Doch ich hielt es für besser, eure Gegenwart in diesem Land so lange wie möglich geheim zu halten. Und nun schlaf. Schlaf bis zum Morgengrauen."
Bevor Narissa endgültig in den Schlaf hinüber glitt, hörte sie den Zauberer leise vor sich hin singen, zu einer Melodie, die ihr vollkommen unbekannt war, aber dennoch seltsam vertraut vorkam.

Die Straße gleitet fort und fort,
Weg von der Tür wo sie begann,
Weit überland von Ort zu Ort,
Ich folge ihr, so gut ich kann...

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Der erste Morgen in der Riddermark
« Antwort #3 am: 12. Dez 2019, 15:18 »
Aerien erwachte aus einem wirren Traum, als ein kühler Windhauch ihr Haar verwirbelte. Es war unter den hohen Nadelbäumen noch dunkel, nur im Osten deutete sich mit leichtem Zwielicht die Morgendämmerung an. Das Feuer war zu einem winzigen Haufen Glut zusammengeschmolzen. Während Aerien sich vorsichtig umsah, schwanden die nebelhaften Eindrücke ihres Traumes mehr und mehr dahin. Sie hatte ein fremdes, grünes Tal gesehen, aber an mehr erinnerte sie sich nicht.
Narissa lag ruhig schlafend neben ihr und hatte Aerien den Rücken zugewandt. Behutsam, um sie nicht aufzuwecken, setzte Aerien sich auf. Als Erstes entdeckte sie Aino, den jungen Ostling, der etwas abseits lag und ebenfalls noch schlief. Und ganz auf der anderen Seite des kleinen Lagers, zwischen den Bäumen, waren mehrere große Schemen zu sehen - es mussten Pferde sein. Ehe Aerien sich die Frage stellen konnte, woher die Tiere gekommen waren, erspähte sie bereits die Antwort darauf: Hinter den Pferden waren Gandalf und Aragorn in ihr Sichtfeld geraten. Beide schienen sich leise zu unterhalten. Als Aerien, neugierig geworden, die Ohren spitzte, stellte sie fest, dass es sich um einen Streit zu handeln schien.
"Ich halte das für unklug, Aragorn," sagte Gandalf. "Noch immer wissen wir nicht, wer alles zuhören könnte. Von deinem Zustand erst gar nicht zu sprechen."
"Es muss getan werden, Gandalf, und zwar bald," erwiderte Aragorn leise, sodass sich Aerien anstrengen musste, seine Worte zu verstehen. "Ich habe genug Zeit in den Kerkern des Dunklen Herrschers vergeudet. Ich muss wissen, wie die Dinge stehen."
"Dafür brauchst du dieses Ding nicht," erwiderte Gandalf. "Es gibt viele Nachrichten, die das Ohr der Königin Rohans erreichen. Sprich mit Éowyn, sobald du dich erholt hast."
"Éowyn wird nicht alle Antworten haben. Du hast die Inschrift Cirions gesehen, oder etwa nicht? Minas Tirith bleibt für uns außer Reichweite. Und das Wissen des Nordreiches ging entweder mit Arvedui unter, oder gelangte in Elronds Bibliothek, und deren Inhalt ist mir gut geläufig - sie bietet mir keine Antworten. Ich muss es tun."
Gandalf schwieg einen Augenblick. "Ich rate dir zu Besonnenheit, mein Freund," begann er schließlich. "Rohan mag uns sicher erscheinen, aber eine solche Tat, wie du sie vorhast, würde viele unfreundliche Augen auf dieses Land richten, was so lange unter dem Krieg gelitten hat. Wenn du weiterhin entschlossen bist, es zu riskieren, dann warte bitte wenigstens bis wir in Dol Amroth sind."
Aragorn schien noch etwas antworten zu wollen, doch in diesem Augenblick regte sich Narissa im Schlafe und ihr Fuß verursachte ein lautes Knacken im Unterholz. Sofort erstarb das Streitgespräch, und Aragorn und Gandalf kehrten nach wenigen Momenten zum Lagerfeuer zurück.
"Ah, du bist wach," begrüßte Aragorn Aerien, die ihn mit einem ganzen Dutzend Fragen in den Augen anblickte, sich aber beherrschte. "Wir haben Glück, einen Zauberer bei uns zu haben. Gandalf hat Pferde für uns aufgetrieben."
Gandalf stützte sich auf seinen Stab und musterte Aerien eindringlich. Noch immer wusste sie nicht recht, was sie von dem Zauberer halten sollte. Eine geheimnisvolle, beinahe schreckliche Aura schien ihn zu umgeben. Rasch musste sie den Blickkontakt abbrechen. Sie hatte stets das Gefühl, dass Gandalf sie nicht so leicht willkommen heißen würde, wie es Aragorn getan hatte.
"Es ist nicht mehr als ein Tagesritt bis zu den Toren Aldburgs," sagte Gandalf. "Wir sollten rasch aufbrechen, wenn wir die Stadt bei Sonnenuntergang erreichen wollen."
"Der Gedanke, nach so vielen Monaten wieder in einem echten Bett zu schlafen, lässt mich die Erschöpfung der letzten Wochen beinahe vergessen," scherzte Aragorn. "Beinahe."
Sie weckten Narissa und Aino. Anschließend nahmen sie ein karges Frühstück zu sich. Aerien fiel dabei auf, dass Narissa munter mit dem Zauberer plauderte und offenbar jegliche Vorsicht Gandalf gegenüber abgelegt hatte. Am liebsten hätte sie etwas gesagt, doch immer wenn sie in seine Richtung schaute, kam es ihr vor, als würde Gandalf ihr einen warnenden Blick zuwerfen, der Aerien zurückschrecken ließ. So blieb sie während des Frühstücks still, bis sich Aino neben sie setzte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass es einen Ort gibt, an dem so viele Bäume wachsen," sagte der junge Ostling und schenkte Aerien ein schüchternes Lächeln.
Nachdenklich betrachtete sie ihn. Bis jetzt wusste Aerien nur, dass Aino aus Rhûn stammte, der Sohn eines hochrangigen Kommandanten war, und dass er nun desertiert war. Auch über das Land der Ostlinge wusste Aerien nur wenig - ihr Interesse hatte schon immer den Reichen der Dúnedain gegolten. Über Rhûn wusste sie nur, dass weite Flächen des Landes aus steppenartigen Ebenen bestanden. Das würde Ainos Verwunderung über den Wald, in dem sie nun lagerten, erklären.
"Gibt es in deiner Heimat keine Wälder?" fragte sie halbwegs interessiert.
Aino legte den Kopf schief. "Ich weiß es nicht," gab er zu. "Ich habe die Hauptstadt nur selten verlassen, bis mein Vater mich zu Armee geschickt hat." Er blickte sich um, als fürchtete er, jeden Augenblick überfallen zu werden.
"Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen machen musst," sagte Aerien. "Wir haben die Grenze Rohans überschritten und sind vorerst in Sicherheit."
Der junge Ostling schien sich davon ein wenig beruhigen zu lassen. Er blickte hinauf zum Geäst über ihren Köpfen, durch das die ersten Sonnenstrahlen hindurchblinkten. "Dieses Land ist mir fremd," sagte Aino. "Es ist... gleichzeitig aufregend und beängstigend."
"So kam es mir auf meiner ersten Reise ebenfalls vor," erzählte Aerien. "Ich verließ Mordor und war zum ersten Mal wirklich frei - oder zumindest glaubte ich es damals."
"M-Mordor?" wiederholte Aino und war bleich geworden. "Du kommst aus-"
Er starrte Aerien an und schien sie zum ersten Mal richtig wahrzunehmen. Unwillkürlich rückte der junge Ostling ein Stück von Aerien ab, ehe er vehement den Kopf schüttelte und seine ursprüngliche Position wieder einnahm. "Verzeih' mir! Ich wollte nicht..."
"Es ist in Ordnung, Aino," sagte Aerien. "Du hast Recht, ich kam einst aus Mordor. Doch ich habe dieses Leben hinter mir gelassen und stehe auf der Seite jener, die gegen den Dunklen Herrscher kämpfen."
"Oh, das ist gut, das ist sehr gut," antwortete Aino erleichtert. "Es wäre schade um... also, ich meine, wenn du..." Verlegen blickte er zu Boden, ohne seinen Satz zu beenden.
"Und wie das gut ist," mischte sich Narissa ein. "Hast du ihn etwa mit einer deiner Schauergeschichten erschreckt, die du als Kind erlebt hast?"
"Das klingt eher nach etwas, was du tun würdest, 'Rissa," konterte Aerien lächelnd.
"Oh, und wie ich das würde," meinte Narissa frech. Sie zog einen ihrer Dolche hervor und ließ ihn spielerisch durch ihre Finger wandern. "Weißt du, wie alt ich war, als ich zum ersten Mal einen Menschen getötet habe?" fragte sie in Ainos Richtung.
"Lass' ihn in Frieden," ging Aerien dazwischen.
"Spielverderberin," murrte Narissa und steckte den Dolch wieder weg. Sie stand auf und deutete auf die Pferde, die noch immer wartend am Rande des kleinen Nachtlagers standen. "Habt ihr gesehen, was für prächtige Tiere uns Gandalf da gebracht hat?"
Auf Aerien wirkten die Pferde nicht sonderlich unterschiedlich zu jenen, die sie bisher auf ihren Reisen gesehen hatte. Doch sie wusste, dass Narissa den schärferen Blick von ihnen beiden hatte.
"Nun, dies ist Rohan, das Land der Pferdeherren," meinte der Zauberer. "Ein Volk stolzer und ausgezeichneter Reiter bringt ebenso ausgezeichnete Rösser hervor."
Der Zauberer stand auf. Wie auf ein unhörbares Stichwort trat aus den Schatten des Waldes in diesem Moment ein weiteres Pferd an den Rand des Lagers. Und diesmal konnte selbst Aerien die Tatsache nicht verleugnen, dass es sich um ein ganz besonderes Tier handelte. Ein fürstlicher, silbergrauer Hengst ohne jegliches Zaumzeug schritt anmutig an ihr vorbei, um vor Gandalf zum Stehen zu kommen.
"Dies ist mein Freund Schattenfell, der Herr der Mearas," erklärte der Zauberer. "Heute nach rief ich nach ihm, denn er befand sich gestern noch in den Weiten des Woldlandes im Norden." Gandalf tätschelte die Flanke und Mähne des Hengstes, der ein freudiges Schnauben von sich gab.
"Das ist mal ein Augenöffner," murmelte Narissa. Selbst Aragorn wirkte einigermaßen beeindruckt.
"Packt euer Gepäck auf die übrigen vier Pferde," wies Gandalf sie an. "Wir brechen auf."

Aerien wählte das kleinste der vier Pferde, die Gandalf ihnen gebracht hatte. Es war ein freundliches Tier, dessen braunweiß-geschecktes Fell im Licht der Morgensonne glänzte. Als Aerien in den Sattel geklettert war, stellte sie fest, dass sie Karab vermisste. Der gondorische Hengst war ihr wie kein anderes Pferd vertraut gewesen und sie hatte sich an sein ruhiges Laufmuster gewöhnt. Das rohirrische Pferd hingegen war etwas lebhafter und Aerien wäre bei den ersten Schritten des Tieres beinahe heruntergefallen.
Ich hoffe, es geht dir auf der Insel gut, Karab, dachte sie. Der Hengst war auf Tol Thelyn geblieben, als Narissa und Aerien mit dem Schiff nach Harondor gefahren waren, um die ersten Schritte auf ihrer gefahrvollen Reise nach Mordor zu tun.
Narissa wirkte aufgekratzt und voller Tatendrang. Aerien vermutete, dass ihre Freundin in der vergangenen Nacht besonders gut geschlafen hatte. Sie selbst fühlte sich ein wenig beklommen; das Land in dem sie sich befanden wirkte bislang auf Aerien wenig einladend. Obwohl sie froh darüber war, das Schlimmste hinter sich zu haben, fragte sie sich mit einiger Besorgnis, was wohl in der Hauptstadt Rohans auf die aus Mordor Entkommenen warten würde...


Narissa, Aerien, Gandalf, Aragorn und Aino nach Aldburg
« Letzte Änderung: 17. Dez 2019, 12:38 von Fine »
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