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Autor Thema: Aín Sefra - In der Stadt  (Gelesen 23899 mal)

Fine

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Aín Sefra - In der Stadt
« am: 22. Feb 2016, 13:28 »
Qúsay, Dirar, Beregond und Aerien mit den Reitern von den Ebenen nördlich der Stadt


Aerien blickte sich staunend um. Die Stadt war voller Menschen unterschiedlichster Herkunft und Hautfarbe. Sie sah viele Haradrimkrieger die zu verschiedenen Stämmen gehörten und deren Banner, die über den Mauern wehten. Die Straßen waren so voll, dass die Reiter nur langsam hindurchkamen. Trotz des vorangeschrittenen Abends waren noch immer sehr viele Leute unterwegs.

Sie kamen zu den Stallungen und saßen ab.
"Qúsay wird im Fürstenpalast sein, aber es ist unwarscheinlich, dass er euch zu dieser späten Stunde noch empfängt", sagte Ibn Nazir und fuhr fort: "Ich würde euch raten, euch für diese Nacht ein Zimmer in einer der Herbergen zu nehmen, dann könnt ihr Qúsay morgen früh aufsuchen. Dirar hier wird euch begleiten und sicherstellen, dass ihr ein Zimmer bekommt. Außerdem würde ich euch raten, euch andere Kleidung zuzulegen. Es wird hier tagsüber sehr heiß, bei dem was ihr tragt könntet ihr einen Hitzeschlag erleiden."
"Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Ibn Nazir," antwortete Beregond. "Ich hoffe, wir werden Euch Eure Freundlichkeit schon bald vergelten können. Habt also Dank für Euren Rat und dafür, dass Ihr uns den Weg hierher gezeigt habt."
"Es war mir eine Ehre. Shalem la-itta!", erwiderte Ibn Nazir und nickte. Nachdem einer der Reiter das Banner von Dirar übernommen hatte ging Ibn Nazir mit seinen Reitern in Richtung Stadtzentrum davon, während Dirar mit den beiden Dúnedain zurückblieb.
"Es wird spät," sagte Aerien. "Dirar, wo finden wir die nächste... Herberge?" Die Gemeinsprache bereitete ihr immer noch Schwierigkeiten.
"Folgt mir," sagte der Angesprochene und führte sie tiefer in die Stadt hinein.
« Letzte Änderung: 26. Aug 2017, 08:56 von Fine »
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Die Pranke des Löwen
« Antwort #1 am: 19. Mär 2016, 20:01 »
Nur wenige Straßen weiter kamen sie zu einem kleinen Gasthaus. Auf dem Schild, das über dem Eingang hing, standen haradische Buchstaben, die weder Aerien noch Beregond lesen konnten.
"Willkommen im Gasthaus 'Löwenpranke'", übersetzte Dírar. "Das ist natürlich nur eine ungefähre Übersetzung in die Gemeinsprache. Die genaue Bedeutung ist etwas zu kompliziert, um sie Wort für Wort aus der Sprache der Lahmiden zu übersetzen. Beherrscht man die Elbensprache, wird es schon einfacher: Ich hoffe also, 'Raw-gammath'(1) sagt Euch mehr zu."
"Ihr sprecht das Sindarin?" fragte Aerien erstaunt auf Elbisch als sie Dírar durch die Eingangspforte ins Innere folgte.
Sie gelangten in einen großen Raum, der voller Menschen war. Trotz der Lautstärke dort war Dírars Antwort gut zu verstehen. "Ich habe gondorische Vorfahren," sagte er erklärend.
"So wie Euer Herr, Ibn Nazir," stellte Aerien fest. Dírar erwiderte jedoch nichts darauf. Er durchquerte den Raum und kam an einem hölzernen Tresen zum Stehen, hinter dem zwei Männer Getränke ausschenkten. Dírar wechselte einige Worte in einer der Sprachen der Haradrim mit einem der beiden Gastwirte. Bis auf die Worte "Qúsay" und "Gondor" verstand Aerien und Beregond nichts von dem Austausch.
Dann wandte sich Dírar wieder um und sagte: "Ich habe ihm gesagt, dass er euch als Gäste Qúsays betrachten soll, bis dieser euch empfangen hat. Er wird euch ein Zimmer zeigen."
Dírar hob die rechte Hand zum Abschiedsgruß. "Ich werde nun zu meinem Herrn zurückkehren. Mögen wir uns bald wohlbehalten wiedersehen."
"Losto vae(2), Dírar," antwortete Aerien und der Mann eilte hinaus.

Einer der beiden Gastwirte führte sie zu einem Zimmer im zweiten Stock. Dort gab es jedoch nur ein einfaches Bett. Aerien wollte Beregond schon anbieten, auf dem Boden zu schlafen, als dieser ihr zuvorkam.
"Ist schon gut, Aerien. Ich nehme den Stuhl dort in der Ecke. Der wird mir genügen." Er zeigte auf einen großen Stuhl mit Armlehnen, der aus biegsamen Hölzern geflochten war.
Sie richteten sich im Zimmer ein. Draußen war es bereits seit einiger Zeit dunkel geworden. Morgen werden wir uns mit Qúsay befassen, dachte Aerien als sie ihr Reisegepäck auf dem Bett ausbreitete. Ich frage mich, was für ein Mensch er wohl ist. Die Dúnedain müssen ihm wohl oder übel vertrauen wenn sie Sauron schlagen wollen, stellte sie fest.
"Wir müssen uns um angemessene Kleidung kümmern," sagte Beregond, der sein Kettenhemd abgelegt hatte. Den gondorischen Wappenrock trug er weiterhin. "Wie Ibn Nazir gesagt hat wird es uns bald zu heiß werden. Außerdem sind wir so nicht gerade unauffällig."
Aerien widerstrebte es, ihre gute Rüstung gegen einfachere Gewänder einzutauschen, doch konnte sie nicht verleugnen, dass es ihr darin auf dem Weg nach Aín Sefra gerade um die Mittagszeit geradezu unterträglich heiß geworden war.
"Du hast Recht," sagte sie also. "Ich fürchte, zu dieser Stunde wird uns wohl niemand mehr neue Gewänder verkaufen", überlegte sie. "Das wird also bis morgen warten müssen."
"Morgen früh werden wir vor den Fürsten Qúsay treten, der von Imrahil zum Herrn von Harondor gemacht wurde. Wir haben einen Auftrag, vergiss das nicht. Dabei sollten wir wie Gesandte Gondors wirken," sagte Beregond. "Doch danach sollten wir uns die neue Kleidung wirklich beschaffen."
"Du willst also noch warten, bis wir Qúsay Damrods Nachricht überbracht haben?" schlussfolgerte Aerien. Sie fragte sie, wie lange Beregond wohl noch in Aín Séfra bleiben wollte.
"Wir werden wohl noch einige Nächte hier verbringen," antwortete der Gondorer als hätte er ihr die Gedanken am Gesicht abgelesen. "Morgen findet der Majles statt, eine Versammlung der wichtigsten Anführer der Haradrim. Wenn Qúsay zum König - zum Malik - von Harad gekrönt wird, müssen wir sichergehen, dass er es sich nicht anders überlegt und in Gondor einmarschiert. Wenn möglich, müssen wir herausfinden, was er als Nächstes plant, und Damrod warnen sollte ihm Gefahr von Qúsay aus drohen."
"Ich verstehe," sagte Aerien nachdenklich.

Als sie von Mordor aufgebrochen war, hatte sie ursprünglich vorgehabt, nach Dol Amroth zu gehen und den Anführern der Dúnedain alles Wissen über das Schattenland zu überbringen, das sie angesammelt hatte. Sie wollte es den Feinden Saurons ermöglichen, einen schweren Schlag gegen den Dunklen Herrscher zu führen und sie wollte vor allem, die Erben Númenors wieder vereinen und den Bruderkrieg der Dùnedain beenden. Doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor erzählt, dass den Fürsten Gondors die Hände gebunden waren. Wenn sie den Fluss Gilrain, die Ostgrenze des freien Gondors, in kriegerischer Absicht überquerten, würde Aragorn hingerichtet werden. Den Tod ihres Königs konnten die Dúnedain nicht in Kauf nehmen - zumindest noch nicht. Linhir würde vorerst eine Grenzstadt bleiben und wachsam nach Osten blicken müssen.
Dass sie sich nun in Harad wiederfand war nicht nach ihrem Plan gelaufen. Ich brach nach Westen auf und bin im tiefen Süden gelandet, dachte Aerien. Wenn mir die Waldläufer doch nur vertraut und zugehört hätten! Über den geheimen Pass bei Durthang hätten sie ins Schattenland gelangen und viele der Kriegsgefangenen befreien können.
Sie hoffte, den Auftrag Damrods in Harad schnell abzuschließen und den Anführer der Waldläufer Ithiliens von ihren guten Absichten zu überzeugen.
Dann werde ich vielleicht nach Dol Amroth weiterziehen können.

Beregond war inzwischen auf dem Sessel eingenickt. Aerien ließ ihn in Frieden und begann, ihre Rüstung abzulegen. Die Schulterschützer schnallte sie ab und legte sie nebeneinander auf den kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. Die ineinander greifenden Plättchen, die ihre Hüfte und Oberschenkel schützen, folgten als nächstes. Zuletzt schlüpfte sie aus dem Brustpanzer und fühlte sich sofort ein gutes Stück leichter. Die enge Stoffkleidung und die lederne Hose, die sie darunter trug bedeckte sie mit dem großen grauen Umhang, den sie über ihre Schultern fallen ließ. Sie ergriff Lôminzagar und blickte das Schwert einen Moment nachdenklich an. Schließlich entschied sie, es nicht mitzunehmen. Der lange Dolch an ihrer Seite würde genügen müssen. Dann verließ sie das Zimmer und ging hinunter in den großen Schankraum, der noch immer gut gefüllt war. Flink band sie sich das lange dunkle Haar zu einem einfachen Pferdeschwanz und trat an den Tresen.
"Was darf es für Euch sein?" fragte der Mann hinter dem Tresen in der Gemeinsprache. Es war nicht derjenige, der Aerien und Beregond das Zimmer gezeigt hatte.
"Nur etwas Wasser, bitte," antwortete Aerien.
Der Mann musterte sie eindringlich und machte keine Anstalten, auf ihren Wunsch einzugehen. Sie erwiderte den Blick und setzte einen neutralen Gesichtsausdruck auf. Einen langen Augenblick starrten sie einander an, bis der Gastwirt von einem Moment auf den anderen den Blick abwandte und sich zu einem großen Wasserfass umdrehte. Er füllte einen einfachen Krug und schob ihn zu Aerien herüber, die dankend nickte. Dann wandte der Gastwirt sich anderen durstigen Haradrim zu.
Aerien betrachtete den Krug. Wasser muss in dieser Gegen rar und daher auch wertvoll sein, überlegte sie. Hat Qúsays Name so viel Gewicht, dass dieser Krug mich nichts kostet?

Eine Bewegung zu ihrer Rechten unterbrach ihre Gedanken. Ein gepflegt aussehender Mann lehnte sich unangenehm nah an sie an den Tresen. Die dunklen Augen des Südländers fixierten ihr Gesicht. Ihre Hand glitt wie zufällig langsam in Richtung des Griffes ihres Dolchs.
"Neu hier, was?" sagte der Mann mit freundlich klingender Stimme. Er hatte einen dichten, aber dennoch kurzgeschnittenen dunklen Bart und trug sandfarbene Gewänder, die recht edel wirkten, ihm jedoch genug Bewegungsfreiheit zu bieten schienen.
Aerien nickte bloß als Antwort und setzte einen abweisenden Gesichtsausdruck auf. Den Mann schien es nicht zu stören.
"Ich bin Sahír," sagte er und deutete eine spöttische Verbeugung an. "Vom Stamm der Kinaḫḫu. Und wie lautet Euer Name, wenn Ihr mir die Frage gestattet?"
"Aerien," antwortete sie skeptisch. Sie wusste nicht recht, was sie von Sahír halten sollte.
"Ein liebreizender Name für eine anmutige Dame," gab Sahír lächelnd zurück. "Wisst Ihr, Aerien, ich bin ein hervorragender Händler - der Beste! - und bin schon in vielen Ländern gewesen. Doch eine Frau wie Ihr ist mir noch nie begegnet. Ich bin ein neugieriger Mann, müsst Ihr wissen, und Ihr fielt mir am Tor sogleich auf. Was tut eine solche Schönheit in Begleitung unseres großen Anführers? fragte ich mich. Also folgte ich Euch, um mehr herauszufinden. Und hier seid Ihr nun. Wollt Ihr mir erzählen, was Euch nach Aín Sefra führt, zu dieser schicksalhaften Zeit?"
Der Redeschwall des Mannes überrumpelte Aerien etwas und so antwortete sie nicht direkt. Sahír schien jedoch nicht auf eine Antwort warten zu wollen.
"Oh, Ihr macht wohl nicht viele Worte, was? Das macht nichts. Ich verstehe Euch, schöne Aerien. Ihr kennt mich ja gar nicht. Nun, dann lasst es mich einmal so formulieren: Erzählt mir ein wenig von Euch, unterhaltet Euch ein bisschen mit mir, und morgen zeige ich Euch meine Waren und Ihr dürft Euch etwas davon aussuchen - ohne zu bezahlen natürlich. Versteht es als Geschenk an Euren Anmut. Ich möchte daher - "
"Ich komme aus Gondor und habe eine Nachricht für Khôr(3) Qúsay zu überbringen," sagte Aerien etwas verärgert, um den Mann zum Schweigen zu bringen. Sie verwendete das adûnâische Wort für Fürst, da ihr das Westron-Wort entfallen war.
"Ha! Wichtige Geschäfte mit hohen Herren! Ja, das kann ich mir denken," äußerte sich Sahír erfreut. "Dieser Qúsay, das ist ein guter Mann," fuhr er fort. "Alle mit Verstand sagen das, und ich habe mit vielen Menschen zu tun. Komme viel herum. Händler, Ihr wisst schon. Überall hört man vom Krieg, der heraufzieht. Ihr müsst verstehen, dass mein Volk vom Dunklen Herrscher eigentlich nur für seine Zwecke ausgenutzt wurde und im Gegenzug keine der versprochenen Belohnungen erhalten hat. Jetzt reicht es den Leuten und Qúsay wird sie vereinen. Ihr werdet es morgen sehen, meine gute Aerien. Ihr werdet es seh'n!"
Aerien versuchte, aufmerksam zu wirken, doch irgend etwas, das Sahír erwähnt hatte, hatte sie nachdenklich gemacht. Der Redefluss des Händlers war zu schnell gewesen als dass sie es genauer hätte mitbekommen können, und seine nicht enden zu wollenden Worte hielten Aerien davon ab, sich zu konzentrieren und sich zu erinnern, was es genau gewesen war. Es hatte mit meiner Ankunft in der Stadt zu tun, war sie sich sicher. Doch wie weiter?
"Woher aus Gondor kommt Ihr?" fragte Sahír gerade.
"Aus Minas Tirith," sagte sie wahrheitsgemäß, doch ohne ihre wirkliche Heimat preiszugeben.
"Ah, die Weiße Stadt! Hab' schon viele Geschichten davon gehört. Die Festungen des Nordens sollen alle geradezu atemberaubend sein!"

Noch ungefähr eine Stunde ertrug Aerien das Gespräch mit Sahír. Gegen Ende musste sie sich eingestehen, dass sie den Mann sogar auf eine Art sympathisch fand, doch spürte sie nun immer mehr, wie sie müde wurde. Sahír schien es sofort aufzufallen.
"Oh, werte Aerien, verzeiht meine Unhöflichkeit," sagte er. "Ihr habt gewiss einen langen Ritt hinter Euch. Habt Dank für die Unterhaltung und vergesst nicht, mich morgen in meinen Handelsposten zu besuchen um Euer Geschenk auszusuchen. Ich habe viele wundersame Dinge, die Euch gut gefallen würden! Doch nun - laylatan saeida(4), gute Nacht!" Damit verabschiedete er sich und verliess die Taverne.
Aerien zog sich schnell in ihr Zimmer zurück, wo sie Beregond leise schnarchend vorfand. So still wie möglich streifte sie den Umhang und die Hose ab und hüllte sich in die weiche Decke, die auf dem Bett lag. Sie schloss die Augen und war bald darauf fest eingeschlafen.



(1) sindarin, "Löwenpranke"
(2) sindarin "Gute Nacht"
(3) ladûnâisch "Herrscher, Fürst"
(4) lahmidisch "Gute Nacht"
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #2 am: 29. Jun 2016, 19:45 »
Qúsay folgte der Hauptstraße, die geradewegs auf die kleine Festung innerhalb der Stadt zu führte. Die Wachen grüßten ihn und ließen ihn ohne Umschweife passieren. Im Hof vor dem Palas erwartete ihn schon Marwan, der ihn freudig begrüßte. Zusammen traten sie in den Palas ein. Dieser war zwar nicht so groß und prachtvoll wie der Fürstenhof von Umbar, strahlte aber dennoch in seiner eigenen Art und Weise Ehrfurcht und Macht aus. Der Boden war mit Marmor gedeckt und die Wände mit blau glasierten Steinen und Mosaiken, die die früheren Herrscher der Stadt, Marwans Vorfahren, zeigten, verziert.

„Ich habe dir im Westflügel ein Zimmer bereiten lassen“, erwähnte Marwan und führte ihn nach Westen. Dort angekommen blieben sie vor einer zweiflügligen, mit Schnitzereien verzierten Tür, die von Zweien von Marwans Männern bewacht wurde. Die Wachen drehten sich zur Tür hin und öffneten diese, sodass Qúsay und Marwan den Raum betreten konnten. Im Inneren zeigte sich ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, mit kunstvollen Teppichen und mehreren mit Samt bezogenen Liegen. Diese waren um einen flachen Tisch angeordnet, der mit Früchten gedeckt war. Zur Rechten und zur Linken waren zwei weitere Türen, die jedoch geschlossen waren. Der Eingangstür gegenüber waren mehrere große Fenstertüren, durch die man in einen ummauerten Garten gelangen konnte.

„Ich werde dich nun in Ruhe lassen“, sagte Marwan, „ruh dich aus.“ Dann nickte er kurz und verließ den Raum.
Qúsay nahm sich eine Dattel und öffnete die Tür zu seiner Linken und fand sich in einem ebenso kunstvoll verzierten Badezimmer wieder.
„Ich hab mir gedacht, dass du es bist“, hörte Qúsay eine vertraute Stimme hinter sich sagen. „Und gefällt dir unser neues Heim?“
Qúsay drehte sich der Stimme zu und erblickte Thjodbjörg, die in einem leichten Seidenkleid haradischer Machart in der Tür stand. „Es gefiel mir schon sehr gut“, antwortete Qúsay mit einem Lächeln und ließ seinen Blick über sie wandern, „aber jetzt gefällt es mir um ein vielfaches mehr.“ Sie ging auf ihn zu, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. „Ich bin froh, dass du da bist“, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Das bin ich auch“, sagte Qúsay.
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2. Char Qúsay in Aín Sefra.

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Frühmorgens in Aín Séfra
« Antwort #3 am: 26. Jul 2016, 10:45 »
Aerien hatte einen leichten Schlaf, was offenbar auch auf Beregond zutraf. Ein Geräusch am Fenster ließ beide aus dem Schlaf aufschrecken. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen, die über die flachen Dächer von Aín Séfra glitten, stellte sich die Ursache des Geräusches als eine große getigerte Katze heraus, die mit ihren Pfoten gegen den Fensterladen trommelte. Gähnend stand Aerien auf und ließ das Tier ins Zimmer. Beregond warf ihr einen verwunderten Blick zu als die Katze sich dankbar an Aeriens Beinen rieb und sich dann auf ihrem Umhang zusammenrollte.
"Noch eine neue Bekanntschaft?" fragte der Gondorer halb belustigt, halb misstrauisch.
"So scheint es wohl," antwortete Aerien, die noch nicht richtig wach geworden war. Sie streckte sich und trat ans Fenster, um einen Blick hinaus zu werfen. Trotz der frühen Stunde war schon einiges los auf den Straßen von Aín Séfra. Diese Stadt kommt wohl nie wirklich zur Ruhe, dachte Aerien und unterdrückte ein erneutes Gähnen.

"Du solltest vorsichtiger sein," meinte Beregond als sie sich zum Aufbruch bereit machten. "Wir sind hier an einem gefährlichen Ort, weit weg von Gondor und allem, was uns vertraut ist."
"Denkst du etwa, dieses Tier ist eine Gefahr für uns?" wollte Aerien wissen. Die Katze hatte die Augen geschlossen und ließ ein leises Schnurren hören.
Beregond seufzte. "Nein, ich denke es wohnt wohl hier. Katzen schlafen tagsüber und gehen nachts dunklen Geschäften nach. Kennst du die Geschichte von Königin Berúthiel?"
Aerien nickte. "Sie richtete ihre Katzen darauf ab, Geheimnisse herauszufinden und andere auszuspionieren," antwortete sie.
"Sei froh, dass dies keine von Berúthiels Katzen sondern nur ein gewöhnlicher Faulpelz zu sein scheint," sagte Beregond.
"Sedh-heleth"(1), übersetzte Aerien. "So werde ich dich nennen, kleiner Faulpelz." Die Katze erhob keine Einwände.

Im großen Schankraum der Taverne war niemand zu sehen als sie schließlich nach unten gingen. Entgegen Ibn Nazirs Rat trugen sie dieselbe Kleidung wie bei ihrer Ankunft in der Stadt. Beregond betonte erneut wie wichtig es sei, einen offiziellen Eindruck zu machen. "Wir sind Abgesandte Gondors und der Herren des Westens," schärfte er Aerien ein. "Sobald wir Damrods Nachricht an Qúsay überbracht haben können wir uns nach passenderen Gewändern für die Hitze Harads umsehen."
Sie brauchten einige Minuten, um die Hauptstraße wiederzufinden von der sie in der Nacht zuvor unter Dírars Führung abgewichen waren. Aín Séfras Gassen waren recht eng da überall Kisten, Stände, Krüge und viele andere Gegenstände an den Hausmauern gestapelt waren und die Gebiete in der Nähe des Haupttores in einen einzigen, riesigen Basar verwandelten.
"Hier hat wohl wirklich jeder etwas zu verkaufen," bemerkte Aerien.
Auf der Hauptstraße, die als einzige frei von Hindernissen war, waren bereits Reiter unterwegs, die zum Tor preschten und große Staubwolken aufwirbelten. Beregond und Aerien gingen raschen Schrittes auf die Festung am Ende der Straße zu, wo sie den Fürstenhof vermuteten. Sie ernteten viele misstrauische Blicke von den Leuten, die ebenfalls in den Morgenstunden unterwegs waren.
"Mach' dir keine Sorgen," beruhigte Beregond die Dúnadan. "Man hat uns gestern in Ibn Nazirs Begleitung eintreffen sehen, und ich schätze, dass sein Name genug Gewicht hat um uns ein sicheres Eintreffen an Qúsays Hof zu ermöglichen."
"Hoffen wir es," antwortete Aerien, doch ihre Anspannung ließ nicht nach.

"Tajmid!"(2) Die Bedeutung war unmissverständlich, doch die Wachen am Eingang der Festung wiederholten ihren Ruf in der Gemeinsamen Sprache. "Halt, Fremdlinge. Dies ist die Residenz von Marwan bin Yusuf, dem Emir der Lahmiden. Welche Absichten führen Euch hierher, balad alhajar?"(3)
"Ich bin Beregond, Baranors Sohn, ein Gesandter der Fürsten Gondors. Und dies ist Aerien Bereneth. Wir bringen dem Fürsten Qúsay eine dringende Nachricht von meinem Herrn, dem Truchsessen von Gondor - Imrahil von Dol Amroth."
Der Torwächter nickte. "Eure Ankunft wurde angekündigt. Malik Qúsay weiß von Eurem Eintreffen in Aín Séfra. Ihr dürft die Festung betreten, doch werdet ihr Eure Waffen ablegen."
Beregond nickte und übergab dem Mann sein Schwert. Aerien jedoch zögerte. Wer garantiert mir dass Lomînzagar(4) nicht während unserer Audienz gestohlen wird?
"Deine Waffe, Mädchen," forderte der zweite Wächter. Aerien nahm die Klinge vom Rücken, noch immer in deren lederner Hülle.
"Hier stelle ich sie hin," sagte sie mit fester Stimme und lehnte das Schwert an die Wand nahe der Wachposten. "Und hier soll sie auf mich warten. Keiner soll sie berühren!"
Die Wachen schienen belustigt, machten aber zustimmende Gesten. "Das Schwert wird bei uns sicher sein. Geht nun ins Innere, zum Vorhof des Palas. Malik Qúsay hat viele wichtige Dinge zu tun, so seid also geduldig und wartet bis man euch ruft!"

Sie kamen zum Vorhof, der im Gegensatz zu den Straßen der Stadt leer war. Aerien spürte eine ungewöhnliche Aufregung, die sie unruhig auf und ab gehen ließ. Sie fragte sich, was sie wohl bei der Audienz erwarten würde und wie der Fürst auf die Nachricht Damrods reagieren würde. Es sind gute Botschaften, die wir bringen. Doch mehr als das gebietet uns unser Auftrag. Wir müssen einschätzen, ob der neue Verbündete Gondors vertrauenswürdig ist. Das wird nicht einfach werden.



(1) sindarin, "Ruhe-pelz"
(2) lahmidisch "Stehen bleiben!"
(3) lahmidisch "Steinländer"
(4) adûnâisch "Nachtklinge"
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Eine Audienz beim Malik
« Antwort #4 am: 5. Aug 2016, 15:18 »
Der Morgen war gekommen und Qúsay lag schlafend neben Thjodbjörg im Bett. Es dauerte nicht lange, da wurden sie von einem Klopfen geweckt. Qúsay stand auf und öffnete die Tür: Zwei Sklaven standen an der Tür mit Silbertabletts und brachten Frühstück und neue Kleidung. Ohne umschweife betraten sie den Raum und servierten das Essen auf dem Tisch im Hauptsaal ihres Quartiers.
Nach einen Frühstück, bestehend aus Fladenbrot, Jogurt, Oliven, und Tee, kam Marwan in ihr Quartier.
„Es ist an der Zeit, Qúsay“, sagte er als er eintrat.
„Schon?“, fragte Qúsay verwundert, „es ist noch nicht einmal Mittag.“
„Es haben sich einige Leute zusammengefunden, die mit dem künftigen Malik reden wollen, noch bevor der Majles offiziell zusammentritt.“
Qúsay seufzte, wischte seinen Mund mit einer Serviette ab und stand vom Tisch auf. „In Ordnung“, sagte er und bat Marwan draußen zu warten, bis sie sich umgezogen hatten. Nachdem Marwan die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog Qúsay eine purpurrote Tunika an, welche ihm Sklaven zuvor bereit gelegt hatten. Dazu trug er einen Umhang aus schwarzem Leopardenfell. Ein güldener Stirnreif zeigte seinen Status als Fürst an. Auch Thjodbjörg zog sich um und kleidete sich in den Gewändern einer haradischen Fürstin.

So gekleidet folgten sie Marwan in den Fürstensaal, wo Marwan ihnen am Tag zuvor einen Thron hat errichten lassen. Qúsays gestreiftes Banner, war mittlerweile mit Goldfransen versehen worden und wurde von Dirar getragen, der rechts hinter diesem Thron stand. Als sie die Tür zum Saal durchschritten rief Dirar laut: „Seine Herrschaft Qúsay von den Quahtan!“ und die anwesenden Krieger nahmen Haltung an, während das leise Getuschel und Geflüster das zuvor den Saal erfüllte, erstarb. Qúsay nahm seinen Platz auf den Thron ein und ein Lahmide gab Marwan eine Schriftrolle, die dieser eindringlich studierte. Dann nahm Marwan, das Wort: „Mein Herr Qúsay, bevor der Majles am Mittag zusammentritt, haben einige Leute um eine Audienz bei eurer Majestät erbeten: Der Supet Azruba'al von den Kinahhu und der Emir Harith von den Banu Ghassan, außerdem zwei Gesandte aus Gondor.“
„Wie ich Azruba'al kenne, will er nur erneut die Handelsprivilegien für die Kinahhu bestätigt wissen“, erwiderte Qúsay und fuhr dann nachdenklich fort: „Und was Hariths Anliegen ist, kann ich mir ebenfalls denken, zu dunkel, war die Kunde, die wir aus Linhir mitbrachten. Dennoch schienen die Gondorer, als ich sie traf wichtige Kunde bei sich zu haben.“
Qúsay erhob sich und rief den Wachen zu die Gondorer einzulassen.
Krieger vom Stamm der Lahmiden führten die Gesandten in den Thronsaal. Sie trugen ähnliche Kleidung wie am Vortag, als Qúsay sie an der Harnenfurt getroffen hatte. Auf Beregonds schwarzen Wappenrock prangte gut sichtbar der Weiße Baum Gondors, und darunter blitzte sein Kettenhemd hervor. Die junge Frau war in eine leichte Rüstung aus dunklem Metall und Leder gehüllt. Ihren grauen Umhang hatte sie abgelegt. Beide trugen keinerlei Waffen.
Beregond machte eine angemessene Verbeugung als er vor Qúsay trat. Der Gondorer blickte dem Malik ins Gesicht und Überraschung leuchtete in seinen Augen auf als er die Täuschung vom Vortag erkannte.
„Ich grüße Euch, Qúsay, Fürst von Harondor, Tolfalas und König der Haradrim. Oder bevorzugt Ihr es, Ibn Nazir genannt zu werden?“ Sein Tonfall war freundlich, dennoch sprach er mit Vorsicht.
„Und ich grüße euch, Beregond, Baragunds Sohn, und Aerien aus Gondor“, sprach Qúsay, „Entschuldigt, meine Täuschung, doch kann man nicht vorsichtig genug sein, wenn man zwei Fremden im Niemandsland begegnet. Ich bin Qúsay ibn Nazir ibn Qasim al-Quahtani, Nazir war mein Vater und ibn ist unser Wort für Sohn. Ihr seht, als ich euch sagte, dass ich ibn Nazir, der Sohn von Nazir sei, habe ich nichts Unwahres gesagt. Doch seid ihr nicht hier um über meine Namen zu sprechen. Welch Kunde bringt ihr aus Gondor?
„Fürst Imrahil, der das Amt des Truchsessen innehat, sandte Boten nach Ithilien. Sicherlich wisst Ihr, dass es dort eine große Anzahl Waldläufer und Partisanen gibt, die im Verborgenen Mordor weiterhin Widerstand leisten. Angeführt werden sie von einem Mann namens Damrod. Er ist es, der mich und Aerien zu Euch schickt. Er lässt Euch ausrichten, dass er auf Imrahils Geheiß das Bündnis Gondors mit den Haradrim anerkennt und unterstützen wird. Noch erlaubt es die Kriegslage nicht, Streitkräfte zu Eurer Unterstützung zu entsenden, doch er versichert Euch, ein wachsames Auge auf die Nordgrenze eures Reiches Harondor zu haben sodass Ihr bei einem Angriff aus Mordor rechtzeitig gewarnt werdet. Auch wird Damrod versuchen, Mordor weiterhin zu behindern und die Aufmerksamkeit Saurons vom Süden abzulenken.“
Beregond macht eine Pause nachdem er die Nachricht überbracht hatte. „Gondor steht Euch in diesem Krieg bei, Qúsay,“ sagte er anschließend. „Wenn die Waldläufer weiterhin Überfälle und Hinterhalte durchführen glaube ich nicht, dass Ihr Gefahr aus dem Norden fürchten müsst.“
Während Beregond dies erzählte nickte Qúsay und erhob sich von seinem Thron als Beregond endete. „Dies sind gute Nachrichten“, erwiderte Qúsay und ging auf Beregond zu: „und es freut mich, dass sich die Menschen Gondors bereit erklären unsere nördliche Grenze zu sichern. Ich hoffe nur, dass sie keine allzu schweren Kämpfe haben werden und hohe Verluste vermeiden können. Dieser Damrod ist er ein guter und vernünftiger Anführer?“
„Während des Krieges war er die rechte Hand Faramirs, des Heermeisters von Gondor. Damrod ist ein erfahrener Anführer, der es seit dem Fall Minas Tiriths geschafft hat, seine Leute vor Sauron verborgen zu halten. Er agiert stets mit Vorsicht und Bedacht und geht keine unnötigen Risiken ein, ist jedoch ein gutherziger und treuer Sohn Gondors. Dies sind meine Erfahrungen,“ erklärte Beregond.
„Er fasst nicht allzu leicht Vertrauen,“ sagte Aerien mit fester Stimme. „Dies ist in dunklen Zeiten wie diesen sicherlich kein Fehler.“
„Nun, wenn ihr ihm vertraut, werde ich ihm wohl ebenso vertrauen. Habt Dank für diese Nachricht.“ Qúsay nickte beiden zu und setzte sich wieder auf den Thron, „Nun, andere Personen wollen ebenfalls eine Unterredung mit mir. Euch steht es daher jetzt frei zu gehen.“
„Wir danken Euch für Eure Zeit,“ bedankte sich Beregond. Die beiden Dúnedain verbeugten sich vor Qúsay - Beregond respektvoll, Aerien eher verhalten - und eilten aus der Halle.
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Alte und neue Bekanntschaften
« Antwort #5 am: 10. Aug 2016, 14:00 »
Beregond und Aerien verließen den Fürstenpalast von Aín Séfra. Am Eingangstor erhielten sie ihre Waffen zurück. Mit breitem Grinsen wiesen die Torwächter Aerien darauf hin, dass ihr Schwert in ihrer Abwesenheit nicht berührt worden war und sie schenkte ihnen ein kleines Lächeln. Sie verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege.

"Was hältst du nun von der ganzen Sache?" fragte Aerien auf Sindarin.
"Für mich stand vor der Audienz schon fest, dass Fürst Qúsay ein ehrlicher Verbündeter ist," antwortete Beregond. "Truchsess Imrahil hat ihn in Dol Amroth empfangen und ihm sein Vertrauen geschenkt. Er hat Qúsay ja sogar zum Lehnsfürsten von Tolfalas und Harondor gemacht. Doch nun Auge in Auge mit dem neuen Herrscher Harads zu stehen hat mir einige weitere Dinge verraten. Er wirkt echt, ein kluger und verständnisvoller Anführer. Er ist berechnend und vorsichtig, das hat sein Verhalten bei unserem ersten Treffen gezeigt als er sich zwar wahrheitsgemäß als Ibn Nazir vorstellte, seine eigentliche Identität jedoch zunächst vor Fremden wie uns schützte. Dazu kommt, dass er ein ausgezeichneter Heerführer und Befehlshaber zu sein scheint. In Ithilien habe ich Berichte über die große Schlacht bei Linhir gehört. Es war nicht Elphir von Dol Amroth, der für Gondor den Sieg errang. Ohne Qúsays Hilfe und sein taktisches Können wäre die Schlacht wohl nicht zu unseren Gunsten ausgegangen. Nun bleibt jedoch abzuwarten, ob sich Qúsay auch als gerechter und guter Herrscher erweist. Ich habe Vertrauen und Hoffnung, dass dem so sein wird."

Beregond verstummte schließlich und Aerien ließ seine Worte auf sich wirken. Zum großen Teil deckten sie sich mit ihrem eigenen Bild, das sie sich vom Anführer des neuen Malikats in Harad gemacht hatte. Doch ein Puzzleteil fehlte ihr noch.
"Wie kommt es, dass er die Elbensprache versteht?" fragte sie, mehr an sich selbst als an Beregond gewandt. "Wohnen die Eldar so tief im Süden Mittelerdes? Wenn nicht, welchen Sinn würde es für ihn ergeben, diese Sprache zu erlernen?"
"Vielleicht aus dem gleichen Grund wie du selbst," vermutete Beregond. "Du hast es gelernt, weil dich das Wissen reizte, stimmt's? Vielleicht ist es bei Qúsay ebenso. Womöglich teilt er deine Leidenschaft für die Erben Númenors."
"Ich weiß nicht recht," gab Aerien zurück. "Mir kam es vor, als verwende er die Sprache und sein Wissen über Gondor eher als Werkzeug, als Stufe auf der Leiter zu mehr Macht. Du sagst, er herrscht nun über Tolfalas und Harondor. Sind dies nicht Ländereien Gondors? Wie konnte Imrahil nur zulassen, dass diese Gebiete so leichtfertig abgetreten werden? Hat Qúsay ihn womöglich mit seinem Wissen über Gondor für sich eingenommen?"
"Du vergisst, in welcher Situation sich das Reich befindet," erinnerte Beregond sie. "Der Sieg bei Linhir war nur möglich, weil wir unerwartete Hilfe von den Haradrim erhielten. Und der Krieg gegen Mordor ist noch lange nicht gewonnen. Zwar halten wir den Gilrain als östliche Grenze, doch die großen Städte Gondors sind weiterhin in der Hand des Feindes: Pelargir, Minas Tirith, Osgiliath. Dort herrschen die Ringgeister. Nur durch das Bündnis mit Qúsay können wir darauf hoffen, bleibende Erfolge gegen den Schatten im Osten zu erreichen. Und dieses Bündnis hat nun einmal seinen Preis. Harondor ist ohnehin seit Jahren nahezu verlassen; und Tolfalas regiert Qúsay soweit ich weiß nur als Lehnsfürst Gondors, nicht als eigenständiger Herrscher."
Aerien nickte, wurde jedoch von einer Bewegung am rechten Rand ihres Sichtsfelds abgelenkt. Dort stand ein Mann im Türrahmen eines großen Gebäudes und winkte ihr aufdringlich zu. Ihre Augen verengten sich als sie Sahír, den Händler vom Vortag erkannte.
"Ein Freund von dir?" fragte Beregond verwundert, woraufhin sie entschlossen den Kopf schüttelte.
"Bei den Sternen, nein! Aber ich denke, er stellt eine gute Gelegenheit dar, uns mit passenderer Kleidung auszustatten." Sie ergriff Beregonds Hand und zog den verdutzten Gondorer auf Sahírs Laden zu.

"Ehrwürdige Aerien!" rief ihr der Händler entzückt entgegen als Aerien und Beregond näher kamen. "Erneut bringt Ihr mit Eurem Anblick mein Herz zum Jubeln! Kommt, lasst mich mein Versprechen einlösen und Euch meine Waren zeigen. Ihr erinnert Euch, Ihr dürft Euch etwas aussuchen, als Dank für das Geschenk Eures Anmutes." Er warf einen kurzen Blick auf Beregond. "Bringt Euren Vater gerne mit! Auch er soll mir willkommen sein."
Das entlockte Aerien ein belustigtes Grinsen, während Beregond zur Antwort ansetzte: "Ich bin nicht ihr..."
Doch Sahír war bereits ins Innere des Gebäudes geeilt, und die Dúnedain folgten ihm. Der Laden war bis zum Rand mit den verschiedensten Waren gefüllt. Der Händler führte sie durch verschiedeste Räume während er mit einem unuterbrochenen Redeschwall erklärte, welche Stücke etwas Besonderes waren (nahezu alle), für welche er den beiden einen Freundschaftspreis anbieten würde (ebenfalls beinahe alle) und welche ausschließlich bei ihm und bei keinem anderen Händler zu erhalten waren (der Großteil seines Bestandes). Dabei wurde er niemals müde, darauf hinzuweisen, dass er der beste Händler der Stadt, wenn nicht sogar des Landes sei. Auch erzählte er zwischendrin allerlei Gerüchte über die Geschehnisse in der Stadt und über die Stammesführer, die sich in Aín Sefra versammelten.
"Supet Azruba'al ist ein gerissener Verhandlungsführer," sagte Sahír gerade als sie ein weiteres Zimmer voller Waren betraten. "Alle Kinaḫḫu sind sich einig, dass er als unser Anführer unsere Interessen vortrefflich vertreten wird, und dass unsere Handelsprivilegien erneut bestätigt werden, so wie es unserem ruhmreichen Stamm auch zusteht."
"Sind die anderen Kinaḫḫu auch so... " setzte Aerien an.
"...geschäftstüchtig wie ich? Natürlich nicht," beendete Sahír ihren Satz. "Bei uns gibt es viele Händler, doch es gibt nur einen Sahír. Meine Waren und meine Preise sind unvergleichlich!" Er machte eine großspurige Verbeugung, was Beregond nutzte um das Wort zu ergreifen.
"Wir benötigen passende Kleidung für das warme Klima des Südens," erklärte der Gondorer. "Wir sind vorhin durch einen Raum mit Kleidungsstücken gekommen. Dürften wir uns dort erneut umsehen?"
"Selbstverständlich!" erwiderte der Händler entzückt. "Die besten Gewänder für meine neuen Freunde!" Er eilte voran ohne seinen Redefluss zu unterbrechen.

Bald darauf waren Beregond und Aerien mit luftigen Hosen und leichten Gewändern ausgestattet, die das heiße Wetter Harads erträglicher und sie selbst weniger auffällig machen würde. Aerien fixierte das weite Oberteil mit zwei Gürteln um die Taille, um die Beweglichkeit beizubehalten und hängte sich die Schwerthülle ihres Bastardschwertes über die Schulter. Zuletzt stellte sie sicher, dass der Sternenanhänger ihrer Halskette gut sichtbar auf ihrer Brust prangte.
"Wunderbar, ganz wunderbar," schwärmte Sahír hocherfreut. "Jetzt seht Ihr aus wie eine wahre Wüstenkriegerin. Wirklich bezaubernd!"
Aerien ignorierte ihn. Die Kleidung würde ihren Zweck erfüllen, das genügte ihr. Ihre Gedanken schweiften ab während der Händler mit Beregond den Preis aushandelte. Sie rief sich erneut ins Gedächtnis was sie bisher über Qúsay in Erfahrung gebracht hatte.
"Sahír," unterbrach sie dessen Redeschwall, "Was könnt Ihr mir über Malik Qúsay erzählen? Woher stammt er? Wie kommt es, dass er die Elbensprache spricht?"
Der Händler machte eine entschuldigende Geste. "Mit diesem Wissen kann ich leider nicht dienen," sagte er. "In seiner Weisheit wird er sicherlich einen triftigen Grund gehabt haben, jene Sprache zu erlernen. Malik Qúsay vom Stamm der Quahtan ist aus dem Geschlecht der Quasatamiden, einem alten und ehrwürdigen Hause. Sein Onkel, Hasael, verweigerte ihm den Anspruch auf die Nachfolge seines Vaters Nazir, wie ihr gewisst ebenfalls wisst. Nun strebt er nach dem, was sein Geburtsrecht ist."
Und wohl nach so einigem mehr, dachte Aerien.
Sahír fuhr noch eine Weile fort, über Qúsay und sein Reich, das Malikat Harad zu sprechen, welches gerade erst im Entstehen war. Der Händler empfahl ihnen, unbedingt auf das Ergebnis des Majles, des Rats der Stammesanführer zu warten, der noch heute stattfinden sollte. Dann endlich schafften sie es, sich zu verabschieden und kehrten zurück auf die staubigen Straßen Aín Sefras.

"Psst, Aerien! Beregond! Hier drüben!"
Die helle Stimme riss Aerien aus ihren Gedanken und sie fuhr herum. Beregond hatte sich bereits mehrere Schritte in eine kleine Seitengasse bewegt, und Aerien beeilte sich, ihm zu folgen. Dort wartete im Schatten der Mauern eine schlanke Gestalt in weiten haradischen Gewändern. Ihr Gegenüber blickte sich vorsichtig um und setzte dann die Kapuze ab. Darunter kam ein sommersprossiges Gesicht, eingerahmt von zerzausten, hellbraunen Haarsträhnen zum Vorschein.
"Serelloth!" stellte Beregond fest, und da erkannte auch Aerien die Waldläuferin, die sie in Damrods Versteck gesehen hatte.
"Wie lange folgst du uns schon?" wollte Beregond mit einem leichten Vorwurf in der Stimme wissen.
"Glóradan und ich brachen einen Tag nach euch auf," erklärte die junge Frau fröhlich. "Wir begleiteten eine mehrere Dutzend starke Gruppe, die den Barad Harn besetzen sollte um die Poros-Furten zu überwachen. Dort angekommen erhielten wir die Anweisung, euch zu folgen um nach eurem Treffen mit dem Fürsten Harondors Nachricht an Damrod zu schicken. Ist es gut gelaufen?"
"Kann man so sagen," erwiderte Beregond langsam. "Er hat sich Damrods Botschaft angehört und sie gut aufgenommen. Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache."
"Schön!" kommentierte Serelloth eifrig. "Dann kann Glóradan ja mit guten Neuigkeiten zurück nach Ithilien aufbrechen. Ich werde es ihm gleich erzählen!"
Damit wandte sie sich um und eilte davon, ehe sie sie aufhalten konnten.

"Ist sie immer so... stürmisch?" fragte Aerien mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen.
"Wenn es um ihren Vater geht schon," antwortete Beregond. "Sie will ihn stets beeindrucken und sich ein Lob von ihm verdienen. Deswegen kommt es vor, dass sie etwas übereifrig wird."
"Und ihr Vater ist...?"
"Kannst du es dir nicht denken, Aerien?"
"Doch nicht etwa..." setzte Aerien an und blickte Beregond scharf ins Gesicht.
"Was? Ich? Nein, wo denkst du hin?" Beregond lachte leise und lange. "Sie ist Damrods Tochter. Serelloth mag man ihr Alter nicht ansehen, doch wenn ich mich recht entsinne ist sie nicht älter als siebzehn. Ein tapferes Mädchen, mit dem Herzen am rechten Fleck."
Sie verließen die Seitengasse wieder. Von Serelloth (oder Glóradan) fanden sie keine Spur. "Lass uns zum großen Platz in der Mitte der Stadt gehen," sagte Beregond. "Wenn heute tatsächlich der Majles stattfindet, bin ich mir fast sicher, dass das Ergebnis dieser Beratung dort verkündet werden wird. Ich bin gespannt was wir erfahren werden!"
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #6 am: 21. Sep 2016, 17:37 »
Narissa aus Umbar...

Am Vormittag des sechsten Tages nach ihrem Aufbruch erreichte Narissa schließlich ihr Ziel. Sie hatte die Nacht in einem kleinen Oasendorf einige Meilen vor der Stadt verbracht und dort, wie schon einige Male zuvor auf ihrer Reise, neben Grauwind im Stroh eines Pferdestalls geschlafen. Trotz der unbequemen Schlafgelegenheit war sie früh am Morgen erfrischt, wenn auch etwas nach Pferd riechend, aufgewacht und hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht bevor die Sonne hoch am Himmel stand.
Die Wachen am Westtor von Aín Sefra warfen ihr und im speziellen ihren Dolchen zwar den ein oder anderen misstrauischen Blick zu, ließen sie aber ungehindert passieren. Durch die vielen Krieger verschiedenster Völker fiel Narissa vermutlich nicht weiter auf. Während sie sich auf Grauwinds Rücken langsam einen Weg durch die Menge bahnte, die die Straßen verstopfte, blickte Narissa sich neugierig um. Auf den Mauern wehten verschiedenste Banner, von denen sie einige kannte, andere wiederum nicht. Eines, dass die Farben Schwarz, Grün, Rot und Weiß und auf dem grünen Streifen die Buchstaben M-L-K zeigte, fiel ihr besonders ins Auge, da es sich von den üblichen ein- oder zweifarbigen Bannern der meisten haradischen Stämme abhob. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Qúsays Banner, worauf auch die Buchstaben M-L-K, für Malik hindeuten konnten.

Je näher sie dem Zentrum der Stadt kam, desto langsamer kam Grauwind voran und das dichte Gedränge zwang Narissa schließlich zum Absteigen. Sie führte die Stute langsam durch die Menge an den Rand der Hauptstraße und in eine etwas leerere Seitengasse hinein, in der sie ein Gasthaus erspäht hatte. Über der Eingangstür hing ein Schild auf dem ein stilisierter Löwenkopf und die lahmidischen Worte "Zum Wüstenlöwen" prangten. Narissa band Grauwind an einem in die Wand des Gasthauses eingelassenem Haken fest, hoffte dass niemand das Pferd entführen würde, und betrat den dämmrigen Schankraum.
Sobald ihre Augen sich an das Dämmerlicht im inneren des Gasthauses gewöhnt hatte, trat sie an den Tresen heran, hinter dem der Wirt, ein Mann um die vierzig mit einem schwarzen Schnurrbart gelangweilt einen Becher auswischte.
"Habt ihr ein Zimmer für mich und einen Platz für mein Pferd?", fragte Narissa in der Sprache der Lahmiden. Der Wirt stellte den Becher ab und nickte, antwortete allerdings:
"Kommt drauf an. Ihr kommt aus Qafsah, nicht wahr?" Seine Miene war alles andere als freundlich, und Narissa verfluchte sich insgeheim. Offenbar war an ihrem Akzent deutlich zu hören, dass sie mit dem Dialekt von Qafsah aufgewachsen war. Das war das Problem an den vielen haradischen Sprachen, die sich alle in gewisser Weise miteinander verwandt waren, denn mit diesen nicht verwandte Sprachen wie Sindarin oder die Gemeinsprache des Nordens sprach Narissa beinahe akzentfrei.
Wie die Reaktion des Wirtes ihr verriet, war Qafsah in Aín Sefra momentan nicht allzu wohl gelitten. Verständlich, wenn man bedachte dass der Herrscher von Aín Sefra sich offen gegen das mit Suladan verbündete Mordor aufgelehnt hatte und Qúsay als Malik von Harad einsetzen wollte.
"Ich bin in Qafsah aufgewachsen.", gab Narissa wahrheitsgemäß zu, fuhr aber fort: "Ich bin allerdings lange nicht mehr dort gewesen, seit Suladans Machtübernahme nicht mehr."
Die finstere Miene des Wirtes hellte sich deutlich auf. "Ah, das ist deutlich besser. Und welche Geschäfte führen euch in die schöne Stadt Aín Sefra?"
"Ich bin auf der Suche nach einem Freund.", erwiderte Narissa ausweichend. In gewisser Weise war das sogar die Wahrheit, schließlich war sie hier um zu untersuchen ob Qúsay ein Freund war.
"Nun, dabei wünsche ich euch viel Glück.", meinte der Wirt, jetzt lächelnd. "Wie lange werdet ihr hier bleiben?"
Narissa konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich weiß es nicht genau, kommt drauf an wie lange ich brauche."
Sie einigten sich schließlich darauf, dass sie vorerst für drei Nächte Unterkunft für sich und ihr Pferd zahlte, und bei Bedarf noch verlängern konnte. Ein Bediensteter brachte Grauwind für sie in den Stall, der sich in einem kleinen Hof auf der Rückseite des Hauses befand.
Nachdem sie ihren Beutel auf ihr Zimmer, einen kleinen Eckraum im oberen Stockwerk des Gasthauses mit einem schmalen, aber bequemem Bett, einem kleinen Ecktisch mit Stuhl und einer mit Wasser gefüllten Schale gebracht hatte und sich ein wenig den Stallgeruch abgewaschen hatte, verließ Narissa den Wüstenlöwen und trat wieder hinaus auf die Straße. Der Morgen war inzwischen voran geschritten, und die Sonne stand schon beinahe im Zenit. Trotz der Hitze kehrte Narissa auf die Hauptstraße zurück, wo sie sich in der Menge in Richtung des zentralen Platzes treiben ließ. Hier und da schnappte sie Gesprächsfetzen auf, die sich darum drehten dass offenbar noch heute die Ergebnisse der Versammlung, die die einberufenen Fürsten in diesen Minuten abhielten, verkündet werden sollten.
Narissa überlegte ob es ihr möglich wäre, sich irgendwie in den Palast zu schleichen und die Fürsten, besonders Qúsay, zu belauschen, als sie, völlig in Gedanken, mit einer schwarzhaarigen Frau die ein Bastardschwert auf dem Rücken trug und gerade aus einer Seitengasse gekommen war, zusammenstieß.
"Oh, Verzeihung.", sagte sie entschuldigend in der Sprache der Lahmiden, und trat einen Schritt zurück, wobei ihr sofort die für Bewohner Harads ungewöhnlich hellen Augen der Frau auffielen.

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Eine unerwartete Begegnung
« Antwort #7 am: 21. Sep 2016, 23:05 »
Das Mädchen sagte etwas in einer Sprache, die Aerien nicht verstand, doch ihre Reflexe hatten bereits die Kontrolle übernommen. Sie wusste, dass ein leichtes Anrempeln in Städten wie diesen allzu oft einen Taschendiebstahl kaschieren sollte und taste hastig nach ihrer Halskette. Beruhigt stellte sie fest, dass das Schmuckstück noch da war, ebenso wie Lôminzagar. Sie nahm die Hand vom Griff der Klinge und fixierte ihren Gegenüber mit einem misstrauischem Blick.
"Pass' doch auf, wo du hingehst," sagte sie auf Sindarin, ehe sie ihren Fehler bemerkte. Das versteht sie bestimmt ebenso wenig, wie ich sie gerade verstanden habe, dachte sie, doch ein Blick in die tiefgrünen Augen des Mädchens zeigte keine Verwirrung, sondern Überraschung, Entschlossenheit und ein Aufblitzen von Verstehen. Aerien drehte ihren Kopf zur Seite, doch von Beregond war keine Spur zu sehen. Der Gondorer war offenbar alleine weiter zum großen Marktplatz gezogen. Auch gut, dachte sie. Ich finde ihn dort später.

Ihre Neugierde war geweckt und sie sah sich ihren Gegenüber genauer an. Die feinen Züge und die Augenfarbe wollten nicht recht ins Bild einer einfachen Südländerin passen. Ob sie wohl einem entfernen Verwandten aus Umbar gegenüberstand? Sie beschloss, ein Risiko einzugehen und mehr herauszufinden.
"Kannst du verstehen, was ich sage?" fuhr sie in der Elbensprache fort. "Wie lautet dein Name?"
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #8 am: 22. Sep 2016, 00:43 »
Eine Reaktion auf Sindarin zu bekommen war ungefähr das letzte was Narissa erwartet hatte, und so reagierte sie langsamer als normalerweise.
"Ich..." Auch sie war nun ins Sindarin gewechselt, dass ihr näher lag als das Lahmidische. "Ja, ich verstehe was du sagst, aber..." Narissa unterbrach sich und betrachtete die andere Frau für einen Moment genauer, denn wie ihr Großvater ihr beigebracht hatte war Sindarin in Harad unglaublich selten, und wurde in der Regel nur von Angehörigen ihres eigenen Volkes gesprochen. Konnte es sein, dass unverhofft auf ein Mitglied des Spionagenetzwerks, dass ihr Großvater in ganz Harad unterhalten hatte, gestoßen war? Auch wenn schwarze Haare in Harad ganz und gar nicht unüblich waren, die grauen Augen, die Gesichtszüge und zuletzt die Tatsache dass die Frau Sindarin sprach, wenn auch mit einem merkwürdigen Beiklang, sprachen stark für númenorische Vorfahren.
Dennoch beschloss Narissa, vorsichtig zu sein. Sie hatte Geschichten von Schwarzen Númenorern, die Sauron seit langem dienten, gehört, und vielleicht stand sie auch einer aus diesem Volk gegenüber.
"Ich heiße... Herlenna.", antwortete sie mit einem kurzen Zögern. Sie wusste nicht wie intensiv Suladan nach ihr suchen ließ, doch sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen, und so nannte sie den Namen ihrer Mutter statt ihren eigenen.

Narissa machte einen Schritt zur Seite um einem Trupp bewaffneter Männer auszuweichen, behielt die andere Frau dabei aber im Auge. "Und du? Wie heißt du, und woher kommst du dass du die Sprache der Elben sprichst?", fragte sie zurück.

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Zu viele Fragen
« Antwort #9 am: 22. Sep 2016, 09:00 »
Ein merkwürdiger Name für ein merkwürdiges Mädchen, dachte Aerien. Seltsamerweise spürte sie ihr Misstrauen schwinden. Irgendetwas sagte ihr, dass diese Herlenna keine Gefahr darstellte. War dies etwa die sagenumwobene Weitsicht der Dúnedain? Nein, überstürze nichts, hielt sie sich selbst an. Behalte alle Fakten im Auge. Sie hat dich nicht bestohlen, also war der Zusammenstoß wahrscheinlich wirklich bloß ein Zufall. Aber was, wenn nicht? Finde mehr heraus!
Sie warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Man konnte nie wissen, wer zuhörte. Gerade hier im Süden schienen die Wände nur allzu oft Ohren zu haben.

"Ich heiße Aerien... Gesandte des Herrn Damrod von Ithilien. Ich spreche die Elbensprache weil das viele von meinem Volk tun, in Gondor ist sie recht weit verbreitet. Ich komme gerade von einer Audienz mit dem Fürsten Qúsay. Ich hatte ihm dringende Nachrichten aus dem Norden zu überbringen."
Sie fragte sich, warum sie Herlenna all das erzählte. Eigentlich ging dieses Verhalten gegen alles, was sie von ihrem Vater gelernt hatte. Doch dies waren seltsame Zeiten. Sie beschloss, ihrem Instinkt zu vertrauen.
"Du scheinst nicht aus Gondor zu stammen, nicht wahr?" fragte sie. "Leben denn etwa noch Dúnedain so tief im Süden, die die alten Sprachen noch immer beherrschen? In den Aufzeichnungen wurde nichts dergleichen erwähnt. Deine Familie muss wohl im Verborgen leben."

Sie spürte, wie ihr Wissensdurst sie etwas zu weit gehen ließ, und hob entschuldigend die Hand.
"Verzeih' mir, das sind vielleicht etwas viele Fragen auf einmal, und wir kennen uns ja gar nicht. Gewiss hast du hier wichtige Geschäfte in der Stadt zu erledigen?"
« Letzte Änderung: 4. Nov 2016, 10:00 von Fine »
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #10 am: 22. Sep 2016, 09:47 »
Gondor! Konnte sie es denn möglich sein, dass Narissa innerhalb einer Woche nach Edrahil bereits dem zweiten Menschen aus Gondor begegnete? Bevor sie antwortete machte sie einen weiteren Schritt zur Seite, der sie endgültig aus dem Menschenstrom auf der Hauptstraße beförderte, und zog das andere Mädchen - nein, Aerien - mit sich.
Sie fragte sich ob ihr Gegenüber tatsächlich Aerien hieß, oder ihr ebenfalls einen falschen Namen genannt hatte. Von einem Herrn Damrod von Ithilien hatte sie noch nie gehört - natürlich wusste Narissa, dass es sich bei Ithilien um eine Provinz Gondors handelte, doch der Name Damrod war ihr unbekannt. Vielleicht hätte sie sich bei Edrahil nach den aktuellen Verhältnissen in Gondor erkundigen sollen.
"Ja, ich..." Narissa unterbrach sich, denn was sollte sie sagen? Eigentlich war ihr Ziel geheim und wusste noch nicht, ob Aerien tatsächlich vertrauenswürdig war. "Ich komme tatsächlich nicht aus Gondor, sondern weiter aus dem Süden." Mit der Vermutung, dass Narissas Familie im Verborgenen lebte hatte Aerien bereits sehr nahe an der Wahrheit gelegen, doch Narissa beschloss fürs erste kein Risiko einzugehen und die Insel nicht zu erwähnen.
"Ich bin hier um zu sehen, was Fürst Qúsay für ein Mensch ist. Ob er sein Bündnis mit Gondor ehrlich meint, und ob er wirklich gegen Suladan und Mordor kämpfen will." Sie holte tief Luft und blickte Aerien offen ins Gesicht, denn sie hatte einen Großteil ihrer Karten offengelegt. Und das, obwohl irgendetwas an der Art und Weise, wie das andere Mädchen sprach, merkwürdig war und sich von Edrahils Art zu sprechen unterschied. Aber vielleicht lag es nur daran, dass beide aus unterschiedlichen Regionen Gondors kamen.
"Und du, was führt dich aus Gondor so weit in den Süden?"

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Aeriens Geschichte
« Antwort #11 am: 22. Sep 2016, 10:10 »
"Eigentlich wollte ich nach Dol Amroth, doch mir sind wichtigere Dinge dazwischen gekommen," antwortete Aerien, die sich mehr und mehr entspannte. Gelassen lehnte sie sich an die Hauswand, zu der Herlenna sie herübergezogen hatte, etwas abseits von den Massen, die auf der Straße unterwegs waren. Hier war es nicht so laut und man konnte besser verstehen, was sein Gegenüber sagte.

In Aeriens Kopf spielte sie die unterschiedlichsten Szenarien durch. Herlenna wollte also ebenfalls wissen, ob Qúsays Bündnis mit Gondor auch wirklich etwas wert war und ob man ihm vertrauen konnte. Doch weshalb? Gehörte sie vielleicht einem geheimen Orden an? Es wirkte nicht so, als ob das Mädchen alleine arbeitete sondern vielmehr schien sie einem Auftrag zu folgen. Vielleicht kam sie aus einer vergessenen Kolonie tief im Süden, wo noch immer die Gesetze und Gebräuche von Westernis galten? Allein die Möglichkeit faszinierte Aerien. Sie musste mehr herausfinden, doch dazu war es erforderlich, Herlennas Vertrauen zu gewinnen. Sie beschloss, ihr also offen und ehrlich zu erzählen, was sie hier tat. Ihre wahre Herkunft und wahren Namen würde sie jedoch nicht preisgeben, denn sie wusste, dass sie dadurch mit einem Schlag alles verlieren würde. Herlenna würde niemandem vertrauen, der aus Mordor kam, das war Aerien klar.

"Ich ging zuerst nach Minas Tirith, wo ich einen guten Mann befreite - die Stadt ist von den Nazgûl besetzt, musst du wissen - und nach Ithilien brachte, wo der Widerstand gegen Mordors Besatzer im Verborgenen geführt wird. Damrod ist ihr Anführer, ein wirklich misstrauischer Mann. Er gab mir den Auftrag, nach Ain Sefra zu reiten und dem Fürsten Qúsay folgende Nachricht zu überbringen: Die Nordgrenze ist gesichert und das Bündnis wird anerkannt. Doch der eigentliche Grund warum ich hier bin ist deinem eigenen ziemlich ähnlich: Ich soll herausfinden, ob Qúsay ein guter Verbündeter für Gondor ist und ob man darauf vertrauen kann, dass er sein Wort hält. Die Audienz mit ihm scheint das zu bestätigen, aber ich denke, es wird ebenfalls wichtig sein, sich den Maljes heute anzusehen. Dort wird Qúsay wohl eine wichtige Rolle spielen."

Sie hatte mehr geredet als sie vorgehabt hatte und als sie dies bemerkte, verstummte Aerien. Ich werde Herlenna mit meinem Gerede noch verjagen, dachte sie besorgt. Unbewusst fuhren die Finger ihrer linken Hand über den Sternenanhänger der Halskette.
"Entschuldige," sagte sie nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. "Deine Herkunft interessiert mich," platzte sie mit der Wahrheit heraus. "So wie alles, was die Dúnedain betrifft. Aber ich verstehe, wenn du vorsichtig sein willst. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen da unsere Ziele ähnlich sind, und wenn wir uns etwas besser kennen erzählst du mir vielleicht mehr über deine Familie. Ich bin mit Qúsay den ganzen Weg von den Harnen-Furten bis hierher geritten und kann dir bestimmt einige Fragen über ihn beantworten, wenn du möchtest."
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #12 am: 22. Sep 2016, 12:01 »
Narissa schwirrte der Kopf von den vielen Informationen. Minas Tirith gefallen und von einem der Neun besetzt, Widerstand in Ithilien, der Aerien nach Aín Sefra geschickt hatte... Sie fragte sich, wie viel Edrahil davon gewusst hatte.
Auch wenn Aeriens Geschichte noch immer einige Ungereimtheiten aufwies - zum Beispiel, von wo und in wessen Auftrag sie nach Minas Tirith gegangen war, und wie sie es geschafft hatte in die besetzte Stadt einzudringen - beschloss Narissa doch, ihr fürs erste zu glauben. Den Ausschlag dazu gaben Aeriens offensichtlich ehrliche Neugierde und der sternförmige Anhänger der, wie Narissa zu sehen glaubte, die Form der untergegangenen Inseln Númenor zu haben schien. Warum sollte ein Diener Mordors ein Symbol tragen, dass für einige von Saurons ärgsten Feinden stand?

Narissa setzte sich auf ein leeres Fass, dass an der Hauswand stand. "Weiter im Süden, noch jenseits von Qafsah und Umbar gab es weitere Kolonien Númenors, und einige von ihnen sind auch nach dem Fall der Insel dem Westen treu geblieben. Meine Vorfahren haben lange Jahre an Gondors Seite gearbeitet, selbst nachdem das Königreich seinen Einfluss in Harad verloren hat. Ich glaube, inzwischen weiß niemand in Gondor überhaupt, dass wir noch existieren - oder existiert haben." Sie verstummte, denn der Gedanke an den Tag als Suladans Truppen auf Tol Thelyn eingefallen waren, war schmerzhaft. Wie Aerien zuvor legte sie nun unbewusst die Linke auf den Anhänger ihrer Mutter, den sie verborgen unter ihrem Hemd trug. Sie beschloss, ein wenig mehr Risiko einzugehen.
"Im Augenblick bin ich allerdings im Auftrag eines Mannes aus Gondor hier, den ich in Umbar getroffen habe. Er steht in Diensten des Fürsten von Dol Amroth, und er hat mich hergeschickt um Qúsays Absichten zu prüfen - und ihm eventuell eine Zusammenarbeit anzubieten." Narissa zupfte das Tuch zurecht, dass ihre Haare noch immer vor neugierigen Blicken verbarg. "Wahrscheinlich sollte ich mir den Maljes tatsächlich ansehen.", meinte sie, und fügte mit einem übermütigen Lächeln, das sie selbst überraschte, hinzu: "Ist bestimmt leichter als sich in seine Gemächer zu schleichen."

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Vertrauen und Vorsicht
« Antwort #13 am: 22. Sep 2016, 13:56 »
Aerien konnte gar nicht anders, als dieses seltsame Mädchen zu mögen. Sie verstand es nicht, es widersprach so vollständig ihrer bisherigen Auffassung dass sie sich fragte, ob überirdische Kräfte ihre Hand im Spiel hatten. Doch sie schob die Verwunderung beiseite und hörte gespannt zu, wie Herlenna von ihren Vorfahren erzählte. In ihrer Vorstellungskraft sah sie versteckte Außenposten der Getreuen, verborgen hoch oben im Gebirge, auf vergessenen Inseln oder in unbekannten Oasen tief in der Wüste, die Gondor und die Reiche im Norden aus den Schatten heraus unterstützten und selbstlos und mutig für die Interessen des Westens eintraten. Doch sie konnte sehen, dass die Geschichte Herlennas auch von einem tragischen Unterton begleitet war und sie stets in der Vergangenheitsform erzählte. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. Bevor sie nachfragen konnte wechselte das Mädchen das Thema und Aerien wurde von diesen Gedanken abgelenkt.

"Sicherlich ist das der leichtere Weg," sagte Aerien und erwiderte das Lächeln. "Ich weiß leider nicht, wann der Majles stattfinden wird - und wie viel davon öffentlich abgehalten werden wird - doch sein Ergebnis wird ganz sicher von Qúsay und den wichtigsten der hiesigen Stammesführern und Königen für die Ohren des Volkes verkündet werden. Hier in Ain Séfra versammelt sich die Hauptmacht der rebellierenden Heere, was Sauron und Suladan bestimmt nicht entgangen sein wird. Ich fürchte, der Krieg wird bald auch hierher kommen."
Sie hielt einen Augenblick inne, hatte erneut ihre Gedanken laut ausgesprochen. Irgendetwas an Herlenna ließ sie sämtliche, gut antrainierte Vorsicht vergessen.
"Du sagtest, dein Auftraggeber steht in Diensten der Stadt Dol Amroth? Dann mag es sein, dass sein Herr derselbe ist, der nun dafür gesorgt hat, dass ich hier im Süden bin: Prinz Imrahil, Adrahils Sohn, der nun Truchsess von Gondor ist. Wir könnten also zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen."

Sie dachte angestrengt darüber nach, was sie bisher über Dol Amroth wusste. Zwar war ihr die Geschichte der Stadt wohl bekannt, soweit sie aus den Aufzeichnungen in Durthang hervorging, doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor nur wenig zur aktuellen Lage erzählen können. Sie hatte also keine Möglichkeit, Herlennas Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aerien schwankte einen Augenblick zwischen Vorsicht und Sympathie, entschied sich dann jedoch, dem Mädchen weiterhin zu vertrauen.
« Letzte Änderung: 4. Nov 2016, 10:04 von Fine »
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Re: Aín Sefra - In der Stadt
« Antwort #14 am: 22. Sep 2016, 14:51 »
Als Aerien behauptete im Auftrag Dol Amroths nach Harad gekommen zu sein erwachte Narissas Misstrauen von neuem, obwohl sie ihr in ihrer offensichtlichen Begeisterung für die Dúnedain Harads unwillkürlich sympathisch war.
Dennoch, Edrahil hatte nichts davon erwähnt, dass Fürst Imrahil ebenfalls Boten nach Dol Amroth entsandt hatte, und so gab es nun drei Möglichkeiten: Aerien sagte die Wahrheit und Edrahil hatte entweder gelogen oder wusste davon nichts, oder das Mädchen log. Insgeheim ärgerte Narissa sich, dass sie dem alten Gondorer nicht mehr Informationen entlockt hatte, zum Beispiel wie lange er bereits in Umbar war und wann er zuletzt Kontakt mit Dol Amroth gehabt hatte. So wäre es ihr möglich gewesen, den Wahrheitsgehalt von Aeriens Aussage besser einschätzen zu können, denn ihr war nicht klar was Edrahil davon gehabt hätte, ihr die Anwesenheit weiterer Boten Gondors in Aín Sefra zu verschweigen.
Auch hatte er nicht erwähnt, dass Fürst Imrahil nun der Truchsess von Gondor war. Nach Narissas letztem Wissensstand hatte Truchsess Denethor einen Sohn, Faramir gehabt, der nun eigentlich Truchsess sein müsste. Aber vielleicht war dieser Faramir tot oder gefangen.

"Früher oder später kommt der Krieg überall hin.", sagte Narissa gleichmütig und zuckte mit den Schultern. Sie würde Aerien für den Moment vertrauen, aber weiter vorsichtig sein und die Augen nach Zeichen des Verrats offenhalten. Allerdings, die Bereitwilligkeit mit der Aerien ihr alles erzählt hatte machte das Mädchen entweder zu einer sehr schlechten Spionin - oder zu einer sehr guten.
"Du hast eine Audienz bei Qúsay erwähnt. Wie ist dein Eindruck von ihm gewesen, ist er ehrlich? Was hat er gesagt?" Ihre eigene Neugierde ging nun ein wenig mit ihr durch, aber je mehr sie über Qúsay in Erfahrung bringen konnte, desto besser wurden ihre Chancen ihn richtig einzuschätzen.

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva