Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Nah-Harad und Harondor

Aín Sefra - In der Stadt

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Fine:
Qúsay, Dirar, Beregond und Aerien mit den Reitern von den Ebenen nördlich der Stadt


Aerien blickte sich staunend um. Die Stadt war voller Menschen unterschiedlichster Herkunft und Hautfarbe. Sie sah viele Haradrimkrieger die zu verschiedenen Stämmen gehörten und deren Banner, die über den Mauern wehten. Die Straßen waren so voll, dass die Reiter nur langsam hindurchkamen. Trotz des vorangeschrittenen Abends waren noch immer sehr viele Leute unterwegs.

Sie kamen zu den Stallungen und saßen ab.
"Qúsay wird im Fürstenpalast sein, aber es ist unwarscheinlich, dass er euch zu dieser späten Stunde noch empfängt", sagte Ibn Nazir und fuhr fort: "Ich würde euch raten, euch für diese Nacht ein Zimmer in einer der Herbergen zu nehmen, dann könnt ihr Qúsay morgen früh aufsuchen. Dirar hier wird euch begleiten und sicherstellen, dass ihr ein Zimmer bekommt. Außerdem würde ich euch raten, euch andere Kleidung zuzulegen. Es wird hier tagsüber sehr heiß, bei dem was ihr tragt könntet ihr einen Hitzeschlag erleiden."
"Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Ibn Nazir," antwortete Beregond. "Ich hoffe, wir werden Euch Eure Freundlichkeit schon bald vergelten können. Habt also Dank für Euren Rat und dafür, dass Ihr uns den Weg hierher gezeigt habt."
"Es war mir eine Ehre. Shalem la-itta!", erwiderte Ibn Nazir und nickte. Nachdem einer der Reiter das Banner von Dirar übernommen hatte ging Ibn Nazir mit seinen Reitern in Richtung Stadtzentrum davon, während Dirar mit den beiden Dúnedain zurückblieb.
"Es wird spät," sagte Aerien. "Dirar, wo finden wir die nächste... Herberge?" Die Gemeinsprache bereitete ihr immer noch Schwierigkeiten.
"Folgt mir," sagte der Angesprochene und führte sie tiefer in die Stadt hinein.

Fine:
Nur wenige Straßen weiter kamen sie zu einem kleinen Gasthaus. Auf dem Schild, das über dem Eingang hing, standen haradische Buchstaben, die weder Aerien noch Beregond lesen konnten.
"Willkommen im Gasthaus 'Löwenpranke'", übersetzte Dírar. "Das ist natürlich nur eine ungefähre Übersetzung in die Gemeinsprache. Die genaue Bedeutung ist etwas zu kompliziert, um sie Wort für Wort aus der Sprache der Lahmiden zu übersetzen. Beherrscht man die Elbensprache, wird es schon einfacher: Ich hoffe also, 'Raw-gammath'(1) sagt Euch mehr zu."
"Ihr sprecht das Sindarin?" fragte Aerien erstaunt auf Elbisch als sie Dírar durch die Eingangspforte ins Innere folgte.
Sie gelangten in einen großen Raum, der voller Menschen war. Trotz der Lautstärke dort war Dírars Antwort gut zu verstehen. "Ich habe gondorische Vorfahren," sagte er erklärend.
"So wie Euer Herr, Ibn Nazir," stellte Aerien fest. Dírar erwiderte jedoch nichts darauf. Er durchquerte den Raum und kam an einem hölzernen Tresen zum Stehen, hinter dem zwei Männer Getränke ausschenkten. Dírar wechselte einige Worte in einer der Sprachen der Haradrim mit einem der beiden Gastwirte. Bis auf die Worte "Qúsay" und "Gondor" verstand Aerien und Beregond nichts von dem Austausch.
Dann wandte sich Dírar wieder um und sagte: "Ich habe ihm gesagt, dass er euch als Gäste Qúsays betrachten soll, bis dieser euch empfangen hat. Er wird euch ein Zimmer zeigen."
Dírar hob die rechte Hand zum Abschiedsgruß. "Ich werde nun zu meinem Herrn zurückkehren. Mögen wir uns bald wohlbehalten wiedersehen."
"Losto vae(2), Dírar," antwortete Aerien und der Mann eilte hinaus.

Einer der beiden Gastwirte führte sie zu einem Zimmer im zweiten Stock. Dort gab es jedoch nur ein einfaches Bett. Aerien wollte Beregond schon anbieten, auf dem Boden zu schlafen, als dieser ihr zuvorkam.
"Ist schon gut, Aerien. Ich nehme den Stuhl dort in der Ecke. Der wird mir genügen." Er zeigte auf einen großen Stuhl mit Armlehnen, der aus biegsamen Hölzern geflochten war.
Sie richteten sich im Zimmer ein. Draußen war es bereits seit einiger Zeit dunkel geworden. Morgen werden wir uns mit Qúsay befassen, dachte Aerien als sie ihr Reisegepäck auf dem Bett ausbreitete. Ich frage mich, was für ein Mensch er wohl ist. Die Dúnedain müssen ihm wohl oder übel vertrauen wenn sie Sauron schlagen wollen, stellte sie fest.
"Wir müssen uns um angemessene Kleidung kümmern," sagte Beregond, der sein Kettenhemd abgelegt hatte. Den gondorischen Wappenrock trug er weiterhin. "Wie Ibn Nazir gesagt hat wird es uns bald zu heiß werden. Außerdem sind wir so nicht gerade unauffällig."
Aerien widerstrebte es, ihre gute Rüstung gegen einfachere Gewänder einzutauschen, doch konnte sie nicht verleugnen, dass es ihr darin auf dem Weg nach Aín Sefra gerade um die Mittagszeit geradezu unterträglich heiß geworden war.
"Du hast Recht," sagte sie also. "Ich fürchte, zu dieser Stunde wird uns wohl niemand mehr neue Gewänder verkaufen", überlegte sie. "Das wird also bis morgen warten müssen."
"Morgen früh werden wir vor den Fürsten Qúsay treten, der von Imrahil zum Herrn von Harondor gemacht wurde. Wir haben einen Auftrag, vergiss das nicht. Dabei sollten wir wie Gesandte Gondors wirken," sagte Beregond. "Doch danach sollten wir uns die neue Kleidung wirklich beschaffen."
"Du willst also noch warten, bis wir Qúsay Damrods Nachricht überbracht haben?" schlussfolgerte Aerien. Sie fragte sie, wie lange Beregond wohl noch in Aín Séfra bleiben wollte.
"Wir werden wohl noch einige Nächte hier verbringen," antwortete der Gondorer als hätte er ihr die Gedanken am Gesicht abgelesen. "Morgen findet der Majles statt, eine Versammlung der wichtigsten Anführer der Haradrim. Wenn Qúsay zum König - zum Malik - von Harad gekrönt wird, müssen wir sichergehen, dass er es sich nicht anders überlegt und in Gondor einmarschiert. Wenn möglich, müssen wir herausfinden, was er als Nächstes plant, und Damrod warnen sollte ihm Gefahr von Qúsay aus drohen."
"Ich verstehe," sagte Aerien nachdenklich.

Als sie von Mordor aufgebrochen war, hatte sie ursprünglich vorgehabt, nach Dol Amroth zu gehen und den Anführern der Dúnedain alles Wissen über das Schattenland zu überbringen, das sie angesammelt hatte. Sie wollte es den Feinden Saurons ermöglichen, einen schweren Schlag gegen den Dunklen Herrscher zu führen und sie wollte vor allem, die Erben Númenors wieder vereinen und den Bruderkrieg der Dùnedain beenden. Doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor erzählt, dass den Fürsten Gondors die Hände gebunden waren. Wenn sie den Fluss Gilrain, die Ostgrenze des freien Gondors, in kriegerischer Absicht überquerten, würde Aragorn hingerichtet werden. Den Tod ihres Königs konnten die Dúnedain nicht in Kauf nehmen - zumindest noch nicht. Linhir würde vorerst eine Grenzstadt bleiben und wachsam nach Osten blicken müssen.
Dass sie sich nun in Harad wiederfand war nicht nach ihrem Plan gelaufen. Ich brach nach Westen auf und bin im tiefen Süden gelandet, dachte Aerien. Wenn mir die Waldläufer doch nur vertraut und zugehört hätten! Über den geheimen Pass bei Durthang hätten sie ins Schattenland gelangen und viele der Kriegsgefangenen befreien können.
Sie hoffte, den Auftrag Damrods in Harad schnell abzuschließen und den Anführer der Waldläufer Ithiliens von ihren guten Absichten zu überzeugen.
Dann werde ich vielleicht nach Dol Amroth weiterziehen können.

Beregond war inzwischen auf dem Sessel eingenickt. Aerien ließ ihn in Frieden und begann, ihre Rüstung abzulegen. Die Schulterschützer schnallte sie ab und legte sie nebeneinander auf den kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. Die ineinander greifenden Plättchen, die ihre Hüfte und Oberschenkel schützen, folgten als nächstes. Zuletzt schlüpfte sie aus dem Brustpanzer und fühlte sich sofort ein gutes Stück leichter. Die enge Stoffkleidung und die lederne Hose, die sie darunter trug bedeckte sie mit dem großen grauen Umhang, den sie über ihre Schultern fallen ließ. Sie ergriff Lôminzagar und blickte das Schwert einen Moment nachdenklich an. Schließlich entschied sie, es nicht mitzunehmen. Der lange Dolch an ihrer Seite würde genügen müssen. Dann verließ sie das Zimmer und ging hinunter in den großen Schankraum, der noch immer gut gefüllt war. Flink band sie sich das lange dunkle Haar zu einem einfachen Pferdeschwanz und trat an den Tresen.
"Was darf es für Euch sein?" fragte der Mann hinter dem Tresen in der Gemeinsprache. Es war nicht derjenige, der Aerien und Beregond das Zimmer gezeigt hatte.
"Nur etwas Wasser, bitte," antwortete Aerien.
Der Mann musterte sie eindringlich und machte keine Anstalten, auf ihren Wunsch einzugehen. Sie erwiderte den Blick und setzte einen neutralen Gesichtsausdruck auf. Einen langen Augenblick starrten sie einander an, bis der Gastwirt von einem Moment auf den anderen den Blick abwandte und sich zu einem großen Wasserfass umdrehte. Er füllte einen einfachen Krug und schob ihn zu Aerien herüber, die dankend nickte. Dann wandte der Gastwirt sich anderen durstigen Haradrim zu.
Aerien betrachtete den Krug. Wasser muss in dieser Gegen rar und daher auch wertvoll sein, überlegte sie. Hat Qúsays Name so viel Gewicht, dass dieser Krug mich nichts kostet?

Eine Bewegung zu ihrer Rechten unterbrach ihre Gedanken. Ein gepflegt aussehender Mann lehnte sich unangenehm nah an sie an den Tresen. Die dunklen Augen des Südländers fixierten ihr Gesicht. Ihre Hand glitt wie zufällig langsam in Richtung des Griffes ihres Dolchs.
"Neu hier, was?" sagte der Mann mit freundlich klingender Stimme. Er hatte einen dichten, aber dennoch kurzgeschnittenen dunklen Bart und trug sandfarbene Gewänder, die recht edel wirkten, ihm jedoch genug Bewegungsfreiheit zu bieten schienen.
Aerien nickte bloß als Antwort und setzte einen abweisenden Gesichtsausdruck auf. Den Mann schien es nicht zu stören.
"Ich bin Sahír," sagte er und deutete eine spöttische Verbeugung an. "Vom Stamm der Kinaḫḫu. Und wie lautet Euer Name, wenn Ihr mir die Frage gestattet?"
"Aerien," antwortete sie skeptisch. Sie wusste nicht recht, was sie von Sahír halten sollte.
"Ein liebreizender Name für eine anmutige Dame," gab Sahír lächelnd zurück. "Wisst Ihr, Aerien, ich bin ein hervorragender Händler - der Beste! - und bin schon in vielen Ländern gewesen. Doch eine Frau wie Ihr ist mir noch nie begegnet. Ich bin ein neugieriger Mann, müsst Ihr wissen, und Ihr fielt mir am Tor sogleich auf. Was tut eine solche Schönheit in Begleitung unseres großen Anführers? fragte ich mich. Also folgte ich Euch, um mehr herauszufinden. Und hier seid Ihr nun. Wollt Ihr mir erzählen, was Euch nach Aín Sefra führt, zu dieser schicksalhaften Zeit?"
Der Redeschwall des Mannes überrumpelte Aerien etwas und so antwortete sie nicht direkt. Sahír schien jedoch nicht auf eine Antwort warten zu wollen.
"Oh, Ihr macht wohl nicht viele Worte, was? Das macht nichts. Ich verstehe Euch, schöne Aerien. Ihr kennt mich ja gar nicht. Nun, dann lasst es mich einmal so formulieren: Erzählt mir ein wenig von Euch, unterhaltet Euch ein bisschen mit mir, und morgen zeige ich Euch meine Waren und Ihr dürft Euch etwas davon aussuchen - ohne zu bezahlen natürlich. Versteht es als Geschenk an Euren Anmut. Ich möchte daher - "
"Ich komme aus Gondor und habe eine Nachricht für Khôr(3) Qúsay zu überbringen," sagte Aerien etwas verärgert, um den Mann zum Schweigen zu bringen. Sie verwendete das adûnâische Wort für Fürst, da ihr das Westron-Wort entfallen war.
"Ha! Wichtige Geschäfte mit hohen Herren! Ja, das kann ich mir denken," äußerte sich Sahír erfreut. "Dieser Qúsay, das ist ein guter Mann," fuhr er fort. "Alle mit Verstand sagen das, und ich habe mit vielen Menschen zu tun. Komme viel herum. Händler, Ihr wisst schon. Überall hört man vom Krieg, der heraufzieht. Ihr müsst verstehen, dass mein Volk vom Dunklen Herrscher eigentlich nur für seine Zwecke ausgenutzt wurde und im Gegenzug keine der versprochenen Belohnungen erhalten hat. Jetzt reicht es den Leuten und Qúsay wird sie vereinen. Ihr werdet es morgen sehen, meine gute Aerien. Ihr werdet es seh'n!"
Aerien versuchte, aufmerksam zu wirken, doch irgend etwas, das Sahír erwähnt hatte, hatte sie nachdenklich gemacht. Der Redefluss des Händlers war zu schnell gewesen als dass sie es genauer hätte mitbekommen können, und seine nicht enden zu wollenden Worte hielten Aerien davon ab, sich zu konzentrieren und sich zu erinnern, was es genau gewesen war. Es hatte mit meiner Ankunft in der Stadt zu tun, war sie sich sicher. Doch wie weiter?
"Woher aus Gondor kommt Ihr?" fragte Sahír gerade.
"Aus Minas Tirith," sagte sie wahrheitsgemäß, doch ohne ihre wirkliche Heimat preiszugeben.
"Ah, die Weiße Stadt! Hab' schon viele Geschichten davon gehört. Die Festungen des Nordens sollen alle geradezu atemberaubend sein!"

Noch ungefähr eine Stunde ertrug Aerien das Gespräch mit Sahír. Gegen Ende musste sie sich eingestehen, dass sie den Mann sogar auf eine Art sympathisch fand, doch spürte sie nun immer mehr, wie sie müde wurde. Sahír schien es sofort aufzufallen.
"Oh, werte Aerien, verzeiht meine Unhöflichkeit," sagte er. "Ihr habt gewiss einen langen Ritt hinter Euch. Habt Dank für die Unterhaltung und vergesst nicht, mich morgen in meinen Handelsposten zu besuchen um Euer Geschenk auszusuchen. Ich habe viele wundersame Dinge, die Euch gut gefallen würden! Doch nun - laylatan saeida(4), gute Nacht!" Damit verabschiedete er sich und verliess die Taverne.
Aerien zog sich schnell in ihr Zimmer zurück, wo sie Beregond leise schnarchend vorfand. So still wie möglich streifte sie den Umhang und die Hose ab und hüllte sich in die weiche Decke, die auf dem Bett lag. Sie schloss die Augen und war bald darauf fest eingeschlafen.


(1) sindarin, "Löwenpranke"
(2) sindarin "Gute Nacht"
(3) ladûnâisch "Herrscher, Fürst"
(4) lahmidisch "Gute Nacht"

kolibri8:
Qúsay folgte der Hauptstraße, die geradewegs auf die kleine Festung innerhalb der Stadt zu führte. Die Wachen grüßten ihn und ließen ihn ohne Umschweife passieren. Im Hof vor dem Palas erwartete ihn schon Marwan, der ihn freudig begrüßte. Zusammen traten sie in den Palas ein. Dieser war zwar nicht so groß und prachtvoll wie der Fürstenhof von Umbar, strahlte aber dennoch in seiner eigenen Art und Weise Ehrfurcht und Macht aus. Der Boden war mit Marmor gedeckt und die Wände mit blau glasierten Steinen und Mosaiken, die die früheren Herrscher der Stadt, Marwans Vorfahren, zeigten, verziert.

„Ich habe dir im Westflügel ein Zimmer bereiten lassen“, erwähnte Marwan und führte ihn nach Westen. Dort angekommen blieben sie vor einer zweiflügligen, mit Schnitzereien verzierten Tür, die von Zweien von Marwans Männern bewacht wurde. Die Wachen drehten sich zur Tür hin und öffneten diese, sodass Qúsay und Marwan den Raum betreten konnten. Im Inneren zeigte sich ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, mit kunstvollen Teppichen und mehreren mit Samt bezogenen Liegen. Diese waren um einen flachen Tisch angeordnet, der mit Früchten gedeckt war. Zur Rechten und zur Linken waren zwei weitere Türen, die jedoch geschlossen waren. Der Eingangstür gegenüber waren mehrere große Fenstertüren, durch die man in einen ummauerten Garten gelangen konnte.

„Ich werde dich nun in Ruhe lassen“, sagte Marwan, „ruh dich aus.“ Dann nickte er kurz und verließ den Raum.
Qúsay nahm sich eine Dattel und öffnete die Tür zu seiner Linken und fand sich in einem ebenso kunstvoll verzierten Badezimmer wieder.
„Ich hab mir gedacht, dass du es bist“, hörte Qúsay eine vertraute Stimme hinter sich sagen. „Und gefällt dir unser neues Heim?“
Qúsay drehte sich der Stimme zu und erblickte Thjodbjörg, die in einem leichten Seidenkleid haradischer Machart in der Tür stand. „Es gefiel mir schon sehr gut“, antwortete Qúsay mit einem Lächeln und ließ seinen Blick über sie wandern, „aber jetzt gefällt es mir um ein vielfaches mehr.“ Sie ging auf ihn zu, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. „Ich bin froh, dass du da bist“, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Das bin ich auch“, sagte Qúsay.

Fine:
Aerien hatte einen leichten Schlaf, was offenbar auch auf Beregond zutraf. Ein Geräusch am Fenster ließ beide aus dem Schlaf aufschrecken. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen, die über die flachen Dächer von Aín Séfra glitten, stellte sich die Ursache des Geräusches als eine große getigerte Katze heraus, die mit ihren Pfoten gegen den Fensterladen trommelte. Gähnend stand Aerien auf und ließ das Tier ins Zimmer. Beregond warf ihr einen verwunderten Blick zu als die Katze sich dankbar an Aeriens Beinen rieb und sich dann auf ihrem Umhang zusammenrollte.
"Noch eine neue Bekanntschaft?" fragte der Gondorer halb belustigt, halb misstrauisch.
"So scheint es wohl," antwortete Aerien, die noch nicht richtig wach geworden war. Sie streckte sich und trat ans Fenster, um einen Blick hinaus zu werfen. Trotz der frühen Stunde war schon einiges los auf den Straßen von Aín Séfra. Diese Stadt kommt wohl nie wirklich zur Ruhe, dachte Aerien und unterdrückte ein erneutes Gähnen.

"Du solltest vorsichtiger sein," meinte Beregond als sie sich zum Aufbruch bereit machten. "Wir sind hier an einem gefährlichen Ort, weit weg von Gondor und allem, was uns vertraut ist."
"Denkst du etwa, dieses Tier ist eine Gefahr für uns?" wollte Aerien wissen. Die Katze hatte die Augen geschlossen und ließ ein leises Schnurren hören.
Beregond seufzte. "Nein, ich denke es wohnt wohl hier. Katzen schlafen tagsüber und gehen nachts dunklen Geschäften nach. Kennst du die Geschichte von Königin Berúthiel?"
Aerien nickte. "Sie richtete ihre Katzen darauf ab, Geheimnisse herauszufinden und andere auszuspionieren," antwortete sie.
"Sei froh, dass dies keine von Berúthiels Katzen sondern nur ein gewöhnlicher Faulpelz zu sein scheint," sagte Beregond.
"Sedh-heleth"(1), übersetzte Aerien. "So werde ich dich nennen, kleiner Faulpelz." Die Katze erhob keine Einwände.

Im großen Schankraum der Taverne war niemand zu sehen als sie schließlich nach unten gingen. Entgegen Ibn Nazirs Rat trugen sie dieselbe Kleidung wie bei ihrer Ankunft in der Stadt. Beregond betonte erneut wie wichtig es sei, einen offiziellen Eindruck zu machen. "Wir sind Abgesandte Gondors und der Herren des Westens," schärfte er Aerien ein. "Sobald wir Damrods Nachricht an Qúsay überbracht haben können wir uns nach passenderen Gewändern für die Hitze Harads umsehen."
Sie brauchten einige Minuten, um die Hauptstraße wiederzufinden von der sie in der Nacht zuvor unter Dírars Führung abgewichen waren. Aín Séfras Gassen waren recht eng da überall Kisten, Stände, Krüge und viele andere Gegenstände an den Hausmauern gestapelt waren und die Gebiete in der Nähe des Haupttores in einen einzigen, riesigen Basar verwandelten.
"Hier hat wohl wirklich jeder etwas zu verkaufen," bemerkte Aerien.
Auf der Hauptstraße, die als einzige frei von Hindernissen war, waren bereits Reiter unterwegs, die zum Tor preschten und große Staubwolken aufwirbelten. Beregond und Aerien gingen raschen Schrittes auf die Festung am Ende der Straße zu, wo sie den Fürstenhof vermuteten. Sie ernteten viele misstrauische Blicke von den Leuten, die ebenfalls in den Morgenstunden unterwegs waren.
"Mach' dir keine Sorgen," beruhigte Beregond die Dúnadan. "Man hat uns gestern in Ibn Nazirs Begleitung eintreffen sehen, und ich schätze, dass sein Name genug Gewicht hat um uns ein sicheres Eintreffen an Qúsays Hof zu ermöglichen."
"Hoffen wir es," antwortete Aerien, doch ihre Anspannung ließ nicht nach.

"Tajmid!"(2) Die Bedeutung war unmissverständlich, doch die Wachen am Eingang der Festung wiederholten ihren Ruf in der Gemeinsamen Sprache. "Halt, Fremdlinge. Dies ist die Residenz von Marwan bin Yusuf, dem Emir der Lahmiden. Welche Absichten führen Euch hierher, balad alhajar?"(3)
"Ich bin Beregond, Baranors Sohn, ein Gesandter der Fürsten Gondors. Und dies ist Aerien Bereneth. Wir bringen dem Fürsten Qúsay eine dringende Nachricht von meinem Herrn, dem Truchsessen von Gondor - Imrahil von Dol Amroth."
Der Torwächter nickte. "Eure Ankunft wurde angekündigt. Malik Qúsay weiß von Eurem Eintreffen in Aín Séfra. Ihr dürft die Festung betreten, doch werdet ihr Eure Waffen ablegen."
Beregond nickte und übergab dem Mann sein Schwert. Aerien jedoch zögerte. Wer garantiert mir dass Lomînzagar(4) nicht während unserer Audienz gestohlen wird?
"Deine Waffe, Mädchen," forderte der zweite Wächter. Aerien nahm die Klinge vom Rücken, noch immer in deren lederner Hülle.
"Hier stelle ich sie hin," sagte sie mit fester Stimme und lehnte das Schwert an die Wand nahe der Wachposten. "Und hier soll sie auf mich warten. Keiner soll sie berühren!"
Die Wachen schienen belustigt, machten aber zustimmende Gesten. "Das Schwert wird bei uns sicher sein. Geht nun ins Innere, zum Vorhof des Palas. Malik Qúsay hat viele wichtige Dinge zu tun, so seid also geduldig und wartet bis man euch ruft!"

Sie kamen zum Vorhof, der im Gegensatz zu den Straßen der Stadt leer war. Aerien spürte eine ungewöhnliche Aufregung, die sie unruhig auf und ab gehen ließ. Sie fragte sich, was sie wohl bei der Audienz erwarten würde und wie der Fürst auf die Nachricht Damrods reagieren würde. Es sind gute Botschaften, die wir bringen. Doch mehr als das gebietet uns unser Auftrag. Wir müssen einschätzen, ob der neue Verbündete Gondors vertrauenswürdig ist. Das wird nicht einfach werden.


(1) sindarin, "Ruhe-pelz"
(2) lahmidisch "Stehen bleiben!"
(3) lahmidisch "Steinländer"
(4) adûnâisch "Nachtklinge"

kolibri8:
Der Morgen war gekommen und Qúsay lag schlafend neben Thjodbjörg im Bett. Es dauerte nicht lange, da wurden sie von einem Klopfen geweckt. Qúsay stand auf und öffnete die Tür: Zwei Sklaven standen an der Tür mit Silbertabletts und brachten Frühstück und neue Kleidung. Ohne umschweife betraten sie den Raum und servierten das Essen auf dem Tisch im Hauptsaal ihres Quartiers.
Nach einen Frühstück, bestehend aus Fladenbrot, Jogurt, Oliven, und Tee, kam Marwan in ihr Quartier.
„Es ist an der Zeit, Qúsay“, sagte er als er eintrat.
„Schon?“, fragte Qúsay verwundert, „es ist noch nicht einmal Mittag.“
„Es haben sich einige Leute zusammengefunden, die mit dem künftigen Malik reden wollen, noch bevor der Majles offiziell zusammentritt.“
Qúsay seufzte, wischte seinen Mund mit einer Serviette ab und stand vom Tisch auf. „In Ordnung“, sagte er und bat Marwan draußen zu warten, bis sie sich umgezogen hatten. Nachdem Marwan die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog Qúsay eine purpurrote Tunika an, welche ihm Sklaven zuvor bereit gelegt hatten. Dazu trug er einen Umhang aus schwarzem Leopardenfell. Ein güldener Stirnreif zeigte seinen Status als Fürst an. Auch Thjodbjörg zog sich um und kleidete sich in den Gewändern einer haradischen Fürstin.

So gekleidet folgten sie Marwan in den Fürstensaal, wo Marwan ihnen am Tag zuvor einen Thron hat errichten lassen. Qúsays gestreiftes Banner, war mittlerweile mit Goldfransen versehen worden und wurde von Dirar getragen, der rechts hinter diesem Thron stand. Als sie die Tür zum Saal durchschritten rief Dirar laut: „Seine Herrschaft Qúsay von den Quahtan!“ und die anwesenden Krieger nahmen Haltung an, während das leise Getuschel und Geflüster das zuvor den Saal erfüllte, erstarb. Qúsay nahm seinen Platz auf den Thron ein und ein Lahmide gab Marwan eine Schriftrolle, die dieser eindringlich studierte. Dann nahm Marwan, das Wort: „Mein Herr Qúsay, bevor der Majles am Mittag zusammentritt, haben einige Leute um eine Audienz bei eurer Majestät erbeten: Der Supet Azruba'al von den Kinahhu und der Emir Harith von den Banu Ghassan, außerdem zwei Gesandte aus Gondor.“
„Wie ich Azruba'al kenne, will er nur erneut die Handelsprivilegien für die Kinahhu bestätigt wissen“, erwiderte Qúsay und fuhr dann nachdenklich fort: „Und was Hariths Anliegen ist, kann ich mir ebenfalls denken, zu dunkel, war die Kunde, die wir aus Linhir mitbrachten. Dennoch schienen die Gondorer, als ich sie traf wichtige Kunde bei sich zu haben.“
Qúsay erhob sich und rief den Wachen zu die Gondorer einzulassen.
Krieger vom Stamm der Lahmiden führten die Gesandten in den Thronsaal. Sie trugen ähnliche Kleidung wie am Vortag, als Qúsay sie an der Harnenfurt getroffen hatte. Auf Beregonds schwarzen Wappenrock prangte gut sichtbar der Weiße Baum Gondors, und darunter blitzte sein Kettenhemd hervor. Die junge Frau war in eine leichte Rüstung aus dunklem Metall und Leder gehüllt. Ihren grauen Umhang hatte sie abgelegt. Beide trugen keinerlei Waffen.
Beregond machte eine angemessene Verbeugung als er vor Qúsay trat. Der Gondorer blickte dem Malik ins Gesicht und Überraschung leuchtete in seinen Augen auf als er die Täuschung vom Vortag erkannte.
„Ich grüße Euch, Qúsay, Fürst von Harondor, Tolfalas und König der Haradrim. Oder bevorzugt Ihr es, Ibn Nazir genannt zu werden?“ Sein Tonfall war freundlich, dennoch sprach er mit Vorsicht.
„Und ich grüße euch, Beregond, Baragunds Sohn, und Aerien aus Gondor“, sprach Qúsay, „Entschuldigt, meine Täuschung, doch kann man nicht vorsichtig genug sein, wenn man zwei Fremden im Niemandsland begegnet. Ich bin Qúsay ibn Nazir ibn Qasim al-Quahtani, Nazir war mein Vater und ibn ist unser Wort für Sohn. Ihr seht, als ich euch sagte, dass ich ibn Nazir, der Sohn von Nazir sei, habe ich nichts Unwahres gesagt. Doch seid ihr nicht hier um über meine Namen zu sprechen. Welch Kunde bringt ihr aus Gondor?
„Fürst Imrahil, der das Amt des Truchsessen innehat, sandte Boten nach Ithilien. Sicherlich wisst Ihr, dass es dort eine große Anzahl Waldläufer und Partisanen gibt, die im Verborgenen Mordor weiterhin Widerstand leisten. Angeführt werden sie von einem Mann namens Damrod. Er ist es, der mich und Aerien zu Euch schickt. Er lässt Euch ausrichten, dass er auf Imrahils Geheiß das Bündnis Gondors mit den Haradrim anerkennt und unterstützen wird. Noch erlaubt es die Kriegslage nicht, Streitkräfte zu Eurer Unterstützung zu entsenden, doch er versichert Euch, ein wachsames Auge auf die Nordgrenze eures Reiches Harondor zu haben sodass Ihr bei einem Angriff aus Mordor rechtzeitig gewarnt werdet. Auch wird Damrod versuchen, Mordor weiterhin zu behindern und die Aufmerksamkeit Saurons vom Süden abzulenken.“
Beregond macht eine Pause nachdem er die Nachricht überbracht hatte. „Gondor steht Euch in diesem Krieg bei, Qúsay,“ sagte er anschließend. „Wenn die Waldläufer weiterhin Überfälle und Hinterhalte durchführen glaube ich nicht, dass Ihr Gefahr aus dem Norden fürchten müsst.“
Während Beregond dies erzählte nickte Qúsay und erhob sich von seinem Thron als Beregond endete. „Dies sind gute Nachrichten“, erwiderte Qúsay und ging auf Beregond zu: „und es freut mich, dass sich die Menschen Gondors bereit erklären unsere nördliche Grenze zu sichern. Ich hoffe nur, dass sie keine allzu schweren Kämpfe haben werden und hohe Verluste vermeiden können. Dieser Damrod ist er ein guter und vernünftiger Anführer?“
„Während des Krieges war er die rechte Hand Faramirs, des Heermeisters von Gondor. Damrod ist ein erfahrener Anführer, der es seit dem Fall Minas Tiriths geschafft hat, seine Leute vor Sauron verborgen zu halten. Er agiert stets mit Vorsicht und Bedacht und geht keine unnötigen Risiken ein, ist jedoch ein gutherziger und treuer Sohn Gondors. Dies sind meine Erfahrungen,“ erklärte Beregond.
„Er fasst nicht allzu leicht Vertrauen,“ sagte Aerien mit fester Stimme. „Dies ist in dunklen Zeiten wie diesen sicherlich kein Fehler.“
„Nun, wenn ihr ihm vertraut, werde ich ihm wohl ebenso vertrauen. Habt Dank für diese Nachricht.“ Qúsay nickte beiden zu und setzte sich wieder auf den Thron, „Nun, andere Personen wollen ebenfalls eine Unterredung mit mir. Euch steht es daher jetzt frei zu gehen.“
„Wir danken Euch für Eure Zeit,“ bedankte sich Beregond. Die beiden Dúnedain verbeugten sich vor Qúsay - Beregond respektvoll, Aerien eher verhalten - und eilten aus der Halle.

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