Amrûn, Celebithiel, Gandalf und Éowyn vom OrthancDie Schlacht war nun endgültig geschlagen. Das Böse aus Isengart ein weiteres Mal vertrieben doch was zurückblieb war ein Trümmerfeld. Die Erde war verdorben, tiefe Schluchten taten sich auf und gaben Einblick in die schwarzen Verliese Isengarts. Einige Maschinen aus der Zeit Sarumans waren noch zu erkennen, doch den Verfall sah man ihnen schon an.
Ewig wird diese Zeit, das Tal des Zauberers prägen, selbst in den schönsten Stunden wird sich die grausame Vergangenheit des Orthancs wie ein grauer Nebel über die Menschen legen, welche die Feste bewohnen und die Stimmung trüben.Die Rohirrim und Amrûn blieben vorerst in dem schützenden Mauerring. Die zahlreichen Orkleichen wurden in den tiefsten Verliesen vergraben und für die gefallenen Verbündeten wurden Gräber südlich des Haupttores angelegt.
Es fiel dem Elben schwer sich in dieser Umgebung wohl zu fühlen, aber trotzdem musste er es aushalten. Tag für Tag errichteten sie die grau-weißen Zelte um den Kämpfern Schutz vor der Witterung zu geben.
In einem davon lag Celebithiel. Ihre Wunden waren bereits gut versorgt und begannen sich langsam zu schließen. Seit dem Kampf im Turm hatte sie kein Wort gesprochen, keine Träne vergossen. Stunde um Stunde lag sie auf dem provisorischen Bett und starrte an die Decke oder schlief. Amrûn setzte sich oft zu ihr und gab ihr liebevoll etwas zu essen und erzählte ihr von den Geschehnissen außerhalb des Zeltes.
Bis jetzt hatte er sich noch nicht getraut den Orthanc wieder zu betreten. In dessen Haupthalle lag der Körper von Mithrandir. Zu tief saß die Trauer in dem Elben und überschattete ihn sobald er die Fassade des Turmes erblickte.
Nachdem eine Woche vergangen war, fühlte er sich bereit. Er schritt die Treppe hinauf zum großen Tor und blickte in die stumme Dunkelheit. In der Mitte des Saales lag er, gebettet auf kalten, schwarzen Stein. Sein weißes Gewand hob sich deutlich von seiner Umgebung ab und an seiner Seite kniete Éowyn. Sorgsam strich sie ihm über das Gesicht und verteilte eine heilende Salbe auf den klaffenden Wunden. Sie blickte zu dem Elben: „Amrûn, kommt herein.“
„Eure liebevolle Pflege… Ihr seid bewundernswert, Éowyn… in dieser Situation“, stotterte der Elb.
„Gandalf ist noch Teil dieser Welt, er ist nicht tot; er ist nur an einem sehr fernen Ort“, sagte die Herrin Rohans.
Amrûns Blick wanderte Gandalfs Körper entlang, über die weißen Schuhe und den Mantel, seine silberne Klemme und sein Gesicht. Die tiefen Falten in seinem Gesicht waren deutlich freundlicher als zuvor, seine Augen entspannt und sein Teint fast so weiß wie sein Gewand.
„Wisst ihr, es ist schon sehr lange her, dass ich Mithrandir kennen gelernt habe. Ich wer einer der ersten der ihn sah…“
Amrûn stand auf den Docks der Grauen Anfurten. Fast jeder Bewohner des blühenden Elbenreichs war von den Hügeln heruntergestiegen, denn Círdan gab ein großes Fest an jenem lauen Sommerabend. Die Sonne hatte bereits mehr als die Hälfte ihres täglichen Weges überschritten und strahlte nun durch die Felsen in die Bucht herein. Sie tauchte die Stadt in ihr allabendliches, warmes Licht.
Der Elb vernahm die sanften Gesänge und aß genüsslich das Mahl. Die Zeit verging in solchen Momenten viel zu schnell, denn schon nach einigen Tänzen bereitete die Sonne den Weg für die Nacht. Amrûn setzte sich auf eine Stufe die zur Wasseroberfläche hinunterführte und starrte in den Westen.
Die Erinnerung an seine Mutter und seinen Vater wurden wieder hell entfacht. Das Verlangen sie wiederzusehen war sehr stark. Auf einmal riss ihn eine Entdeckung aus seinen Gedanken. Aufgeregt lief er zu Círdan, welcher unter einer Laube saß und mit seinen vertrauten Beratern das Fest genoss.
„Círdan, mein Herr. Seht dort am Horizont, ein Schiff“, platzte es aus Amrûn heraus.
Alle an dem Tisch erhoben sich und blickten besorgt auf das Meer hinaus. Sie sahen das große, weiße Schiff.
„Nun, endlich ist er hier!“, sagte Círdan beiläufig und schritt zu den Anlegestellen hinunter. Als das Schiff näher gekommen war, betrachtete Amrûn es näher.
Das Holz war wunderschön verarbeitet, die Segel aus goldenem Stoff und den Bug zierte ein silbernes Schanenhaupt.
Nachdem das Schiff angedockt hatte schritt ein alter Mann von Bord. Sein Bart reichte weit gegen Boden und sein Gewand war so grau wie ein nebliger Herbsttag. Er stützte sich auf seinen Holzstock, obwohl er ihn nicht nötig hatte.
„Willkommen in Mithlond“, begrüßte ihn der Herr der Anfurten.
Der Fremde verneigte sich nur kurz und blickte erstaunt auf die Stadt. Er bewunderte die blühenden Kirschbäume, die grünen Hügelkuppen und unsere Häuser.
An den Docks war es ruhig geworden, nur die Brandung des Meeres und das tosen des Windes erfüllten die Stille dieses Augenblicks. Auf der Wange des alten Mannes glitzerte eine kleine Träne.
„Bote des Westens, dieses Fest wurde euch zu Ehren veranstaltet“, sagte Círdan.
„Ihr wusstet das ich komme?“, fragte der Fremde erstaunt.
„Ja, eine alte Freundin kündigte deine Ankunft an und bat mich dich festlich zu begrüßen. Wie ist euer Name?“
Man konnte in der Miene des Fremden lesen, dass er versuchte sich an diese alte Freundin zu erinnern, welche auch ihn kannte und plötzlich erhellte ein schmales Grinsen sein Gesicht.
„Einen edlen Namen trage ich, Cirdan Herr der Falathrim, doch müsst ihr verstehen, dass es nicht sehr weise wäre in auf diesen Gefilden auszusprechen“, flüsterte er.
Der Herr der Anfurten hielt einen Moment inne, er war überrascht und doch einsichtig über diese Aussage: „Dann werde ich euch Mithrandir nennen, denn ihr seid wahrhaft ein grauer Wanderer.“
„Ein Name der zu mir passt, da habt Ihr recht“, sagte der Fremde lachend.
Círdan erhob seine Stimme und unterbrach somit die Stille: „Heißen wir Mithrandir willkommen, hier in den Grauen Anfurten. Dieser Hafen soll ihm ein zweites Zuhause sein, ein Ort der Geborgenheit und der Freude.“
Die Elben am Ufer begannen laut zu Jubeln und das Fest setzte sich fort. Der Neuankömmling setzte sich zu Círdan an den Tisch. Den restlichen Abend waren sie in ein lange Gespräch vertieft.
Lange erzählte Amrûn diese Geschichte und mit viel Liebe. Oft lief ihm eine Träne über die Wange und manchmal musste er sogar lächeln. Éowyn hörte aufmerksam zu und hielt dabei die kühle Hand des Zauberers.