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Autor Thema: Tol Thelyn  (Gelesen 19186 mal)

Eandril

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Re: Tol Thelyn
« Antwort #30 am: 10. Sep 2017, 21:18 »
..., und ich will euch nicht verschweigen, dass euer Sohn durch die Hände Thorongils nach seiner Gefangennahme einige Schmerzen und Verletzungen erlitten hat - was in Anbetracht seiner jüngsten Taten und seiner Vergangenheit sicherlich wenig überraschend ist. Er verbrachte einige Zeit im Kerker des Turmes von Tol Thelyn, wo ich zwei Gespräche mit ihm führte, in deren Verlauf ich ihn dazu zu bringen versuchte, einzusehen, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat. Nach unserem zweiten Treffen überließ ich ihm eine Phiole mit einem schnell wirkenden, schmerzlosen Gift, dass euch bekannt sein dürfte, und...

Edrahil tunkte die Feder ins Tintenfass, schrieb jedoch nicht weiter sondern hob den Kopf, als er hörte wie sich die Tür seines Zimmers öffnete und Laedris mit leisen Schritten über die Schwelle trat. Edrahil wartete ab, bis das Mädchen an seinen Tisch herangekommen war, und fragte leise: "Und?"
Laedris antwortete nicht sofort. "Was schreibt ihr?", fragte sie stattdessen, und warf einen neugierigen Blick auf das zur Hälfte beschriebene Blatt Papier, das vor Edrahil auf dem Tisch lag. Edrahil seufzte. Eigentlich mochte er Laedris gerne - sie war ein kluges und aufgewecktes Mädchen, doch ihre Neugierde und ihr Mangel an Zurückhaltung standen ihr immer wieder im Weg. Ihrer Unbeschwertheit schien die Flucht von der Insel, bei der sie ihre Eltern verloren hatte, nicht allzu sehr beeinträchtigt zu haben, und damit erinnerte sie Edrahil an Serelloth. "Einen Brief an einen alten Kontakt - nicht, dass dich das etwas angehen würde", erwiderte er. "Also?"
Laedris zog das schwarze Fläschchen aus der Tasche ihres Kleides, und schwenkte es triumphierend. Das Licht der aufgehenden Sonne, dass durch das Fenster von Osten hereinschien, spiegelte sich in dem schwarzen Glas und ließ es in Laedris' Hand aufblitzen.
"Voll", erklärte Laedris. "Und das Siegel nicht gebrochen - ganz wie ihr vermutet habt." In ihrer Stimme schwang ein deutlicher Hauch Bewunderung mit, und Edrahil musste sich beherrschen um nicht erleichtert auszuatmen. Er streckte die Hand aus, und Laedirs legte die Phiole vorsichtig in seine Handfläche. "Woher habt ihr gewusst, dass er es nicht nehmen würde?", fragte sie dabei neugierig.
"Ich habe mit ihm gesprochen, und ihm zugehört", erwiderte Edrahil widerwillig. "Etwas, das du auch noch lernen solltest - weniger reden, und aufmerksamer beobachten." Das Mädchen nickte eifrig. "Und woran konntet ihr..."
Sie wurde unterbrochen, als die Tür hinter ihr heftig aufgestoßen wurde, und Thorongil ins Zimmer trat. Die Miene des Herrn von Tol Thelyn war düster, und in seinen dunklen Augen stand verhaltener Zorn. Mit einer raschen Bewegung ließ Edrahil das Giftfläschchen in seinem Ärmel verschwinden, während Thorongil in Laedris' Richtung eine eindeutige Kopfbewegung machte und sagte: "Verschwinde. Wir haben etwas zu besprechen, und ich möchte nicht, dass bis heute Abend die ganze Insel davon weiß." Laedris verschwand ohne Zögern und ohne ein weiteres Wort, doch Edrahil lächelte in sich hinein. Das Mädchen war weniger redselig als Thorongil zu glauben schien, denn ansonsten hätten sie dieses Gespräch bereits am vorigen Abend geführt.
Als Laedris die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte Thorongil zornig: "Was glaubt ihr eigentlich, was ihr tut?" Seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen, und auf der Stirn hatte sich eine tiefe Zornesfalte gebildet.
Edrahil zuckte mit den Schultern. "Ich tue, was immer notwendig ist um Mordor zu bekämpfen und Gondor zu schützen."
"Und wie schadet es Mordor, unseren wertvollsten Gefangenen, den wir seit langem hatten, zu vergiften?", fuhr Thorongil ihn an. "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich Karnuzîr tot in meinem Kerker vorfinde, wenn ich hinuntergehe?"
Edrahil holte schweigend das Fläschchen aus seinem Ärmel hervor und stellte es vor sich auf den Tisch. Den angefangenen Brief hatte er zuvor unauffällig unter einen Stapel Papiere geschoben - dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Thorongil darüber zu sprechen. "Nicht sehr groß", antwortete er, und hob eine Augenbraue. "Es sei denn, Karnuzîr hätte es geschafft, die Flasche wieder makellos zu versiegeln, nachdem er das Gift getrunken hat."
Thorongils Schultern entspannten sich bei diesen Worten sichtlich, und auch die Zornesfalte auf seiner Stirn glättete sich, während er sich auf dem Stuhl Edrahil gegenüber niederließ. "Na schön", knurrte er. "Er lebt also immer noch. Aber trotzdem hättet ihr mit mir darüber sprechen sollen, bevor ihr so etwas tut. Immerhin ist Karnuzîr mein Gefangener."
"Hm", machte Edrahil. "Vielleicht habt ihr Recht. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob ihr zustimmen würdet, und ich hielt es für zwingend notwendig, es zu versuchen."
"Also dachtet ihr euch, ihr tut es einfach - und ich hätte nie davon erfahren, wenn Melíril mir nicht erzählt hätte, was ihr getan habt." Minûlîth hatte das Gift für Edrahil besorgt, also war sie selbstverständlich eingeweiht gewesen - und Edrahil hatte nie damit gerechnet, dass sie es Thorongil für immer verschweigen wurde.
"Wie gesagt, ich hielt es für notwendig", entgegnete er mit unbewegter Miene. "Ich hoffe, ich habe eure Beziehung nicht allzu sehr belastet?" Für einen Augenblick entspannten sich Thorongils Züge, und seine Mundwinkel zuckten. "Keineswegs. Ich kenne sie lange genug um zu wissen, dass sie immer ihre Geheimnisse haben wird und immer eigenständig handeln wird, und ich habe mich damit abgefunden, weil sie es wert ist." Er lehnte sich ein wenig in seinem Stuhl zurück, der anfängliche Zorn offenbar vollständig verflogen. "Also, warum wart ihr der Ansicht, dass es unbedingt notwendig wäre, Karnuzîr vor diese Wahl zu stellen?"
"Es ist einfach", erklärte Edrahil. "Hätte er das Gift getrunken, wäre er letzten Endes wertlos für uns gewesen - dann wäre seine Treue zu Mordor stärker als selbst sein Lebenswillen gewesen, und er hätte uns niemals etwas Nützliches verraten oder uns anderweitig geholfen. Doch da er das Gift nicht getrunken hat... besitzt er noch etwas anderes, das ihn am Leben erhält, und das uns erlauben wird, ihn für unsere Zwecke zu benutzen."
Thorongil warf ihm einen aufmerksamen Blick zu. "Ihr sprecht von Mordor." Edrahil nickte langsam. "Eure Nichte wird jeden noch so kleinen Vorteil brauchen, wenn sie diese Reise überleben oder gar Erfolg haben soll. Aeriens Hilfe ist bereits unschätzbar wertvoll, doch mit Karnuzîrs Hilfe stünden ihre Chancen noch deutlich besser."
"Trauen können wir ihm trotzdem nicht", führte Thorongil den Gedanken für ihn fort. "Aber ich nehme an, dass ihr einen Weg gefunden habt, ihn auch so für unsere Zwecke einzusetzen?"
"Ich kenne einen seiner Druckpunkte", bestätigte Edrahil, und warf einen raschen Seitenblick auf den Stapel, unter dem der halb fertiggestellte Brief begraben lag. "Und ich arbeite bereits an einem weiteren..."

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Eandril

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Re: Tol Thelyn
« Antwort #31 am: 19. Sep 2017, 17:21 »
Karnuzîr hatte Gebrauch von dem Kamm und Rasiermesser gemacht, die auf Edrahils Bitte in seine Zelle gebracht worden waren. Seine schwarzen Haare waren weniger verfilzt und hingen ihm nicht mehr wild ins Gesicht, und er hatte sich den stoppeligen Bart vollständig abrasiert - ein gutes Zeichen, wie Edrahil fand.
Edrahil ließ sich Karnuzîr gegenüber auf seinem üblichen Stuhl nieder, und sagte: "Wie schön, dass ihr beschlossen habt, am Leben zu bleiben. Warum? Ich habe euch zwei Gelegenheiten geboten, es freiwillig und einfach zu beenden."
"Ganz sicher nicht, um euch eine Freude zu machen", gab Karnuzîr spöttisch zurück. "Aber ihr habt mir klar gemacht, dass es... sinnlos wäre, jetzt zu sterben."
"Das berührt mein Herz. Ich hatte gefürchtet, ihr wärt vollständig an die Dunkelheit verloren, aber siehe - ich habe euch zurück an Licht geführt." Karnuzîr gab einen Laut von sich, der beinahe als Lachen gelten mochte, und Edrahil lächelte. "Also, mein junger Freund. Da ihr euch auf dem Weg der Läuterung befindet, gibt es etwas, das ihr mir erzählen möchtet...? Über Mordor, über Suladân, über die Pläne des Schattens, uns alle zu vernichten?"
"Warum sollte ich das tun?", fragte Karnuzîr, und seine Miene zeigte nach außen hin nichts als distanziertes Interesse. "Wenn Mordor siegt, werde ich frei sein und ihr alle tot. Denkt ihr nicht, ich wäre deshalb am Leben geblieben? Also warum sollte ich euch helfen?"
Edrahil beugte sich ein Stück vor. "Muss ich es aussprechen, Karnuzîr? Ihr habt bei unserem letzten Gespräch etwas über Aeriens Schicksal gesagt, wenn sie nach Mordor zurückkehrt. Ihr habt gesagt, dass ihr Treue zweifelhaft sei, und dass sie deshalb qualvoll sterben würde."
"Und ihr glaubt, das würde mich berühren, weil ich sie als Frau begehre?" Karnuzîr schnaubte verächtlich, wich Edrahils Blick aber aus. "Ihr irrt euch gewaltig, alter Mann."
Edrahil seufzte. Karnuzîr war tatsächlich ein harter Brocken, bei jeder ihrer Begegnungen schienen sie vom selben Punkt anzufangen wie bei der letzten. "Nein, ich glaube ihr seid derjenige, der sich irrt. Und selbst wenn Aeriens Schicksal euch nicht berührt - was ich nicht glaube - so solltet ihr euch doch im Klaren sein, in welcher Lage ihr euch befindet. Glaubt ihr wirklich, dass Mordors Sieg eure Rettung sein würde? Was glaubt ihr, wie leicht es für mich ist, Zweifel an eurer Treue zu säen, was euer Untergang wäre..."
"Ihr seid gerissen", räumte Karnuzîr ein. "Aber..." Edrahil ließ ihn nicht aussprechen. "Nein, Karnuzîr. Ihr habt eure Entscheidung getroffen, als ihr das Gift nicht getrunken habt. Also sprecht."
Karnuzîrs Blick irrte nervös in der dämmrigen, nur vom Licht der Fackel erhellten, Kerkerzelle umher, und er leckte sich die Lippen. "Also... schön. Ich habe etwas für euch."
Edrahil beugte sich unwillkürlich interessiert vor. "Vielleicht solltet ihr den Herrn dieser Insel einmal nach dem Namen Taraezaphel Bellakanî fragen... bevor sie euch alle vernichtet, denn sie weiß, wo ihr euch versteckt."

"Tareazaphel...", sagte Minûlîth in das Schweigen hinein, dass sich nach Edrahils Worten über die Anwesenden gelegt hatte. Neben ihr und Thorongil hatten sich noch drei weitere in dem großen Raum auf halber Höhe des Turms eingefunden: Die Thelynrim Ríador und Deireth sowie Eayan al-Tayir, der Edrahil gegenüber saß und schweigend aber aufmerksam zu lauschen schien. "Wir alle hier haben bereits von ihr gehört", meinte Thorongil. "Es wundert mich, dass nicht wenigstens Gerüchte über sie bis nach Gondor gedrungen sind."
"Ich weiß über vieles, was in Harad geschieht, Bescheid", erwiderte Edrahil. "Doch nur wenig über das, was südlich seiner Grenzen vorgeht, denn es betrifft Gondor nur selten. Wenn ich dem trauen kann, was Karnuzîr sagt, hat sich das allerdings nun geändert."
"In diesem Fall kannst du Karnuzîr glauben", sagte Minûlîth. "Rae, wie sie sich meistens nennt, ist eine Verwandte von mir und hat einige Zeit bei uns in Umbar gelebt, bevor sie nach Süden gegangen ist. Den Gerüchten zufolge versucht sie, das alte Reich von Arzayân wieder aufleben zu lassen."
Deireth, eine zierliche Frau mit grauschwarzen Haaren, räusperte sich, und sagte: "Arzayân hat Sauron nie gedient, und sich ihm im Krieg des Bundes nicht angeschlossen. Wieso sollte es jetzt anders sein?"
"Die Zeiten haben sich geändert, Deireth", widersprach Ríador. "Arzayân ist vor langer Zeit zerbrochen, und nach so langer Zeit kann eine einzelne Person kein ganzes Reich wieder errichten - selbst wenn Rae eine so gute Anführerin ist wie man hört. Nicht ohne Hilfe, und wer würde sich dazu besser anbieten, als der Sultan von Harad und sein dunkler Herr?"
"Ríador könnte Recht haben." Thorongils Miene war besorgt. "Und die Verbindung zwischen Karnuzîr und Rae unterstützt diese Befürchtung weiter. Warum sollte Rae mit Karnuzîr zusammenarbeiten um Aerien zu entführen, wenn sie sich nicht auf Mordors Seite gestellt hat?"
Edrahil legte die Fingerspitzen auf dem Tisch zusammen, während ein leichter Wind vom Meer die zurückgezogenen Vorhänge sanft bewegte. "Habt ihr bereits etwas unternommen, um mehr herauszufinden?"
Thorongil schüttelte den Kopf und verneinte. "Unsere Aufmerksamkeit wird von Suladân und Mordor beansprucht. Die Thoroval ist noch nicht aus Gondor zurückgekehrt, und..." Er stockte, als wäre ihm mit einem Mal etwas klar geworden. "Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, wie wir die Rossigil gefunden haben, denn zuviel ist seitdem geschehen. Aber der Fluss, in dessen Delta sie vor Anker lag, ist der Bankasoka in der Sprache der Einheimischen Stämme - Harsirion nannten ihn die alten númenorischen Entdecker, die ihn zuerst befuhren. Und an seinem Oberlauf liegen die Ruinen der alten Hauptstadt von Arzayân."
"Und ihr habt kein Mitglied der Besatzung dort angetroffen?", fragte Eayan, der bislang geschwiegen hatte, und Thorongil schüttelte bedrückt den Kopf. "Nein. Ich weiß nicht, wie viele mit der Rossigil fliehen konnten, doch als wir dort ankamen war niemand von ihnen mehr dort. Ich hatte angenommen, dass sie wilden Tieren oder einem der nahen Stämme zum Opfer gefallen sein könnten, denn die Bewohner des Deltas sind Fremden nicht freundlich gesinnt und haben keine Verwendung für Schiffe - das würde erklären, warum es unbewacht vor Anker lag. Aber wenn die Gerüchte über Rae und Arzyân wahr sind..."
"Das würde etwas Merkwürdiges erklären, was Karnuzîr gesagt hat", warf Edrahil ein. Das Bild begann sich vor seinem inneren Auge langsam zusammenzufügen. "Er hat mir erzählt, die Insel nicht durch Suladâns Männer gefunden zu haben, oder indem er Narissa und Aerien hierher gefolgt ist. Das ist es, was er ursprünglich behauptet hat, doch ich vermute es war eine Lüge, um seine wahre Quelle zu schützen - Rae."
Thorongil ballte die Fäuste auf dem Tisch, und Minûlîth legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm. "Sie und ihre Männer müssen die Rossigil vor uns gefunden haben und die Besatzung in ihre Gewalt gebracht haben", sagte der Herr der Insel mit mühsam beherrschtem Zorn. "Vielleicht sind einige von ihnen sogar noch am Leben, gefangen in Azaryân."
"Die Chancen darauf stehen schlecht", meinte Edrahil. Es war besser, sich keine sinnlosen Hoffnungen zu machen, die höchstwahrscheinlich doch enttäuscht werden würden. "Warum sollte sie die Gefangenen am Leben lassen, wenn sie hat, was sie braucht?"
Thorongil sagte nichts, sondern blickte ihn nur an. An seiner Stelle sagte Minûlîth ruhig: "Du hast eine bedrückende Art, den Realitäten ins Auge zu sehen. Aber selbst wenn diese Menschen tot sein sollten, können wir es uns doch nicht länger erlauben, die Geschehnisse im Süden zu ignorieren. Was nützt es uns, die Lage im Norden zu kontrollieren, nur um den Schlag aus der anderen Richtung nicht kommen zu sehen? Jemand muss nach Azaryân gehen."
"Ich werde selbst gehen", sagte Thorongil entschlossen. "Wir alle wissen, welchen Schaden Rae mit ihrem Wissen bereits angerichtet hat, und ich glaube nicht, dass das bereits alles gewesen ist. Ich werde gehen, herausfinden was sie vorhat, und ihre Pläne vereiteln."
"Ich verstehe, dass ihr gehen wollt. Aber ihr solltet dennoch hierbleiben", widersprach Edrahil ihm. "Als die Assassinen einen Boten nach Dol Amroth schickten, ist nicht Fürst Imrahil selbst nach Umbar gegangen, sondern ich. Lasst mich euch an eurer Stelle gehen - solange ihr mir einen verlässlichen Begleiter zur Seite stellt, denn so scharf mein Verstand sein mag, zum Kämpfen bin ich nicht sonderlich gut geeignet." Er gestattete sich ein ironisches, etwas bitteres Lächeln. Es kam nicht häufig vor, dass er sich die alten Zeiten zurückwünschte, als er in der Armee Gondors gedient hatte, doch manchmal wünschte er sich, weniger nutzlos zu sein, wenn es zu Kämpfen kam.
"Auch du wirst hier gebraucht", meine Minûlîth. "Und ohne dich beleidigen zu wollen, wäre es vielleicht sinnvoller, jemand jüngeres zu schicken."
"In Umbar konnte ich ebenfalls auf mich achten", entgegnete Edrahil kühl. "Mit Hilfe der Assassinen, mit meiner Hilfe, und mit der von Valion und Valirë." Das Lächeln nahm Minûlîths Worten ein wenig die Härte, doch Edrahil war nicht in der Stimmung, sich durch ihre Sorge von seinem Weg abbringen zu lassen.
"Eben deshalb will ich nicht alleine gehen." Er wandte sich wieder Thorongil zu. "Gebt mir einen verlässlichen Mann mit, und ich werde herausfinden ob Azaryân tatsächlich eine Bedrohung ist - und wenn dem so sein sollte, werde ich sie beseitigen."
"Ihr scheint euch eurer Sache sehr sicher zu sein", warf Eayan ein, und Edrahil zuckte mit den Schultern. "Nicht wirklicht. Aber ich erkenne die Notwendigkeit, es zu tun, und darum brauche ich mir um mein Scheitern keine Gedanken zu machen."
"Das ist nicht die schlechteste Einstellung." Eayan lächelte, und dieses Lächeln hatte etwas gefährliches an sich - zumal es ein überaus seltener Anblick war. "Nun, wenn ihr entschlossen seid, wird der silberne Bogen nicht beiseite stehen. Immerhin ist eine Bedrohung für euch nun auch eine für uns. Ich werde euch ebenfalls einen meiner Männer zur Seite stellen." Das Lächeln des Schattenfalken wurde noch eine Spur gefährlicher. "Den besten von ihnen, um genau zu sein - mich."

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Re: Tol Thelyn
« Antwort #32 am: 17. Okt 2017, 19:03 »
"Also." Edrahil ließ sich Bayyin gegenüber auf dem gepolsterten Sessel nieder, und blickte den Schreiber über die Stapel von Papieren und Büchern auf dem Tisch zwischen ihnen an. "Was habt ihr herausfinden können?"
"Arzâyan war ursprünglich eine Kolonie der Númenorer, die in der zweiten Hälfte des zweiten Zeitalters gegründet worden war, und..." "... später von den Männern des Königs kontrolliert wurde, die sich als einzig rechtmäßige Erben Númenors sahen", unterbracht Edrahil den Schreiber direkt wieder. "Ich kann lesen, Bayyin, und habe es in den letzten Tagen ausgiebig getan. Ich meinte eher, was ihr darüber herausgefunden habt, wie es sein kann, dass plötzlich die Erbin eines Reiches auftaucht, das eigentlich vor beinahe einem halben Jahrtausend untergegangen ist, und versucht uns Schwierigkeiten zu machen."
"Nun.." Bayyin kratzte sich verlegen am Kinn. "In dieser Hinsicht ist tatsächlich einiges unklar. Ich muss dazu ein wenig zurückgehen, bis zum Erbfolgekrieg, der Arzâyan schließlich zerstörte. Ich nehme an, ihr wisst über den groben Ablauf Bescheid?" Edrahil nickte knapp. Ganz hinten in einem verstauben Regal des Archives hatten sich zwei dicke Bände gefunden, die sich mit der Geschichte und Geographie Arzâyans befassten, und Edrahil hatte die letzten Tage damit verbracht, sich möglichst viel Wissen daraus anzueignen.
"Ich habe Aufzeichnungen gefunden, die offenbar von einem von Thorongils Vorgängern stammen - von Mardil, dem Sechsunddreißigsten der Turmherren. Seine Mutter könnte euch übrigens interessieren, denn offenbar war sie..." Edrahil hob die Hand, um Bayyin zu unterbrechen. "Mich interessiert nicht die Mutter von irgendeinem der Turmherren", sagte er kühl. "Im Augenblick interessierten mich nur Rae und Arzâyan." Bayyin setzte eine Miene auf, die eindeutig Na schön, dein Pech aussagte, und unwillkürlich und gegen seinen Willen wurde Edrahils Neugierde geweckt. Doch er hatte jetzt anderes im Kopf, und keine Zeit für was immer Bayyin noch entdeckt haben mochte. Das musste warten, bis die Angelegenheit mit Arzâyan geklärt war. "Mardil schreibt, wie er in Ain Salah einem Mann namens Saphadzîr begegnet ist", erzählte Bayyin unverkennbar mürrisch, und Edrahil zog eine Augenbraue hoch. "Ein adûnaischer Name in Harad? Ungewöhnlich. Und dann auch noch ausgerechnet dieser..." Auf Bayyins fragenden Blick hin schüttelte Edrahil den Kopf. Der Schreiber zuckte mit den Schultern, und sprach weiter: "Allerdings. Und es bleibt seltsam. Mardil beschreibt Saphadzîr als einen Mann fortgeschrittenen Alters,
 mit grauen Strähnen in dem schwarzen Haar und Bart, und dennoch kräftig, eine merkwürdige Kraft ausstrahlend.
Und, was noch seltsamer erscheint, mit hellerer Haut als ein Bewohner Harads, als käme er aus dem Norden."
"Oder aus dem tiefen Süden - einem Königreich, dass von Nachkommen Númenors bewohnt wird?", warf Edrahil ein, und Bayyin nickte. "Zu diesem Schluss kam Mardil ebenfalls, nachdem er mit Saphadzîr gesprochen hatte. Denn Saphadzîr warte Mardil davor, dass der neue König von Arzâyan, Kalphazôr, mit der Größe seines Reiches unzufrieden sei, und außerdem geschworen hatte, die falschen Erben Númenors zu vernichten", berichtete Bayyin, und Edrahil ergänzte von selbst: "Mit anderen Worten die Dúnedain von Gondor - und von Tol Thelyn, so er davon wusste. Ich vermute, Mardil war derjenige, der daraufhin Mörder nach Arzâyan schickte?"
"Er schickte keine Mörder aus", berichtigte Bayyin. "Er ging selbst nach Arzâyan, um sich selbst ein Bild zu machen. Doch ihr habt richtig vermutet, dass Mardil für Kalphazôrs Tod verantwortlich war, denn er sah tatsächlich eine Gefahr für den Norden heranwachsen, und handelte - zumindest ist es das, was er in seinen Aufzeichnungen schreibt."
"Das sind interessante Enthüllungen", meinte Edrahil. "Und dennoch vermag ich nicht zu erkennen, welche Bedeutung es für unsere gegenwärtige Situation hat."
"Es erklärt gewisse Dinge." Bayyin beugte sich ein wenig vor. "Mardil war dafür verantwortlich, den Krieg auszulösen in dem Arzâyan endete, doch sein Sohn Galador ist derjenige, dem wir unsere heutigen Probleme mit Rae zu verdanken haben." Er zog ein fleckiges, teilweise vom Feuer geschwärztes Dokument aus dem Papierstapel hervor. "Dieses Dokument ist vom Feuer beschädigt worden, als Suladâns Truppen den Turm niederbrannten, und teilweise unleserlich. Doch ich glaube herauslesen zu können, dass Galador gegen die Erlaubnis seines Vaters nach Arzâyan reiste, und entsetzt von den Gräueln war, die der Krieg über das Land gebracht hatte. Er war es, der Relezôr, dem Großonkel der sich bekriegenden Geschwister, und seiner Familie half, nach Norden nach Umbar zu fliehen, und wurde dafür von seinem Vater von Tol Thelyn für zehn Jahre verbannt."
"Und dennoch bewegte irgendetwas Mardil dazu, die Exilanten aus Arzâyan nicht zu ermorden, obwohl es vermutlich durchaus möglich gewesen wäre", meinte Edrahil nachdenklich. "Reue über das was er ausgelöst hatte? Möglich, aber eigentlich unwichtig. Es war ein Fehler, das wissen wir heute." Doch vielleicht lässt sich dieses Wissen nutzen...
"Fehler oder nicht, durch Galadors Hilfe konnte das Haus Nardûkhôr überleben", sagte Bayyin. "Sofern diese Taraezaphel wirklich eine Nachfahrin dieses Hauses ist, und keine Betrügerin."
"Ich glaube nicht, dass sie eine Betrügerin ist", stellte Edrahil klar. "Sie wäre kaum mit Minûlîth verwandt, wenn sie es wäre... Aber dennoch. Raes Versuch, Arzâyan in Saurons Diensten wieder aufzubauen, muss gestoppt werden, und sie selbst wenn möglich getötet werden."
"Und wie wollt ihr das anfangen?", fragte Bayyin, und Edrahil lächelte gefährlich. "Das weiß ich noch nicht... doch ich habe schon einige Ideen. Was davon umsetzbar ist, werde ich erst sehen, wenn ich in Arzâyan bin."
Bayyin schwieg einen Augenblick, und sagte dann zögerlich: "Bevor ihr geht... es gibt einen Namen in Mardils Aufzeichnungen, der mich wundert. Tassadar - er passt weder in die Sprachen der Haradrim oder des tiefen Südens, noch klingt er númenorisch. Er scheint irgendetwas mit dem Prinzen Taraezahil und seinem goldenen Schild zu tun haben, doch Mardils Aufzeichnungen sind diesbezüglich sehr undeutlich und nicht verständlich."
Edrahil überlegte. "Ich werde diese Aufzeichnungen mit mir nehmen. Vielleicht erschließt sich mir der Sinn an Ort und Stelle... Ich glaube zwar nicht, dass uns Geschichten aus der Vergangenheit viel gegen Rae nützen werden, doch wer weiß? Man muss sich seine Möglichkeiten offen halten."

Edrahil und Eayan per Schiff die Südküste Harads entlang
« Letzte Änderung: 2. Dez 2017, 17:35 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Das große Wagnis
« Antwort #33 am: 25. Jan 2019, 12:04 »
Narissa, Aerien, Thorongil, Kani und Gatisen aus der Mehu-Wüste
Edrahil aus Arzâyan


Das Gefühl von Heimkehr in ihrem pochenden Herzen war beinahe zuviel für Aerien, als das große Schiff der Thelynrim in den Hafen der Weißen Insel einlief und sie eine kleine Menschenmenge am Anlegeplatz erwartete. Unter ihnen entdeckte sie Minûlîth, die den kleinen Túor an der Hand hielt, und weitere bekannte Gesichter. Alle schienen froh über ihre sichere Rückkehr aus Kerma zu sein und empfingen sie voller Freude, als Narissa und Aerien von Bord gingen.
"Willkommen zurück," begrüßte die Herrin der Insel sie, ehe sie beide Mädchen nacheinander umarmte.
"Habt ihr viele Abenteuer bestanden?" fragte Túor aufgeregt.
"Das haben wir," bestätigte Narissa zufrieden. "Wenn du brav bist, erzählen wir dir alles."
Túor stieß einen Freudeschrei aus und wirbelte mit seinem Holzschwert wild in der Luft herum, bis seine Mutter ihn ermahnte, ruhig zu bleiben.
"Ihr müsst hungrig sein," sagte Minûlîth. "Kommt, wir können uns beim Essen über eure Reise unterhalten. So Einiges ist mir bereits zu Ohren gedrungen, aber in einer Sache bin ich Túor ähnlich: Ich will alles ganz genau wissen." Sie zeigte ihnen ein seltenes Grinsen und wies dann die Menschenmenge an, wieder ihren individuellen Aufgaben nachzugehen. Rasch zerstreuten sich die Thelynrim, die offenbar früh gelernt hatten, die Befehlen der Herrin des Turmes nicht in Frage zu stellen.
Aerien fiel auf, dass Thorongil ungewohnt grimmig dreinblickte. Der Herr der Thelynrim hatte seit seiner Unterhaltung mit König Músab von Kerma kein einziges Mal gelacht und hatte die Überfahrt zur Insel in grüblerischem Schweigen verbracht. Aerien fragte sich, was wohl hinter dieser Laune stecken mochte, doch noch wagte sie nicht, offen nachzufragen.

Sie ließen ihr Gepäck in Narissas Zimmer oben im Turm bringen und Minûlîth ließ es sich nicht nehmen, sie alle sogleich zum Essen zu rufen, das bereits vorbereitet worden war. Und so trugen Aerien und Narissa noch immer ihre staubige Reisekleidung, während sich die Familie des Turmherren am Tisch versammelte. Es gab einfache Kost - kein Vergleich zu den üppigen Banketten des königlichen Palasts in Kerma - doch Aerien störte sich nicht daran. Noch immer schwebte sie innerlich auf einer Wolke des Wohlgefühls. Es fühlte sich gut an, einen Ort zu haben, an dem man sie so annahm, wie sie war.
"Ihr hattet also Erfolg mit Eurer Suche nach dem geheimnisvollen Königssymbol von Kerma," begann Minûlîth das Gespräch. "Wir haben Gerüchte aus dem Osten gehört, die besagten, dass der König jenes Reiches zwei Abenteurer aus dem Ausland mit der Suche danach beauftragt hat und konnten uns den Rest denken."
"Es war nicht leicht, aber wir haben es geschafft," erzählte Narissa zwischen zwei Bissen. "Die Alternative wäre gewesen, dass ich einen der Prinzen Kermas geheiratet hätte."
Túor lachte bei diesen Worten, als hätte Narissa einen unglaublich komischen Witz gemacht. Als sie ihn fragend anblickte, sagte er: "Du bist doch keine Braut, Narissa, sondern eine Kämpferin."
"Manchmal kann man auch beides sein," wandte Aerien lächelnd ein, und Túor machte große Augen.
Minûlîth stellte ihnen viele weitere Fragen während des ausgedehnten Essens, die Aerien und Narissa abwechselnd beantworteten. Als sie von der Schlacht bei El Kurra und Músabs Entscheidung, sich mit Sûladan zu verbünden erzählten, ließ ein Faustschlag Thorongils auf die Tischkante das Gespräch verstummen. Der Herr des Turmes schien seinen Zorn noch nicht begraben zu haben. Thorongil stand wortlos auf und eilte hinaus.
"Glaubt mir, als ich davon erfahren habe, hätte ich zu gerne genau so reagiert," sagte Narissa, die als Erste ihre Sprache wiedergefunden hatte.
Minûlîth blickte besorgt drein. "Ich frage mich, was nun werden wird," sagte sie leise. "Wir sind von Feinden umzingelt und wenn Kerma sich nun mit dem Sultanat verbündet hat, war eure Fahrt nach Kerma umsonst."
"Nicht umsonst, nein," sagte Aerien. "Wir haben so viel gelernt und verstehen einander nun viel besser."
"Und ich habe zwei schöne neue Dolche," fügte Narissa hinzu.

In jener Nacht schlief Aerien so gut wie schon lange nicht mehr. Sie trug frische, leichte Kleidung und war froh, ihre Reisekleidung waschen zu können. Am folgenden Tag und den beiden Tagen danach erholten sie sich von den Strapazen ihrer Reise und verbrachten wertvolle, sorglose Stunden an den Stränden und in den Wäldern Tol Thelyns, oder in der Gemeinschaft ihrer Familie und Freunde. Doch auch Zeit zu zweit, oder sogar alleine fanden Narissa und Aerien in jenen Tagen, bis am vierten Tag seit ihrer Rückkehr am südlichen Horizont ein Segel auftauchte.
So kehrte Edrahil, der Herr der Spione, aus dem tiefen Süden Harads nach Tol Thelyn zurück. Er hatte getan, wozu er ausgezogen war, und dennoch waren sein Blick und seine Laune so grimmig wie eh und je. Denn obwohl es ihm gelungen war, die gefährliche Jungfrau von Arzâyan gefangen zu nehmen, war dieser mitten während der Rückfahrt nach Tol Thelyn die Flucht gelungen.
Noch am selben Abend rief Edrahil die Mädchen zu sich und hörte sich geduldig ihren Bericht über die Ereignisse in Kerma an. Er stellte nur wenige Fragen und wirkte noch verschlossener als üblich. Er wirkte müde, wie Aerien fand. Doch natürlich sagte sie ihm das nicht.
Kurz vor Mitternacht rief Thorongol Edrahil, Aerien, Narissa und seine engsten Berater zu sich. Auch Bayyin, der Schreiber, war darunter, der die Karte Arandirs bei sich trug.
"Nun denn," sagte der Herr des Turmes. "Wir sind hier, um die letzten Details der wichtigen Aufgabe zu besprechen, die ich an meine Nichte und an Aerien zu übertragen gedenke."
"Die Reise nach Mordor," wisperte Aerien. Es auszusprechen, machte es nun endgültig zur Wirklichkeit. Sie würde zurückkehren - ins Land der Schatten.
"So ist es. Es obliegt euch beiden, den verborgenen Pfad Arandirs zu beschreiten und einen Weg zu finden, den König Gondors aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Meister Bayyin?"
Wie als hätte er darauf gewartet, rollte der junge Schreiber die Karte auf dem hölzernen Tisch zwischen ihnen auf. "Ich habe das Reisetagebuch des Arandir in eurer Abwesenheit weiter studiert und bin mir inzwischen sicher über die Lage des versteckten Pfades." Er deutete auf die Stelle, an der der Fluss Harnen die südliche Biegung des Schattengebirges von Mordor traf. "Ihr müsst nach Harondor gehen, und dem Harnen bis zu seiner Quelle folgen. Und von dort müsst ihr in den niedrigen Ausläufern des Schattengebirges ungefähr eine Meile weiter nach Norden wandern, bis ihr einen großen Felsen seht, der den Pfad verdeckt, und in den ein stilisierter Weißer Baum eingraviert worden ist."
"Das Siegel Gondors," sagte Aerien unnötigerweise.
"Und wenn wir den Pfad passiert haben?" fragte Narissa.
"Aerien wird einen Weg durch Nurn, der Landstrich auf der anderen Seite finden müssen. Wir haben erfahren, dass Sauron dort den Großteil seiner Sklaven unterhält. Vielleicht bietet euch das eine Gelegenheit, durchzuschlüpfen," sagte Edrahil. "Und sollte das nicht ausreichen, werdet ihr euch Karnuzîrs bedienen müssen."
"Karnuzîr!" stieß Aerien überrascht aus. "Was ist mit ihm?"
"Ich habe ihn davon überzeugt, euch auf eurem Weg durch Mordor behilfich zu sein," sagte Edrahil kalt. "Er wird euch Zugang zum Dunklen Turm verschaffen, indem er vorgibt, euch gefangen genommen zu haben."
Narissa und Aerien tauschten einen unbehaglichen Blick aus. Karnuzîr mitzunehmen gefiel ihnen nicht sonderlich. Doch Aerien erkannte, dass Edrahil Recht hatte. Wenn Karnuzîr ihnen wirklich helfen würde, würde er ihre beste Chance darstellen, unbehelligt durch Mordor hindurch zu kommen und bis zu Aragorn durchzudringen.
"Ihr müsst den Gefangenen befreien und ihn nach Gondor bringen," fuhr Thorongil fort. "Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass wir nun über diese einzigartige Gelegenheit verfügen."
"Wir werden sie nutzen," rief Narissa entschlossen. "So wie wir in Kerma Erfolg hatten, werden wir auch diesmal siegen."
"Kerma ist nicht Mordor," wandte Edrahil vorsichtig ein. "Die Gefahr, in die ihr euch begebt, wird um ein Vielfaches höher sein. Geht nur um ein Weniges fehl, werdet ihr sterben."
Aerien schluckte, doch dann erwachte ihr Mut in ihrem Herzen. "Narissa hat Recht. Dies wird keine Niederlage. Wir werden zurückkehren."
Minûlîth ergriff Aeriens Hand und drückte sie. "Versprich es mir, kalî. Versprich mir, dass ihr zu uns zurückkehrt."
Aerien nickte, und Narissa sagte: "Wir versprechen es."

Thorongil beschloss, eines seiner Schiffe zu entsenden, um Aerien und Narissa bis zu den Mündungen des Flusses Harnen zu bringen. Das würde ihnen erlauben, den Gefahren des Krieges in Harad aus dem Weg zu gehen und ihre Kräfte noch einen Tag länger zu schonen. Anschließend würde das Schiff weiter nach Gondor fahren, um in Dol Amroth Vorräte für die Insel zu erwerben und bei dieser Gelegenheit Prinz Gatisen von Kerma und seine Begleiterin Kani nach Dol Amroth zu bringen. Sie wurden mit reichlich Proviant ausgestattet. Aeriens Rüstung war von den Schmieden der Thelynrim angepasst worden, sodass sie leichter war und mehr Bewegungsfreiheit bot, ohne groß an Schutz einzubüßen. Auf dem Brustpanzer und den Schulterpolstern war nun nicht länger das Rote Auge zu sehen, sondern das Siegel der Turmherren. Und dann war der Zeitpunkt gekommen, um die Insel erneut zu verlassen.
Aerien hatte gemischte Gefühle dabei, als man Karnuzîr aus den Kerkern unter dem Turm zerrte und ihn auf das Schiff brachte. Er sagte kein Wort, doch sein Blick suchte und fand Aeriens Augen, und sie stellte fest, dass sie nicht imstande war, wegzusehen. Erst als Karnuzîr unter Deck und außer Sicht gebracht worden war, verging der Moment und sie atmete tief durch.
Der Abschied fiel ihnen nicht leicht. So wenig Zeit war ihnen gewährt worden. Doch beide wussten, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Mit jedem Tag gewann der Dunkle Herrscher Mordors an Stärke. Sie konnten nicht darauf warten, bis er Gondor erneut überrante. Und so gingen sie mit den besten Wünschen aller Thelynrim an Bord und fuhren unter einem günstigen Wind nach Norden, in Richtung der Küste Harondors und der Mündungen des Harnen.


Narissa, Aerien, Kani und Gatisen nach Harondor
Edrahil mit Langlas und Hírilorn nach Umbar
« Letzte Änderung: 23. Mai 2020, 19:47 von Fine »
RPG:

Eandril

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Re: Tol Thelyn
« Antwort #34 am: 25. Apr 2021, 09:02 »
Narissa, Valion, Thorongil und Aldar mit der Falthaleth vom Meer

Am Abend des nächsten Tages lief die Falthaleth sanft in den Hafen von Tol Thelyn ein, und beim Anblick der Insel und des weißen Turms im Abendlicht legte Thorongil Narissa einen Arm um die Schulter.
"Selbst wenn es nicht für lange ist... es ist schön, nach Hause zu kommen." Narissa sah zu ihm auf. "Es ist schön, sie wieder "Zuhause" nennen zu können", meinte sie leise. Thorongil lächelte und drückte sanft ihre Schulter. Er blickte ein wenig zur Seite, wo Valion alleine stand und die zwischen Hafen und Turm wieder aufgebaute kleine Siedlung betrachtete.
"Valion, ich erinnere mich gut an unsere erste Begegnung", sagte Thorongil. Narissa lauschte ihrem Onkel gespannt. Valion hatte ihr erzählt, wie er und seine Schwester Thorongil hier vollkommen zufällig über den Weg gelaufen, doch sie hatte nicht erfahren, wie Thorongil darüber dachte. Überhaupt war er in vielen Dingen noch immer ein Rätsel für sie. "Damals war ich... gebrochen", sprach er weiter. "Ich hatte versagt, mein Volk war vernichtet und in alle Winde zerstreut, von meiner Familie niemand mehr übrig. Ihr habt mich dazu gebracht mich zu erinnern, was es bedeutet einer der Turmherren zu sein, und was meine Pflicht ist."
Valion war, zu Narissas Überraschung, tatsächlich ein wenig errötet, und räusperte sich verlegen. "Viel haben wir eigentlich gar nicht getan."
"Vielleicht nicht", fuhr Thorongil fort. "Aber es war genug. Vermutlich hätte ich mich ohne diese Begegnung in irgendwelchen Spelunken verloren, ein gebrochenes Wrack. Und seht was geschehen ist: Meine Heimat ist wieder aufgebaut, und ich habe meine Familie wiedergefunden." Bei den letzten Worten warf er Narissa einen Blick zu und lächelte.
Die Schiffswand stieß mit einem dumpfen Geräusch gegen das steinerne Kai, und einige gebrüllte Befehle später lag die Falthaleth fest vertäut im Hafen. Narissa und Valion folgten Thorongil die Leitplanke hinunter, und als sie festen Boden unter den Füßen hatte blieb Narissa kurz stehen und atmete tief durch. Natürlich würden sie nicht lange hier bleiben, und trotzdem war es schön, nach Hause zu kommen. Aus der kleinen Menschenmenge, die sich versammelt hatte um ihren Fürsten zu begrüßen, löste sich Hallatan, und verneigte sich respektvoll.
"Willkommen zu Hause, mein Fürst", sagte er förmlich, aber voller Wärme. Er zwinkerte Narissa zu. "Und natürlich ist es immer eine Freude, dich zu sehen, Narissa." Narissa lächelte. Sie hatte Hallatan schon in ihrer Jugend hier auf Tol Thelyn immer gemocht, und er war immer freundlich zu ihr gewesen.
"Ich freue mich, nach Hause zu kommen", erwiderte Thorongil laut, und fügte leiser an Hallatan gewandt hinzu: "Versammle den Rat so schnell es geht - es gibt viele Neuigkeiten aus Gondor die besprochen werden müssen." Hallatan nickte, und eilte mit langen Schritten davon. Thorongil wandte sich zu Narissa, Valion und Aldar, der ebenfalls das Schiff verlassen hatte, um. "Narissa, ich schlage vor du triffst alle Vorbereitungen für die Reise, die du für nötig hältst. Vielleicht wird Valion dich begleiten?" Valion wechselte einen Blick mit Narissa, und beide nickten. "Kapitän Aldar, ich danke euch für die Reise. Ihr und eure Mannschaft seid und für heute Abend willkommen, auch wenn ich fürchte, dass wir euch kein Quartier für die Nacht anbieten können."
"Das macht überhaupt nichts", erwiderte Aldar, der sich neugierig umsah. "Meine ganze Mannschaft ist es gewohnt, auch im Hafen an Bord zu schlafen. Frisches Wasser und Proviant wären allerdings höchst willkommen."
Thorongil nickte knapp. "Für beides wird gesorgt werden. Ich fürchte, ich muss mich nun allerdings entschuldigen, es gibt vieles zu besprechen."

Nachdem Thorongil in Richtung des Turms davongeeilt war, schlenderten Narissa und Valion ein wenig langsamer die Straße durch die Siedlung entlang hinterher in die selbe Richtung.
"Es hat sich einiges verändert seit ich das letzte Mal hier war", meinte Valion, der sich aufmerksam umsah. "Offenbar haben mehr von eurem Volk überlebt als gedacht."
"Viele sind mit den Schiffen geflohen, und einige konnten sich auf der Insel verstecken - Sûladans Truppen waren nicht allzu günstig. Sie dachten, mit dem Tod meines Großvaters wäre die Sache erledigt", erklärte Narissa. Es war nicht leicht an jenen Tag zu denken.
"Hm", machte Valion. "Weißt du, manchmal frage ich mich wie viele der Menschen vom Ethir überlebt haben. Ob überhaupt noch jemand von den Menschen lebt, die ich fast mein ganzes Leben, bevor Mordor kam, gekannt habe. Es ist... hart, daran zu denken." Narissa legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich verstehe. Nach meiner Flucht... dachte ich, alle Menschen die ich jemals geliebt hatte, wären tot. Nun ja, die meisten waren das auch, also..." Sie schüttelte den Kopf, ärgerlich über sich selbst. "Was ich sagen will: Ich dachte, ich würde den Rest meines Lebens alleine sein. Aber ich habe neue Freunde gefunden. Neue Familie. Und siehe, meine Heimat gibt es noch - oder eher wieder." Sie blickte Valion, dessen Gesichtsausdruck die schwer deuten konnte, an. "Ach, ich bin nicht gut in aufmunternden Reden. Also... wenn du irgendwann Hilfe brauchst, deine Heimat zurückzubekommen, denk an mich. Du hast ja offenbar dazu beigetragen, dass ich meine zurückbekommen habe, also bin ich dir was schuldig."
Valion schwieg einen Augenblick, bevor er plötzlich lachte. "Du bist besser darin als du selbst glaubst. Ich kann es schon vor mir sehen... Valirë und ich, du und deine Aerien... vielleicht nehmen wir noch Hilgorn mit, wenn er dazu nicht zu vernünftig ist... und gemeinsam erobern wir den Ethir zurück." Er wurde wieder ernst. "Es ist ein schöner Gedanke, und... ich würde mich freuen, wenn ihr an unserer Seite wärt, wenn es soweit ist."
Inzwischen hatten sie den Vorplatz des Turms erreicht, und die Sonne war beinahe vollständig hinter dem westlichen Horizont verschwunden. "Warte hier", sagte Narissa kurzentschlossen, verschwand im Turm und kam kurz darauf mit einer kleinen Laterne in der Hand zurück. "Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?", fragte sie Valion.
"Ich könnte mir bessere Zeiten für eine Besichtigung vorstellen", erwiderte er scherzhaft. "Aber warum nicht?"

Narissa schlug den Weg nach Süden ein, vom Turm weg und schließlich am Hof der Familie Aerdor vorbei, der dunkel und verlassen da lag. Hallatan war noch im Turm bei der Besprechung des Rates und Hírilorn war vermutlich noch mit Edrahil und Langlas bei Qúsays Heer - wenn er es noch nicht geschafft hatte, sich umbringen zu lassen. Narissa hoffte, dass es Hírilorn gut ging, allein schon Hallatans wegen, doch sie hatte ihre Zweifel. Immerhin war er nicht besonders erfahren in solchen Dingen, und sie hatte Aeriens Geschichte, wie durchschaubar sein Versuch gewesen war, über Aerien an sie heranzukommen, nicht vergessen.
Nur ein kurzes Stück hinter dem Hof gelangten sie an den kleinen Bachlauf, der hinunter zur versteckten Bucht am Südende der Insel führte, und folgten ihm bis sie den Strand erreichten.
Valion sah sich im schwachen Dämmerlicht der letzten Sonnenstrahlen aufmerksam um. "Ich verstehe, warum deine Vorfahren sich diesen Ort ausgesucht haben", sagte er schließlich. "Und ich verstehe, warum dieser Ort deine Heimat ist." Narissa nickte stumm, und ging mit langsamen Schritten über den weichen Sand auf den alten Leuchtturm am östlichen Ende des Strands zu. Nach einigen Augenblicken folgte Valion ihr, und kurze Zeit später standen sie am Fuß des Leuchtturms.
"Als junges Mädchen bin ich hin und wieder hier her geflüchtet, wenn mein Großvater oder einer meiner Lehrer zu streng zu mir gewesen war", erzählte sie, während sie die ausgetretenen und von Salz und Wind zerfressenen Stufen hinauf stieg. "Naja, oder wenn ich irgendetwas ausgefressen hatte und mich für ein paar Stunden verstecken musste." Sie zog die alte Tür mit ein wenig Mühe auf und warf Valion einen großen Stein zu. "Leg ihn in die Tür, damit sie nicht zu fällt", erklärte sie auf seinen fragenden Gesichtsausdruck hin. "Wenn das passiert bekommt man sie von innen so gut wie gar nicht mehr auf. Ich musste einmal als Kind aus einem der Fenster klettern und wäre beinahe abgestürzt, und Aerien hat sich hier versehentlich eingeschlossen, als wir das erste Mal hier waren." Bei der Erinnerung musste Narissa lächeln. Sie strich nachdenklich mit der Hand über die alten Decken und Kissen, die noch immer hier lagen. Sie rochen schwach nach Salz, und waren ziemlich staubig. "Das habe ich hier her geschmuggelt, nachdem ich diesen Ort entdeckt hatte", erklärte sie, während sie an das nächste Fenster trat und hinausblickte. Die Sonne war vollends hinter dem Horizont versunken, und aufgehende Mond malte eine silberne Straße auf das ruhige Wasser. Der Abend war beinahe vollkommen windstill.
"Und dein Großvater wusste nichts von diesem Ort?", fragte Valion, der bislang schweigend zugehört hatte. Er klang skeptisch, und Narissa musste lachen. "Natürlich wusste er davon. Er... hat nur so getan, als würde niemand außer mir wissen, das der Leuchtturm noch steht. Das hat er mir erklärt als ich... siebzehn war, glaube ich. Wir hatten einen ziemlich üblen Streit gehabt. Ich weiß nicht mal mehr, worum es ging." Sie lehnte sich auf die staubige Fensterbank und blickte hinaus auf die silberne Straße auf dem Meer. "Mein Großvater hatte kein solches Temperament wie ich, doch manchmal konnte er mir durchaus das Wasser reichen. Ich weiß noch, dass ich einen ganzen Tag alleine hier gewesen bin, länger als je zuvor. Ich habe sogar hier geschlafen. Am nächsten Morgen kam er den Strand entlangspaziert, brachte mir Frühstück und ist wieder gegangen. Irgendwann später habe ich ihn danach gefragt, und er hat mir erklärt, dass er mir diesen Ort lassen wollte, aber schließlich nicht zulassen konnte, dass ich verhungere." Sie schniefte und wischte sich über die Wangen, die zu ihrer eigenen Überraschung nass waren.
Valion war neben sie getreten, und blickte ebenfalls aus dem Fenster. Nach einiger Zeit sagte er leise: "Dein Großvater klingt als wäre er ein guter Mann gewesen."
Narissa wischte sich erneut über die Augen und sagte leise: "Ein guter Mann und ein ziemlicher Mistkerl. Er war für Jahre alles was ich an Familie hatte, und alles was ich brauchte. Als Sûladans Männer ihn getötet haben brach meine gesamte Welt zusammen, und dafür werde ich ihn töten."
Halb erwartete sie, dass Valion versuchen würde, sie davon abzubringen, ihr erzählen würde, dass Rache niemals der richtige Weg war. Stattdessen nickte er nur, und sagte: "Ich verstehe." Das war zu viel für Narissa, und mit einer plötzlichen Bewegung schlang sie die Arme um ihn, presste das Gesicht an seine Schulter und weinte. Zum ersten Mal seit Jahren löste sich der grauenvolle Klumpen, den sie immer in ihrem Bauch verspürte, wenn sie an jene Nacht dachte, ein wenig. Valion strich ihr ein wenig unbeholfen über den Rücken, und als sie sich schließlich beruhigt hatte und sich von ihm löste, räusperte er sich verlegen und fragte: "Hast du... hast du auch mit Aerien darüber gesprochen, als ihr hier wart?"
Narissa wischte sich die letzten Tränen aus den Augen, und musste lächeln. "Nein. Wir hatten... anderes zu tun."
Valion hob die Augenbrauen, und blickte sich in dem runden, dunklen Raum um. "Ein sehr... romantischer Ort für ein Stelldichein." Er warf ihr einen etwas misstrauischen Blick zu. "Ich hoffe, du dachtest nicht..."
Narissa verdrehte die Augen, und ließ ihn nicht ausreden. "Sei nicht blöd. Erstens, bilde dir nicht zu viel auf deine Anziehungskraft ein. Zweitens bin ich vergeben - genau wie du übrigens. Drittens, glaubst du ich schleppe dich hier hin und heule dich voll um dich zu verführen?"
"Manche Frauen tun das..." Valion machte einen Schritt zurück und hob grinsend die Hände. "Schon gut, schon gut, kein Grund mit mit Blicken zu erdolchen. Es war ein Scherz - vielleicht kein besonders guter."
"Wirklich nicht", brummte Narissa, ließ sich auf ein Kissen fallen und begann die mitgebrachte Laterne anzuzünden. "Immerhin gibst du es zu."
"Zeichen meiner geradezu unmenschlichen Bescheidenheit", meinte Valion, und setzte sich ein wenig vorsichtig auf ein zweites Kissen, und wirbelte trotzdem eine beachtliche Staubwolke auf. Er hustete, und sagte: "Und hier habt ihr... Beachtlich." Der warme gelbliche Schein der Lampe erhellte den Raum ein wenig, und Narissa, die wieder die Hände freihatte, versetzte Valion einen leichten Schlag gegen den Arm. "Da gibt es nichts zu lachen. Es war sehr romantisch."
Valion grinste. "Davon bin ich überzeugt. Ich erinnere mich, wie Lóminîth und ich..." Narissa hielt sich demonstrativ die Ohren zu, und Valion lachte.

Es wurde ein langer Abend, und am nächsten Morgen hatte Narissa das Gefühl gerade erst eingeschlafen zu sein, als Thorongil sie unsanft aus dem Bett warf. Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, traf sie auf der Treppe auf Valion, der gerade herzhaft gähnte. "Dein Onkel ist ein grauenvoller Mensch", sagte er zwischen zwei Gähnanfällen, während sie die gewundene Treppe hinunterstiegen. "Wie kann man so früh am Morgen so... munter sein?"
"Er hat mehr von seinem Vater als gedacht", erwiderte Narissa, und musste ebenfalls gähnen. "Ich werte das als Kompliment", meinte Thorongil, der sie in der Halle am Fuß der Treppe erwartete. "Die Zeit drängt, und je eher ihr bei Qúsay ankommt, desto besser."
"Ihr?", fragte Narissa nach, und Thorongil nickte. "Es gibt viel zu tun und vieles zu planen. Ich werde später nachkommen, wenn es geht, doch rechnet lieber nicht damit. Ich habe volles Vertrauen in euch."
"Volles Vertrauen heißt wahrscheinlich: 'Ich hoffe, dass Edrahil euch im Zaum hält'", murmelte Narissa Valion später auf dem Weg zu den Ställen zu, nachdem sie ein kurzes Frühstück zu sich genommen hatten.
Valion schauderte ein wenig. "Diese Hoffnung könnte sich erfüllen. Edrahil ist der einzige Mann auf unserer Seite, der mir manchmal fast Angst macht." Trotz des Dämmerlichts in den Ställen fand Narissa Grauwind schnell, denn es waren hier nicht viele Pferde untergebracht und die graue Stute schnaubte freudig, sobald sie den Stall betreten hatte. Sie kraulte ihrem Pferd sanft die Stirn und flüsterte: "Hast du mich vermisst? Ich habe dich jedenfalls vermisst." Sie wandte sich zu Valion um, der ein wenig verloren im Mittelgang stand und sich umsah.
"Karab", sagte sie, und nickte in Richtung des dunkelbraunen Hengstes, der in der Box neben Grauwind stand. "Er ist Aeriens Pferd. Ich glaube nicht, dass sie etwas dagegen hätte, wenn du ihn borgst solange wir gemeinsam reisen." Valion trat vorsichtig näher, und Karab betrachtete ihn aufmerksam aus seinen warmen, dunkelbraunen Augen. Schließlich senkte er den Kopf, und ließ sich von Valion den Hals klopfen.
"Ein schönes Tier", meinte Valion anerkennend. "Tatsächlich kommt er aus Gondor", erklärte Narissa. "Aerien hat ihn von den Waldläufern in Ithilien bekommen, wenn ich mich recht erinnere."
"Karab", wiederholte Valion leise. Der Hengst spitzte die Ohren beim Klang seines Namens, und Valion lächelte. "Ja, ich glaube wir werden uns verstehen."
Nacheinander führten Narissa und Valion ihre Pferde aus dem Stall und zu Hafen. Hallatan würde sie mit der Thoroval das kurze Stück bis ans Festland bringen, von wo aus sie schließlich den Weg nach Ain Salah einschlagen würden.

Narissa und Valion zur Mehu-Wüste...
« Letzte Änderung: 28. Apr 2021, 09:58 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva