Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Südöstliches Harad

Der königliche Palast

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Melkor.:
Músabs Start:

"Wer ist der Nächste?", fragte Músab. Er saß auf dem Thron von Kerma, den Rücken gerade und die Hände auf den geschnitzten Armlehnen liegend. Sein Blick war geradewegs auf den Thronsaal unter ihm gerichtet, doch seine Frage war an seinen Bruder Alára gerichtet.
"Unsere Schwager, Wa'aran Haywat und seine Gemahlin," beantwortet dieser die Frage.
Überrascht wandte Músab Alára dem Kopf zu. "Wa'aran? Was möchte er von mir?"
"Er bittet um Hilfe in einer dringende Angelegenheit," gab Alára zurück.
Músab zögerte "Dann schick ihn herein."

Alára bedeutete den Türwächtern mit einem Wink, den nächsten Bittsteller einzulassen. Ein hochgewachsener Mann, begleitet von einigen maskierten Männern die als seine Leibgarde dienten, betrat nun den Saal. Besonders auffallend war sein langes schwarzes Haar, das durch einen silbernen Reif nach hinten gehalten wurde, sodass seine feinen und ernsten Gesichtszüge mehr zur Geltung kommen konnten. Músab stand auf und begrüßte Wa'aran Haywat herzlich:"Willkommen, mein Freund. Was führt dich in meine Stadt?" fragte er. 
Dankbar neigte der andere König den Kopf und trat einen Schritt näher. "Vielleicht könnte ich unter vier Augen mit Euch sprechen?" fragte er.
Mit einem Klatschen entließ Alára den Hofstaat, der leise tuschelnd den Thronsaal verließ. "Nun können wir uns ungestört unterhalten", sagte er.

Sie unterhielten sich einige Minuten über persönliche Angelegenheiten und kamen dann auf das Thema zu sprechen, das Wa'aran Haywat nach Kerma brachte: der Aufstieg Qúsays im Norden. "Nazir bin Quasims Sohn?" fragte Alára überrascht. Wa'aran bejahte seine Frage:"Er plant nun, ganz Harad von Saurons Einfluss zu befreien." 
Alára war nun überzeugt: "Also sind wir nicht die Einzigen, die versuchen sich gegen Sauron zu behaupten. Músab, wir sollten uns ihm anschließen!"
Músab versuchte jedoch mehr über Qúsay Beweggründe herauszubekommen. "Und wo befindet sich Qúsay im Moment?" fragte er.
Wa'aran Haywat erklärte, dass Qúsay ein Treffen in Ain Sefra arrangiert hatte, wo sich jene versammelten die ihm folgenwürden.
"Ain Sefra? Nun denn, Alára bereite meine Leibgarde vor, wir werden demnächst aufbrechen," befahl Músab. Alára nickte und verließ den Palast. "Lasst uns gemeinsam zur Mittagsstunde aufbrechen, Wa'aran", schlug Músab vor, und Haywat stimmte entschlossen zu.

Am Abend betrat Músab den Kerker und er steuerte eine der größeren Zelle im hintersten Teil des Gefängnisses an. Dieser Teil wurde stark bewacht, denn kein Geringerer als Kashta selbst wurde dort gefangen gehalten.
"Lasst uns alleine!" befahl Músab und die Wachmänner zogen sich schweigend in die anderen Teile des Kerkers zurück.
"Welch Freude, mein Bruder der Thronräuber besucht mich einmal!" höhnte Kashta der sich in eine dunkle Ecke verkrochen hatte.
Músab ließ sich jedoch nicht provozieren:" Ich werde morgen nach Ain Sefra aufbrechen und du wirst mitkommen und dort wird man über dich richten!"
Während des gesamten Gesprächs hatte Kashta regungslos im Dunkel seiner Zelle gehockt, sodass Músab nur den Umriss seines Bruders erkennen konnte. Doch nun sprang der entthronte König auf und kam mit zwei Schritten an die Zellentür heran. Ein einzelner Lichtstrahl beschien sein Gesicht, und Músab sah seine zerzausten Haare und den wild wuchernden Bart auf dem schmutzfleckigen Gesicht.
"Niemals werde ich mich dem Urteil irgendeines Emporkömmlings unterwerfen. Ich bin der König von Kerma!" rief er.
"Du warst der König von Kerma, bis du den Thron entehrt und Schande über unsere Familie gebracht hast!" gab Músab ruhig zurück, auch wenn sein Zorn deutlich zu sehen war. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Zähne zusammengebissen."Morgen werden wir aufbrechen und du wirst mitkommen, ob du willst oder nicht." sagte er noch und verließ den Kerker.  Kashta umklammerte die Stangen der Zellentür und setzte ein gehässiges Grinsen auf.  "Wir werden sehen, Bruder... wir werden sehen," rief er Músab nach.

Am nächsten Morgen versammelte sich ein Teil der Leibgarde vor dem Palast. Alára half Músab beim Anlegen seiner Rüstung.
"Wir werden Kashta mitnehmen," erklärte Músab.
Alára, der gerade den Waffengürtel holte war sichtlich überrascht. "Das wird Mutter aber nicht gefallen."
"Sie weiß davon und sie wird uns begleiten." sagte Músab während er den Gürtel um die Hüfte legte.
"Wir gehen durch feindliches Land, wir können sie nicht mitnehmen!" meinte Alára.
"Du weißt selbst dass sie nicht zulassen würde, dass Kashta hingerichtet wird..."
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als ihre Söhne Tamal und Gatisen die Rüstkammer betraten und meldeten, dass der Trupp Soldaten, der sie begleiten sollte, marschbereit war. Alára bedankte sich:" Macht unsere Pferde bereit, wir brechen in wenigen Minuten auf."
Bevor sie Kerma verließen legte Músab noch einen Halt bei seiner Frau ein, um sich zu verabschieden. "Pass gut auf dich auf," sagte Tabira. Músab streifte eine Strähne aus ihrem Gesicht: "Mach dir keine Sorgen, ich werde zurückkehren." Er küsste sie zärtlich auf die den Mund. 
Im Hof angekommen verabschiedete er sich noch von Asata und saß auf sein Ross 'Sturmmähne' auf.  Músab zog die Zügel an und setzte sich in Richtung Nordtor in Bewegung. Sturmmähne begann zu traben und Músabs Leibgarde unter Alára und dessen Sohn folgten ihm. Tamal, der sich um den Gefangenenzug kümmerte und Wa'aran Haywat mit seinem Gefolge schlossen sich ihnen beim Tor an.
Ein langer Weg nach Norden lag nun vor ihnen.


Músab, Alára und Wa'aran Haywat mit Gefolge zur Harad-Straße

Melkor.:
Aus der Sicht Aspeltas

Trotz der Abreise des Königs vor zwölf Tagen herrschte in Kerma immer noch die gewohnte Normalität. Die Straßen wimmelten vor Leben und auf den Basaren versuchten Händler ihre verschiedensten Waren - von Nahrungsmittel bis zu Kleidung - zu verkaufen. Nur der Königspalast war, anders wie sonst, komplett abgeriegelt. Die Wachen ließen nur sehr selten einen Bittsteller in den Palast um eine Audienz beim Rat der Dreizehn zu erbitten. Noch seltener ließ der Rat eine zu. Es war eine Zeit des Abwartens.

Nachdem die Sonne in einem rot-orangen Meer langsam unterging und die Menschen die Schänken der Stadt aufsuchten, traf sich das erste Mal, nun offiziell, der Rat der Dreizehn in Palast der Könige.
"Ich darf euch herzlich zur ersten offiziellen Versammlung des Rates der Dreizehn begrüßen." sagte Aspelta zu den restlichen Mitgliedern, die sich im ehemaligen Zimmer der Konkubinen versammelt hatten. Das alte Zimmer wurde extra für den Rat komplett umgestaltet. In der Mitte stand ein großer kreisrunder Tisch mit dreizehn Stühlen, die Wände wurden vom neuem königlichen Banner, dem Stadtbanner und einigen Bildern geschmückt. Zudem wurde eine große Karte Kermas mit vielen verschiedenen Einzeichnungen, wie Handelsrouten, Städten oder eine der unzähligen Raubtierhöhlen, vorbereitet.

Nachdem sich die einflussreichsten Männer, und Frauen auf die dreizehn Stühle niedergelassen hatten begann Aspelta wieder. "Gestern erreichte uns eine Nachricht von König Músab." Aspelta nahm den Brief, der vor seinem Platz lag und fasste dessen Inhalt kurz zusammen. "Zudem stand auch darin das die alte Kandake, Belazîl, bei der Reise nach Ain Sefra kaltblütig ermordet wurde," berichtet der General. Entsetzten, aber auch Zorn zeigte sich auf den Gesichtern der Rastmitglieder. Eine Schweigeminute für Belazîl wurde eingelegt, dann wurden die ersten Ratsbeschlüsse verhandelt. "Die Straßen nach Napata werden von Tag zu Tag gefährlicher," sagte ein Ratsherr.  "Aspelta, Ihr müsst etwas gegen diese Löwen unternehmen - meine Handelsrouten werden täglich angegriffen!" sagte Menefer, einer der einflussreichsten Händler Kermas. "Wenn es nur Löwen sind..." antwortete Aspelta und hob unbeeindruckt die Schultern. "Wenn es nur Löwen sind... pah,  Eure Existenz steht nicht auf den Spiel!" sagte Madu, ein weiterer Händler, mit großer Entrüstung. Noch bevor Aspelta eine Antwort drauf geben konnte meldete sich Prinz Tarek, einer von Músabs jüngeren Söhnen, zu Wort: "Genug! Wir haben Wichtigeres zu klären als über den Verbleib einiger streunender Löwen zu streiten. Ich bin dafür, dass ein Trupp die Verstecke ausmacht und ausräuchert..." Aspelta nickte und auch die beiden Händler gaben sich mit diesen Angebot zufrieden. Nachdem die restlichen Mitglieder ebenso dafür stimmten, sprach Aspelta den eigentlichen Grund der Ratsversammlung an: Den Beitritt Kermas ins Malikat und dessen Folgen.
"Dieser Beitritt hat für alle von uns schwerwiegende Folgen," sagte er. "Selbst Kerma wird von dem kommenden Krieg nicht verschont bleiben, Wir müssen unseren König nach bester Möglichkeit unterstützen." sagte Aspelta und stoppte kurz. "Ich schlage vor, dass die Grenze zu Samaal befestigt werden sollte. " Ein kurzes Raunen ging durch den Saal. "Wir können nicht noch mehr Truppen ausheben," warf einer der Heerführer ein. "Außerdem muss die Garnison dort auf von einem fähigen Anführer befehligt werden, Ich denke..."  warf einer der Ratsmitglieder ein, bevor er von Aspelta unterbrochen wurde. "Keine Sorge, Hauptmann Eryan wird diese Aufgabe mit seiner Truppe übernehmen," entschied er. Nachdem noch einige weitere kleine Anliegen der einzelnen Mitglieder abgehandelt wurden beendete Aspelta die erste Ratsversammlung der Dreizehn. Er war zufrieden mit dem Ergebnis, doch hoffte er dennoch, dass König Músab bald nach Kerma zurückkehren würde um die Geschicke seines Landes wieder selbst zu lenken...

Melkor.:
Aus der Sicht Aspeltas

Einige Tage waren bereits vergangen seitdem der Rat der Dreizehn getagt hatte. Nachdem eine kleine Jagdgruppe die Löwenverstecke aufgespürt und zerstört hatte  war die Zufriedenheit der Händler Kermas wieder hergestellt. Auf Bitten König Músabs versammelte Aspelta, der Oberkommandierende des kermischen Heeres, einen Großteil der Hauptmänner der Armee in Kerma. Täglich wuchs diese Gruppe allmählich zu einem Heer heran. Als oberster General war es Aspeltas Aufgabe, das Heer zu mustern und so schaute er vom Balkon des Palastes auf den Hof, wo sich die Armee Kermas versammelt hatte. Akhraten, der General der 11. Division, ein hochgewachsener braunhaariger Mann, leistete ihm dabei Gesellschaft. Nachdem sich beide einige Zeit lang unterhalten hatten, begann die Erde zu beben. Das "Elefantenheer" traf ein, dutzende Kriegselefanten zogen an der Mauern vorbei zum Heerlager. Gefolgt von einem lauten Hornstoß der den eigentlichen Grund für das Beben ankündigte. Aspelta konnte beobachten wie die Bewohner Kermas die drei riesigen elefantenartigen Wesen, die noch mindestens zwanzig Fuss über die bereits sieben Meter hohe Stadtmauer  ragten, bestaunten. "Ich dachte alle dieser Tiere wären in der Schlacht um den Pellenor gefallen?" fragte Akraten der mit  Ehrfurcht im Blick den Mûmakîl mit den Augen folgte. Diese trotteten langsam an der Mauer entlang und die Männer auf den Türmen, die auf den Rücken der Tiere befestigt waren, bereiteten sich auf die Ankunft vor. "König Murtashbar hatte damals nur einen großen Teil der Olifanten in den Kampf geschickt. Wir haben nur noch wenige kampfbereite Tiere, aber wir ziehen bereits neue auf." sagte Aspelta, der anschließend den Balkon durch die Tür er verließ und direkt in den Beratungssaal hereintrat. "In wenigen Tagen sollte der Qore1 wieder zurück sein, pünktlich zum Krönungsfest," erklärte er. Akhraten nickte. Ohne Ankündigung schwang die große Tür auf und die jüngesten Söhne Músabs betraten mit großen Gelächter den Saal. Aspelta verschränkte die Arme. "Was habt ihr nun wieder ausgefressen?" fragte er in einem strengen Ton. Obwohl Tarek und Amanis durch ihr königliches Blut über Aspelta standen, hatten beide großen Respekt vor dem General. Schließlich kannte er beide seit sie bereits in den Windeln für Chaos im Palast sorgten. Die beiden erschraken als sie Aspeltas strenges Gesicht sahen und traten einen Schritt zurück. "Wir? Wir haben nichts ausgefressen," beantwortete Tarek die Frage, gefolgt von einem "Genau" von Amanis. Beide versuchten, so überzeugend wie nur möglich rüber zu kommen. "Ich will es auch garnicht wissen... Jetzt setzt euch und bleibt still," sagte Aspelta der sich anschließend mit einem Kopfschütteln zu Akhraten umdrehte.

Nachdem die vier bereits mehrere Szenarien über die Rückkehr des Königs besprochen hatten, betrat einer der Palastwachen den Raum. "Entschuldigt meine Störung, General," begann er " Ein Spion ist von seiner Mission erfolgreich zurückgekehrt!" sagte er und wartete auf weitere Anweisungen. "Gut, dann schickt ihn rein." Nachdem ein kurzer Augenblick vergangen war, betrat der Spion den Saal. "Was habt ihr zu berichten?" fragte Aspelta sofort. Der Spion senkte seinen Kopf leicht als er die beiden Söhne Músabs erkannte. "Nichts Gutes, General. An unseren Grenzen hat sich ein großes Heer versammelt, die Gefahr, dass es uns angreifen könnte ist groß!" berichtete der schwarzhaarige Mann. "Wie stark ist dieses Heer?" fragte Akhraten. "Stark genug um eine Stadt zu belagern, ich schätze sie auf 800 bis 1000 Männer." beantwortete der Spion anschließend. "Habt Dank! Ihr seit nun befreit: geht in die Kaserne und ruht euch etwas aus, ihr habt es verdient." sagte Aspelta mit einem dankbaren Nicken. Der Spion tat ihm gleich und verließ den Saal schnell. "Das sind schlechte Nachrichten..." begann Aspelta. "Wir brauchen den Qore hier und zwar schnell." Aspelta drehte sich zu den Prinzen Kermas herum, die beide eine Karte des Alten Reiches von Kush begutachten. "Meine Herren, ihr beide schickt sofort einen der Meldereiter nach Ain Séfra." Beide nickten bestätigend und verließen den Saal wieder. Aspelta hingegen runzelte besorgt die Stirn.

(1) Nubisch für König

Melkor.:
Músab, Aerien, Narissa, Alára, Tamal, Wa'aran Haywat und Kani aus der Stadt

Músab stieg, flankiert von seinem Bruder Alára und General Aspelta, die breiten Stufen hinauf zum königlichen Palast. Der große Gebäudekomplex erhob sich majestätisch über die Häuser der Adeligen um ihn herum. Der Sitz des Königs stand im westlichen Teil des Stadtzentrums und die großen, prunkvoll verzierten Türme waren unsymetrisch darum verteilt und mit kleinen Mauern verbunden. In der Mitte war ein großes Gebäude errichtet worden, das von einer Kuppel überdacht war: Das Familienanwesen der Anlamaniden; Músabs Vorfahren. Dieses Gebäude diente den Königen und Fürsten Kermas seit je her als Residenz für sich und ihre Familie sowie als Audienzsaal.

Meterhohe Säulen ragten aus dem Boden, die das Goldfarbige Kuppeldach stützen. Im Vergleich mit diesen Giganten glichen die Soldaten, die das große Eingangstor bewachten, Ameisen. Die Wachen waren in einer kunstvoll verzierten Rüstung gehüllt, sodass bis auf den Kopf und die Arme kaum Körperteile zu sehen waren. Auf der Brust war das königliche Siegel, ein Elefant, eingraviert, das immer gut sichtbar sein musste. Zudem trugen die Wachen ein aus bestimmten Stoff hergestelltes Tuch über dem Großteil der Rüstung, das vor der starken Sonneneinstrahlung schützen sollte.

Als die Männer den König sahen, richteten sie sich auf und schlugen die Fäuste, die um die Hellebarden geballt waren, gegen ihre Brust. Músab grüßte die Soldaten mit einem leichten Nicken, während zwei andere das große Tor öffneten. Der Qore betrat als erster die Einganshalle des hohen Palastes. Dort sprang ihm seine Tochter Asáta in die Arme. Überrumpelt zögerte er kurz, schlang seine Arme jedoch ebenfalls um sie. Nach einer kurzen Umarmung lösten beide die Umarmung. "Darf ich vorstellen: Meine einzige Tochter Asáta, Kronprinzessin Kermas." Asáta machte eine anmutige Verbeugung und ihr einfaches rotes Samtkleid verknitterte dabei etwas. "Würdest du unsere Gäste durch den Palast führen? Du könntest Silko zur Hilfe mitnehmen," schlug Músab ihr vor, und Asáta nickte. "Mutter wartet im königlichen Garten auf deine Rückkehr," flüsterte sie ihm zu.

Nachdem Músab bekannt gegeben hatte, dass er eine dringende Staatsangelegenheit mit seinen beiden Generälen und dem verbündeten König, Wa'aran Haywat, klären musste, löste sich die Gruppe auf. Es war selbstredend, dass sein Bruder Alára ebenfalls zu dieser Versammlung eingeladen war. Die fünf Männer folgten dem langen Gang, der durch mehrere mannshohe Statuen, Gemälde oder Steinbildnisse an den Wänden geschmückt war, getrennt von weinroten oder schwarzen, zusammengebunden Vorhängen. Während Aspelta, Akhraten und Wa'aran bereits beim Audienzsaal warteten, bogen die beiden Brüder auf einen anderen Weg zur Rüstkammer ab. Dort angekommen legten sie ihre Rüstungen ab und zogen stattdessen königliche Gewänder an. Músab wählte das übliche königliche Gewand aus und sein Bruder ein schlichtes hellblaues Samthemd. Nachdem beide sich umgekleidet hatten, gingen sie zu dem eine Etage höher gelegenen, Versammlungszimmer; jenes Zimmer, das Aspelta zuvor für den Rat der Dreizehn genutzt hatte. Es folgte ein langer Abend, an dem viel zu klären und zu planen war.

Fine:
Der Königspalast Kermas war weitläufig und prunkvoll, doch Aerien hatte nichts anderes erwartet. Auch in Mordor gab es jene, die sich mit Prunk und Trophäen umgaben, ebenso wie andere, die weniger das Bedürfnis hatten, ihren Reichtum für alle sichtbar darzustellen und eher funktionale Einrichtung bevorzugten. Aeriens Vater gehörte zur letzten Gruppe, weshalb die große Fürstenhalle Durthangs einzig von mehreren von den Wänden hängenden Bannern geschmückt war. In der Mitte, direkt über dem Fürstensitz, hing das Rote Auge Saurons, links davon der fünfzackige Stern von Númenor und zur Rechten das Banner von Haus Balákar: drei weiße Blutstropfen auf rotem Feld.
Prinzessin Asáta war eine redselige Gastgeberin und erzählte ihnen ausführlich, welche Funktion jeder der Räume und Hallen hatte, durch die sie kamen. Aerien ertappte sich dabei, wie sie Asátas Stimme mehr und mehr ausblendete und unauffällig zu Narissa hinüber schaute, die auf der anderen Seite des breiten Ganges marschierte, durch den Asáta sie gerade führte. Hier standen Statuen vergangener Könige in Wandnischen, die sich in langer Reihe bis zum fernen Ende des Ganges hinzogen. Und zu jedem König hatte Asáta etwas zu sagen.
Kani hingegen schien jegliche Informationen wie ein Schwamm aufzusaugen. Dem Mädchen stand ein dauerhaftes Staunen ins Gesicht geschrieben. Offenbar hatten die Hauptstadt und insbesondere der Palast der Könige Kermas ihre Erwartungen noch übertroffen. Narissa hingegen schien weniger beeindruckt zu sein. Aerien war sich sicher, dass Narissa sich langweilte, auch wenn sie es sehr gut verbarg.

Asáta zeigte ihnen die Gemächer, die man ihnen für die nächsten Tage und Nächte zugeteilt hatte; und Aerien war froh, dass sie sich mit Kani ein Zimmer teilen durfte. Narissa hingegen bekam ein großes Gästezimmer, in dem laut Músabs Tochter wichtige Diplomaten und Unterhändler übernachteten wenn sie Kerma besuchten. Es gab auch ein für Könige und andere Herrscher reserviertes Gästezimmer, das jedoch im Augenblick belegt war.
Kurz darauf führte Asáta ihre drei Begleiterinnen durch einen großen Speisesaal, wo sie laut der Aussage der Prinzessin jederzeit Essen bekommen konnten. Doch Aerien verspürte keinen Hunger. Vielmehr sehnte sie sich nach etwas Ruhe, denn der Ritt auf der Nordstraße von El Kurra bis zur Hauptstadt war angestrengend gewesen - sowohl körperlich als auch emotional.
Zuletzt folgten sie Asáta durch einen großen Torbogen, und verließen den Hauptkomplex in östlicher Richtung. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Hof, auf dem eine große Zahl kermischer Krieger Kampfübungen abhielten. Aerien sah viele Kämpfer, die sich mit Übungswaffen duellierten oder mit Fernkampfwaffen auf an einer Mauer aufgehängte Ziele schossen.
"Die ist der große Übungsplatz," erklärte Asáta. "Solltet ihr an den Übungskämpfen teilnehmen wollen, seid ihr herzlich dazu eingeladen. Waffen gibt es in der großen Kammer in der Mitte des Platzes." Sie deutete mit ausgetrecktem Zeigefinger darauf.
"Das ist schon eher nach meinem Geschmack," meinte Narissa mit einem gefährlichen Lächeln. "Diesen Ort werde ich mir später auf jeden Fall genauer ansehen," fügte sie etwas leiser hinzu, sodass es Asáta, die etwas weiter weg stand, nicht hören konnte.
Wir könnten sie uns ja gemeinsam ansehen, dachte Aerien, doch bis sie sich genug gesammelt hatte, um diesen Satz über die Lippen zu bringen, war Narissa bereits Asáta in Richtung Norden gefolgt, wo breite Stufen zu den tiefer gelegenen Ebenen des Palastkomplexes führten.
Rasch schloss Aerien zu ihnen auf. "Mir persönlich sagen die Gärten mehr zu," sagte Asáta gerade. "Möchtet ihr sie sehen?"
"Auf jeden Fall," antwortete Aerien und zog Kani, die bewundernd das Treiben auf dem Übungsplatz beobachtet hatte, an der Hand mit sich.

Sie mussten nicht weit gehen. Asáta umrundete den Palast in nördlicher Richtung, an der hohen Mauer entlang gehend, die den gesamten Palastkomplex umgab. MIt weißen Steinen gepflasterte Wege führten hier in die weitläufigen Gärten der Hauptstadt. Aerien hatte nicht erwartet, so tief im Süden so viel Grün vorzufinden, doch Asáta erklärte ihr später, dass sich hinter der Pflanzenpracht der königlichen Gärten ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem verbarg, das mithilfe von zwei mächtigen unterirdischen Pumpen genug Wasser aus den beiden Flüssen, die bei der Hauptstadt zusammenflossen, heraufschießen ließ und für genügend Feuchtigkeit sorgten. In den abwechslungsreich angelegten Gärten wuchsen vielerlei Palmen, Zypressen, Sträuche und kleinere Gewächse in allen Farben und Formen. An Blumen gab es vor allem Rosen, aber auch Orchideen gab es zu entdecken.
Überall in den Gärten waren verschiedene Sitzgelegenheiten geschaffen worden. Asáta brachte Narissa, Aerien und Kani schließlich zu einer breiten, steinernen Bank, die mit weichen Kissen ausgelegt war und direkt neben einem flachen Springbrunnen und Teich stand. Auf der Bank war genug Platz für mindestens fünf Menschen und so konnten sich die vier es sich dort problemlos bequem machen.
Asátas Redefluss endete und die Prinzessin Kermas schloss für mehrere Minuten die Augen. Und auch Aerien und Kani genossen die Ruhe und die friedvolle Atmosphäre in den Gärten.
Einige Zeit später sagte Asáta über das Zwitschern der vielen Vögel hinweg, die in den Ästen der Bäume ringsherum saßen: "Ich sollte gehen, denn ich habe noch einige Pflichten, denen ich mich widmen muss. Wenn ihr etwas benötigt, werden euch die Diener behilflich sein." Sie stand auf und strich ihr Kleid glatt. "Wir sehen uns spätestens übermorgen beim großen Ball wieder. Bis dann!"
"Warte, ich komme mit," sagte Narissa plötzlich und sprang auf. "Ich habe hier genug gesehen und möchte mich auf mein Zimmer zurückziehen. Für heute ertrage ich nicht noch mehr kermische Geschichte."
Damit meint sie bestimmt Kani, dachte Aerien, denn ihre junge Freundin hatte ihr auf der Reise von El Kurra bis in die Hauptstadt oft bewiesen, dass sie ein großes Interesse an den Legenden und Mythen ihres Heimatlandes hatte. Nicht gerade höflich, Narissa.
Während Narissa und die Prinzessin in Richtung des Palastes verschwanden, wandte sich Aerien Kani zu und fragte: "Es wird also einen Ball geben? Hat das etwas mit dem Krönungsfest zu tun?"
Kani dachte einen Augenblick nach, ehe sie antwortete. "Ich glaube nicht. Normalerweise gehört so etwas nicht zu den Feierlichkeiten dazu. Es muss einen anderen Anlass geben."
"Ich schätze, diesen Anlass werden wir schon bald erfahren," meinte Aerien düster, denn sie konnte sich denken, dass Kani auf die Vermählung, die sich zwischen Narissa und Prinz Gatisen anzudeuten schien, anspielte... auch wenn Aerien in ihrem Herzen eigentlich wusste, dass Narissa einer solchen Verbindung niemals zustimmen würde.
Oder? dachte sie, mit einem Mal voller Sorge. Was, wenn sie... sich ihn in verliebt?
Kani schien eine andere Theorie zu haben. "Ich könnte mir denken, dass König Músab diesen Ball veranstaltet, um die Unterstützung der mächtigen Adeligen zu gewinnen. Mein Vater hat gesagt, dass uns womöglich ein Krieg bevorsteht."
"Und ich dachte, ich könnte nach der langen Reise von Tol Thelyn bis hierher endlich mal etwas Frieden genießen," erwiderte Aerien. "Stattdessen zieht ein neuer Krieg herauf."
"Wenn die Verhandlungen mit dem König gut laufen und schnell abgeschlossen sind, kannst du vielleicht noch rechtzeitig in deine Heimat zurückkehren, ehe er ausbricht."

Aerien gab darauf keine Antwort. Sie verfiel in ein nachdenkliches Schweigen. Zweifel erfüllten sie. Was würde nun aus ihrer Freundschaft zu Narissa werden?
Ich muss das unbedingt wieder hinbiegen... irgendwie, dachte sie. Wenn ich ihr nur klar machen könnte, was ich darüber denke was sie da tut! Aber sie scheint mir gar nicht zuhören zu wollen. Aerien hatte es auf der Reise von der Festung El Kurra an der Nordgrenze bis in die Hauptstadt des Reiches von Kerma einige Male versucht. Doch jedesmal, wenn sie darauf zu sprechen kam, was sie an Narissas Verhalten verletzte, schienen ihr die Worte im Hals festzustecken. Es war ihr einfach nicht gelungen, klar und deutlich zu formulieren, was mit ihr los war. Und die ungeduldige Art Narissas, darauf zu reagieren, machte es nur noch schlimmer. Mehr als einmal hatte die Erbin des Turms die Geduld verloren und hatte die Unterhaltung einfach abgebrochen, wenn Aerien nicht rasch genug zum Punkt gekommen war und minutenlange Pausen zwischen ihren Sätzen gemacht hatte.
Etwas Weiches streifte Aeriens linke Hand, die auf der flachen Sitzfläche neben ihr ruhte. Ein braun getigertes Kätzchen hatte sich dort eingerollt und ließ sich mit geschlossenen Augen von der Sonne den Pelz wärmen.
"Hallo," wisperte Aerien und strich dem Tier vorsichtig über den kleinen Kopf. Das Kätzchen begann zu schnurren und presste seinen Kopf und Nacken wohlig gegen Aeriens Handfläche.
Kani gab ein enzücktes Geräusch von sich als sie eine weitere kleine Katze entdeckte, die braun und weiß gescheckt war und sich an ihren Beinen rieb. Offenbar gab es in den Gärten mindestens eine Handvoll von ihnen.   
"Sind die niedlich!" rief Kani.
"Ob sie wohl absichtlich hier sind, damit uns die Gärten noch besser gefallen?" überlegte Aerien und schaute sich nach etwaigen Dienern um, die die Kätzchen womöglich in ihrer Nähe freigelassen hatten.
"Ach Unsinn, Aerien," gab Kani lachend zurück. "Sie leben hier! Und sie freuen sich über jemanden, der sie streichelt."
"Wahrscheinlich hast du recht..."
Dennoch werde ich meine Vorsicht nicht aufgeben, beschloss Aerien in Gedanken. Zwar war König Músab durchaus gewillt, ein Bündnis mit Tol Thelyn einzugehen, aber das macht ihn noch nicht zu einem Freund. Außerdem sind er und sein Volk immer noch Haradrim. Was man ja unter anderen an den unverschämten Bedingungen sieht, an die er das Bündnis mit der Insel geknüpft hat. Ich darf mich also von dem Frieden und der Ruhe in diesen Gärten und im Palast nicht täuschen lassen und muss die Augen offen halten.

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