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Autor Thema: Der königliche Palast  (Gelesen 10963 mal)

Melkor.

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Der königliche Palast
« am: 8. Okt 2016, 00:49 »
Músabs Start:

"Wer ist der Nächste?", fragte Músab. Er saß auf dem Thron von Kerma, den Rücken gerade und die Hände auf den geschnitzten Armlehnen liegend. Sein Blick war geradewegs auf den Thronsaal unter ihm gerichtet, doch seine Frage war an seinen Bruder Alára gerichtet.
"Unsere Schwager, Wa'aran Haywat und seine Gemahlin," beantwortet dieser die Frage.
Überrascht wandte Músab Alára dem Kopf zu. "Wa'aran? Was möchte er von mir?"
"Er bittet um Hilfe in einer dringende Angelegenheit," gab Alára zurück.
Músab zögerte "Dann schick ihn herein."

Alára bedeutete den Türwächtern mit einem Wink, den nächsten Bittsteller einzulassen. Ein hochgewachsener Mann, begleitet von einigen maskierten Männern die als seine Leibgarde dienten, betrat nun den Saal. Besonders auffallend war sein langes schwarzes Haar, das durch einen silbernen Reif nach hinten gehalten wurde, sodass seine feinen und ernsten Gesichtszüge mehr zur Geltung kommen konnten. Músab stand auf und begrüßte Wa'aran Haywat herzlich:"Willkommen, mein Freund. Was führt dich in meine Stadt?" fragte er. 
Dankbar neigte der andere König den Kopf und trat einen Schritt näher. "Vielleicht könnte ich unter vier Augen mit Euch sprechen?" fragte er.
Mit einem Klatschen entließ Alára den Hofstaat, der leise tuschelnd den Thronsaal verließ. "Nun können wir uns ungestört unterhalten", sagte er.

Sie unterhielten sich einige Minuten über persönliche Angelegenheiten und kamen dann auf das Thema zu sprechen, das Wa'aran Haywat nach Kerma brachte: der Aufstieg Qúsays im Norden. "Nazir bin Quasims Sohn?" fragte Alára überrascht. Wa'aran bejahte seine Frage:"Er plant nun, ganz Harad von Saurons Einfluss zu befreien." 
Alára war nun überzeugt: "Also sind wir nicht die Einzigen, die versuchen sich gegen Sauron zu behaupten. Músab, wir sollten uns ihm anschließen!"
Músab versuchte jedoch mehr über Qúsay Beweggründe herauszubekommen. "Und wo befindet sich Qúsay im Moment?" fragte er.
Wa'aran Haywat erklärte, dass Qúsay ein Treffen in Ain Sefra arrangiert hatte, wo sich jene versammelten die ihm folgenwürden.
"Ain Sefra? Nun denn, Alára bereite meine Leibgarde vor, wir werden demnächst aufbrechen," befahl Músab. Alára nickte und verließ den Palast. "Lasst uns gemeinsam zur Mittagsstunde aufbrechen, Wa'aran", schlug Músab vor, und Haywat stimmte entschlossen zu.

Am Abend betrat Músab den Kerker und er steuerte eine der größeren Zelle im hintersten Teil des Gefängnisses an. Dieser Teil wurde stark bewacht, denn kein Geringerer als Kashta selbst wurde dort gefangen gehalten.
"Lasst uns alleine!" befahl Músab und die Wachmänner zogen sich schweigend in die anderen Teile des Kerkers zurück.
"Welch Freude, mein Bruder der Thronräuber besucht mich einmal!" höhnte Kashta der sich in eine dunkle Ecke verkrochen hatte.
Músab ließ sich jedoch nicht provozieren:" Ich werde morgen nach Ain Sefra aufbrechen und du wirst mitkommen und dort wird man über dich richten!"
Während des gesamten Gesprächs hatte Kashta regungslos im Dunkel seiner Zelle gehockt, sodass Músab nur den Umriss seines Bruders erkennen konnte. Doch nun sprang der entthronte König auf und kam mit zwei Schritten an die Zellentür heran. Ein einzelner Lichtstrahl beschien sein Gesicht, und Músab sah seine zerzausten Haare und den wild wuchernden Bart auf dem schmutzfleckigen Gesicht.
"Niemals werde ich mich dem Urteil irgendeines Emporkömmlings unterwerfen. Ich bin der König von Kerma!" rief er.
"Du warst der König von Kerma, bis du den Thron entehrt und Schande über unsere Familie gebracht hast!" gab Músab ruhig zurück, auch wenn sein Zorn deutlich zu sehen war. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Zähne zusammengebissen."Morgen werden wir aufbrechen und du wirst mitkommen, ob du willst oder nicht." sagte er noch und verließ den Kerker.  Kashta umklammerte die Stangen der Zellentür und setzte ein gehässiges Grinsen auf.  "Wir werden sehen, Bruder... wir werden sehen," rief er Músab nach.

Am nächsten Morgen versammelte sich ein Teil der Leibgarde vor dem Palast. Alára half Músab beim Anlegen seiner Rüstung.
"Wir werden Kashta mitnehmen," erklärte Músab.
Alára, der gerade den Waffengürtel holte war sichtlich überrascht. "Das wird Mutter aber nicht gefallen."
"Sie weiß davon und sie wird uns begleiten." sagte Músab während er den Gürtel um die Hüfte legte.
"Wir gehen durch feindliches Land, wir können sie nicht mitnehmen!" meinte Alára.
"Du weißt selbst dass sie nicht zulassen würde, dass Kashta hingerichtet wird..."
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als ihre Söhne Tamal und Gatisen die Rüstkammer betraten und meldeten, dass der Trupp Soldaten, der sie begleiten sollte, marschbereit war. Alára bedankte sich:" Macht unsere Pferde bereit, wir brechen in wenigen Minuten auf."
Bevor sie Kerma verließen legte Músab noch einen Halt bei seiner Frau ein, um sich zu verabschieden. "Pass gut auf dich auf," sagte Tabira. Músab streifte eine Strähne aus ihrem Gesicht: "Mach dir keine Sorgen, ich werde zurückkehren." Er küsste sie zärtlich auf die den Mund. 
Im Hof angekommen verabschiedete er sich noch von Asata und saß auf sein Ross 'Sturmmähne' auf.  Músab zog die Zügel an und setzte sich in Richtung Nordtor in Bewegung. Sturmmähne begann zu traben und Músabs Leibgarde unter Alára und dessen Sohn folgten ihm. Tamal, der sich um den Gefangenenzug kümmerte und Wa'aran Haywat mit seinem Gefolge schlossen sich ihnen beim Tor an.
Ein langer Weg nach Norden lag nun vor ihnen.


Músab, Alára und Wa'aran Haywat mit Gefolge zur Harad-Straße
« Letzte Änderung: 5. Mai 2017, 14:36 von Fine »
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Der Rat der Dreizehn
« Antwort #1 am: 15. Jan 2017, 21:43 »
Aus der Sicht Aspeltas

Trotz der Abreise des Königs vor zwölf Tagen herrschte in Kerma immer noch die gewohnte Normalität. Die Straßen wimmelten vor Leben und auf den Basaren versuchten Händler ihre verschiedensten Waren - von Nahrungsmittel bis zu Kleidung - zu verkaufen. Nur der Königspalast war, anders wie sonst, komplett abgeriegelt. Die Wachen ließen nur sehr selten einen Bittsteller in den Palast um eine Audienz beim Rat der Dreizehn zu erbitten. Noch seltener ließ der Rat eine zu. Es war eine Zeit des Abwartens.

Nachdem die Sonne in einem rot-orangen Meer langsam unterging und die Menschen die Schänken der Stadt aufsuchten, traf sich das erste Mal, nun offiziell, der Rat der Dreizehn in Palast der Könige.
"Ich darf euch herzlich zur ersten offiziellen Versammlung des Rates der Dreizehn begrüßen." sagte Aspelta zu den restlichen Mitgliedern, die sich im ehemaligen Zimmer der Konkubinen versammelt hatten. Das alte Zimmer wurde extra für den Rat komplett umgestaltet. In der Mitte stand ein großer kreisrunder Tisch mit dreizehn Stühlen, die Wände wurden vom neuem königlichen Banner, dem Stadtbanner und einigen Bildern geschmückt. Zudem wurde eine große Karte Kermas mit vielen verschiedenen Einzeichnungen, wie Handelsrouten, Städten oder eine der unzähligen Raubtierhöhlen, vorbereitet.

Nachdem sich die einflussreichsten Männer, und Frauen auf die dreizehn Stühle niedergelassen hatten begann Aspelta wieder. "Gestern erreichte uns eine Nachricht von König Músab." Aspelta nahm den Brief, der vor seinem Platz lag und fasste dessen Inhalt kurz zusammen. "Zudem stand auch darin das die alte Kandake, Belazîl, bei der Reise nach Ain Sefra kaltblütig ermordet wurde," berichtet der General. Entsetzten, aber auch Zorn zeigte sich auf den Gesichtern der Rastmitglieder. Eine Schweigeminute für Belazîl wurde eingelegt, dann wurden die ersten Ratsbeschlüsse verhandelt. "Die Straßen nach Napata werden von Tag zu Tag gefährlicher," sagte ein Ratsherr.  "Aspelta, Ihr müsst etwas gegen diese Löwen unternehmen - meine Handelsrouten werden täglich angegriffen!" sagte Menefer, einer der einflussreichsten Händler Kermas. "Wenn es nur Löwen sind..." antwortete Aspelta und hob unbeeindruckt die Schultern. "Wenn es nur Löwen sind... pah,  Eure Existenz steht nicht auf den Spiel!" sagte Madu, ein weiterer Händler, mit großer Entrüstung. Noch bevor Aspelta eine Antwort drauf geben konnte meldete sich Prinz Tarek, einer von Músabs jüngeren Söhnen, zu Wort: "Genug! Wir haben Wichtigeres zu klären als über den Verbleib einiger streunender Löwen zu streiten. Ich bin dafür, dass ein Trupp die Verstecke ausmacht und ausräuchert..." Aspelta nickte und auch die beiden Händler gaben sich mit diesen Angebot zufrieden. Nachdem die restlichen Mitglieder ebenso dafür stimmten, sprach Aspelta den eigentlichen Grund der Ratsversammlung an: Den Beitritt Kermas ins Malikat und dessen Folgen.
"Dieser Beitritt hat für alle von uns schwerwiegende Folgen," sagte er. "Selbst Kerma wird von dem kommenden Krieg nicht verschont bleiben, Wir müssen unseren König nach bester Möglichkeit unterstützen." sagte Aspelta und stoppte kurz. "Ich schlage vor, dass die Grenze zu Samaal befestigt werden sollte. " Ein kurzes Raunen ging durch den Saal. "Wir können nicht noch mehr Truppen ausheben," warf einer der Heerführer ein. "Außerdem muss die Garnison dort auf von einem fähigen Anführer befehligt werden, Ich denke..."  warf einer der Ratsmitglieder ein, bevor er von Aspelta unterbrochen wurde. "Keine Sorge, Hauptmann Eryan wird diese Aufgabe mit seiner Truppe übernehmen," entschied er. Nachdem noch einige weitere kleine Anliegen der einzelnen Mitglieder abgehandelt wurden beendete Aspelta die erste Ratsversammlung der Dreizehn. Er war zufrieden mit dem Ergebnis, doch hoffte er dennoch, dass König Músab bald nach Kerma zurückkehren würde um die Geschicke seines Landes wieder selbst zu lenken...
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Krieg zieht herauf
« Antwort #2 am: 5. Mai 2017, 23:26 »
Aus der Sicht Aspeltas

Einige Tage waren bereits vergangen seitdem der Rat der Dreizehn getagt hatte. Nachdem eine kleine Jagdgruppe die Löwenverstecke aufgespürt und zerstört hatte  war die Zufriedenheit der Händler Kermas wieder hergestellt. Auf Bitten König Músabs versammelte Aspelta, der Oberkommandierende des kermischen Heeres, einen Großteil der Hauptmänner der Armee in Kerma. Täglich wuchs diese Gruppe allmählich zu einem Heer heran. Als oberster General war es Aspeltas Aufgabe, das Heer zu mustern und so schaute er vom Balkon des Palastes auf den Hof, wo sich die Armee Kermas versammelt hatte. Akhraten, der General der 11. Division, ein hochgewachsener braunhaariger Mann, leistete ihm dabei Gesellschaft. Nachdem sich beide einige Zeit lang unterhalten hatten, begann die Erde zu beben. Das "Elefantenheer" traf ein, dutzende Kriegselefanten zogen an der Mauern vorbei zum Heerlager. Gefolgt von einem lauten Hornstoß der den eigentlichen Grund für das Beben ankündigte. Aspelta konnte beobachten wie die Bewohner Kermas die drei riesigen elefantenartigen Wesen, die noch mindestens zwanzig Fuss über die bereits sieben Meter hohe Stadtmauer  ragten, bestaunten. "Ich dachte alle dieser Tiere wären in der Schlacht um den Pellenor gefallen?" fragte Akraten der mit  Ehrfurcht im Blick den Mûmakîl mit den Augen folgte. Diese trotteten langsam an der Mauer entlang und die Männer auf den Türmen, die auf den Rücken der Tiere befestigt waren, bereiteten sich auf die Ankunft vor. "König Murtashbar hatte damals nur einen großen Teil der Olifanten in den Kampf geschickt. Wir haben nur noch wenige kampfbereite Tiere, aber wir ziehen bereits neue auf." sagte Aspelta, der anschließend den Balkon durch die Tür er verließ und direkt in den Beratungssaal hereintrat. "In wenigen Tagen sollte der Qore1 wieder zurück sein, pünktlich zum Krönungsfest," erklärte er. Akhraten nickte. Ohne Ankündigung schwang die große Tür auf und die jüngesten Söhne Músabs betraten mit großen Gelächter den Saal. Aspelta verschränkte die Arme. "Was habt ihr nun wieder ausgefressen?" fragte er in einem strengen Ton. Obwohl Tarek und Amanis durch ihr königliches Blut über Aspelta standen, hatten beide großen Respekt vor dem General. Schließlich kannte er beide seit sie bereits in den Windeln für Chaos im Palast sorgten. Die beiden erschraken als sie Aspeltas strenges Gesicht sahen und traten einen Schritt zurück. "Wir? Wir haben nichts ausgefressen," beantwortete Tarek die Frage, gefolgt von einem "Genau" von Amanis. Beide versuchten, so überzeugend wie nur möglich rüber zu kommen. "Ich will es auch garnicht wissen... Jetzt setzt euch und bleibt still," sagte Aspelta der sich anschließend mit einem Kopfschütteln zu Akhraten umdrehte.

Nachdem die vier bereits mehrere Szenarien über die Rückkehr des Königs besprochen hatten, betrat einer der Palastwachen den Raum. "Entschuldigt meine Störung, General," begann er " Ein Spion ist von seiner Mission erfolgreich zurückgekehrt!" sagte er und wartete auf weitere Anweisungen. "Gut, dann schickt ihn rein." Nachdem ein kurzer Augenblick vergangen war, betrat der Spion den Saal. "Was habt ihr zu berichten?" fragte Aspelta sofort. Der Spion senkte seinen Kopf leicht als er die beiden Söhne Músabs erkannte. "Nichts Gutes, General. An unseren Grenzen hat sich ein großes Heer versammelt, die Gefahr, dass es uns angreifen könnte ist groß!" berichtete der schwarzhaarige Mann. "Wie stark ist dieses Heer?" fragte Akhraten. "Stark genug um eine Stadt zu belagern, ich schätze sie auf 800 bis 1000 Männer." beantwortete der Spion anschließend. "Habt Dank! Ihr seit nun befreit: geht in die Kaserne und ruht euch etwas aus, ihr habt es verdient." sagte Aspelta mit einem dankbaren Nicken. Der Spion tat ihm gleich und verließ den Saal schnell. "Das sind schlechte Nachrichten..." begann Aspelta. "Wir brauchen den Qore hier und zwar schnell." Aspelta drehte sich zu den Prinzen Kermas herum, die beide eine Karte des Alten Reiches von Kush begutachten. "Meine Herren, ihr beide schickt sofort einen der Meldereiter nach Ain Séfra." Beide nickten bestätigend und verließen den Saal wieder. Aspelta hingegen runzelte besorgt die Stirn.

(1) Nubisch für König
« Letzte Änderung: 5. Mai 2017, 23:46 von Eandril »
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Re: Der königliche Palast
« Antwort #3 am: 26. Jun 2017, 22:22 »
Músab, Aerien, Narissa, Alára, Tamal, Wa'aran Haywat und Kani aus der Stadt

Músab stieg, flankiert von seinem Bruder Alára und General Aspelta, die breiten Stufen hinauf zum königlichen Palast. Der große Gebäudekomplex erhob sich majestätisch über die Häuser der Adeligen um ihn herum. Der Sitz des Königs stand im westlichen Teil des Stadtzentrums und die großen, prunkvoll verzierten Türme waren unsymetrisch darum verteilt und mit kleinen Mauern verbunden. In der Mitte war ein großes Gebäude errichtet worden, das von einer Kuppel überdacht war: Das Familienanwesen der Anlamaniden; Músabs Vorfahren. Dieses Gebäude diente den Königen und Fürsten Kermas seit je her als Residenz für sich und ihre Familie sowie als Audienzsaal.

Meterhohe Säulen ragten aus dem Boden, die das Goldfarbige Kuppeldach stützen. Im Vergleich mit diesen Giganten glichen die Soldaten, die das große Eingangstor bewachten, Ameisen. Die Wachen waren in einer kunstvoll verzierten Rüstung gehüllt, sodass bis auf den Kopf und die Arme kaum Körperteile zu sehen waren. Auf der Brust war das königliche Siegel, ein Elefant, eingraviert, das immer gut sichtbar sein musste. Zudem trugen die Wachen ein aus bestimmten Stoff hergestelltes Tuch über dem Großteil der Rüstung, das vor der starken Sonneneinstrahlung schützen sollte.

Als die Männer den König sahen, richteten sie sich auf und schlugen die Fäuste, die um die Hellebarden geballt waren, gegen ihre Brust. Músab grüßte die Soldaten mit einem leichten Nicken, während zwei andere das große Tor öffneten. Der Qore betrat als erster die Einganshalle des hohen Palastes. Dort sprang ihm seine Tochter Asáta in die Arme. Überrumpelt zögerte er kurz, schlang seine Arme jedoch ebenfalls um sie. Nach einer kurzen Umarmung lösten beide die Umarmung. "Darf ich vorstellen: Meine einzige Tochter Asáta, Kronprinzessin Kermas." Asáta machte eine anmutige Verbeugung und ihr einfaches rotes Samtkleid verknitterte dabei etwas. "Würdest du unsere Gäste durch den Palast führen? Du könntest Silko zur Hilfe mitnehmen," schlug Músab ihr vor, und Asáta nickte. "Mutter wartet im königlichen Garten auf deine Rückkehr," flüsterte sie ihm zu.

Nachdem Músab bekannt gegeben hatte, dass er eine dringende Staatsangelegenheit mit seinen beiden Generälen und dem verbündeten König, Wa'aran Haywat, klären musste, löste sich die Gruppe auf. Es war selbstredend, dass sein Bruder Alára ebenfalls zu dieser Versammlung eingeladen war. Die fünf Männer folgten dem langen Gang, der durch mehrere mannshohe Statuen, Gemälde oder Steinbildnisse an den Wänden geschmückt war, getrennt von weinroten oder schwarzen, zusammengebunden Vorhängen. Während Aspelta, Akhraten und Wa'aran bereits beim Audienzsaal warteten, bogen die beiden Brüder auf einen anderen Weg zur Rüstkammer ab. Dort angekommen legten sie ihre Rüstungen ab und zogen stattdessen königliche Gewänder an. Músab wählte das übliche königliche Gewand aus und sein Bruder ein schlichtes hellblaues Samthemd. Nachdem beide sich umgekleidet hatten, gingen sie zu dem eine Etage höher gelegenen, Versammlungszimmer; jenes Zimmer, das Aspelta zuvor für den Rat der Dreizehn genutzt hatte. Es folgte ein langer Abend, an dem viel zu klären und zu planen war.
« Letzte Änderung: 28. Jun 2017, 14:59 von Fine »
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In den Gärten von Kerma
« Antwort #4 am: 28. Jun 2017, 21:05 »
Der Königspalast Kermas war weitläufig und prunkvoll, doch Aerien hatte nichts anderes erwartet. Auch in Mordor gab es jene, die sich mit Prunk und Trophäen umgaben, ebenso wie andere, die weniger das Bedürfnis hatten, ihren Reichtum für alle sichtbar darzustellen und eher funktionale Einrichtung bevorzugten. Aeriens Vater gehörte zur letzten Gruppe, weshalb die große Fürstenhalle Durthangs einzig von mehreren von den Wänden hängenden Bannern geschmückt war. In der Mitte, direkt über dem Fürstensitz, hing das Rote Auge Saurons, links davon der fünfzackige Stern von Númenor und zur Rechten das Banner von Haus Balákar: drei weiße Blutstropfen auf rotem Feld.
Prinzessin Asáta war eine redselige Gastgeberin und erzählte ihnen ausführlich, welche Funktion jeder der Räume und Hallen hatte, durch die sie kamen. Aerien ertappte sich dabei, wie sie Asátas Stimme mehr und mehr ausblendete und unauffällig zu Narissa hinüber schaute, die auf der anderen Seite des breiten Ganges marschierte, durch den Asáta sie gerade führte. Hier standen Statuen vergangener Könige in Wandnischen, die sich in langer Reihe bis zum fernen Ende des Ganges hinzogen. Und zu jedem König hatte Asáta etwas zu sagen.
Kani hingegen schien jegliche Informationen wie ein Schwamm aufzusaugen. Dem Mädchen stand ein dauerhaftes Staunen ins Gesicht geschrieben. Offenbar hatten die Hauptstadt und insbesondere der Palast der Könige Kermas ihre Erwartungen noch übertroffen. Narissa hingegen schien weniger beeindruckt zu sein. Aerien war sich sicher, dass Narissa sich langweilte, auch wenn sie es sehr gut verbarg.

Asáta zeigte ihnen die Gemächer, die man ihnen für die nächsten Tage und Nächte zugeteilt hatte; und Aerien war froh, dass sie sich mit Kani ein Zimmer teilen durfte. Narissa hingegen bekam ein großes Gästezimmer, in dem laut Músabs Tochter wichtige Diplomaten und Unterhändler übernachteten wenn sie Kerma besuchten. Es gab auch ein für Könige und andere Herrscher reserviertes Gästezimmer, das jedoch im Augenblick belegt war.
Kurz darauf führte Asáta ihre drei Begleiterinnen durch einen großen Speisesaal, wo sie laut der Aussage der Prinzessin jederzeit Essen bekommen konnten. Doch Aerien verspürte keinen Hunger. Vielmehr sehnte sie sich nach etwas Ruhe, denn der Ritt auf der Nordstraße von El Kurra bis zur Hauptstadt war angestrengend gewesen - sowohl körperlich als auch emotional.
Zuletzt folgten sie Asáta durch einen großen Torbogen, und verließen den Hauptkomplex in östlicher Richtung. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Hof, auf dem eine große Zahl kermischer Krieger Kampfübungen abhielten. Aerien sah viele Kämpfer, die sich mit Übungswaffen duellierten oder mit Fernkampfwaffen auf an einer Mauer aufgehängte Ziele schossen.
"Die ist der große Übungsplatz," erklärte Asáta. "Solltet ihr an den Übungskämpfen teilnehmen wollen, seid ihr herzlich dazu eingeladen. Waffen gibt es in der großen Kammer in der Mitte des Platzes." Sie deutete mit ausgetrecktem Zeigefinger darauf.
"Das ist schon eher nach meinem Geschmack," meinte Narissa mit einem gefährlichen Lächeln. "Diesen Ort werde ich mir später auf jeden Fall genauer ansehen," fügte sie etwas leiser hinzu, sodass es Asáta, die etwas weiter weg stand, nicht hören konnte.
Wir könnten sie uns ja gemeinsam ansehen, dachte Aerien, doch bis sie sich genug gesammelt hatte, um diesen Satz über die Lippen zu bringen, war Narissa bereits Asáta in Richtung Norden gefolgt, wo breite Stufen zu den tiefer gelegenen Ebenen des Palastkomplexes führten.
Rasch schloss Aerien zu ihnen auf. "Mir persönlich sagen die Gärten mehr zu," sagte Asáta gerade. "Möchtet ihr sie sehen?"
"Auf jeden Fall," antwortete Aerien und zog Kani, die bewundernd das Treiben auf dem Übungsplatz beobachtet hatte, an der Hand mit sich.

Sie mussten nicht weit gehen. Asáta umrundete den Palast in nördlicher Richtung, an der hohen Mauer entlang gehend, die den gesamten Palastkomplex umgab. MIt weißen Steinen gepflasterte Wege führten hier in die weitläufigen Gärten der Hauptstadt. Aerien hatte nicht erwartet, so tief im Süden so viel Grün vorzufinden, doch Asáta erklärte ihr später, dass sich hinter der Pflanzenpracht der königlichen Gärten ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem verbarg, das mithilfe von zwei mächtigen unterirdischen Pumpen genug Wasser aus den beiden Flüssen, die bei der Hauptstadt zusammenflossen, heraufschießen ließ und für genügend Feuchtigkeit sorgten. In den abwechslungsreich angelegten Gärten wuchsen vielerlei Palmen, Zypressen, Sträuche und kleinere Gewächse in allen Farben und Formen. An Blumen gab es vor allem Rosen, aber auch Orchideen gab es zu entdecken.
Überall in den Gärten waren verschiedene Sitzgelegenheiten geschaffen worden. Asáta brachte Narissa, Aerien und Kani schließlich zu einer breiten, steinernen Bank, die mit weichen Kissen ausgelegt war und direkt neben einem flachen Springbrunnen und Teich stand. Auf der Bank war genug Platz für mindestens fünf Menschen und so konnten sich die vier es sich dort problemlos bequem machen.
Asátas Redefluss endete und die Prinzessin Kermas schloss für mehrere Minuten die Augen. Und auch Aerien und Kani genossen die Ruhe und die friedvolle Atmosphäre in den Gärten.
Einige Zeit später sagte Asáta über das Zwitschern der vielen Vögel hinweg, die in den Ästen der Bäume ringsherum saßen: "Ich sollte gehen, denn ich habe noch einige Pflichten, denen ich mich widmen muss. Wenn ihr etwas benötigt, werden euch die Diener behilflich sein." Sie stand auf und strich ihr Kleid glatt. "Wir sehen uns spätestens übermorgen beim großen Ball wieder. Bis dann!"
"Warte, ich komme mit," sagte Narissa plötzlich und sprang auf. "Ich habe hier genug gesehen und möchte mich auf mein Zimmer zurückziehen. Für heute ertrage ich nicht noch mehr kermische Geschichte."
Damit meint sie bestimmt Kani, dachte Aerien, denn ihre junge Freundin hatte ihr auf der Reise von El Kurra bis in die Hauptstadt oft bewiesen, dass sie ein großes Interesse an den Legenden und Mythen ihres Heimatlandes hatte. Nicht gerade höflich, Narissa.
Während Narissa und die Prinzessin in Richtung des Palastes verschwanden, wandte sich Aerien Kani zu und fragte: "Es wird also einen Ball geben? Hat das etwas mit dem Krönungsfest zu tun?"
Kani dachte einen Augenblick nach, ehe sie antwortete. "Ich glaube nicht. Normalerweise gehört so etwas nicht zu den Feierlichkeiten dazu. Es muss einen anderen Anlass geben."
"Ich schätze, diesen Anlass werden wir schon bald erfahren," meinte Aerien düster, denn sie konnte sich denken, dass Kani auf die Vermählung, die sich zwischen Narissa und Prinz Gatisen anzudeuten schien, anspielte... auch wenn Aerien in ihrem Herzen eigentlich wusste, dass Narissa einer solchen Verbindung niemals zustimmen würde.
Oder? dachte sie, mit einem Mal voller Sorge. Was, wenn sie... sich ihn in verliebt?
Kani schien eine andere Theorie zu haben. "Ich könnte mir denken, dass König Músab diesen Ball veranstaltet, um die Unterstützung der mächtigen Adeligen zu gewinnen. Mein Vater hat gesagt, dass uns womöglich ein Krieg bevorsteht."
"Und ich dachte, ich könnte nach der langen Reise von Tol Thelyn bis hierher endlich mal etwas Frieden genießen," erwiderte Aerien. "Stattdessen zieht ein neuer Krieg herauf."
"Wenn die Verhandlungen mit dem König gut laufen und schnell abgeschlossen sind, kannst du vielleicht noch rechtzeitig in deine Heimat zurückkehren, ehe er ausbricht."

Aerien gab darauf keine Antwort. Sie verfiel in ein nachdenkliches Schweigen. Zweifel erfüllten sie. Was würde nun aus ihrer Freundschaft zu Narissa werden?
Ich muss das unbedingt wieder hinbiegen... irgendwie, dachte sie. Wenn ich ihr nur klar machen könnte, was ich darüber denke was sie da tut! Aber sie scheint mir gar nicht zuhören zu wollen. Aerien hatte es auf der Reise von der Festung El Kurra an der Nordgrenze bis in die Hauptstadt des Reiches von Kerma einige Male versucht. Doch jedesmal, wenn sie darauf zu sprechen kam, was sie an Narissas Verhalten verletzte, schienen ihr die Worte im Hals festzustecken. Es war ihr einfach nicht gelungen, klar und deutlich zu formulieren, was mit ihr los war. Und die ungeduldige Art Narissas, darauf zu reagieren, machte es nur noch schlimmer. Mehr als einmal hatte die Erbin des Turms die Geduld verloren und hatte die Unterhaltung einfach abgebrochen, wenn Aerien nicht rasch genug zum Punkt gekommen war und minutenlange Pausen zwischen ihren Sätzen gemacht hatte.
Etwas Weiches streifte Aeriens linke Hand, die auf der flachen Sitzfläche neben ihr ruhte. Ein braun getigertes Kätzchen hatte sich dort eingerollt und ließ sich mit geschlossenen Augen von der Sonne den Pelz wärmen.
"Hallo," wisperte Aerien und strich dem Tier vorsichtig über den kleinen Kopf. Das Kätzchen begann zu schnurren und presste seinen Kopf und Nacken wohlig gegen Aeriens Handfläche.
Kani gab ein enzücktes Geräusch von sich als sie eine weitere kleine Katze entdeckte, die braun und weiß gescheckt war und sich an ihren Beinen rieb. Offenbar gab es in den Gärten mindestens eine Handvoll von ihnen.   
"Sind die niedlich!" rief Kani.
"Ob sie wohl absichtlich hier sind, damit uns die Gärten noch besser gefallen?" überlegte Aerien und schaute sich nach etwaigen Dienern um, die die Kätzchen womöglich in ihrer Nähe freigelassen hatten.
"Ach Unsinn, Aerien," gab Kani lachend zurück. "Sie leben hier! Und sie freuen sich über jemanden, der sie streichelt."
"Wahrscheinlich hast du recht..."
Dennoch werde ich meine Vorsicht nicht aufgeben, beschloss Aerien in Gedanken. Zwar war König Músab durchaus gewillt, ein Bündnis mit Tol Thelyn einzugehen, aber das macht ihn noch nicht zu einem Freund. Außerdem sind er und sein Volk immer noch Haradrim. Was man ja unter anderen an den unverschämten Bedingungen sieht, an die er das Bündnis mit der Insel geknüpft hat. Ich darf mich also von dem Frieden und der Ruhe in diesen Gärten und im Palast nicht täuschen lassen und muss die Augen offen halten.
« Letzte Änderung: 1. Jul 2017, 13:58 von Fine »
RPG:

Eandril

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  • You're just second hand news
Re: Der königliche Palast
« Antwort #5 am: 2. Jul 2017, 21:05 »
"Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu sehr gelangweilt?", fragte Asáta, als sie und Narissa außer Hörweite von Kani und Aerien waren und sich der breiten Steintreppe näherten, die von den Gärten wieder zum Palast hinaufführte. Auf die unerwartete Frage der Prinzessin hin wäre Narissa beinahe gestolpert, atmete allerdings insgeheim auf, als sie ein schalkhaftes Funkeln in Asátas Augen zu sehen glaubte. Offenbar nahm König Músabs Tochter ihr ihre unbedachte Aussage nicht allzu übel.
"Nun ja, also... Ich wollte dich nicht beleidigen, als ich das gesagt hatte", erwiderte sie entschuldigend, und Asáta schüttelte mit einem leichten Lächeln den Kopf. "Das hast du nicht - und Ehrlichkeit und Offenheit gehören nicht unbedingt zu den schlechtesten Tugenden, die man besitzen kann." "Auch, wenn einen zu viel davon regelmäßig in Schwierigkeiten bringen kann", meinte Narissa, und erwiderte das Lächeln. Asátas Verhalten überraschte sie - die Prinzessin war doch sicherlich vier oder fünf Jahre jünger als sie, und wirkte dennoch so erwachsen. Narissa erinnerte sich noch gut daran, wie sie in Asátas Alter gewesen war, und sie hätte sicherlich deutlich anders reagiert.
"Eigentlich ist es ja nicht so, dass ich alles langweilig gefunden hätte", fuhr sie fort, verschwieg aber, dass sie damit an erster Stelle den Kampfplatz, den sie gesehen hatten, meinte. "Es ist nur..." Sie brach ab, und schüttelte den Kopf. Asáta war höflich genug, nicht nachzufragen, sondern erklärte stattdessen, als sie das obere Ende der Treppe erreicht hatten: "Man hat für dich und Aerien Zimmer im westlichen Flügel des Palastes vorbereitet, wo üblicherweise ausländische Würdenträger oder wichtige Adlige aus Kerma untergebracht werden. Ich hoffe, das ist ausreichen?" "Natürlich", erwiderte Narissa ein wenig abwesend, denn Aeriens Erwähnung hatte sie ein wenig aus dem Konzept gebracht. Als sie gegangen war, hatte sie sich nicht einmal verabschiedet, sondern Aerien einfach sitzen gelassen, und so sehr Aerien ihr auf der Reise auch auf die Nerven gegangen sein mochte, schämte sie sich ein wenig dafür. Sie würde es später wiedergutmachen, nahm sie sich vor.
"Sehr gut", sprach Asáta weiter. "Dann werde ich dich nun allein lassen, meine Schwägerin wartet vermutlich bereits auf mich - es gibt einiges vorzubereiten." Mit einem weiteren Lächeln eilte die Prinzessin in Richtung Süden entlang des Kampfplatzes davon. Narissa folgte ihr langsamer, wobei sie das Treiben auf dem Übungsplatz beobachtete. Nach der langen Zeit auf Grauwinds Rücken sehnte sie sich danach, ein wenig die Glieder zu strecken und ihre Kampfkünste zu üben.
Sie war gerade auf Höhe des Tores, das nach Osten in den Palast hineinführte, angelangt, als sie von links jemanden ihren Namen rufen hörte. Als sie sich umwandte, sah sie Gatisen an der Waffenkammer in der Mitte des Platzes stehen, auf einen Stab mit zwei flachen Enden gestützt. Narissa ging ihm langsam über den gepflasterten Weg, zu dessen beiden Seiten sich der mit feinem Sand bestreute Platz erstreckte, entgegen, wobei sie unwillkürlich einen prüfenden Blick über die Schulter zurück warf. Sie verspürte im Augenblick kein wirkliches Bedürfnis, einen Streit mit Aerien zu provozieren. "Erschöpft von der Reise?", fragte Gatisen, als Narissa ihn erreicht hatte, und Narissa zog eine Augenbraue in die Höhe. "So weit kommt es noch. Ich bin keine verhätschelte Prinzessin - oder Prinz, das kannst du mir glauben."
"Dass du kein Prinz bist, glaube ich auf den ersten Blick", gab Gatisen mit unbewegter Miene zurück, aber seine dunklen Augen funkelten. Das war etwas, was ihn von seinem ernsten Vater Alára deutlich unterschied: Hin und wieder besaß Gatisen einen starken Sinn für Humor, der Narissa sehr gefiel. "Und deshalb frage ich ja... Frauen sind immer hin schneller erschöpft."
"Pah." Narissa widerstand dem Drang, ihm die Zunge herauszustrecken. "Ich habe immer noch mehr als genug Kraft, um mit jedem eurer Krieger den Boden aufzuwischen - oder mit dir. Was ist das überhaupt für ein Teil? Ein Stab zum Stützen, damit du nicht umfällst?" Sie deutete auf die Waffe, die Gatisen in der Hand hielt.
"Oh, das?" Gatisen ließ den Stab einmal, zweimal in seiner Hand herumwirbeln, und zog dann die Lederscheiden von den Enden ab, was zwei reich verzierte, leichte gebogene Klingen zum Vorschein brachte. "Das, liebe Narissa, ist eine kermische Zweililie. Es gibt nicht allzu viele Männer, die damit umgehen können, aber mir gefällt sie."
"Hm", machte Narissa, und betrachtete sie Waffe sorgfältig. "Kein Grund, anzugeben. Sieht ziemlich unhandlich aus - ich wette, wenn ich meine Dolche dabei hätte, könnte ich dich besiegen." Gatisen deutete auf die Waffenkammer hinter sich. "Dolche haben wir hier genug", sagte er mit herausfordernder Miene. "Bedien dich - dann werden wir ja sehen, wer hier der Angeber ist. "Na schön", antwortete Narissa, und betrachtete die Tür zur Waffenkammer mit verengten Augen. "Herausforderung angenommen."

Nur wenige Augenblicke stand sie Gatisen gegenüber auf dem Sand des Übungsplatzes. Sie hatte sich zwei Dolche von der Art, wie König Músab sie ihr in Aín Sefra geschenkt hatte, ausgesucht, die sie nun locker in den Händen hielt. Gatisen stand ein wenig breitbeinig da, und hielt seine Zweililie mit beiden Händen ein Stück vor sich. Einige Atemzüge lang beobachteten sie einander aufmerksam. Narissa achtete auf die kleinste Gewichtsverlagerung, die kleinste Bewegung der Augen, die ihr verraten würde, ob und wie Gatisen angreifen würde.
Endlich zuckten seine Augen ein wenig nach rechts, und er verlagerte sein Gewicht ein wenig zur Seite. Narissa erkannte die Gelegenheit und schnellte vor, bevor Gatisen zum Angriff kam. Sie führte ihren rechten Dolch zum Angriff gegen seine linke Seite, wo er wider Erwarten funkensprühend gegen das eine Ende von Gatisens Waffe prallte.  Gatisen nutzte ihren Schwung aus, drehte sich ein wenig auf der Stelle und schwang das andere Ende der Zweililie gegen Narissas linke Seite, was sie dazu zwang, mit dem linken ihrer Dolche zu pausieren.
So ging es immer weiter - Angriff, Gegenangriff, Angriff, Gegenangriff. Während sie Gatisen, der sich beinahe gar nicht vom Fleck bewegte, sondern nur auf der Stelle drehte, umtanzte, stellte Narissa fest, dass die Zweililie offenbar längst nicht so unhandlich war, wie sie vermutet hatte. Wo auch immer sie angriff - links oder rechts, gegen den Kopf, die Füße oder die Brust - prallte ihre Klinge gegen Gatisens Waffe, und beinahe jedes Mal schlug er sofort zurück. Er war weitaus schneller, als sie erwartet hatte. Obwohl er sich noch immer langsamer bewegte als sie, genügte es zusammen mit seiner größeren Reichweite, um Narissa ebenbürtig zu sein - keiner der beiden konnte die Deckung des anderen durchbrechen oder einen kurzfristigen Vorteil nutzen.
Irgendwann spürte Narissa, wie ihr Schweißtropfen den Nacken herunterliefen, und auch auf Gatisens Stirn glänzte inzwischen der Schweiß. Schließlich sprang Gatisen einen Schritt zurück, nahm eine Hand von der Waffe und hob sie mit der Handfläche nach vorne. "Ich glaube, das führt zu nichts", keuchte er, und Narissa nickte zustimmend. "Ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass ich nicht beeindruckt bin", fuhr Gatisen fort, und Narissa lächelte. "Ich ebenfalls", erwiderte sie. "Ich hätte nicht gedacht, dass man mit einer so großen Waffe so beweglich sein kann. Vielleicht sollte ich das auch lernen, hin und wieder könnte es ein Vorteil sein..."
"Es braucht viel Übungszeit", meinte Gatisen. "Ich übe schon mein halbes Leben damit, sonst wäre ich bei weitem nicht so gut wie jetzt." Er betrachtete Narissa einen Augenblick nachdenklich. "Aber vielleicht kann ich dir trotzdem ein paar Grundlagen zeigen - du müsstest gerade groß genug sein."
"Sicher bin ich groß genug", gab Narissa ein wenig empört zurück, und legte die beiden Dolche in den Sand am Rand des Platzes. "Also wirklich."
"Stell dich so vor mich", erklärte Gatisen, und zeigte ihr, wie sie die Füße stellen sollte.  Dann ging er um sie herum, stellte sich hinter sie und hielt die Waffe vor sie, sodass Narissa nun zwischen Zweililie und Gatisen stand. "Leg die Hände neben meine an den Griff - richtig, nicht zu fest zupacken. Den Fehler machen viele am Anfang."
"Ich habe schon das ein oder andere bisschen an Erfahrung gesammelt", erwiderte Narissa spitz. "So dumm bin ich nun wirklich nicht."
"Verzeiht, eurer Hoheit", spöttelte Gatisen dicht neben ihrem Ohr. "Ich hatte vergessen, mit wem ich es zu tun hatte."
"Ja, daran solltest du dich besser..." Narissa verstummte, als sie den Blick hob und Aerien, die offenbar gerade mit Kani aus den Gärten hinaufgekommen war, am Rand des Platzes stehen sah. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke, dann wandte sich Aerien ruckartig ab und ging mit langen und schnellen Schritten, so schnell, dass sie beinahe rannte, durch das Palasttor davon. Kani blieb offensichtlich verwirrt zurück, und Narissa stieß einen Fluch auf Sindarin durch die zusammengebissenen Zähne aus. Sie nahm die Hände von der Waffe, und duckte sich darunter Weg. "Bitte, finde irgendeine Beschäftigung für Kani", bat sie Gatisen, dessen Miene eine beinahe komische Mischung aus Überraschung und Verwirrung zeigte. "Ich will nicht, dass sie uns nachläuft."
Dann lief sie Aerien nach, wobei sie sich stumm verfluchte.

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Ein lange verzögertes Gespräch
« Antwort #6 am: 3. Jul 2017, 15:23 »
So angenehm und entspannend es in den Gärten auch war - Aerien musste nach einiger Zeit feststellen, dass sie die Erholung nicht recht genießen konnte. Ganz im Gegensatz zu Kani, die mit geschlossenen Augen und wohligem Gesichtsausdruck neben ihr lag und offenbar auf dem besten Weg war, einzunicken. Aerien selbst wurde immer unruhiger, je mehr Zeit verstrich. Und nachdem sie sich auf ihr Inneres konzentriert und alles um sie herum ausgeblendet hatte, wusste sie auch, woran das lag.
Ich muss diese Sache zwischen Narissa und mir in Ordnung bringen. Das hat jetzt wirklich lange genug gedauert, und ich vermisse das, was vorher zwischen uns war. Ich vermisse es, jede einzelne Minute mit ihr zu verbringen. Und ich glaube, ich muss den ersten Schritt machen und endlich den Mund aufmachen. Ihr sagen, wie ihr Verhalten auf mich wirkt, wie es mich verletzt. Vielleicht wird sie es dann verstehen. Bislang habe ich ihr kaum die Gelegenheit dazu gegeben, weil ich dachte, dass sie sehen oder spüren sollte, wie es mir geht. Aber so einfach ist das wohl nicht...
Sie stieß mit einem langezogenen Seufzer die in ihr angestaute Luft auf und weckte damit Kani, die sich ruckartig aufsetzte und die beiden Kätzchen verjagte, die sich auf ihrem Bauch zusammengerollt hatten.
"Was ist los?" fragte das Mädchen mit einem teils neugierigen, teil besorgten Blick.
Ihr fällt es natürlich sofort auf wenn etwas nicht stimmt, dachte Aerien. Sie wünschte sich, bei Narissa wäre es ebenfalls so. Doch das war es nicht - zumindest nicht seit ihrem Aufbruch aus der Stadt Tindouf.
"Nichts, Kani," sagte sie und winkte ab. "Ich habe mich nur gerade dazu entschlossen, Narissa suchen zu gehen. Ich muss mit ihr reden."
Kani nickte. "Das solltest du. Sie hat gesagt, sie wollte sich ihr Zimmer ansehen, richtig? Wir sollten dort nachsehen."
"Ich muss alleine mit ihr sprechen, Kani."
"Das verstehe ich. Aber ich möchte bis zu unserem Zimmer mitkommen, wenn du erlaubst, Aerien. Ich werde euch dort natürlich ungestört sprechen lassen."
"Also gut. Machen wir uns auf den Weg. Weißt du noch, wo entlang die Prinzessin uns hier in diese Gärten geführt hat, und auf welchem Weg wir zurück zum Palast kommen?"
"Ich habe es mir gut eingeprägt. Hier entlang!"

Auf dem Rückweg zum Palast kamen sie erneut an dem östlich des großen Komplexes gelegenen Übungsplatz vorbei, auf dem noch immer ein reges Treiben herrschte. Aerien ließ nur kurz den Blick darüber schweifen und hielt in Gedanken fest, dass sie hier vielleicht später mit Narissa ein wenig die seit ihrer Reise nach Kerma wenig beanspruchten Muskeln verausgaben könnte. Wenn alles geklärt ist. Das wäre eine sehr schöne Beschäftigung. Hoffentlich schaffe ich es, ihr zu erklären was mit mir los ist...
Kani hingegen war ohne Vorwarnung stehen geblieben und Aerien prallte beinahe mit dem Mädchen zusammen. "Sieh nur, Aerien," sagte sie. "Das dort unten, in der Mitte des Platzes, das ist doch Narissa, oder? Jetzt müssen wir gar nicht bis zu ihrem Zimmer gehen, wie praktisch!"
Aerien sah genauer hin. Es war tatsächlich Narissa, die dort auf dem Sandboden des Platzes stand und eine Art Stangenwaffe in beiden Händen vor sich hielt, als würde sie üben, damit umzugehen. Aerien fragte sich gerade, wo Narissas geliebte Dolche waren, als sie den Mann erkannte, der hinter der Erbin des Turmes stand. Seine Brust berührte Narissas Rücken und seine Arme führten ihre Hände an den Griff der stabähnlichen Waffe. Der, der Narissa so in eine Art Umarmung geschlossen hatte, war niemand anderes als Gatisen, Prinz von Kerma.
Aeriens Herz setzte einen Schlag aus und ein schlimmer Fluch kam ihr über die Lippen: "Û-banâth kallabân khô," Seit ihrer Ankunft auf Tol Thelyn war ihr Adûnâisch nur noch selten über die Lippen gekommen, doch jetzt konnte sie nicht anders. Kein Satz in Westron oder Sindarin, den sie kannte, war stark genug dafür um auszudrücken, was in ihr vorging. Ich hätte es wissen müssen. Sie macht einfach weiter, ohne jegliche Zurückhaltung. Bestimmt liebt sie ihn. Bestimmt werden sie jetzt heiraten und sie bleibt für immer in Kerma! Oh, ihr Sterne...
Kani blickte sie mit einer Mischung aus Verwirrung und einem Anflug von Furcht an, denn sie hatte zwar die Worte, die Aerien von sich gegeben hatte, nicht verstanden, doch sie hatten böse genug geklungen, dass Kani sie gar nicht genau verstehen musste um die Bedeutung zu erahnen.
Narissa blickte auf und ihr Blick kreuzte Aeriens. Die Zeit schien in jenem Moment stillzustehen. In Narissas Miene las Aerien Kampfeslust, aber auch Verärgerung. Sie ertrug es nicht länger. "Ich... ich muss hier weg," stieß Aerien hervor und eilte davon, in Richtung des Palastes, und ließ Kani dort stehen.

Wie sie das geräumige Zimmer erreicht hatte, das man ihr und Kani zugewiesen hatte, wusste sie später nicht. Sie knallte die Tür hinter sich zu und warf sich auf das große Bett, das unter einem Fenster mit spitz zulaufendem oberen Rand stand. Sie war zu wütend um zu weinen, auch wenn ihre Augen wie Feuer brannten. In Aeriens Kopf herrschte Chaos. Ein Teil von ihr wusste, dass sie überreagierte und das, was sie auf dem Übungsplatz gesehen hatte, womöglich nicht das gewesen war, wonach es ausgehen hatte, doch ihr Herz war der Meinung, dass es zu viel Sinn ergeben hatte. Narissa und Gatisen hatten Freundschaft geschlossen. Eine Freundschaft, die womöglich schon bald zu etwas Größerem werden würde, wenn es nicht bereits soweit war.
Warum musstest du dich auch auf ihn einlassen, Narissa? Warum musstest du deiner Neugierde nachgeben? Wir... wir hätten gemeinsam mit ihm sprechen können, wenn du gefragt hättest. Hätten ihm von Anfang an klar machen können, wie es zwischen uns aussieht. Dass es keine Hochzeit geben wird. Er hätte das bestimmt verstanden. Aber du hast alleine mit ihm gesprochen und hast dich mit ihm angefreundet. Du musst doch auch wissen, wie Männer sind. Er wird es als Interesse deinerseits verstehen. Wie könnte er auch nicht? Du bist die schönste Frau, die ich kenne. Wer könnte dir widerstehen, wenn du ihm Interesse zeigst? Oh, bei allen verdammten sieben Sternen, Narissa...
Sie schlug voller Zorn auf das Kissen ein, das am Kopfende des Bettes lag, und es platzte mit einem leisen Geräusch auf. Daunenfedern stiegen in die Luft auf und rieselten sanft auf Aerien herab. Und da hielt sie inne. Atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Ich führe mich auf wie ein Kind, dachte sie beschämt. Was ist nur mit mir los? In Durthang war ich für meine Beherrschtheit bekannt und dafür, niemals ein Übermaß an Emotionen zu zeigen. Was ist nur mit mir geschehen? Ich darf nicht zulassen, dass mich solche Dinge so aus der Bahn werfen. Ich muss mich beruhigen.
Sie setzte sich aufrecht hin und machte eine Atemübung, die man ihr ganz zu Beginn ihrer Kampfesausbildung beigebracht hatte. Sie war eigentlich dafür vorgesehen, in Kampfpausen dafür zu sorgen, die Effekte von Kampfrausch zu lindern und den Kriegern wieder einen klaren Kopf zu verschaffen, doch Aerien stellte fest, dass die Atemübung auch in der Situation, in der sie sich gerade befand, wunderbar wirkte.
Als es einige Zeit später leise an der Tür klopfte, war sie bereit.

Sie hielt die Augen geschlossen und sagte: "Komm' rein." Ihr Tonfall war neutral; weder zornig noch herzlich. Sie würde mit Narissa sprechen und ihr endlich erklären, was los war. Und dann würde sie sehen, was Narissa daraus machen würde.
Die Türe ging mit einem leisen Geräusch auf und leichtfüßige Schritte kamen näher, bis an die Kante des Bettes. Aerien atmete tief durch und öffnete die Augen. Neben ihr stand Narissa, unbewaffnet und mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht, den Aerien nicht deuten konnte. "Wir müssen reden," sagte sie und setzte sich neben Aerien.
Aerien spürte ihr Herz pochen. Erneut drohte Unsicherheit in ihr aufzusteigen und ihr die Worte im Hals festzuhalten, doch sie zwang sich dazu, die Ruhe zu bewahren. Sie gab sich einen Ruck und wandte Narissa das Gesicht zu. "Wirst du diesmal zuhören?" fragte sie und versuchte, keinen verärgerten Klang in ihre Stimme zu legen.
"Das werde ich. Du weißt hoffentlich, dass das da vorhin nicht das war, wonach es aussah, oder?"
"Ich weiß nicht, Narissa. Es sah für mich verdammt danach aus, als würden du und dieser Prinz Gatisen sich immer näher kommen."
"Aber nicht auf die Art und Weise, wie du denkst. Wie kannst du so etwas nur denken, Aerien? Ich dachte, du weißt, wie es in meinem Herzen aussieht."
"Das dachte ich auch. Aber es hat mich verletzt, dass du offenbar lieber Zeit mit ihm als mit mir verbracht hast."
Narissa gab ein leises Schnauben von sich. "Das... habe ich doch nur getan, um dich... ich habe es getan, damit du eifersüchtig bist."
"Das hat wunderbar funktioniert."
Eine Pause trat ein. Narissa drehte sich im Sitzen so, dass sie Aerien nun direkt gegenüber saß. Dann fuhr sie fort: "Du hast doch genau dasselbe mit Kani getan."
Aerien machte ein verständnisloses Gesicht. Kani? Wie bitte? "Wie meinst du das? Wir sind doch nur Freunde."
"Genau, nur Freunde - so wie ich und Gatisen," trumpfte Narissa auf. "Ich habe mich ursprünglich mit ihm unterhalten, weil ich neugierig war und wissen wollte, wen König Músab für mich oder dich ausgesucht hat. Und dann stellte ich fest, dass er eigentlich ganz nett ist. Er hat den einen oder anderen guten Witz gemacht und kann mit seiner merkwürdigen Waffe erstaunlich gut umgehen. Man nennt es eine "Zweililie", und es..."
"Wirklich? Nur Freundschaft, und nicht mehr?" unterbrach Aerien mit Dringlichkeit in ihrer Stimme.
"Natürlich. Denkst du wirklich, ich hätte vorgehabt, ihn zu heiraten?" Aerien sagte nichts, doch das schien Narissa als Antwort zu reichen. "Du hast es tatsächlich gedacht. Wirklich, Aerien, das hätte ich nicht von dir gedacht."
"Du hast nun einmal den Eindruck erweckt, dass du mehr als nur freundschaftliches Interesse an Gatisen hast," verteidigte Aerien sich.
"Aber so ist es nicht, Aerien. So ist es nicht," gab Narissa etwas ärgerlich zurück.
"Jedenfalls habe ich nicht vor, dich durch Kani zu ersetzen," erklärte Aerien rasch.
"Sie ist sowieso zu jung für dich," warf Narissa ein.
"Sie ist ein nettes Mädchen, aber du hattest recht: Hin und wieder redet sie zu viel."
"Und Gatisen ist hin und wieder zu sehr von sich selbst überzeugt. Ich hatte ihn in unserem Übungskampf fast gehabt, wenn er den Kampf nicht einfach abgebrochen hätte."
"Narissa... du willst ihn wirklich nicht heiraten oder?" Aerien musste sichergehen.
"Warum sollte ich ihn heraiten wollen, wenn ich dich schon habe?"
"Er ist klug und redegewandt..."
"Das bist du auch."
"Er sieht gut aus..."
"Du siehst besser aus. Viel besser."
"Er ist ein mächtiger Prinz aus einem Königshaus..."
"Ich will keinen Prinzen, sondern dich."
Aerien stellte fest, dass Narissas Gesicht verschwamm. Tränen füllten ihre Augen und sie presste ihr Gesicht an Narissas Schulter. Zwei Arme umschlossen Aerien und hielten sie, bis die Tränen der Erleichterung versiegt waren.
"Ich komme mir so dumm vor," sagte Aerien leise.
"Das waren wir beide," erwiderte Narissa. "Aber jetzt ist es vorbei."
RPG:

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Re: Der königliche Palast
« Antwort #7 am: 23. Jul 2017, 18:24 »
Einige Augenblicke verharrte Narissa reglos, genoss den Moment. Sie hatte Aerien - ihre Aerien - zurück, und das war alles, was sie wollte. Sie strich Aerien mit der einen Hand sanft durch die schwarzen Haare, und hielt sie mit der anderen weiterhin fest an sich gedrückt. Narissa hatte gemeint, was sie gesagt hatte: Sie war dumm gewesen. Natürlich hatte Aerien Fehler gemacht, aber vieles hätte vermieden worden können, wenn Narissa nicht zu stolz gewesen wäre, um sofort mit ihr darüber zu sprechen. Erst jetzt wurde ihr wirklich klar, wie sehr sie es vermisst hatte, offen mit Aerien zu sprechen.
Schließlich löste Aerien den Kopf von ihrer Schulter, und blickte Narissa ins Gesicht. Die Tränen hatten sichtbare Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, doch sie lächelte, und Narissa erwiderte das Lächeln freudig und erleichtert.
"Es tut mir wirklich leid", sagte sie. Dabei berührte sie leicht Aeriens Knie, und strich mit zwei Fingern langsam und sacht das Bein hinauf. "Ich hätte viel früher mit dir sprechen sollen... Ich finde, ich sollte es wieder gut machen." Ihre Finger erreichten Aeriens Hüfte und wanderten dann den Gürtel entlang. Als sie auf Höhe des Bauchnabels angelangt waren, legte Aerien ihre Hand auf Narissas, hielt sie fest und blickte ihr ins Gesicht. "Wirklich? Jetzt, und... hier?"
"Ich habe dich vermisst, das hier vermisst..." Narissa sprach leise, flüsterte beinahe, und blickte Aerien in die wundervollen silbernen Augen. "Es ist lange her, weiß du?"
"Ebenso gut wie du", erwiderte Aerien, und Narissa glaubte, ein wenig Atemlosigkeit aus ihrer Stimme herauszuhören. "Aber glaubst du wirklich, dass..." Narissa schnitt ihr das Wort ab, indem sie Aeriens Kopf zu sich heranzog und sie heftig küsste. Es war ihr egal, was klug oder vernünftig war, im Augenblick wollte sie nur eines - und das war Aerien.
Zu ihrer Erleichterung wehrte Aerien sich nicht, sondern erwiderte den Kuss, zuerst zaghaft und dann immer heftiger. Sanft befreite Narissa ihre Finger aus Aeriens Griff, doch im selben Augenblick fuhren sie auseinander, als die Tür des Raumes mit einem Knarren aufschwang, und eine männliche Stimme fragte: "Narissa, bist du hier..."
Narissa spürte, wie sich ihr Bauch zusammenkrampfte, als sie Gatisen in der Tür stehen sah, im Gesicht ein beinahe komischer Ausdruck der Überraschung. Die Situation über die er gestolpert war, war immerhin alles andere als uneindeutig gewesen. Ein Blick in Aeriens blass gewordenes Gesicht verriet Narissa, dass ihre Freundin kurz davor war, aufzuspringen und wegzulaufen - immerhin war genau das eingetreten, was sie eigentlich hatte vermeiden wollen. Narissa hatte allerdings andere  Vorstellungen.
Sie räusperte sich ein wenig verlegen, und sagte: "Nun... da du schon einmal hier bist, kannst du dich auch setzen." Sie deutete mit der linken Hand auf einen hölzernen Stuhl, der dem Bett gegenüber stand, und schob die Finger der anderen Hand unauffällig zwischen Aeriens Finger. Gatisen ging mit langsamen Schritten durch den Raum, setzte sich und betrachtete die beiden für einen Augenblick schweigend. Dann fuhr er sich mit der Hand durch die dunklen Haare, und sagte: "Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht überrascht wäre."
"Das bedeutet wohl, dass wir bislang gute Arbeit geleistet haben", meinte Narissa leichthin, in einem vorerst vergeblichen Versuch, die Stimmung zu heben. Aerien war noch immer blass vor Schreck, rührte sich nicht, und sagte auch kein Wort.
"Allerdings", erwiderte Gatisen schwach. "Ich hätte nicht gedacht, dass... wieso..."
"Du meinst, wieso wir uns lieben? Zwei Frauen?", fragte Narissa herausfordernd, und Gatisen zeigte eine Mischung aus Nicken und Kopfschütteln. "Nein, das wollte ich nicht..."
"Nun, es könnte etwas mit ihrem unvergleichlich guten Aussehen und noch wundervollerem Charakter zu tun haben", unterbrach Narissa ihn kurzerhand, und deutete dabei mit einer knappen Kopfbewegung auf Aerien, die sich endlich ein wenig entspannte. "Warum sie es allerdings mit mir aushält..." Narissa konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wenigstens vor Gatisen musste sie das Versteckspiel und die Geheimnisse nicht länger aufrecht erhalten, und das war eine Erleichterung. "Keine Ahnung, das musst du sie fragen."
"Und so viel Zeit haben wir nicht, dass ich das alles erzählen könnte", sagte Aerien, und warf Narissa dabei einen zärtlichen Seitenblick zu, bei dem Narissa sie am liebsten erneut gepackt und geküsst hätte. "Manchmal weiß ich es allerdings selbst nicht..."
"Ich habe bereits gehört, dass die Liebe viele Formen annehmen kann, aber..." Gatisen brach ab, und schüttelte den Kopf. "Was soll's. Immerhin verstehe ich jetzt, warum Narissa so vehement abgelehnt hat, mich zu heiraten... wäre ich an ihrer Stelle, würde ich vermutlich genauso handeln." Er deutete eine Verbeugung in Richtung Aerien an, die zu Narissas Überraschung beinahe unmerklich errötete.
"Schmeichler...", sagte Narissa leise vor sich hin, und dann lauter: "Also, was wirst du tun, Prinz Gatisen? Wirst du uns an deinen Onkel verraten, oder unser Geheimnis wahren?"
"Ich bin mir sicher, Músab würde Verständnis haben", erwiderte Gatisen. "Und es würde erklären, warum du eine Verlobung ablehnst. Dann hätte er keinen Grund, deswegen gekränkt zu sein."
"Es wäre mir trotzdem lieber, wenn sich die Geschichte nicht noch weiter verbreitet." Aerien schien ihr Selbstbewusstsein vollends zurück gewonnen zu haben, und blickte Gatisen offen ins Gesicht. "Immerhin ist das unsere eigene Angelegenheit."
Gatisen seufzte. "Ich fürchte, die Privatangelegenheiten von Prinzen und Prinzessinen -  wenn man so will, gehört Narissa dazu - sind nie wirklich allein ihre eigene Angelegenheit. Aber wenn ihr mich darum bittet, werde ich meinem Onkel nicht von selbst davon erzählen. Allerdings... wenn er mich danach fragt, werde ich ihn nicht anlügen. Immerhin ist er nicht nur mein Onkel, sondern auch der König von Kerma."
Aerien nickte anerkennend, und Narissa war froh, dass sie damit zufrieden war. Wenn es nach ihr ging, konnte die ganze Welt über sie und Aerien Bescheid wissen, doch sie würde Aeriens Wunsch auf jeden Fall respektieren.
"Ich will nicht unhöflich sein...", begann sie. "Aber da das nun geklärt ist, würdest du uns vielleicht allein lassen? Wir hatten einiges zu... besprechen, bevor du uns unterbrochen hast."
Gatisen errötete, und sprang von seinem Stuhl auf. "Oh, natürlich. Ich, äh... werde dafür sorgen, dass euch niemand belästigt." Er wandte sich ab und eilte zur Tür, und Narissa wartete ungeduldig, bis er sie von außen geschlossen hatte.

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Der düstere Wächter
« Antwort #8 am: 13. Aug 2017, 15:21 »
Sie verbrachten den Abend mit einer Beschäftigung, die Narissa später als "Wiedergutmachung" bezeichnete. Aerien konnte ihr in dieser Hinsicht nur zustimmen, jedoch nicht ohne jedes Mal ein klein wenig zu erröten. Und sie genoss jeden einzelnen Augenblick. Doch je später es wurde, desto mehr stellte Aerien fest, dass sie einen langen Tag hinter sich hatte. Die Reise zur Hauptstadt Kermas war zwar zum Großteil ereignislos, aber dennoch durchaus anstrengend gewesen. Und jetzt, wo der emotionale Druck von ihr genommen worden war, der sich durch ihr Zerwürfnis mit Narissa aufgebaut hatte, fühlte sie sich müde und ausgelaugt.
Ohne miteinander darüber zu sprechen hatten Narissa und Aerien sich darauf verständigt, dass sie ab sofort im selben Zimmer schlafen würden. Und so lagen sie spät abends nebeneinander und betrachteten die Sterne, die durch das hohe, große Fenster neben ihnen herein schienen.
"Unsere Vorfahren haben sich auf See am selben Licht orientiert, das jetzt auf uns herab leuchtet," meinte Aerien leise und mit Verzückung in der Stimme.
"Und auch heute noch folgen die Erben Númenors den Sternen, wenn sie die Wasser Belegaers überqueren, so wie es Serelloth gerade tut," ergänzte Narissa etwas pragmatischer.
"Glaubst du, sie ist bereits in Gondor angekommen?"
"Bestimmt. Das Schiff, mit dem sie die Insel verlassen hat, sah wirklich schnell aus."
"Ich mache mir Sorgen, Narissa."
"Ta-er as-Safar ist bei ihr. Sie ist in Sicherheit."
"Hoffen wir es..."
Narissa drehte sich auf die Seite, sodass sie Aerien den Kopf zuwandte. "Du solltest dir lieber Gedanken darüber machen, wie für uns der nächste Schritt aussieht. Wir haben noch immer das Problem, dass König Músab mich oder dich mit einem seiner Prinzen verheiraten will."
"Hmm," machte Aerien nachdenklich. "Vielleicht sollten wir darüber mit seiner Tochter Asáta sprechen. Sie scheint, nach allem was ich gehört habe, einen gewissen Einfluss auf ihren Vater zu haben. Vielleicht kann sie ihn umstimmen."
"Das wäre eine Möglichkeit. Am besten sprechen wir gleich morgen mit ihr."

Sie fanden Prinzessin Asáta am Haupteingang des Palastes, wo sie die täglichen Lieferungen an Nahrungsmitteln und Proviant beaufsichtigte und den Palastbediensteten ihre Anweisungen für den Tag erteilte. Narissa und Aerien warteten geduldig ab - in Narissas Fall etwas weniger geduldig als in Aeriens - bis Asáta sich ihnen zuwandte, und erklärten ihr die Angelegenheit rundheraus, ohne ein Detail zu verschweigen. Nach langer Überzeugungsarbeit vonseiten Narissas war Aerien schließlich dazu bereit gewesen, vor Asáta die Karten offen zu legen und ihr von der Beziehung zu erzählen, die sie führten, und die einer der wichtigsten Gründe dafür war, dass Narissa und Aerien nicht zu einer Vermählung mit einem der Prinzen Kermas bereit waren.
Asáta schien nicht im Geringsten überrascht zu sein, sondern nickte nur wissend, als die Mädchen ihr alles erzählten. "Ich dachte es mir bereits," gab sie zu nachdem Narissa sie zu Wort kommen gelassen hatte. "Wer Augen hat, der kann viel in den Blicken lesen, die ihr einander zuwerft. Vor allem jetzt, da ihr euren Streit überwunden habt, was mich sehr für euch beide freut. Ich kann als Prinzessin der Krone Kermas und des ehrwürdigen Hauses von Anlamani nur allzu gut verstehen, dass ihr euch ungerne für einen politischen Vorteil verheiraten lassen wollt. Immerhin müsstest ihr dann womöglich den Rest eures Lebens mit einem Mann verbringen, den ihr nicht liebt. Mein Vater würde mir zwar niemals so ein Schicksal zumuten - er hat dies oft genug betont - doch ich weiß, dass Bündnisheiraten gerade hier im Süden Mittelerdes keine Seltenheit sind und dass viele meiner Vorfahrinnen in Anlamanis Haus einheirateten, um ein Bündnis mit Kerma zu besiegeln."
"Also verstehst du, weshalb wir die Bedinungen deines Vaters nicht annehmen können?" hakte Aerien nach.
Erneut nickte Asáta. Ihre Miene nahm einen betroffenen Ausdruck an. "Ich fürchte jedoch, dass mein Vater darauf bestehen wird, oder zumindest eine gleichwertige Entschädigung als Bedingung für ein Bündnis mit den Bewohnern von Tol Thelyn einfordern wird. Ich verstehe also euer Problem, sehe aber im Augenblick keine Möglichkeit, euch zu helfen."
Sie bedankten sich und überließen die Prinzessin wieder ihren Aufgaben.

Am Mittag schlossen sie sich Kani an, denn nach dem Misserfolg des Vormittags hatte Narissa eine unterhaltsame Ablenkung von ihren Problemen vorgeschlagen. Und so zogen sie zu dritt los und ließen sich von Kani alle für sie interessanten Orte im Palast zeigen und hörten vielerlei Geschichten, die Kani schier unermüdlich wiedergeben konnte. Aerien stellte erfreut fest, dass Narissas Abneigung gegenüber dem kermischen Mädchen nun deutlich geschwunden war und sie gut miteinander auskamen, seitdem der Streit beigelegt worden war. Und so verstrich der Nachmittag ihres zweiten Tages in der Hauptstadt von Kerma so rasch, wie die Worte aus Kanis Mund purzelten.
Als Aerien Kani schließlich davon erzählte, was Asáta zu ihnen gesagt hatte, verfiel das Mädchen für mehrere Minuten in ein für sie sehr untypisches Schweigen, während sie durch die langen Korridore des Palastes streiften. Schließlich blieb Kani ohne Vorwarnung stehen und schlug die Hände zusammen. "Ich habe eine Idee!" rief sie aus und zeigte ein fröhliches Lächeln. "Kommt mit!" Und voller Energie lief sie mit federndem Gang davon.
Kurze Zeit später erreichten die drei jungen Frauen einen etwas kleineren Raum, der offenbar als Bibliothek diente. Große Regale und Schränke voller Bücher und Schrifrollen standen an allen vier Wänden und verliehen diesem Ort eine geheimnisvolle Aura von Wissen und Geschichten. Kani eilte zielstrebig hindurch und blieb vor einem Podest stehen, auf dem ein in der Mitte aufgeschlagenes Buch aufgebahrt war. Auf der linken Seite waren Schriftzeichen zu sehen, die weder Aerien noch Narissa lesen konnten, und auf der rechten Seite war eine kunstvolle Zeichnung, die die ganze Seite ausfüllte. Sie zeigte einen spitz zulaufenden Keil, der an eine Speerspitze oder einen nur aus einer Klinge bestehenden Dolch erinnerte.
"Der Zahn von Arkhasias, dem Schwarzdrachen," sagte Kani ehrfürchtig. "Anlamani selbst entriss dem Maul der erschlagenen Bestie diese Trophäe, und formte daraus das Königssymbol von Kerma. Es ging schon vor vielen, vielen Jahren verloren."
"Warum zeigst du uns das, Kani?" fragte Narissa neugierig. Ihre Hand fuhr über die Zeichnung, als wolle sie den Griff des Dolches packen.
"Das hier könnte der Ausweg sein, den ihr sucht," erklärte Kani.
"Wie meinst du das? Ich verstehe nicht," sagte Aerien. "Was hat dieses uralte Artefakt mit dem Bündnis zu tun, das wir mit Kerma schließen sollen?"
"Wer auch immer das Königssymbol besitzt, wird als rechtmäßiger König Kermas angesehen," sagte Kani. "Die Krone wird bedroht, wie ihr vielleicht schon gehört habt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es erneut einen Krieg um den Thron geben wird. Besäße König Músab das Königssymbol, wäre sein Anspruch unangefochten. Wenn ihr also..."
"Wenn wir es ihm beschaffen, steht er tief in unserer Schuld," schlussfolgerte Narissa.
"Ganz genau," bestätigte Kani.
"Und er lässt diesen Unsinn mit der Vermählung fallen," fügte Narissa mit einem entschlossenen Lächeln hinzu.
"Davon gehe ich aus."
"Kani, du hast uns wirklich sehr geholfen," sagte Aerien voller Wärme. "Jetzt wollen wir doch mal sehen, was die Prinzessin dazu sagt."

Sie sprachen mit Asáta während einem gemeinsamen Abendessen darüber und stellten fest, dass die Tochter Músabs ihr Meinung teilte.
"Das Königssymbol wird schwer zu finden sein, doch wenn ihr es wirklich schafft, wird euch der ewige Dank meines Vaters sicher sein."
"Wir schaffen es," sagte Narissa. "Das habe ich gerade eben beschlossen."
Aerien lachte und sagte: "Ja, wir werden das Symbol finden und Kerma vor dem Krieg retten!"
"Gebt mir ein paar Tage Zeit, um mit meinem Vater darüber zu sprechen und alle Anhaltspunkte zusammenzusuchen, die ich über den Verbleib des Symbols finden kann," meinte Asáta. "Schon viele haben versucht, das verschollene Relikt Anlamanis aufzuspüren, doch keiner von ihnen hatte Erfolg. Ihr müsst wissen, dass ihr euch womöglich in große Gefahr begebt."
"Uns schreckt keine Gefahr," winkte Narissa selbstsicher ab. "Du wirst es schon sehen."
"Daran zweifle ich nicht. Ich hoffe, dass ihr Erfolg habt."

Als die Sonne untergegangen war und Narissa bereits eingeschlafen war, stand Aerien leise noch einmal vom Bett auf. Irgendetwas hielt sie vom Einschlafen ab, doch sie wusste nicht, worum es sich dabei handelte. Eine innere Unruhe trieb sie dazu, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Und so machte sie einen kleinen Spaziergang zu einem der Balkone, die oberhalb des großen Hauptportals des Palastes thronten. Dort stand sie, und betrachtete die trotz der fortgeschrittenen Stunde hell erleuchtete Stadt unter ihr. Einige Minuten lang starrte sie ohne klare Gedanken vor sich hin, doch dann hielt sie inne. Eine Bewegung auf den großen Stufen vor dem Palast hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Zuerst sah sie nur einen dunklen Fleck, der von den Lampen und den Fackeln der vielen Palastwächter nicht erhellt wurde, doch dann nahm dieser die Form einer menschlichen Gestalt an, die die Stufen hinauf stieg und auf dem Weg zum Eingang war. Genauer gesagt waren es zwei Menschen, die dort heran kamen, denn der Schatten zerrte einen Gefangenen hinter sich her. Aerien sah genauer hin, als beide näher kamen und konnte den Blick kaum noch abwenden. Zwei Gardisten folgten dem Mann in kurzem Abstand, die Waffen griffbereit, schienen ihn jedoch nicht angreifen zu wollen. Als die düstere Gestalt schließlich am Eingang angekommen war und sich leise mit den Wachen unterhielt, erkannte sie ihn schließlich. Zwar trug der Mann einen gewöhnlichen braunen Reiseumhang, wie ihn viele Wanderer im Süden trugen, doch darunter war eine dunkle Rüstung zu sehen, die im Licht der Fackeln unheilvoll schimmerte. Unverkennbar war der Helm, den der Schatten trug, aus schwarzem Stahl und mit einem Helmbusch versehen. Es war einer der Gardisten von Durthang, Aeriens ehemaliger Heimat. Ihr wurde eiskalt ums Herz. Es konnte keinen Zweifel geben: Einer der treusten Diener ihres Vaters hatte sie aufgespürt.
Ihre Vergangenheit hatte Aerien erneut eingeholt.
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Re: Der königliche Palast
« Antwort #9 am: 13. Aug 2017, 18:52 »
"Wenn die Berichte wirklich stimmen, hat Kashta die Unterstützung der Banu Kashraj und Ashja auf seiner Seite. Zudem versammelt sich ein Heer in jenen Ländern. Der genaue Angriffspunkt ist uns noch unbekannt." berichtete Aspelta, der den genauen Bericht seines Spiones in der Hand hielt.
"Die Aktivitäten der Piraten im Kermischen Golf haben stark zugenommen, immer mehr unserer Handelsschiffe werden überfallen." sagte Alára, der mit seinem Bruder soeben das Zimmer betreten hatte. Mit einem Handzeichen schickte er die vier Leibwächter die im Raum standen heraus. Seitdem die alte Kandake, die Königsmutter ermordet worden war, hatte Alára die Wachen in und um den Palast verstärken lassen. Nachdem noch einige Pläne geschmiedet wurden wechselte Músab das Thema.

Das Krönungfest, das größte Fest Kermas, stand kurz bevor.  Jenes Fest begann am selbenn Tag, an dem Anlamani zurück nach Toba gekommen war und dort zum Hochkönig Kushs gekrönt worden war. Das Fest an sich erstreckte sich über mehrere Tage. Dieses Jahr war ein besonderes Jahr, denn unter Kashta wurde die Verehrung Anlamanis durch Saurons Gesetze verboten und somit wurden auch die Krönungsfeste verboten. Zudem war das Fest dieses Jahr ein Jubiläumsfest. Unter Músab jedoch sollte die Verehrung Anlamanis als Gott wieder erlaubt werden.
Nachdem auch dieser Punkt abgehakt worden war, sprach Músab noch einige etwas weniger wichtigen Punkte an und beendete die Versammlung.

Am nächsten Mittag ging Músab mit Alára trainieren. Beide wollten an den Krönungsfestkämpfen teilnehmen. Es war keine Tradition dass der amtierende König an jenen Kämpfen teilnahm. Dennoch hatte bereits König Aburni, der Vater von Músabs Urgroßvaters, an den Kämpfen teilgenommen, obwohl er dort nur eine mäßig gute Platzierung erreicht hatte. Dies war eine Geste des Respekts von König zu Untertan und andersherum, wenn beide in gleichen Bedingungen um den Sieg kämpften. 

Die Krönungsfestkämpfe hatten keine Regeln, dennoch war der Ehrenkodex eines kermischen Soldaten einzuhalten. So wurde es als ehrlos angesehen sich durch berauschende Mittel oder Verborgenheit einen unfairen Vorteil zu verschaffen. Dies wurde nicht immer eingehalten, aber so fiel jeder Kämpfer der sich übervorteilte in Ungnade unter der Bevölkerung. 

Sie wählten einen der sandigen Übungsplätze im großen Hof. Die Sonne hatte bereits seit einiger Zeit ihren Zenit erreicht. Dennoch ging ein leichter, kühlender Wind. Músab griff wie gewohnt zu seinen beiden aus kermischen Stahl geschmiedeten Schwertern, Alára griff zu einer Zweililie. Er war bei weitem nicht so gut wie sein Sohn im Umgang mit dieser Waffe, jedoch hatte er bereits einige Erfahrung damit. Músab versuchte möglichst defensiv zu kämpfen, seine Kräfte für später zu sparen. Alára holte zum ersten Schlag aus, den Músab mit Leichtigkeit parieren konnte. Schnell folgten jedoch andere, die er immer noch parieren konnte, ihn jedoch schon zum Schwitzen brachten. Aláras wilde Schläge hielten einen kurzen Moment ein und Músab nutze die Chance; blitzschnell schlug er das linke Schwert auf die Klinge seines Gegners, während er das Rechte gegen seine Schulter schlagen wollte. Alára parierte den Hieb auf die Klinge, gab jedoch somit die Deckung seines Oberkörpers auf und das musste dort einen Treffer kassieren. Beide waren so auf dem Kampf konzentriert, dass sie nicht bemerkten, dass ihre Söhne sie schon länger beobachteten. Erst als Músab schließlich die Zweililie aus der Hand Aláras schlagen konnte und der Kampf endete, bemerkten die Brüder ihre Söhne. 

"Ich fordere eine Revanche." sprach Alára, "Vater und Sohn gegen Vater und Sohn."  Die Prinzen schauten sich verwundert an, hoben kurz ihre Schultern und gingen dann zur Waffenkammer. Músabs Sohn Tamal war ein begabter Schütze, jedoch eher ein mäßiger Schwertkämpfer. Er trainierte oft mit seinem Vetter und konnte schließlich gut mit dem Kampfstab umgehen. Nachdem Alára die Zweililie an Gatisen abgegeben hatte und seinen Zweihänder geholt hatte begann der Kampf. Sie übten mehrere Stunden lang. Músab wahr erleichtert, dass seine beiden Söhne die Verwaltung Kermas mit größter Sorgfalt nachkamen und er sich für die Trainigskämpfe vorbereiten konnte.
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

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Re: Der königliche Palast
« Antwort #10 am: 17. Aug 2017, 00:51 »
Aglarân aus Eryan

Er hatte nicht erwartet besonders freundlich empfangen zu werden. Seine Erwartung traf auch zu, denn sobald Aglarân die große Treppe zu dem Palast betrat, stellten sich ihm die Palastwachen in den Weg. Mit barscher Stimme wurde er aufgefordert sich zu erkennen zu geben. Im gleichen Tonfall blaffte er zurück, dass er einen Spion gefasst hatte, der sich mit wichtigen Informationen davonstehlen wollte. Wie zur Bestätigung wollte der Mann erneut die Flucht antreten, wurde aber von dem Speer der Wache daran gehindert.
"Nun gut, ihr dürft eintreten, aber wir behalten Euch im Auge", sagte der Wächter widerstrebend und gab seinen Männern einen Wink. Vier Wächter flankierten Aglarân, während der Wortführer dem Spion ein gebogenen Dolch an den Hals legte. Derart bewacht betraten sie den prunkvollen Palast über einen Nebeneingang für Bedienstete, der sich neben dem großen Haupttor befand. Kurz meinte Aglarân auf einem Balkon eine Bewegung zu sehen, doch eine der Wachen gab ihm einen Stoß, sodass er eintrat. Mit einem bedrohlichen Knurren rückte er seinen Mantel gerade. Die Wachen legten ihre Hände auf die Griffe ihrer Schwerter, was ihn zum Schmunzeln brachte.
"Ganz ruhig", sagte er und nahm seinen schwarzen Mantel auf dem Arm. Den Reiseumhang hatte er draußen liegen gelassen. Er folgte den Wachen, bis sie in einem nicht weniger prunkvollen Wartesaal. Vor ihnen erhob sich ein doppelflügeliges Tor, das in einem reich verzierten Rundbogen saß. Aglarân hatte nicht die Zeit die Stuckarbeiten zu bewundern, denn die Wache sprach mit einem der Palastbediensteten. Die sechs kermischen Männer wirkten ein wenig nervös, bis Aglarân aufging, dass er noch voll bewaffnet war. Nachdenklich legte fuhr seine Hand zu der Hüfte. Umständlich schnallte er sein Seitschwert Dôlguzagar ab und nahm es locker in die Hand. Kurz darauf schwang auch das große Tor zu dem Thronsaal auf.
Betont langsam übergab Aglarân sein Schwert und kam somit der Wache zuvor, die ihn wohl darauf hinweisen wollte, dass er unbewaffnet vor dem König treten solle.
"Euren Helm solltet ihr ebenfalls abnehmen", empfahl der Wachmann, doch als Aglarân nicht reagierte, zuckte er mit den Schultern und trat ein.

Sie folgten ihnen, während der Spion Ketten angelegt bekam und kurz darauf hinterhertaumelte. Zufrieden bemerkte Aglarân, dass man in Kerma offensichtlich sehr vorsichtig war und hoffte, dass er irgendwie Vertrauen gewinnen konnte. Ihm war schon, seitdem er die ersten Worte mit den Wachen gewechselt hatte eine gewisse Anspannung aufgefallen, doch noch war ihm schleierhaft, was es war.
Sie durchquerten den Raum und hielten auf drei Männer zu, die sich scheinbar über etwas Wichtiges unterhielten. Sofort erkannte Aglarân den König, dessen schlanke Statur in gehobenen Gewänder aus Rot- und Bronzetonen steckte. Goldene Stickereien verzierten die Schulterpartien und hoben den Träger somit von der Masse ab. Der Mann hatte kurze schwarze Haare und einen Vollbart. Den Blick der er aus braun-grünen, den er ihm zuwarf war fragen und misstrauisch zugleich. Als sie näher kamen, konnte er noch aufschnappen, wie der König gerade eine Liste durchging und sich durch den Bart strich. Schließlich befahl er mehr Wein zu besorgen, sowie ein Dutzend Körbe Feigen. Mit einem knappen Nicken verschwanden die beiden Männer und der König wandte sich zu ihnen um.


"Eure Majestät, dieser Mann bittet um eine Audienz bei euch", sagte eine der Wachen. Músab musterte den in schwarzen Stahl gerüsteten Mann. Dessen breite, muskulöse Erscheinung einen gewissen furchteinflößende Eindruck vermittlete. "Ein Schwarzer Numenorer bittet um eine Audienz bei mir?", fragte Músab mit einem Funken Misstrauen in der Stimme.

Aglarân deutete knapp eine Verneigung an und wies auf den angeketteten Mann.
"Ihr sagt es, König. Ich habe diesen Mann auf dem anderen Ufer des Golfes von Kerma aufgegriffen. Er und sein Kumpane haben in Euren Königreich spioniert und bei ihrer Flucht ein Fischerpaar gezwungen sie überzusetzen und wollten sie danach noch ausrauben. Seinen übereifrigen Kumpanen musste ich ausschalten, da er schon auf der Flucht war." Er ließ seine Worte kurz wirken und setzte nach: "Ich bin mir sicher, dass der Kerl hier nützlich sein wird, denn er wollte mehrfach fliehen. Seht es als kleine Gefälligkeit, Majestät."

Músab nickte. Mit einer kaum sichtbaren Handbewegung winkte er seinen Bruder zu sich, der einen kurzen Moment später neben ihm stand. Er verschränkte die Arme und blickte den Schwarzen Númenorer misstrauisch an. "Wachen bringt diesen 'Spion' in den Kerker, wir werden sehen, ob er uns nützlich sein wird," befahl Músab den beiden Wachen die hinter dem Schwarzen Numenorer standen.
"Nun gut, wem dürfen wir für die Auslieferung dieses Spiones danken?" fragte Alára schließlich.

Zwar wollte Aglarân eigentlich nur mit dem König sprechen, jedoch schien der Mann, der sich an ihn wandte ein Vertrauter des Herrschers zu sein.
"Man nennt mich Aglarân", beantwortete er knapp die Frage und verschränkte nun seinerseits die muskulösen Arme.

"Wir sollten es kontrollieren", flüsterte Alára zu Músab während er durch eine einstudierte Handbewegung dem Hofmeister symbolisierte, den Thronsaal mit dem restlichen Bediensteten zu verlassen.
Nachdem der Hofstaat den Thronssaal verlassen hatte begann Músab sich vorzustellen:" Mein Name Músab bin Kernabes, König von Kerma."
Er blickte zu Alára und erhoffte sich das er sich selbst vorstellen würde, dennoch kannte er seinen Bruder gut genug. Doch bevor er ihn vorstellen konnte, kam ihm Alára zu seiner Verwunderung bereits im strengeren Ton zuvor: "Man nennt mich Alára, Sohn Kernabes. In Kerma spricht man für gewöhnlich von Angesicht zu Angesicht."

"Majestät", grüßte Aglarân den König und nickte zu Alára, "Ihr habt Recht. Mir lag es fern Eure Sitten zu missachten, doch waren sie mir fremd." Langsam griff er nach seinem Helm und sagte: "Ein Vertrauensbeweis meiner Seite, denn sobald ich mein Gesicht zeige, bin ich aus allen Reihen ausgeschlossen und ohne Heimat."
Mit den Worten zog er den Helm vom Kopf und klemmte sich ihn unter den Arm.
"Euch sei vergeben", sagte Músab mit einem kleinem, kaum sichtbaren Lächeln, während er bemerkte das sein Bruder das Gesicht des schwarzen Numenorer genau begutachtete. "Doch was versucht ein schwarzer Numenorer in meinem Land zu finden."
"Hmmm", machte Aglarân und blickte an die Decke, "Eine gute Frage. Ich kam her auf Anraten eines Eurer Anwerber in Yamama. Man mag mich und meines Gleichens zwar als Schwarze Númenorer bezeichnen, jedoch denke ich, dass jeder eine zweite Chance verdient hat. Was ich suche? Eine zweite Chance."
"Ihr wollt euch also unter dem Dienste meiner Krone stellen?" fragte Músab. "Doch wieso sucht ihr eine zweite Chance?"
"Ich möchte nicht unhöflich sein, jedoch werde ich niemals wieder in irgengjemandes Diensten stehen. Jedoch biete ich Euch meine Hilfe als Verbündeter an, maße mir aber nicht an mich über Euch zu stellen. So muss ich mich niemanden unterwerfen und Ihr habt einen unabhängigen Streiter in Euren Reihen." Aglarân ließ die Arme sinken, "Verzeiht mein Herr, aber warum ich mich dazu entschieden habe ist mir zu persönlich. Noch bin ich nicht bereit dazu." Er hasste es über seine Vergangenheit zu sprechen. Sein Gesicht verdüsterte sich, als er wieder an die Gräueltaten in dem langen Krieg denken musste. Deutlich hatte er die Qualen seiner Mutter vor Augen, zumindest so, wie er sich es immer aus den Erzählungen vorstellen konnte. "Es ist etwas Persönliches, ich denke, dass ist Motivation genug."
"Wenn ihr wollt... dennoch ich würde eure Dienste gerne in Anspruch nehmen", sagte Músab und fuhr sich einige Male durch den Bart. "Doch ich schulde euch für die Auslieferung des Spiones meinen Dank. Wie kann ich mich dafür erkenntlich zeigen?" Músab überließ äußerst Selten die Entscheidungsgewalt über Belohnungen dennoch war im die Mögliche Bedeutung des Spiones für den Feind bewusst.
"Vertrauen", gab Aglarân schlicht zurück und brachte ein Lächeln zustande, was nur aus dem kurzen Zucken seiner Lippen bestand, "Gebt mir die Chance zu zeigen, dass ich es ernst meine. Jedoch würde ich mich zuvor ein wenig ausruhen, die Reise war anstrengend. Meinetwegen könnte Ihr mir auch einen Wächter zur Seite stellen, der mich überwacht."
Músab nickte. "Alára schicke unseren Hofstaat wieder herein. Er möge für unseren neuen Gast ein Zimmer für die Nacht vorbereiten." Alára schaute in verwundert an befolgte jedoch anschließend seinen Befehl. "Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Ich muss mich nun einem festlichen Anlass widmen. Der Hofmeister wird euch zu eurem Zimmer geleiten."
Aglarân nickte dankend und setzt sich prompt den Helm auf, sobald der Hofstaat wieder in den Thronsaal strömte. Offensichtlich war es eine Abendgesellschaft, denn sie trugen Kleider, die er noch nie gesehen hatte. Er erwiderte die feindseligen oder misstrauischen Blicke ruhig und wartete auf den Hofmeister, der auch nicht lange brauchte. Schweigend führte der Mann ihn durch die langen Gänge, fort von dem Thronsaal. Aglarân versuchte sich es so gut es ging zu merken welche Wege er nehmen musste. Er wollte sich nicht die Blöße geben und später andere nach den Rückweg fragen müssen.

Nach ein paar schweigsamen Augenblicken erreichten sie eine unscheinbare Tür, die der Hofmeister sogleich öffnete.
"Euer Gemach. Gehabt Euch wohl", sagte der Kerl rasch und suchte das Weite.
Zweifelnd trat Aglarân ein, wurde jedoch von der Ausstattung überrascht. Ein üppig ausgestattetes Bett lag links an der Wand, rechts vom ihm stand ein langes Bücherregal. Der Blick geradeaus ging geradewegs auf die erleuchtete Stadt. Aglarân ließ die Tür in das Schloss fallen und betrachtete die dunklen Umrisse von Kerma, die sich in gegen den Lichtschein unzähliger Laternen und Fackeln abzeichneten. Es hatte ein merkwürdiges Gefühl den fremdartigen Baustil zu erblicken, bei solch einer eindrucksvollen Beleuchtung. Es war etwas ganz Neues. Manchmal fragte er sich, wie normale Menschen in dieser Welt aufwuchsen und ob sie diesen Anblick öfters erlebten als er. Nachdenklich ließ er sich auf einem der beiden Sessel nieder, die einladend am Fenster bei einem kleinen Tisch standen. Die Polsterung war erstaunlich weich. Erst jetzt bemerkte Aglarân den dampfenden Becher auf dem Tisch und roch daran. Der süßliche Duft stieg in seine Nase und versprach eine Köstlichkeit. Neben dem Becher lagen kleine Gebäcke, von denen er noch nie gehört hatte. Prüfend hob er den Becher an und erinnerte sich, dass er in Yamama von einem Händler gehört hatte was das war. Er nahm einen vorsichtigen Schluck und genoss den süßlichen Geschmack. Tee, so nannte man das Gebräu, das man aus getrockneten Früchten und bestimmten Blättern zubereitete. Aglarân verspürte das erste mal in seinem Leben ein befriedigendes Gefühl, als er ein zweites Mal von dem Becher trank. Er hatte bisher nie den Sinn dafür gehabt, was gut schmeckte und ob er etwas mochte. Nun hatte er eine Ahnung davon, was noch auf ihn wartete.

Einige Minuten saß er am Tisch und blickte auf die kuppelartigen Dächer hinaus und genoß seine wohlverdiente Ruhe nach der anstrengenden Reise. Noch war er zu aufgewühlt von den ganzen Eindrücken der Reise. Er hatte nie Gelegenheit dazu gehabt, sich einfach zurück zu lehnen und gar nichts zu tun. Die plötzliche Stille um ihn herum wirkte sonderbar, auch wenn seine Müdigkeit ihn dazu drängt, sich in die weichen Kissen des Bettes fallen zu lassen. Nachdem er seinen Tee austgetrunken hatte, tat er das auch und erhob sich aus seinem Sessel. Kurz überprüfte er, ob der Riegel fest saß und verkeilte einen Dolch daran, sodass niemand in das Zimmer kam. Dann zog er umständlich seine Rüstung aus, was eine ganze Weile dauerte. Nachdenklich grübelnd zog er seine Stiefel auf und legte sich auf das Bett. Sein Schwert legte er griffbereit neben sich auf die hölzerne Befestigung an der Wand.
Es dauerte auch nicht lange, bis ihn der Schlaf übermannte.
« Letzte Änderung: 1. Jan 2019, 16:55 von Fine »

Fine

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Nachforschungen
« Antwort #11 am: 26. Aug 2017, 22:24 »
Aerien eilte mit hastigen Schritten durch die nur wenig beleuchteten Hallen des schlafenden Palastes. Eine Viertelstunde war vergangen, seit sie den dunklen Besucher am Tor des Haradrim-Königs erspäht hatte und mit weit aufgerissenen Augen verfolgt hatte, wie die königlichen Wächter den Mann hereingelassen hatten. Obwohl es bereits spät abends war, war sich Aerien sicher, dass der König von Kerma den Schwarzen Númenorer noch empfangen würde. Sie hatte nicht den Eindruck, dass König Músab wichtige Angelegenheiten oft auf den nächsten Morgen verschob. Und von Asáta hatte Aerien erfahren, dass der Qore nur selten früh zu Bett ging.
Sie hatte daher keine Zeit zu verlieren. Wenn Músab mit dem Gesandten aus Mordor sprach, würde er erfahren, dass er eine gesuchte Verräterin unter seinem Dach beherrbergte. Zwar hatte sich das Reich von Kerma mit dem Rest des Malikats Harad von der Knechtschaft Saurons losgesagt, aber dennoch war der Besucher in den Palast gelassen worden. Sicherlich hatte er den Wachen am Tor den Grund seines Eintreffens genannt. Es konnte sich dabei kaum um etwas anderes handeln als die Jagd auf die Verräterin Azruphel. Und da die Wachen den Mann hereingelassen hatten, war ihnen dieser Grund offensichtlich gut genug gewesen, um den König damit zu behelligen.
Wenn Músab erfährt, was ich getan habe, und woher ich wirklich stamme, dann... Aeriens Gedanken rasten während sie sich im hohem Tempo ihrem Zimmer näherte. Doch dann hielt sie inne und wurde langsamer. Was wird er tun? Er steht nicht mehr in Mordors Diensten. Sicherlich wird er nicht erfreut darüber sein, dass ich ihn in die Irre geführt habe und ihn habe glauben lassen, dass ich wie Narissa von der Weißen Insel stamme. Doch wie wird er auf die Nachricht meiner Flucht aus Mordor reagieren? Wird er vielleicht erkennen, dass ich - wie er - jetzt ein Feind Saurons bin? Oder wird er mich nur allzu gerne meinem Häscher übergeben, im Austausch dafür, dass Kerma bis auf Weiteres keinen Angriff aus Mordor fürchten muss? Aus Gesprächen mit Kani und mit Prinzessin Asáta wusste Aerien, dass ein Krieg an den Grenzen Kermas heraufzog. Es gab Gerüchte über die Rückkehr von Músabs tyrannischem Bruder, der nur wenige Jahre zuvor in einem blutigem Kampf gestürzt worden war. Und auch die Gefolgsleute Súladans schliefen nicht. Kerma hatte sich den Rebellen Qúsays angeschlossen und war damit ein Feind des Sultans von Harad. Und Qafsah war nicht so weit von Kerma entfernt, wie es sich Aerien wünschen würde... Es wäre also nur logisch, wenn er mich gegen die Sicherheit seines Reiches eintauschen würde, schoss es ihr durch den Kopf. Sie beschleunigte ihre Schritte und hastete weiter.

Die Tür ging mit einem Knall auf und Narissa fuhr überrascht aus dem Schlaf hoch. Schneller als man es sehen konnte hatte sie einen ihrer Dolche unter dem Kissen hervorgezogen und ihn wachsam in Richtung des Eingangs gestreckt.
"Verdammt, Sternchen, was soll denn dieser Aufruhr um diese Uhrzeit?" beschwerte sie sich, als sie Aerien erkannt hatte. "Ich habe gerade von der Insel geträumt. Und von meinem Großvater."
Aerien hatte keine Zeit dafür. Rasch trat sie neben das Bett und ergriff Narissas Arm. "Wir müssen sofort hier weg," zischte sie energisch.
"Gibt es ein Problem? Was ist denn auf einmal in dich gefahren?" wollte Narissa wissen und befreite ihren Arm aus Aeriens Griff. Sie setzte sich vollständig auf und zog die Bettdecke um ihre Knie.
"Und wie es ein Problem gibt. Ein großes. Ein Mann aus Mordor ist hier, und er spricht jetzt gerade mit dem König!" Aerien hatte auf dem Weg hierher mit einem der Bediensteten gesprochen und erfahren, dass der dunkle Besucher tatsächlich zu Músab vorgelassen worden war. "Rissa, das kann nur eines bedeuten. Er ist wegen mir hier, und König Músab wird mich ihm ausliefern!"
"Das weißt du nicht," erwiderte Narissa beschwichtigend. "Der Herrscher von Kerma kommt mir nicht wie ein Mann vor, der rasche und unüberlegte Entscheidungen trifft. Was auch immer dieser Bote Mordors zu ihm sagen wird; ich bin mir sicher, dass er zunächst deine Version der Geschichte hören wollen wird."
"Aber dann wird er wissen, dass ich ihm nicht die Wahrheit über meine Herkunft gesagt habe! Wahrscheinlich weiß er es jetzt bereits!"
"Du hast ihn nicht belogen," stellte Narissa klar. "Du hast lediglich ein paar Details ausgelassen. Außerdem wärst du nicht die erste schwarze Númenorerin, mit der Músab in Kontakt kommt. Dein seltsamer Onkel steht in seinen Diensten, oder etwa nicht?"
"Mein Onkel Aglazôr ist... " Aerien machte eine frustrierte Geste. "Sein Herz gehört dem Gold. Damit ist er eine Ausnahme. Eigentlich alle Adûnâi die ich kenne, folgen dem Herrn von Mordor aus Überzeugung und wenden sich nicht von ihm ab."
"Ich kenne eine, die genau das getan hat," sagte Narissa und stupste Aerien liebevoll gegen die Wange.
"Nun... ich schätze, ich bin auch eine Ausnahme," erwiderte Aerien und spürte, wie sie rot wurde. Doch dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie hier war. "Rissa, was tun wir jetzt?" fragte sie und umrundete das Bett. Sie schob die hellbraunen Vorhänge beiseite und starrte durch das Fenster hinaus auf dem Kampfplatz, der weit unterhalb lag und von einigen fernen Fackeln erhellt wurde. Noch immer waren dort einige schemenhafte Gestalten zu sehen, die ihre Kampffähigkeiten trainierten.
"Wir sehen uns diesen Boten Mordors genauer an," entschied Narissa und sprang aus dem Bett. "Hol dein Schwert, Sternchen. Ich lasse nicht zu, dass dich mir jemand jemals wieder wegnimmt. Nicht einmal der Dunkle Herrscher höchstpersönlich."
Aerien war etwas mulmig zumute, doch sie gehorchte. Rasch zog Narissa sich ihren Wappenrock mit dem Siegel Tol Thelyns darauf über und schob die schlanken Dolche in die Scheiden an ihrem Gürtel. Aerien hängte sich ihr Bastardschwert über die Schulter und sie zogen los.

Der Thronsaal war finster und verlassen. Offenbar war die Audienz bei Músab bereits vorbei. Der Hofstaat, der vor kurzer Zeit noch hier gewesen sein musste, hatte sich inzwischen zerstreut. Einer der königlichen Gardisten, der durch den Palast patrouillierte, erzählte den beiden Mädchen, dass man dem Besucher eines der Gästezimmer gegeben hatte - ganz in der Nähe des Raumes, in dem Aerien und Narissa wohnten. Und so machten sie sich auf den Weg dorthin - Narissa mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck und zu Fäusten geballten Händen, Aerien mit äußerlich neutraler Miene, doch in ihrem Inneren schwelte etwas, das sie eigentlich gerne vollständig unterdrückt hätte: Furcht.

Sie erreichten das Gästezimmer nur wenige Minuten später. Seitdem sie im Thronsaal gewesen waren, hatten sie geschwiegen, doch nun hielt es Aerien nicht länger aus. "Hast du vor, ihn zu töten?" wisperte sie.
Narissa schien einen Augenblick darüber nachzudenken. "Es könnte dazu kommen," sagte sie kurz darauf. "Wenn er nicht von seinen Absichten absieht."
"Ein Mord, innerhalb der Mauern des Palastes? Was, wenn wir dabei entdeckt werden?"
"Werden wir nicht. Ich wurde dafür ausgebildet, schon vergessen? Behalte einfach die Tür und den Gang im Auge, wenn ich dir ein Zeichen gebe. Wenn eine Wache - oder sonst jemand - den Gang entlang kommt, musst du für mich eine Ablenkung schaffen. Das kriegst du hin, oder?"
"Ich - ich denke schon."
Narissa nickte zufrieden. "Dann wollen wir doch mal sehen, was dieser Mann aus Mordor zu sagen hat."
Sie drückte den Griff der Tür nach unten, doch es war vergebens. "Von innen verschlossen," murmelte Narissa. "Dieser gerissene Bastard. Aber das wird mich nicht aufhalten."
Mehrere Minuten machte sie sich am Schloss zu schaffen, bis sie frustriert aufgab. "Er muss den Riegel mit etwas verklemmt haben," stieß sie hervor. "Bist du sicher, dass das das richtige Zimmer ist?"
"Der Gardist hat uns genau hierher geschickt," antwortete Aerien. "Es muss hier sein."
Ohne Vorwarnung schwang die Türe nach innen auf und eine (für Aerien) geradezu albtraumhafte Gestalt ragte vor ihnen auf. Der aus schwarzem Metall gefertigte Helm verbarg das Gesicht vollständig, denn aus dem jschmalen Sehschlitzen drang nichts als Dunkelheit hervor. Die Rüstung war unverkennbar die eines der Wächter von Durthang - schwer und stahlhart, und ebenso dunkel wie die Seele der Bewohner der düsteren Festung. Schwert und Schild hielt der Krieger kampfbereit in seinen Händen und eine bedrohliche Aura ging von ihm aus. Und als er sprach, war es als hätte der Dunkle Herrscher der Finsternis selbst eine Stimme verliehen, so dunkel und gefühllos drang es unter dem Helm hervor:
"Was hat diese Störung zu bedeuten? Sprecht, ehe Blut vergossen wird!"
"Du kriegst sie nicht," zischte Narissa feindselig und stellte sich schützend vor Aerien, die Dolche kampfbereit in beiden Händen. "Geh zurück zu deinem Meister und lass sie in Frieden!"
Der Krieger hob langsam und drohend das Schwert. "Ich habe keinen Meister", knurrte er gefährlich leise. "Ich bin es leid, ständig Erklärungen abzugeben. Ich bin mein eigener Meister." Daraufhin ließ er das Schwert sinken, behielt es aber im Anschlag.
"Was hast du dann hier verloren, wenn du nicht im Auftrag Mordors hier bist?" verlangte Narissa zu wissen. Aerien machte einen Schritt zur Seite und trat neben ihre Freundin. Sie hatte etwas in der Stimme des Kriegers gehört, das sie aufhorchen ließ. Er sprach nicht in demselben Ton wie es die Gardisten Durthangs normalerweise taten. Irgendetwas ist mit ihm, dachte sie. Doch worum es sich dabei handelte, konnte sie noch nicht sagen. Sie musste mehr hören.
Es verging einige Zeit, bis der schwarze Númenorer wieder antwortete. "Ich schulde dir keine Rechenschaft für mein Tun, noch bin ich verpflichtet jemanden zu antworten, der sich wie ein Schurke nachts an meiner Tür zu schaffen macht", sagte er schließlich und legte den Kopf schief. "Was soll der Aufstand?"
Narissa ließ die Dolche etwas ratlos sinken. Aerien wusste, was sie dachte. Dass sie versucht hatte, das Schloss aufzubrechen und bewaffnet in das Zimmer eindringen wollte, war nicht allzu subtil gewesen. Sie beschloss, mit Besonnenheit vorzugehen und ergriff das Wort. "Wir sind hier, weil wir glaubten, einen Gesandten Mordors hier vorzufinden, der hier in Kerma eine Abtrünnige jagt," sagte sie im neutralen, erklärenden Ton. "Ist dies nicht der Fall?"
Als Narissa die Dolche sinken ließ, steckte der Krieger sein Schwert fort und legte den Schild ab. "Nein. Ich weiß nichts von einer Abtrünnigen in Kerma," sagte er. Er seufzte kaum hörbar und verschränkte die Arme, soweit es die Rüstung erlaubte. "Warum? Ist hier eine? Wenn, dann sollte sie sich auf keinen Fall auf diese Art davon überzeugen, ob sie verfolgt wird. Andere hätten euch... anders empfangen, auch wenn ich kurz davor war."
"Nun, da muss ich Euch Recht geben," erwiderte Aerien, nun mit einem etwas freundschaftlicherem Klang in der Stimme. Die akute Gefahr schien gebannt zu sein. Doch noch immer verspürte sie Unsicherheit in ihrem Inneren. Sie musste herausfinden, weshalb der Mann hier war, und was seine Absichten waren. Narissa kam ihr allerdings zuvor.
"Was führt einen Krieger, der wie ein Mann aus Mordor aussieht, so weit in den Süden?" wollte sie wissen.
Als Aerien sprach ließ ihr Gegenüber die Arme sinken und antwortete auf Narissas Frage in einem ebenfalls umgänglicheren Ton: "Das ist eine längere Geschichte. Ich erzähle sie aber nicht für alle Ohren auf einem Flur, außerdem bin ich weniger an einem Verhör interessiert." Er nickte kurz in Aeriens Richtung. "Sie kennt mich. Ihr könnt mich Aglarân nennen. Wenn du mir deinen Namen nennst, können wir uns woanders weiterunterhalten. Der Flur hat zu viele Ohren."
"Du kennst ihn?" fragte Narissa halb empört, halb verwundert, doch Aerien tat die Frage mit einem energischen Abwinken ab.
"Dies ist Narissa, Abgesandte von Tol Thelyn." stellte Aerien rasch vor. "Meinen Namen scheint Ihr ja bereits zu kennen. Ihr habt ganz Recht - wir sollten hier nicht über diese Dinge sprechen. Wenn Ihr gestattet, werden wir uns in Eurer Unterkunft unterhalten - mit verschlossener Türe."
Es war etwas, das sie bereits als junges Mädchen gelernt hatte: ein diplomatisches Gespür in Gesprächen zu entwickeln und das Beste aus einer Situation wie dieser zu machen. Als der Krieger seinen Namen genannt hatte, war eine Erinnerung in Aerien aufgestiegen. Aglarân, einer der kampfgestählten Gardisten von Durthang. Schweigend, effizient und loyal. So hatte sie ihn in Erinnerung. Wie bei allen Sternen ist er nur hier gelandet?
"Narissa also...", wiederholte er den Namen leise und nickte ihr kaum merklich zu, ehe er an Aerien gewandt weitersprach: "Das Verhandlungsgeschick ist nicht nötig, ich bin ein einfacher Mann und meine Ziele sind klar. Tretet ein", bat er und trat zur Seite, auf die beiden Stühle deutend, die am Ende des Raumes sichtbar wurden.
Sie schoben sich rasch an ihm vorbei in das Zimmer, das recht gemütlich wirkte, auch wenn es etwas kleiner war als der Raum, den Narissa und Aerien im kermischen Palast bewohnten. Aerien nahm als erste Platz, rasch gefolgt von Narissa, die sich wachsam im Zimmer umsah.
"Aglarân," begann Aerien vorsichtig. "Es ist lange her, dass Ihr vor meiner Tür in der Festung meines Vaters Wache standet." Es war nicht unfreundlich gemeint, auch wenn sie ihre innere Anspannung noch immer nicht ganz abgelegt hatte. Es galt nun, die Absichten des Mannes herauszufinden. Er hatte zwar gesagt, keinem Meister zu dienen, doch Lügen waren nur eines unter vielen Täuschungsmitteln im Arsenal eines schwarzen Númenorers, wie Aerien nur allzu gut wusste. Als Aglarân an den Tisch trat und sich zu ihnen setzte, beobachtete sie ihn genau. Doch der Helm verbarg jegliche Gefühlsregung. Ob er eine Bedrohung ist, wird sich jetzt zeigen, dachte Aerien.
« Letzte Änderung: 27. Aug 2017, 00:28 von Fine »
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Curanthor

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Ein Gespräch unter Númenorern
« Antwort #12 am: 8. Sep 2017, 01:17 »
Die Überraschung über die beiden jungen Frauen vor seiner Türe hatte ihn nicht lange im Griff. Er war es gewöhnt seine Gefühle schnell unter Kontrolle zu bringen. Er war es gewöhnt stets auf der Hut zu sein. Sein Schwert hatte er nicht umsonst in Griffnähe abgelegt. Ebenso die Angewohnheit die Tür mit einem Dolch zu verrammeln war ihm nicht abhanden gekommen. Eine der nützlicheren Erfahrungen aus seiner unbeliebten Kindheit.

Zwar hatte er seine Waffe nicht sichtbar, aber sein Morgenstern lag griffbereit auf dem Bett. Als er zur Seite trat um die beiden Frauen in das Zimmer zu lassen, kam es aber nicht zu einem Angriff. Nachdenklich betrachtete er Azruphel, die sich auf einen der beiden Stühle niedergelassen hatte. Sie bewegte sich anders, das fiel ihm sofort auf, doch ihre grundlegende Art sich zu bewegen war nicht von ihr abgefallen. Sein Blick ging zu der Begleiterin der Schwarzhaarigen. Ihr Blick war berechnend und äußerst wachsam. Die weißen Haare der jungen Frau waren ungewöhnlich, das musste Aglarân zugeben, doch sagte es nicht so viel aus, wie die Art sich umzusehen. Ständig huschte ihr Blick umher und blieb hin und wieder an seinem Helm hängen. Selbst Azruphel blickte immer wieder zu seinem Helm, als er die Tür geschlossen und sich ihnen gegenüber gesetzt hatte.
Je mehr Azruphel sprach, umso mehr fühlte Aglarân sich in die Zeit in Mordor zurückversetzt. Er hatte sie oft sprechen hören. Sie dagegen, hatte sehr wenig von ihm gehört. So war er überrascht, dass sie sich überhaupt an ihn erinnerte. Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass die Gardisten von Durthang in den Augen der Bewohner dort nur Schatten waren. Bewaffnete Schatten, die über den Herrscher der Schwarzen Númenorer und dessen Familie wachten. Es war umgewohnt der Tochter von Varakhôr so direkt gegenüber zu sitzen.
"Aglarân," riss sie ihn aus den Gedanken. Ihre Stimmelage war vorsichtig, abschätzend, vielleicht mit einer Spur Unsicherheit gespickt, aber schwer wahrnehmbar, "Es ist lange her, dass Ihr vor meiner Tür in der Festung meines Vaters Wache standet."
Ihm entging nicht die leichte Anspannung in der Luft. Er war sich sicher, dass die urpsrüngliche Absicht hinter dem Besuch nicht in Azruphels Abendplänen zu finden war. Sein Blick ging zu Narissa, die scheinbar die treibende Kraft hinter dem Besuch war. Je länger er sie anblickte, umso sicherer wurde er sich. Die Weißhaarige saß steif im Sessel und hatte sämtliche Muskeln angespannt. Sie war es außerdem, die sich mit Waffen vor seinem Gemach an der Tür zu schaffen gemacht hatte. Agarlân beschloss sie gut im Auge zu behalten. Dolch gegen Schwert und Schild. Kurz verzog sich sein Gesicht zu einem Stirnrunzeln. Schwert und Streitkolben gegen zwei Dolche, das würde eine interessanter Kampf werden. Seufzend schob er den Gedanken zur Seite.
"Ja, Azruphel, es ist in der Tat lange her," antwortete er schließlich und kratzte etwas festgebackenen Sand von seinen Unterarmschienen, "Ich schwelge ungern in Erinnerung an diese Zeit. Ich sah Euch aufwachsen und beschützte Euch und euren Vater, verhinderte Attentate und widmete meinem Leben der Sache des Dunklen Herrschers. Damit ist es aber vorbei."
"Ihr wart mir stets ein guter Leibwächter, Aglarân," antwortete Aerien und schob eine Strähne, die ihr linkes Auge verdeckt hatte, beiläufig hinter ihr Ohr. "Und nun sagt Ihr, damit ist es vorbei.  Sicherlich werdet Ihr mir gerne erklären, was es damit auf sich hat, doch wisst, dass auch ich mich verändert habe und nicht länger die hochmütige Adelige bin, die ich in jener Zeit war, als ich Euch und Euresgleichen kaum Beachtung schenkte." Sie deutete eine entschuldigende Geste an und blickte Aglarân offen in die Augen.
Er nahm Nickend zu Kenntnis, was Azruphel sagte und erwiderte den Blick. "Ich habe nur das getan, was mir aufgetragen wurde, würde ich jetzt sagen, aber ich kannte nichts anderes. So wir Ihr nichts anderes als die Hallen eures Vaters kanntet. Doch jetzt sind wir hier, weit fort von dem Ort, der uns noch verbindet." Er ballte seine gepanzerten Hände, sodass die eisernen Gelenke knirschten, "Nichts würde ich lieber wünschen, als ihn brennen zu sehen." Aglarân atmete tief aus und schüttelte den Kopf, "Das versteht Ihr nicht. Das könntet Ihr auch nicht."
"Nein, Aglarân. Ich verstehe es nicht," erwiderte Aerien mit fester Stimme und hielt seinem Blick stand. "Durthang ist meine Heimat, und seine Bewohner sind mein Volk. Ich wünsche ihnen kein Leid, sondern will sie von Saurons Herrschaft befreien. Mein Herz gehört allen Nachfahren des ruhmreichen Númenors, ob sie nun aus Gondor, Arnor, Umbar oder Durthang stammen. Ich wünsche mir nichts mehr, als sie alle wieder vereint zu sehen... Vereint im Kampf gegen den Dunklen Herrscher."
"Ihr versteht es nicht", wiederholte er aufbrausend und musste an sich halten nicht auf den Tisch einzuprügeln. Erinnerungen kamen in ihm hoch. Jene, die in den Tagen spielten, an denen er erstmals mit seinen Zieheltern über seine Mutter gesprochen hatte, "Durthang hat keine zweite Chance verdient! Ihr wart nie in den Kerkern. Dort gingen keine ruhmreichen Númenorer runter und noch weniger kehrten von dort zurück. Die, die es verdient hätten kehrten nicht zurück. Es ist naiv zu glauben, dass sich Durthang gegen den Dunklen Herrscher stellen würde..." Seine Stimme wurde zum Ende hin wieder ruhiger und er griff nach seinem Helm. Flüchtig sah er, dass Narissa die Hände von ihren Dolchgriffen nahm, doch er sorgte sich nicht weiter darum.
Langsam zog er ihn ab und legte den Kopfschutz auf den Tisch, "Dort gibt es keine Hoffnung mehr."
Aerien warf ihm einen Blick zu, in dem für einen kurzen Moment große Verärgerung aufblitzte, doch rasch hatte sie sich wieder unter Kontrolle und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder neutral. Sie legte die Fingerspitzen zusammen und sagte leise und betont: "Es gibt immer Hoffnung, Aglarân. Gebt Euch nicht der Verzweiflung hin." Ein mitfühlender Ausdruck zog über ihr Antlitz und sie schien etwas aufzutauen, ehe sie hörbar ausatmete und fortfuhr: "Ich bin mir sicher, dass Ihr keine Bedrohung für mich darstellt, und auch nicht vorhabt, mich nach Mordor zurückzubringen. Was also habt Ihr stattdessen nun vor, wenn Ihr die Frage gestattet?"
Aglarân runzelte die Stirn und beugte sich leicht vor. "Glaub Ihr euren eigenen Worten? Habt Ihr das gesehen, was ich gesehen habe?". Seine Hand fuhr zu seinem vernarbten Gesicht, "Die Hälfte der Narben stammen nicht von Kämpfen, sondern aus der Zeit vor meiner Reife. Unser Volk, Azruphel, ist der Dunkelheit verfallen. Was ich nun vorhabe? In dieses dunkle Loch eine brennende Fackel reinzuhalten und Licht dort hineinbringen. Vielleicht mag ich schon danach aussehen, doch um Bestien zu schlagen, muss man selbst eine werden." Er lehnte sich wieder zurück und goss ihnen Dreien einen Tee ein, eine Geste die er noch nie gemacht hatte. "Was ich meine ist, dass Ihr unbehelligt von den Machenschaften der anderen aufgewachsen seid. Ihr habt nicht gesehen was ich in dem Kerker gesehen habe." Sein Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse, als er die Folterinstrumente dachte, die er dort gesehen hatte. Mit denen seine Mutter aus Spaß malträtiert wurde. Das Blut hatte niemand entfernt, selbst nach all den Jahren nicht. Es waren Trophäen gewesen. "Ihr versteht es nicht. Ein Teil von mir beneidet Euch darum...", setzte er leise nach und rührte seinen Tee um, während er ihr die Tasse zuschob. Er hatte nur ein einziges Mal ein Gemälde seiner Mutter gesehen, doch sein Verstand war noch zu jung, konnte nicht begreifen, dass diese schöne und stolze Frau seine Mutter war. Jetzt wo er älter war, verfluchte er den Tag, an dem man die Sachen seiner Familie einfach verbrannt wurden. Er selbst konnte sich gar nicht mehr daran erinnern. Die Schwarzhaarige Adûna riss ihn aus den Gedanken und er widmete sich wieder dem Gespräch.
"Dann frage ich mich, weshalb Ihr diesen Menschen so lange gedient habt," sagte Aerien und nahm die Tasse entgegen. Sie nippte kurz daran und nickte zufrieden, offenbar schmeckte ihr der Tee. "Wieso kehrt Ihr Mordor erst jetzt, nach all den Jahren den Rücken?" Ihre Stimme war frei von jeglicher Anklage. Stattdessen war echtes Interesse herauszuhören.
"Das Gleiche könnte ich Euch fragen", gab Aglarân zurück und trank ebenfalls von seinem Getränk, "Schließlicht sitzt Ihr hier mit mir und trinkt Tee." Er stellte die Tasse ab, was mit der Panzerhandschuhen gar nicht so einfach war. "Glaubt mir, ich habe lange darüber nachgedacht. Wie würdet Ihr euch fühlen, wenn Euer Körper über Jahre zerschunden wird. Ihr seht Kameraden sterben. Für was? Für einen Herrn, der Knechtschaft und Unterwerfung plant. Ihr seid ihm egal, genau wie die Númenorer. Ich bin nur ein Mittel zu Zweck, ein Werkzeug, das man nach Gebrauch wegwirft. So war es mit Sauron, so war es mit Euren Vater. Ihre Werkzeuge sind überall und führen die Horden. Einst tat ich es auch, aber nicht lange wie Ihr wisst. Ich will keine Kinder mehr sehen, die in diesem Krieg von Orks-" Er brach grob den Satz ab und biss so fest die Zähne zusammen, dass seine Kiefer knackten, "Und die Númenorer stehen einfach daneben und schauen zu. Nein, so etwas möchte ich nicht unterstützen, es gehört bekämpft. Mit aller Macht. Deswegen bin ich hier."

"Und ich bin hier, weil ich Saurons Herrschaft beendet sehen möchte," erwiderte Aerien. "Er ist es, der für all das Übel verantwortlich ist, auf die eine oder andere Art und Weise. Ich habe mich von Mordor abgewandt und werde von seinen Dienern gejagt. Mein Wissen über meine Heimat stelle ich Saurons Feinden zur Verfügung und hier in Kerma versuche ich dafür zu sorgen, dass ein Bündnis zwischen dem Reich König Músabs und der Heimat meiner Freundin Narissa -" sie stupste die Angesproche an, die offenbar aus einem Tagtraum aufschreckte und heftig blinzelte "- zustande kommt. In diesen dunklen Tagen müssen alle Menschen vereint gegen Sauron stehen, Nur so kann er besiegt werden."
Fast hatte er schon so eine Antwort erwartet und musterte die Weißhaarige mit dem Namen Narissa. Scheinbar mischte sie sich nicht in die Angelegenheit der Adûna ein. Ihm war es auch Recht, es war schon unangenehm genug mit ihr zu sprechen. Bei zwei Gesprächspartnern würde er sich wie in einem Kreuzverhör fühlen. Einen kurzen Moment dachte Aglarân über die Worte von Azruphel nach und rieb sich die Augen.
"Ich bin nach einem Auftrag nicht wieder zurückgekehrt. Ob ich bereits als Abtrünniger gelte weiß ich nicht. Über Abwesenheit weiß ich auch nichts, ich war sehr lange unterwegs. Was ich aber weiß ist, dass wir keine Feinde sind, Azruphel. Falls sich das hier doch als Falle entpuppt, weiß ich mich zu verteidigen. Das Gleiche gilt natürlich für euch beide, allerdings denke ich, dass wir für's erste Frieden schließen. Symbolisch natürlich, denn ich war nie Euer Feind." Er blickte Narissa in die Augen, "Auch nicht Euer Feind, das wollt ihr nicht", setzte er mit einem bösen Grinsen nach. Sie erwiderte das Lächeln ebenso böse, und antwortete mit einem Zwinkern: "Ihr aber auch nicht, glaubt mir."
Er schnaubte nur anstatt einer Antwort und ließ sich nicht auf ein Wortgeplänkel ein. Narissa begnügte sich damit, ihn nicht aus den Augen zu lassen, während sie sich in dem Sessel zurücklehnte. Unbeeindruckt davon, zog sich Aglarân seinen linken Panzerhandschuh umständlich aus. Das was Azruphel gesagt hatte, brachte ihn zum Nachdenken, doch er wollte später darüber grübeln, wenn er alleine war. Er glaubte ihren Worten, auch wenn er sehr wohl sich bewusst war, dass sie lügen konnte. Das konnten alle in Durthang ausgezeichnet, doch er hatte während des Gesprächs einen Weg gefunden, der das Lügen erschweren würde.
"Symbolisch oder nicht. Frieden mit Blut geschlossen, auf dass er nicht von Lügen und Verrat vergiftet wird. Was haltet ihr davon?" Mit den Worten drückte er seinen Ringfinger der linken Hand - der Herzhand - auf die spitzen Knöchelpanzer seiner Handschuhe. Es zwickte kurz, was er gar nicht richtig wahr nahm und verzog keine Miene. Als er Azruphel die linke Hand reichte, tropften zwei kleine Perlen Blut seine Handfläche hinab. "Es mag barbarisch wirken, aber es hat eine deutliche Wirkung, so seid Ihr auf der sicheren Seite und ich. Schließlich seid Ihr in der Überzahl." Er zwinkerte bei dem letzten Satz und nickte ihr auffordernd zu.
Aeriens linke Augenbraue hob sich um einen Milimeter an, ansonsten blieb ihr Gesichtsausdruck unverändert, als sie rasch mit ihrem Fingernagel ebenfalls den Ringfinger ihrer linken Hand einrizte und einen kleinen, hellroten Blutstropfen auf ihre Handfläche rinnen ließ. Dann ergriff sie Aglarâns angebotene Hand und drückte sie - fester, als er erwartet hatte. "Wir sind keine Feinde," wiederholte sie seine Worte.
Ihre anfängliche Reaktion belustigte ihn ein wenig, doch als Azruphel einschlug, entspannte Aglarân sich und schüttelte die Hand. "Danke für die Geste, auch wenn sie Euch seltsam erscheinen mag. Ich erkläre es Euch gern später." Sie hatte einen starken Griff, was ihn gefiel, er hatte selten Hände geschüttelt und noch seltener hatte er einen festen Händedruck gespürt. Als sich ihre Hände wieder trennten, hatte sich auf beiden Innenflächen zwei Flecken Blut gebildet. Aglarân bemerkte den missbilligenden Blick Narissas, sagte aber nichts weiter. Wortlos reichte er Azruphel ein Tuch, das eigentlich für verschütteten Tee gedacht war, doch für Blut reichte es auch. Wähernd sie sich ihre Hände säuberten sprach Aglarân freundlich, aber bestimmt: "Ich denke, wir können ein anderes Mal uns weiter unterhalten. Es ist bereits spät und ich würde mich gern von den Strapazen meiner Reise erholen."
Er mochte es nicht so geschwollen zu reden und beherrschte sich, kein unzufriedenes Gesicht zu ziehen. Die beiden jungen Frauen verstanden sein Anliegen und erhoben sich. Sie verabschiedten sich höflich und wünschten sich eine gute Nacht. Aglarân geleitete sie zur Tür hinaus, wie er es öfters von den Empfängen von Gästen in Durthang kannte und schloss sie, nachdem Azruphel und Narissa das Zimmer verlassen hatten. Tief seufzend beugte er sich nach dem Dolch und rammte ihn wie gewohnt hinter den Riegel, sodass man ihn nicht von außen aufhebeln konnte. Klackend drehte der den Schlüssel im Schloss und begann seine Rüstung wieder abzulegen. Selten hatte er sich so schnell gerüstet wie in dem Moment, an dem er den Aufbruchversuch seiner Zimmertür bemerkte. Nun konnte er hoffentlich entspannen und darüber nachdenken, was Azruphel ihn erzählt hatte. Ob sie die Wahrheit sprach war ihm zweitrangig. Sie hatte mit Blut Frieden geschlossen und da sie ihr Volk der Númenorer so hoch schätzte, war das Blut eben jener besonders kostbar. Ob ihr die Bedeutung dieser Geste bewusst war? Er glaubt es nicht und setzte sich in seinem Untergewand auf die Bettkante. Sein Blick fiel auf die beiden Sessel, auf dem seine zuvor unerwünschten Besucherinnen gesessen haben. Noch nie hatte er an einem Abend so viel gesprochen wie heute. Seufzend ließ er sich in die Kisse fallen und schob alle Gedanken beiseite. Der Schlaf kam rasch und er fiel in einem erholsamen, traumlosen Schlummer.
« Letzte Änderung: 7. Jan 2019, 15:16 von Fine »

Eandril

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Re: Der königliche Palast
« Antwort #13 am: 12. Sep 2017, 15:24 »
"Bist du eigentlich verrückt geworden?", zischte Narissa leise, sobald sie sich durch den dunklen Gang ein gutes Stück von Aglarâns Tür entfernt hatten.
"Wieso?", gab Aerien offensichtlich verwundert zurück. "Du hast doch gehört, was er gesagt hat: Er hat sich von Mordor losgesagt - ebenso wie ich." "Sagen kann er viel. Er kommt aus Mordor, also liegt ihm das Lügen vermutlich im Blut." Narissa stockte, als Aerien unvermittelt stehen blieb, die Arme vor der Brust verschränkte und eine Augenbraue in die Höhe zog. "Entschuldige. Ich... mache mir nur Sorgen. Und ich habe bislang nicht allzu viele gute Erfahrungen mit Leuten aus Mordor gemacht. Ich wollte nicht..."
"Nein, ich weiß", meinte Aerien seufzend, und ging langsam weiter. "Aber ich habe mehr Erfahrung - und andere Erfahrung - mit Menschen, die aus Mordor stammen. Und Aglarân meinte es ehrlich, da bin ich mir sicher. Jedenfalls einigermaßen."
Sie hatten die Tür ihres Zimmers erreicht, und Narissa hielt sie für Aerien auf. Sie war nicht vollständig überzeugt, was die wahren Absichten dieses Finsterlings aus Mordor anging. Natürlich vertraute sie Aerien, und glaubte auch nicht, dass sie ihr etwas bewusst verschwieg. Aber Aerien träumte davon, die Nachfahren Númenors in Mittelerde wieder zu vereinigen. Vielleicht stand dieser Traum ihr im Weg wenn es darum ging, Aglarâns Täuschung zu durchschauen.
"Du bist dir so sicher, dass du einen Blutschwur mit ihm eingegangen bist." Narissa sagte es möglichst neutral, bemüht nicht vorwurfsvoll zu klingen, trat ans Fenster und sah hinaus in die sternenklare Nacht.
"Ich... ja, das bin ich wohl", erwiderte Aerien, und trat mit langsamen Schritten neben sie.
"Ich habe von solchen Blutschwüren gehört", sagte Narissa, und sah Aerien ins Gesicht. "Sie sind in Harad nicht allzu häufig, aber bei den barbarischen Völkern weit im Süden sollen sie üblicher sein. Du hast geschworen, dass ihr keine Feinde seid. Aber was ist mit mir? Oder mit König Músab und seiner Familie? Was, wenn Aglarân sie angreift? Solange er dich nicht bedroht, musst du nicht tatenlos dabei stehen und zusehen?"
"Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Aglarân dir etwas antun will, dann..." Aerien legte einen Arm um Narissa. "Dann bedeutet das, dass er auch mich als Feind sieht, und hat seinen Schwur damit als erster gebrochen. Und auch der König und seine Familie sind meine Verbündeten, auch wenn er sie angreift, bricht er seinen Schwur zuerst."
Narissa spürte, wie sich ihre eigenen verkrampften Schultern plötzlich entspannten. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass Aerien immer an ihrer Seite stehen würde - Blutschwur hin oder her - aber es aus ihrem eigenen Mund zu hören war erleichternd. "Und bis es soweit ist werde ich einfach besonders wachsam in seiner Nähe sein." Aerien seufzte. "Manchmal bist du fürchterlich misstrauisch, meine Liebe. Meinst du nicht, es könnte sinnvoller sein, Brücken zu bauen als sie einzureißen, um Sauron zu besiegen?"
"Das Brücken bauen überlasse ich gerne dir", erwiderte Narissa, und musste unwillkürlich grinsen. "Ich stehe nur daneben und passe auf, dass sie dir nicht unter den Füßen zusammenbrechen - und wenn doch, um dich wieder aus dem Fluss zu ziehen."
"Du bist wirklich unmöglich", meinte Aerien, doch ihre Stimme war sanft. "Ich zähle darauf, dass du mich aus dem Wasser ziehst, wenn ich den Boden unter den Füßen verliere." "Natürlich... immerhin kannst du nicht schwimmen." Aeriens Lachen ließ Narissa einen angenehmen Schauer den Rücken hinabrieseln. So ernst ihre Situation auch sein mochte, es konnte nie schaden zu lachen - und in letzter Zeit hatten sie das wirklich zu wenig getan.
Als sie schließlich im Bett lagen und Narissa die Augen geschlossen hatte, waren Aglarân und ihre Befürchtungen schon beinahe vergessen. Zumindest bis zum nächsten Morgen.

Aerien und Narissa in die Stadt
« Letzte Änderung: 13. Sep 2017, 23:24 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Ein Abendessen mit dem König
« Antwort #14 am: 21. Sep 2017, 08:13 »
Narissa und Aerien aus der Stadt


Als Aerien und Narissa am frühen Abend zum Palast von Kerma zurückkehrten, wartete eine Überraschung auf sie. Prinzessin Asáta stand vor der Tür zu ihrem Zimmer, mit gutgelaunter Miene und in Begleitung mehrerer Palastdiener.
"Ich habe mit meinem Vater gesprochen," sagte sie und nickte selbstzufrieden. "Er möchte heute beim Abendessen mit euch beiden über die Angelegenheit sprechen. Das ist ein gutes Zeichen, wie ich finde. Es beginnt in einer Stunde - kommt nicht zu spät!"
Narissa warf Aerien einen entschlossenen Blick zu. "Jetzt werden wir endgültig Schluss mit König Músabs Heiratsplänen machen."
"Hoffen wir, dass er auf die Alternative eingeht, die ihm seine Tochter vorgeschlagen hat," meinte Aerien, die sich mit Optimismus noch ein wenig zurückhielt.
"Das wird schon werden, Sternchen," erwiderte Narissa aufmunternd. "Du wirst es sehen."

Exakt eine Stunde später führte ein Palastwächter sie beide in einen der kleineren Räume im Palast, wo sie bereits von König Músab, seiner Tochter Asáta und seinem ältesten Sohn Tamal erwartet wurden, die gemäß der Sitte in Harad von ihren Stühlen am Tisch aufstanden und den Besuchern freundlich zunickten. Aerien stellte erfreut fest, dass neben zwei weiteren Kermern, die sie nicht kannte, auch Kani anwesend war, und ihr aufgeregt und fröhlich zuwinkte. Neben Kani waren zwei Plätze frei, und dort nahmen Narissa und Aerien rasch Platz, nachdem sie die Grußgeste vor dem König erwidert hatten - Narissa mit einer angedeuteten Verbeugung, Aerien mit einem angemessenen Knicks. Sie trug das schwarzsilberne Kleid, das Sahír ihr in Aín Séfra geschenkt hatte, während Narissa wieder die Tracht von Tol Thelyn trug, denn sie war der Meinung gewesen, dass dies an jenem Abend angemessen war - immerhin würde sich heute entscheiden, ob ein Bündnis zwischen Kerma und der Weißen Insel entstehen würde.
"Ich grüße euch, Narissa vom Turm, Enkelin des Hador Dúnadan, und Aerien von Haus Bereneth aus dem fernen Gondor," sagte der König. "Wie schön, dass ihr pünktlich hier seid."
"Vielen Dank für die Einladung, Qore Músab bin Kernabes von Kerma," antwortete Aerien.
"Ja, vielen Dank," fügte Narissa nach einer kleinen Pause hinzu.
Músab stellte die beiden anderen Kermer als Akhraten und Aspelta vor und gab dann seinen Dienern, die wartend in etwas Abstand zum großen Tisch gestanden hatten, ein Zeichen. Rasch begannen sie, das reichhaltige Essen aufzutragen. Der Raum, in dem sie saßen, schien eine direkte Verbindung zu den Küchen des Palastes zu besitzen. Der Tisch stand beinahe genau in der Mitte des Raumes. Músab, der am Kopfende des Tisches auf einem erhöhten Sitz saß, nickte seinen Gästen auffordernd zu, und sie begannen, zu essen.
Während der Mahlzeit tauschte Aerien sich mit Kani über ihren Besuch auf den Märkten aus, wenn sie nicht gerade mit Narissa auf Sindarin sprach. In der Elbensprache konnten sie ungestört darüber reden, ob ihnen das Essen schmeckte, was sie von den Gästen hielten und ob sich ihre Erwartungen an den Abend bislang erfüllt hatten.
Viele Trophäen der Jagd hingen an den Wänden des Raumes, und hinter Músab ragte eine große, gemauerte Feuerstelle samt Kamin auf. Die Wand, die Aerien und Narissa gegenüber lag, war von großen Fenstern eingenommen, die nun, da es draußen dunkel geworden war, von schweren, tiefroten Vorhängen bedeckt waren.
"Hinter dir hängen die Stoßzähne eines der mächtigen Mûmakîl, Aerien," sagte Kani stolz. Aerien drehte den Kopf herum und staunte nicht schlecht über die Größe der gekreuzt an der Wand hängenden Trophäen, die bis an die hohe Decke des Raumes ragten und geradezu unheilvoll hoch über ihrem Kopf in scharfen Spitzen endeten.

Als alle ihre Mahlzeit beendet hatten, klatschte Músab in die Hände, und die Diener räumten den Tisch ab. Einen der Bediensteten nahm Músab beiseite, raunte ihm einige Anweisungen zu und übergab dem Kermer einen versiegelten Brief. Rasch eilte der Mann damit hinaus. Dann wandte sich der König wieder seinen Gästen zu.
"Ihr alle seid heute Abend hier, weil es wichtige Angelegenheiten zu besprechen gibt," sagte er mit einem strengen Unterton. "Ihr wisst, wovon ich spreche: Die Frage, ob das Königreich von Kerma ein Bündnis mit den Turmherren von Tol Thelyn eingehen soll, und welche Bedingungen wir dafür einfordern."
Prinzessin Asáta nahm das Wort. "Ich habe nach einem Gespräch mit Aerien und Narissa lange über diesen Vorschlag nachgedacht und bin der Meinung, dass nur eine Heirat zwischen unseren beiden Häusern beiden Seiten genug Sicherheit und Vertrauen verschafft, um dieses Bündnis einzugehen."
Neben Aerien regte sich Narissa in ihrem Stuhl, doch es gelang Aerien, ihre Freundin zu beruhigen, indem sie ihr sanft die Hand auf den Unterarm legte. "Daro," wisperte sie so leise sie konnte in der Elbensprache. Warte.
Asáta sprach weiter. "Narissa, ich verstehe, dass du darauf nicht eingehen willst. Dass dir der Preis zu hoch ist. Ich verstehe es nur allzu gut, denn auch ich wäre womöglich eines Tages als Besiegelung für ein Bündnis mit einem Fremden verheiratet worden, wenn mein Vater dies nicht von Anfang an ausgeschlossen hätte." Bei diesen Worten warf sie dem König einen raschen, dankbaren Blick zu. "Und deshalb habe ich nach einem Weg gesucht, um dir dieses Schicksal zu ersparen. Ihr wisst bereits, wovon ich spreche, denn ich hatte es vor einigen Tagen kurz angedeutet: Das Königssymbol von Kerma."
Alle anwesenden Kermer bis auf Músab und Asáta selbst sogen scharf die Luft ein, als die Prinzessin diese Worte sprach. Sie erhob die Hand und fuhr fort: "Vor langer Zeit ging das wichtigste Erbstück von Anlamanis Linie verloren, und alle, die seither danach gesucht haben, sind entweder erfolglos geblieben oder haben nichts als den Tod gefunden. Dieses Symbol - geschnitzt aus dem Zahn des Schwarzdrachen Arkhasias - gehört in die Hände des Königs. Wer auch immer es dem Volk präsentiert, besitzt den stärksten Anspruch auf den Thron Kermas. In diesen schwierigen Zeiten, wo erneut Krieg über unsere Heimat zu ziehen droht, wäre dieses Erbstück noch von größerem, unschätzbarerem Wert. Es könnte den Krieg gänzlich abwenden."
"Das Königssymbol ist unauffindbar," warf Tamal, der Erbe von Kerma ein. "Du weißt, wie viele in all den Jahren danach gesucht haben. Die Gesandten von Tol Thelyn werden auf dieser Suche umkommen, und dann haben wir einen Feind mehr."
"Auch ich mache mir Sorgen um eure Sicherheit," warf Músab ein. "Zwar zweifle ich nicht an euren Fähigkeiten, doch um ehrlich zu sein: Es haben schon andere, deutlich erfahrene Abenteurer versucht, den Zahn des Arkhasias zu finden. Ihr beiden seid junge Frauen."
"Was soll das denn heißen?" empörte sich Narissa. "Glaubt Ihr etwa, wir hätten nicht das Zeug dafür?"
Músab hob beschwichtigend die Hände. "Wie mein Sohn korrekt erkannt hat, liegt ein gewisses Risiko für Kerma darin, euch beide auf die Suche nach dem Königssymbol zu entsenden. Was, wenn ihr scheitert und sterbt? Dann müsste ich einen Boten nach Tol Thelyn entsenden, und dem Herrn des Turms erklären, dass seine einzige Nichte durch meine Verantwortung umgekommen ist."
"Wir werden aber nicht scheitern," gab Narissa etwas patzig zurück. "Ihr werdet es sehen."
Aerien hatte einen Einfall, und sie sagte. "Gehe ich recht in der Annahme, dass all jene, die sich in den vergangenen Jahren auf die Suche nach dem Symbol gemacht haben, Kermer waren?" Als Asáta nickte, fuhr sie fort: "Nun, vielleicht gelingt es uns, die wir beide nicht von hier stammen, Hinweise aufzudecken, die den Kermern bislang entgangen sind."
Músabs Gesichtsausdruck zeugte von Misstrauen und Zurückhaltung, doch als er seine Tochter anblickte, schmolz ein Teil davon dahin. Schließlich seufzte der König leise und sagte dann: "Nun denn. Es sei also. Ich werde das Bündnis anerkennen, wenn ihr mir das Königssymbol Anlamanis bringt. Doch wenn ihr geht, geht ihr auf eigene Verantwortung. Ihr werdet eine Nachricht nach Tol Thelyn entsenden, ehe ihr aufbrecht, und darin die Umstände erklären. Ich werde nicht für euren Tod verantwortlich sein."
Erneut regte sich Narissa, um zu protestieren, doch Aerien hielt sie erneut zurück. "Wir schaffen das," erinnerte sie Narissa an ihre eigenen Worte."
Narissa blickte ihr in die Augen - eine Sekunde, eine weitere, und dann noch eine - ehe sie sich wieder Músab zuwandte. "Wir nehmen das Angebot an. Wir werden dieses Ding finden - verlasst euch drauf."
"Meine Tochter wird euch alle Hinweise zukommen lassen, die sich hier im Palast finden lassen," sagte der König. "Plant eure Reise sorgfältig. Es mag von eurem Erfolg abhängen, ob der Krieg in Kerma abgewendet werden kann."
Aerien und Narissa nickten, ehe sie sich erhoben und zum Abschied angemessen vor Músab verbeugten. Dann eilten sie aus dem Raum, beide mit gemischten Gefühlen. Doch auf Narissas Gesicht sah Aerien Entschlossenheit und Abenteuerlust, und das steckte sie an. Sie ergriff Narissas Hand, während sie sich auf den Rückweg zu ihrem Zimmer machten.
"Wir schaffen das!" rief Narissa.
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