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Autor Thema: Fornost: Das Versteck des Sternenbundes  (Gelesen 27008 mal)

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Fornost: Das Versteck des Sternenbundes
« am: 22. Feb 2016, 23:49 »
Gandalf, Belen, Rilmir, Mablung und Kerry mit dem Sternenbund aus der Stadt


Mablung öffnete das alte Tor und trat ein. Die Gruppe folgte ihm in einen gemauerten Gang, in dem Treppen steil nach unten führten. Gleich darauf kamen sie in eine große, dunkle Halle.
"Mithrandir, könntest du für etwas Licht sorgen?" fragte Mablung.
Gandalf hob seinen Stab, der zunächst nur leicht flackerte. Einen Augenblick später erstrahle er leuchtend und warf helles Licht an die alten Wände der Halle.
Sie standen in einer gewaltigen Waffenkammer. Kerry sah Schwerter, Schilde, Speere, Helme und Rüstungen, die sie kaum zählen konnte. Damit könnte man ein ganzes Heer bewaffnen!
"Willkommen in der Rüstkammer der Könige Arnors," sagte Mablung mit einem zufriedenen Lächeln.

Noch einige Zeit lang erkundeten sie die weitläufigen Kammern, die größer waren als sie erwartet hatten. Nicht nur Waffen und Rüstungen fanden sie, sondern auch Bögen und Pfeile, deren Spitzen wie Sterne geformt waren. Die Dúnedain gingen staunend von Raum zu Raum und blickten die meisterhaft geschmiedeten Gegenstände ehrfürchtig an.
Belen hingegen schien weniger erfreut zu sein. "Warum wurde dieser große Schatz meines Volkes so viele Jahre lang vor ihm verborgen?" verlangte er zu wissen. "Oft schon hätten wir diese Waffen gut gebrauchen können. Vielleicht hätten unsere Vorfahren hiermit das Nordreich nach Earnurs Sieg wieder neu errichten können!"
"Seht selbst," sagte Mablung und führte den Stammesführer und Gandalf zum hintersten Raum in der Rüsthalle. Kerry und Rilmir folgten ihnen neugierig.
"Hier findet sich des Rätsels Antwort," sagte der Waldläufer Ithiliens und zeigte auf eine alte Steintafel, die an der Rückwand prangte. Tengwar-Runen waren darin eingegraben. Gandalf trat heran und las vor:

"Hier mögen die Klingen Arnors ruhen, bis sich das nördliche Königreich erneut erhebt.
Dieser Tag soll nicht kommen bevor nicht erneut der Krieg Arnor überzieht.
In jener Zeit werden die meisten seiner Söhne ihren Auftrag vergessen und ihre Herzen werden erkalten.
Doch jene, die treu bleiben, werden großen Ruhm ernten, wenn die Zeit reif ist.
Dies sind die letzten Worte Malbeths, des Sehers, der nach dem Sieg in Fornost verstarb.
Bezeugt haben es Earnur von Gondor und Glorfindel von Imladris, die diese Kammer versiegelten."

Unter den Runen prangten gut sichtbar drei Wappen. "Der Baum Gondors, das Siegel von Imladris und in der Mitte der Stern Elendils, das alte Zeichen der Könige des Nordens," stellte Belen fest. "Also hat man diese Rüsthalle aufgrund der Worte des Sehers versiegelt. Interessant. Ich wusste nicht, dass Malbeth den Fall von Fornost überlebt hatte."
"Offenbar lebte er nicht mehr sehr lange," meinte Mablung. "Doch nun sollten wir einen Plan schmieden was wir mit den Waffen anstellen."
"Wir werden alle in der Stadt bewaffnen, die sich uns im Aufstand gegen Sarumans Schergen anschließen wollen," sagte Belen entschlossen.
"Das wird schwierig werden," antwortete der Waldläufer des Südens. "Die meisten Menschen werden von den Dienern des Zauberers - ob sie nun aus Dunland, Bree oder Arnor stammen - dazu gezwungen, die Stadt wieder instand zu setzen. Offenbar geht es darum, die Stadt wieder zu einem Symbol des Glanzes Arnors zu machen, wie es Saruman den Dúnedain versprochen hat."
"Unser Volk selbst sollten Fornost wieder neu errichten, nicht diese armen Kriegsflüchtlinge," warf Rilmir ein.
"Wieviele Dúnedain sind in der Stadt?" fragte Belen.
"Ich habe nur wenige geshen," gab Mablung zurück. "Nicht mehr als ein Dutzend. Sie halten sich im bereits reparierten Teil der Stadt auf, ein Stück westlich von hier."
"Wie üben die Sarumantreuen ihre Kontrolle aus? Was geschieht mit jenen, die sich widersetzen?" wollte der Anführer des Sternenbunds wissen.
"Ich weiß es nicht genau," musste der Gefragte eingestehen. "Immer wieder hört man Gerüchte, dass die Aufsässigen einfach verschwinden. In einem abgeriegelten Teil der Stadt soll es sogar Orks geben, die alle umbringen die man dorthin schafft. Mehr habe ich noch nicht herausfinden können ohne den Aufsehern aufzufallen."
"Das hilft uns für unseren Plan bereits ein gutes Stück weiter. Hab' Dank, Bruder," sagte Belen herzlich und lächelte zufrieden.

Noch eine ganze Weile berieten sich die Dúnedain weiter. Kerry wurde das Ganze schon bald zu eintönig. Sie wollte die alte Stadt erkunden, bevor es draußen zu dunkel dafür werden würde.
Ich will wissen, wie es hier zugeht. Der Sternträger macht gerne große Worte, aber für mich wird es Zeit für Taten. Ein bisschen Frischluft wird mir gut tun - hier drin kann ich den Staub von Jahrhunderten quasi schon auf der Zunge schmecken.
Sie kam zur Tür, an der Belen zwei seiner Männer postiert hatte. Da tippte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Ich komme mit dir, Kerry," sagte Rilmir.
"Bist du die Reden des Sternträgers auch langsam leid?"
"Wer... ach, du meinst Belen? Der mit dem Sternenreif? Kerry, das ist der Elendilmir des Nordens! Die Krone der Könige Arnors!"
"Ja, und weiter?" gab sie achselzuckend zurück.
Rilmir blinzelte. "Das ist eines der wichtigsten Erbstücke der Erben Isildurs und wird vom Stammesführer der Dúnedain getragen..." Er blickte sie an und brach ab. "Wie dem auch sei. Ich habe draußen einen kleinen Auftrag für Belen zu erledigen. Wenn du sowieso 'raus gehst, möchtest du mich begleiten?"
"Sehr gerne, Dúnadan!"
"Gut - ohne mich würdest du dich zweifellos in der Stadt verlaufen."
Die beiden Waldläufer die das Tor bewachten lachten, doch Kerry zog die Augen zu Schlitzen zusammen. "Sehr witzig, Dúnadan," sagte sie. Rilmir ging aber nicht darauf ein sondern führte sie hinaus auf die Straßen der Stadt.

Als sie einige Zeit darauf zum Versteck zurückkehrten, waren sie nicht länger zu zweit, sondern zu fünft. Denn Rilmir hatte am westlichen Tor einige zusätzliche Verbündete getroffen.
Er und Kerry hatten Fornost im rötlichen Licht der untergehenden Sonne in westlicher Richtung durchquert. Wie Mablung erzählt hatte waren die Häuser in dem Teil der Stadt, in den sie nun gekommen waren, in deutlich besserem Zustand, auch wenn zu dieser Tageszeit nicht mehr daran gearbeitet geworden war. Hier waren auch weniger Menschen unterwegs gewesen und Kerry war aufgefallen, dass die meisten gebührenden Abstand zu Rilmir gehalten hatten - ob aus Respekt oder aus Furcht konnte sie nicht sagen. Sie erkennen, dass er zu den Dúnedain Sarumans gehört, hatte sie festgestellt. Ich hoffe nur, wir treffen niemanden, der die Täuschung auffliegen lässt. Das könnte dann sehr schnell... unangenehm werden.

Wenige Zeit später hatten sie das westliche Nebentor Fornosts erreicht und es durchquert. Dort hatte sich ihnen ein faszinierender Ausblick über die sanft in Richtung von Annúminas abfallende grüne Ebene von Arthedain geboten. Sie waren einige Schritte an der Außenmauer entlang gegangen und gerade als Kerry sich zu fragen begonnen hatte, was Rilmir an diesem Ort wohl wollen könnte, hatte sie entdeckt, dass ihnen von Südwesten drei Gestalten entgegen gekommen waren. Dabei hatte es sich um drei in typische Waldläuferausrüstung gekleidete Menschen gehandelt: zwei Frauen und ein Mann.
"Willkommen, Freunde, in Fornost! Ihr kommt gerade rechtzeitig," hatte Rilmir sie lächelnd begrüßt. "Kerry, dies sind Avaron, Mírlinn und Finnabair. Sie gehören auch zum Sternenbund. Avaron, Mírlinn, Finnva - dies ist Kerry, eine Freundin von mir.
"Eine Freundin", mehr bin ich also nicht für ihn... hatte Kerry in diesem Moment gedacht als sie ihn die Gesichter der Neuankömmlinge geblickt hatte. "Hallo," hatte sie gesagt und versucht, sich nichts anmerken zu lassen.
Avaron und Mirlinn besaßen das für gewöhnlich dunkle Haar und die grauen Augen der Dúnedain, doch Finnabairs Haare waren von auffälligem Rot und ihre Augen waren blau. Sie war etwas größer als Kerry und schien Rilmir schon lange zu kennen wie die herzliche Umarmung gezeigt hatte, die sie dem Dúnadan gab. Kerry verspürte einen Stich in ihrem Herzen, wenn sie jetzt daran dachte Fühlt sich so etwa Eifersucht an? fragte sie sich.
Zu fünft hatten sie sich auf den Rückweg zur versteckten Rüsthalle im alten Adelsviertel gemacht. Die Straßen waren nun nach Einbruch der Dunklheit nahezu leergefegt gewesen und so hatten sie ungehindert wieder zum Rest des Sternenbunds stoßen können.

"Tja, da wären wir," sagte Rilmir.  "Hier hat Belen nun unser Versteck einrichten lassen." Sie durchquerten die Halle, in der nun das Licht einiger brennender Fackeln den Boden beleuchtete.
Die Beratungen Belens waren offenbar abgeschlossen, denn der Stammesführer hatte sich inzwischen zur Nachtruhe zurückgezogen. Die Dúnedain hatten mehrere vormals leer stehende Zimmer zu neuen Unterkünften für die Gruppe hergerichtet und Mablung war zu seinem eigenen Wohnsitz in der Nähe des Marktes zurückgekehrt.
Kerry wünschte Rilmir eine gute Nacht und begab sich in den Raum, in dem die Frauen des Sternenbunds übernachteten, um schon bald darauf in einen tiefen Schlaf zu fallen.
« Letzte Änderung: 18. Okt 2016, 10:18 von Fine »
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Gandalfs Entschlossenheit
« Antwort #1 am: 14. Mär 2016, 21:33 »
Kerry wurde von Finnabair, der alten Bekanntschaft Rilmirs unsanft geweckt.
"Na komm, steh' schon auf," sagte die Frau als sie Kerry schüttelte. "Du wirst noch das Frühstück verschlafen."
Kerry setzte sich auf und blickte sich um. Bis auf Finnabair und sie selbst war der Raum leer, in dem in der Nacht noch fünf Frauen geschlafen hatten - Mírlinn und zwei weitere Dúnedain und dazu die rothaarige Freundin Rilmirs sowie Kerry selbst.
"Hat Rilmir dich geschickt?" wollte sie wissen.
Finnabair nickte. "Hat er. Und wenn du ihn nicht enttäuschen willst kommst du besser mit."
"Woher kennst du den Dúnadan?" fragte Kerry als sie aufstand und sich eilig anzog.
"Geht dich nichts an," antwortete Finnabair unfreundlich.
"Ich wollte doch nur..."
"Still jetzt," wurde Kerry scharf unterbrochen. "Du bist neugieriger als es gut für dich ist, kleine Abenteurerin."
Bevor sie darauf antworten konnte stürmte Finnabair aus dem Raum. Verwirrt blickte Kerry ihr nach.
Oha, dachte sie. Ganz schön temperamentvoll, Rothaar. Hast wohl nie gelernt, mal richtig zu entspannen, was?

Sie folgten den Stimmen, die durch die alten gemauerten Räume hallten und kam in eine kleine Halle, die sie am Tag zuvor noch nicht besucht hatte. Hier saßen die Mitglieder des Sternenbunds an einer großen Tafel und frühstückten. Schnell ließ sie sich auf dem leeren Stuhl zwischen Rilmir und Mírlinn nieder.
"Da bist du ja endlich, Schlafmütze," begrüßte der Dúnadan sie.
"Deine liebenswürdige Freundin hat mich geweckt," sagte Kerry.
"Finnva? Oh, mach' dir keine Gedanken. Ihr Ärger ist schnell verraucht," beschwichtigte Rilmir sie. Ein Blick zum anderen Ende des Tisches zeigte Kerry, dass er damit Recht hatte: Dort saß Finnabair und unterhielt sich mit Belen, ohne eine Spur von Verärgerung zu zeigen.
"Wer ist sie?" fragte Kerry. "Ist sie auch eine Dúnadan?"
"Nein, sie stammt von den Bergmenschen Rhudaurs ab," erklärte Rilmir. "Ihr Verlobter, Halmir, war Teil der Grauen Schar - die Gruppe, die mit Belen und Halbarad, unserem Hauptmann, nach Süden zog um Aragorn in Gondor beizustehen."
Innerlich atmete sie auf. Sie ist also die Verlobte eines Anderen, dachte sie. "Kann man ihr vertrauen?"
"Natürlich kannst du das. Zwar fließt durch ihre Adern nicht das Blut von Númenor, doch sie ist eine gute Kämpferin und unserer Sache treu ergeben. Aber verärgere sie nicht, wenn du es vermeiden kannst," sagte Rilmir und zwinkerte ihr zu.
"Ich werd's versuchen," sagte Kerry und wandte sich dem Frühstück zu.

Gegen Ende des Vormittags fiel ihr auf, dass Gandalf nirgends zu sehen war. Alle Dúnedain waren damit beschäftigt, die Waffen und Rüstungen in der großen Halle zu sortieren und eine Bestandsliste anzufertigen, doch vom Zauberer gab es keine Spur. Kerry erkundete eine Zeit lang das alte Gemäuer und fand schließlich eine lange Wendeltreppe, die hinter einem alten herunterhängenden Banner mit den Sieben Sternen Arnors darauf verborgen gewesen war. Sie folgte der Treppe bis auf das Dach der alten Rüstkammer wo sie Gandalf schließlich entdeckte.
Der Zauberer stand an der Südkante des Daches und blickte über die Stadt hinaus, scheinbar tief in Gedanken. Kerry setzte sich neben ihn und ließ die Beine baumeln. Einige Minuten verstrichen ohne dass jemand ein Wort sprach. Schließlich blickte sie zu Gandalf auf.
"Erinnerst du dich an den Tag, an dem du nach Edoras kamst?" fragte sie leise.
Gandalfs Blick fixierte sie. "Ich war oft in der Königsstadt," sagte er. "Dennoch weiß ich, welchen Tag du meinst. Du warst damals auch dort, nicht war?"
"Ja," antwortete Kerry. Sie konnte sich noch genau erinnern.



Sie war aufgeregt. Endlich würde sie ihren Vater besuchen können. Déorwyn war sechzehn, doch in den Straßen der Stadt fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen. Sie war das Leben in einem kleinen Dorf wie Hochborn gewohnt.
Ihr rotbraunes Kleid flatterte im Wind als sie die Stufen zur Goldenen Halle hinaufeilte. Der Torwächter, der sie begleitete, schnaufte lautstark als er sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten. Schon erreichten sie die große Plattform am oberen Ende. Und da stand er: Speer und Schild fest in der Hand und in die prunkvolle Rüstung der königlichen Garde gehüllt: Ihr Vater. Er nahm den Helm ab, als er sie sah, und ein strahlendes Lächeln kam zum Vorschien.
"Déorwyn, Déorwyn, wie gut tut es, dich zu sehen, meine Tochter!"
"Vater!" rief sie und legte die letzten Meter zu ihm im Laufschritt zurück. Sie schlang die Arme um ihn und spürte, wie das harte Metall seines Brustpanzers gegen ihre Wange drückte. Es war ihr egal.
"Solch eine freudige Begrüßung täte uns allen gut," sagte eine neue Stimme. Sie blickte zur Seite und sah einen zweiten Gardisten, der freundlich lächelte. "Allzu selten sehen wir so etwas in diesen Tagen," fügte der Mann hinzu. Sie kannte seinen Namen: Háma, der Hauptmann der königlichen Wache.
"Grüß' Euch, Hauptmann Háma. Ich fürchte, Ihr müsst euch selbst eine Tochter wie mich zulegen um in den Genuss von Begrüßungen wie dieser zu kommen," gab sie neckisch zurück.
Die Männer lachten. Ihr Vater führte sie zum Eingang Meduselds. "Geh hinein, und sieh es dir an. Ich werde hier auf dich warten."
"Danke!" antwortete sie und trat durch das Tor ins Innere der Großen Halle. Lange schon hatte sie sich gewünscht, den Sitz der Könige Rohans zu besuchen, denn nur wenigen war es gestattet, sie zu betreten. Da kam es ihr sehr zugute, dass ihr Vater ein Gardist war und von Háma die Erlaubnis erhalten hatte, sie hineinzulassen.

Drinnen war es dunkel. Die Wandteppiche, die sie hatte bewundern wollen, lagen allesamt im Schatten, bis auf einen: Ein junger Mann auf einem weißen Ross, der durch spritzendes Wasser ritt. Sie bog nach links ab und ging unter den hohen Säulen entlang. Die Menschen in der Halle schenkten ihr verwunderte Blicke, doch niemand sprach ein Wort. Sie sah viele Männer, die finstere Mienen aufgesetzt hatten - die Diener Schlangenzunges, des Beraters des Königs. Und auch Gríma selbst konnte sie nun sehen als sie dem Thron näher kam: Gehüllt in schwarze Gewänder stand er neben dem kunstvoll geschnitzten Sitz, auf dem der König in sich zusammengesunken kauerte. Schlangenzunges Blick streifte Déorwyn, doch bevor er etwas sagen konnte wurden die Tore am anderen Ende weit aufgestoßen und fünf Gestalten traten herein.

Háma ging voran, doch alle Blicke hefteten sich auf den ersten der Eindringlinge: Ein alter aber dennoch stattlicher Mann in ein graues Obergewand gehüllt und mit langen, weißen Haaren und Bart.
Schlangenzunge beugte sich zum König hinüber und flüsterte ihm leise Worte ins Ohr.
"Die Höflichkeit in Eurer Halle hat letzthin etwas nachgelassen, Théoden König!" sprach Gandalf - denn um niemand anderen als den Zauberer konnte es sich handeln.
Mit Staunen verfolgte Déorwyn, wie Gandalf zuerst mit Schlangenzunge fertig wurde und danach vor den König trat. Das helle Licht, das er mit einem Mal ausstrahle blendete sie, und als sie die Augen wieder öffnete war Théoden wie verwandelt. Die Müdigkeit und Furcht waren aus seinem Gesicht gewichen und neue Kraft schien ihn erfüllt zu haben. So nahm Gandalf der Weiße den Bann Sarumans von Rohans König.

Noch mehr Wunder sah Déorwyn an diesem Tag. Nie zuvor hatte sie einen Zwerg gesehen und mit Staunen beobachtete sie den Begleiter Gandalfs von Weitem. Doch dann verließ Théoden die Goldene Halle und sie blieb zurück. Nun endlich konnte sie sich das Innere von Meduseld in Ruhe anschauen, denn man hatte die Fenster am oberen Rand geöffnet um Licht und frische Luft hineinzulassen.
Niemals würde sie diesen Tag und den Auftritt Gandalfs des Weißen vergessen. Denn nachdem Théoden befreit worden war hatte der Zauberer Déorwyn einen kurzen Moment lang angeblickt, ohne etwas zu sagen, bevor er sich wieder dem König zugewandt hatte.




Kerry beendete ihre Geschichte. Gandalf hatte sich inzwischen neben sie gesetzt und seine Pfeife angezündet. Rauchringe stiegen in die Mittagsluft empor und der Zauberer nickte leicht. "Es kommt mir schon so lange her vor," sagte er.
"Alle Maiden der Riddermark schwärmten damals für Éomer, den Schwestersohn des Königs. Er war jung, gutaussehend und heldenhaft und widersetzte sich den Geboten Schlangenzunges. Alle beneideten Meregyth aus der Fennmark, die ihm versprochen war," sagte Kerry.
"Auch du?" fragte Gandalf belustigt.
Kerry errötete leicht. "Ach, Gandalf. Ich war sechzehn und voller hoffnungsvoller Träume. Natürlich war ich dabei."
"Nun, offenbar hast du es nicht verlernt, verliebt zu sein," sagte Gandalf der eine Augenbraue hochgezogen hatte. "Deine Blicke in Richtung eines gewissen Dúnadan verraten dich."
"Oh," machte Kerry und spürte, wie ihre Wangen sich erwärmten als das Blut hindurchschoss. "Es ist dir also aufgefallen."
Gandalf nickte nur.
"Ich habe mich also seitdem nicht verändert," sagte Kerry. "Du dafür umso mehr. Was ist aus dem kraftvoll und mutig auftretenden Weißen Zauberer geworden, der so entschlossen seine Ziele verfolgte? Was ist mir dir geschehen, Gandalf?"
Er blickte sie mit einem stechenden Blick an. "Ich kann nicht ewig weiterkämpfen, Kerry. Meine Kraft habe ich im Krieg gegen Sauron verbraucht. Meine Pläne sind gescheitert und meine Freunde gefallen oder in Gefangenschaft. Zwar liegt nun Sarumans Bann nicht mehr auf mir, doch spüre ich, dass ich nicht mehr derselbe wie zu Beginn dieses Krieges bin. Ich habe zu oft versagt."
"Du hast Rohan vom Schatten Mordors befreit," wandte Kerry ein.
"Nicht allein", sagte Gandalf. "Mutige Gefährten standen mir bei und nahmen mir die schwersten Aufgaben ab. Celebithiel war es, die den Mund Saurons erschlug, nicht ich."
"Gib nicht auf, Gandalf", wisperte Kerry. Doch sie spürte, dass der Zauberer im Innern bereits aufgegeben hatte.
Er gab ihr keine Antwort. Einige Zeit blieben sie schweigend auf dem Dach sitzen bis Kerry sich schließlich erhob und die Treppe nach unten nahm. Sie hoffte, Gandalf würde eines Tages wieder zu der Entschlossenheit und Stärke finden, die er damals in Edoras gezeigt hatte.

Sie hatte Gandalf tief in Gedanken versunken auf dem Dach der Rüsthalle zurückgelassen und war ins Innere zurückgekehrt, wo Kerry Rilmir antraf, der sich mit Finnabair unterhielt.
"He, Kerry, da bist du ja," begrüßte er sie. "Ich hatte mich schon gefragt, wo du dich wohl herumtreibst."
"Ich treibe mich nicht herum," gab Kerry zurück. "Ich habe mit Gandalf gesprochen."
"Ah, Mithrandir! Ich freue mich, dass ihr euch gut versteht," antwortete Rilmir. Er stand von dem Tisch auf an dem er gesessen hatte und zeigte zur Tür. "Finnva und ich werden uns etwas in der alten Stadt umsehen und Neuigkeiten einholen."
"Du willst sie mitnehmen?" unterbrach Finnabair den Waldläufer.
Rilmir blickte die Rhudaurerin etwas verwundert an. "Ja, wieso nicht? Sie leistet mir immer gute Gesellschaft."
Finnabair setzte einen zweifelnden Blick auf. "Na, wenn du meinst."
Kerry wunderte sich über diese Reaktion. "Was soll das denn heißen?"
"Oh, vertragt euch, meine Damen," sagte Rilmir lachend. "Bei meinem Streifzug durch Fornost ist Platz für euch beide. Sechs Augen sehen mehr als vier!"
So brachen sie zu dritt auf, verließen das Versteck des Sternenbundes und betraten die Straßen Fornosts.


Rilmir, Finnabair und Kerry auf die Straßen Fornosts
« Letzte Änderung: 15. Okt 2016, 13:13 von Fine »
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Gedanken in der Nacht
« Antwort #2 am: 17. Mär 2016, 09:39 »
Mablung und Kerry aus der Stadt


Am späten Nachmittag erreichten die beiden die Rüstkammer. Drinnen fand Kerry die Waldläuferin Mírlinn vor, die gemeinsam mit Finnabair nach Fornost gekommen war.
"Ich habe eine Frage," sagte sie geradeheraus und setzte sich gegenüber von Mírlinn an den Tisch.
Die Dúnadan blickte sie freundlich an. "Was willst du wissen, Rohíril?"
"Rothaar. Was stimmt nicht mit ihr? Sie hatte vorhin einen ziemlich heftigen Zornesausbruch," erzählte Kerry. "Sie sagte, sie würde ins Land der Schatten gehen. Was steckt da dahinter?"
Mírlinn blickte sie verwundert an. "Darüber weiß ich nichts. Ich kenne Finnabair nur flüchtig. Ich verstehe nicht, wieso sie nach Mordor gehen will."
"Aber ich verstehe es," sagte eine raue Stimme hinter ihr. Es war Belen. "Denn ich bin dort gewesen."
Kerry blickte den Anführer des Sternenbundes fragend an. Dieser setzte sich langsam neben sie auf die hölzerne Bank und seufzte leise.
"In der entscheidenden Schlacht am Morannon kämpften wir - die Graue Schar, dreißig Dúnedain, unsere besten Krieger - mit Aragorn, unserem Stammesführer. Viele starben einen heldenhaften Tod, doch einige wenige von uns ergriff man lebendig. Darunter waren auch mein Vetter Halmir und ich. Viele dunkle Tage verbrachten wir in den Kerkern der Türme der Zähne und mussten endlose Folter über uns ergehen lassen. Als sich die Gelegenheit zur Flucht bot ergriffen wir sie beim Schopf. Zu zweit flüchteten wir über die verfluchten Ebenen vor dem Schwarzen Tor, doch wurde unser Entkommen bald entdeckt. Um mir die Flucht zu ermöglichen, stellte sich Halmir unseren Verfolgern. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist."
"Was hat das alles mit Finnabair zu tun?" fragte Kerry leise obwohl sie bereits eine Ahnung hatte wohin Belens Erklärung führen würde.
"Sie ist Halmirs Verlobte," antwortete er. "Er rettete sie eins vor zwei wilden Wargen, die sie in den Wäldern Rhudaurs überfielen. Und er gewann ihr Herz und ihre Liebe. Seitdem steht sie treu zu unserer Sache weil auch ich treu zu ihrer stehe: Wir werden Halmir retten. Wenn die Zeit gekommen ist werden wir ihn aus den Schatten Mordors befreien."
Kerry war nun klar, wovon Finnabair gesprochen hatte.
Die Bestien und das Schattenland. Natürlich.

Am späten Abend kehrte Rilmir zurück, doch mochte er nicht erzählen, wer der geheimnisvolle Fremde gewesen war, den er am Marktplatz getroffen hatte. Kerry nahm es ihm nicht übel. Jeder von uns hat wohl seine Geheimnisse. Vielleicht werde ich schon bald auch so erfahren, mit wem er dort gesprochen hat. Sie nahm sich vor, ihre Gefühle genau zu prüfen und sicherzugehen, dass sie den Dúnadan wirklich liebte. Finnabairs Worte hatten Wirkung hinterlassen.

Kerry saß noch bis spät in die Nacht auf dem Dach, tief in Gedanken versunken. Die Beine über der Kante des flachen Daches baumeln lassend beobachtete sie mit abwesendem Blick die wachsende Dunkelheit über Fornost und sah zu, wie die Lichter der Fackeln und Laternen nach und nach verlöschten. Ihre Gedanken waren bei den Ereignissen des Tages und bei Rilmir, doch sie bemerkte auch, wie die ständige Aktivität der Stadt langsam nachließ. Am großen Tor jedoch, das von ihrer Position aus gut sichtbar war obwohl es beinahe am anderen Ende der Stadt lag, wurden die Fackeln nicht gelöscht. Die Wachen der Weißen Hand dort blieben aufmerksam auf ihrem Posten.

Verträumt spielte sie mit der Spitze ihres Zopfes, der ihr über die rechte Schulter fiel.
Wie stellt man fest, ob ein Gefühl echt ist? Wie kann ich herausfinden, wie wieviel ich für den Dúnadan empfinde?
Sie stellte sich vor, dass Rilmir in einer Festung des Bösen gefangen läge und keine Hoffnung auf Flucht für ihn bestünde. Würde ich losziehen um ihn zu retten, um jeden Preis? Würde ich alles aufgeben und vielleicht bei dem Versuch sterben? Sie wusste es nicht. Ich bin keine Kämpferin. Ich kann nicht einmal ein Schwert anständig halten. Sogar Pippin ist gefährlicher als ich.
Als sie an den Hobbit dachte stahl sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. Wie es ihm und Merry wohl geht? Ich hoffe, sie haben keine Probleme damit, den Rest von Sarumans Strolchen aus dem Auenland zu werfen. Ihre Meinung über Hobbits hatte sich seit ihren Reisen durch das Auenland deutlich geändert und sie wusste nun, dass man die gutmütigen Halblinge nicht unterschätzen durfte. Merry und Pippin sind so mutig und entschlossen, dachte sie. Und ich bin nur ein dummes, verliebtes Mädchen in einer Stadt voller Gefahren. Rothaar hat recht. Ich sollte nicht hier sein.
Fornost kam ihr mit einem Mal groß und uneinladend vor. Was mache ich hier überhaupt noch, dachte sie. Ich kann dem Sternenbund nicht helfen. Ich bin wegen dem Dúnadan mitgekommen und jetzt komme ich mir wirklich wie ein Kätzchen vor, das ihm nur nachläuft wohin er auch geht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und mit einem Mal war ihr alles zuviel - Traurigkeit stieg in ihr auf und schnürte ihr die Kehle zu. Schluchzend saß sie dort auf dem Dach und ließ den Tränen freien Lauf.

Mehrere Minuten später begann sie langsam, sich wieder etwas zu beruhigen. Ein Bild ihrer Mutter erschien unvermittelt vor ihrem inneren Auge, wie sie vor dem kleinen Haus in Hochborn auf einer Bank saß und die Sommersonne genoss.
Es war eine unschuldigere Zeit gewesen, eine sorgenfreie Zeit. Vor dem Krieg. Bevor die Schatten Hochborn erreicht hatten.
Kerry zwang sich, ihre Vergangenheit auszublenden, doch in die entstandene Lücke drangen wieder Finnabairs Worte.
"Du Heuchlerin! Was verstehst du schon von Liebe..."
Kerry wusste, dass die heißblütige Rhudaurerin recht hatte. Doch wusste sie nicht, wie sie damit umzugehen hatte.

Sie seufzte tief und stand mit einem Ruck auf. Es musste bereits Mitternacht sein. Ein kalter Windstoß ließ sie erzittern und sie eilte die Treppe der Rüstkammer hinunter um ins Warme zu gelangen.
Überrascht stellte sie fest, dass noch drei Gestalten wach waren: Belen, Gandalf und ein ihr unbekannter Mann saßen zu dritt an einem der Tische und unterhielten sich leise. Sie blieb im Türrahmen stehen und beobachtete die Gruppe einen Moment lang. Ist das der geheimnisvolle Mann, den Rilmir heute getroffen hat? Der Waldläufer trug jedoch keine Kapuze. Seine Haare waren schwarz und seine Augen von dunklem Blau.
Gandalf sah auf und kam zu ihr herüber. "Du solltest dich schlafen legen, Kerry," sagte er leise. "Die Gedanken, die dir durch den Kopf schwirren, sind auch morgen noch da."
Kerry ging nicht darauf ein. "Wer ist der Neue?" fragte sie und deutete auf den Waldläufer neben Belen.
"Ein Dúnadan aus Belens Sippe," erklärte Gandalf. "Sein Vetter, um genau zu sein. Elrond hat ihn und acht weitere Dúnedain zu unserer Unterstützung hierher geschickt."
"Können wir ihm vertrauen?" wollte sie wissen.
"Belen tut es," antwortete Gandalf. "Er sagt, Ardóneth ist ein erfahrener Krieger. Wir können die Hilfe gut gebrauchen."

Kerry seufzte erneut und senkte den Blick. "Gandalf, ich..."
Der Zauberer hob die Hand und ließ sie verstummen. "Deine Blicke verraten dich," sagte er sanft. "Ich habe gehört, was zwischen dir und Finnabair vorgefallen ist. Denk' jetzt nicht weiter daran. Die Sache wird Zeit brauchen, mein Mädchen. Und du brauchst jetzt Schlaf."
Sie wollte widersprechen doch Gandalf blickte sie unter seinen buschigen Brauen scharf an. Ihre Antwort blieb Kerry im Hals stecken. Also nickte sie nur und ergriff Gandalfs Hand.
"Danke," hauchte sie leise.
So blieben sie einen Moment stehen, dann ließ sie den Zauberer los. Kerry warf einen letzten Blick auf Belen und den Waldläufer namens Ardóneth. Sie bezweifelte, dass sie sich diesen Namen würde merken können.
Dann ging sie zu Bett im Schlafraum der weiblichen Mitglieder des Sternenbundes. Der Schlaf kam gnädigerweise sehr schnell über sie.

Am nächsten Tag war Kerry auf der Suche nach Rilmir, den sie schon den Vormittag über nicht gesehen hatte.
Wo steckt er bloß? fragte sie sich, nachdem sie überall innerhalb der Rüsthalle nachgesehen hatte.
"Hast du den Dúnadan gesehen?" fragte sie Mírlinn, die gerade von einem Auftrag am Haupttor der Stadt zurückkehrte.
"Wen?" antwortete die Waldläuferin verwirrt. "Hier sind viele Dúnedain, Kerry."
"Na den Dúnadan. Du weißt schon." gab Kerry ungeduldig zurück.
"Oh, den Dúnadan," sagte Mírlinn gedehnt. "Das ist sehr aufschlussreich."
"Sie meint Rilmir," äußerte sich Finnabair, die an einer der großen Säulen im Hauptraum der Rüsthalle lehnte und ein finsteres Gesicht machte. "Ihr Gedächtnis für Namen ist schlimmer als ein Sieb."
Kerry versuchte, sich nicht ärgern zu lassen. Sie hatte keine Lust auf eine weitere Ohrfeige. "Weißt du, wo er ist?" fragte sie in Mírlinns Richtung.
"Er sagte, er hat beim Palast etwas zu erledigen. Ganz im Norden der Stadt. Das ist der Teil, in dem sich noch keiner von uns richtig umgesehen hat. Wir wissen nicht, wie die Lage dort ist."
"Ich gehe ihn suchen," verkündete Kerry und setzte sich in Bewegung.
"Natürlich tust du das," klang ihr Finnabairs Stimme nach als sie nach draußen trat.

Mírlinn war ihr gefolgt. "Du solltest nicht alleine unterwegs sein," sagte die Dúnadan leise. "Keiner von uns sollte das. Zwar führen einige von uns während wir hier sprechen einen Schlag gegen die Orks in der Stadt, doch das heißt nicht, dass es für uns in Fornost schon sicher ist. Zu viele Diener Sarumans treiben sich noch herum, und wir haben keine Ahnung, wie es im Palastbezirk aussieht."
"Dann komm' mit," sagte Kerry, die ganz froh war, die Kriegerin dabei zu haben.


Mírlinn und Kerry auf die Straßen Fornosts
« Letzte Änderung: 6. Nov 2017, 16:37 von Fine »
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Ein Gespräch am Abend
« Antwort #3 am: 22. Mär 2016, 14:29 »
Ardóneth und seine Gefährten aus der Stadt
Kerry vom Palast der Könige



Als Kerry außer Atem dort ankam begannen bereits die Vorbereitungen für das Abendessen. Kerry bot ihre Hilfe dabei an. Vielleicht bringt mich das auf andere Gedanken, dachte sie, die Tränen unterdrückend. 
Kurz darauf trafen Rilmir, Haleth und Mírlinn ein, die von den anwesenden Dúnedain freudig begrüsst wurden, denn Haleth war bisher nicht zum Sternenbund gestoßen. Einige Minuten später traf auch die Gruppe um Ardóneth ein und der Sternenbund sammelte sich in einer der kleineren Nebenräume um das Abendessen gemeinsam einzunehmen.

Nicht alle Mitglieder des Sternenbundes waren beim Abendessen versammelt, aber die meisten. Einige waren nicht anwesend, denn sie hatten geheime Aufträge zu erledigen oder waren mit anderen wichtigen Aufgaben beschäftigt. Andere schliefen, da sie zur Nachtwache eingeteilt geworden waren. Der Rest kam in den Genuss einer kleinen Feier, bei der das beste Wild aus Mablungs Vorrat aufgetragen wurde. Den Grund gab Belen zu Beginn bekannt:
"Brüder, Schwestern, unser Kampf ist nicht vergeblich. Wir stellen uns tapfer gegen die Schatten Sarumans und bleiben unserem Auftrag treu, den Norden zu beschützen. Heute haben wir den ersten wichtigen Schlag gegen unsere Feinde in Fornost geführt. Ardóneth und seine Gruppe haben den Großteil der Orks, die unsere Stadt mit ihrer Anwesenheit beschmutzten, in Hinterhalte gelockt und erschlagen."
Jubel erklang. Die Stimmung war geradezu ausgelassen. Doch Belen sprach weiter:
"Diese Tat wird die Schergen des Zauberers in Schrecken versetzen, doch wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Noch immer halten unsere Feinde die Menschen in Fornost im eisernen Griff. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt tun und zu ihrer Befreiung schreiten. Doch für heute trinken wir auf den Sieg! Für Arnor!"
"Für Arnor!" riefen die Dúnedain.

Es war eine recht fröhliche Feier. Ungefähr zwanzig Männer und Frauen füllten den Raum und redeten ausgelassen während dem Essen miteinander. Kerry saß zwischen Mírlinn und Ardóneth, dem Mann den Belen so gelobt hatte. Sie versuchte, an der Fröhlichkeit teilzuhaben, doch wann immer ihr Blick zum anderen Tischende hinüberschweifte sank ihr das Herz tiefer. Denn dort saß Rilmir bei Haleth.
Um sich abzulenken sprach sie den Mann neben sich an.
"Woher kommt Ihr?" fragte sie geradeheraus.
"Aus Minas Tirith, mein Vater war dort der Hauptmann der Wache," antworte dieser.
"Ihr seid also gar kein Dúnadan aus Arnor?" wunderte sich Kerry.
"Doch, mein Vater stammt aus Annúminas, er zog später mit meiner Mutter nach Minas Tirith."
"Annúminas, hm? Dort war ich noch nie - habe es nur vor einigen Tagen aus der Ferne gesehen," erzählte Kerry. "Wie ist es dort?"
"Ich war nur als kleines Kind dort, das ist aber schon ewig her," meinte Ardóneth. "Ich wuchs in Minas Tirith auf nachdem meine Eltern dorhin gezogen waren."
"Und was macht Ihr nun hier im Norden, wenn Ihr doch eigentlich Gondor als Heimat habt?" wollte Kerry wissen während sie ihren Teller leerte.
"Nun, ich fühlte mich in Minas Tirith nicht mehr wohl und als der drohende Schatten im Osten Gestalt annahm verließ ich die Stadt. Weshalb starrt Ihr rüber zu Rilmir?" fragte er.
Kerry blickte ihn überrascht an. "Ich starre nicht zu ihm herüber," sagte sie, doch ihre Wangen röteten sich.
"Natürlich starrt Ihr dort rüber, Ihr mögt ihn." bemerkte Ardóneth lachend.
"Das ... das stimmt doch überhaupt nicht," versuchte Kerry zu protestieren, stellte aber fest, dass das nicht besonders überzeugend klang. Also gab sie die trotzige Haltung auf und ließ die Schultern hängen. "Nun, vielleicht habt Ihr Recht. Und wenn schon. Es hat keinen Sinn: er hat nur Augen für eine Andere, für die braunhaarige Dame neben ihm."
Ardóneth schien zu bemerken dass die Tatsache dass Rilmir eine andere liebt, Kerry sehr schmerzen musste. "Ihr findet sicher noch andere und wenn es unbedingt Rilmir sein sollte, dann solltet Ihr ihm sagen was Ihr für ihn empfindet," sagte er.
"Was? Nein!" rief Kerry ein bisschen zu laut und einige Gesichter wandten sich ihr zu. Sie blickte betreten zu Boden und wartete, bis sich die Aufmerksamkeit von ihr abwandte. "Das kann ich nicht machen," wisperte sie Ardóneth zu. "Ich kann's nicht! Was, wenn er dann nichts mehr mit mir zu tun haben will?" Sie war sich nicht sicher, warum sie dem Waldläufer all das erzählte, doch es tat auf sonderbare Art und Weise gut, darüber zu reden was sich in ihrem Herzen befand.
"Wenn Ihr es nicht probieren wollt ist es Eure Sache, jedoch werdet Ihr sicher unzufrieden sein," befand der Dúnadan.
"Das bin ich auch so schon," gab Kerry zurück. Das Abendessen ging mittlerweile zu Ende und einige Mitglieder des Sternenbundes verließen den Raum um die Nachtwache anzutreten. Auch Rilmir und Haleth standen auf und gingen gemeinsam hinaus. Kerry versuchte, nicht hinzusehen.
"Grämt Euch nicht. Ihr werdet bestimmt jemand anderen finden," sagte Ardóneth daraufhin.
"So? Werde ich das? Ich soll also einfach so ausschalten, was ich fühle und dann findet sich schon jemand anderes?" antwortete Kerry schnippisch. "Ich glaube, Ihr wart selbst noch nie verliebt. Ihr wisst gar nicht, wie sich das anfühlt."
Ardóneth überraschte sie damit dass sich eine Träne sein Gesicht hinab stahl." Werdet nicht unverschämt," stieß er hervor. "Ich will Euch doch nur helfen! Schließlich musste ich damals auch einfach alles ausschalten." Ardóneth nahm seinen Talisman, öffnete und legte ihn auf dem Tisch. "Das war Finrién, meine Frau," sagte er.
Das hatte Kerry nicht erwartet. "Oh," war alles was sie hervorbrachte. Wieder einmal kam sie sich unvorstellbar dumm vor. "Ich wusste nicht..." begann sie, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.
"Woher solltet Ihr auch..., hätte ich sie nur nicht alleine reisen lassen," sagte Ardóneth leise.
"Erzählt mir von ihr," forderte Kerry den Waldläufer mit sanfter Stimme auf. "Was war sie für ein Mensch?"
"Sie war die schönste, liebreizendste und netteste Frau die ich je kannte. Sie half wo sie konnte, doch war sie schließlich zu schwach, sie starb in meinen Armen..." 
Kerry nickte mitfühlend. "Das... ist sehr traurig zu hören," sagte sie ernst. Inzwischen waren sie nur noch zu zweit in Raum denn alle anderen Waldläufer waren gegangen. "Wie lange ist das her?
"Nun müssten es fünf Jahre sein," beantwortete Ardóneth die Frage schweren Herzens.
Kerry konnte sehen, dass ihm das Thema nicht leicht fiel. Also versuchte sie, es zu wechseln. "Wie lief das Gefecht gegen die Orks, von dem erzählt wurde? Belen scheint ja große Stücke auf dich zu halten." sagte sie und wechselte unbewusst zur vertraulicheren Anrede.
"Ja, die Orks, ich bezweifle das sie jemals wieder Probleme machen sollten. Wir haben alle getötet. Nun liegen sie in den Hausruinen und modern dort vor sich hin," erwiderte Ardóneth. "Ihr habt jetzt so viele Fragen gestellt. inzwischen wisst Ihr sicher mehr über mich als Belen selbst. Erzählt doch mal von Euch."
"Da gibt es nicht viel zu erzählen," antwortete Kerry. "Ich heiße Kerevalline und habe den Auftrag, auf den guten Gandalf aufzupassen." Das stimmte zwar nicht ganz, doch Kerry hatte es sich als Grund für ihre Anwesenheit in Fornost festgelegt, als eine Art Rechtfertigung falls jemand kritische Fragen stellen würde.
"Du musst wissen dass er sich noch immer von einem Zauberbann Sarumans erholt der ihn die letzten Jahre in tiefem Schlaf gefangen hielt," fügte sie hinzu.
"Oh, dann hoffe ich dass Gandalf wieder ganz der Alte werden wird. Wir brauchen seine weisen Ratschläge wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen."
"Stimmt wohl," sagte Kerry und unterdrückte ein Gähnen. Mit einem Mal kam eine große Müdigkeit über sie. Zwar fand sie das Gespräch mit Ardóneth nicht uninteressant, doch wurde die Aussicht auf ein weiches Bett immer verlockender.
"Es wird spät," sagte sie daher. "Ich werde mich schlafen legen, wenn's recht ist," verkündete sie.
"Gut. dann wünsche ich Euch einen guten Schlaf," sagte der Waldläufer und erhob sich. Kerry blieb noch einen Augenblick nachdenklich sitzen, dann machte auch sie sich auf den Weg zu ihrer Unterkunft.


Ardóneth und seine Gruppe zurück in die Stadt
« Letzte Änderung: 15. Okt 2016, 13:47 von Fine »
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« Antwort #4 am: 30. Mär 2016, 23:25 »
Kerry lag auf ihrer weichen Decke und versuchte, einzuschlafen. Doch die Gedanken wollten ihr so schnell keine Ruhe gönnen.
Wenn der Dúnadan herausfindet, dass ich von seiner Geliebten weiß, kann ich die Freundschaft zu ihm wohl vergessen.
Ihr war klar, dass das übertrieben gedacht war, doch sie konnte den Gedanken nicht abschütteln, der sich in ihrem Hinterkopf eingenistet hatte. Rilmir hatte in all den Monaten die Gefühle, die sie für ihn hegte, nicht erkannt oder beachtet, obwohl es so ziemlich allen anderen um sie herum aufgefallen war: Magrochil, Lindir, Arwen, Mírlinn und sogar Gandalf hatten Kerry darauf angesprochen. Sie wünschte, sie könnte ihre Emotionen einfach abschalten, doch dazu war sie nicht in der Lage. Kerry beneidete die Dúnedain um sie herum, die zur Zeit stets gute Laune zu haben schienen.
Ihre Siege im Auenland und in der versteckten Feste am See haben ihren Mut und Kampfeswillen gestärkt und jetzt meinen sie, es mit allem Möglichen aufnehmen zu können. Ich hoffe, sie werden nicht überheblich, dachte Kerry.
Doch die Männer und Frauen unter Belens Kommando hatten bisher keine Anzeichen für Nachlässigkeit oder Übermut gezeigt. Stattdessen errangen sie weitere Erfolge: der große Sieg gegen die Orks die Ardóneths Gruppe errungen hatte zeigte ein deutliches Bild davon. Belen hatte ihnen berichtet, dass die Dúnedain eine große Anzahl Feinde ohne eigene Verluste ausgeschaltet hatten - und das, ohne bemerkt zu werden. Kerry war jedoch nicht sicher, welche Auswirkungen diese Tat haben würde.
Sicherlich wird bald jemand diese Orks vermissen, sagte sie sich. Ha! Orks, die vermisst werden. Als würden sie jemanden etwas bedeuten! dachte sie belustigt, wurde aber gleich wieder ernst. Es sind noch genug Weißhände in der Stadt um einiges an Ärger zu machen. Der Sternenbund hat noch viel Arbeit vor sich.

Sie drehte sich auf die anderen Seite und blickte zu Haleth hinüber, deren zierliche Gestalt von einem durchs Fenster hereinfallenden Lichtstrahl des Vollmonds erhellt wurde. Die Dúnadan schlief tief und fest. Kerry beobachtete, wie sich ihre Brust regelmäßig hob und senkte.
Natürlich liebt er sie, dachte sie bitterlich. Sie ist alles, was ich nicht bin. Dunkle Haare und Augen, rosige Wangen, Waffenstärke und ein langes Leben. Ich hingegen bin nichts weiter als ein einfaches Mädchen aus Rohan.
Stets hatte sie versucht, sich durch eine erfundene Herkunftsgeschichte wichtiger erscheinen zu lassen als sie wirklich war, hatte sich als Tochter von Fürsten und Edlen ausgegeben und die Rolle überzeugend gespielt. Doch ihre Eltern waren nicht adelig gewesen sondern waren einfache Leute aus dem Dorf Hochborn gewesen und hatten einfache Leben gelebt. Sie erinnerte sich daran, wie stolz sie gewesen war als ihr Vater in die Reihen der Garde von Meduseld aufgenommen wurde. Ihre damaligen Freundinnen waren alle neidisch auf Déorwyn gewesen und sie hatte großen Stolz verspürt.
Doch Déorwyn gab es nicht mehr. Sie war im Krieg verschwunden, und Kerry wollte ihre Lasten nicht länger tragen. Sie pochte mit der flachen Hand gegen ihre Schläfen um die Gedanken zu vertreiben.
Denk' an 'was Anderes! Denk' an 'was Anderes!
Es half nichts. Immer wenn sie die Augen schloss, sah sie Rilmir und Haleth vor sich, deren Gesichter sich einander wie in Zeitlupe näherten.
So kann das nicht weitergehen.
Mit einem Ruck setzten sie sich auf und stahl sich so lautlos wie sie konnte aus dem Raum. Ihre Decke legte sie sich um die Schultern und ging barfuß durch die leere Halle, bis sie wieder vor der Treppe zum Dach stand. Kerry stieg langsam die Stufen hinauf, ohne genau zu wissen weshalb. Fünf Stockwerke ging es hinauf bis in die Kuppel, die an der Spitze des alten Gebäudes thronte und deren Ausgang auf das flache Dach führte.

Der Mond hing tief über dem fernen Horizont und sandte ungewöhnlich helle Strahlen aus dem Osten über die schlafende Stadt. Doch offenbar war noch jemand Anderes wach geblieben. Vor der runden Scheibe des Vollmonds zeichnete sich eine dunkle Gestalt ab, die am Rand des Daches stand und Kerry den Rücken zugewandt hatte. Sie erkannte Gandalf erst, als der Zauberer leise zu sprechen begann, ohne dass er sich dabei umdrehte.
"Was machst du hier, Mädchen? Du solltest sehen, dass du etwas Schlaf findest."
"Dasselbe könnte ich dich fragen, Weißbart," gab sie zurück als sie neben den Zauberer trat.
Gandalf stützte sich auf den Stab den er von Tom und Goldbeere erhalten hatte. "Ich warte auf jemanden," sagte er nachdenklich.
"Auf wen?" fragte Kerry, doch keine Antwort kam.
Mehrere Minuten standen sie schweigend dort und Kerry begann sich zu fragen, ob sie den Zauberer jemals verstehen würde. Es war, als würde er ständig in Rätseln sprechen. Die Alten in ihrem Heimatdorf hatten das nie getan, waren immer direkt zum Punkt gekommen.
"Ich kann sehen, dass du dir viele Gedanken über die Neuankömmlinge machst," sagte Gandalf in die Stille hinein.
Kerry nickte und biss sich auf die Lippe. "So viele neue Gesichter. So viele Namen. Wer sind sie alle, Gandalf?"
"Nahezu alle Mitglieder des Sternenbunds stammen aus Belens Sippe oder sind Kampfgefährten der Grauen Schar, die zur Hilfe ihres Stammesführers Aragorn nach Gondor ritten. Von dieser Gruppe haben nicht einmal ein Dutzend überlebt, und noch wenigere kehrten in den Norden zurück. Sie alle haben Belen stets unterstützt. Dann sind da noch jene, die durch Blutsverwandschaft und Freundschaft an Belen gebunden sind: Ardóneth, sein Vetter, Haleth, die Tochter seiner Tante, und Finnabair, die Verlobte Halmirs, eines weiteren Vetters."
"Erwartest du etwa, dass ich mir all das merken kann?" sagte Kerry und meinte es ernst.
Gandalf zog die linke Braue nach oben. "Nein," gab er zurück. "denn es ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass alle hier treu zu unserer Sache stehen. Die Dúnedain finden wieder zu alter Stärke und werden Eriador befreien, wie es ihre Aufgabe ist. Wäre ich nur hier gewesen, als Saruman sie in seinen Bann zog! Der Fall Lothlóriens hätte verhindert werden können. Hätte ich nur besser aufgepasst als wir Isengard und den Orthanc erstürmten!" Er ließ die Schultern nach unten sacken.
Kerry kam es vor, als würde ihn die Last des Alters letzten Endes nach unten drücken. Gebeugt und verloren erschien er ihr. Sanft legte sie die Hand auf seinen Rücken.
"Gib dir nicht die Schuld, Gandalf," hauchte sie. "Was geschehen ist zählt jetzt nicht mehr. Daran können wir nichts mehr ändern. Es ist die Zukunft, die wir noch verändern können."
Gandalf atmete einmal tief ein und wieder aus. Er blickte Kerry an. "So geben nun Maiden wie du den Alten Rat," sagte er mit einem leichten Schmunzeln. "Doch es liegt Wahrheit in deinen Worten, meine Liebe. Wir müssen uns auf das vorbereiten, was kommt."

Er richtete sich auf und starrte einen Moment aufmerksam nach Osten. "Ah!" machte er. "Und da kommt auch schon das, worauf ich gewartet habe."
Ein großer Schatten legte sich über das Dach der alten Rüsthalle und Kerry hörte ein Rauschen wie von einem heftigen Wind. Etwas sehr Großes senkte sich vor dem hellen Mond herab und ließ das Dach erzittern. Sie drehte sich um und traute ihren Augen kaum. Ein riesenhafter Adler war dort gelandet und blickte sie aus aufmerksamen Augen an. Gandalf trat auf ihn zu und nickte zufrieden.
"Le suilon, Róvallír," grüßte er und der Adler neigte freundlich den Kopf. "Gwaihír hat mir den mutigsten seiner Leute geschickt. Hier ist Róvallír, Vasall des Windürsten und Adler des Nebelgebirges," erklärte Gandalf an Kerry gewandt.
"Schlimme Kunde bringe ich, Mithrandir," sprach Róvallír und erstaunte Kerry dadurch umso mehr. "Saruman schläft nicht. Zwar mag sich seine Aufmerksamkeit auf den Osten richten, doch deine Rückkehr ist ihm dennoch nicht entgangen. Er hat im Norden Dinge in Bewegung gesetzt, die nichts Gutes bedeuten können. Seine Diener haben Übles vor. Schon bald wird es großen Aufruhr in Eriador geben."
"Ich hatte bereits vermutet, dass er nicht untätig zusehen würde, wie der Sternenbund ihm die Versorgung für seine Armeen entzieht," antwortete Gandalf mit ernster Miene. "Hab' Dank für deine Warnung, Róvallír, und überbringe Gwaihír meine Grüße. Du und deine Verwandten sind mir stets willkommene Gäste. Mögen deine Schwingen dich sicher zurück zu den hohen Horsten deiner Heimat tragen."
"Möge der Wind dir stets wohlgesonnen sein," verabschiedete sich der Adler und schwang sich wieder in die Luft. Gandalf und Kerry beobachteten, wie er in östlicher Richtung aufstieg und in der Dunkelheit der Nacht verschwand.

"Du hast seltsame Bekanntschaften, Gandalf," sagte Kerry leise.
"Und ob!" erwiderte der Zauberer lächelnd und blickte ihr in die Augen.
"He!" rief Kerry als sie verstand. "Ich bin nicht seltsam! Ich meinte den sprechenden, riesigen Adler!"
Gandalf lachte leise. "Die Adler des Nebelgebirges mischen sich nur selten in die Angelegenheiten von Menschen und Elben ein. Sei' also dankbar, dass du das miterleben durftest."
Gleich darauf wurde er wieder ernst. "Wir müssen Belen davon berichten, dass noch mehr Feinde unterwegs sind."
"Das machen wir," antwortete Kerry gähnend. "Gleich morgen früh."
Gemeinsam verließen sie das Dach über die gewundene Treppe. "Gute Nacht," flüsterte Kerry dem Zauberer zu, als sie in ihrem Schlafraum verschwand. Und endlich war ihre Müdigkeit groß genug, um sie in traumlosen Schlaf zu versetzen.
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Neue Entschlossenheit
« Antwort #5 am: 4. Apr 2016, 15:33 »
Der Vormittag zog vorüber ohne dass Kerry etwas Sinnvolles zu tun fand. Die Dúnedain waren in der Stadt verstreut unterwegs und gingen unterschiedlichen Aufgaben nach, die alle darauf abzielten, das Vertrauen der Menschen in Fornost zu gewinnen. Doch dies erwies sich als schwieriger als gedacht. Zwei lange Jahre waren die Waldläufer, die in Fornost gewesen waren, als Vollstrecker Sarumans aufgetreten und hatten mehr und mehr Leute zur Arbeit an der Ausbesserung der Mauern und der Instandsetzung der Stadt gezwungen. Seit dem Beginn von Sarumans Krieg im Osten waren scheinbar nur noch sehr wenige von den gefallenen Dúnedain in Fornost, doch ihr Ruf war geblieben. Die Menschen hielten Abstand von den Waldläufern und vermieden es, mit ihnen zu sprechen.

Kerry streifte ziellos durch das alte Gebäude in dem der Sternenbund sein Lager aufgeschlagen hatte als sie zwei Stimmen hörte, die sich einen leisen, aber dennoch heftigen Austausch von Worten lieferten.
"Du hast es selbst gesehen, Belen. Die Leute haben Angst vor uns." Das war Avarons Stimme wie Kerry feststellte.
"Ihnen muss doch klar sein, dass wir gegen Saruman vorgehen und nicht in seinen Diensten stehen," antwortete Belen.
Kerry schlich sich so leise wie möglich an die offene Türe heran, durch die die Stimmen drangen. Neben dem Rahmen blieb sie stehen, den Rücken an die kalte Steinmauer gepresst die sie von dem Raum trennte, in dem sich die Sprecher aufhielten.
"Es wird seine Zeit brauchen, bis man uns vertraut," sagte Avaron nachdrücklich. "Diese Menschen haben hier Zuflucht gesucht, nur um geradezu versklavt zu werden."
"Wir brauchen so viele Kämpfer wie möglich um gegen das, was Saruman gegen uns in Marsch gesetzt hat zu bestehen," antwortet Belen mit Verärgerung in der Stimme. "Wenn sie das nicht einsehen - wenn sie es nicht verstehen - müssen wir vielleicht etwas deutlicher werden."
"Was soll das bedeuten?" wollte Avaron wissen.
"Vielleicht sollten wir uns die Tatsache zu Nutzen machen, dass die Menschen es hier gewohnt sind, auf die Befehle der Dùnedain zu hören." erwiderte Belen.
"Das wäre Zwangsrekrutierung," stellte Avaron fest. "Der Sternenbund wäre dann auch nicht besser als die Schergen Sarumans."
"Stellst du meine Befehle infrage?" fragte Belen dessen Stimme einen gefährlichen Klang angenommen hatte.
Kerry lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie wollte verschwinden und wünschte sich, das Gespräch nie mitbekommen zu haben. Wenn ich mich jetzt bewege hören sie mich, dachte sie ängstlich und hielt den Atem an, während die Stille sich immer länger zu ziehen schien.

"Noch wurde kein Befehl erteilt," sagte Avaron, das lange Schweigen brechend. In seinem Tonfall schwang Entschlossenheit mit. "Du magst dich Aravorn II. nennen, den Erben Isildurs, doch vergiss nicht, was unser Auftrag ist. Wir schützen die Bewohner dieses Landes und setzen sie nicht unter Zwang dem Krieg aus."
"Krieg steht ihnen bevor, ob sie ihn nun erwarten oder nicht," antwortete Belen. "Besser also wir bereiten sie darauf vor."
"Wenn du Gewalt einsetzt bist du keinen Deut besser als Helluin und seine verblendeten Anhänger," wagte Avaron zu erwidern.
"Sprich den Namen des Verräters nicht aus," zischte Belen. "Er und seine Gefolgsleute sind keine Dúnedain. Sie haben ihre Herkunft verleugnet als sie vor Saruman das Knie beugten." Der Anführer des Sternenbundes atmete tief aus und hielt einen Moment inne. Dann sagte er: "Ardóneth und seine Männer verteilen Hilfsgüter während wir hier sprechen. Wenn das die Leute überzeugt, für unsere Sache zu kämpfen, soll es mir recht sein. Aber ich bin bereit, jedes Mittel einzusetzen um Fornost auf den unvermeidlichen Angriff vorzubereiten. Du weißt, dass er kommen wird."
"Mithrandir warnte uns bereits," stimmte Avaron zu. "Doch hoffe ich weiterhin, die Menschen von unserem guten Willen zu überzeugen, ohne Zwang einzusetzen."
"Du magst hoffen, Avaron. Ich hingegen plane." erwiderte Belen düster.

Damit schien das Gespräch beendet zu sein. So leise sie konnte schlich sich Kerry Schritt für Schritt rückwärts von der Tür weg, bis sie endlich die große Halle erreichte. Sie atmete tief durch. Ihr Kopf schwirrte vor Gedanken. Sie setzte sich mit dem Rücken an eine der großen Säulen und sank dort zu Boden, ermüdet von der Aufregung. Die Waffen und Rüstungen um sie her erinnerten sie drohend daran, dass der Krieg heraufzog. Der Krieg, vor dem sie vor vier Jahren aus Rohan geflohen war. Jetzt also würde er sie doch noch einholen. Sie fuhr mit der Hand über eine der alten Rüstungen, die in dem Regal neben ihr verstaubten. Auf der Brustplatte prangten die Sieben Sterne Arnors und darüber eine strahlende Krone. Kerry fragte sie, wer die Rüstung wohl zuletzt getragen hatte. Man sah ihr das Alter an, doch dennoch war sie in gutem Zustand und wies keine Schäden oder Dellen auf. Alle dachten, der Krieg im Norden wäre vorbei, dachte sie verbittert. Sie haben sich getäuscht. Es endet nie. Es gibt nur einen einzigen, langen Krieg. Solange der Dunkle Herrscher lebt wird es nie aufhören. Der Krieg mag unterschiedliche Länder heimsuchen, aber er verändert sich nicht. Ob damals als Konflikt zwischen Angmar und Arnor oder heute zwischen Mordor und Rohan. Da gibt es keinen Unterschied. Stets ist es Sauron, der die Reiche der Freien Völker bedroht. Vor ihrem inneren Auge sah sie Hochborn brennen. Sie wünschte sich mehr als alles andere, dass der Krieg an Fornost vorüber ziehen würde. Doch in ihrem Herzen wusste sie, dass das nicht passieren würde.
Soll ich also fliehen? Erneut weglaufen? überlegte sie. Nein. Der Krieg wird mich wieder finden. Es endet hier. Entweder wir schlagen unsere Feinde zurück und halten den Vormarsch des Schattens auf, oder wir sterben bei dem Versuch. Dann wird es wenigstens vorbei sein.. Grimmige Entschlossenheit funkelte in ihren Augen und sie sprang auf die Beine. Kerry ergriff eine der alten Klingen, die an einer der steinernen Wände hingen und schloss ihren Griff so fest darum wie sie konnte. Dieses Mal würde sie kämpfen.
« Letzte Änderung: 12. Aug 2016, 15:36 von Fine »
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Klingenübungen
« Antwort #6 am: 6. Apr 2016, 12:19 »
Rilmir war nirgends zu finden gewesen. Also war Kerry an ihren Lieblingsort in Fornost gegangen - auf das Dach der Rüsthalle. Das alte arnorische Schwert noch immer in der Hand stellte sie sich breitbeinig hin und ließ die Klinge senkrecht heruntersausen, einen imaginären Feind in zwei Teile spaltend. Der Griff des Schwertes war wohl ursprünglich für eine Hand gedacht, doch Kerrys Hände waren deutlich kleiner als die eines durchschnittlichen Soldaten von Arthedain. Also packte sie den Griff mit beiden Händen und führte einen weiteren Schlag, diesmal im schrägen Winkel von links oben nach rechts unten. Sie stellte sich vor, wie der Treffer ihren Gegner stürzen ließ.

Eine ganze Weile war sie mit einfachen Übungen beschäftigt, die Rilmir ihr einst gezeigt hatte. Ganz vertieft bemerkte sie nicht, wie jemand hinter ihr das Dach betrat. Es war Ardóneth, der nun neben sie trat.
"Brauchst du vielleicht Hilfe dabei?" fragte er.
Kerry fuhr herum und warf ihm einen gereizten Blick zu. "Ich komme alleine zurecht," stieß sie angestrengt hervor und schwang das Schwert in eine andere Richtung.
"Gereizt kannst du sein wenn wir gegen Sarumans Scharen kämpfen. Lass mich dir ein paar Kniffe zeigen," anwortete Ardóneth und zog sein eigenes Schwert.
Kerry hielt inne und blickte zu dem Waldläufer hinüber. "Also gut," sagte sie und wandte sich ihm zu. "Was will mir der große Meister denn zeigen?" fragte sie mit einem spöttischen Unterton.
"Stell' dich entspannt dort hin, packt das Schwert und schwing es erstmal locker hin und her. Du musst erst Gefühl für eine Waffe wie diese aufbauen" riet ihr Ardóneth. "Nun schlage von Links nach Rechts."
Kerry tat wie ihr geheißen und schwang die Klinge in einem leichten Bogen vor sich. "Du musst mich nicht wie eine Anfängerin behandeln," sagte sie währenddessen. "Ich hatte schon öfters ein Schwert in der Hand."
"Das sieht auch schon nicht schlecht aus," freute sich Ardóneth. "Natürlich bei weitem noch nicht perfekt, aber es ist ausbaufähig." bemerkte er.
Blitzschnell drehte Kerry sich herum und ließ die Schwertspitze auf das Gesicht des Waldläufers zeigen. "Ist das hier etwa auch ausbaufähig?" rief sie und stocherte mit der Klinge vor Ardóneths Gesicht herum.
Der Waldläufer schlug sie lässig mit seinem eigenen Schwert zur Seite. "Warum so feindselig? Verkraftest du die Geschichte mit Rilmir und Haleth noch immer nicht so recht? Oder woher kommt diese ungestüme Haltung?"
Kerry ließ die Klinge sinken. "Eine seltsame Frage für Schwertkampf-Übungen," sagte sie. "Und überhaupt wüsste ich nicht, was dich das angeht." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu Boden. "Im Augenblick passieren so viele Dinge gleichzeitig, da habe ich kaum Zeit, wirklich über meine Gefühle nachzudenken. Erst gestern Nacht habe ich einen sprechenden Riesenadler gesehen. Einen riesigen Adler, der sprechen konnte. Ich weiß noch nicht einmal, was ich davon halten soll."
"Nun, du warst die letzten Tage sehr geknickt, deshalb fragte ich. Zumindest kam es mir so vor. Du solltest jedoch das Schwert wieder aufheben. Wir müssen weiter machen," behauptete Ardóneth und betrachtete nachdenklich seine eigene Klinge.

Kerry tat wie ihr geheißen und die beiden setzten ihre Übungen fort. Der Dúnadan zeigte ihr, wie sie Angriffe von größeren und stärkeren Feinden ins Leere laufen lassen konnte und brachte ihr bei, in Bewegung zu bleiben. Außerdem gelang es Ardóneth, ihr klar zu machen wie sie das Schwert richtig zu halten hatte, nämlich nur mit einer Hand, während die zweite für ihr Gleichgewicht sorgen sollte.
"Es wäre besser, wenn du ein kürzeres, leichteres Schwert verwenden würdest," ergänzte er. "Wir werden bestimmt etwas Passendes in der Waffenkammer finden."
Sie tauschten noch eine ganze Weile Hiebe und Paraden aus während die warme Sommersonne über ihnen am Himmel ihren Zenit erreichte.

Es war anstrengende Arbeit. Schließlich ließ sich Kerry erschöpft zu Boden sinken und atmete heftig ein und aus. "Mir reicht's erstmal. Ich kann nicht mehr," stieß sie hervor.
"Nun solltest du dich wenigstens auch vor einigen Feinden verteidigen können," sagte Ardóneth.
Kerry nickte schweigend. Sie drehte sich um und ließ die Beine über den Rand des Daches baumeln, wie sie es schon öfter getan hatte. Fornost kam ihr mit einem Mal auf merkwürdige Art sehr still vor. Als würden alle Menschen hier die Luft anhalten, dachte sie. Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Vorzeichen des drohenden Angriffs? überlegte sie.
Ardóneth setzte sich neben sie und folgte schweigend ihrem Blick, der über die steinernen Dächer der Stadt glitt.
"Ich schulde dir Dank für die Übungen, auch wenn sie sehr anstrengend waren," sagte Kerry nach einigen Augenblicken in die Stille hinein. "Ich fühle mich jetzt etwas besser vorbereitet auf das was kommen wird."
Ardóneth blickte sie erstaunt an. "Gut, also... solltest du wieder eine Trainingsstunde benötigen, helfe ich dir gerne. Schlimme Zeiten werden auf uns zukommen. Saruman wird Fornost nicht so leicht aufgeben."
Kerry nickte. "Das denke ich auch," antwortete sie leise.

Der Nachmittag verging. Kerry half bei der Vorbereitung des Abendessens als mehr und mehr Dúnedain von ihren Aufgaben zum Versteck des Sternenbundes zurückkehrten. Auch Rilmir traf schließlich ein, gefolgt von Haleth.
Bestimmt waren sie den ganzen Tag zu zweit unterwegs, dachte Kerry die eine leichte Bitterkeit nicht unterdrücken konnte.
In der Hoffnung, dass man ihr ihre Gedanken nicht vom Gesicht ablesen konnte durchquerte sie den Raum und begrüßte Rilmir freundlich.
"Wo hast du denn den ganzen Tag gesteckt, Dúnadan?" wollte sie wissen.
"Oh, hallo Kerry. Ich war in den westlichen Vierteln unterwegs," antwortete er lächelnd. "Es war meine Aufgabe, die Augen nach Ork-Aktivitäten offen zu halten, doch ich habe keine gesehen. Also lässt entweder mein Geschick als Kundschafter nach, oder Ardóneth und seine Gefährten waren erfolgreicher als wir angenommen haben."
"Die Orks sind fort," warf Haleth mit glockenheller Stimme ein. "Jetzt sind nur noch die Menschen in Sarumans Diensten hier. Und auch die werden wir schon bald aus der Stadt vertrieben haben."
"Wir wollen es hoffen," sagte Rilmir und betrat leichten Schrittes den Raum, in dem das Essen aufgetragen wurde.
Der Angriff auf die Stadt wird trotzdem kommen, dachte Kerry während sie den beiden Dúnedain zu Tisch folgte.
Der Abend verlief ruhig. Die Waldläufer berichteten Belen von ihren Aufträgen und verschwanden nach und nach entweder in den Schlafräumen oder zur Nachtwache. Auch Kerry blieb nicht mehr lange wach sondern fiel erschöpft von all den Schwertübungen sehr schnell in einen tiefen Schlaf.

Am folgenden Morgen war sie früh auf den Beinen und begleitete Mírlinn und Avaron zum östlichen Tor Fornosts, wo diese überprüfen sollten, ob dieser Eingang in die Stadt von den Wachen der Weißen Hand noch verschlossen gehalten wurde.


Mírlinn, Avaron und Kerry in die Stadt
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Der Funke der Hoffnung
« Antwort #7 am: 10. Apr 2016, 00:29 »
Mathan, Halarîn, Avaron, Mírlinn und Kerry aus der Stadt


Kerry folgte der Gruppe nach drinnen und durch die große Halle bis in einen der kleineren Räume. Dort waren Belen und Gandalf über eine große Karte von Arthedain gebeugt und unterhielten sich in gedämpftem Ton. Beide verstummten und blickten überrascht auf, als Avaron, Mírlinn, Kerry und die beiden Elben eintraten.
"Dies sind Mathan und Halarîn," stellte Avaron die Neuankömmlinge vor. "Sie wollen sich unserem Kampf anschließen."
"Eine gute Entscheidung, Freunde," sagte Belen und machte eine grüßende Geste. "Ich bin Belen, Berens Sohn aus Isildurs Linie, doch in meiner Rolle als Stammesführer der Dúnedain werde ich Aravorn II. genannt. Ich kommandiere den Bund der Sieben Sterne, in dessen Hauptquartier ihr euch befindet."

Kerry war auf eine Art und Weise von den Elben fasziniert, die sie kaum in Worte fassen konnte. Natürlich hatte sie bereits Elben getroffen und einige, wie Lindir, bereits recht gut kennen gelernt. Doch Mathan und Halarîn schienen von anderem Schlag als die Elben von Imladris zu sein, denen Kerry auf der Großen Oststraße begegnet war. Insbesondere die anmutige Halarîn mit ihren bronzefarbenen Haaren und leuchtenden Augen war es, an der Kerrys Blick wieder und wieder hängen blieb.
Was machen sie wirklich hier? Woher kommen die beiden? Wie alt sind sie? Tausende solcher Fragen schossen ihr durch den Kopf. Doch ein Blick auf Belen sagte ihr, dass sie gut daran täte zu schweigen um nicht aus dem Raum geworfen zu werden.

"Euer Eintreffen kommt zu einem schicksalhaften Zeitpunkt," sagte Gandalf nachdenklich. "Die Lage im Norden ist schwierig. Zwar richtet sich Sarumans Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den Osten, wo er seine Kriege führt, doch ihm ist nicht entgangen, dass sich in Eriador Widerstand gegen ihn regt."
"Sagt, was bringt euch beide nach Fornost?" fragte Belen.
Mathan und Halarîn deuteten eine Verbeugung an und grüßten Belen formal, wie es sich gehörte.
"Erfreut euch wiederzusehen, Mithrandir.," sagte Halarîn erstaunlich freundschaftlich und ernte ein Zwinkern des Zauberers.
"Uns ist bereits die schwierige Lage des Nordens zu Ohren gekommen. Umso mehr sorgt uns, dass womöglich bald ein Angriff erfolgen wird, den wir nicht abwenden können. Ein Schlag gegen den Norden wäre ein Hieb in den Rücken der Truppen vor Dol Guldur; ebenso würde dies einen Weg nach Mithlond eröffnen, was wir um jeden Preis verhinden wollen.  Zusätzlich würde es dann kaum noch einen Rückzugsort für die Flüchtlinge geben," fasste Mathan zusammen.
"Auch ist es nicht im unserem Sinne mit einem Verräter in die Schlacht zu ziehen; deswegen entschieden wir uns, als wir von Widerstand erfuhren, diesen zu unterstützen," setzte Halarîn nach.
"Außerdem können wir von dem Funken der hier glimmt ein Feuer der Hoffnung schüren," schloss Mathan und wirkte sehr positiv.
"In der Tat," erwiderte Gandalf zufrieden.
Belen verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr seht wie erfahrene Krieger aus," sagte er abschätzend. "Zwar würde ich meine eigenen Leute auch nicht gerade als Anfänger bezeichnen, doch ist ihre Lebensspanne begrenzt. Auch wenn den Dúnedain ein längeres Leben vergönnt ist als geringeren Menschen treten sie doch eines Tages alle den Weg zu Mandos' Hallen und darüber hinaus an. Ihr beiden jedoch seid Eldar und unterliegt somit nicht solchen Einschränkungen. Eure Talente werden gut wir gebrauchen können."

Belen fasste für Mathan und Halarîn die Lage in Fornost zusammen und berichtete von den bisherigen Erfolgen des Sternenbundes: Wie sie den Aufstand im Auenland begonnen hatten und die Feste der Erben Isildurs am Abendrotsee erobert hatten. Wie sie mit Mablungs Hilfe die versiegelte Rüsthalle gefunden hatten. Wie Ardóneths Gruppe die Orks in den westlichen Vierteln besiegt hatte.
Kerry stimmte der Einschätzung Belens in ihren Gedanken zu. Mathan und Halarîn sahen wirklich aus wie Kämpfer. Ihm dort möchte ich nicht im Nahkampf gegenüberstehen, dachte sie mit einem Blick auf die beiden Schwerter, die Mathan trug. Und seine Gefährtin ist sicherlich tödlich mit dem Bogen. Ich frage mich, wie zielsicher sie auch auf große Entfernungen sein kann.
Belen unterbrach ihre Gedanken als er sagte: "Der Sternenbund ist zu klein um es allein mit den Schergen Sarumans aufzunehmen. Wir müssen die Menschen in Fornost dazu bringen, offen Widerstand gegen ihre Unterdrücker zu leisten. Die Waffen aus dieser Halle können wir an sie verteilen, doch die meisten werden nicht wissen, wie sie damit umzugehen haben. Also brauchen wir Leute, die ihnen zeigen wie's geht."
Mathan nickte. "Das Lehren kann ich übernehmen, auch wenn ich sagen muss, dass ich bis jetzt noch nie Menschen unterwiesen habe. Wenn ihr einen Freiwilligen habt, mit dem ich proben kann, dann würde das einiges erleichtern. Vorzugsweise jemand der nicht ganz so viele Kämpfe bestritten hat um die Unterschiede zwischen Mensch und Elb herauszufinden," sprach er und blickte die Anwesenden an.
"Ein Elb bewegt sich komplett anders im Kampf. Er muss lernen wie sich normale Menschen im Kampf bewegen," erklärte Halarîn den Umstehenden leise um Verwirrung zu vermeiden. "Ich kann den Leuten beibringen wie man Wunden versorgt. Die Zeit um jemanden im Bogenschießen einzuweihen würde, denke ich nicht ausreichen," sagte sie nun in die Runde.
"Nun, ich denke da wird sich jemand Geeignetes finden lassen," erwiderte Belen mit einem Seitenblick auf Kerry.

Oh, dachte sie. Er meint mich. Dabei habe ich doch schon einiges an Übung. Doch in einem ernsten Kampf um Leben und Tod war sie noch nie gewesen.
Gandalf strich sich nachdenklich durch den Bart. "Es ist das Vertrauen der Leute in der Stadt, das wir erringen müssen bevor wir sie für den Kampf ausbilden," wandte er ein. "Auch denke ich, dass wir zuallererst die Wächter der Weißen Hand an den Toren und an den wichtigsten Orten in der Stad loswerden sollten um uns frei innerhalb Fornosts bewegen zu können, wenn wir die Waffen und Rüstungen an die Menschen hier verteilen wollen."
"Wir arbeiten daran," antwortete Belen. "Zu beiden Anliegen habe ich Leute beauftragt. Schon bald wird die Stadt frei von jeglichen Dienern Sarumans sein."
Gandalf nickte. "Wir wollen hoffen, dass unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sind und wir auf alles, was uns Saruman in den Weg stellt vorbereitet sind."
Das hoffe ich auch, dachte Kerry. Doch Mathans Worte kamen ihr in den Sinn: den Funken der Hoffnung wollten sie zu einem großen Feuer entfachen. Ich fühle mich schon etwas hoffnungsvoller, stellte sie fest. Es scheint zu funktionieren.
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Auf dem Dach der Rüstkammer
« Antwort #8 am: 11. Apr 2016, 22:48 »
Mathan musterte die Anwesenden und konnte in den meisten Gesichtern leichte Hoffnung aufschimmern sehen. Belen wirkte gefasst, für seinen Geschmack etwas zu ernst, zu steif, zu sehr auf etwas fixiert. Für einen Anführer war es wichtig stets offen zu sein und auch mal entspannen zu können, selbst wenn es schlecht aussah um die Moral hoch zu halten. Sein Blick glitt zu der jungen Frau, die Belen zuvor angesehen hatte. Die blonden Haare waren aufwändig geflochten, das Gesicht war etwas streng aber für Menschen durchaus ansprechend.
Der Elb fragte sich wie alt sie ist und musterte den Körperbau. Wirklich muskulös war sie nicht, aber hatte Potential. Was er von Menschen wusste, dass sie schnell wuchsen und sich rasch anpassen konnten. Er beschloss, dass er ihr anbieten würde, sie persönlich zu trainieren.

Halarîn dagegen sah sich neugierig die Halle an und widmete sich weniger der Besprechung und war mehr an den Leuten interessiert. Sie bemerkte die neugierigen Blicke der jungen Frau und zwinkerte ihr schmunzelnd zu. Sie nahm sich vor mit ihr ein wenig zu reden, denn sie war ebenfalls neugierig warum sie hier gelandet war.
"Wenn ihr jemanden braucht, der ein paar der Kerle beseitigt, so stehe ich zur Verfügung. So können sich die Männer und Frauen etwas schonen.", sagte Mathan nach einer Weile und zog damit Halarîns Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie kannte seine Art zu kämpfen und empfand eine Spur Mitleid für seine Gegner.
"Ich könnte eine kleine Rast gebrauchen und ich denke mein Mann ebenfalls.", sagte sie und atmete tief ein und aus.
In der Tat fühlte sie sich ein wenig erschöpft und wollte sich etwas ablenken. Halarîn drehte sich zu der jungen Frau um.
"Wenn Ihr einen schönen Platz zum Entspannen kennt, könnt Ihr ihn uns zeigen? Es muss nichts zum Liegen sein, einfach etwas um die Gedanken schweifen zu lassen.", fragte sie mit einem Lächeln.
Mathan konnte tatsächlich etwas Ruhe gebrauchen und nickte zustimmend.
"Wenn die Herrschaften nichts dagegen haben, ziehen wir uns etwas zurück.", sagte er und unterdrückte ein Gähnen.
Auch war er froh, dass Halarîn die "Freiwillige" gefragt hatte, denn so konnte er sie nochmals fragen, aber diesmal ohne Belens Anwesenheit. Er wollte keinen Zwang und Sinn machte es nur, wenn sie es auch wollte.
Das Mädchen folgte ihnen durch den Türrahmen in den Gang. Sie trug einen schwer zu deutenden Ausdruck im Gesicht, doch in ihren Augen schimmerte so etwas wie Entschlossenheit.
"Hier unten werdet ihr kaum Raum zum Entspannen finden," sagte sie. "Ständig laufen Waldläufer durch. Sie sind sehr beschäftigt, müsst ihr wissen. Es gibt so viel zu tun in dieser Stadt. Deshalb ist mein Lieblingsort oben auf dem Dach - unterhalb der großen Kuppel ist ein flaches Stück, ungefähr doppelt so groß wie der Raum aus dem wir gerade kamen. Dort kann man wunderbar die Beine baumeln lassen und den Kopf frei bekommen. Kommt mit, ich zeige euch den Weg!"
Sie hüpfte davon und schaffte es, gleichzeitig anmutig und etwas verspielt zu wirken.Mathan und Halarîn folgten ihr geschwind und sahen sich kurz an. Ihre Führerin erinnerte sie wenig an ihre Tochter, als sie noch bei ihnen war. Nach ein kurzen Weg traten sie auf das Dach. Ihnen bot sich ein leicht bedrückendes Bild. Die kahlen, kalten Wänder der zerstörten Häuser ragten stumm in den Himmel, vereinzelt standen zerbrochene Pfeiler wie Zahnstummel in den Ruinen und deuteten auf größere Gebäude hin. In etwas Entfernung konnte man die Lagerfeuer der Flüchtlinge erkennen, sowie viele Stoffdecken gegen den Wind. Die drei setzten sich auf den Rand des Dachs und genossen die Ruhe.
"Das erinnert mich an meine Jugend.", sagte Mathan grinsend und ließ die Beine hin und her schaukeln. "Nur wurde ich immer angefaucht wenn ich das gemacht habe."
Halarîn lachte und schaukelte ebenfalls mit ihren Beinen. " Bei mir gab es so etwas nicht.", sagte sie und wirkte etwas fasziniert. Die beiden Elben blickten zu ihrer Gastgeberin. "Wir duzen uns einfach. Sag, bist du hier oft?", fragte Halarîn interessiert und legte ihren Bogen hinter sich.
Mathan schnallte seine Schwerter ab und legte sie ebenfalls hinter sich aufs Dach.

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Eine Unterhaltung mit Elben
« Antwort #9 am: 12. Apr 2016, 00:30 »
Kerry lehnte sich zurück und stüzte sich auf ihren Ellbogen ab. Die helle Mittagssonne blendete sie, erwärmte ihr Gesicht aber auf angenehme Art und Weise. Sie blinzelte und blickte zu Halarîn hinüber, die neben ihr saß.
"Es ist für mich der schönste Ort Fornosts," beantwortete sie die Frage. "Hier kann ich dem hektischen Alltag des Sternenbundes für einige Zeit entfliehen."
Sie machte eine Pause und zupfte gedankenverloren an den blonden Strähnen herum, die ihr über die Schultern fielen.
"Deine Jugend liegt bestimmt schon viele Jahre zurück," sagte sie in Mathans Richtung. "Ihr Elben lebt so lange. Wie könnt ihr euch da nur an alles erinnern? Ich bin gerade einmal dreiundzwanzig und habe schon so vieles aus meiner Kindheit vergessen. Und euch sehe ich an, dass ihr schon einiges erlebt haben müsst. Wie ist es euch ergangen? Was macht ihr hier?"
Die Fragen sprudelten aus ihr heraus ohne dass sie es unterbinden konnte.
Stopp! Du wirst sie noch vergraulen, schoss es ihr durch den Kopf.
Dem Elb schlich sich ein flüchtiges Grinsen ins Gesicht.
"In der Tat, auch wenn ich damals ausgesprochen unelbisch war und einigen Leuten ab und an auf den Nerv gegangen bin," erzählte er vergnügt.

Die beiden schien es nicht zu stören, dass sie so viele Fragen hatte, denn Halarîn erklärte ein paar Dinge:
"Nunja, an wirklich alles kann ich mich jetzt nicht erinnern, es sind eher die Erinnerungen an denen starke Emotionen hängen. Ich könnte zum Beispiel jetzt nicht sagen, was ich vor fünfhundert Jahren zum Frühstück gegessen habe. Aber falls dir die Schlacht von Dagorlad etwas sagt... wir waren dort und erinnern uns beide sehr gut daran. Manchmal ist es nicht schön wenn man nicht einfach die Hälfte vergessen kann, die man nicht im Kopf haben will."
Ihre Stimme war ruhig, auch ihre Hände lagen bewegungslos da, als sie von der Schlacht sprach: "Den Tod unseres Hochkönig Gil-galad wird uns immer im Gedächtnis bleiben, oder die vielen anderen Elben, die während des Gefechts gefallen sind." Ihre Stimme klang nun trauriger.
"Oder die anderen Opfer, die in der darauf folgenden Belagerung von sieben Jahren ihr Leben verloren hatten," ergänzte ihr Mann.
Für eine kurze Zeit trat Stille ein und jeder hing seinen Gedanken nach.

"Wir sind viel durch Mittelerde gereist," sagte Mathan nach einer Weile.
Er streckte sich und strich sich durchs Haar, Halarîn gähnte heimlich.
"Wir waren im Land jenseits der Wüste von Harad, tief im Süden. Dort gibt es ebenfalls Menschen aber sie sind anders als hier. Schwer zu beschreiben, aber dort gibt es sehr leckere Äpfel," erzählte sie und kicherte.
"Und Apfelwein," sagte Mathan mit einem Grinsen und stupste seiner Frau in die Seite. Sie drückte seinen Arm herab und warf ihm einen tadelnden Blick zu, während sie weiter erzählte: "Du hast uns gefragt, was wir hier machen. In erster Linie helfen wir den freien Völkern und behindern Saruman so viel wir können". Sie warf sich ihre langen Haare über die Schultern.
"Wir haben für eine lange Zeit in Lórien gewohnt," warf Mathan. Halarîn nickte und fuhr fort: "Ein anderer Grund ist, dass wir unserer Tochter beschützen wollen, die in Mithlond weilt. Natürlich ist sie erfahren genug um sich selbst zu schützen, aber eine Armee ist schon etwas anderes. Wenn wir den Schlag spätestens hier nicht abfangen, dann wird Sarumans Arm sie dort erreichen können."
"Deshalb schneiden wir ihn hier ab und verhindern, dass er sich weiter ausbreitet. Es ist Zeit, dass die Freien Völker wieder aus ihrer defensiven Stellung herauskommen. Ein letztes mal aufstehen und für die Unabhängikeit kämpfen, das haben wir bereits vor sehr lange Zeit getan und da war Sauron persönlich unterwegs. Und es hat funktioniert. Es kann auch wieder klappen.", fügte Mathan mit einer grimmigen Miene hinzu.
Halarîn nickte und rieb Kerrys Rücken sehr einfühlsam.
"Ich denke, wir sollten sie nicht zu sehr überfallen. Keine Sorge, es wird schon alles gut gehen. Doch sag, wie sollen wir dich rufen? So wie deine Begleiter dich vorgestellt haben? Und wenn du noch Fragen hast, zögere sie nicht sie zu stellen," sagte sie feundlich.

Kerry blieb einen Moment still, überwältigt von den vielen neuen Eindrücken und Erzählungen der Elben. Sie wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte und legte etwas nervös die Hände in den Schoß.
"Ich mag Äpfel," sagte sie schließlich. Mathan und Halarîn lachten, was Kerry ermutigte, weiter zu sprechen.
"Ihr könnt mich Kerry nennen - das ist kurz für Kerevalline. Das tut jeder hier. Zwar ist es nicht der Name, den meine Eltern mir gaben, doch darunter kennt man mich hier im Norden."
Sie machte eine weitere Pause und blickte in Halarîns freundliches Gesicht. Die Elbin vermittelte ihr das Gefühl, dass Kerry sich ihr öffnen und anvertrauen konnte. Seltsam, dachte sie. Es ist, als könnte sie in mich hineinblicken. Und ich fühle mich nicht unwohl dabei.
"Ihr beiden seid also echte Abenteurer, was? Habt in großen Kriegen gekämpft und viele fremde Länder bereist, nehme ich an. Ihr wisst, wie man mit Situationen wie dieser zurecht kommt - wenn man auf eine Schlacht wartet, der man nicht entgehen kann. Stimmt's?"
Sie wollte die Elben mit Namen ansprechen doch ihr Gedächtnis ließ sie wieder einmal im Stich. "Verzeiht mir, doch ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ihr heißt... ich bin nicht so gut mit Namen," erklärte sie errötend.
"Das ist nicht schlimm. Ich bin Halarîn.", sagte die Elbin freundlich.
"Und ich Mathan.", sagte er mit einem Zwinkern und fuhr fort: " Ja, so könnte man uns beschreiben: echte Abenteurer, ständig auf der Suche nach Neuem." Er lachte leise und wurde wieder ernst.

"Wenn man auf eine Schlacht wartet, der man nicht entgehen kann gibt es viele Möglichkeiten sich darauf vorzubreiten. Aber ganz wichtig ist es, das hier zu tun." Er setzte sich bequem hin und gähnte ausgiebig.
"Entspannen," erklärte Halarîn schmunzelnd.
"Ein ausgeruher Krieger ist doppelt so viel wert wie ein müder und angespannter. Ich habe meine Männer immer angehalten, am Tag zuvor nichts tun, Faulenzen auf Befehl sozusagen. Aber davor haben wir trainiert und uns so gut es geht darauf vorbereitet."
Der Elb überlegte eine Weile und schien sie wie zuvor in der Halle unten genau zu mustern.
"Wenn du möchest, Kerry, kann ich dich persönlich trainieren - sogesehen als Schülerin. Das ist nur ein Angebot, aber ich denke, dass einiges in dir steckt. Zumindest sagt mir das mein Gefühl als Hauptmann," bot er an und lächelte freundlich.
"Es ist nicht schlimm wenn du nicht willst. Ein Probetraining um die Unterschiede zwischen Mensch und Elb herauszufinden würde uns trotzdem helfen. Natürlich freiwillig, ohne das jemand befiehlt," sagte Halarîn ergänzend und nickte.
"Danke," rutschte es Kerry heraus. "Das wäre schön. Von jemandem mit so vielen Jahren an Erfahrung kann sich bestimmt viel lernen."
Ich hoffe immernoch, dass ich solches Wissen nicht anwenden muss, stellte sie fest. Ich bin keine Kämpferin und will in keine Schlacht ziehen. Aber es muss diesmal sein. Diesmal laufe ich nicht davon. Diesmal stelle ich mich dem Schatten.
Ein entschlossener Ausdruck trat auf ihr Gesicht und sie streckte den Rücken durch. "Ja," sagte sie. "Du kannst es mir beibringen, Schwertmeister. Und du..." sie wandte sich an Halarîn, "Du... Halla... hmm.." Kerry stockte. Halla? Ja, so werde ich dich nennen. Das wird gehen.
"Also, Halla, was wirst du tun? Ich würde mich freuen, hin und wieder Zeit mit dir zu verbringen. Du kannst mir bestimmt noch viele Geschichten von euren Reisen erzählen."
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Ein kleiner Übungskampf
« Antwort #10 am: 4. Mai 2016, 05:39 »
Ein entschlossener Ausdruck trat auf ihr Gesicht und Kerry streckte den Rücken durch. "Ja," sagte sie. "Du kannst es mir beibringen, Schwertmeister. Und du..." sie wandte sich an Halarîn, "Du... Halla... hmm.." sie stockte. Während die Elbe sie erwartungsvoll anblickte.
"Also, Halla, was wirst du tun? Ich würde mich freuen, hin und wieder Zeit mit dir zu verbringen. Du kannst mir bestimmt noch viele Geschichten von euren Reisen erzählen."

Etwas verwirrt von dem Spitznamen sah sie zu Mathan, der nur mit den Schultern zuckte. Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. Oh ja, sehr komisch!, dachte sie säuerlich und lächelte Kerry an.
"Nun, zuerst will ich meinem Mann mal auf die Finger klopfen, da er etwas gesagt hatte, was eigentlich unter uns bleiben sollte."
Sie stand auf, ging zur Treppe und verschwand für ein paar Augenblicke. Mathan blickte in der Zeit auf die Stadt und beobachtete mehrere Mitglieder des Sternenbundes, die in der Zeit ein- und ausgingen.
"Es freut mich, dass du mein Angebot angenommen hast.", sagte er unvermittelt und blickte zu Kerry. "Ich kann verstehen wenn du das Wissen so wenig wie möglich anwenden willst, aber...", er zog seine beiden Schwerter und legte die matten Klingen zwischen sie beide. "Dies hat mein Vater für mich geschmiedet; als er starb und meine Heimat vernichtet wurde, da wollte ich nie wieder ein Schwert anpacken.", er schüttelte den Kopf. "Aber man kann nicht vor den Dingen davonlaufen, alles holt einen irgendwann ein. Auf dem Tag folgt die Nacht, aber auch die Dunkelheit muss irgendwann der Sonne wieder weichen. Falls du einmal am Meer warst, die Gezeiten sind das beste Beispiel: Bei Flut steigt das Wasser, aber bei Ebbe weicht es zurück."
Hinter ihnen polterte es und Halarîn erschien auf dem Dach, zwei gepolsterte Übungsschwerer in der Hand, davon war Eines heruntergefallen.
"Denk daran, wer den Bär in die Ecke drängt bekommt Probleme.", sagte er zwinkernd und stand auf.
"Aber zu erst wirst du deine erste Trainingsstunde erhalten.", ergänzte Halarîn und warf ihrem Mann eines der Übungsschwerter zu.
Er fing es geschickt auf und schwang es leicht zur Seite, auf und ab.
"Die Waffe ist sehr kopflastig, dann musst du am Griff weiter vorn anfassen. Eigentlich sollte man in diesem Falle die Waffe wechseln. Gut ausbalancierte Schwerter haben den Schwerpunkt etwa ein paar Fingerbreit über dem Griff.", erklärte er Kerry und wirbelte das Schwert herum.
"Kopflastige Waffen sind gut als Reiterwaffen geeignet aber ich denke das weißt du schon.", er band sich sein Haar nach Hinten und die beiden Elben begannen sich zu umkreisen, die Waffen leicht erhoben.
"Im eigentlichen Kampf hast du dafür meist keine Zeit aber es ist gut auf die Beinbewegung zu achten.", murmelte der Krieger und musterte Halarîn aufmerksam.
Sie begann mit einem Ausfallschritt, den Mathan konterte, indem er sich in sie hineindrehte. Sein Ellenbogen sauste heran und grade noch konnte sie rechtzeitig unter ihm runter tauchen. Einen Kniestoß gegen ihren Magen fing sie umständlich mit der flachen Seite der Waffe ab.
Mathan sprang zurück und parierte einen flachen Hieb, der mit einer scharfen Waffen ein paar Haare erwischt hätte. Es folgte eine Reihe von Angriffen, die er entweder auswich oder von der gepolsterten Klinge abgleiten ließ.
"Versuche nie einen direkten Hieb zu blocken.", sagte er und machte einen Schritt zur Seite, ein Luftzug striff sein Ohr. Diesmal holte Halarîn etwas weiter aus und ließ die Waffe von Oben auf ihn herabsausen. Mit einem dumpfen Knall trafen die Übungswaffen aufeinander. Die Beiden standen sich gegenüber und starrten sich an.
"Einem Kräftemessen wärst du nicht gewachsen.", erklärte er weiter.
Er drückte nun mit aller Kraft gegen die Klinge Halarîns, sodass seine Muskeln hervortraten. Einem kurzen Moment hielt sie stand, knickte aber dann ein und er verpasste ihr einen Tritt, der sie auf den Boden schickte.
Sie funkelte ihn wütend an, wärend er seiner Frau auf die Beine half.
"Natürlich würde ein echter Kampf nie so ablaufen, aber der Kern der Sache war, dass du auf keinen Fall einen direkt Schlag blockst.", sagte er nachdrücklich zu Kerry und ließ das Übungsschwert fallen.
"Im echten Kampf hat man selten ebenbürtige Gegner.", ergänzte Halarîn böse, die nun ihren Bogen in der Hand hielt.
Mathan reagierte sofort und machte einen Satz nach vorn. Der Pfeil verfehlte knapp seine Schulter, einen zweiten wich er mit einer Rolle aus und griff dabei nach seinen beiden Schwertern. Halarîn spannte die Sehne erneut, was ihn die Waffen sinken ließ. Er wechselte zum umgekehrten Griff bei einem der Schwerter.
"Für Menschen wirds nun schwer, mach das nicht nach.", sagte er und Halarîn ließ ein gemeines Grinsen aufblitzen.
Der Pfeil glitt von der Sehne wärend Mathan einen diagonalen Schritt nach vorn machte. Mit der Linken, die das umgekehrte Schwert trug schlug er den Pfeil aus der Bahn und mit der rechten Waffe bedrohte er Halarîn Beine, bereit zum Stich.
"Bogenschützen in den Nahkampf zwingen, ausweichen oder wegrennen.", sagte Halarîn schmunzelnd, die gar nicht mehr so grimmig aussah.
Mathan schmunzelte ebenfalls. "Wenn du mehr sehen willst Kerry, wir machen heute Abend ein kleines Sparring um in Form zu bleiben, du kannst gern mal vorbeischauen. Vielleicht zeigt dir Halarîn etwas, das mal nicht mit Kämpfen zu tun hat.", schlug er zwinkernd vor und schob die Schwerter in die Scheiden auf seinem Rücken.
"Aber nur wenn du willst.", fügte die Elbe mit leichter Scheu hinzu und huschte die Treppe hinab, Mathan ihr folgend.
« Letzte Änderung: 6. Feb 2017, 17:04 von Curanthor »

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Neuen Spuren nach
« Antwort #11 am: 5. Mai 2016, 00:16 »
Kerry blieb noch ein Weilchen alleine auf dem Dach stehen, alleine mit ihren Gedanken.
Die Vorstellung der Elben hatte sie tief beeindruckt. Mathan und Halarîn hatten sich gleichzeitig kraftvoll und anmutig bewegt und schienen stets genau zu wissen, in welche Richtung sie sich drehen und worauf sie ihre Klingen richten mussten.
Sie sind sicherlich viele tausend Jahre alt, erinnerte sie sich. In dieser Zeit lernt man wohl das eine oder andere über den Schwertkampf.

Sie löste ihren Zopf und begann, ihn auf eine etwas kompliziertere Art neu zu flechten. Mit dem Rücken an die große Kuppel der Rüsthalle gelehnt ließ sie den Blick zum wolkenlosen Himmel gleiten. Die helle Sonne wärmte ihr Gesicht und ließ sie sich entspannen. Doch da erregte ein kleiner, dunkler Punkt im hellen Blau des Horizonts ihre Aufmerksamkeit. Sie kniff die Augen zusammen und verfolgte den Fleck, der sich schnell zu bewegen schien.
Ob das der Adler ist? fragte sie sich. Kurz darauf konnte sie mehr erkennen und stellte fest, dass sie richtig gesehen hatte. Der majestätische Vogel flog in große Höhe über Fornost hinweg, und als sein Schatten Kerry streifte hörte sie von fern den Schrei des Adlers. Er klingt irgendwie besorgt, dachte sie, obwohl sie natürlich keine Worte sondern nur einen Vogelruf gehört hatte. Sie beschloss, Gandalf zu finden.

Der Zauberer hatte auf der Rückseite der alten Rüsthalle ein kleines, fensterloses Zimmer bezogen, das von oben bis unten mit alten Schriftrollen und Büchern vollgestopft war. Einige davon waren von Ardóneth aus der Schatzkammer unter dem Palast der Könige geborgen worden, andere hatten die Waldläufer aus der Feste am Abendrotsee mitgebracht, und wieder andere waren bereits hier gewesen als der Sternenbund nach Fornost gekommen war. Gandalf war im Licht mehrerer großer Kerzen in ein altes Buch vertieft, dessen Seiten vergilbt und kaum leserlich waren.
Als Kerry eintrat blickte der Zauberer auf und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
"Hallo, Kerry," sagte er einigermaßen gut gelaunt.
"Gandalf," erwiderte sie hektisch. "Ich hab' den Adler gesehen."
"Rovallír? Bist du dir sicher?"
"Ich weiß nicht, ob es derselbe war wie der, mit dem du gesprochen hast," antwortete Kerry. "Er ist nicht gelandet sondern überflog die Stadt in westlicher Richtung."
Gandalf nickte nachdenklich. "Das kann viele Gründe haben. Der Windfürst hat viele Vasallen, die Kunde aus fernen Ländern für ihn einholen."

Bevor er weitersprechen konnte kam einer der Dúnedain des Sternenbundes in den Raum gestürzt.
"Mithrandir!" rief er außer Atem. "Eilt Euch! Aravorn II. schickt nach euch."
"Er schickt nach mir?" wiederholte Gandalf mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung in der Stimme.
"Er benötigt euren Ratschlag und eure Weisheit," erklärte der Wadläufer.
"Nun gut," sagte Gandalf und erhob sich. Gemeinsam mit Kerry folgte er dem Mann in Belens Ratszimmer. Dort warteten bereits Mírlinn, Ardóneth und Avaron bei Belen, der mit dem Rücken zur Tür stand und aus dem Fenster hinaus blickte.
Als Gandalf und Kerry eintraten drehte er sich um, einen zufriedenen Ausdruck im Gesicht.
"Die Stadt ist unser, Mithrandir," begrüßte er den Zauberer.
"Erklärt das," wollte Gandalf wissen.
"Seit Ardóneths Sieg im Palast der Könige sind die Schergen Sarumans in Unordnung. Sie haben ihre Anführer verloren und sich in ihre Schlupfwinkel verkrochen. Und gerade jetzt wo wir hier miteinander sprechen zieht sich ein großer Teil der verbliebenen Männer der Weißen Hand nach Süden zurück. Sie fliehen, Mithrandir! Fornost ist frei!"
"Noch nicht ganz," warf Ardóneth ein. "Elrádan hat mir berichtet, dass sich diejenigen, die nicht fliehen, im westlichen Stadtviertel sammeln. Wenn wir schnell zuschlagen erwischen wir sie alle auf einem Haufen," fügte der Dúnedain-Hauptmann hinzu.
"Das sind gute Neuigkeiten," sagte Gandalf.
"In der Tat," ergriff Belen erneut das Wort. "Wir werden den Banditen in Diensten Sarumans keine Gelegenheit lassen um sich zu verschanzen. Ardóneth wird alle kampfbereiten Dúnedain mitnehmen und ihren Widerstand brechen. Dann wird niemand mehr unseren Anspruch auf Fornost bestreiten."
"Wie du befiehlst," sagte Ardóneth und ging hinaus. Zweifellos würde er den Angriff vorbereiten.
"Was ist mit jenen, die nun nach Süden fliehen?" überlegte Gandalf. "Sollten sie nicht verfolgt werden? Was, wenn sie Verstärkung rufen?"
"Der Sternenbund braucht jede Klinge bei Ardóneths Angriff," erwiderte Belen. "Wir können keine Leute erübrigen. Sollen die Feiglinge doch fliehen! Fornost ist unser, und wir werden es uns nicht wieder nehmen lassen!"

Es schien offensichtlich, dass Belen seine Meinung nicht ändern würde, obwohl Gandalf es noch eine Weile lang versuchte.
"Wenn Ihr meinen Rat das nächste Mal ersucht, solltet ihr auch offen für Vorschläge sein," sagte er schließlich ungehalten und verließ den Raum. Kerry folgte ihm während die Dúnedain zurück blieben und weiter über die endgültige Befreiung Fornosts sprachen.
"Er hat sich verändert," sagte Gandalf geradezu zornig während er durch die Halle eilte. "Ich befürchte, sein Streben nach Rache an Saruman und dessen Dienern hat seine Entscheidungen verzerrt. Blut zu vergießen ist nicht immer die Lösung."
Kerry hatte Mühe, mit dem Zauberer Schritt zu halten.
"Gandalf, warte," rief sie schließlich als dieser die Tür zu seinem kleinen Zimmer erreicht hatte. Er drehte sich zu ihr um.
"Ich könnte gehen," sagte sie leise.
Gandalf zog eine Augenbraue nach oben.
"Schau' mich nicht so an, Gandalf," fuhr Kerry fort. "Du weißt, was ich meine. Ich kann den Spuren der Leute folgen, die heute aus der Stadt geflohen sind. Ich kann herausfinden, wohin sie gehen und ob sie mit Verstärkung zurückkehren werden."
Der Zauberer blieb noch einen Moment still. Dann schaute er Kerry mit einem stechenden Blick in die Augen.
"Du bist gewachsen, Mädchen. Ich sehe jetzt, dass es gut ist, dich dabei zu haben. Celebithiel hat das schon im Alten Wald erkannt. Du willst gehen und diese Verantwortung tragen? Dann geh! Geh und finde heraus, was auf dem Grünweg vor sich geht."
"Ich breche noch heute auf!" antwortete Kerry entschlossen.
"Du, Kerry, ganz allein gegen die Schergen Sarumans?" sagte eine belustigte Stimme hinter ihr. Sie wirbelte herum und fand sich Rilmir gegenüber.
"Dúnadan? Was...?" stammelte sie.
"Ich komme mit dir," erklärte Rilmir lächelnd. "Und ich weiß auch schon, wohin unsere Freunde geflohen sind. Haleth verfolgt bereits ihre Fährte und wird uns geradewegs zu ihnen führen. Komm, wir haben keine Zeit zu verlieren!"
"Viel Glück, meine liebe Kerry," verabschiedete sich Gandalf.

Na großartig, dachte Kerry. Dem Dúnadan und seiner Geliebten aus dem Weg zu gehen hat wirklich gut geklappt. Und wie erkläre ich nun meinem Schwert-Lehrer und Halla, dass ich plötzlich verschwunden bin?
Glücklicherweise trafen sie die beiden Elben am Eingang, und Rilmir erzählte Mathan und Halarîn von ihrer Mission.
"Viel Glück, Kerry!" wünschte Halarîn ihr.
"Wir können dein Training fortsetzen, wenn du zurückkehrst," sagte Mathan.
Die beiden Elben gingen davon, um sich dem Angriff anzuschließen.
Kerry folgte Rilmir durch die nun gespenstisch leeren Hallen der Rüstkammer. Die meisten Dúnedain waren bereits unter Ardóneths Kommando abgezogen.
"Bevor wir geh'n," sagte Rilmir und hielt sie am Arm fest. "Ich hab' hier was für dich."
Er zog einen kleinen Stoffbeutel hervor. Als Kerry hineinspähte konnte sie ihren Augen kaum trauen. Zwei Diamant-Ohrringe von makelloser Schönheit funkelten im Sonnenlicht.
"Für mich?" fragte sie ungläubig.
"Ardóneth fand sie in der Schatzkammer der Könige. Er sagte, sie würden dir sicher gut stehen," erklärte Rilmir und setzte sich wieder in Bewegung.
Verwirrt steckte Kerry die Ohrringe in ihrer Tasche und folgte ihm auf dem Grünweg nach Süden.


Mathan und Halarîn in die Stadt
Kerry, Haleth und Rilmir zum Grünweg
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« Antwort #12 am: 9. Okt 2016, 00:14 »
Kerry von den Straßen Fornosts


"Kerry, komm mit! Es gibt viel zu tun!", rief Mírlinn und riss Kerry aus ihren Gedanken.
Sie war endlich an ihren Lieblingsort in Fornost zurückgekehrt - das Dach der alten Rüsthalle - und hatte die Beine baumeln lassen und sich von der warmen Sommersonne die Nase kitzeln lassen. Doch ehe sie richtig hatte zur Ruhe kommen können war sie von Mírlinn unterbrochen worden.
"Was gibt es denn, Mira?" fragte sie.
"Mirlinn," verbesserte die Waldläuferin. "Wirst du dir das jemals merken können?"
Kerry streckte ihr die Zunge heraus. "Ihr Dúnedain habt nunmal einfach komplizierte Namen. Namen wie Gandalf, Pippin oder Aldoc, also das sind Sachen, die ich mir sofort merken kann."
Mírlinn lachte. "Gandalf kannst du dir merken? Was soll daran leichter sein als Rilmir oder Belen? Ganz zu schweigen von meinem Namen."
"Gandalf ist nun einmal einfach.... er ist..." sie suchte nach dem richtigen Ausdruck, dann fuhr Kerry fort: "Er sieht einfach nach einem Gandalf aus. Genauso wie Merry nach Merry und Pippin nach Pippin aussieht. Die Namen passen wie angegossen."
Die Waldläuferin setzte eine gekränkte Miene auf. "Du findest also, dass mein Name nicht zu mir passt? Er bedeutet "Singendes Juwel", das passt wunderbar, denn meine Stimme ist ein Wohlgenuss und meinem Anblick kommen höchstens exquisite Juwelen gleich." Sie grinste breit.
"Hör' nicht auf diese Angeberin," sagte Rilmir, der in Begleitung Haleths das Dach betreten hatte.
"Oh, Rilmir, welch ein Zufall dass Haleth auch hier ist," wandte sich Mírlinn nun an die Neuankömmlinge. "Ihr beiden seid ja in letzter Zeit schwerer voneinander zu trennen als ein Zwerg von einer Mithril-Ader!"
Kerry verzog das Gesicht. Der Stich in ihrem Herzen war immer noch da. Mírlinn hatte Recht: Rilmir und Haleth zeigten ihr Verhältnis nun offen und waren seit der Rückkehr nach Fornost unzertrennlich gewesen - auch nachts.
"Der freche Vogel fängt sich allzu oft einen Pfeil ein," sagte Haleth mit einem Lächeln und erhobenem Finger. "Gib acht, liebe Mírlinn, dass dir nicht Ähnliches widerfährt!"
"Oho, nun droht ihr mir also?" lachte die Angesprochene und steckte damit den Rest der Gruppe an - sogar Kerry konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken.

Sie halfen einige Zeit dabei, Schwerter und Äxte aus den Tiefen der Waffenkammer auf einen der kleineren Plätze in der Nähe der Rüsthalle zu tragen, doch Kerry begann, sich unwohl zu fühlen. Als ihre Leistengegend zu schmerzen begann, verstand sie, was los war.
Nein nein nein, dachte sie und biss die Zähne zusammen. Nicht jetzt. Nicht heute!
Doch es half nichts. Sie verbrachte den Rest des Tages eingerollt in mehrere Decken im Schlafraum der Frauen des Sternenbundes und wollte nur noch alleine sein. Rilmir kam vorbei, um nach ihr zu sehen, doch sie schickte ihn mit den Worten: "Sieh zu, wo du dich nützlicher machen kannst als hier, Dúnadan," davon. Ein wenig später fand Ardóneth sie, als sie mit leerem Blick an die Wand starrte.
"Was ist denn los, Kerry?" fragte er leise.
"Lass' mich in Ruhe, Ardan," gab sie gereizt zurück.
Er hob verwundert die Brauen. "Mein Name ist..."
"Sei still. Ich will alleine sein. Verschwinde!" zischte sie.
"Ich wollte nur nach dir sehen," antwortete er betroffen.
"Ich brauche niemanden der nach mir sieht. Ich bin kein Kind mehr. Geh weg und lass' mich in Frieden." Den letzten Teil des Satzes spie sie geradezu aus.
Ardóneth rückte von ihr ab, sichtlich getroffen. "Wie du willst," sagte er. Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort.

Es dauerte nur wenige Minuten bis es Kerry bereits leidtat und sie sich einsam fühlte. Da sie zuvor alle weggeschickt hatte und sie sich nicht in der Lage fühlte, aufzustehen blieb ihr nichts anderes übrig, als mit ihren Gedanken und ihren Schmerzen alleine zu bleiben. Und diese wurden schlimmer. Der Schmerz kam in Wellen und ließ sie sich verkrampfen und die Hände zu Fäusten zu ballen. Glücklicherweise hatte sie frisch Leinentücher bereitgelegt um die Rückstände zu beseitigen.
Als die Schmerzen endlich abklangen nahm zog sie sich aus und wusch sich im kalten Wasser des Zubers, der in der Ecke des Raumes stand. Sie war ausgelaugt, müde, und ärgerte sich darüber, den Tag in ihrem Zimmer verschwendet zu haben während in der Stadt große Betriebsamkeit herrschte und überall helfende Hände gebracht wurden. Kerry kam sich sehr selbstsüchtig vor. Als sie so auf ihrer Matratze lag und nachdachte gelang es den Ereignissen in Bree, erneut an die Oberfläche zu kommen. Verarbeitet hatte sie es noch lange nicht.
Du dummes, dummes Mädchen, dachte sie. Hier liegst du und versinkst im Selbstmitleid während sich deine Freunde auf einen Krieg vorbereiten. Werd' endlich erwachsen!
"Sei nicht allzu hart mit dir selbst, Déorwyn" sagte eine leise, beruhigende Stimme. Kerry drehte den Kopf in ihre Richtung und fand Gandalf im Türrahmen stehend vor.
"Gandalf," setzte sie an, doch der Zauberer brachte sie mit einem Wink zum Schweigen. Er setze sich neben sie und begann, sich ungerührt seine Pfeife zu stopfen.

"Ich erinnere mich an dich," sagte er nachdem er einige Augenblicke Rauchringe in die Luft aufsteigen gelassen hatte. "Ich erinnere mich an das junge Mädchen in Meduseld, dessen Augen den ganzen Weg bis zu Théodens Thron auf mich geheftet waren. Was hast du damals dort gemacht?"
"Ich... ich habe meinen Vater besucht," stammelte Kerry, überrascht von der Frage. "Er war... einer der Gardisten des Königes."
"Nun, meine Liebe, erinnerst du dich daran, was du mir im Alten Wald an den Kopf geworfen hast?" wollte Gandalf wissen.
Kerry blickte zu Boden. "Dass du verblasst bist," antwortete sie leise.
"Und damit hattest du Recht, Mädchen," stellte Gandalf fest. "Doch inzwischen ist einige Zeit vergangen und ich habe das Gefühl, mich so langsam wieder dem Gandalf zu nähern, den du in Edoras gesehen hast."
"Wovon sprichst du, Gandalf?" wollte Kerry verwirrt wissen.
Der Zauberer warf ihr einen langen, prüfenden Blick zu. "Ich meine damit, dass es immer Zeiten geben wird, in denen es uns schlecht geht, so wie es mir in Isengard und im Alten Wald schlecht ging und dir heute hier." Er ließ einen weiteren Ring in die Luft aufsteigen. "Eigentlich kam ich, um dir das hier zu geben."
Er reichte ihr einen Trinkschlauch, der ein wohlriechendes Aroma verbreitete als Gandalf den Verschluss öffnete. "Das wird gegen die Schmerzen deines Körpers helfen," erklärte Gandalf. "Doch gegen den Schmerz hier drin," er tippte gegen ihre Stirn, "wird er leider wirkungslos sein. Du musst dich diesen Gedanken stellen und mit jemandem darüber sprechen."
"Ich spreche ja gerade mit dir," stieß sie hervor.
"Und es ist gut, dass du das tust. Doch meine Zeit hier ist kostbar, und ich bin nun schon länger hiergeblieben als ich vorgehabt habe. Ich muss dafür sorgen, dass die Menschen in Fornost den kommenden Sturm überstehen."
"Ich verstehe," hauchte Kerry.
"Du weißt bereits, mit wem du sprechen solltest," riet ihr der Zauberer und wandte sich zum Gehen. "Lass' die Gedanken zu. Stell' dich ihnen. Und dann hole dir Hilfe. Um der Sterne Willen, liebe Kerry, nichts würde mich derzeit mehr erheitern als einen deiner närrischen Sprüche zu hören. Enttäusche mich also nicht! Du bist stärker, als du es dir zutraust."

Sie blieb noch einige Zeit alleine liegen und dachte über Gandalfs Worte nach, doch mehr und mehr drängten sich die Ereignisse im Tänzelnden Pony in ihren Kopf. Und endlich, endlich ließ sie die Emotionen zu und Tränen liefen ihr über die Wangen, die Decken, in die sie gehüllt war, befeuchtend. So saß sie schluchzend mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und stellte sich dem Fakt, dass sie dazu imstande gewesen war, einen anderen Menschen umzubringen...
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Ein Schatten zieht herauf
« Antwort #13 am: 12. Okt 2016, 15:25 »
Kerry hatte nicht bemerkt wie sie eingeschlafen war; sie driftete ohne es zu wissen in einen Traum ab. Darin lief sie federnd durch die Straßen einer Stadt mit hellen Gebäuden, deren Bewohner Grün-, Grau- und Brauntöne trugen. Ihre nackten Füße glitten über die steinernen breiten Stufen, die von der Oberstadt zum Hafen hinunter führten. Der Wind blies ihr ins Gesicht als sie das Ufer erreichte. Vor ihr breitete sich das Meer aus. Auch wenn sie es nur aus Geschichten und Erzählungen kannte hatte sie das Gefühl, schon einmal an Belegaers Stränden gestanden zu haben. Die Sonne, die gerade ihren höchsten Stand erreichte, ließ sie blinzeln und eine wohlige Wärme breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie ließ sich fallen und kam im weichen Gras auf, das hier im Hafen wuchs. Kerry wunderte sich nicht darüber. Sie legte die Arme hinter den Kopf und schloss die Augen.

Als sich ein Schatten über ihr Gesicht legte und ihre Ruhe störte, öffnete sie das rechte Auge, doch mehr als den Umriss eines Mannes konnte sie nicht erkennen. Kerry streckte sich und rappelte sich auf. Es war Rilmir, der sie lächelnd anblickte.
"Was tust du hier, Dúnadan?" fragte sie.
"Dasselbe wie du, Kerry. Wir beginnen hier unsere Reise," gab der Waldläufer zurück. Seine Stimme klang seltsam hohl.
"Unsere Reise? Ich verstehe nicht...." sagte Kerry, doch als sie Rilmir erneut anblickte hatte sich sein Gesicht verändert. Die braunen Haare waren nun schwarz, die Gesichtszüge feiner, der Bart verschwunden. Sie blickte in das Gesicht eines ihr unbekannten Elben, dessen Blick sie mit einer eisigen Kälte erfüllte.
"Wer... wer bist du?" stammelte sie.
Doch ihr Gegenüber gab keine Antwort. Stattdessen schoss seine Hand vor und packte Kerrys Zopf, der über ihre rechte Schulter fiel.
"Blonde Haare... rohirrische Gesichtszüge..." wisperte der Elb mit unheimlicher Stimme. "Du! Du bist das Mädchen!"
Kerry wich zurück, mit vor Angst geweiteten Augen. "Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe!"
"Nein, noch ist es nicht Zeit..." murmelte der Elb. Er richtete sich zu voller Größe auf, hob den Arm und versetzte Kerry einen gut gezielten Schlag gegen die Schläfe.
Sie fiel, wie vom Blitz getroffen, in die Dunkelheit.

Heißer Schmerz brachte sie wieder zur Besinnung. Kerry schreckte hoch und fand sich in einer dunklen Zelle wieder. Eine schattenhafte Gestalt stand über ihr, eine Peitsche in der Hand.
"Aufstehen, Kleine! Na los, beweg dich," knurrte der Schatten.
Sie zog sich hoch. Sie war noch immer barfuß, und der steinerne, kalte Boden der Zelle ließ sie erzittern. Die Gestalt stieß Kerry vorwärts, durch von Fackeln nur wenig erhellte Flure. Tiefer und tiefer durch unterirdische Gänge trieb man sie, bis sie in einen kleinen Raum kamen, wo eine zweite Gestalt stand, den Rücken zu der Tür durch die man Kerry gebracht hatte.
Der Neue drehte sich um. Es war derselbe Elb, den sie am Hafen gesehen hatte. Hass glitzerte in seinen Augen und es war offensichtlich, dass dieser Elb nur noch äußerlich etwas mit seinem Volk gemeinsam hatte.
"Da ist sie ja," zischte er. "Noch immer am Leben, nach all der Zeit. Wer hätte das gedacht."
"Wo bin ich?" stieß Kerry hervor. "Was wollt..." Ihr Stimme versagte.
"Du weißt ganz genau wo du bist," gab der Elb zurück und ein grausames Lächeln umspielte seine Mundwinkel. "Du bist genau dort, wo du sein musst."
"Wo?" war alles was Kerry noch herausbrachte.
"Am Ende deiner Reise, und auch am Ende seiner," antwortete ihr Gegenüber. "Er wird kommen. Mein alter Freund wird kommen, das ist so sicher wie der Winter auf den Herbst folgt. Und wenn er kommt, wird es sein Ende sein."
Kerry verstand nicht, wovon er redete. Der Elb sprang auf sie zu, die Hände zu Fäusten geballt. Erneut schlug er zu und erneut stürzte sie in die Schatten.


Sie riss die Augen auf. Kerry lag in ihrem Bett, auf dem Gandalf vor Kurzem noch gesessen hatte.
Ein Traum, ich habe geträumt, stellte sie fest. Ob... das etwas zu bedeuten hat?
Es dauerte noch eine ganze Weile bis sie wieder ruhig atmen konnte. Schließlich kamen ihr Gandalfs Worte wieder in den Sinn. Du weißt, mit wem du sprechen solltest, hatte der Zauberer gesagt.
Kerry nickte. Doch noch konnte sie nicht gehen. Sie würde sich noch etwas Zeit brauchen, um die Schrecken ihres Traumes abzuschütteln.
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Tröstliche Gegenwart
« Antwort #14 am: 12. Okt 2016, 22:02 »
Halarîn vom Südtor Fornosts


Halarîn kam auf leisen Sohlen in den Raum und blieb einen Augenblick in der Tür stehen. Als die Elbin Kerry entdeckte, lächelte sie sanft und ließ sich auf einem Kissen neben dem Bett nieder. Kein Wort sagte sie, sondern wartete geduldig ab, schien den Raum mit ihrer Gegenwart zu erwärmen.

Kerry beobachte Halarîn einige Augenblicke. Die Ruhe, die sie ausstrahlte, ließ den Traum mehr und mehr verblassen. Kerrys Hemmungen wurden schwächer und schwächer, bis sie schließlich aus dem Bett glitt, sich neben Halarîn setzte und sie in eine wortlose Umarmung schloss. Sie fühlte sich endlich frei von allem was ihre Gefühle zurückhielt, frei von aller Verdrängung. Sprechen konnte sie nicht da ihr Tränen das Gesicht hinabströmten und Halarîns Haar benetzten. Auch wenn Kerry sie kaum kannte fühlte sie eine wohltuende Verbundenheit und so ließ sie zu, dass sie wie ein junges Mädchen weinte und sich in Halarîns Umarmung fallen ließ.
Die Elbin ließ die Umarmung zu, legte dem Mädchen ihrerseits einen Arm um und strich ihr beruhigend über den Rücken. Während Kerry weinte, erinnerte sich Halarîn an ihre Tochter. Damals wurde sie von einem gutaussehenden Elben abgewiesen und hatte darüber tagelang geweint und geklagt. Die Situation war so ähnlich, nur, dass Kerry wohl kaum wegen einer Liebesgeschichte in Tränen lag. Halarîn war das "warum" aber auch nicht so wichtig, nur, dass sie für sie da sein konnte in der Zeit, in der Kerry niemanden sonst hatte.

Nach einer Weile, Halarîn konnte nicht sagen wie lange, begann sie auf elbisch einige Passagen aus dem ältesten Lied ihres Volkes zu singen. Leise und dezent erklang ihre Stimme nur so, dass sie beide es hören konnten.
Sie sang über die Ostküste Mittelerdes, die Schönheit des Meeres und wie die ersten Elben getrennte Wege gingen.
Als sie endete, war sie erfüllt von einem Hauch Wehmütigkeit nach ihrer Heimat. Sie blickte zu Kerry hinab und gab ihr einen sanften Kuss auf die Haare. Sie zögerte, begann jedoch leise zu sprechen:
"Weißt du, manchmal passieren Dinge, die nicht geplant sind. Es gibt Dinge, die man manchmal tut, weil man keine andere Wahl hat,"
eine Pause trat ein und Halarîn sprach mit viel Fingerspitzengefühl weiter, "Ich wurde vor sehr, sehr langer Zeit von meiner Heimat weggebracht und mich hat niemand gefragt. Ich hatte keine Wahl, aber ich habe gelernt damit zu leben. Ich habe gelernt, dass ich darüber sprechen kann, auch wenn es weh tut oder man es nicht will. Tief im Inneren weiß man, dass es am Ende doch helfen wird," Halarîn seufzte leise und unterbrach das Streicheln an Kerrys Rücken für einen Moment, "Ich weiß, dass ich eigentlich nur eine Fremde bin und es mag merkwürdig klingen aber: Ich bin für dich da, du bist nicht einsam. Ich lasse niemanden alleine in der Dunkelheit sitzen."

Sie legte ihre Hand in die von Kerry und streichelte über ihren Daumen.
Kerry fand Trost in Halarîns Gesang und in ihren Worten, und nach einiger Zeit auch endlich den Mut, zu sprechen.
"Ich... ich habe jemanden umgebracht..." stieß sie hervor. "Es ist... es ist einfach so passiert..." Schluchzend berichtete sie von den Ereignissen in Bree: wie der Handlanger Lutz Farnrichs sie gewürgt und gegen die Wand gepresst hatte; wie ihre Finger durch Glück an den Dolch geraten waren; wie sie es irgendwie geschafft hatte, das Herz des Mannes zu treffen.
"Da war... überall Blut... so viel Blut...." stammelte sie. "Halla, hast du jemals einen anderen Menschen getötet? Was denkst du dabei? Wie ... wie wirst du die Gesichter der Toten wieder los? Ich sehe ihn immer noch vor mir, Schmerz und ... und Überraschung im Gesicht... und den Moment, in dem er diese Welt verließ, als das Licht in seinen Augen erloschen ist...."
Sie atmete tief durch und blickte Halarîn in die Augen. "Ich weiß, dass ich selbst gestorben wäre wenn ich es nicht getan hätte. Doch wieso kann ich mir dann nicht dafür vergeben? Wieso verfolgt es mich so? Ich will, dass es aufhört, dass die Erinnerung schwindet und der Schmerz mich verlässt..."
Halarîn holte leise Luft und atmete leise aus, denn das was Kerry ihr erzählte, war etwas, das viele Leute betraf.
"Nun Kerry, wenn du mich fragst ob ich einen Menschen getötet habe, dann klingt das so einfach. Das ist es aber nicht. Du sagst ja selber, dass er dich sonst getötet hätte, aber Eines musst dabei immer vor Augen halten: Du fühlst dich schrecklich danach, der Kerl jedoch nicht. Er hatte keine Skrupel aber du hast sie, deswegen fühlst du dich so und deswegen verfolgt es dich," sie blickte Kerry die ganze Zeit in die Augen und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht, "aber du darfst dich nicht dafür verantwortlich machen, er hat dich in diese Situation gezwungen. Wenn das Gesicht wieder auftaucht, dann stelle dir seine Fratze vor, wenn dieser Kerl Unschuldige ermordet. Dann merkst du, dass er es nicht verdient hat, dass du dich deswegen verkriechst, sonst würde er am Ende gewinnen. So mache ich das immer."
Halarîn strich sanft über Kerrys Wange und lächelte.
"Lasse dein Herz nicht schwer werden, denn es leuchtet so wunderbar wenn ich dir in die Augen schaue. Das was du getan hast war nichts wofür du dich schämen musst, sonst hätte ich dir jetzt nicht dieses Kompliment geben können."

Kerry schniefte und legte die Hände in den Schoß. Was Halarîn ihr sagte, ergab durchaus Sinn. Sie wusste, dass der Mann den sie in Notwehr getötet hatte nun wirklich kein Unschuldiger gewesen war. Sicherlich hatte er schon vielen Leuten Schmerzen und Tod gebracht. Kerry genoss Halarîns sanfte Berührung und schwieg einen langen Augenblick. Schließlich seufzte sie tief und sagte leise: "Ich glaube, ich verstehe es...." Sie nahm ihr wild durcheinander liegendes Haar und band es zu einem ordentlichen Zopf zusammen. "Halla, vielleicht klingt das seltsam, aber ich habe einfach das Gefühl, dir vollkommen vertrauen zu können. Aber ich möchte dich nicht mit meinem dummen Problemen belasten. Du bist so perfekt und und unsterblich, sicherlich hast du all dies schon tausendmal gesehen und erlebt. Ich... möchte dir nicht zur Last fallen."
Sie verstummte und schmiegte ihre Wange gegen Halarîns Schulter. Ein weiterer langer Augenblick verging in dem sie ihrem eigenen Herzschlag lauschte und ihre Gedanken sortierte.

"Nein," hauchte sie leise. "Ich werde mich nicht länger von diesem Schrecken verfolgen lassen. Du hast Recht, Halla. Ich bin nicht verantwortlich dafür, was passiert ist. Ich... sehe nun etwas klarer. Danke, Halla. Du bist eine gute Freundin geworden und deine Worte spenden mir Trost."
Sie schloss die Augen und genoss die Gegenwart Halarîns und die Ruhe und den Frieden, die sich in ihr nun ausbreiteten.
« Letzte Änderung: 3. Nov 2016, 10:43 von Fine »
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