Über das Tor, an dem vor so kurzer Zeit noch eine erbitterte Schlacht getobt hatte, hatte sich eine merkwürdige Stille gelegt. Sicher, Verwundete schrien und stöhnten, und Menschen eilten hin und her und riefen sich Anweisungen zu, doch im Vergleich zum Getöse der Schlacht kam Oronêl alles seltsam gedämpft vor. Er und Kerry hatten Mírwen außerhalb des Tores in den Händen der Heiler zurückgelassen, und obwohl Oronêl sie ungern allein lassen wollte, musste er weiter. Auf der anderen Seite des Tores fand er schließlich, was er suchte: Mathan und Halarîn saßen mit einem jungen menschlichen Krieger auf den zerstörten Überresten eines Katapults, und schienen ihren Gedanken nach der Schlacht nachzuhängen. Für einen Augenblick vergaß er seine Begleiter, und ging seinen ehemaligen Gefährten mit schnellen Schritten entgegen.
Er war auf drei Schritte herangekommen, als Halarîn den Kopf hob. Auf ihrem Gesicht malte sich Überraschung, als sie seinen Namen sagte: "Oronêl?" Auch Mathan blickte auf, und fragte verwundert: "Was tust du hier?" Er sprang auf die Füße, und packte den Unterarm, den Oronêl grüßend ausgestreckt hatte.
"Ich war auf der Suche nach euch", erwiderte Oronêl, und musste trotz seiner schmerzenden Rippen lächeln. Das Wissen, dass Faronwes und Cúruons Opfer nicht völlig umsonst gewesen waren erleichterte sein Herz, und machte ihren Tod leichter zu ertragen. Nicht nur war Fornost für den Moment gerettet, seine Gemeinschaft hatte nun auch ihren ursprünglichen Zweck erfüllt. Er ließ Mathans Arm los, und erwiderte dafür die kurze Umarmung, in die Halarîn ihn zog.
"Weshalb auch immer du hier bist, wir sind froh dich zu sehen", sagte sie mit ihrem merkwürdigen Akzent, während Mathan Oronêl aufmerksam beobachtete. Beide wirkten etwas mitgenommen von der Schlacht, aber weitaus weniger erschöpft und erschüttert als der junge Mann der zwischen ihnen saß.
"Geht es um Eregion?", fragte Mathan geradeheraus, und Oronêl nickte. "Ja." Er zog die Karte, die Mathan ihm in Dunland überlassen hatte, hervor, und gab sie dem Schmied zurück. "Ich habe meine Aufgabe noch nicht erfüllt, denn ich konnte die Karte nicht lesen und es war keine Zeit. Ich brauche deine Hilfe."
Mathan betrachtete die Karte für einen Augenblick nachdenklich, bevor er antwortete: "Ich habe dir meine Hilfe versprochen, und du wirst sie bekommen. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine solche Unternehmung zu sprechen." Er ließ einen vielsagenden Blick über den Torplatz schweifen, auf dem sich viele der Verteidiger drängten und Verwundete und Leichen in die Stadt trugen.
"Du hast recht", stimmte Oronêl zu, und musste an Mírwen, Cúruon und Faronwe denken. "Und auch wenn die Aufgabe wichtig ist, wird sie doch bis morgen warten können."
Mathan nickte stumm und blickte kurz zu Halarîn. "Als wir uns trennten, hatten wir schon irgendwie das Gefühl, dass wir uns wiedersehen werden. Nicht nur wegen der Karte", der Elb schaffte ein schiefes Lächeln und nahm die Karte entgegen und zögerte, "sie ist von meinem Vater, sie bedeutet mir sehr viel.", sagte er nach einer kurzen Pause ernst.
Der menschliche Krieger stöhnte leise und öffnete die Augen, sogleich bedrängte der das Paar gemeinsam nach seiner Schwester zu sehen.
Nach dem Wiedersehen mit Mathan und Halarîn hatte Oronêl sich gemeinsam mit Gelmir und Finelleth an die unangenehme Aufgabe gemacht, Faronwes und Cúruons Leichen auf dem Schlachtfeld zu suchen und in die Stadt zu bringen. Faronwe lag noch an der gleichen Stelle an der er gefallen war, und wirkte beinahe friedlich schlafend. Anscheinend war der Rest der Schlacht an ihm vorbeigezogen, und so war sein Körper nicht verstümmelt worden. Bei Cúruon hatten sie weniger Glück, denn der Wächter von Imladris war mitten im Heer der Orks gefallen. Sie fanden zwar die Leichen der beiden Trolle, die er getötet hatte, doch von Cúruon selbst war nur sein Großschwert, dass noch immer im Hals des einen Trolls steckte, geblieben.
Gelmir war in der Stadt neben der Leiche seines Gefährten sitzen geblieben, hatte Faronwes Hand in seine genommen und bewegte stumm die Lippen. Oronêl und Finelleth zogen sich taktvoll zurück, und als sie etwas abseits des Torplatzes außer Hörweite waren, fragte Oronêl: "Komm, hier ist es zu voll zum Reden - und ich brauche für den Moment einen Ort ohne Verwundete und Tote."
"Worüber willst du reden?", fragte Finelleth, doch bevor er antworten konnte, schien sie begriffen zu haben. "Oh. Oh nein, ich will jetzt nicht über meinen Vater sprechen."
"Und ich werde dich nicht dazu zwingen", beschwichtigte Oronêl. Inzwischen stand die Sonne tief im Westen, und färbte den Himmel rot. "Aber ich brauche nach dieser Schlacht wirklich einen ruhigen Ort, an dem ich nachdenken kann. Und vielleicht möchtest du dann selbst über ihn reden."
Oronêl und Finelleth zum Versteck des Sternenbundes...