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Autor Thema: Aivaron - Verloren im Blut (Mini-Serie)  (Gelesen 3137 mal)

Curanthor

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Aivaron - Verloren im Blut (Mini-Serie)
« am: 21. Apr 2017, 05:22 »
Hallo zusammen,

hiermit stelle ich einen ersten Teil einer Mini-Serie vor, die ich in Schüben erweitern werde. Mini-Serie bedeutet, dass ich keine langen Plots einbaue, die sich erst nach 800 Seiten auflösen was als Leser manchmal recht frustrierend ist und ich als Schreiber weniger Zwang verspüre die (Mammut)Geschichte zu Ende zu bringen. Beide Seiten profitieren. [ugly]

Das Setting ist (wie zu erwarten) Fantasy und spielt in einer bereits erdachten Welt meinerseits, in der ich mich seit einigen Jahren aufhalte. Mehr dazu im Spoiler unten, falls Interesse besteht.

Kurzer Umriss, um was es geht:
Im Mittelpunkt steht der Protagonist Aivaron, der eigentlich mit einem ruhigen Posten in einer Eliteeinheit gerechnet hatte, da aber das "Elite" vor dem Wort "Einheit" selbst schon sehr würzig klingt, bleibt es mit Sicherheit nicht ruhig. Unser Held wird sich durch einige unerwartete Geschehen kämpfen müssen, ungewollte Verbündete finden und ein paar unangenehme Entdeckungen machen müssen. Dabei wird er öfters an seine Grenzen stoßen und womöglich Dinge tun, die man Anfangs nicht von ihm erwartet hat (und er selbst vielleicht auch nicht).






Aivaron

Verloren im Blut

Ein Saal voll mit Menschen und weit weniger Soldaten um alle im Auge zu behalten, nicht gerade eine Situation, die einfach zu handhaben war. Aivaron seufzte innerlich und richtete seinen Blick auf das große Podest, das sich am Ende des Saals erhob. Die Entfernung war jedoch zu groß, als dass er dort etwas erkennen konnte, bis auf die Umrisse der Gäste und Fürsten, die an der langen Tafel saßen. Langsam schritt er die Gänge zwischen den Sitzreihen entlang. Die sonst weißen Stühle wurden für den Anlass extra mit rotem Stoff bezogen, selbst der Teppich zwischen den Blöcken aus Stühlen war in einem edlen Rot gehalten. Einige der einfachen Leute warfen ihm unsichere Blicke zu, die er jedoch bewusst ignorierte. Seine scharfen Augen hielten nach versteckten Waffen Ausschau, doch war bisher alles ruhig. Aivaron begab sich zu dem doppelflügeligen Tor in der Mitte, am anderen Ende des Saals. Es war eines von Dreien, wo seine Männer den Strom an Gästen kontrollierten. Er ließ seinen Blick schweifen und musterte dutzende Gesichter, die Männer waren meist gründlich rasiert oder trugen sorgsam gestutzte Bärte, wobei die Frauen sich gegenseitig mit der Pracht ihrer Gewänder zu übertrumpfen versuchten. Unter all den Prunk ließen sich jedoch keine Waffen verstecken, das wusste er von seinen Liebschaften. Aivaron marschierte über den roten Teppich, der den Klang seiner schweren Reiterstiefel abdämpfte zu dem Tor. Dort angekommen nickte er dem dortigen Wachmann zu.
"Kommandant", begrüßte dieser ihn und nickte ebenfalls, sodass der blaue Rosshaarbusch leicht wippte. Aivaron stellte sich neben dem Soldaten und beobachtete, wie die Gäste in geordneten Reihen eingelassen wurden. Viele trugen ihre besten Gewänder, an denen man erahnen konnte, aus welcher Familie sie stammten, denn in Adenas war es Brauch seine Herkunft zu zeigen, zumindest in der obersten Schicht. Kurz sah er an sich selbst hinab, denn er trug einen schwarzen Mantel, eine schlichte Uniform mit dezenten Schnitt und den Orden, der ihn als Kommandanten der Spezialeinheit auswies. Keine Familienmarken keine Schärpe oder Andere Erkennungszeichen, denn in seinem Beruf brauchte man solche Dinge nicht.
In den unablässigen Strom aus Gästen, hauptsächlich Menschen, fiel ihm eine schlanke Gestalt besonders auf, da sie jeden um mindesten einen Kopf überragte. Die spitzen Ohren erkannte er schon vom Weiten. Langsam Schritt die Frau mit glatten, langen roten Haaren durch die Reihen, die ihr wie von Geisterhand geöffnet wurden. Das makellose Gesicht fixierte ihn sofort und Aivaron musste den Blick anwenden, da die grasgrünen Augen auf ihn unheimlich wirkten und es gab wenige Dinge, die er nicht aushielt. Er konnte einem Mann die Augen ausstechen und nicht mit einer Wimper zucken, doch Wesen aus anderen Völkern traute er nicht über dem Weg. Die Frau war fast an ihnen vorüber, ihr verlockender Körper steckte in einem tief ausgeschnittenen, weinroten Kleid, die Seiten waren hoch bis zu den Hüften eingeschnitten, sodass man die nackte Haut der langen Beine erkennen konnte. Anzüglich wie immer, dachte er sich und wandte den Blick ab.
Der Soldat neben ihm wollte sich sogar Verbeugen und dabei seinen dunkelblauen Mantel auf dem Arm nehmen. Aivaron fiel ihm in die Bewegung, indem er dem Mann einen Stoß mit dem Ellenbogen gegen den Brustpanzer der traditionellen Kupferrüstung verpasste.
"Bleibt bei Eurer Pflicht", zischte er dem Wachmann zu und murmelte mehr zu sich selbst etwas lauter weiter: "Bei den Göttern, wir können nicht jeden dieser...Dinger die Ehre erweisen. So selten Elfen sich aus den Wäldern begeben, umso größere Probleme verursachen sie."
"Na, was muss ich denn da hören? Ich hoffe, es war nichts Böses gegenüber unseren geschätzten Gästen", erklang eine strenge Stimme hinter ihm und der Wachmann neben ihm salutierte sofort.
Aivaron stöhnte innerlich auf und setzte sofort ein falsches Lächeln auf, während er sich umwandte. Sogleich blickte er in stahlgraue Augen, die abwechselnd sein Langschwert an der Hüfte betrachteten, welches den schwarzen Mantel ausbeulte und seinem Gesicht.
"General Amantos, es ist schön Euch zu sehen", heuchelte Aivaron und verneigte sich so knapp wie es möglich war, ohne respektlos zu wirken, "Ich versichere Euch, es war nichts feindlicher Natur."
Der General nickte langsam, der Lichtschein der Kronleuchter reflektierte dabei auf dem kahlen Haupt des Mannes. Dessen gepflegter Vollbart war schon mit grauen Strähnen durchzogen, doch war er noch sehr kraftvoll, was man trotz der streng geschnitten, blauen Gala-Uniform erkennen konnte. Die goldenen Epauletten auf den Schultern wirkten etwas ausgefranzt, doch war der General eine beeindruckende Erscheinung, auch wenn er noch so unbeliebt war. Eine Zeit lang starrten sie sich stumm an, denn Amantos hatte gemerkt, dass er ihn nicht sonderlich mochte. Schließlich sagte der General: "Das ist gut. Wärt Ihr unter meinem Kommando, hätte das Folgen und keine angenehmen. Da dies aber ein Feiertag ist, übersehe ich das und mache keine Meldung über Euer Kommentar. " Der Mann wollte sich schon abwenden, ehe er auf die ausgebeulte Stelle unter Aivarons Mantel deutete und dabei nur mit dem Kopf schüttelte. Ehe Aivaron etwas erwidern konnte, war der General schon davonmarschiert und zurück in den Saal verschwunden. Kurz blickte er ihm nach und sah, wie der bullige Kerl auf die erste Reihe zuhielt, wo die anderen hochrangigen Offiziere und Kommandanten saßen. Kurz war er versucht dem Kerl ein paar Dolche hinterherzuwerfen, besann sich aber wieder. Aivaron war froh nicht dort bei den Offizieren zu sein, auch wenn er die Berufung zum Leiter der Eliteeinheiten anfangs verflucht hatte, denn der Posten war vom Pech verfolgt. Unmerklich schüttelte er den Kopf um den Gedanken loszuwerden. Aberglauben, dachte er sich säuerlich und wandte sich an den Soldaten neben ihm: "Sind die Anderen in Position?"
Der Wachmann nickte und schien Etwas sagen zu wollen, zumindest las Aivaron es von seiner Körperhaltung ab, denn das Gesicht war hinter den weit vorgezogenen Wangenklappen verborgen, da der Bronzehelm nur zwei Schlitze besaß, einen für die Augen und den Anderen für Nase und Mund. Er ließ ihn eine Weile zappeln, nickte dem Wachmann schließlich unmerklich zu, was er als Aufforderung zum Sprechen verstand. Dieser fragte sogleich nach dem voraussichtlichen Ende der Veranstaltung. Die Stimme des Mannes klang dumpf, was Aivaron aber auf den Helm schob. Er ließ sich Zeit mit der Antwort und blickte hinab in den Saal, der eigentlich nur für Volksanhörungen und der Verkündung von königlichen Erlassen genutzt wurde. Die vorherrschenden Farben waren Marmorweiß, Rot und goldene Verzierungen, sodass der riesige Saal unnötig prunkvoll war, dafür, dass er so selten benutzt wurde.
"Das weiß ich nicht, wir sollen nur darauf achten, dass nichts schief geht", antwortete Aivaron nach einer Weile und beobachtete wieder die Gäste, doch war nichts Auffälliges zu sehen. Er wandte den Blick nach links, zu dem anderen Tor, doch sein Adjutant, der dort Wache hielt bedeutete ihm mit einem Handzeichen, dass dort alles ruhig war. Als er nach rechts blickte, erhielt er das gleiche Zeichen von der Wache, die ebenfalls die traditionelle Bronzerüstung mit blauen Mantel und Rosshaarbusch trug. Seine Männer und Frauen waren handverlesen, er kannte jeden von ihnen, hatte jahrelang mit ihnen in dem Kontingent der Fremdenlegion gedient, die unter den Elben gekämpft haben. Dabei haben sie keine großen Freundschaften geschmiedete, aber da Wichtigste erlangt, das man haben konnte: Das gegenseitige Vertrauen. Als Aivarons Berufung zum Elitekommandanten erfolgt war, hatte er jeden einzelnen von ihnen gefragt, ob sie ihn folgen wollten. Nur eine Handvoll ist seiner Bitte nachgekommen, doch auf die wenigen Leute konnte er sich aufs Ganze verlassen.


Nachdenklich schritt er noch einmal die zahlreichen Sitzreihen entlang, auf den anderen beiden Seiten taten seine Männer es ihm gleich. Dabei blieben zwei an den Toren und kontrollierten den abschwächenden Strom an Gästen, nun da immer weniger Menschen kamen, sondern eher Wesen aus anderen Völkern, brauchten sie nicht mehr zu dritt an den Toren zu stehen. Seine scharfen Augen glitten über die hunderte Gesichter, ohne etwas Verdächtiges entdecken zu können. Er entdeckte einige Elben, zwei Zentauren und die Elfe von vorhin, die noch immer Blicke auf sich zog. Das rothaarige Spitzohr bemerkte seinen Blick und hielt den Blickkontakt für zwei Herzschläge, ehe sie sich auf das Podest fixierte. Aivaron seufzte leise, als er an der vordersten Reihe angekommen war und die hochrangigen Offiziere ihn flüchtig anblickten, da auch sein ehemaliger Vorgesetzter darunter war. Trotz dem Barett, das der General trug, erkannte Aivaron ihn sofort. Er wollte schon zu seinem Bekannten hingehen, als er bemerkte, dass General Amantos neben ihm saß. Die beiden Männer unterhielten sich scheinbar, sodass Aivaron dem Drang widerstehen musste dem glatzköpfigen Amantos nicht seine versteckten Wurfmesser an den Kopf zu werfen. Er besann sich wieder auf seine Aufgabe und blickte unmerklich zu dem Podium empor, wo der Haushofmeister des Königs ihm mit dem verabredeten Zwinkern das Signal gab. Sogleich wandte sich Aivaron an seine Wachen und hob den Arm mit geballter Faust. Sie reagierten rasch und schlossen die Tore und versperrten somit den Zugang für jeden verspäteten Gast. Eine Fanfare wurde geblasen und verkündete somit die Ankunft des Mannes, dem er sich verpflichtet hatte; derjenige, der das Land beherrschte. Applaus brandete auf und die Angehörigen des Militärs erhoben sich sofort, die einfachen Leute folgten dem Beispiel ohne groß nachzudenken, was Aivaron ein leichtes Schmunzeln entlockte. Eine Trommel wurde geschlagen und der Applaus verklang, sodass nur die dröhnenden Trommelschläge durch den Saal hallten. Der gleichmäßige Rhythmus kam von unten, wie er feststellte, denn der Boden war aus offensichtlich aus Holz. Ärgerlich zog er die Brauen zusammen, denn so eine Information war zu wichtig, als dass man sie einfach geheim hielt. Gemächlichen Schrittes ging er zu seinem Adjutanten, der ihm auf dem halben Weg entgegenkam. Sie nickte einander zum Gruß, ehe Aivaron fragte: "Wusstet Ihr davon?" Da der Mann die gleiche Uniform samt Mantel wie er trug, konnte man sie nicht, bis auf das Kommandantenabzeichen unterscheiden. Sein Adjutant kratzte sich unter dem Barett am Kopf und zuckte mit den Schultern. Aivaron fluchte leise und gab seinen Untergebenen ein Zeichen, dass sie sich an ihre Posten an den Toren zurückzogen. Während er zu dem Tor in der Mitte ging, konnte er den König sehen, der das Podest betrat und dabei jeden einzelnen der Gäste aus fremden Ländern begrüßte. Die schwere Krone auf dem Haupt des schlanken Mannes war ein Meisterwerk und wurde nur zu wenigen Anlässen getragen. Rubine und Diamanten funkelten in dem Licht der großen Kronleuchter, denn der Kopfschmuck stand für den Reichtum von Adenas und wurde stets streng bewacht. Eine weitere Fanfare erklang, als der König sich auf seinen goldenen Thron in der Mitte der Podest niederließ. Zu seiner Rechten stellte sich der Haushofmeister und räusperte sich, ehe er mit lauter Stimme verkündete: "König Julinos VI."

Die stehenden Gäste verneigten sich, der Trommelschlag verstummte, die Militärs salutierten und schlugen sich mit der Faust gegen die Brust. Aviaron und seine Untergeben taten es ihnen gleich, doch der König hob sacht eine Hand und die Gäste nahmen Platz. Aus dem Augenwinkel erblickte er die Elfe, die sich ebenfalls niederließ und entspannte sich etwas. Die Abschlusszeremonie hatte ohne Probleme begonnen und er konnte sich auf das Geschehen konzentrieren, auch wenn er von hier hinten nicht viel erkennen konnte. Zwar glitten seine scharfen Augen unablässig hin und her, jedoch stand sein Körper nicht mehr unter Anspannung. Seine Aufmerksamkeit fuhr er nur soweit herunter, dass ein falsches Geräusch ihn in Alarmbereitschaft versetzten konnte. Mit nachlassender Anspannung konnte sich Aivaron mehr Gedanken um belanglose Dinge machen, wie die Elfe, die er zuvor erblickt hatte. Irgendwie kam ihm das Gesicht bekannt vor, auch wenn alle Elfen sich sehr ähnlich waren. Nachdenklich strich er sich seinen schwarzen Mantel glatt und rückte das Schwert gerade, damit es nicht so weit zur Seite hing. Kurz verharrte seine Hand auf dem Griff der Waffe, die ihn schon durch dutzende Gefahren begleitet hatte. An der Seite der Elben zu kämpfen war nie ungefährlich, doch was er gesehen hatte, sprengte die Vorstellung vieler Menschen. Vielleicht wurde er deswegen in die Eliteeinheit abkommandiert? Aivaron schob den Gedanken beiseite, denn er wollte nicht die Entscheidungen des Königs hinterfragen. Grübelnd blickte er zu Boden, unter dem sich offenbar weitere Räume befanden, was ihm nicht gesagt wurde. In seinen Augen war dies unverantwortlich, da er dort keine Leute hatte, um für genug Schutz zu sorgen. Vielleicht hatte der König seine Leibgarde dort abbestellt, dachte er sich und schüttelte den Kopf, , die Vorgesetzten wissen, was sie tun.
Nachdenklich konzentrierte er sich wieder auf das Podest, auf dem sich die Sieger des Turniers einfanden. Er achtete nicht darauf wer es war, denn das war nicht Teil seiner Aufgabe und Namen interessierten ihn nicht. Aivaron wusste nur, dass einer von ihnen eine Aufgabe zugeteilt bekam. Schweigend betrachtete er das Spektakel, mit dem der Champion, wie er genannt wurde, verabschiedet wurde. Hände wurden geschüttelt, Glückwünsche überbracht, kleine Geschenke ausgetauscht und viele freundliche Worte gewechselt. Für ihn war das nur geheuchelt, denn hier standen deutlich andere Interessen auf dem Plan, die aber keiner der einfachen Bürger verstehen würde, geschweige denn der Champion. Das ganze Schauspiel ist nur Politik, dachte Aivaron sich und verschränkte die Arme, soweit es die Uniform erlaubte. Plötzlicher Applaus brandete auf, als der Champion sich verneigte und das Podest verließ, auf dem der lange Tisch mit dem Gästen und dem Thron des Königs stand. Er atmete gepresst durch den Mund aus um die restliche Spannung loszuwerden. Aivaron wusste, dass eine verkrampfte Haltung keine Ruhe ausstrahlte und als Kommandant hatte er eine Vorbildfunktion. Dennoch konnte er die Warnungen der letzten Tage nicht ignorieren, auch wenn die Berater des Königs sie für unbedenklich erklärten. Er war dabei gewesen, als sie die Sicherheitsmaßnahem abgesprochen wurden und der Abgesandte der Fürsten stets betonte, dass es keinen Grund zur Sorge gab. „Und deswegen holt Ihr einen erfahrenen Kriegsveteran in die Eliteeinheit, die nur den König schützen soll?“ Hatte er damals gefragt, was ihm erneut durch den Kopf ging. Natürlich war eine Antwort bis heute ausgeblieben. Aivaron musterte erneut die zahlreichen Gäste, doch keiner machte eine ruckartige Geste oder verhielt sich auffällig. Zeitgleich erhoben sich die Gäste aus fremden Ländern, die er anhand der Kleider zuordnen konnte: zuerst verließ der langhaarige Elbenkönig den Saal, gefolgt von dem bulligen Minotauren, dessen verdrehte Gestalt deutlich sichtbar war. Der Menschenkörper der einem aufrecht gehenden Stierleib ab Nabelhöhe entwuchs würde Aivaron immer unheimlich vorkommen, sei er noch so gepflegt. Hinter dem Stiermann ging eine schlanke, blondhaarige Frau mit einem Haarreif. Er konnte sie nicht genau zuordnen, da sie wie eine ganz normale, menschliche Frau wirkte, doch hatte sie eine Aura, die selbst auf diese Entfernung respekteinflößend wirkte. Verheißungsvoll und tödlich zugleich. Nach einem raschen Blick war ihm klar, dass nicht nur er so fühlte, sondern auch einige andere Menschen in dem Saal, da sie unwohl auf ihren Sitzen umherrückten oder zur Seite blickten. Aivaron konnte es ihnen nicht verübeln, denn im Reich der Menschen waren sie zwar fremde Wesen gewohnt, doch gab es Ausnahmen. Eine Solche verließ gerade den Saal, als die beiden düster aussehenden, geflügelten Männer in der Seitentür neben dem Podest verschwanden. Dass sie sich dabei ducken mussten, wirkte irgendwie amüsant, auch wenn er selbst dabei keine Mine verzog. Insgeheim hoffte er, dass der König nun endlich selbst den Saal verlassen würde, sodass sie alle wieder aufatmen konnten. Ein Kribbeln ging durch seinen Körper, angefangen von seinen Armen, was Aivaron die Brauen zusammenziehen ließ. Gerade als König Julinos sich aus dem Thron erhob, ertönte ein Geräusch, dass sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte und seine Nackenhaare zu Berge stehen ließ: Das scharfe Klacken von Armbrüsten.


Ihm blieb keine Zeit für einen Warnruf: sofort warf Aivaron sich zu unsanft Boden, wobei er sich schmerzhaft auf die Zunge biss. Sogleich breitete sich in seinem Mund ein metallischer Geschmack aus und der Griff seines Langschwerts hatte sich in seine Seite gebohrt, doch es kümmerte ihn nicht. Ein rascher Blick zur Seite zeigte ihm, dass sein Nebenmann weniger Glück gehabt hatte, denn der Soldat lag auf der Seite, ein blutiges Loch prangte in dem bronzenen Brustpanzer. Aivaron biss die Zähne zusammen und fluchte, während er hinter den ihm am nächstliegenden Sitzreihen in Deckung ging. Noch hatte keiner von dem Angriff erfahren und die Menschen applaudierten dem König, was die Geräusche der Bolzen übertönte. Der König, durchfuhr es ihm heiß und kalt. Sofort wollte er den Kopf hinter der Lehne emporschieben, verharrte jedoch, als weißer Rauch seine Sicht vernebelt. Aivaron fluchte laut und tastete nach seinem Gürtel, ehe er aber das Horn erreichte, blies auf der anderen Seite des Saals das Notsignal. Das waren seine Männer! Augenblicklich verstummte der Applaus und er sah sich gezwungen zu handeln, nun da der Überraschungseffekt der Angreifer nicht mehr vorhanden war. Zwischenzeitlich brach Panik in dem Saal aus, da die Leichen seiner Untergebenen gefunden wurden. Aivaron bahnte sich einen Weg durch die Massen, die zu den verrammelten Toren strömten und zu fliehen versuchten. Rücksichtslos stieß er die Leute beiseite und hoffte, dass seine Soldaten das Gleiche taten um zu dem König zu gelangen. Der Qualm war nun so dicht, dass er keine Hand vor dem Gesicht erkennen konnte. Stolpernd rannte er weiter und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase, da der Qualm einen trockenen Hustenreiz auslöste. Schreie und Husten mischten sich in das Chaos, gefolgt von einem lauten, durchdringenden Ton. Ein Heuler, dachte sich Aivaron und erinnerte sich daran, dass diese hohlen Bolzen benutzt wurden um einen Reiterangriff abzuwehren, indem die Pferde scheuten, da sie den schrillen Ton nicht mochten. Womöglich benutzt man sie um die panischen Massen unter Kontrolle zu bringen, denn der Lärm und die Schreie verstummten zu einem Großteil. Gleichzeitig erreicht Aivaron die ersten Sitzreihen, wo zwei seiner Soldaten ebenfalls eintrafen, einer von ihnen hielt seinen blutigen Arm an seinen Körper gepresst. „Nur eine Fleischwunde“, murmelte der Mann und nickte zu dem Seitenausgang auf der linken Seite, „Sie haben den König und den Weg versperrt.“ Ein kurzer Blick verriet ihm, dass der schwere Kronleuchter die große Tür blockierte, was wohl die Absicht dahinter war.
„Verdammt!“, schrie Aivaron trat gegen einen Stuhl und blickte zu den dicken Qualmschwaden. Sogleich fasste er einen Plan: „Findet diese feigen Armbrustschützen und bringt sie zu mir. Sie müssen wissen, wohin der König gebracht wird. Ich werde in der Zeit den Kerl finden, der diesen Qualm hier reingeschleppt hat", zischte er und deutete dabei auf die oberen Galerien, die über dem Podest mit dem Thron lagen. Sogleich stürmten die beiden Männer mit wehenden Mänteln davon, während sie ihre Klingen zogen. Aivaron schlug den schwarzen Mantel zurück und zog grimmig sein Langschwert, denn irgendwo war ein Kerl unter den Gästen, den sie übersehen hatten. Ein Geräusch ließ ihn inne halten, bis es erneut ertönte. Es war die Trommel zu seinen Füßen und sie schlug einen langsamen Takt, so als ob jemand gehen würde. Er spürte, dass irgendwas im Argen lag und beschloss sich auf seine Erfahrung zu verlassen. Unmerklich ging Aivaron in die Knie und versteckte sich unter einem der leeren Sitze, was er als entwürdigen empfand, doch hatte er keine Wahl. Sein Bauchgefühl warnte ihm zu höchster Gefahr und das irrte sich bei ihm in der Regel nie. Der Qualm hatte sich etwas gelichtet und so konnte er den langen Gang zwischen den Sitzreihen hinauf, bis zu den Toren erblicken, vor denen sich noch immer die Gäste drängelten. In dem Gewühl konnte er auch einige Uniformen des Militärs entdecken, bis sich plötzlich der Pulk versteifte. Das mittlere Tor schwang auf und wie von Geisterhand wichen die panischen Reihen zurück in den Saal. Zwischen dutzenden Beinen und Füßen hindurch konnte Aivaron verschwommen Gestalten in schwarzen und dunkelgrünen Kutten erkennen. Blanke Klingen blitzten in deren Händen und scheinbar machten sie jagt auf alles, was eine Uniform trug. Dazu schlug die Trommel noch immer einen Takt, während die Kuttenträger die verschreckten Menschen zurück in den Saal trieben und dabei Offiziere ermordeten, indem sie ihnen in die Herzen stachen. Die aufkeimende Furcht verhinderte eine Massenpanik, trotz hysterischer Schreie von Witwen. Zwar versuchten viele sich zu wehren, doch waren die Fremden durchaus erfahren und die Gäste waren unbewaffnet. Aivaron biss die Zähne zusammen und verfluchte sich, nicht mit noch mehr Männern an den Auftrag rangegangen zu sein. Vertrauen war ihm damals wichtiger und nun brauchte er Zahlen, anstatt Vertrauen. Mit den Zähnen knirschend beobachtete er, wie seine Mitmenschen auf ihre Plätze gezwungen wurden und die Kuttenträger den Saal unter ihre Kontrolle brachten. Die verschreckten Gäste waren bis auf einige erstickte Schreie und Schluchzer still, was eine bedrückte Atmosphäre bildete, die nur von dem dumpfen Trommelschlag begleitet wurde. Zu seinem makabren Glück waren so viele Leute getötet worden, dass die vordere Reihe leer blieb und er unentdeckt weiter das Geschehen beobachten konnte, denn das was folgte, würde er nie vergessen: Passend zum Trommelschlag mischte sich ein zweiter Ton dazu, doch weniger durchdringen. Der Ton wurde lauter und die Trommel verstummte. Aivaron runzelte die Stirn und wandte seinen Kopf zu dem offenen stehenden Tor, dessen Eingang von dutzenden, blutüberströmten Leichen gesäumt wurde. Eine einzelne Silhouette erschien in dem Schein der Kronleuchter, sie trug eine weite, schwarze Kutte. Die Trommel setzte wieder ein und der schlanke Gehstock der düster dreinblickenden Gestalt schlug mit jedem Trommelschlag auf dem Holzboden auf. Dabei stießen kleine Flammen auf und brannten sich durch den Teppich auf das alte Holz darunter. Es schien, als ein dunkler Schleier über den ganzen Saal gelegt wurde, als die Gestalt das Tor passierte. Die Lichter flackerten und die Flammen der Kerzen in den Kronleuchtern erloschen zur Hälfte. Eine durchdringende Stille erfüllte den Raum und einzig das Pochen des Stabes im Einklang mit der großen Trommel war zu hören. Aivaron konnte kurz einen Blick auf das Gesicht der Gestalt erhaschen und starrte in einen Totenschädel. Der Fremde trug die Maske eines menschlichen Skeletts, die Augen hinter den leeren Höhlen glommen dabei leicht rötlich, was Aivaron einen Würgereiz bescherte zusammen mit einem unangenehmen Kribbeln über den gesamten Rücken. Als dass Pochen verstummte und die Trommel verklang, ertönte eine kalte, krächzende Stimme: „Heute endet eure Herrschaft, ihr die ihr dem falschen Adel angehört. Ihr, die ihr nie einen Finger krumm macht und Andere eure Kriege führen lässt.“ Der Fremde machte eine kurze Pause und hämmerte mit dem Stab auf dem Boden, „Wir dulden keine Andersartige in unserer Stadt, da sie unsere Kultur zerstören. Eine neue Zeit beginnt. Um euch diese neue Art der Völkerverständigung zu verdeutlichen…, „ der Fremde schien eine Bewegung zu machen, woraufhin einer der Kuttenträger die Elfe mit dem weinroten Kleid aus einer Ecke zog, „Werden wir hier ein Beispiel geben.“
Aivaron beobachtete, wie die Frau gewaltsam durch den Gang getrieben wurde. Ihr makelloses Gesicht war verschrammt, eine blutige Linie prangte auf ihrer Stirn, dennoch funkelten ihre Augen vor Zorn. Schließlich war sie auf der Höhe des Mannes mit der Maske und wurde mit einem Fußtritt in die Knie gezwungen. Aivaron blickte ihr direkt in die Augen, als sie vornüber fiel, da sie nur drei Schritt entfernt von ihm kniete. In dem kurzen Moment zwinkerte sie kaum merklich und ließ ihren linken Mundwinkel zucken, ehe ihr ins Haar gegriffen und der Kopf in den Nacken gerissen wurde. Ein Erkennungszeichen?! Kann es sein…, schoss es ihm kalt durch den Kopf. Der Stuhl, der ihm als Versteck diente, verhinderte die Sicht auf die Gestalt, doch konnte er das goldene Messer sehen, dass sich auf den entblößten Hals der Elfe legte. Das Metall schnitt sacht in die weiche Haut und hellrotes Blut mit silbernem Schimmer trat aus der Wunde. „Damit kommt ihr nicht durch…“, stieß die Elfe hervor und wurde mit einem Ruck an den Haaren am Weitersprechen gehindert.
„Widerspenstig wie man es von Elfen es so hört. Schade eigentlich, denn eure Rasse ist selten, da die Elben euch mehr als ihre größten Schätze beschützen“, sprach der Anführer der Fremden mit geheuchelter Bitterkeit und lachte leise.
„Schön“, ächzte sie die Frau zwang mit großer Kraft den Kopf nach vorn, wobei das Messer ihre Haut weiter aufritzte, „Aber wir sind nicht hilflos.“
Ehe der Fremde etwas erwidern konnte war Aivaron aus seinem Versteck hervorgesprungen und schleuderte dabei den Stuhl gegen den Anführer, der von dem Geschoss überrascht zur Seite gestoßen wurde. Aivaron achtete nicht weiter auf ihn und erfasste mit einem Blick den Kuttenträger, der die Elfe noch immer am Haar hielt, die drei Armbrustschützen am offenen Tor und die offenen Münder der gefangenen Gäste. Ohne zu zögern stach Aivaron dem Peiniger der Elfe in den Kopf, durchdrang mühelos das Auge samt Gehirn und drehte die Klinge in der Wunde. Sofort erschlaffte der Körper und mit einem Ruck befreite er die Waffe, während die Elbe den Getöteten auffing und als Schild nutzte. Sogleich flogen drei Armbrustbolzen heran, zwei verfehlten sie knapp und schlugen hinter ihnen in die leeren Sitze ein. Der dritte Bolzen traf den Toten, Blut spritzte auf als das Geschoss ihn durchschlug und die Schulter der Elfe streifte. Diese ließ sofort das Gewicht fallen, während Aivaron sie atemlos zu dem Seitenausgang an der rechten Seite zog. Seine zwei Soldaten erschienen in dem kleinen Tor und winkten ihnen, zeitgleich flogen dutzende Bolzen den beiden um die Ohren. Ihre Rüstungen waren blutverschmiert, die Mäntel hingen in Fetzen, doch konnten sie noch ihre Waffen tragen und hielten das Tor für Aivaron und die Elfe offen. Dabei mussten die Soldaten mehrere Kuttenträger abwehren, die mit Dolchen auf sie losgingen, was sie mit einiger Mühe auch gelang. Ein Bolzen verfehlte knapp sein Ohr, als Aivaron und seine Gerettete durch das Tor stolperten. Sofort verriegelten die beiden Männer den Zugang und unterstützten ihren Kommandanten mit dem Tragen der Verletzten, wofür ihn dankbar zunickte. Ein schwerer Schlag erschütterte das goldene Tor. „Das wird sie nicht lange halten“, keuchte Aivaron und blickte die drei rasch an, „Wie viele sind es, welche Ausgänge sind noch frei und viel wichtiger, wo ist der König?“
„Wissen wir nicht“, beantwortete einer der Männer die Frage atemlos und stützte sich auf einen umgestürzten Tisch, hinter dem eine ermordete Palastwache lag. Dem Mann wurde die Kehle durchgeschnitten. „Wir haben den Bereich bis zu den unterirdischen Tunneln gesäubert. Der König ist verschleppt worden, also haben wir einen Fluchtweg freigekämpft, so schnell wir konnten.“
Aivaron nickte zufrieden und erinnerte sich daran, dass seine Männer und Frauen die Besten waren und er sich auf sie verlassen konnte. Er murmelte ein Lob und erkundigte sich nach der verletzten Elbe, die jedoch nur abwinkte und verschlossen wirkte. Erneut folgte ein schwerer Schlag gegen das Tor, was ihn zum Aufbruch bewegte.
„Wohin?“, fragte einer der beiden Soldaten und blickte zwischen der Treppe zu den Galerien und den Ausgang zu den westlichen Kammern, die zu den Tunneln führten hin und her.
Aivaron brauchte gar nicht lange nachzudenken und befahl knapp: Tunnel, achtet auf einen Hinterhalt!“
Sogleich machten sie sich auf den Weg und kamen an getöteten Wachen vorbei, die in den langen Gängen lagen. Die meisten der Palastwächter wurden hinterrücks ermordet, doch auch einige Kuttenträger lange zwischen den Toten, wie Aivaron erkennen konnte. Ein leiser Zweifel flüsterte in seinem Verstand, dass Etwas an der ganzen Sache nicht stimmte, doch ihm fehlte die Zeit darüber nachzudenken.
„Bei den Göttern, wer könnte so Etwas tun?“, fragte die Elfe leise mit Entsetzen in der Stimme und wurde langsamer, den Blick an die große Wand geheftet, an der der lange Gang endete. Schon aus der Entfernung konnte man erkennen, dass dort mit Blut geschrieben wurde. Selbst die beiden Soldaten verlangsamten ihre Schritte.
Aivaron las leise vor: „Im Blut geschlagen, werden wir uns aus Blut erheben und das Land ertränken.“ Ihm drehte sich dabei der Magen um und er musste den Blick von der Wand abwenden, um nicht die Stapel an Leichen zu sehen, die brutal zugerichtet davor lagen und offensichtlich als Spender für die Schrift gedient hatten. Die Vier blickten sich an, wobei einzig die Elfe und Aivaron zu verstehen schienen, denn im Reich der Elben gab es keinen Bann über Dinge zu sprechen.
„Also ist es soweit…“, murmelte die hochgewachsene Elfenfrau tonlos und reffte ihr Kleid, „Wir sollten hier so schnell es geht von verschwinden. Um den König können wir uns nachher kümmern, sie werden ihn wohl noch brauchen, sonst hätte ein Bolzen ihn als Erstes erwischt.“
Aivaron nickte stumm und tauschte mit seinen Soldaten einigen Blicke, die er trotz der schmalen Sehschlitze trotzdem recht gut erkennen konnte. Ein lautes Poltern aus der Kammer am hinteren Ende des Ganges ließ sie aufschrecken. Eilig setzten sie sich in Bewegung und folgten den aus gemauerten Steinwänden breiten Gängen der Versammlungshalle, was eigentlich ein riesiger Komplex aus drei Sälen und dutzenden kleinen Beratungszimmern war. Die Wände waren eintönig und karg, jedoch hielt es irgendwie Aivaron davon ab sich zu viele Gedanken zu machen. Gelegentlich musste sie eine Pause einlegen um die Blutung der Elfe zu stoppen oder darauf warten, dass hektisches Fußgetrappel verklang. Er hatte beschlossen niemanden zu trauen, denn irgendwie waren diese Irren in die Anlage gekommen und konnten den König entführen, direkt vor seiner Nase. Nach einem stummen, aber raschen Marsch waren sie an den westlichen Beratungskammern angekommen und hielten auf den einzelnen Raum zu, der nur als Lager benutzt wurde. Für die Wissenden war es jedoch ein geheimer Fluchtweg. Zumindest dachte Aivaron das, denn als sie um eine Ecke bogen, zog die Elfe sie grob zurück und legte einen Finger auf die Lippen. Sofort schalte er sich selbst einen unvorsichtigen Narren und linste vorsichtig um die Ecke, wo er vier Kuttenträger vor der verschlossenen Tür zum Lagerraum erblickte. Er fluchte innerlich und biss die Zähne zusammen. Heute hat das Schicksal einen hässlichen Tag!




Danke für das Durchlesen, über Feedback (klick mich) würde ich mich freuen. :)
Gruß Curanthor (oder auch Curry)
« Letzte Änderung: 21. Apr 2017, 05:26 von Curanthor »

Curanthor

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Aivaron - Verloren im Blut (Part 2)
« Antwort #1 am: 17. Sep 2017, 01:44 »
Mit äußerster Vorsicht zogen sie sich etwas weiter in den Gang zurück und blickten sich abwechselnd fragend an. Aivaron merkte, dass man ihm die meisten Blicke zuwarf, immerhin war er Kommandant und es war seine Pflicht Befehle zu erteilen. Im Osten hatte er viele solcher Entscheidungen fällen müssen, fast alle davon waren ihm schwer gefallen. Hier jedoch, in seiner Heimatstadt fiel es ihm deutlich schwerer. Sollte er den König retten und dafür wieder zurück zur großen Halle oder sich erstmal zurückziehen und seine Männer zusammenziehen? Der Angriff kam überraschend, aber die Gerüchte, die es im Vorfeld gegeben hatte, waren wohl der Grund, warum er hier war.
„Herr, wie lauten Eure Befehle?“ Die Frage des Soldaten rechts von ihm riss ihn aus den Gedanken.
Nachdenklich betrachtete er den blutverschmierten Brustpanzer des Mannes und runzelte die Stirn. Ein Gefühl riet ihm zur Vorsicht, auch wenn er nicht sagen konnte wovor.
„Ich könnte den Köder spielen“, warf die Elfe überraschend ein und blickte Aivaron in die Augen. Sie nickte unmerklich, „Das ist das Mindeste, was ich tun kann nachdem Ihr mich gerettet habt.“
„Und wenn es fehlschlägt war die Rettung umsonst“, hielt er sofort dagegen.
Die Elfe blickte zurück in die Richtung, aus der gekommen waren.
„Wird es nicht, ich kann mich schon wehren. Dieses Wesen im Saal hat es aber verhindert.“
Aivaron wusste, wie wertvoll die Elfen für die Elben waren. Der Tod einer der Frauen war wie eine Kriegserklärung an das Elbenreich. Aus seiner Zeit in der Armee des Elbenkönigs wusste er, dass die Elfen die Wächterinnen der Wälder waren und somit unersetzbar. Zusätzlich waren sie die Einzigen, mit denen die Elben Kinder bekommen konnten, seitdem die Elbinnen verschwunden waren.

Die Elfe berührte ihn am Arm. „Bitte, lasst uns erst einen ruhigen Ort erreichen. Sie durchsuchen die ganzen Katakomben. Einen Elitekommandanten und eine Elfe lässt man nicht einfach davonlaufen, das müsst Ihr doch am besten wissen.“

Er nickte und zog lautlos sein Schwert. Sein Blick fiel auf die Klinge, die den schummrigen Lichtschein der Fackeln reflektierte. Seine treue Gefährtin hat ihn durch unzählige Schlachten begleitet und mehr Feinde erschlagen als er sich je erträumt hatte, noch nie war er mit diesem Schwert in so einen Kampf gezogen.
„Wie ist Euer Name?“, fragte er an die Elfe gewandt und nickte nebenbei den beiden Soldaten zu, die sogleich ihre Schwerter zogen.
Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln und strich sich die roten Haare hinter ihre spitzen Ohren. „Ich bin Virandis.“

Aivaron nickte und nannte ebenfalls seinen Namen, woraufhin sie das Nicken erwiderte. Ohne weitere Worte erhob sich die Elfe und trat auf den angrenzenden Gang, auf dem die vier Kuttenträger herumlungerten. Er presste sich an die Wand und hielt Virandis im Blick, die drei Schritte zurückwich. Anhand der hastigen Schritte, die sie hörten, vermutete Aivaron, dass die Feinde sich in Bewegung setzten. Sein Blick ging zu der Elfe, die ihrerseits den Feinden entgegensah, ohne Furcht zu zeigen. Er merkte, dass sie eine Meisterin darin war, ihre Gefühle zu verbergen. Emotionslos sah sie die vier Männer an, die auch nun in sein Blickfeld traten. Sie alle trugen grüne Kutten, bis auf einen Kerl, der einen grauen Mantel trug. Aivaron bemerkte, dass sie alle Waffen in den Händen hielten. Zwei Schlingen mit Gewichten am jeweiligen Ende trug jeder am Gürtel, auch die Qualität der Dolche und Kurzschwerter der Männer war nicht schlecht. Wer auch immer sie ausgerüstet hatte, schien keine Geldsorgen zu plagen. Dennoch waren die Vier nicht klug genug, die angrenzenden Gänge zu durchsuchen, sonst hätten sie Aivaron und seine Männer sofort entdeckt.

Doch die Kuttenträger waren zu sehr mit der Virandis beschäftigt.
„Bleibt stehen und wehrt Euch nicht!“, rief einer der Männer der Elfe zu und gab seinen Kumpanen einen Wink.
Die Kerle nahmen ihre Schlingen von den Gürteln und begann sie in den Händen umher zu wirbeln. Aivaron hatte von solchen Waffen noch nie gehört und vermutete, dass man sie warf, doch dazu kam es nicht. Virandis hob langsam eine Hand und machte mit einem gestreckten Finger eine kreisende Bewegung. Ehe jemand reagieren konnte hob sie die andere gestreckte Hand, die Innenfläche zu den Kerlen gestreckt und stieß sie durch die kreisende Bewegung ihres Fingers. Ein Luftzug ging durch den Gang. Ruckartig flogen die vier Kerle nach hinten und aus dem Sichtfeld Aivarons. Eine unsichtbare Kraft hatte sie zurückgestoßen. Die Elfe ließ ihre Hände sinken und nickte ihm zu.

Sogleich stürmte Aivaron um die Ecke und schlug einen Gegner nieder, der sich gerade erheben wollte. Die beiden Soldaten folgten ihm und stachen zwei Kerle nieder. Virandis dagegen hatte den Vierten am Hals gepackt und hob ihn trotz zappelnden Widerstands hoch.
„Wer steckt hinter dem Angriff?“, fragte sie deutlich und lockerte ihren Griff, der Mann schnappte hustend nach Luft.
Plötzlich flog die Tür zu dem Lagerraum auf und ein Krieger in einer rot lackierter Rüstung stand in dem Gang. Eher jemand reagieren konnte schleuderte er ein Wurfmesser. Gurgelnd verstummte das Keuchen des Gefangenen. Virandis ließ die Leiche fallen und begann mit ihren Hände erneut Figuren zu beschreiben, doch Aivaron hob sein Schwert.
„Imadarischer Abschaum, den übernehme ich.“ Er trat vor und musterte seinen Gegner, dessen Gesicht von einer schweren Sturmhaube verborgen wurde. Die rote Rüstung des Mannes ließ ihn bullig wirken. Feine Verzierungen und Schriftzeichen waren sorgfältig in den Stahl geätzt, doch Aivaron vermochte sie nicht zu lesen.
„Lasst uns das schnell erledigen, ich habe keine Zeit für euch“, antwortete der Krieger dumpf, „Ruhm dem Kaiserreich!“
Der imadrische Soldat rannte trotz der schweren Ausrüstung los und zog einen Morgenstern hinter seinem Rücken hervor. Die Elfe zögerte noch immer, zog sich aber dann hinter Aivarons Rücken zurück. Sobald er ihre roten Haare an sich vorbeiziehen sah, beschleunigte er ebenfalls seine Schritte. Im Vorübergehen tötete der Imadraner den Kuttenträger, den Aivaron zuvor bewusstlos geschlagen hatte. Ihm war sofort klar weiß sein Gegner damit bezweckte: Keine Gefangenen und keine Informationen preisgeben. Eine beliebte Taktik des Kaiserreichs. Nach einem kurzen Sprint stoppte Aivaron und ließ sich zu Boden gleiten. Keinen Moment zu spät. Rasselnd schwang der Kopf des Morgensterns über ihn hinweg. Sofort stach er nach der Ferse des Soldaten. Mit einem Klirren glitt die Klinge von dem schweren Stahl ab. Aivaron kam fluchend auf die Beine und wich einem Seitwärtshieb gegen seine Flanke aus. Er konterte mit einem diagonalen Schlag gegen die Schulter, doch der Imadraner sprang zurück und ließ sich gegen die Wand fallen. Sofort drückte er sich von dem Stein ab und sprang Aivaron mit der schwer gepanzerten Schulter entgegen. Ein Zischen entwich ihm, als er sich erneut auf die Knie fallen lassen musste und so der Rammattacke entging.

Schmerzhaft knackten seine Gelenke, doch war er schnell genug sein Schwert dem Krieger zwischen die Beine zu rammen. Taumeln prallte der Berg aus Metall mit einem Scheppern gegen die gegenüberliegende Wand. Aivaron sprang auf und war klug genug nicht erneut anzugreifen. Stattdessen packte er sein Schwert beidhändig und hob es auf Kopfhöhe, die Klinge gerade auf den Gegner gerichtet. Der Kerl war gut und alarmierend gründlich trainiert. Nun würde er das einsetzen, was er im Osten jeden Tag einsetzen musste. Aivaron atmete tief aus und entspannte sich. Der Imadraner dagegen rappelte sich auf und schwang seinen Morgenstern drohend umher. Lauernd begannen sie sich zu umkreisen. Jeder Schritt den Aivaron setzte, war gefolgt von dem Stampfen der schweren Panzerstiefel des Kriegers. Versuchte er sich ihm etwa anzupassen? Schnaubend fixierte er den rot Gerüsteten und zwang seinen Zorn herunter. Dann ging er zum Angriff über. Schwertschwingend arbeitete er sich Schritt für Schritt vor. Seine Klinge beschrieben eine durchgehende Acht und nach zwei Schritten musste der Gerüstete das erstmal mit dem Stiel seines Morgensterns parieren. Klirrend trafen die Waffen aufeinander. Aivaron ließ sich nicht auf ein Kräftemessen ein, sondern nutzte den Schwung und führte den Angriff weiter fort auf das vorstehende Bein. Sein Gegner sah es zu spät kommen und musste seinen Konter unterbrechen. Trotzdem erfolgte ein Treffer am Beinpanzer der Rüstung. Zu Aivarons Misstrauen war nur eine schmale Kerbe zu sehen.
Hastig sprang der Imadraner zurück und nickte ihm kaum merklich zu. „Euer Kampfstil ist ausgezeichnet, doch wird es Euch nicht helfen.“

Aivaron erwiderte nichts, sondern packte sein Schwert fester und führte es mit dem Griff an seinen Mund.  Er hatte eine Ahnung warum er die Rüstung kaum Schaden zufügen konnte und es war eine sehr schlimme Ahnung. Zusätzlich fand er das überhebliche Selbstvertrauen des Kriegers besorgniserregend. Besser er bereitete dem schnell ein Ende. Fast lautlos flüsternd hauchte er einen Namen, den keine menschlichen oder elbischen Ohren verstehen konnten. Die Flammen der Fackeln im Flur flackerten kurz. Eigentlich wollte er eine seiner Trumpfkarten erst später ausspielen, doch diese Rüstung des Gegners war unnatürlich hart und widerstandsfähig. Ein kalter Wind ging durch die Gänge und ließ alle Anwesenden, außer Aivaron umherblicken. Ein dunkelrotes Licht glomm in dem Griff seines Schwerts auf. Aus dem Handschutz kroch eine dunkelrot, fast orangene Masse. Langsam arbeitete es sich die Klinge entlang. Es hatte das Aussehen von flüssigem Feuer. Fauchend spritzte die zähflüssige Masse plötzlich auf und verschlang die ganze Klinge, arbeitete sich weiter vor und formte eine Sense. Die neu entstandene Waffe maß die doppelte Länge als sein eigentliches Schwert.
„Ein Vrú“, murmelte Virandis erstaunt und verstummte, als sie Aivarons strengen Blick bemerkte.
„Ein schöner Zaubertrick“, kommentierte der Imadraner mit vollkommen unbeeindruckter Stimme und ging in die Hocke.

Aivaron packte die Sense mit beiden Händen. Er spürte keine Hitze oder Kälte, so wie es immer war, wenn er diese Technik anwandte. Ihm war klar, dass das nicht lange so bleiben würde, wenn er sich nicht beeilte. Mit einem Satz sprang er vor und schwang die Sense in einem Bogen von rechts nach links. Der Imadraner machte einen Satz zurück, dennoch erwischte Aivaron ihm am Schulterpanzer. Wie ein heißes Messer durch Butter glitt seine Sense durch den imadrischen Schutz. Klirrend fiel das abgetrennte Stück zu Boden. Der Getroffene schrie auf und warf seinen Morgenstern. Ehe das Wurfgeschoss ihn erreichen konnte, wurde es wie durch eine unsichtbare Macht aus der Luft gepflückt wurde. Aivaron warf Virandis einen Seitenblick zu, die sich gerade mit einer Hand an der Wand abstützte. Im selben Moment stürzte der Imadraner sich auf die Elfe, die gepanzerte Hand nach ihr ausgestreckt. Aviaron zögerte keinen Moment und warf sich nach vorn, die Sense dabei zum Schlag ausgeholt. Es dauert für ihn eine gefühlte Ewigkeit und die Finger des Mannes umschlossen fast den Hals von Virandis, die entsetzt die grasgrünen Augen aufriss und um Hilfe rief. Dann war Aivaron heran, seine glühende Sense fuhr problemlos von unten nach oben durch den gepanzerten Arm. Die abgetrennte Hand verging sofort in einer grauen Rauchwolke. Noch ehe der Imadraner schreien konnte, hatte Aivaron den Schwung der Sense genutzt um den Schlag nach oben zum Kopf umzulenken. Geräuschlos drang die Spitze der glühenden Waffe durch das Sturmvisier in das Gesicht des Mannes. Ein kurzes Gurgeln ertönte, dann kippte der schwer gepanzerte Soldat nach hinten. Scheppernd schlug der Kerl auf dem Boden auf und rührte sich nicht mehr. Ein schwarz verbranntes Loch klaffte dort, wo das Gesicht des Mannes sein sollte.

Virandis trat vorsichtig näher und betrachtete die Leiche. Ihr Blick ging von dem verbrannten Kopf zu der Sense. Aivaron führte den rot pulsierenden Griff erneut an seinen Mund und hauchte gegen das Metall. Sogleich verlosch das Glimmen in der Waffe und die dunkelrote Masse um die Klinge kroch zurück in den Handgriff. Eine heiße Welle erfasste sogleich seinen Körper und Aivaron stöhnte unter den Hitzestoß auf. Er spürte wie sein Blut fast zu kochen begann, sein Bauch rebellierte. Spuckend übergab er sich und verteilte seine Magensäfte auf dem Steinboden. Seine Beine zitterten. Sogleich war die Elfe an seiner Seite, von den beiden Soldaten fehlte jede Spur. Vorsichtig schlang sie ihre Arme um seine Taille und stützte ihn.
Angewiderte wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ihr wisst also, was ein Vrú ist?“, fragte er und unterdrückte einen weiteren Würgereiz.
„Ja, auch wenn ich nicht oft im Osten war. Wie die Menschen gegen die Horden dort bestehen ist mir aber durchaus bekannt“, gab sie mit Bestürzung zu und mustere sein Gesicht, „War das denn nötig? Ihr seht furchtbar aus.“
Er wusste, dass diese Technik enormen Stress auf seinen Körper auswirkte, aber die anderen Mittel wollte er nicht nutzen, sie waren noch schlimmer. Schweigend nickte er und rang eine Weile um Atem. Sein Blick ging dabei immer wieder umher und suchte die Gänge nach seinen Soldaten ab.
„Sie sind geflohen, kurz bevor Ihr den da…“, sie nickte zu den Toten in der roten Rüstung, „geschlagen habt. Erlaubt mir die Frage, warum Ihr diese Technik eingesetzt habt und was genau es war?“
„Für eine Elfe seid Ihr aber ziemlich neugierig. Ich dachte, Ihr stets mit Euresgleichen in Kontakt?“ Er hob entschuldigend die Hand und legte sie dann auf sein Schwert. „Die Rüstung des Imadraner war verzaubert. Sie war abnormal hart, keine mir bekannte Klinge konnte sie durchdringen. So etwas habe ich noch nie gesehen und ich habe viel gesehen.“
Nachdenklich blickte er auf das abgetrennte Stück Metall. Die Schriftzeichen auf der Rüstung weckten sein Interesse.
„Ich schätze, Ihr habt tatsächlich sehr viel gesehen. Elitekommandant wird man nicht durch einfache Patrouillen in den Bergen“, ertönte die Stimme der Elfe hinter ihm, als er sich niederkniete.
„Nein, wird man nicht“, stimmte er nachdenklich und fuhr mit dem Finger vorsichtig über das Metall. Irgendwas erschien ihm daran falsch, aber auch bekannt. Kurzentschlossen hob er es auf. Ein Stück verbrannte Haut haftete im Inneren, als er es umdrehte. Ärgerlich schüttelte er es heraus und hielt es dabei weit von sich. Nach einigen Versuchen lockerte es sich und eine schwarze Wolke löste sich gleichzeitig aus dem Metall, zusammen mit dem verbrannten Stück Schulter. Sofort warf er beides weit von sich und sprang reflexhaft nach hinten auf.
„Ich wusste es!“, rief er und streifte hastig seine Lederhandschuhe ab, ohne sie von außen zu berühren, „Die Rüstung wurde mit einem schwarzen Ritual verstärkt. Es steht um uns schlimmer als ich dachte.
„Was ist los?“, fragte Virandis und wollte sich der Leiche nähern, doch Aivaron hielt sie davon ab.
„Nicht. Hier geht etwas Größeres vor sich. Ihr seid doch eine Elfe, könnt Ihr Kontakt mit den Euren aufnehmen?“
„Ich...Nein, kann ich nicht. Und warum sollte ich?“
„Warum nicht? Alle Elfen können das. Es heißt, ihr könnt sogar über andere Länder hinweg miteinander sprechen.“
Virandis schien rot anzulaufen und schüttelte seine Hand ab, die sie zurückgehalten hatte. „Ich bin nicht ausgewachsen. Meine Fähigkeiten haben sich gerade erst entwickelt.“
Aivaron runzelte die Stirn, begriff aber dann und musste trotz der ernsten Situation grinsen.
„Also seid Ihr noch nicht erwachsen. Eine Jugendliche so gesehen.“

Die Elfe antwortete nicht, sondern blickte nur böse zu ihm herab und warf sich beleidigt ihr rotes Haar über die Schulter. Bisher hatte er noch nie von einer jungen Elfe gehört, alle die er getroffen hatte waren stets mehrere hunderte Jahre alt gewesen. Wie viele es waren, konnte er an einer Hand abzählen.
„Wie auch immer“, lenkte er versöhnlich ein und erinnerte sich daran, dass sie unter Elben trotzdem großen Respekt genießen musste, „Das Kaiserreich Imadran hat heute offiziell dem Reich der Menschen den Krieg erklärt. Irgendwie müssen wir die Elben erreichen und sie an ihre Verträge erinnern.“
„Ich kenne die Schutzabkommen. Seid Euch sicher, dass Hilfe bereits unterwegs ist, denn der Elbenkönig war heute ebenfalls in der Stadt. Wir sollten uns zu ihm durchschlagen, seine Leibgarde ist die beste der bekannten Welt. Vielleicht können wir von hier aus das Schlimmste verhindern, die letzte Zuflucht der Menschen darf nicht untergehen.“
Aivaron warf ihr einen Blick zu und erkannte in ihren grasgrünen Augen, dass sie es ernst meinte. Räuspernd bot er ihr nickend eine Hand an und half ihr über den toten Imadraner hinwegzusteigen. Gemeinsam gingen sie zu dem Lagerraum, bei dem auf dem ersten Blick nichts Besonderes zu finden war. Es roch nach Moder und anderen, nicht so appetitlichen Dingen. Aivaron verharrte kurz und überlegte nochmals lieber umzukehren und König Julinos zu retten. Der Kampf mit den Soldaten aus Imadran hatte ihn jedoch gezeigt, dass es dumm war einfach draufloszustürmen. Der Vorschlag von Virandis war bisher der einzig logische Schritt, der ihm in den Sinn kam. Suchend blickte er sich in dem dunklen Lagerraum um und grübelte weiter, wie viele Teile der Stadt von dem Angriff betroffen waren. Die Elfe zischte ihm leise zu und deutete auf eine Metallleiter, die nach oben führte. Aivaron ging zu ihr in die Ecke und sprang nach der untersten Sprosse, nur um von der größeren Elfe an der Taille gepackt und nach oben gehoben zu werden.
„Sehe ich wirklich so schrecklich aus?“, rief er ihr empört zu und versuchte die Falltür zu öffnen, „Verschlossen.“
Nachdenklich tastete er an der Wand umher und fand den verborgenen Mechanismus, der den Riegel umging. Offenbar wussten die Angreifer nicht alles, dachte er sich erleichtert. Klackend öffnete sich die Falltür und Aivaron zog sich durch die Öffnung nach oben. Er befand sich in einer Art Lagerraum, verriet ihm ein flüchtiger Blick.
„Ist das jetzt die Rache des gekränkten Mannesstolz? Lässt er die Dame einfach hier unten warten“, ertönte die empörte Stimme der Elfe von unten und ließ Aivaron angestrengt ausatmen. „Das hab ich gehört, nun helft mir gefälligst!“
Er verdrehte die Augen und reichte seinen Arm durch die Öffnung. Sogleich spürte er den kräftigen Griff der Elfe, aber kaum Gewicht. Mühelos zog er sie nach oben, wo sie sofort einen Finger hob.
„Kein Kommentar zu mein Gewicht, klar? Ich dachte Eure Manieren seien besser als das…“
„Ich bin Kommandant, kein Geck am Hofe“, antwortete er gleichgültig und zuckte mit den Schultern.
Aivaron konnte sehen, dass sich Virandis eine scharfzüngige Bemerkung verkniff und war froh, dass sie nicht weiter darauf einging. Stattdessen fragte sie, wo sie waren. Dass er zugeben musste, dass er keine Ahnung hatte tat sie nun ihrerseits mit einem einfachen Schulterzucken ab. Das kann ja heiter werden, dachte er sich und fasste sich an den Kopf.
„Ist Euch nicht wohl? Wegen dem Vrú?“, fragte Virandis sofort besorgt und ging neben ihm in die Hocke. Dass dabei ihr geschlitztes Kleid mehr preisgab als ihr lieb war, schien sie erst später zu bemerken.
„Nein, nur bin ich über die Ausmaße des Angriffs schockiert“, lenkte er ab und ignorierte ihren bösen Blick, als sie ihr Kleid anders anordnete, sodass er nicht ihre Schenkel sehen konnte, „Irgendwer in den Reihen der Kommandostruktur hat Informationen weitergeleitet. Eigentlich hätte sich niemals irgendwer den Saal mit Waffen nähern dürfen. Ich hatte über fünfzig Männer an verschiedenen Eingängen positioniert, die jeden mit Waffen festnahmen. Diese Kontrollen zu umgehen erfordert Informationen von Innen, besonders, da die Tunnel weit verzweigt sind“
Als er endete biss er sich auf die Lippen um nicht zu viel zu sagen. Die Katakomben der Stadt waren ein Tabuthema, selbst unter den Kommandanten. Einzig im Osten konnte man frei über seine eigene Heimatstadt sprechen, doch vermissen tat er diesen Ort nicht.
„Ich verstehe“, sagte die Elfe und erhob sich, „Dann sollten wir umso schneller zum Elbenkönig gelangen. Auf dem Weg können wir uns einen Überblick verschaffen, wie es um Adenas steht.“
„Noch einen Kampf dieser Art halte ich nicht durch“, erwiderte er ächzend und stand ebenfalls mühsam auf, „Wir nehmen die weniger besuchten Straßen und vertrauen niemanden, egal was für eine Kleidung oder Rüstung er trägt.“
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf und betrachteten die zerbrochene Tür, die halb in den Angeln hin. Ein ungutes Gefühl nistete sich in ihren Bäuchen ein. Die verwüstete Schankstube, die sich ihnen bot verstärkte es noch. Aivaron erblickte die Leiche der Gastwirtin und führte die Elfe ohne weitere Worte in eine schummrige Ecke des Schankraumes. Draußen hatte er irgendwo Waffengeklirr und Todesschreie gehört.
„An was glaubt Ihr eigentlich?“, ertönte die leise und betrübte Frage von Virandis neben seinem Ohr, „Für was soll ich beten, wenn ich für all die Opfer Frieden erbitten möchte?“
Aivaron seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Das ist eine schwere Frage… mein Volk hat in dem Sinne kein Glauben mehr. Einige halten jedoch daran fest, dass nach dem Tode die Ewigen Lande auf einen warten. Dort verbringt man seine Zeit in den glücklichste Moment, die man in seinem Leben hatte.“
„Und was geschieht mit jenen, die eine dunkle Seelen haben?“
Er zögerte darauf zu antworten und schüttelte schließlich den Kopf. „Ich weiß es nicht genau. Die Religion in meinem Volk ist fast erloschen, man glaubt an die Ehre. Was mit der Seele geschieht will man nicht wissen.“
„Man sagt, die Schattenengel kümmern sich um die Seele der verstorben Menschen. Es gab sogar Gerüchte, dass einer die letzten Tage hier in Ansoras war, noch vor der Kampf-“
„Ich habe sie auch gesehen… aber diese Menschen in der Stadt reden viel Unsinn. Mir machen eher diese Kerle in den Kutten und Mänteln sorgen.“
Virandis setzte sich näher an ihn heran, als irgendwo in einem benachbarten Gebäude Scheiben zerbarsten. Ein Fauchen ertönte.
„Was sind das eigentlich für Kerle? Im Saal vorhin haben sie viele als Kultisten bezeichnet…“
Aivaron versuchte durch die Butzenglasfenster die Gestalten draußen zu erkennen, doch war durch das milchige Glas nichts erkennbar.
Er legte sein Schwert griffbereit neben sich auf die Bank und hielt den Eingang im Blick als er antwortete: „ Die Kultisten sind schon ein altes Problem. Sie verehren die alten Götter, doch das ist Fassade für ihre schwarzen Messen. Ihr müsst wissen, dass es drei Arten von Göttern für mein Volk gab. Die Seite des Lichts, des Schatten und des Ausgleichs. Licht kann nicht ohne Schatten existieren und wo Schatten ist, gibt es auch Licht.“
Die Elfe schnalzte anerkennend mit der Zunge. „Ich hätte Euch nicht für so wortgewandt und gebildet, gar philosophisch gehalten.“
„Auch Soldaten haben private Interessen. Ich bin so gesehen Experte für die alten Religionen.“
Mit einem Augenzwinkern zog er eine goldene Schärpe aus der Innentasche seines schwarzen Mantels hervor.  Es war selten, dass er sie jemanden zeigte, doch er hatte das Gefühl, dass er der Elfe trauen konnte. Zusätzlich war es ein nützlicher Zeitvertreib, während sie warteten, dass die Plünderer aus dem Nebengebäude verschwanden. Insgeheim war er froh, dass die Elfe nicht weiter nach den Kultisten fragte. Sie waren ein Schandfleck der Stadt und ein schwarzes Kapitel in der Geschichte der Menschen.
„Eine Meisterschärpe“, erkannte Virandis bewundernd und strich über die goldene Seide, „Wann habt Ihr die Meisterschaft abgelegt? Es gibt doch nur ganz wenige Treffen.“
„Ich war auf dem Hohen Konzil in den Nordreichen, vor etwa zehn Jahren. Es war der letzte bisher, wann der nächste stattfindet weiß niemand. Es wird auch nicht jeder eingeladen.“
„Verzeiht die dumme Frage, aber ist es nicht unfair, wenn Elben und Menschen oder gar Minotauren um die Meistertitel kämpfen? Mir wurde das bisher nicht erklärt, wie das Ganze funktioniert.“
Aivaron seufzte schwer und verstaute seine Schärpe wieder in seinem Mantel. „Die Meisterschaftsränge und das ganze Lehrsystem ist äußerst weit gefasst und ich denke, wie haben nicht die Zeit darüber zu sprechen.“
Draußen ertönten Stimmen, die Aivaron ganz und gar unbekannt vorkamen, auch benutzten sie eine andere Sprache. Schwere, fast stampfende Schritte ließen den Boden unter ihren Füßen leicht erzittern. Er tauschte mit Virandis einen besorgten Blick. Einige Krüge auf den Tischen, die wohl bei einer überstürzten Flucht umgestoßen wurden klapperten leise. Ein großer Schatten schob sich an dem Fenster vorbei an dem sie saßen und ließ sie beide sofort niederkauern. Sie pressten sich flach atmend auf die Bank und hofften, dass das Wesen sie nicht gesehen hatte. Dabei waren sich ihre Gesichter so nah wie noch nie. Aivaron starrte dabei Virandis unentwegt in die grasgrünen Augen, die ihn bei längerer Betrachtung an die weiten Wiesen im fernen Osten des Elbenreiches erinnerten. Es lenkte ihn von den albtraumhaften Erinnerungen ab, die in seinem Gedächtnis aufstiegen. Nach dutzenden schweren Schritten war das Stampfen verschwunden. Erleichtert seufzten sie auf und erhoben sich vorsichtig. Die Elfe schlich mit katzenhafter Anmut zur Tür, linste hinaus und winkte ihm. Aivaron fand es eine blöde, um nicht zu sagen dämliche Idee diesem Ding zu folgen und äußerte seine Sorgen. Virandis zuckte jedoch nur mit den Schultern und schlüpfte zu Tür hinaus. Natürlich hatte sie seine Bedenken leichtfertig in den Wind geschlagen. Wüst fluchend folgte er ihr und zischte kaum hörbar, dass er froh war keine jugendlichen Kinder zu haben.