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Autor Thema: Die Erben von Eldalondë  (Gelesen 2456 mal)

Eandril

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Die Erben von Eldalondë
« am: 7. Mai 2017, 20:33 »
(Anmerkung von Penhael, Archivar von Hallatan von Tol Thelyn im Jahre 578 des dritten Zeitalters.)

Diese Aufzeichnungen wurden in den Überresten der Bibliothek des Turmes von Tol Thelyn gefunden. Sie befanden sich in einer vom Feuer geschwärzten Truhe, die unter den Steinen der Ruine begraben war, und konnten damit die Jahre unseres Exils größtenteils unbeschadet überdauern. Ich habe sie geordnet und unleserliche Stellen ausgebessert.
Die Briefe der frühen Bewohner von Tol Thelyn untereinander sind im Sindarin des späten Zweiten Zeitalters verfasst, die Reiseberichte Arandirs im Quenya der Gelehrten. Beides ist bemerkenswert, denn auch im Exil in Mittelerde bedienten sich die Nachfahren der Númenorer vornehmlich des Hochadûnaischen als Sprache der Gelehrten und des vereinfachten Adûnaisch - der Vorläufersprache unserer heutigen gemeinsamen Sprache - als Umgangssprache. Doch wie wir wissen versuchten sich Fürst Ciryatan von Eldalondë und diejenigen seiner Nachfahren, die ihn nach Mittelerde begleiteten, durch diese Besonderheit von den Männern des Königs abzuheben, und behielten diese Angewohnheit auch nach der Akâllabeth bis auf den heutigen Tag bei. Die Berichte bieten einen unverfälschten Blick auf Mittelerde kurz vor und nach dem Krieg des Letzten Bundes und Saurons Sturz.




Ein Bericht über eine Reise in den Süden von Harad, von Arandir von Tol Thelyn

Wir schreiben den zwölften Tag des Monats Yavannië im Jahr 3371 des Zweiten Zeitalters.
Drei Tage ist es her, dass ich von meiner Reise nach Tol Thelyn zurückgekehrt bin, und ich möchte festhalten, was mir auf meinem Weg durch die Südlande widerfahren ist.
Ich brach am Morgen des fünften Súlimë von der Insel auf, und setzte mit einem Boot auf das Festland über. Von dort führte mein Weg mich zunächst entlang der Küste nach Süden, und diese Küste ist fruchtbar und dicht besiedelt. Die Stämme, denen ich begegnet bin, sind zum größten Teil friedliche Fischer und Ackerbauer, die die Anwesenheit der Männer des Königs nach nur einem halben Jahrhundert bereits vergessen zu haben scheinen. Ich stieß auch auf einige Stützpunkte der Männer des Königs, die allerdings zum größten Teil verlassen sind.
Je weiter ich nach Süden kam, desto hügeliger wurde die Küste, und desto seltsamer und unbekannter wurden die Pflanzen und Tiere die ich sah. Einmal stahl ein kleiner Affe mir meinen Wanderstab, gab ihn allerdings im Tausch gegen eine mir unbekannte Nuss wieder heraus, und ein anderes Mal landete ein bunter Vogel einer mir unbekannten Art zutraulich auf meiner Schulter und begleitete mich ein Stück.
Schließlich erreichte ich den Fuß des großen Gebirges, das sich laut den Karten unserer Vorväter geradezu unendlich an der Küste des Kontinents entlang zieht, und beschloss, den nördlichsten Gipfel zu besteigen. Ich musste mein Vorhaben allerdings bald wieder aufgeben, denn der Berg war steiler als ich gedacht hatte, und so kehrte ich um und wandte mich zunächst eine Weile nach Osten und wanderte für einige Meilen an dem Fluss entlang, der auf der Ostseite der Berge entspringt. Das Land ist dort einigermaßen karg aber längst nicht so trocken wie die Wüsten im Norden, und je weiter ich mich von den Bergen entfernte desto dichter und üppiger wurde die Vegetation.
Tatsächlich wurden die Wälder bald so dicht, dass ich mich wieder nach Norden wenden musste um meinen Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Auch in diesen Landen traf ich auf Menschen, allerdings vor allem primitive Stämme mit Werkzeugen aus Stein und Holz, denn so weit sind die Männer Númenors zuvor nicht gekommen. Bedeutsam daran ist, dass die Länder südlich von Harad volkreicher sind als wir angenommen haben, und auch wenn Sauron beim Untergang von Númenor ums Leben gekommen sein mag, so könnten sie doch unter dem Einfluss seiner ehemaligen Diener eines Tages eine große Gefahr für uns darstellen.
Für den Moment wandte ich meinen Weg wieder nach Norden, bis ich schließlich in der Nähe von Tol Thelyn wieder die Küste erreichte, und schließlich am dritten Tag des Yavannië auf die Insel zurückkehrte.



Arandir von Tol Thelyn an seinen Vater Elendar von Tol Thelyn
Imladris, am dritten Tag des Víresse im Jahr 3401 des Zweiten Zeitalters
Grüße


Mehr als ein Jahr ist es her, dass ich mich auf Tol Thelyn von dir verabschiedete. Ich vermisse die Strände und Klippen unserer weißen Insel, doch die Reise und die Landschaften des Nordens machen allen Verzicht wett. Bevor ich dir jedoch von meiner bisherigen Reise berichten kann - und es gibt vieles zu berichten - wie ist es dir und Mutter in diesem vergangen Jahr ergangen? Ich hoffe, alle auf Tol Thelyn sind wohl, auch mein Bruder und seine bezaubernde Gemahlin. (Anmerkung des Archivars: Es handelt sich hierbei um eine Frau namens Rildíe, über die außer dieser Tatsache nicht viel überliefert ist.) Richte ihnen aus, ich würde mich darüber freuen, bei meiner Rückkehr meinen Neffen oder meine Nichte begrüßen zu dürfen. Jedoch für den Augenblick genug der Fragen.
Von Tol Thelyn trieb uns wie erhofft ein beständiger Südwind nach Norden, bis wir schließlich den Hafen Revaillond an der Südküste Gondors erreichten. Dort herrschte eine regsame Betriebsamkeit, denn offenbar reicht der kleine alte Hafen, der noch zu Zeiten des alten Reiches dort errichtet wurde, für die Bedürfnisse der Fürsten von Anfalas nicht länger aus. Den Fürsten trafen wir leider nicht an, denn er war in geschäftlichen Angelegenheiten in Belfalas unterwegs, doch seine Frau, die Fürstin Torveth empfing uns aufs Herzlichste. Ich war amüsiert zu beobachten, wie sie ihre jüngere Tochter Elenis auffällig in meine Nähe setzte und sich mich dabei offensichtlich bereits als Schwiegersohn vorstellte - ich hoffe sehr, dich damit nicht auf Ideen zu bringen. (Anmerkung des Archivars: Elenis von Anfalas heiratete nicht Arandir, sondern Tírdur von Arandol)
Nach zwei Tagen verabschiedeten wir uns jedoch aus Revaillond, und segelten um das Kap Andrast herum entlang der Westküste nach Norden. Wir erreichten den Golf von Lindon mit Anfang des Sommers, und trafen wenige Tage später in Mithlond auf Gil-Galad Ereinion, den Hochkönig der Noldor von Mittelerde. Ich kann nur schwer den Eindruck beschreiben, den die Hochelben und Gil-Galad im Besonderen auf uns machten. Bei dieser ersten Begegnung bedauerte ich, die Elben nicht eher aufgesucht hatten, und noch mehr den Hochmut unserer Vorfahren, der zur Entfremdung Númenors mit diesem edlen Volk geführt hat. Gil-Galad empfing uns freundlich als Verwandte König Elendils, und zeigte sich sehr interessiert an den Geschichten über Gondor und Harad, die wir zu erzählen hatten. Dies zeigte mir, dass dieser König sich nicht nur für das Wohl seines eigenen Landes und Volkes interessiert, sondern für das ganz Mittelerdes und all seiner Völker, die frei vom Schatten leben wollen. Was mich überraschte war, dass der Hochkönig nicht an Saurons Tod beim Untergang Númenors zu glauben scheint. Er fragte mich viel über Anzeichen von Umtrieben des Feindes im Süden, doch ich konnte ihm glücklicherweise nichts darüber berichten.
Dennoch, die Bedenken dieses klugen und weitsichtigen Königs haben mich selbst nachdenklich lassen werden, so sehr ich auch hoffe, dass er sich irrt und der Untergang Númenors wenigstens dies Gute zur Folge hatte. Es wäre allerdings ratsam, den Kontakt zwischen uns und den Elben nicht erneut abreißen zu lassen. (Anmerkung des Archivars: Tatsächlich hielt Palandras von Tol Thelyn nach Arandirs erstem Besuch in Lindon einen unregelmäßigen Briefkontakt mit Gil-Galad, der erst mit dem Tod beider Herrscher im Krieg des Letzten Bundes endete.)
Wir verbrachten zwei Wochen an Gil-Galads Hof in Mithlond, wo wir viele andere Elbenfürsten kennenlernten, und machten uns dann auf, die Wunder Lindons und der Ered Luin zu erkunden. Wir hätten alleine in diesem Land ein ganzes Jahr verbringen können, doch unvermeidlich trieb unsere Reise uns weiter nach Osten nach Arnor, in das Reich unseres Verwandten Elendil. Von Mithlond aus fuhren wir mit einem Flussschiff der Elben den Lhûn hinauf, bis zur Mündung eines Nebenflusses, der von den Emyn Uial im Osten herunterkommt. Dieser Fluss ist zu schmal und schnell um ihn selbst mit den schlanken Schiffen der Elben befahren zu können - und diese Schiffe sind kunstvoller und und liegen besser im Wasser, als alle Schiffe der Menschen! Wenn die Elben jemals das Bedürfnis verspürt hätten, ähnlich wie die Könige Númenors die Küsten der Welt zu beherrschen, hätte sie nichts davon abhalten, denn ihre Schiffe sind selbst den besten der Númenorer überlegen. Ich muss mich wiederholen, doch Hochmut und Stolz unserer alten Könige haben die größte Tragödie ausgelöst, die man sich vorstellen kann - die Entfremdung der Menschen des Westens von den Elben. Es bleibt zu hoffen, dass Hochkönig Elendil und seine Nachfolger daraus gelernt haben, denn was könnten die Menschen mit der Hilfe der Elben alles erreichen! Aber ich schweife ab.
Wir folgten dem Nebenfluss des Lhûn, der von einigen “Weißer Lhûn” genannt wird, weil sein Wasser heller ist als das der meisten Flüsse in diesen Landen, nach Osten bis an den Rand der Emyn Uial, wo das Herrschaftsgebiet Gil-Galads endet und Elendils Reich beginnt. Diese Berge sind weniger hoch als die Ered Nimrais oder sogar die Ered Luin in Lindon, doch stellten sie für uns ein Hindernis da, das wir nach Süden umgingen. Schließlich erreichten wir dennoch Annúminas, Elendils Königsstadt am Ufer des Nenuial-Sees.
Annúminas ist ganz aus dem hellen Stein der Emyn Uial errichtet, und bei weitem die schönste Stadt der Menschen, die ich in meinem Leben erblicken durfte. Die Städte des Südens mögen ebenfalls schön und prachtvoll sein - die Brücken von Osgiliath und die weißen Mauern von Minas Anor suchen ihresgleichen - doch in Annúminas sieht man die Hand der Elben und der Númenorer gemeinsam am Werk. Als wir die Kuppe der Hügel südlich der Stadt erklommen und die Annúminas in der Abendsonne liegen sahen, glaubten wir ins alte Númenor vor dem Niedergang zurückgekehrt zu sein. Der Nenuial-See spiegelte die sinkende Sonne wieder und warf ihr Licht auf den weißen Palast Elendils. Selbst jetzt, Monate später, kann ich diesen ersten Anblick der Königsstadt nicht vergessen. Es erinnert mich an deine Erzählungen von dem Moment, in dem du zum ersten Mal die Mauern Minas Anors erblicktest, und ich glaube, dass dieser Anblick mich mein Leben lang nicht verlassen wird - auch wenn mein Herz mir sagt, dass ich Arnor nicht mehr wiedersehen werde, wenn ich es erst einmal verlassen habe.
In Annúminas trafen wir auf Elendil, der mich sofort als einen aus dem Haus von Eldalondë erkannte. Ich wunderte mich über diese Tatsache, bis er mich unserem Vetter Hallatan von Eldalondë vorstellte. Der Hochkönig schien eine gewisse Freude dabei zu empfinden, uns für einige Zeit im Dunkeln zu lassen, bis er uns miteinander bekannt machte, auch wenn er ansonsten ein sehr ernster Mann ist. Ich sprach lange mit Hallatan und seiner Frau Lindórië von Andústar. Selbst wenn du es bereits vermutet hast, fürchte ich, dass dich die Nachricht vom Tod deines Bruders Elatan beim Untergang Númenors schmerzen wird. Auch sein älterer Sohn Valatan ist damals umgekommen, doch Hallatan, der dir vielleicht noch als Knabe in Erinnerung geblieben ist, entkam auf einem der Schiffe Elendils nach Arnor. Er gehört nun zum Gefolge Elendils, und scheint großen Einfluss an dessen Hof erlangt zu haben. Nach seinen Erzählungen hat er eine Reise nach Gondor unternommen, nur wenige Jahre, nachdem wir das Land verlassen hatten und nach Tol Thelyn zurückgekehrt waren - welch merkwürdiger Zufall, dass wir ihm dort nicht begegneten, und unsere Wege sich nun im Norden doch noch gekreuzt haben!
Der Hochkönig selbst ist ein beeindruckender Mann von einer Art, wie ich ihm noch nie begegnet bin. Er ist sicherlich beinahe zweieinhalb Rangar groß, und sein Beiname “der Lange” wahrlich verdient. Von seiner Ausstrahlung her könnte man ihn für einen der alten Könige aus den Legenden halten und ich habe keine Zweifel, dass das Erblühen Arnors beinahe ausschließlich auf seine Taten zurückzuführen ist. Welche Übel auch immer noch in entfernten Gegenden Mittelerdes lauern mögen, sie würden gut daran tun sich von den Reichen der Dúnedain fernzuhalten, solange Elendil über sie wacht!
Wie am Hof Gil-Galads verbrachten wir auch einige Zeit am Hof von Annúminas, wobei wir immer wieder kleinere Reisen in die Emyn Uial und das wunderschöne und fruchtbare Land südlich davon unternahmen. Schließlich, gegen Ende des Sommers, überkam uns allerdings wieder eine seltsame Unruhe. Wir nahmen Abschied von Elendil, und brachen entlang des Baranduin, der vom Nenuial zunächst ein Stück nach Osten fließt, nach Osten in Richtung Fornost auf. Hallatan begleitete uns bis nach Fornost, der zweiten Stadt Arnors am Südende eines Höhenzugs, der die Nördlichen Höhen genannt wird. In Fornost verabschiedeten wir uns von Hallatan, der nach Annúminas zurückkehrte, und schlugen selbst den Weg nach Norden ein.
In diesen Landen leben nur wenige Menschen, und sie sind weiter und wilder, als ich es mir vorgestellt hatte. Der Norden von Eriador ist ebenso wild und unbewohnt wie die südlichen Gegenden Harads, doch offener und karger. Wo in Harad dichte Wälder das Land überwuchern, herrschen im Norden grasbewachsene Ebenen mit kleinen Gehölzen, mit Heidekraut bewachsene Hügel und ausgedehnte Moore vor. Es ist ein wildes, ungezähmtes Land, und je weiter nach Norden wir kamen, desto verlorener fühlten wir uns. Nach einigen Tagen erreichten wir schließlich Gegenden, in denen bereits erster Schnee fiel, obwohl es noch früh im Herbst war. Ich habe zwar auf meinen Reisen durch die Ered Nimrais bereits Schnee und Eis gesehen, doch nie so viel wie in den Landen nördlich von Eriador, die wir schließlich erreichten. Hier herrschen ewiges Eis und Schnee, eine Wüste aus Weiß, soweit das Auge reicht - noch lebensfeindlicher als die Wüsten Harads, wie mir scheint. Wir hielten uns nicht lange dort auf, denn mit jedem Tag wurde es kälter, und als Galvor einen Finger an den Frost verlor, kehrten wir um.
Trotz ihrer Kälte und Lebensfeindlichkeit hat die nördliche Wüste einen eigenartigen Zauber auf mich ausgewirkt. Wie die Morgensonne auf dem Schnee glitzert, wie des Nachts magische Lichter am Himmel tanzen. Wie der Schnee in der Mittagssonne so hell glänzt, dass man seine Augen schützen muss, um nicht zu erblinden… Diese Welt ist so vielfältig, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen und nach all meinen Reisen im Süden nicht vorstellen konnte. Ich wünschte, du und Formengil wäret bei mir gewesen und hättet mit eigenen Augen sehen können, was ich nun nur mühsam in Worte zu fassen versuche, die immer nur ein schwaches Abbild der Wirklichkeit sein können.
Wir wanderten in südöstlicher Richtung, denn wir hofften die nördlichen Ausläufer der Hithaeglir zu erreichen, was uns auch gelang. Wir folgten der Kette der Berge nach Süden, durch ein unfassbar wildes Land, das von Schluchten, Flüssen und Hügelketten zerschnitten wird. In diesem Land fühlten wir uns das erste Mal auf unserer Reise unwohl, obwohl wir bereits wieder auf Höhe des Königreichs Arnor waren. Eine merkwürdige Stille liegt über diesen Gegenden, als würden sie auf irgendetwas warten. Ich kann nicht beschreiben, wovor genau wir uns fürchteten und was genau dieses Gefühl in mir hervorrief. Doch hier erschienen mir die Warnungen Gil-Galads, dass Sauron den Untergang überlebt haben könnte, zum ersten Mal wirklich gerechtfertigt.
Unsere Stimmung besserte sich, als wir die große Straße, die von Imladris am Fuß der Hithaeglir bis nach Mithlond führt, erreichten. Da der Winter mit raschen Schritten näherrückte, wandten wir uns weiter nach Osten, überquerten den Mitheithel und erreichten Elronds Haus kurz vor Einbruch des Winters.
Imladris, die Zuflucht der Elben im verborgenen Tal, ist von all den beeindruckenden und wunderschönen Orten, die ich auf meiner Reise gesehen habe, sicherlich der einladenste. Es mag nicht so mächtig und majestätisch erscheinen wie Annúminas, und ist bei weitem keine so große Elbenstadt wie Mithlond. Doch über Imladris liegt ein Hauch der Geborgenheit, dass man sich hier in Sicherheit fühlt, ganz gleich was vor dem Tor lauern mag. Elrond, der Herr von Imladris, begrüßte uns herzlich, und gestattete uns, den Winter hier zu verbringen. Wenn ich ehrlich sein soll, ist seine Gegenwart merkwürdig für mich, auch wenn ich einige faszinierende Gespräche mit ihm geführt habe. Immerhin ist er der Bruder des ersten Königs von Númenor, und somit in gewisser Weise ein sehr entfernter Onkel von mir und allen anderen, die von den Königen abstammen.
Über diese Wintermonate gibt es wenig von Interesse zu berichten, bis zum heutigen Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe. Wir werden in Kürze aufbrechen - nicht nach Westen, sondern nach Osten über die Hithaeglir hinab ins Tal des Anduin, denn die Erzählungen der Elben über diese Lande haben unser Interesse geweckt. Ich werde diesen Brief mit einem Boten Elronds nach Lindon schicken, wo Gil-Galad ihn an dich weiterleiten wird. Ich hoffe, diese Zeilen erreichen dich, und freue mich auf den Tag, an dem wir uns am Ufer Tol Thelyns wiedersehen.

Arandir.



Formengil von Tol Thelyn an Fürst Palandras von Tol Thelyn
Pelargir, im Jahr 3429 des Zweiten Zeitalters


Onkel,
es fällt mir schwer, diese Zeilen zu schreiben. Sauron, der Verräter und Fluch der Menschen, ist zurückgekehrt. Vor nur wenigen Tagen überfiel er mit einem riesigen Heer Minas Ithil, die Festung Isildurs, und nahm sie im Sturm.
Den wenigen verlässlichen Nachrichten zufolge konnte der Sohn des Hochkönigs entkommen, doch der Osten Gondors steht Saurons Horden nun offen, und sie strömen durch Ithilien nach Westen. Avalozîr sammelt seine Truppen in Pelargir, denen auch ich mich anschließen werde.
In diesen dunklen Zeiten kann keiner der Getreuen beiseite stehen, während der größte Feind der Menschen sucht, sie zu vernichten. Erinnere dich an das Bündnis, dass du vor Jahren mit Isildur geschlossen hast. Mögen die Getreuen Mittelerdes im Süden und im Norden, die aus Westernis gekommen sind, einander in allen kommenden Kriegen beistehen.
Unser Volk mag nicht zahlreich sein, doch in dieser Stunde der Not benötigt Gondor jede Hilfe, die gegeben werden kann. Und wenn Gondor fällt mag es sein, dass sämtliche anderen Reiche der freien Menschen bald folgen mögen, und kein Erbe Númenors in Mittelerde verbleibt.
Ich werde morgen mit einem Teil der Männer von Pelargir nach Osgiliath aufbrechen, um die Stadt gegen Saurons Ansturm zu unterstützen, und vielleicht bin ich bereits in der Schlacht gefallen, wenn dieser Brief Tol Thelyn erreicht. Grüße meine Eltern und meinen Bruder von mir - wenn Arandir sich dieser Zeit tatsächlich auf der Insel aufhalten sollte.
In Anbetracht der größeren Ereignisse erscheint es unwichtig, doch nur zwei Tage vor Saurons Angriff auf Minas Ithil haben wir die Verlobung meiner Tochter mit Arandur, Avalozîrs ältestem Sohn gefeiert. Eigentlich sollte die Verlobung das hauptsächliche Thema meines Briefes sein, doch alles verblasst im Vergleich zur Rückkehr Saurons.

In größter Sorge,
Formengil.



Palandras, Fürst von Tol Thelyn, an Avalozîr, Statthalter von Pelargir
Tol Thelyn, im Jahr 3429 des zweiten Zeitalters


Palandras von Tol Thelyn grüßt Avalozîr von Pelargir.
Mit großer Sorge habe ich den Brief meines Neffen Formengil erhalten. Ich begrüße die Verlobung seiner Tochter mit eurem Sohn, selbst wenn die Nachricht von Saurons Rückkehr wichtiger sein mag. Es ist über ein Jahrhundert vergangen, seit ich zuletzt in Gondor war und euch begegnet bin, doch ich habe es nicht vergessen - und auch den Eid nicht, den ich Isildur damals schwor. Mögen die Bande, die ihr und mein Sohn geknüpft habt, dieses Bündnis noch verstärken - und ich werde es erfüllen.
Ich schicke diesen Brief mit meinem Neffen Arandir nach Gondor, während ich unsere Männer sammele und auf den Krieg vorbereite. Nicht alle von uns leben auf Tol Thelyn, sondern viele haben sich entlang der nahen Küsten Harads verstreut, doch wir werden kommen so schnell es uns möglich ist.
Erwartet mein Kommen.

Mit den besten Wünschen,
Palandras, Fürst von Tol Thelyn.



Palandras, Fürst von Tol Thelyn an Inzilêth von Ondosto
Osgiliath, im Jahr 3430 des zweiten Zeitalters


Geliebte Inzilêth,
zu viele Wochen sind seit meiner Abreise vergangen, doch es ist viel geschehen, was meine Aufmerksamkeit beansprucht hat. Ich hoffe, du wirst es verstehen.
Bereits südlich von der Insel Tolfalas gerieten wir in eine Seeschlacht zwischen den Schiffen Gondors und denen der Menschen Harads. Sie haben sich wie befürchtet dem Dunklen Herrscher angeschlossen, der sie schon früher zu verführen vermochte. Vielleicht haben wir zu wenig getan, um dem entgegenzuwirken, doch es ist nun müßig, darüber nachzugrübeln.
Die Schlacht konnte nicht zuletzt durch die umsichtige Führung von Avalozîr von Pelargir gewonnen werden. Avalozîr ist ein ernsthafter und bedachter Mann, und sein Sohn scheint eine gute Wahl für unsere Großnichte zu sein.
In Pelargir trafen wir auf Formengil, der bei der Nachricht unserer Ankunft von den Kämpfen in Osgiliath zurückgekehrt war. Er scheint während seiner Zeit in Gondor einiges an Respekt erworben zu haben, und führte bald nach unserem Treffen einen Angriff über den Anduin hinweg nach Ithilien. Er trieb die Orks und dunklen Menschen bis zur Furt des Poros’ vor sich her, und säuberte das Land zumindest für den Augenblick von Feinden. Ich hatte nie große Sorgen darüber, dass er dereinst das Oberhaupt unserer Familie sein wird, doch nun bin ich überzeugt, dass er unser Erbe erhalten kann. Es lässt mich beinahe vergessen, dass uns das Glück eines Kindes nicht vergönnt gewesen ist.
Nach dieser Schlacht zog ich mit unseren Männern weiter nach Norden, ins umkämpfte Osgiliath. Diese Stadt, und auch Minas Anor weiter im Westen, sind die schönsten, die ich in den Reichen der Menschen von Mittelerde gesehen habe - selbst mit dem Schatten, der aus dem Osten darüber zieht. Osgiliath ist auch unter dem Ansturm von Saurons Horden die schönste Stadt, die ich seit dem letzten Blick auf Eldalondë gesehen habe, und ich wünschte, du könntest es auch sehen. Vielleicht war es ein Fehler von uns, Tol Thelyn nach dem Tod meines Vaters nicht öfter zu verlassen, und nun mag es zu spät sein.
Die Kämpfe um Osgiliath reißen nicht ab, wir halten die Stadt, doch nur gerade so eben. Jeden Tag drängen Saurons Diener von Osten heran, und jeden Tag werfen wir sie zurück. Die Verteidigung Gondors hält, doch alleine können wir den Feind nur einige Zeit zurückhalten. Es geht das Gerücht, dass Elendil im Norden ein Bündnis mit Gil-Galad geschlossen hat. Wenn sie uns zur Hilfe kommen, mag es sein, dass Sauron tatsächlich geschlagen werden kann. Und ich bin mir sicher, dass Elendil nicht den Fehler Pharazôns wiederholen und ihm verfallen wird. Vielleicht wird eines Tages wieder das ungetrübte Licht für die Getreuen scheinen.

In Liebe,
Palandras.



Ciryatan von Tol Thelyn an Maríel von Linhir
Rhovanion, im Jahr 3434 des zweiten Zeitalters


Geliebte,
verzeih mir. Gegen den Willen meines Vaters und dein Bitten habe ich mich Elendils Heer angeschlossen. Ich weiß, dass du dich um mich sorgst, doch wie kann ein Mann beiseite stehen, wenn die gesamte Macht des Westens gegen den Schatten zieht?
Ich verließ Osgiliath vor beinahe drei Wochen, und ging mit drei Gefährten nach Norden, in der Absicht, mich Elendil anzuschließen, da mein Vater mit dem anderen Heer gegen Minas Ithil zieht.
Wir erreichten das Heer nördlich der Emyn Muil, kurze Zeit, nachdem Anárion sich ihnen mit den restlichen Männern Gondors angeschlossen hatte. Mein Großvater Elendar und Fürst Palandras waren wenig begeistert über mein Erscheinen, schickten mich allerdings nicht wieder fort.
Das Heer, dass sich hier versammelt hatte, ist... Ich tue mich schwer, es mit Worten zu beschreiben. Da sind die Männer Gondors und Arnors, die Nachfahren Númenors und jene Menschen allein, die Sauron fürchtet. Uns zur Seite stehen die Eldar, die Erstgeborenen, und ich habe nie zuvor etwas so schönes und gleichzeitig furchterregendes gesehen wie die Streitmacht Gil-Galads. Noch andere Elben haben sich den Königen angeschlossen, Nandor und Sindar aus Lórinand und Eryn Galen, leichter gerüstet doch zahlreicher als die Noldor aus Lindon. Selbst einige der Naugrim stehen an unserer Seite, und
Es ist Nachricht gekommen. Das schwarze Tor Mordors hat sich geöffnet, und Saurons Streitmacht zieht uns entgegen. Ich werde diesen Brief beenden, wenn ich diese Schlacht überlebe. Mögen die Valar geben, dass wir uns wiedersehen.

Auf immer in Liebe,
Ciryatan.



Arandir von Tol Thelyn an Formengil von Tol Thelyn
Dagorlad, im Jahr des zweiten Zeitalters 3434


Bruder, nichts mag jemals den Schrecken, die Grausamkeit und den unfassbaren Triumph dieser Schlacht angemessen beschreiben. Unser ganzes Heer stellte sich Saurons Streitmacht entgegen, die gewaltiger war als alles, was ich je zuvor gesehen hatte - Orks, Menschen aus dem Osten und Süden von Mittelerde, mächtige Trolle, und Wesen wie Schatten, die einen namenlosen Schrecken verbreiten. Wenn ich an sie denke erschaudere ich noch immer, trotz des Sieges, den wir errungen haben.
Unser Vater und Onkel standen mit den Männern von Tol Thelyn am rechten Flügel des Heeres - und auch mit deinem Sohn. Ich weiß nicht, ob die Nachricht dich schon erreicht hatte, dass er sich über deinen Wunsch hinweggesetzt und dem Heer angeschlossen hatte, doch ich kann dich beruhigen. Er hat die Schlacht weitestgehend unbeschadet überstanden, und sich nach allen Berichten äußerst gut geschlagen.
Ich selbst stand mit unserem Vetter Hallatan in der Nähe Elendils. Hallatan führt eine eigene Truppe an, die er die Flammenklingen nennt, und denen ich mich für die Schlacht angeschlossen hatte.
Die Könige hatten Befehl gegeben, abzuwarten bis die Orks uns angriffen, doch die Elben aus Lórinand waren ungeduldig, und rückten zuerst an. Sie kämpfen tapfer und brachten die vorderen Reihen des Feindes in große Unordnung, doch sie waren zu schwach gerüstet um auf die Dauer standhalten zu können.
Als wir schließlich vorrückten, waren bereits viele von ihnen gefallen, darunter auch ihr Fürst, Amdír. Trotz allem, der Moment als das Heer des Bundes auf die Feinde prallte, war wie ein Blitzschlag. Was folgte, war ein Gemetzel wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Die Orks waren uns zahlenmäßig überlegen, doch niemand hielt vor der Macht Gil-Galads und Elendils lange stand. Wie ich einst Vater schrieb als ich Elendil das erste Mal begegnet war: Jene, die die Reiche der Dúnedain angreifen solange Elendil der Lange über sie herrscht, werden es bereuen.
Schritt für Schritt begannen wir die Orks zurück zu drängen, bis irgendwann ihre Reihen brachen, und unsere Leute sie einen nach dem anderen zu Tode hetzten. Ihre Leichen bedecken eine gewaltige Fläche, doch zwischen ihnen liegen auch viele der Dúnedain und Eldar. Noch ist Sauron nicht besiegt, und es liegen noch viele Kämpfe vor uns, doch in diesen Augenblicken schöpfe ich Hoffnung, dass es tatsächlich gelingen kann.
Wie ich bereits schrieb hat dein Sohn die Schlacht gut überstanden, und auch unser Vater und ich sind ohne schwere Wunden davongekommen.
Onkel Palandras ist schwer an der linken Hand verwundet worden und es sieht aus, als würde er sie trotz der Heilkunst der Eldar verlieren, doch er wird überleben und brennt bereits vor Gedanken an Rache. Nichts wird ihn davon abhalten, an diesem Krieg weiterhin teilzunehmen, bis er entweder tot oder Sauron vernichtet ist.
Ich hoffe sehr, dass euer Feldzug gegen Minas Ithil und den Ungol-Pass ebenso erfolgreich verläuft, und dass die Valar dich beschützen, so wie sie uns andere beschützt haben.

Arandir.



Elendar von Tol Thelyn an Formengil von Tol Thelyn
Gorgoroth, im Jahr 3435 des zweiten Zeitalters


Mein Sohn,
mit großer Sorge habe ich von deiner Verwundung in der Schlacht auf dem Pass von Minas Ithil erfahren. Ich hoffe, du erholst dich gut und rasch, denn dieser Krieg ist trotz aller Siege noch lange nicht vorüber und ich fürchte, dass wir noch jedes Schwert bitter nötig haben werden. Nach dem Sieg am Tor Mordors - der schon der Sieg auf der Dagorlad genannt wird, marschierten wir tief ins Land des Feindes hinein, und nahmen seine Festungen eine nach der anderen im Sturm.
Nur eine Festung widersteht noch. Barad-Dûr, der dunkle Turm Mordors, ragt über unserem Lager auf wie eine finstere Drohung gegen das Licht der Welt. Diese Festung einen Turm zu nennen, wird ihr eigentlich keineswegs gerecht, denn es ist mehr als nur ein Turm. Ein Stachel im Fleisch von Mittelerde, Saurons Sitz und das Schrecklichste, was ich je gesehen habe. Der Anblick ist geeignet, selbst die stärksten Herzen verzagen zu lassen.
Palandras war im Rat der Anführer, und sie haben erkannt, dass diese Festung des Feindes nicht im Sturm zu nehmen ist. Wir werden einen Belagerungsring um die Festung schließen, und Sauron zwingen, herauszukommen und sich unserem Zorn zu stellen. Ich fürchte jedoch, dass wir lange Zeit hier sein werden, denn der Hass des Dunklen Herrschers auf die Freien Völker ist unerbittlich, und er wird nie aufgeben.
Dieses Land ist finster und tot, voller Asche und Staub. Beinahe unser gesamtes Geschlecht ist hier versammelt, bis auf deine Tochter, und du wirst bald zurückkehren. Ich fürchte um uns, mein Sohn, um das Überleben der Erben von Eldalondë. Der Gedanke an meine Enkelin ist mir ein Trost in diesen dunklen Landen, und ich hoffe, er wird auch dir ein Trost sein, wenn du dich uns erneut anschließt.

Dein dich liebender Vater,
Elendar.



Palandras, Fürst von Tol Thelyn, an Inzilêth von Ondosto
Gorgoroth, im Jahr 3438 des zweiten Zeitalters


Geliebte Inzilêth,
viel zu lange ist es her, dass ich dir mit eigener Hand geschrieben habe. Ich sitze hier mit deinem Bild, dass du mir geschickt hast, und wünschte mir, ich wäre an einem freundlicheren Ort, mit mehr als einem Bild von dir. Ich sehne mich nach dem Klang deiner Stimme und der Berührung deiner Hand, mehr noch als in den ersten Tagen die wir uns kannten.
Dieses Land aus Staub und Tod bedrückt mich mit jedem Tag mehr, und mich beschleichen dunkle Ahnungen, dass ich es nicht mehr verlassen werde. In diesem Fall wäre es mir ein Trost zu wissen, dass ich gestorben bin um dir und unserer Familie ein Leben in Frieden und Sicherheit zu ermöglichen, und wenn es dazu kommt, werde ich mit deinem Namen auf den Lippen diese Welt verlassen. Keiner von uns kann seinem Schicksal entkommen, und wenn dieses Schicksal für mich vorgesehen ist, dann soll es so sein.
Doch noch ist es nicht so weit, und vielleicht stellen sich meine Ahnungen auch als falsch heraus, und wir werden uns an den weißen Stränden unserer Insel wiedersehen. Ich sehne den Tag herbei, an dem ich dieses verfluchte Land für immer hinter mir lasse, doch ich kann es nicht tun, solange der Schatten Saurons noch über dieser Welt liegt. Ich habe bereits eine Hand in diesem Krieg gelassen, und trotz allem werde ich nicht rasten, bis die Welt von ihm befreit ist.
Bete zu den Valar für mich, dass sie über mich, meinen Bruder und seine Söhne wachen mögen - ich kann es nicht tun, denn in dieser Finsternis erscheinen sie weiter weg als die fernsten Sterne, die man hier nur selten sieht.  Mögen die Sterne eines Tages wieder frei scheinen.
Ich muss zu den vorderen Reihen aufbrechen, denn es ist Zeit.

In Liebe,
Palandras.



Elendar von Thol Thelyn, Fürst von Tol Thelyn, an Lindórië von Andúnië
Gorgoroth, im Jahr 3438 des zweiten Zeitalters


Liebste,
ich schreibe diese Zeilen in einer meiner dunkelsten Stunden. Gestern, gegen Abend, unternahmen die Orks einen Ausfall aus einem verborgenen Tor im Süden des Dunklen Turms, und trafen an dem Ort unsere Reihen, wo Palandras und seine Männer sich aufhielten. Der Angriff traf sie härter als erwartet, und bevor Isildur und ich ihnen zur Hilfe eilen konnten, waren viele von ihnen bereits gefallen, darunter auch Palandras.
Mein Bruder ist tot, Lindórië. Er war ein wahrer Sohn unseres Vaters, stärker und edler als Elatan oder ich, und nun  ist er tot, gefallen in einem Land des Schattens. Warum? Er hätte es verdient, noch für Jahre nach dem Sieg über unser Volk zu herrschen, in Frieden. Doch es war ihm ebenso wenig vergönnt wie ein Sohn und Erbe, und nun fällt mir die Aufgabe zu, unsere Männer durch diesen Krieg zu führen. Ich habe es mir nicht gewünscht, doch ich werde es tun, zu seinen Ehren.
Ich bitte dich, Inzilêth diese Nachricht schonend beizubringen, ich weiß, wie sehr sie sich um Palandras gesorgt hat. Doch ich vermute, dass diese Worte unnötig sind, denn du hättest es ohnehin getan.
Mein Herz wünscht sich, dich hier an meiner Seite zu haben und deine tröstenden Worte zu hören. Wir alle könnten ein wenig Trost gebrauchen, denn seit vier Jahren sind wir hier, und die Reserven des dunklen Herrschers erscheinen unerschöpflich. Viele glauben Schatten am Rand ihres Blickfeldes zu sehen, die verschwinden wenn man hinsieht, und einige wenige sprechen von flüsternden Stimmen. Dieses Land ist verflucht, und je länger wir uns hier aufhalten, desto mehr sinkt unsere Stimmung. Ich fürchte, unsere dunkelste Stunde ist noch nicht gekommen.

In der Hoffnung, dich wiederzusehen
Elendar.



Ciryatan von Tol Thelyn an Maríel von Linhir
Gorgoroth, im Jahr 3441 des zweiten Zeitalters


Geliebte,
unsere dunkelste Stunde ist gekommen. Nur wenige Stunden zuvor erstürmte unsere Vorhut einen versteckten Eingang nach Barad-Dûr, und wir glaubten den Sieg bereits greifen zu können. Doch dann kam Sauron selbst heraus.
Niemand konnte ihm widerstehen, er zersprengte unsere Vorhut mit Leichtigkeit, hätte beinahe meinen Vater erschlagen - er entging der mächtigen Keule des Feindes nur mit knapper Not - und brach dann mit seinem Heer durch unseren Belagerungsring. Elendil und Gil-Galad sammelten jeden Elben und Menschen, den sie finden konnten, und zogen ihnen in Richtung Westen hinterher.
Ich selbst bin schwer am Bein verwundet worden, und musste deshalb im Lager zurückbleiben. Alle wissen, dass diese Schlacht die letzte dieses Krieges sein wird. Entweder wird Sauron besiegt, oder wird.
In diesen Stunden ist mir die Erinnerung an dich der einzige Trost. Ich liebe dich heute mehr als an dem Tag, an dem ich dir meine Liebe das erste Mal erklärte, und heute will ich tun, was ich mich damals nicht traute. Ich bitte dich um deine Hand, geliebte Maríel. Die Aussicht auf ein Leben mit dir ist das einzige, was mich in dieser Finsternis aufrecht erhält und mich nicht die Hoffnung verlieren lässt.

In Liebe,
Ciryatan.



Formengil von Tol Thelyn an seine Tochter Eldálote
Minas Ithil, im Jahr 3441 des zweiten Zeitalters


Geliebte Tochter,
vielleicht hast du bereits die Veränderung in der Luft gespürt, oder die heller scheinende Sonne. Vielleicht haben dich auch bereits die Nachrichten der Meldereiter erreicht: Es ist getan. Sauron, der Feind der Freien Völker und Fluch der Menschen, ist besiegt.
Es kam zu einer letzten Schlacht an den Hängen den Schicksalsberges, wo er von Elendil und Gil-Galad gestellt wurde. Ich sah den Kampf aus einiger Entfernung mit an, und nie zuvor habe ich ein so verzweifeltes und heldenhaftes Gefecht gesehen. Die beiden Hochkönige kämpften tapfer gegen ihn, nur unterstützt von einigen wenigen Getreuen, doch beide verloren ihr Leben bevor Isildur den tödlichen Streich gegen den Dunklen Herrscher führen konnte. Welch ein Verlust für die Völker der Elben und Menschen, doch welch ein ruhmreicher Tod war dies! Sie gaben ihr Leben für das Überleben aller, und ihre Namen sollen für alle Zeit in Andenken gehalten werden.
Nun bricht ein neues Zeitalter an, ein Zeitalter des Lichts. Der Schatten ist von Mittelerde gewichen, und es wird Zeit für neue Anfänge. Isildur selbst hat sich bereit erklärt, deiner Verbindung mit Arandur von Pelargir seinen Segen zu geben. Die Hochzeit wird zu Beginn des neuen Jahres - oder vielmehr, des neuen Zeitalters - in Osgiliath stattfinden. Ein Zeichen für unseren Sieg, und ein neuer Anfang.
Die Nachrichten über Maríel betrübten uns alle sehr, und dein Bruder ist zutiefst erschüttert - es fällt mir schwer, es mit anzusehen. Doch er ist stark, und wird eines Tages darüber hinwegkommen - so hoffe ich zumindest.

Dein liebender Vater,
Formengil.



Ciryatan von Tol Thelyn an Maríel von Linhir
Minas Ithil, im Jahr 3441 des zweiten Zeitalters


Wie konntest du es tun, Maríel? Haben dir unsere Worte von Liebe so wenig bedeutet? Ich weiß, dass ich eine lange Zeit fort war, und ich weiß auch, dass ich gegen deinen Willen in den Krieg gezogen bin. Doch wie ich damals schrieb, wie kann ein Mann beiseite stehen, wenn der Westen seine ganze Macht gegen den Feind ins Feld führt, der ihn vernichten will? Ich hätte erwartet, dass du es verstehst. Ich hätte erwartet, dass eine Tochter Númenors standhafter in ihren Gefühlen wäre, doch anscheinend habe ich mich darin - wie in so vielen Dingen - geirrt.
Ich hätte mein Leben an deiner Seite verbracht, Maríel. Ich hätte alles getan um dich glücklich zu machen, doch du hast meine Liebe zurückgewiesen. Ich hoffe du wirst glücklich mit diesem Mann, denn trotz allem kann ich dich nicht hassen sondern fürchte, dass ich dich immer noch liebe. Eines Tages werde ich vielleicht, wenn die Valar es wollen, darüber hinweg sein und glücklich werden.
Leb wohl.



Arandir von Tol Thelyn an Hallatan von Eldalondë
Osgiliath, im Jahr 2 des dritten Zeitalters


Vetter,
ich weiß nicht, ob dieser Brief dich noch vor deiner Ankunft in Arnor erreicht. Dennoch, da ich nicht rechtzeitig nach Minas Anor zurückkehrte um dich zu verabschieden, wünsche ich dir alles Gute für die Reise, möge die Sonne deines Abschieds deinen Weg bescheinen und mögen die Valar die begleiten. Vielleicht werde ich dir eines Tages nach Arnor folgen, denn ich würde auf Lindórië gern wiedersehen und deine Kinder kennenlernen - oder vielleicht macht ihr einen Besuch auf Tol Thelyn, ihr wärt mir und meinem Vater jederzeit willkommen.
Ich habe einige Zeit gezögert, ob ich diese Zeilen tatsächlich schreiben soll. Der Sieg über Sauron stimmt mich nicht so glücklich wie er sollte, denn Befürchtungen, die ich nicht wirklich benennen kann, treiben mich um. Stimmt es, dass Isildur die Waffe des Feindes nicht vernichtet, sondern an sich genommen hat?
In diesem Fall fürchte ich um ihn und ganz Mittelerde, denn wer weiß schon, welche Macht der dunkle Herrscher in sie gewoben hat, und welche finsteren Zauber darauf liegen, verborgen vor dem sterblichen Auge? Ich bitte dich, gib gut auf dich und den König acht. Denn bei aller Größe dieses Siegs könnte es sein, dass der Kampf noch nicht vorüber ist.
Ich werde meine Reisen durch Harad fortsetzen, denn sie erscheinen mir jetzt wichtiger denn je. Wir haben im Krieg gesehen, wie viele Menschen aus den Ländern des Südens und des Ostens auf Saurons Seite kämpften und diesen sogar als Gott verehrten. Sie werden immer eine Gefahr für die Reiche der Getreuen darstellen, wenn wir keine Weg finden, ihre Macht zu brechen, oder sie von Saurons Seite zu ziehen.
So wie ich und die Nachkommen meines Bruders im Süden dafür sorgen werden, dass die Menschen des Südens Gondor nicht verschlingen, so soll die Erben von Eldalondë dies für die Menschen des Ostens tun, wenn es euch möglich ist.
Ja, ich werde bald nach Arnor kommen, um mit dir selbst darüber zu sprechen, denn eine solche Bitte allein einem Brief anzuvertrauen erscheint mir vermessen.
Der Krieg verändert Menschen heißt es. Ich habe es an dir gesehen, und ich sehe es an mir selbst, an den Befürchtungen die mich umtreiben. Doch ich hoffe, Hallatan, dass wir im Kern noch immer dieselben Männer sind, die vor so vielen Jahren hoffnungsvoll in den Krieg zogen. Vielleicht gelingt es uns, sie wiederzufinden.

Dein Freund und Verwandter,
Arandir.

Arandirs letzter Brief an Hallatan wurde nie abgeschickt, denn schon bald trafen in Gondor erste Nachrichten über das Verhängnis auf den Schwertelfeldern und Isildurs und Hallatans Tod ein. Arandir unternahm die angesprochenen Reisen durch den Süden Mittelerdes, kehrte aber nie wieder nach Arnor zurück.
Wir können nur vermuten, was eine Zusammenarbeit mit dem nördlichen Zweig unseres Fürstenhauses hätte bedeuten können, wenn man sich die Taten unserer Vorfahren hier im Süden ansieht.
Aufzeichnungen und Briefe aus den Jahrhunderten nach dem Krieg des Bundes folgen, sobald ich sie ausreichend durchgesehen und geordnet habe.
« Letzte Änderung: 7. Mai 2017, 21:03 von Eandril »

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