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Autor Thema: Der Palast des Fürsten  (Gelesen 40715 mal)

Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #30 am: 24. Feb 2017, 22:37 »
Hilgorn ordnete die Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen - Berichte von den Wächtern am Gilrain, von der Südküste, und aus den westlichen Fürstentümern. In keinem davon war die Rede von Kämpfen oder Angriffen, was Hilgorn eigentlich beruhigen sollte. Dennoch, die verdächtige Stille rief eher Unruhe in ihm hervor. Es erinnerte ihn weniger an eine Zeit des Friedens, sondern an die schwüle Ruhe, kurz bevor ein Sommersturm über der Bucht losbrach. Irgendetwas würde geschehen, und zwar bald.
Er verstaute die Berichte in einer Truhe, und ging noch einmal die Befehle durch, die er für die Truppen am Gilrain und in Linhir vorbereitet hatte, während er auf Valion wartete. Die Räume, die er in einem entlegenen Teil des Palastes bewohnte, waren klein und schmucklos. Den größten Teil bildete sein Arbeitszimmer, an das ein kleiner Schlafraum, den das schmale Bett beinahe ganz ausfüllte, angrenzte. Er hätte vermutlich ein größeres Zimmer bekommen können, doch Hilgorn wollte keines. Darüber hinaus war er ohnehin selten hier, wenn er nicht gerade unterwegs war hatte er sich seit einiger Zeit angewöhnt, den größten Teil seiner Freizeit in Faniels Haus zu verbringen.
Nachdem er sich versichert hatte, dass die Befehle keine Fehler enthielten, warf er einen Blick zum Fenster hinaus, das nach Südwesten über die Halbinsel auf die Bucht von Belfalas hinausging. Die Sonne stand inzwischen bereits recht weit und tief im Westen, und Hilgorn seufzte, während er die Befehle beiseite legte. Valion hatte offenbar vor, heute Nachmittag voll auszunutzen und zum spätmöglichsten Zeitpunkt zu kommen.
Gerade als er den Gedanken beendet hatte, klopfte es an der Tür und Hilgorn antwortete: "Kommt herein." Sofort betrat Valion das Zimmer, und sah sich neugierig um. "War nicht leicht, euch zu finden", sagte er, während seine Augen munter umherglitten. "Also... ziemlich eng ist es hier."
"Es reicht aus", erwiderte Hilgorn, und der kühle Unterton in seiner Stimme konnte Valion nicht entgangen sein. Der Erbe vom Ethir ließ sich jedoch nicht beirren, sondern fragte mit einem Grinsen: "Wie macht ihr das nur, wenn ihr hier mal... Besuch habt?"
Hilgorn unterdrückte ein Ächzen, und erwiderte nur ausdruckslos: "Solchen Besuch habe ich hier nicht nötig." Valions Grinsen wurde noch eine Spur breiter, doch bevor er etwas entgegnen konnte, fügte Hilgorn hinzu: "Und außerdem haben wir denke ich wichtigere Themen zu besprechen."
"Natürlich." Valion ließ sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder, wobei er noch immer bestens gelaunt schien. Dennoch beschlich Hilgorn das Gefühl, dass seinen Gegenüber insgeheim etwas beschäftigte.
"Also", begann Valion, und breitete die Arme aus. "Der Ethir."
"Der Ethir", bestätigte Hilgorn, und betrachtete die Karte, die unter den anderen Dokumenten auf seinem Schreibtisch zum Vorschein gekommen war. "Ich vermute, dass ich gerade euch nicht erneut erklären muss, welche strategische Bedeutung der Ethir genau hat."
"Ganz sicher nicht."
"Nun, wir stehen also vor einem gewissen Problem", erläuterte Hilgorn. "Unsere wichtigste Sorge ist natürlich weiterhin, unsere östliche Grenze - Linhir und den Lauf des Gilrain - möglichst stark zu besetzen. Ethir liegt davon getrennt, und ist für uns für den Moment nur auf dem Seeweg sicher zu erreichen. Ich habe also folgendes Problem: Ihr braucht genug Männer, um die Festung instand setzen und einige Zeit verteidigen zu können. Außerdem sollt ihr gemäß dem Befehl des Fürsten die Ufer des Anduin bis Ithilien besetzen und uns den Weg dorthin öffnen."
Er fuhr mit dem Finger die blaue Linie des Anduin auf der Karte bis nach Ithilien hinauf und seufzte. Er hoffte nur, dass Mordor sich durch ihre Pläne nicht vorzeitig provozieren und zu einem Gegenschlag verleiten lassen würde. Zwar wuchs die Zahl ihrer Soldaten durch die neu rekrutierten Flüchtlinge allmählich an, und vielleicht würden sie bald durch weitere Elben verstärkt werden, doch beides brauchte Zeit.
"Ich halte zwar große Stücke auf meine Kampfkunst", meinte Valion spöttisch. "Aber alleine werde ich das wohl kaum bewältigen können."
"Natürlich nicht", entgegnete Hilgorn. "Ich werde euch... zweihundert Mann zur Verfügung stellen." Er würde sie von verschiedenen Orten abziehen, um keine Stellung entscheidend zu schwächen, und die entstandenen Lücken nach und nach wieder auffüllen.
Valions Augenbrauen zogen sich zusammen. "Zweihundert sind nicht sonderlich viel um..."
Bevor er zu Ende sprechen konnte, klopfte es heftig an der Tür, und ohne eine Antwort abzuwarten, betrat der Elb Ladion den Raum. Er sah einigermaßen mitgenommen aus, hatte einen Verband um die Stirn und seine Kleidung war zerrissen und schmutzig.
"Ich bringe wichtige Neuigkeiten", sagte er dennoch mit ruhiger Stimme, und Hilgorn konnte sich gerade noch daran hindern, hinter dem Tisch aufzuspringen.
"Geht es um meinen Bruder?" Er sah Valion aufmerksam lauschen, doch bevor er ihn bitten konnte den Raum zu verlassen, erwiderte Ladion: "Unter anderem. Ich verfolgte ihn weit nach Osten, über den Gilrain hinweg auf das von Mordor besetzte Gebiet, bis nach Osgiliath. Dort gelang es mir, ein Gespräch zwischen einigen Orkanführern zu belauschen. Offensichtlich planen sie einen Angriff auf das Weiße Gebirge, zu welchem Zweck weiß ich nicht."
Jetzt sprang Hilgorn tatsächlich von seinem Stuhl auf, und Valion, der offenbar ebenso wie er die Tragweite des Gehörten begriffen hatte, tat es ihm gleich.
"Wie es aussieht, wird die Besetzung des Ethir noch ein Weilchen warten müssen", sagte er, und verzog das Gesicht. Anscheinend war Valion keineswegs wohl bei dem Gedanken, seine Heimkehr zu verschieben, und Hilgorn konnte ihn verstehen. Trotzdem nickte er langsam. "Allerdings. Wenn Mordor das Gebirge besetzt, schneiden sie uns den direkten Weg nach Rohan ab und trennen uns von unseren nächsten Verbündeten... Ich muss zum Fürsten."
"Ich komme mit", sagte Valion, und Hilgorn erwiderte: "Warum? Das betrifft euch nicht direkt."
"Als Herr des Ethir bin ich ein Fürst von Gondor, und habe das Recht zu gehen, wohin ich will", gab Valion kalt zurück, und Hilgorn stöhnte innerlich auf. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, denn es würde mit Sicherheit darauf hinauslaufen, dass Valion sich freiwillig melden würde, um die Verteidigung anzuführen. Und Hilgorn konnte sich weitaus fähigere Anführer vorstellen, als den verantwortungslosen Herrn vom Ethir.
"Meinetwegen, kommt mit", sagte er schließlich. Er konnte immer noch dafür sorgen, dass nicht Valion sondern jemand geeigneteres ihre Truppen ins Gebirge führen würde.

Während sie durch die Flure des Palastes zu den Gemächern der Fürsten eilten, fragte Hilgorn Ladion leise: "Und was ist mit Imradon?" Der Elb lächelte flüchtig. "Nach dem, was ich belauschen konnte, scheint er bei dem Angriff auf das Gebirge dabei zu sein - als Strafe für seine Enttarnung, wie mir scheint." Hilgorn schnaubte verächtlich. Sein Bruder hatte sich sicherlich nicht freiwillig dafür gemeldet. Dann kam ihm ein weiterer Gedanke. Wenn Imradon im Weißen Gebirge war, dann... würde Hilgorn ebenfalls dorthin gehen. Und dafür sorgen, dass Imradon die Berge nicht lebendig verließ.

Hilgorn in die Stadt
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:31 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Krieg zieht herauf
« Antwort #31 am: 10. Mär 2017, 10:51 »
Der Krieg geht also wieder in die heiße Phase! dachte Valion mit einer Mischung aus freudiger Erwartung und leichter Besorgnis, während er Hilgorn durch den Palast zu den Gemächern Imrahils folgte. Die Nachrichten, die der Elb Ladion ihnen gebracht hatte, waren zu wichtig, um damit zu warten, weshalb sie den Fürsten von Dol Amroth bei seinem Abendessen unterbrachen. Als sie eintraten blickte Imrahil zunächst mit erstaunter Miene auf, ersparte ihnen dann jedoch eine Rüge als er die ernsten Gesichter sah.
"Mein Fürst, es hat eine wichtige Entwicklung gegeben," erklärte Hilgorn, und Imrahil bedeutete ihnen, sich zu ihm an den Tisch zu setzen.
"Es scheint in der Tat sehr wichtig zu sein," sagte der Fürst. "Berichtet."
Ladion nahm gegenüber Imrahils Platz und beugte sich leicht vor. "Ich komme gerade aus den von Mordor besetzten Gebieten von der Verfolgung des gesuchten Verbrechers Imradon zurück. Dabei gelang es mir, die bevorstehenden Pläne unserer Feinde mitanzuhören: sie haben vor, einen Angriff im Weißen Gebirge durchzuführen."
Imrahil nickte. "Also regt sich der Feind erneut. Ich hatte schon vermutet, dass ihm unsere schnelle Verbindung zu den Rohirrim seit Längerem ein Dorn im Auge ist." Er ballte die rechte Hand zur Faust. "Wenn Sauron Krieg will, dann kann er ihn haben. Wir haben lange gewartet und unsere Grenzen gesichert; haben uns an seine Bedingungen gehalten. Jetzt sehen wir also, was die Versprechungen des Dunklen Herrschers wert sind. Ruf meinen Sohn Elphir und die Offiziere her!" Ein Bote eilte aus dem Raum, um die Befehle weiterzugeben.
"Die Pfade der Toten sind das offensichtlichste Ziel, aber wir wissen nicht, aus welcher Richtung die Orks angreifen werden," sagte Hilgorn.
"Nun, durch Rohan werden sie wohl nicht ziehen," überlegte Valion. "In den jüngsten Berichten stand, dass Faramir die Grenze nach Anórien scharf bewacht hält und bereits mehrere Angriffe zurückgeschlagen hat. Und nun, da sein Hauptheer von der Belagerung Dol Guldurs zurückgekehrt ist hat er eine schlagkräftige Streitmacht unter seinem Kommando."
"Gänzlich auszuschließen ist ein Großangriff auf Rohan nicht, aber der Wortlaut der Befehle war, dass der Angriff im Gebirge selbst stattfinden soll," wandte Ladion ein. "Meine Vermutung ist, dass unsere Feinde den Gilrain nahe seiner Quelle am Fuße der Berge in Lebennin überqueren werden und sich durch die flachen Hügel am Südrand des Gebirges schleichen werden."
"Um dann im Schwarzgrundtal ihren Angriff zu beginnen," folgerte Hilgorn. "Wo ist Duinhir? Er wird sein Volk warnen wollen."
"Hier bin ich," rief der Fürst von Morthond, als er hereingeeilt kam, gefolgt von Elphir und einigen weiteren hochrangigen Offizieren. "Was ist geschehen?"
In wenigen kurzen Sätzen erklärte Hilgorn, was Ladion herausgefunden hatte. Imrahil sagte: "Am besten wäre es, sofort Nachricht ins Schwarzgrundtal zu schicken."
"Ich selbst werde gehen", stellte Duinhir entschlossen klar. "Mein Pferd ist ausdauernd und schnell. Ich werde mich in meiner Heimat auf den Angriff vorbereiten."
"Wir werden so bald wie möglich Verstärkung entsenden," sicherte der Fürst von Dol Amroth ihm zu. "Und auch die Rohirrim müssen gewarnt werden. Es kann sein, dass die Orks die Pfade durchqueren und auch Dunharg angreifen."
"Auch dafür werde ich sorgen und ihnen Bescheid geben," rief Duinhir, ehe er in Eile den Raum wieder verließ.

"Unsere Pläne für Ithilien und den Ethir sind damit wohl erst einmal vom Tisch," meinte Valion.
"Du verstehst sicher, dass die Verteidigung der freien Gebiete Gondors Vorrang hat," sagte Imrahil. "Wir können nicht zulassen, dass Sauron uns den Weg nach Rohan und zu unseren Verbündeten abschneidet. Wenn wir Glück haben, wird er den Ethir weiterhin ignorieren."
"Das wird sich zeigen. Ich möchte jedenfalls dabei sein, wenn ein Heer zur Verteidigung der Pfade der Toten ausgesandt wird," stellte Valion klar. Er wusste schon, dass Hilgorn davon nicht allzu begeistert sein würde, doch das war ihm egal. Seit seiner Rückkehr nach Dol Amroth hatte es ihn in den Fingern gejuckt, und ein ordentlicher Kampf war genau das, was er brauchte. Orks zu töten war ein erfreulicher Zeitvertreib und es fiel ihm leichter, als gegen Menschen zu kämpfen (auch wenn er natürlich auch davor nicht zurückschreckte), da Orks grundsätzlich schlechte Absichten hatten und für gewöhnlich keine Familie hinterließen.
"Es sei," entschied Imrahil. "Du hast dich bei deinem letzten Auftrag bewährt. Aber den Oberbefehl über das Entsatzheer wird Hilgorn führen."
Valion nickte. Auch das hatte er bereits erwartet. "Das wird kein Problem darstellen. Wir kommen wunderbar miteinander aus, stimmt's?" Lässig stupste er Hilgorn an, der ihm einen gereizten Blick zuwarf.
"Ich erwarte, dass ihr beide euer Bestes gebt," fuhr Imrahil fort. "Diese Sache ist von größter Wichtigkeit. Wenn die Verbindung nach Rohan durchtrennt wird, sind wir auf uns allein gestellt. Das können wir nicht zulassen."
"Wir werden es verhindern, mein Fürst," sagte Hilgorn zuversichtlich.
"Dann lasst uns die Planung angehen, meine Herren," schloss Imrahil und winkte die Offiziere herbei, die sich um seinen Tisch versammelten.

Am Ende beschlossen sie, zwei Drittel der in Dol Amroth stationierten Soldaten unter Hilgorns Kommando am folgenden Tag marschbereit zu machen und auf der Straße von Dol Amroth über Edhellond und Calembel auf schnellstem Wege ins Schwarzgrundtal zu entsenden, wo die Männer von Morthond unter Duinhir zu ihnen stoßen würden. Kundschafter wurden in die südlichen Regionen des Gebirges entsandt, um herauszufinden, wo die feindliche Streitmacht entlang ziehen würde. Im Tal von Erech plante Hilgorn, sich ihnen entgegenzustellen. Dabei zählten sie auch auf die eventuelle Unterstützung der Rohirrim von Dunharg, denn diese Bedrohung betraf Rohan genauso wie Gondor.
"Ich denke, es weiß nun jeder von euch, was er zu tun hat," sagte Imrahil am Ende der mehrstündigen Besprechung. Inzwischen war es Nacht geworden, und der Vollmond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche der Bucht von Belfalas, die durch die Fenster zu sehen war. "Seht zu, dass bis morgen alles erledigt ist. Ich erwarte, dass unsere Streitmacht morgen rechtzeitig aufbricht!"
Die Offiziere bestätigten den Befehl und die Versammlung löste sich auf. Valion schlug Hilgorn freundschaftlich auf die Schulter und meinte: "Wir beide werden das schon hinbekommen, keine Sorge."
"Sehe ich etwa besorgt aus?" gab Hilgorn etwas gereizt zurück.
"Ein wenig," antwortete Valion. "Vielleicht tut dir eine Nacht bei deiner Geliebten gut," schlug er zwinkernd vor.
Hilgorn starrte ihn einen Augenblick wütend an, ging dann jedoch wortlos davon. "Sag ihr einen Gruß von mir!" rief Valion ihm nach, ehe der General um eine Ecke verschwand.

Valirë wartete in seinen Gemächern auf ihn. "Und, wie ist es gelaufen?" fragte seine Schwester. "Es wird bald so viele Orks zum Erschlagen geben wie lange nicht mehr," erzählte Valion mit einem Anflug von Begeisterung. "Sie wagen tatsächlich einen Angriff. Das wird ein Spaß, liebste Schwester."
"Zu schade, dass ich nicht mitkommen kann," klagte Valirë. "Erchirion bleibt hier, und das bedeutet, dass mein Platz an seiner Seite ist."
"Na sowas," wunderte sich Valion. "Du hast dich doch noch nie von solch trivialen Dingen wie Vorschriften aufhalten lassen."
"Valion, ich bin jetzt verlobt. Und du übrigens auch, falls du es vergessen hast. Die Dinge haben sich geändert. Wir können nicht einfach jede Regel brechen, so wie früher. Ich muss Imrahil davon überzeugen, dass ich ihm eine gute Tochter sein werde. Und dafür muss ich Gehorsam zeigen... zumindest für's Erste."
"Und wie läuft das bisher so?" fragte Valion. "Spielst du jetzt also die brave Ehefrau für Erchirion? Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass du tagaus, tagein im stillen Kämmerchen sitzt und wartest, bis dein Gatte dich mit seiner Zeit beehrt."
"Unsinn. Ich mache was ich will - aber ich bleibe im Rahmen des Möglichen. Und heute sieht dieser Rahmen so aus, dass ich die Stadt nicht verlassen kann, wenn es Erchirion nicht ebenfalls tut. Weißt du denn, was das im Umkehrschluss für dich bedeutet?"
"Du meinst, ich sollte Lóminîth mitnehmen? Was könnte sie denn bei einem Feldzug wollen?"
"Wenn sie es wünscht, wirst du es ihr wohl kaum abschlagen können," meinte Valirë achselzuckend.
"Zum Glück für dich wünscht sie es nicht," sagte Lóminîth und trat aus den Schatten hervor. "Ich bitte dich, Valirë. Ich begebe mich doch nicht grundlos in eine solche Gefahr. Valion soll sich austoben, etwas Spaß haben... und dann möglichst in einem Stück wieder heimkehren."
"Du hast uns belauscht?" stellte Valion erstaunt fest.
"Ihr habt so laut geredet dass es beinahe unmöglich war, nichts davon mitzubekommen," gab Lóminîth zurück. "Dies ist nicht nur dein Gemach, schon vergessen?
"Tja, sieht so aus als wäre das dann wohl mein Stichwort," verabschiedete sich Valirë und verschwand.
"Du ziehst also wieder in den Krieg," stellte Lóminîth fest. "Wann geht es los?"
"Morgen schon," antwortete Valion.
"Gut - ich hatte schon befürchtet, du wärest heute schon weg."
"Nein... heute bleibe ich hier. Heute hast du mich nur für dich."
"Auf diese Antwort hatte ich gehofft," sagte sie leise, während sie sich an ihn schmiegte.


Valion, Lóminth und Valirë zum Platz der tausend Schwanenfedern
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:30 von Fine »
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Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #32 am: 18. Mai 2017, 17:55 »
Hilgorn aus der Stadt

Hilgorn betrat mit langen Schritten den Solar des Fürsten, wo sich bereits eine kleine Gruppe Männer versammelt hatte. Am Kopfende des großen Tisches stand Fürst Imrahil, flankiert von seinen älteren Söhnen. Außerdem anwesend waren Amrodin, der Herr der Spione in Edrahils Abwesenheit, Beretar, der Kommandant der Stadtwache, und ein staubiger, abgerissener Mann, der vermutlich ein Bote war.
Balvorn, der im Flur von Faniels Haus gewartet hatte als Hilgorn von seinem Gespräch mit Belegorn heruntergekommen war, hatte ihm nichts näheres berichten können - nur, dass Nachrichten aus dem Osten eingetroffen waren, und dass seine Anwesenheit von Nöten war. Dennoch, allein daraus und aus der Tatsache, dass sich alle versammelten, die in Dol Amroth Rang und Namen hatten, konnte Hilgorn sich einiges zusammenreimen, und nichts davon gefiel ihm.
Als Hilgorn eintrat hob Imrahil den Kopf und nickte ihm zur Begrüßung zu. Die Miene des Fürsten war ernst, geradezu besorgt - offenbar waren die Nachrichten alles andere als gut. Kurz nach Hilgorn betrat Ladion leise den Raum, und Imrahil sagte: "Wir sind also beinahe vollständig." Dann wandte er sich an Elphir: "Was ist mit Amros und Valion? Habt ihr sie bereits auftreiben können?"
"Amros scheint einer Einladung von Herrin Lóminîth gefolgt zu sein", erwiderte der Prinz. "Ich habe bereits einen Boten zu ihrem Haus entsandt, er sollte in Kürze eintreffen."
"Herrin Valirë war am Tor", ergänzte Beretar. "Sie wollte ihrem Bruder die Nachricht selbst überbringen, wie ihr sicherlich verstehen werdet."
Hilgorn hob eine Augenbraue. Eine Nachricht, die die Zwillinge vom Ethir direkt betraf konnte nichts gutes für ihre ohnehin schon schwache Stellung östlich des Gilrain bedeuten. Im selben Augenblick betrat Amros von Edhellond mit besorgter Miene den Raum. "Also gut", meinte Imrahil. "Wenn Valion bereits Bescheid weiß, gibt es keinen Grund noch länger zu warten. Helvon, berichtet." Die letzten Worte waren an den Boten gerichtet, der nun mit einer Stimme, der man die Erschöpfung deutlich anhörte, zu berichten begann: "Vor vier Tagen erschien plötzlich einer der Schatten aus Mordor über Belegarth, und begann ununterbrochen über der Festung zu kreisen - meistens so hoch, dass wir ihn nicht sehen konnten, doch seine Anwesenheit war immer spürbar. Und noch am selben Tag erschien das Heer aus Mordor, das aus Pelargir den Anduin hinunter marschiert sein muss. Sie... hielten sich nicht lange damit auf, uns zu belagern, denn wir waren wenige und die Festung in keinem guten Zustand."
Helvon schluckte heftig, denn es schien ihm Schmerzen zu bereiten, darüber zu sprechen. Hilgorn und die übrigen warteten gespannt. Schließlich sprach der Bote leise und stockend weiter: "Sie griffen in der Nacht an, und zwei der Nazgûl waren bei ihnen. Wir kämpften so gut wir konnten, doch wir hatten keine Chance. Als alles verloren war, befahl Kommandant Amrad mir, mich zu verstecken, zu fliehen und die Nachricht hierher zu bringen. Ich weigerte mich zuerst, doch... er ließ mir keine andere Wahl."
"Es war gut getan", sagte Imrahil äußerlich ruhig, doch jeder konnte sehen, wie ihn die Neuigkeiten beschäftigten. "Je früher wir davon erfahren, desto besser."
"Der Ethir ist also erneut gefallen", stellte Amros fest, und Helvon nickte. "Ja, Herr. Und dieses Mal werden wir ihn nicht erneut halten können, denn... nachdem ich der Schlacht entkommen war, konnte ich mich am Westufer des Flusses verstecken und beobachtete, wie Mordors Truppen das wenige, was von Belegarth noch übrig war, einzureißen begannen. Ich fürchte, dort steht kein Stein mehr auf dem anderen."
"Wir haben im Augenblick ohnehin nicht die Kraft, einen Gegenschlag dorthin zu führen", meinte Hilgorn.
"Aber können wir es uns leisten, diese Stellung zu verlieren?", wandte Erchirion ein. "Immerhin stellte der Ethir unsere Verbindung zu den Waldläufern in Ithilien dar, und versperrte sämtlichen Schiffen, die der Feind auf dem Anduin haben mag, den Weg in die Bucht von Tolfalas."
"Das ist richtig", erwiderte Hilgorn. "Und dennoch, mit welchen Männern wollen wir einen Gegenschlag führen, der kräftig genug ist, den Feind vom Ethir zu vertreiben? Und wie wollen wir, selbst wenn wir das könnten, danach sicherstellen, dass Mordor uns nicht erneut zurücktreibt?"
"Arachír Hilgorn hat Recht", sagte Imrahil. "Ich werde..." Weiter kam er nicht, denn die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen, und Valion stürmte in den Raum.

Der Schock über die Nachricht vom erneuten Fall seiner Heimat stand Valion ins Gesicht geschrieben, gepaart mit einer verzweifelten Entschlossenheit. "Was werden wir unternehmen?" Hilgorn wechselte einen betretenen Blick mit Elphir, und auch die anderen Männer wandten verlegen den Blick ab.
"Wir werden weitere Männer nach Linhir und zum Gilrain schicken", sagte Hilgorn schließlich. Er war sich der Tatsache, dass Valion eigentlich etwas anderes hören wollte, vollauf bewusst. "Das könnte nur der Auftakt eines neuerlichen Versuchs sein, Gondor vollends zu unterwerfen."
"Ich werde die Schiffspatrouillen zwischen Linhir, Tolfalas und der Harnen-Mündung verdoppeln", ergänzte Amros. "Auf diesem Weg werden sie uns nicht überraschen."
"Außerdem sollten wir die übrigen Fürsten warnen", schlug Elphir vor. "Falls Mordor tatsächlich versucht, den Gilrain zu überqueren, müssen sie bereit sein uns im Notfall zu Hilfe zu kommen."
"Jajaja", warf Valion ungeduldig ein. "Und wann erobern wir Belegarth zurück und treiben Mordors Kreaturen zurück in das Loch, aus dem sie gekrochen sind?"
Eine bleierne Stille legte sich über den Raum, bis Hilgorn feststellte, dass alle ihn erwartungsvoll anblickten. Bis auf den Fürsten selbst hatte er in dieser Angelegenheit das meiste zu sagen, und Imrahil schien tief in eigene Gedanken versunken zu sein. In diesem Moment bereute Hilgorn zum ersten Mal, das Amt angenommen zu haben.
"Wir werden nicht versuchen, den Ethir erneut zurück zu erobern", sagte er langsam. "Ihr müsst verstehen, dass..."
Valion schnitt ihm ohne Umschweife das Wort ab. "Ich verstehe nur, dass meine Heimat zum zweiten Mal Mordor in die Hände gefallen ist. Tapfere Männer haben dafür geblutet und sind dafür gestorben, dass es in unserer Hand ist, und ihr wollt einfach nichts tun?" Sein Tonfall war ungläubig, und die Augen weit geöffnet. Im Augenblick war Valion vermutlich nicht in der Lage, eine vernünftige Entscheidung zu treffen - noch weniger als sonst - und Hilgorn konnte ihn verstehen. Oder zumindest glaubte er das.
"Wir können nichts tun", versuchte Hilgorn zu erklären. "Ich verstehe, wie ihr euch fühlt, aber wenn wir jetzt zum Ethir vorrücken, wird Mordor uns vermutlich schnell zurückschlagen, und das können wir uns nicht leisten. Und selbst wenn wir siegen sollten, wie sollen wir eine Ruine gegen die ganze Macht von Mordor halten?"
"Eine Ruine", sagte Valion langsam. "Meine Heimat ist eine Ruine - ganz im Gegensatz zu eurer, nicht wahr? Eure Heimat hat dank eures verräterischen Bruders - den ich übrigens für euch getötet und euch nebenbei das Leben gerettet habe - vermutlich gar nicht mitbekommen, das Krieg herrscht. Wie könnt ihr da verstehen, wie ich mich fühle?" Hilgorn zuckte zusammen, denn Valion hatte genau seine eigenen Zweifel ausgesprochen.
"Valion, Hilgorn hat...", versuchte Elphir dazwischen zu gehen, doch Valion beachtete ihn nicht. "Ich lege eigentlich keinen großen Wert darauf, aber ihr solltet mir dankbar sein. Sieht so eure Dankbarkeit aus? Ich finde, es wirkt eher wie Feigheit."
"GENUG!", donnerte Imrahil. "Valion, wir alle fühlen mit dir, doch Hilgorn hat Recht. Ich werde keinen einzigen Mann für ein Vorhaben opfern, dass auf lange Sicht von vornherein scheitern muss. Vielleicht eines Tages, doch nicht jetzt."
Valion schnaubte verächtlich. "Schön. Ich habe es einmal alleine geschafft, ich werde es auch wieder schaffen."
"Das wirst du nicht", gab Imrahil hart zurück, und seine Stimme klang so streng, wie Hilgorn es selten erlebt hatte. Er begriff, dass der Fürst seine gesamte Autorität nutzte, um Valion von seinem selbstmörderischen Vorhaben abzuhalten. "Kein Mann von Dol Amroth wird dich begleiten, und auch sonst niemand. Bleib, und du kannst etwas bewirken und eines Tages deine Heimat wieder in Besitz nehmen. Aber geh, und du wirst in Dol Amroth keinen Platz mehr haben, ganz egal wie viel Erfolg du hast. Hast du verstanden?"
Valions Antwort bestand darin, sich auf der Stelle umzudrehen und aus dem Raum zu stürmen, wobei er die Tür mit mehr Schwung als nötig ins Schloss warf. Imrahil ließ sich mit einem Seufzer auf seinen Stuhl sinken und sagte dann: "Amrodin, lasst ihn im Auge behalten und berichtet mir, wenn er etwas unternimmt. Und Erchirion, sprich mit Valirë. Versuch auf sie einzuwirken, vielleicht kann sie verhindern, dass ihr Bruder eine Dummheit macht."
Amrodin verneigte sich knapp und Erchirion nickte, bevor beide Männer den Raum verließen.
"Hilgorn, Amros - ihr wisst, was zu tun ist", fuhr der Fürst fort. "Sichert unsere östliche Grenze, und sorgt dafür, dass kein Ork oder sonst eine Kreatur Mordors den Gilrain überquert. Beretar, sorgt dafür dass Helvon ein Quartier und etwas zu essen bekommt, und besprecht euch mit Hilgorn, wie viele Männer der Stadtwache ihr zur Not nach Linhir entsenden könnt."
Alle vier verneigten sich, und verließen nacheinander den Raum.

Draußen sagte Hilgorn zu Beretar: "Ich werde morgen früh zu euch kommen." Der Kommandant der Stadtwache nickte, und ging mit dem Boten Helvon davon. Amros hatte am oberen Ende der Treppe auf Hilgorn gewartet und sagte: "Ich sollte euch von eurem Bruder grüßen - er erwartet, dass ihr euch demnächst mit ihm trefft und ihm alles über die Schlacht in Morthond berichtet."
Hilgorn verspürte einen kleinen Stich der Verlegenheit, denn er hatte Aldar vollkommen vergessen - aber natürlich verdiente Aldar zu erfahren, was geschehen war, denn Imradon war auch sein Bruder gewesen. Er nickte nur zur Antwort, und meinte: "Ich hoffe, Valion beruhigt sich wieder. Ich habe ihn in Morthond kämpfen sehen, und es wäre nicht gut für uns, ihn zu verlieren."
"Es wird schon gut gehen", erwiderte Amros. "Zumindest wenn Prinz Erchirion es schafft, seine Verlobte zur Vernunft zu bringen - wenn sie es einsieht, wird Valion keine andere Wahl haben, denn Valirë vom Ethir ist keine Frau, der man so leicht etwas abschlägt. Nicht einmal ihr Bruder."

Valion zu den südlichen Mauern
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:32 von Fine »

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Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #33 am: 11. Jun 2017, 18:22 »
Nachdem Cynewulf gegangen war, machte Hilgorn sich zunächst auf den Weg zu Hauptmann Beretar. Der Hauptmann hatte seit seiner Beförderung Hilgorns altes Quartier in der Nähe der Stadtmauern bezogen, und so brauchte Hilgorn nicht lange, um den Weg zu finden. Ihre Besprechung dauerte nicht lange, denn bereits während ihrer gemeinsamen Zeit in der Stadtwache waren sie gut miteinander ausgekommen. Beretar war ein ernsthafter und gewissenhafter Mann, und Hilgorn war froh, dass er das Kommando über die Stadtwache übernommen hatte.
Sie einigten sich darauf, einige erfahrene Männer von der Stadtwache abzuziehen und nach Linhir zu entsenden um die dortige Besatzung zu verstärken. Diese Männer hatten viel Erfahrung darin eine Stadt zu verteidigen - selbst wenn die Verteidigungsanlagen in Linhir noch immer in schlechtem Zustand waren - und konnten sich als äußerst wertvoll erweisen. Die Lücken in der Stadtwache würden zur Hälfte durch Verwundete aus der Schlacht von Morthond, die damit die Zeit hatten, sich zu erholen, und zur anderen Hälfte durch neue Rekruten aus dem westlichen Gondor ersetzt werden.
Es war keine ideale Lösung, dachte Hilgorn sich, doch sie konnten schließlich keine weiteren Männer aus der Luft herbeizaubern.

Nachdem er sich von Beretar verabschiedet hatte, kehrte er in den Palast zurück, um Amrodin aufzusuchen. Als er das Quartier des zwischenzeitlichen Herrn der Spione betrat, kam ihm eine äußerst hübsche junge Frau entgegen, die nicht allzu elegant gekleidet war und Hilgorn in der Umgebung des Palastes daher sofort auffiel.
Er schloss die schwere hölzerne Tür hinter sich, und meinte an Amrodin, der mit finsterer Miene hinter seinem - oder eher Edrahils - Schreibtisch saß: "Vergnügen im Dienst? Das hatte ich bei euch nicht erwartet." Hilgorn sagte es scherzhaft, konnte allerdings einen leichten Hauch der Missbilligung nicht aus seiner Stimme heraushalten.
"Ihr solltet mich eigentlich genug kennen, um zu wissen dass das nicht der Fall ist", erwiderte Amrodin verstimmt. "Das war etwas... berufliches."
Hilgorn nickte nur knapp, und ließ sich Amrodin gegenüber in dem hölzernen Sessel nieder ohne weiter nachzufragen. "Also." Der Spion stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerspitzen aneinander - eine sorgfältig einstudierte Geste der vorsichtigen Aufmerksamkeit, die Hilgorn auch bei Edrahil hin und wieder beobachtet hatte. "Was führt euch zu mir, Arachír?"
Hilgorn zog unauffällig seinen blausilbernen Mantel auf dem Stuhl zurecht, bevor er antwortete: "Ich nehme an, dass ihr die persönlichen Dokumente meines Bruders aus Tíncar hier habt, nicht wahr?" Imrahil selbst hatte verlangt, dass diese Dokumente Imradons an Amrodin gehen sollten, wie es bei Verrätern üblicherweise gehandhabt wurde, und Hilgorn hatte nichts dagegen gehabt.
"Das ist richtig." Amrodin hob den Kopf und blickte ihn aus harten, hellblauen Augen an. "Sagt mir nicht, dass ihr plötzlich nostalgisch geworden seid und sie haben wollt."
Hilgorn schnaubte verächtlich. "Ganz sicher nicht. Aber ich habe mit dem Mann aus Rohan gesprochen, der sich uns in Morthond angeschlossen hat - Cynewulf. Vielleicht habt ihr bereits von ihm gehört."
Amrodin hob eine Augenbraue. "Natürlich habe ich das - er hat ein Zimmer im Gasthaus Zur goldenen Schwanenfeder hier in der Stadt gemietet. Es ist meine Aufgabe, solche Dinge zu wissen, Hilgorn."
Und trotzdem konntest du Lothíriels Entführung nicht verhindern, dachte Hilgorn bei sich, doch er sprach es nicht aus. "Nun, dieser Cynewulf möchte jedenfalls über die Grenze am Gilrain in die besetzten Gebiete gelangen, um Verwandte von sich zu suchen. Er hat mich um Hilfe dazu gebeten, und bietet uns dafür an, Informationen über die Pläne des Feindes zu beschaffen."
"Das klingt überaus interessant", gab Amrodin zurück. "Können wir ihm trauen, was meint ihr?"
"Ich habe keine Ahnung", meinte Hilgorn, und zuckte mit den Schultern. "Doch er kam aus Rohan hierher und weiß nicht sonderlich viel über unsere Lage hier - viele bedeutende Informationen wird er Mordor nicht liefern können, vor allem keine, die Imradon ihnen noch nicht geben konnte."
"Da habt ihr vermutlich Recht - vielleicht ist es in dieser Angelegenheit tatsächlich zweitrangig, ob wir diesem Rohír trauen können oder nicht." Amrodin kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Aus eurer Frage am Anfang schließe ich, dass ihr gedenkt, die Kontakte eures Bruders in Mordors Reihen zu nutzen, um diesen Cynewulf über die Grenze zu schmuggeln - das könnte allerdings riskant sein, schließlich dürften sie bereits erfahren haben, dass wir über die Bescheid wissen. Außerdem..." Amrodin unterbrach sich, und warf Hilgorn einen scharfen Blick zu. "Ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen, dass diese Information diesen Raum nicht verlassen wird?"
Hilgorn nickte langsam, innerlich angespannt. Es musste etwas wichtiges sein, wenn Amrodin sich seines Schweigens extra versicherte. "Ihr habt mein Wort."
"Also schön. Nachdem ihr euren Bruder auf so spektakuläre enttarnt habt, sind einige Leute über Nacht verschwunden, und seither nicht wieder in Gondor aufgetaucht - und auf alle finden sich Hinweise in den Dokumenten, die wir in Tíncar in einem verborgenen Fach seiner Truhe gefunden haben."
"Davon habt ihr mir nichts erzählt", warf Hilgorn ein, und Amrodin erwiderte kühl: "Es war ja auch bislang nicht nötig. Es sind allerdings weniger Personen verschwunden, als dort als Kontaktleute verzeichnet waren - um genau zu sein zwei weniger. Einen haben wir vor einer Woche ermordet in Edhellond aufgefunden, doch der andere ist daher umso interessanter. Es handelt sich um einen Jäger in der Nähe von Ethring, der offenbar dafür zuständig war oder ist, Botschaften und Informationen über die Grenze zu schmuggeln."
"Und ihr habt ihn bislang nicht behelligt?", fragte Hilgorn nach. Amrodin schüttelte langsam den Kopf. "Natürlich nicht. Ein Spion, den man nicht kennt, ist gefährlich. Ein Spion den man kennt natürlich ebenfalls, aber viel weniger... und er kann außerdem nützlich sein, wie in diesem Fall."
Der Herr der Spione atmete tief durch, als würde er eine Entscheidung treffen. "Ich werde diese Information nutzen, um euren Cynewulf über die Grenze zu bringen - von da an wird er auf sich gestellt sein. Und da ich damit mein Wissen in Gefahr bringe - wenn Cynewulf sich verrät wird Mordor wissen, dass wir ihren Spion in Ethring kennen - werde ich das nur unter einer Bedingung tun."
Hilgorn seufzte, denn er hatte es beinahe geahnt. Selbst wenn es Gondor nützte was sie taten, ein Mann wie Amrodin hatte immer mehr als einen Plan in der Hinterhand. Bei Edrahil war es noch schlimmer gewesen, doch auch Amrodin war für Hilgorn schwer genug zu ertragen. "Was braucht ihr von mir?"
"Nun, es hat mit der jungen Dame zu tun, deren Berufsfeld ihr vorhin so katastrophal falsch eingeschätzt habt...", meinte Amrodin. "Tatsächlich arbeitet sie für mich. Ihr habt doch sicher davon gehört, dass Herrin Lóminîth aus Umbar seit ihrer Ankunft hier sehr umtriebig gewesen ist?"
Hilgorn schüttelte verwundert den Kopf. "Nein, davon habe ich tatsächlich noch nichts gehört. Verdächtig ihr sie etwa, eine Verräterin zu sein?"
"Vielmehr keine Verräterin", entgegnete Amrodin. "Vergesst nicht, woher sie kommt. Aber um eure Frage zu beantworten: Für den Augenblick habe ich keinen konkreten Verdacht. Doch sie schart Mädchen zweifelhaften Rufs und ebenso zweifelhafter Herkunft um sich, macht sich damit bei vielen unserer edelmütigen Adligen und Bürger sehr beliebt und baut sich zugleich eine Schar munter plappernder Vögelchen auf, die ihr alles zutragen können, was in der Stadt geschieht."
"Ah. Ein solches Verhalten muss natürlich eure Aufmerksamkeit wecken", wurde Hilgorn klar. "Was könnte schließlich dahinterstecken?"
"Freut mich, dass ihr das erkennt." Amrodin beugte sich ein wenig vor, als er weiter sprach. "Ich habe bereits zwei Mal versucht, Informantinnen bei ihr einzuschleusen, doch beide Male erfolglos - dieses Mal hat sie sogar die Frechheit besessen, mich über das Mädchen grüßen zu lassen." Der Herr der Spione sprach leise und beherrscht, doch Hilgorn sah den Zorn, der verhalten in seinen hellen Augen loderte. Offenbar war Valions Verlobte dabei, sich einen sehr gefährlichen Feind zu machen und unwillkürlich fragte Hilgorn sich, wer von den beiden wohl dem anderen überlegen war.
"Ich habe mit der fraglichen Dame noch kein Wort gewechselt", sagte er schließlich. "Also glaube ich nicht, dass ich..." Amrodin schnitt ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. "Mit ihr sollt ihr auch gar nicht sprechen - sondern mit Valion. Findet heraus, ob und was er über die Machenschaften seiner Verlobten weiß."
Hilgorn stieß frustriert den Atem aus. "Valion und ich sind im Augenblick nicht unbedingt die besten Freunde. Vielleicht solltet ihr selbst mit ihm sprechen, Misstrauen scheint nicht in seiner Natur zu liegen. Also sollte er euch alles ohne Schwierigkeiten erzählen."
"Valion würde mir keine Probleme bereiten, dessen bin ich sicher", gab Amrodin zurück. "Nur würde Lóminîth sicherlich davon erfahren und zu verhindern wissen, dass ich etwas wichtiges erfahre. Bei euch könnte das etwas anderes sein."
"Ich..." Hilgorn schüttelte den Kopf. "Schön. Ich werde es versuchen, aber ich kann euch nichts versprechen."
"Ganz genauso kann ich euch nicht versprechen, dass es mir gelingen wird euren rohirrischen Freund heil über die Grenze zu bringen", antwortete Amrodin, während Hilgorn sich erhob. "Aber das ist auch nicht wichtig, solange wir beide unser bestes tun - die Abmachung ist, es zu versuchen, nicht ob wir Erfolg haben oder scheitern."

Von Amrodins Arbeitszimmer führte Hilgorns Weg ihn durch die Flure des Palastes bis zum Solar des Fürsten. Auf sein leises Klopfen antwortete Imrahil mit einem "Herein", und als Hilgorn eintrat, sah er den Fürsten mit dem Rücken zur Tür vor den großen Fenstern stehen, die auf die Bucht hinausblickten.
Der Fürst wandte sich zu ihm um, und sagte: "Ah, Hilgorn. Gibt es Nachrichten aus dem Osten?" Hilgorn schüttelte den Kopf, nachdem er sich verneigt hatte. "Nein, Herr. Ich komme in einer persönlichen Angelegenheit - mit einer Bitte."
Imrahil zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Und was könnte das für eine Bitte sein?"
"Nun... nach Imradons Tod ist Faniel nicht länger verheiratet, und da sie keine lebenden männlichen Verwandten hat, seid ihr strenggenommen nun ihr Vormund, und..."
Der verwirrte Ausdruck auf Imrahils Gesicht war einem Lächeln gewichen. "Darum geht es also. Nun denn, tragt eure Bitte vor."
"Also..." Hilgorn spürte, wie sich ein Schweißtropfen auf seiner Schläfe bildete. Es war einige Zeit her, dass er so nervös gewesen war, obwohl er es für wahrscheinlich hielt, dass Imrahil seine Bitte nicht ablehnen würde. "Ich bitte euch um die Erlaubnis, Faniel heiraten zu dürfen, denn... ich liebe sie, und sie mich."
Imrahils lächeln war noch breiter geworden, als er antwortete: "Diese Bitte werde ich euch auf keinen Fall abschlagen - wenn Faniel denn ebenfalls gewillt ist, euch zu heiraten."
"Das ist sie allerdings." Hilgorn spürte seinen Mundwinkel zucken. "Um genau zu sein, ist sie mir mit der Frage zuvorgekommen."
"In diesem Fall dürft ihr eure Verlobung verkünden. Allerdings solltet ihr bis zur Hochzeit wenigstens eine angemessene Trauerzeit abwarten... selbst wenn ihr eurem Bruder nur wenig nachtrauert", fügte der Fürst mit gespielter Strenge und kaum merklichen Augenzwinkern hinzu. "Um genau zu sein... als General Dol Amroths und Gondors verlangt es euer Rang, dass ihr an einem angemessenen Ort heiratet - hier im Palast. Hier sollte auch genug Platz für die Gäste sein."
"Gäste... im Palast", erwiderte Hilgorn schwach. Abgesehen von der Tatsache, Faniel zu heiraten, hatte er sich noch über nichts weiter Gedanken gemacht. Und die Aussicht auf eine große Feier im Palast erschreckte ihn ein wenig doch er ahnte, dass es Faniel gefallen würde. Schließlich hatte sie ihm gestanden, dass sie das Hofleben in Dol Amroth mehr genoss als erwartet.
"Natürlich", meinte Imrahil mit einem beinahe schalkhaften Ausdruck, der sich allerdings auf seine Augen beschränkte. "Ich werde meine Tochter und meine Schwiegertochter beauftragen, die Feier vorzubereiten - in etwa sechs Wochen, würde ich sagen."
"Das... klingt gut", meinte Hilgorn, der sich noch immer etwas überrumpelt fühlte - was den Fürsten ausnehmend gut zu amüsieren schien. Allmählich bekam Hilgorn das Gefühl, dass Imrahils anfängliche Verwirrung nur gespielt gewesen war, und der Fürst seit der Nachricht von Imradons Tod mit diesem Gespräch gerechnet hatte. Die Vermutung war nicht einmal allzu abwegig, denn auch Elphir zeigte hin und wieder einen etwas bizarren Sinn für Humor.
"Ich danke euch, mein Fürst." Imrahil winkte großmütig ab. "Nach euren Taten im Krieg ist es das wenigste was ich tun kann. Und es wird uns allen Hoffnung geben, in diesen Tagen ein solches Zeichen der Liebe zu beobachten..."

Hilgorn verließ den Palast in Eile in Richtung von Faniels Haus, nur noch von einem einzigen Gedanken beherrscht. Cynewulf, Amrodin, Valion, Lóminîth und der Krieg waren für den Moment vollkommen vergessen.

Hilgorn in die Stadt
« Letzte Änderung: 9. Jan 2019, 10:04 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Verdandi
« Antwort #34 am: 3. Jul 2017, 00:37 »
Valion aus der Stadt


Am folgenden Morgen erwachte Valion davon, dass Lóminîth ihn schüttelte und ihm einen feuchten Lappen ins Gesicht drückte.
"Du wirst noch zu spät zum Fürsten kommen," mahnte sie und erinnerte Valion mit Tonfall und Auftreten schmerzhaft an seine Mutter. Er gab ein resignierendes Grunzen von sich und schwang sich aus dem Bett. Rasch streifte er sich einfache Kleidung über und schlüpfte in seine Stiefel. Lóminîth stand kopfschüttelnd daneben. "So willst du in den Palast gehen? Du siehst aus wie ein Gewöhnlicher! Das ist deines Standes nicht angemessen."
"Mir gefällt es," entgegnete er. "Die Sachen stammen vom Ethir und sind bequem und luftig. Außerdem kennt Imrahil mich gut genug um sich nicht darum zu scheren, ob ich wie ein Adeliger aussehe oder nicht."
Lóminîth seufzte lautstark. "Also gut. Dir ist aber klar, dass meine Mädchen bereits Gerede über dich aufgeschnappt haben? Man wundert sich über die Zwillinge von Belegarth, und das schon seit geraumer Zeit."
"Das ist mir egal, und Valirë gleich zweimal," meinte Valion gleichgültig.
"Was bin ich froh, dass wir nicht mehr in Umbar sind," sagte seine Verlobte. "Dort hätte man dir dieses Verhalten niemals durchgehen lassen."
"Wir sehen uns später, Lóminîth."

Auf dem Platz vor dem Palast waren an diesem Tag viele Soldaten der Stadtwache versammelt. Offenbar fand eine Art Austausch statt. Neue Rekruten aus den friedlichen Lehen Gondors im Westen traten der Stadtwache bei und ersetzten deren beste Krieger, die nach Linhir an die Front abkommandiert wurden. Valion betrachtete einige Minuten interessiert das Treiben auf dem großen Platz, eher er die breiten Stufen zum Haupttor des Prinzenpalastes hinaufstieg. Da er weder Rüstung noch seinen Wappenrock trug wurde er nicht gleich als Lehnsherr Gondors erkannt und fand sich daher zunächst in einer kleineren Nebenhalle wieder, wo bereits einige andere Bittsteller auf eine Audienz mit dem Fürsten von Dol Amroth und amtierenden Truchsessen Gondors warteten. Eine der dort wartenden Personen fiel Valion sofort ins Auge: es handelte sich um eine dunkelrothaarige Frau, die er auf ein oder zwei Jahre jünger als sich selbst schätzte. Sie trug feste Lederrüstung und einen dunklen Wappenrock mit einer goldenen Sonne darauf und besaß einen kräftigen Körperbau, war aber dennoch sehr ansehnlich. Sie schien im Augenblick nur wenig Geduld aufweisen zu können, denn sie ging unruhig auf und ab und warf immer wieder Blicke in Richtung des Durchgangs, der zur großen Halle Imrahils führte.
"Keine Angst, wir kommen heute alle noch dran," sagte Valion mit einem breiten Grinsen in ihre Richtung. "Wenn du weiter so hektisch durch den Raum streunst, wirst du wohl ganz außer Atem vor den Fürsten treten müssen."
Die Frau blieb stehen und musterte ihn eindringlich. Ihr Blick war forsch und ohne jegliche Eingeschüchtertheit darin. "Und wer bist du, der du dir anmaßt, mir Ratschläge zu geben?"
"Mein Name ist Valion, zu deinen Diensten. Und wie heißt du, gute Frau?"
"Verdandi," sagte sie, doch sie beäugte Valion misstrauisch und blieb etwas auf Abstand. Ihre Hände hingen unruhig an ihren Seiten und Valion erkannte, dass er eine echte Kriegerin vor sich hatte. Diese Körperhaltung hatte er schon öfters gesehen, wenn auch nicht unbedingt bei einer Frau: Voller kraftvoller Anspannung und jederzeit bereit, loszuschlagen. Doch sie war unbewaffnet, und das musste unbehaglich auf sie wirken.
"Deine Hände vermissen den Griff deiner Waffe," stellte er fest. "Was bevorzugst du? Schwert? Axt? Hammer?"
"Meinen Speer," gab sie zurück und ihr Blick streifte Valions Oberkörper. "Ich sehe, du bist ebenfalls ein Krieger. Zweihändig? Ja, das sagen mir die Muskeln an deinen Unterarmen. Du hast deine Waffen ebenfalls am Eingang des Palastes abgeben müssen, nicht wahr?"
"Nun ja," setzte Valion an. Eigentlich hatte er seine Schwerter bei Lóminîth gelassen, doch Verdandi fasste seine Antwort bereits als Bestätigung auf.
"Warst du schon öfter in diesem Palast? Geben die Wachen hier gut Acht auf die Waffen, die man ihnen anvertrauen muss? Ich kann für nichts garantieren, wenn sie meinen Speer oder meinen Schild beschädigen..."
Valion erkannte, dass mit Verdandi wohl kaum zu spaßen war und verspürte kein sonderliches Bedürfnis, sie im Zorn zu erleben. Glücklicherweise kannte er die meisten Palastwachen und war mit ihrem Kommandanten befreundet. "Auf die Wachen ist Verlass, das sind gute Männer," antwortete er daher wahrheitsgemäß. "Keine Sorge, meine Dame - da geht nichts verloren."
"Hmpf," machte Verdandi, wirkte aber inzwischen etwas interessierter. Und tatsächlich setzte sie sich neben Valion auf eine der steinernen Bänke, die in der Wartehalle zur Verfügung standen und sie tauschten sich über einige eher belanglose Dinge aus. Sie sprachen darüber, welche Vorteile die Reichweite eines Speeres einem Krieger im Kampf bot und kamen darin überein, dass Beweglichkeit genauso wichtig wie Rüstung war. Valion erzählte Verdandi von seinem in jahrenlangen Übungen einstudierten Kampfstil mit zwei Schwertern, der sie tatsächlich ein klein wenig zu beeindrucken schien - oder ihm bei Verdandi zumindest etwas Respekt verschaffte. Sie hingegen zog es vor, mit Speer und Schild zu kämpfen, auch wenn sie nach Valions Einschätzung eher intuitiv zu handeln schien und gerade bei den feineren Techniken durchaus noch Steigerungspotenzial besaß.

Nachdem sie sich ungefähr eine halbe Stunde angeregt über das Thema des Kampfes unterhalten hatten trat eine Gesprächspause ein. Valion wurde es rasch langweilig, darauf zu warten, von den Palastwachen aufgerufen zu werden. Eigentlich hatte er von Anfang an vorgehabt, seinen Status dazu zu nutzen, ohne Wartezeit mit Imrahil zu sprechen, doch die Bekanntschaft, die er mit Verdandi gemacht hatte, hatte ihn zunächst davon abgehalten. Jetzt allerdings trat er an eine der an der Eingangstür postierten Wachen heran und flüsterte dem Mann leise etwas ins Ohr.
"Komm, Verdandi," sagte er als er in die Wartehalle zurückkehrte. "Wir sind dran. Der Fürst hat jetzt Zeit für uns beide."
Verdandi machte ein zu gleichen Teilen misstrauisches und verwundertes Gesicht, erhob sich aber und folgte Valion durch einen breiten Gang zur großen Halle Imrahils.
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Curanthor

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Verdandis Audienz mit Imrahil
« Antwort #35 am: 15. Sep 2017, 22:28 »
Eigentlich hatte sie nicht erwartet irgendwelche Bekanntschaften zu machen. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte Verdandi den Kerl mit dem Namen Valion, der gerade augfgestanden war. Die vorige Unterhaltung mit ihm hatte zwar ihr Misstrauen etwas gelindert, aber noch immer kam er ihr merkwürdig vor. Er bewegte sich anders, als die meisten Bittsteller, das war ihr sofort aufgefallen. Auch schien er über weiterreichende Kampfkentnisse zu verfügen als der Pöbel, wie man die einfachen Leute in solchen Städten bezeichnete. Sie war sich sicher, dass man sie auch dazu zählen würde. Dabei stammte sie noch nicht einmal aus Gondor oder Dol Amroth. Viel hatte sie von der Stadt auch nicht sehen können, was ihr eigentlich auch ganz lieb war.
Ihr Blick fiel wieder auf Valion, dessen markantes Gesicht sich ihr wieder zuwandte. Scheinbar hatte er sich kurz mit der Wache unterhalten, was erneut ihr Misstrauen weckte. Als er zu ihr zurückkehrte und verkündete, dass sie nun dran seien hob sie ein Augenbraue, sagte aber nichts. Verdandi ahnte schon, dass der zuvor freundliche Kerl in ihrem Alter eigentlich nicht warten musste. Anders konnte sie die plötzliche Audienz sich nicht erklären. Ihr Vater hatte ihr schon von den Gepflogenheiten des Adels erzählt und scheinbar war nicht alles davon veraltet.
"Also war die Unterhaltung mit mir nur ein Zeitvertreibt?", zischte sie Valion leise zu und ging an ihm vorüber, ohne auf eine Antwort zu warnte, "Ich bin keine Dame, die Hilfe nötig hat."
"Vielleicht nicht", erwiderte er lächelnd was Verdandi schweigend ignoriere und eintrat.  Suchend ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten und fand Imrahil an einem Tisch sitzend. Der Fürst blickte auf und legte ein Pergament zur Seite. Hinter ihnen wurde das Tor wieder geschlossen. Der Blick des Mannes, der zuerst zu Valion ging bestätigte Verdandis Verdacht und sie schnaubte kaum hörbar. Der Fürst wandte sich ihr zu und musterte sie erst ausführlich. Sie erwiderte den Blick mit gerecktem Kinn und musterte ihrerseits das strenge Gesicht.
"Ich hörte, Ihr habt eine wichtige Nachricht? Mein Meldereiter konnte mir nicht mehr darüber sagen und mein Freund Valion...", Der Fürst nickte zu dem Kerl, der sie begleitet hatte, "Ist vermutlich nicht der Überbringer der Nachricht, also mit wem habe ich die Ehre?
Verdandi warf Valion einen ärgerlichen Blick und nickte dem Fürsten zu. "Auch wenn ich ungern vor ihm spreche, tue ich es. Mein eigentlicher Name ist Verdandi allerdings bin ich in Gondor eher unter den Namen Bariana bekannt."
Sie konnte sehen, wie ihr Gegenüber für einen winzigen Moment die Stirn runzelte, aber dann nickte. "Ich bin Imrahil, Fürst von Dol Amroth. Nun Verdandi, worum geht es in der Nachricht und was ist Euch widerfahren? Ich hörte, Ihr kommt aus den besetzten Gebieten?"
"Die Nachricht.", erklärte sie, zog das gefaltete Pergament aus ihrer Tasche und legte es Imrahil auf den Tisch, "Wenn Ihr sie liest, muss ich nicht so viel erklären."
Schweigend entfaltete Imrahil das Schriftstück und las es ausführlich. Anhand dessen Augenbewegungen sah sie, dass er es sich mehrmals durchlas. Sie selbst hatte es auch ebenfalls auf dem Weg zum Palast getan, denn das was dort auf dem Pergament stand, war eine ziemlich wichtige Information.
Mit ernstem Gesicht ließ Imrahil das Pergament wieder sinken. "Das sind schlechte Nachrichten, aber auch wertvolle Informationen. Sagt, habt Ihr die genannten Lager selbst gesehen? Könnt Ihr etwas zu den Truppenbewegungen sagen, die angedeutet wurden?"
"Nur zwei Gefangenenlager, ich kann Euch aber bestätigen, dass sie genau dort liegen, wo sie beschrieben sind. Zu den Truppenbewegungen kann ich leider nicht viel mehr berichten, als dort in dem Bericht steht." Die Antwort kam ihr zäh über die Lippen. Sie hasste die Zeit in den Lagern.
Imrahil schien ihren Widerwillen zu bemerken und reichte das Pergament Valion, während er sich erneut an sie wandte: "Verzeiht Euch damit zu drängen, aber könnt Ihr erzählen was in den Lagern vorgeht und wie es der Bevölkerung geht?"
Verdandi atmete tief aus und nickte schließlich, während sie die Lippen zusammenkiff.
"Die Lager sind gut strukturiert", begann sie und vermisste den Griff einer Waffe in ihrer Hand, "Sie trennen die Familien sofort und achten darauf, dass sich niemand kennt. Frauen und Männer werden ebenfalls getrennt, dann wird nochmal im Altersklassen unterschieden. Die Orks erledigen die Drecksarbeit, die normalen Bewacher haben sie aus dem Abschaum der Gesellschaft geholt. Die Lagervorsteher sind meistens Männer aus dem Osten oder Süden... Kaahnd, Rhon und Hrarat oder so ähnlich, ich habe davon noch nie gehört. Dann gibt es da die Gebietsvorsteher, das sind meistens Schwarze Númenorer. Sie sind es, die die Listen aufstellen und die Menschen sortieren."
"Sortieren?" Die Nachfrage Imrahils war neutral, doch fiel Verdandi seine geballte Faust auf. Bisher hatte der Fürst ihr nickend zugehört.
"Ja, mein Herr. Sie sortieren, trennen Familien und zwingen die Männer in den Kriegsdienst, während die Frauen als Druckmittel in Arbeitslagern schuften. Manchmal...", sie stockte und ballte die ebenfalls die Hand zur Faust, "Wenn die Aufpasser sich vergüngen wollen, tun sie ihnen auch Gewalt an. Manche zwingen sie auch Spionage zu betreibten, indem sie die Kinder der Frauen wegnehmen. Das konnte ich in Linhir nicht preisgeben, da es dort wohl von Spionen nur so wimmelt aber hier..."
Sie verstummte und seufzte. Nachdenklich massierte sie ihre Faust und entspannte sie wieder. "Ihr müsst wissen, dass das mit den Spionen eine Sache ist, die ich in einem Lager aufgeschnappt habe. Eigentlich versucht man es so geheim wie möglich zu halten. Man möchte in die Frauen dazu anstiften in den Tavernen und Gaststätten die Soldaten auszuhorchen. Wenn sie nicht gehorchen oder nicht rechtzeitig zurückkehren tötet man ihre Kinder oder andere Verwandte."
"Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Diese Leute sind Gondorer... wir dürfen sie nicht länger im Stich lassen." Es war Valion, der gesprochen hatte. Verdandi warf ihm einen Blick zu. Er wirkte aufgebrachte und sie hatte das Gefühl, dass er platzen könnte, wenn er noch mehr über die Lager erfahren würde.
Imrahil wirkte hingegen bedrückt und ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie verstand, dass man als Fürst eine große Verantwortung trug, konnte sich aber nicht in ihn hineinversetzen. Wenn es ihr Dorf gewesen wäre, hätte sie sofort alle kampffähigen Bewohner in die Schlacht geführt. Nichts war glorreicher als die Rettung der Seinen. Verdandi trat unruhig von einen Fuß auf den anderen. Sie hasste die Erfahrungen in den Lagern wirklich. Die Zeit in der großen Stadt gar nicht eingerechnet.

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Nachrichten aus dem Westen
« Antwort #36 am: 16. Sep 2017, 18:55 »
"Es steht ganz außer Frage, dass wir etwas unternehmen müssen," sagte Imrahil zu Valion. "Doch überstürzt zu handeln wird uns nicht viel bringen - wie wir im Ethir gesehen haben."
Valion unterdrückte seine Wut, denn der Fürst hatte Recht. Der impulsive Angriff der Zwillinge hatte zwar zu einem anfänglichen Erfolg geführt, doch keine vier Wochen später war alles wieder verloren gewesen, und nun lag Valions Heimat noch mehr in Trümmern als bei ihrer ersten Eroberung durch Mordor.
Der Fürst erhob sich von seinem Sitz und stand Verdandi und Valion nun gegenüber. "Zunächst möchte ich dir, Verdandi, danken, dass du mir diese Nachricht überbracht hast - unter Einsatz deines Lebens, wie mir scheint."
Verdandi nickte leicht, blickte den Fürsten jedoch weiterhin mit einem herausfordernden, erwartungsvollen Ausdruck im Gesicht an.
"Ich habe bereits veranlasst, die Hälfte der Soldaten Gondors und Dol Amroths an die Grenze zu verlegen, die vom Gilrain gebildet wird. In Linhir gibt es genug Platz für den Großteil davon. Valion hat ganz Recht; wir können und dürfen unsere Leute in den besetzten Gebieten nicht länger im Stich lassen."
Valion schlug bekräftigend die Hände zusammen. Endlich schienen die Dinge ins Rollen zu geraten.
Doch Imrahil sprach weiter. "Dennoch bin ich auch für den Schutz jener verantwortlich, die innerhalb der Grenzen des freien Gondors leben. Und ich werde diese Aufgabe nicht vernachlässigen. Ich werde also einen Kompromiss zwischen einer erfolgreichen Grenzverteidigung und der Befreiung der gondorischen Gefangenen aus den Lagern, die Verdandi beschrieben hat, finden müssen. Für eine großangelegte Offensive auf das Gebiet zwischen Linhir und Pelargir ist es zu früh. Wir brauchen mehr Informationen wie diese," er hielt die Schriftrolle hoch, die Verdandi ihm gebracht hatte.
"Wenn es darum geht, die Gefangenen zu befreien, habt Ihr schon mindestens eine Freiwillige gefunden," stellte Verdandi klar. "Ich werde zurück in die besetzten Gebiete gehen und sehen, was ich tun kann."
Valion nickte anerkennend. Das Mädel hat Mut, dachte er.
Auch Imrahil schien zufrieden mit dieser Aussage zu sein. "Deine Tapferkeit ehrt dich. Doch du solltest nicht einfach drauflos reiten, ohne einen guten Plan dafür gemacht zu haben. Das, Valion, ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich dich heute morgen zu mir rufen ließ. Nun fehlen nur noch mein geschätzter General und der Herr der Spione."
Wie aufs Stichwort öffnete sich eine der Nebentüren der großen Halle, und Hilgorn marschierte hindurch, eine kurze Verbeugung vor Imrahil andeutend. Der Fürst reichte ihm Verdandis Nachricht, und er überflog sie rasch, eher er sie an Amrodin weiterreichte, der ihm dicht gefolgt war."
"Meine Späher haben Gerüchte über solche Dinge gehört, aber dies ist... ein äußerst wertvoller, schmerzlich detaillierter Bericht," kommentierte der Spion.
Hilgorn zeigte eine ähnlich besorgte Reaktion wie Fürst Imrahil. "Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist."
"Und deswegen müssen wir schnellstens etwas unternehmen," beharrte Valion, und Verdandi schien ihm mit einem raschen Nicken zuzustsimmen.

Rasch besprachen sie die von Imrahil angeordneten Truppenbewegungen und Hilgorn wurde zum Kommandant der nach Linhir marschierenden Verstärkungen ernannt. Dies wurde innerhalb weniger Minuten geklärt, doch trotzdem sah Valion, wie die Ungeduld in Verdandis Gesichtsausdruck mehr und mehr wurde. Ganz offensichtlich hielt sie nicht allzu viel von den Befehlsketten und Prozeduren an Imrahils Hof.
Amrodin war erfreut, als er hörte, dass die junge Frau sich als Freiwillige angeboten hatte. Er blickte ihr anerkennend ins Auge. "Wir brauchen mutige Leute wie Euch," sagte er. "Gebt gut auf Euch acht, wenn ihr nach Lebennin jenseits des Gilrain zurückkehrt. Ihr habt ja mit eigenen Augen gesehen, welche Zustände dort herrschen. Wenn Ihr nach Linhir kommt, und Unterstützung benötigt, sprecht mit einer Frau namens Sírien. Sie ist normalerweise in der Taverne am Westtor anzutreffen und hat auffällig rotes Haar. Sie kann Euch viele Dinge beschaffen und ist mein Kontakt vor Ort. Zeigt ihr diese Münze," er reichte Verdandi eine kleine, bronzefarbene Münze, "dann weiß sie Bescheid, dass ich Euch geschickt habe."
Verdandi blickte den Herrn der Spione mit sichtbarem Misstrauen an, nahm jedoch nach einer kurzen Pause die Münze entgegen und ließ sie in einer ihrer Taschen verschwinden.
Imrahil sagte: "Die Dinge, die nun ins Rollen geraten, werden sich ohne Frage auf den Verlauf des Krieges gegen Mordor auswirken. Mögen die Valar unsere Entscheidungen lenken und uns die baldige Befreiung Lebennins ermöglichen."
"Mit Mut, Entschlossenheit und ein klein wenig Glück wird es schon hinhauen," sagte Valion optimistisch. Doch dann musste er an den Fall des Ethir und die Zerstörung Belegarths denken, und sein Lächeln verschwand.
Hilgorn verabschiedete sich, um sich um den Abmarsch seiner Verstärkungstruppen nach Linhir vorzubereiten, und auch Amrodin und Verdandi verließen die große Halle Imrahils bald darauf.
Valion blieb zurück, denn Imrahil hatte ihm ein Handzeichen gegeben.

"Du wirst nicht mit Hilgorn reiten, Valion. Für dich und deine Schwester habe ich eine andere Aufgabe, die ebenso wichtig ist."
Valion hatte fest damit gerechnet, mit dem Heer nach Linhir zu gehen. Umso überraschter war er nun, dass dem nicht so war. "Meine Fähigkeiten wären an der Front besser aufgehoben," wendete er ein.
"Es geht um deine Mutter, Valion," erklärte Imrahil und verschaffte sich damit Valions vollständige Aufmerksamkeit. "Wie du weißt, befindet sie sich auf dem Sitz ihrer Familie, in Nan Faerrim. Heute traf ein Vogel mit einer Nachricht von ihr ein."
"Wieso habt Ihr mir das nicht gleich gesagt? Was schreibt meine Mutter?"
Imrahils Besorgnis schien nicht weniger zu werden. "Sie bittet deine Schwester und dich, so bald wie möglich zu ihr zu kommen und eure Verlobten mitzubringen. Das scheint von äußerster Wichtigkeit zu sein. Auch wenn ich Erchirion gerade nur schwer entbehren kann, bin ich geneigt, ihn aufgrund der Dringlichkeit der Nachricht zeitweise von seinen Aufgaben in Dol Amroth zu entbinden."
Valion platzte beinahe vor Ungeduld. "Was ist denn so dringlich? Sind Nan Faerrim und Haus Seren in Gefahr?"
"Mileth schreibt, dass im Westen, in den Pinnath Gelin und in Anfalas, eine Bewegung an die Macht gekommen ist, die nur wenig am Krieg im Osten interessiert ist. Es sind Separatisten, wenn man so will. Wie du weißt, versorgen die Gebiete im Westen Dol Amroth und die übrigen Fürstentümer mit dringend benötigter Nahrung, und es gibt dort noch viele, die aus dem Osten geflohen sind und sich vielleicht dazu motivieren ließen, erneut in den Kampf zu ziehen. Wir brauchen dringend Verstärkung, und wir brauchen die Nahrungsmittel noch dringender. Wir können nicht zulassen, dass die westlichen Lehen sich abspalten. Und ich fürchte, dass deine Mutter sich nun inmitten eines Netztes aus Intrigen zu befinden scheint."
Valion war zutiefst bestürzt. Noch nie in der Geschichte Gondors war es zu einer Abspaltung eines der Lehen gekommen. Dies waren wahrlich finstere Zeiten. "Ich werde gehen. Und meine Schwester und meine Verlobte sollen mich begleiten. Gemeinsam mit Erchirion werde ich dafür sorgen, dass ihr weiterhin die volle Unterstützung aus dem Westen bekommt, und jeden kampffähigen Mann dazu bringen, sich bewaffnet vor den Toren Dol Amroths einzufinden."
"Darauf zähle ich, Valion. Du hast dich in Umbar gut geschlagen. Jetzt beweise mir, dass sich das Vertrauen, das ich in dich gesetzt habe, nicht fehl am Platz war."


Valion zum Hafen
Verdandi in die Stadt
« Letzte Änderung: 5. Jul 2018, 18:57 von Fine »
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Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #37 am: 9. Sep 2018, 15:33 »
Hilgorn aus dem Tum-en-Dín

"Ihr bringt keine guten Nachrichten, General?", fragte einer der Wächter vor der Halle des Fürsten, als er Hilgorns Miene sah. Dieser schüttelte den Kopf. "Nein, doch sie sind für den Fürsten bestimmt und nicht für dich, Amron. Ich will nicht, dass sie in der ganzen Stadt bekannt sind, bevor Imrahil davon weiß." Der junge Soldat grinste, doch dem Grinsen fehlte ein wenig der Übermut. Schlechte Nachrichten waren in Dol Amroth derzeit nichts wirklich ungewöhnliches, doch sie waren der Stimmung nie zuträglich.
"Im Augenblick spricht der Fürst mit seinen Beratern", sagte jetzt der andere Wächter. "Er wünscht, nicht gestört zu werden."
"Er wird eine Ausnahme machen", erwiderte Hilgorn. "Ich werde dafür sorgen, dass ihr nicht in Schwierigkeiten geratet." Die beiden Männer tauschten einen Blick, und traten dann beiseite - allerdings ohne ihm die Tür zur öffnen. Hilgorn verdrehte die Augen, öffnete die schwere Tür kurzentschlossen selbst, und trat ein.
In der hohen, hellen Halle hatte sich eine Gruppe Männer um einen Tisch versammelt, auf dem eine große Karte von Gondor und den angrenzenden Gebieten ausgebreitet war. Hölzerne Figuren in verschiedenen Farben symbolisierten die Armeen von Gondor, Rohan und Mordor, und mit Sorge erkannte Hilgorn, dass die schwarzen Figuren Mordors deutlich überwogen.
Der erste, der ihn bemerkte als er sich dem Tisch näherte, war Elphir dessen freudiges Lächeln beim Anblick von Hilgorns Gesichtsausdruck sofort wieder verschwand.
"Hilgorn", sagte er, und machte damit die anderen Männer auf Hilgorns Ankunft aufmerksam. "Willkommen zurück." Hilgorn nickte zur Antwort, ließ kurz den Blick durch die Runde schweifen und sank dann vor Imrahil, der sich zu ihm umgewandt hatte, auf ein Knie nieder. Er versuchte, die Worte zu sagen, die er sich auf dem Ritt von Tíncar hierher zurechtgelegt hatte, doch jetzt, in Gegenwart Imrahils, brachte er keinen Ton heraus.
"So sprachlos, General", sagte Imrahil mit leichtem Spott, doch jeder konnte die Sorge in seiner Stimme hören. "Erhebt euch und sprecht, ganz gleich welche Nachrichten ihr bringen mögt." Hilgorn kam wieder auf die Füße, und räusperte sich. "Vor... vorletzte Nacht griff Mordor mit ganzer Kraft Linhir an. Wir verteidigten uns mit ganzer Kraft, doch als das Tor durchbrochen wurde, mussten wir uns zurückziehen. Mordor hat das Ostufer eingenommen, doch wir haben die Brücken zerstört und sie können den Fluss im Augenblick nicht überqueren."
Die Furchen auf Imrahils Stirn schienen sich bei Hilgorns Worten zu vertiefen. "Und wir ebensowenig."
Hilgorn atmete tief durch. "Bitte verzeiht, Herr... aber es war die einzige Möglichkeit, das, was von meiner Armee übrig war, zu retten. Und wenn ihr ein offenes Wort erlaubt, ich habe gesehen, welche Macht Mordor aufbieten kann und wird. Solange wir allein stehen, wird jeder weitere Versuch, den Gilrain zu überqueren, in einer Katastrophe für uns enden."
"Er hat Recht, Imrahil", sprang Angbor ihm bei. Der Fürst von Lamedon war offenbar während Hilgorns Abwesenheit nach Dol Amroth gereist, um sich mit Imrahil zu beraten. "Meine Späher berichten, dass es am Ostufer von Orks und anderem Gezücht geradezu wimmelt. Im Augenblick sollten wir froh sein, dass uns der Gilrain einigermaßen vor ihnen schützt, anstatt davon zu träumen, den Krieg wieder nach Osten zu tragen."
Imrahil nickte, und legte Hilgorn eine Hand auf die Schulter. "Ihr habt recht. Es kann gewiss nicht leicht gewesen sein, mit solchen Nachrichten zurückzukehren, doch ich gehe davon aus, dass ihr alles getan habt, was in eurer Macht stand." Ein leichtes Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. "Ich erwarte morgen einen vollständigen Bericht von euch, doch für heute Abend seid ihr entlassen. Ich nehme an, dass eure reizende Verlobte bereits sehnsüchtig auf euch wartet."
Tatsächlich hatte Hilgorn Faniel seit seiner Ankunft in Dol Amroth noch nicht gesehen, denn er war direkt zum Palast geritten um Bericht zu erstatten. Der Gedanke, dass sie mit jeder weiteren vergangenen Minute um ihn bangte, bereitete ihm Unbehagen. Dennoch schüttelte er jetzt den Kopf. "Es gibt eine weitere Angelegenheit, über die ich sprechen möchte. Die Flotte hat ein Schiff aufgebracht, dass aus dem Süden kam. Von einem Ort, den sie Tol Thelyn nannten."
Bei diesem Namen horchte Erchirion, der auf der anderen Seite des Tisches stand, sichtlich auf. "Das ist die Insel, von der Valirë erzählt hat, Vater." Imrahil nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und bedeutete Hilgorn, weiterzusprechen.
"Das Schiff wird von zwei unserer Schiffe hierher geleitet und sollte spätestens morgen früh eintreffen, dann werdet ihr mit dem Kapitän sprechen können. Allerdings... zwei seiner Passagiere wollten mich über Land begleiten, doch sie..." Er atmete tief durch, denn die Angelegenheit war ihm nicht wenig peinlich. "Sie sind mir gestern in der Nacht in Rendûl entwischt."
Imrahil zeigte mit keiner Miene, was er darüber dachte. Stattdessen fragte er ruhig: "Fürchtet ihr, dass es sich bei ihnen um Spione Mordors oder Suladâns haltet?"
Über diese Frage hatte Hilgorn reiflich nachgedacht, und so schüttelte er jetzt ohne Zögern den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Es waren zwei Frauen, und sie..." Weiter kam er nicht, denn die Tür öffnete sich mit einem vernehmlichen Geräusch. Imrahil wandte sich der Quelle der Störung mit unwilliger Miene zu, doch dann erstarrte er ebenso wie seine beiden Söhne. Auch Hilgorn starrte den Neuankömmlingen entgegen, und verstand den Fürsten zur allzu gut - immerhin war das ebenmäßige Gesicht mit den schwarzen Haaren und meergrauen Augen nur schwer zu verwechseln.
Amrothos, jüngster Sohn des Fürsten von Dol Amroth, stand in der offenen Tür, und blickte seinem Vater und seinen Brüdern entgegen. Für einen Augenblick herrschte ein beinahe schockiertes Schweigen, bevor Imrahil sich zu einem gänzlich ungewöhnlichen Gefühlsausbruch hinreißen ließ, seinem verschollen geglaubten Sohn mit drei langen Schritten entgegen kam und ihn in seine Arme zog. Hilgorn lächelte unwillkürlich und trat diskret zur Seite, um Elphir und Erchirion Platz zu machen, die geradezu stürmisch um den Kartentisch herumgeeilt kamen. So fand er sich neben Fürst Golasgil von Anfalas wieder, der ihm ins Ohr flüsterte: "So übermütig habe ich Imrahil nicht erlebt, seit er den Titel geerbt hat - eigentlich noch nie."
"Ich wusste nicht, dass ihr den Fürsten so gut kennt", gab Hilgorn ebenso leise zurück, während Elphir drauf und dran schien, seinem jüngsten Bruder mit seiner Umarmung die Rippen zu brechen. Golasgil zog amüsiert eine Augenbraue in die Höhe. "Mein Vater schickte mich als Knappen nach Dol Amroth, und zwar in Imrahils Dienst. Und obwohl er mehr als ein Jahrzehnt älter ist, als ich, sind wir gute Freunde geworden, denn er ist einer der besten Männer, die ich kenne." Hilgorn fand, dass es an der Aussage nichts auszusetzen gab.

Inzwischen schien die erste überwältigende Wiedersehensfreude in der fürstlichen Familie ein wenig abgeebbt zu sein, denn hinter Amrothos kamen drei Frauen in die Halle. Valirë verzichtete, ganz sie selbst, irgendjemanden zu begrüßen, sondern gesellte sich unauffällig zu Hilgorn, Golasgil und Angbor, den einzigen Anwesenden, die nicht zur fürstlichen Familie zählten. "Nun seht sie euch an", sagte sie mit einem Grinsen. "Und ich habe nicht einmal einen Mehlsack zur Hand gehabt, um Amrothos angemessen zu begrüßen." Hilgorn erwiderte ihren Blick verständnislos, doch Angbor und Golasgil tauschten einen wissenden, belustigten Blick. "Ach, ihr wart ja damals noch gar nicht hier. Tut mir leid", sagte Valirë etwas nachlässig an Hilgorn gewandt. "Ich erzähle euch die Geschichte bei Gelegenheit, das war einer unserer gelungensten Einfälle."
Hilgorn nickte stumm, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die beiden anderen Frauen, die mit Amrothos gekommen waren. Die größere der beiden Frauen erkannte er sofort wieder, denn Mithrellas, die elbische Ahnherrin des Fürstenhauses, hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen - und damit klärte sich auch die Frage auf, wie Amrothos nach Dol Amroth zurückgekommen war. Die andere war ein junges, blondes Mädchen in einem grünen Kleid, das Hilgorn nicht erkannte. Aber die Art und Weise, wie Amrothos sie seinem Vater vorstellte, ließ ihn bestimmte Schlüsse ziehen. Als sie das Lächeln auf seinem Gesicht bemerkte, lachte Valirë leise. "Sieh an, General. Ihr denkt das gleiche wie ich."
Hilgorn setzte wieder eine möglichst gleichmütige Miene auf. "Ich bin mir nicht sicher, wovon ihr sprecht." Valirë verschränkte die Arme vor der Brust. "Also bitte. Selbst jemandem wie euch sollte doch auffallen, wie er die kleine Irwyne anschaut." Sie seufzte. "Eigentlich ein Jammer, ich habe Amrothos immer gemocht. Aber eigentlich habe ich es mit Erchirion auch nicht schlecht getroffen." Hilgorn presste die Lippen zusammen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie skandalös er Valirës Worte fand. Sie schien es ihm trotzdem anzumerken, und lachte erneut. "Ihr seid leicht zu schockieren, General."
Die Antwort blieb Hilgorn erspart, denn jetzt kam Amrothos zu ihnen, wurde zuerst von Angbor und Golasgil freudig begrüßt, und wandte sich dann Hilgorn zu. "Ihr müsste General Hilgorn sein. Mein Bruder Elphir spricht in höchsten Tönen von euch." Hilgorn ergriff die angebotene Hand, und antwortete: "Ich freue mich über eure sichere Heimkehr, mein Prinz. Bei eurer Abreise gehörte ich noch der Stadtwache an, und bin erst recht kürzlich auf diesen Posten berufen worden."
"Hm", machte Amrothos ironisch. Er sah geradezu unverschämt gut und gesund aus, doch in seinen grauen Augen glaubte Hilgorn etwas seltsames zu erkennen, wie einen Schatten, der auf seiner Seele lag. "Meine reizende Beinahe-Schwägerin hat euch bereits am Hafen erwähnt", fuhr Amrothos fort, und warf Valirë einen Seitenblick zu. "Ich glaube, das Wort war Jungspund, nicht war, Valirë?" Die Angesprochene blickte demonstrativ zur Decke, wirkte allerdings nicht so, als ob sie sich schämen würde. Hilgorn beschloss, nicht gekränkt zu sein, und erwiderte: "Ich werte das als ein Kompliment, dass ich mir ein jugendliches Aussehen bewahrt habe." Amrothos lachte leise, und meinte dann: "Ich dachte, ihr wärt in Linhir?"
"Bis vor zwei Tagen", antwortete Hilgorn. "Ich bin kurz vor euch hier eingetroffen." "Und ihr bringt keine guten Nachrichten." Es war eine Feststellung, keine Frage. Offenbar stand der jüngste Prinz seinem Vater in Sachen Scharfsinn nichts nach. Hilgorn schüttelte bedauernd den Kopf. "Keine wirklich guten, nein", stimmte er zu. "Doch ich möchte den Tag eurer Heimkehr nicht damit überschatten."
Amrothos fuhr sich mit einer Hand über das Kinn, und warf einen Blick zu seinem Vater und seinen Brüdern, die jetzt mit Mithrellas sprachen. Irwyne stand etwas verloren neben der Tür und schien unsicher zu sein, was sie tun sollte. "Ich habe im Norden genug erlebt, dass mich ein paar schlechte Nachrichten nicht erschüttern. Ich möchte wissen, wie es in Gondor aussieht, General. Mithrellas ist... nicht besonders mitteilungsfreudig."
"Solange ich in Dol Amroth bin, stehe ich euch gerne zur Verfügung", meinte Hilgorn und deutete eine Verbeugung an. Valirë machte ein Gesicht, als wollte sie irgendeine spitze Bemerkung einwerfen, doch sie kam nicht dazu, denn Lóthiriel, die offenbar irgendwie von Amrothos' Ankunft erfahren hatte, drängte sich zwischen Erchirion und Elphir hindurch und warf Amrothos mit einem nicht sehr damenhaften Jubelschrei die Arme um den Hals.
Hilgorn spürte sein Herz schneller schlagen, als Faniel ihr folgte, und er konnte nur mit Mühe verhindern, ebenso in Jubel auszubrechen wie Lóthiriel. Es war nicht viel Zeit vergangen, seit der Faniel gesehen hatte, doch er kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Trotzdem beschränkte er sich darauf, ihr seinen Arm um die Taille zu legen und sie sittsam auf die Stirn zu küssen. Das Strahlen in ihren Augen genügte ihm.
Mit ein wenig Mühe gelang es Amrothos, sich aus der Umarmung seiner Schwester zu befreien, und ließ den Blick über seine versammelte Familie schweifen. Er atmete tief durch. "Es ist schön, wieder zuhause zu sein."
"Es ist schön, dich wieder zuhause zu wissen, mein Junge", brummte Golasgil. "Dein Vater hat sich fürchterliche Sorgen gemacht, nachdem wir die Nachrichten aus Lórien hörten." Amrothos lächelte ein wenig verlegen. "Nicht ohne Grund, fürchte ich. Aber es ist alles gut ausgegangen, dank Oronêl, und dank... Irwyne." Hilgorn hätte schwören können, dass die Wangen des Prinzen sich ein wenig gerötet hatten, als er das blonde Mädchen zu ihnen winkte. Irwyne knickste zwar ein wenig unbeholfen, aber ohne Scheu. Wenn sie mit Amrothos und Mithrellas aus Lindon hergekommen war, wirkte ein menschlicher Fürstenhof vermutlich längst nicht so beeindruckend wie das, was sie dort gesehen hatte, dachte Hilgorn bei sich. "Dies ist Irwyne, eine gute Freundin der ich mein Leben und meinen Verstand verdanke", stellte Amrothos sie vor. "Irwyne, dies sind Angbor, der Fürst von Lamedon, Golasgil, Fürst von Anfalas, Hilgorn, Generals in der Armee Gondors und..." Er stockte, als er zu Faniel kam. Sie ließ Hilgorn los, knickste um einiges eleganter als Irwyne, und erwiderte: "Faniel Glórin von Tugobel, Herr. Mein Vater war ein Vasall eures Vaters."
"Dann seid ihr Hilgorns..." "Verlobte. Wir werden in ein paar Tagen heiraten." Hilgorn musste lächeln, als er den Stolz in ihrer Stimme hörte, und nahm unauffällig ihre Hand. Auch Amrothos lächelte, als er sagte: "Nun, ich freue mich darauf. Zumindest wenn ich eingeladen bin", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Selbst wenn es nicht so gemeint sein mochte, fasste Hilgorn eine solche Äußerung grundsätzlich als Befehl auf, und so erwiderte er: "Es wäre uns eine Freude, euch auf unserer Hochzeit zu sehen. Und euch natürlich ebenfalls, Fräulein Irwyne."
"Oh, ich werde sehr gerne kommen", sagte Irwyne fröhlich. "Ich bin noch nie auf einer solchen Hochzeit gewesen, aber ich... ich fürchte, ich habe nur dieses eine Kleid." Valirë zwinkerte ihr zu. "Eins reicht auch vollkommen, finde ich."
Beim Klang ihrer Stimme fiel Hilgorn etwas wieder ein, dass er beinahe vollständig vergessen hatte. "Verzeiht, wenn ich unterbreche", sagte er. "Aber ich muss euch etwas fragen, Valirë."
"Ihr wollt mich fragen, ob es nicht besser wäre, wenn ich eurer Hochzeit fernbliebe?", vermutete Valirë mit einem Grinsen. "Das wäre es vermutlich, aber es wäre auch viel langweiliger. Um euch davor zu bewahren, werde ich auf jeden Fall kommen." Irwyne kicherte leise, doch Hilgorn ließ sich nicht ablenken. "Seid ihr auf eurer Reise in den Süden einer Frau namens Ta-er begegnet?"
Valirë wurde zur Abwechslung einmal ernst, und sie blickte Hilgorn aufmerksam an. "Allerdings, in Umbar. Aber woher kennt ihr diesen Namen?"
"Weil ich ihr ebenfalls begegnet bin", antwortete Hilgorn. "Gestern, in der Nähe von Linhir. Ihr Schiff war durch den Sturm vom Kurs abgekommen, doch sie behaupteten, von der Insel Tol Thelyn zu kommen."
Valirë zog die Augenbrauen in die Höhe, während sie nachzudenken schien. "Dort bin ich ihr nicht begegnet, als wir da waren", sagte sie schließlich. "Aber Edrahil kennt sie ebenfalls, also kann es sein, dass er sie dorthin geholt hat." Hilgorn atmete erleichtert auf. "Also ist sie auf keinen Fall eine Feindin?"
"Sie war ein wenig undurchsichtig", meinte Valirë. "Aber im Grunde hat sie uns geholfen, und sie schien nichts für Mordor übrig zu haben." Ihr schien ein Gedanke zu kommen. "Ihr wolltet sie mitbringen, aber sie ist euch zwischendurch entwischt, nicht wahr?" Hilgorn nickte unglücklich, und spürte, wie Faniel seine Hand ermutigend drückte. Doch statt der erwarteten spitzen Bemerkung winkte Valirë einfach ab. "Macht euch nichts draus, ich glaube, sie wäre sogar dem alten Edrahil ebenbürtig."

Nur wenig später verabschiedeten Hilgorn und Faniel sich, ebenso wie die Fürsten Angbor und Golasgil, um der fürstlichen Familie die Gelegenheit zu geben, Amrothos' Rückkehr in Ruhe zu feiern. Und außerdem, gestand Hilgorn sich ein, konnte er ein wenig Zeit mit Faniel jetzt wirklich gebrauchen.
« Letzte Änderung: 15. Sep 2018, 22:02 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #38 am: 3. Okt 2018, 19:53 »
Hilgorn zog nervös an seinem Mantel, der ihm, egal was er tat, immer falsch zu sitzen schien. Aldar, der neben ihm auf einer niedrigen Bank saß und entspannt die Beine übereinander geschlagen hatte, verdrehte die Augen. "Nun hör endlich auf damit. Du siehst gerade so gut genug aus, dass sie nicht schreiend aus der Halle laufen wird, das muss doch genügen." Hilgorn zwang sich zu einem Lächeln, erwiderte aber nichts.
Er und sein Bruder befanden sich in einer kleinen Seitenkammer der großen Halle des Fürsten, und warteten darauf, in die Halle gerufen zu werden. Hilgorn begann, unruhig auf und ab zu laufen. Der Tag, den er seit geraumer Zeit herbeigesehnt hatte, war gekommen, doch mit einem Mal verspürte er ein beinahe überwältigendes Bedürfnis, einfach davonzulaufen.
Aldar schien seine Gedanken erraten zu haben, und sagte: "Nun hör auf. Du willst sie doch heiraten, oder nicht? Und sie dich ziemlich offensichtlich auch." Hilgorn nickte, und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Ja, ja natürlich. Aber was ist, wenn..." Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete, und Elphir mit einem breiten Lächeln den Raum betrat.
Aldar seufzte mit gespielter Erleichterung tief auf. "Prinz Elphir, ihr kommt genau zum rechten Zeitpunkt - gerade habe ich mit dem Gedanken gespielt, meinen Bruder zu fesseln und zu knebeln. So wie er sich verhält, könnte man beinahe meinen, es wäre seine erste Hochzeit." Er zwinkerte fröhlich, und Elphir erwiderte mit einem Zwinkern: "Seltsam, wie mag das nur kommen?" Dann wandte er sich direkt an Hilgorn: "Ich war am Tag meiner Hochzeit mindestens ebenso nervös wie du, mein Freund. Darüber hinaus war ich ein paar Jahre jünger als du heute, hatte noch nichts besonderes vollbracht und kannte Tírneth so gut wie gar nicht. Und sieh dir uns heute an."
Hilgorn atmete tief durch, und zog seinen Mantel ein letztes Mal zurecht. Elphirs Worte trugen tatsächlich wie beabsichtigt zu seiner Beruhigung bei. "Das kann auch nicht so viel schlimmer sein, als mitten in der Nacht Linhir anzugreifen", sagte er leise vor sich hin, und richtete sich dann auf. "Also. Ich bin bereit."

Hinter Aldar trat er hinaus in die große Halle der Fürsten von Dol Amroth. Entlang der hohen Marmorwände waren lange Tische aufgestellt worden, an denen sich die Hochzeitsgäste eingefunden hatten - beinahe der gesamte Adel von Dol Amroth und Belfalas war gekommen, und auch viele Adlige aus den anderen Fürstentümern Gondors, die sich im Augenblick in der Stadt aufhielten, genau wie viele der wohlhabenderen und einflussreicheren Bürgern der Stadt und Umgebung. Hilgorn kannte die wenigsten von ihnen persönlich und von vielen nicht einmal den Namen, und er glaubte auch nicht, dass die meisten seinetwegen hier waren, sondern eher des Festes wegen. Es war ihm allerdings gleich, denn er hatte nur Augen für das, was auf der Empore am Ende der Halle geschah. Dort am Kopfende der Halle war ein einzelner, großer Tisch aufgestellt worden, hinter dem Hilgorn viele bekannte Gesichter erblickte: In der Mitte stand Imrahil, Fürst von Dol Amroth, flankiert von seinen jüngeren Söhnen. Neben Erchirion saß Valirë vom Ethir, deren hellblaues Kleid ihr trotz ihrer immer offenkundig zur Schau gestellten Abneigung gegen festliche Kleider hervorragend stand. Auf der anderen Seite neben Amrothos saß die Elbin Mithrellas, deren würdevolle Ausstrahlung den meisten Menschen Ehrfurcht und auch ein wenig Unbehagen einflößen konnte. Auch Amros von Edhellond, Angbor von Lamedon und Ardamir von Belfalas waren Ehrenplätze an der hohen Tafel zugewiesen worden, doch fünf weitere Plätze waren bislang freigeblieben.
Als Aldar, Hilgorn und Elphir nacheinander die zwei Stufen zur Empore erklommen hatten, erhob sich Imrahil, und sprach mit einer Stimme, die mühelos im ganzen Saal zu verstehen war: "Wer tritt vor mich, um den Bund der Ehe zu schließen, und wer führt ihn vor mich?" Es waren die traditionellen Worte, die bei den meisten Hochzeiten gesprochen wurden - doch in der Regel nicht vom Fürsten von Dol Amroth höchstpersönlich. Hilgorn war sich der Ehre, die Imrahil ihm damit erwies, nur allzu bewusst. Auf Imrahils Worte hin trat Aldar vor. "Ich bin Aldar Thoron, Sohn des Ithon von Tíncar, und Kapitän der Falthaleth. Und ich führe meinen Bruder Hilgorn Thoron vor euch, General von Dol Amroth und Gondor, der in den Stand der Ehe treten soll, denn er ist einer der besten Männer die ich kenne - selbst wenn er mein kleiner Bruder ist", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu, und leises Gelächter über seinen Scherz perlte durch den Saal. Hilgorn spürte, wie die Anspannung langsam von ihm abfiel. Das hier würde passieren - es passierte gerade - und es würde vermutlich keine Katastrophe mehr geschehen, die es verhinderte.
Imrahil verzog keine Miene, das Lächeln beschränkte sich auf seine Augen. "Wer spricht außerdem für diesen Mann, und erklärt sich bereit, den Bund zu bezeugen?" Elphir trat langsam vor. "Ich spreche für General Hilgorn, denn ich habe mit ihm bei Linhir gekämpft, und er ist einer der besten Männer und Soldaten, die dieses Land zu bieten hat. Und auch abseits des Schlachtfeldes habe ich ihn als guten Freund kennengelernt, dem ich selbst meine eigene Tochter als Ehefrau anvertrauen würde - wenn ich eine hätte." Erneut war leises Gelächter zu hören, doch Hilgorn hatte nur Augen für die drei Frauen, die nun die andere Seite der Empore hinaufstiegen.
Wieder sprach Imrahil. "Wer tritt vor mich, und welche Frau führt sie diesem Mann zu?" Lóthiriel, die die kleine Prozession anführte, lächelte Hilgorn kurz zu, bevor sie sich am Saal zuwandte, und antwortete: "Ich bin Lóthiriel von Dol Amroth, Tochter des Imrahil von Dol Amroth. Und ich führe Faniel Glórin, Tochter des Lanhael von Tugobel vor euch, die diesen Mann heiraten soll, weil es ihr Wunsch ist." Es war im Vorfeld beschlossen worden, Faniel nicht als Imradons Witwe vorzustellen - auch wenn es nicht verboten war, die Witwe seines Bruders zu heiraten, war es doch eher unüblich und hätte bei vielen der Anwesenden, denen diese Tatsache bislang nicht bekannt gewesen war, vermutlich Befremden hervorgerufen.
"Und wer spricht außerdem für diese Frau, und erklärt sich bereit, diese Ehe zu bezeugen?" Hinter Faniel trat Tírneth nach vorne, tauschte einen wissenden Blick mit ihren eigenen Ehemann, und sprach dann: "Ich spreche für Faniel Glórin, die ich in der Zeit ihrer Anwesenheit hier als eine gute Frau und Freundin kennengelernt habe, und der ich jedes Glück wünsche, dass sie sich erhofft."
Hilgorn hatte kaum ein Wort von dem, was Lóthiriel und Tírneth gesagt hatten, gehört, denn er hatte lediglich Augen für Faniel, die in ihrem weißen Kleid, das er durch Tírneths und Lóthiriels unermüdliche Wachsamkeit heute zum ersten Mal sah, auf ihn schöner wirkte als jemals zuvor. Kaum hatte er sie gesehen, war sein Mund trocken geworden, sämtliche Nervosität war von ihm abgefallen, und nichts außer ihr schien noch von Bedeutung zu sein. Sie lächelte nicht, sondern blickte ihn mit einem beinahe konzentrierten Ausdruck an - anscheinend hatte er bei ihre einen ähnlichen Eindruck hervorgerufen, wie sie bei ihm. Er hatte sich den Bart abrasiert, die Haare auf Kinnlänge gestutzt und trug schwarze Kleidung, auf deren Brust der hellblaue Adler von Tíncar prangte.
Hilgorn war derart in Faniels Anblick versunken, dass er erst wieder auf Imrahils Stimme achtete, als sein Bruder ihn unauffällig, aber nicht gerade sanft, in die Rippen stupste. "... für den Rest eures Lebens lieben, ehren und alles in eurer Macht stehende tun, um sie glücklich zu machen?" Hilgorn räusperte sich, denn er traute seiner Stimme im Augenblick nicht, und erwiderte dann mit einem Nicken: "Das will ich tun, mit jeder Faser meines Wesens."
Imrahil stellte Faniel die gleiche Frage, und auch sie nickte, und als sie antwortete, erstrahlte zum ersten Mal ein Lächeln auf ihrem Gesicht: "Das will ich allerdings, Herr. Meinetwegen auch für die nächsten tausend Jahre." Mit einem Mal wurde Hilgorn bewusst, dass er grinste wie ein Trottel, doch ein wenig erstaunt stellte er fest, dass es ihm vollkommen gleichgültig war. Auf ein unauffälliges Nicken von Imrahil nahm er den  weißen Mantel mit dem Wappen von Tíncar ab und legte ihn Faniel mit ein wenig zitternden Fingern um die Schultern. Dann zog er den Ring hervor, den Elphir ihm geschenkt hatte - ein silberner Reif, auf dem ein kleiner blauer Edelstein von einer silbernen Blüte eingefasst wurde - und steckte ihn Faniel an.
"Dann erkläre ich euch für Mann und Frau, bis dass der Tod euch scheidet", sprach Imrahil erneut, und zum ersten Mal zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. "Mögen die Valar euch segnen und über euch wachen." An Hilgorn gewandt fügte er hinzu: "Ihr dürft eure Braut nun küssen."
Das tat Hilgorn nur allzu gerne, und es bedurfte eines hörbaren Räusperns von Imrahil, bevor sie sich wieder voneinander lösten.

Das anschließende Festmahl ließ nichts vermissen und war das köstlichste, was Hilgorn jemals gegessen hatte - oder wäre es gewesen, wenn er auch nur einen Bissen von dem, was er aß, wirklich wahrgenommen hätte. Stattdessen verbrachte er den Großteil der Zeit damit, Faniel, die neben ihm in der Mitte der Tafel saß, anzustarren und sich zu fragen, womit er sich ein solches Glück verdient hatte.
Imrahil und seine Söhne waren zur Seite gerückt, damit das Brautpaar die Mitte der Tafe einnehmen konnte, und so saß nun Tírneth zu Faniels linker und Amrothos an Hilgorns rechter Seite. Irgendwann flüsterte Faniel Hilgorn zu: "Es wäre höflich, wenn du dich auch ein wenig mit Amrothos unterhalten würdest. Erchirion hat nur Augen für seine Verlobte, und du für mich - nicht, dass ich nicht geschmeichelt wäre - aber der arme Amrothos dürfte sich deshalb ein wenig langweilen."
"Ich würde dich aber gerne noch ein wenig weiter anstarren", gab Hilgorn ebenso leise zurück. "Dir zu schmeicheln ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ."
"Aber du hast es nicht mehr nötig", erwiderte Faniel mit diesem Lächeln, dass Hilgorns Herz immer einen Schlag aussetzen ließ. "Immerhin gehöre ich ab heute dir - und du mir. Und außerdem..." Sie senkte die Stimme noch ein wenig mehr. "Außerdem haben wir die ganze Nacht Zeit." Bevor Hilgorn sich ein wenig davon erholt hatte, hatte Faniel sich bereits abgewandt, und begonnen, angeregt mit Tírneth und Elphir zu plaudern.
Notgedrungen wandte Hilgorn sich nach rechts und Amrothos zu, der tatsächlich etwas trübsinnig in die Runde blickte.
"Ihr... stimmt es, dass ihr in Lórien wart, als Saruman das Land überfiel?", begann Hilgorn etwas unbeholfen, und verfluchte sich im gleichen Augenblick dafür, dass er an diesem Tag ein solches Gesprächsthema gewählt hatte. Tatsächlich verdüsterte sich die Miene des Prinzen schlagartig noch mehr, und sein ganzer Körper schien sich zu versteifen. "Nein, ich war zu der Zeit bereits... nicht mehr dort", antwortete er langsam, und sein Tonfall machte deutlich, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte. "Aber es gibt etwas, dass ich euch schon länger fragen wollte. Ihr wart doch in Linhir, als wir es zurückerobert haben, und habt diesen Qúsay gesehen. Sagt mir... was haltet ihr von ihm? Immerhin sieht es so aus, als würde er irgendwann meine Schwester heiraten."
"Er... wirkte wie ein guter Mann", erwiderte Hilgorn. "Ich glaube nicht, dass er uns verraten wird, und er hat eurem Bruder das Leben gerettet." Amrothos zog eine Augenbraue in die Höhe, wirkte aber trotzdem nur mäßig interessiert. Stattdessen schweifte sein Blick immer wieder zu irgendeinem Punkt in der Halle ab. "Elphir war vom Schwarzen Atem verwundet worden, und Qúsay hat ihn mit Königskraut geheilt, ganz so wie das, was man sich..."
"... von Elessar berichtet", beendete Amrothos den Satz für ihn, und seufzte. "Letztlich haben wir doch alle einen Tropfen Königsblut in uns. Was beweißt das schon?" Unwillkürlich schweifte Hilgorns Blick zu Mithrellas, die einige Plätze von ihm entfernt saß und nichts von den Speisen angerührt hatte, sondern ernst mir Imrahil sprach. Nie war Hilgorn sich bewusster gewesen, dass auch er sie auf etwas verschlungenen Wegen zu seinen Vorfahren zählen konnte - genau wie jeder einzelne andere Anwesende an der hohen Tafel. Er fragte sich, ob ihr das ebenso bewusst war, uns was sie dabei empfand. Amrothos war seinem Blick gefolgt, und sagte leise, als hätte er Hilgorns Gedanken gehört: "Oh, sie ist sich sehr bewusst, dass im Grunde jeder einzelne Anwesende einer ihrer Nachfahren ist - das schließt euch ein. Aber keine Sorge, man muss vor ihr ebenso wenig Furcht haben wie vor ihrem Vater."
Bevor Hilgorn etwas erwidern konnte, erhob sich Imrahil, und wie auf ein unsichtbares Zeichen hin verstummten nach und nach sämtliche Gespräche im Saal. Am Ende des langen Rechtecks zwischen den Tischen hatte sich eine Gruppe Spielleute eingefunden.  "Das Brautpaar hat die Ehre des ersten Tanzes", verkündete Imrahil.

Hilgorn und Faniel erhoben sich, doch anstatt zur Faniel zur Tanzfläche zu führen, blieb Hilgorn stehen und ergriff ihre Hand. Eine erwartungsvolle und verwunderte Stille hatte sich über die Halle gelegt, und Imrahil ließ sich langsam zurück in seinen Stuhl sinken. "Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid", begann Hilgorn ein wenig unsicher zu sprechen. "Nicht jeder von euch mag wissen, dass Faniel... dass meine Frau aus ihrer ersten Ehe bereits zwei Kinder hat, Belegorn und Iorweth." Leises Getuschel erhob sich an den Tischen, und Hilgorn blickte Faniel an, deren verwunderte Miene sich langsam zu einem strahlenden Lächeln wandelte. "Ich möchte an diesem Abend verkünden, dass ich sie, mit der Erlaubnis meines Fürsten, als meine eigenen Kinder annehmen möchte, und behandeln und lieben will wie alle leiblichen Kinder, die ich mit der Gnade der Valar eines Tages haben werde, und ihnen ein Vater sein werde, so gut ich es kann."
Das Schweigen, dass sich über den Saal gelegt hatte, wurde von einem einzelnen Klatschen unterbrochen. Elphir hatte begonnen, zu applaudieren, und ohne zu zögern schlossen sich ihm erst Tírneth, dann Erchirion und Valirë, und schließlich nach und nach der ganze Saal an. Hilgorn war das alles herzlich egal, denn Faniel hatte ihn heftig an sich gezogen, und flüsterte ihm ins Ohr: "Ich glaube, das war das schönste Hochzeitsgeschenk, dass du machen konntest." Hilgorn fehlten vollkommen die Worte, also wischte er ihr stumm eine einzelne Träne von der Wange, und dann führte er sie zum Tanz.
Nach dem ersten Tanz, in dessen Verlauf Hilgorn wieder einmal jeden einzelnen der Hochzeitgäste völlig vergessen hatte, schlossen sich ihnen nach und nach weitere Paare auf der Tanzfläche an, an erster Stelle Elphir und Tírneth. Lóthiriel tanzte mit Ardamir von Belfalas, Imrahil mit Mithrellas, die so anmutig dahinglitt, als würde sie schweben, und selbst Erchirion und Valirë gesellten sich zu den Tanzenden - allerdings erst, nachdem Amros von Edhellond Valirë zum Tanz aufgefordert hatte, und Erchirion seine Verlobte kurzerhand an der Hand genommen und auf die Tanzfläche geführt hatte, ohne Amros auch nur einen weiteren Blick zu schenken. Valirës Miene nach zu urteilen war sie gleichermaßen überrascht und erfreut über Erchirions Handeln, und Amros wirkte, als wäre er mit der Stirn gegen einen Holzbalken gelaufen.
Hilgorn tanzte mit Lóthiriel, dann wieder Faniel, und wieder mit Faniel, und wieder mit Faniel... Schließlich hatte sich die hohe Tafel vollständig gelehrt, nur noch Amrothos saß dort und betrachtete mit düsterer Miene die Tanzfläche. Mit einem Mal ließ Faniel Hilgorn los, und zog ihn mit der Hand mit sich. "Komm, das kann sich ja niemand ansehen." Ohne zu widersprechen, folgte Hilgorn ihr - heute wäre er ihr vermutlich auch in den tiefsten Schlund Mordors ohne in einziges Widerwort gefolgt. Vor Amrothos blieb Faniel stehen, und sagte: "Amrothos, wenn man euch ansieht, bekommt man das Gefühl, auf einer Trauerfeier zu sein, nicht auf seiner eigenen Hochzeit. Da ich als Braut so etwas wie die Königin dieser Halle bin - zumindest habe ich das gehört - befehle ich euch hiermit, eure Trauermiene abzulegen, und tanzen zu gehen."
Amrothos' Mundwinkel zuckten schwach, doch er schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Lust zu tanzen. Doch ich werde euch die Laune nicht weiterhin verderben, inzwischen dürfte ich mich davonstehlen können, ohne Aufsehen zu erregen." Sein Blick war über Faniels Schulter hinweg auf einen Punkt in der Halle gerichtet. Faniel wandte sich um, folgte dem Blick, und sagte dann. "Ah. Ich habe doch geahnt, dass es das ist, was euch bedrückt." Hilgorn blickte ebenfalls dorthin, konnte aber nichts Besonderes erkennen.
"Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht", entgegnete Amrothos ein wenig frostig und machte Anstalten, sich zu erheben. "Wenn ihr mich entschuldigen würdet..."
"Ich entschuldige nicht", gab Faniel zurück, und Hilgorn zog scharf die Luft ein. Braut oder nicht, so mit einem der Söhne des Fürsten zu sprechen, gehörte sich für niemanden. "Aber ich glaube euch beinahe, dass ihr keine Ahnung habt, worum es geht - Männer können hin und wieder so blind sein." Amrothos tauschte einen Blick mit Hilgorn, der nur hilflos mit den Schultern zuckte.
"Also, mein Prinz", fuhr Faniel mit einem Lächeln fort, das ihren Worten ein wenig die Schärfe nahm. "Ihr werdet jetzt in den Saal hinuntergehen, und sobald dieser Tanz zu Ende ist, werdet ihr Irwyne um den nächsten bitten. Und um den darauf, und um den darauf, und... ihr wisst schon, was ich meine."
"Wieso?", fragte Amrothos mit einem Schulterzucken. "Sie scheint sich doch auch so bestens zu amüsieren."
"Und dennoch schaut die den ganzen Abend immer wieder zu euch hinauf", erwiderte Faniel. Während Hilgorn sich noch fragte, wie um alles in der Welt seine Frau das bemerkt hatte, glätteten sich die Falten auf Amrothos' Stirn, und der Glanz schien in seine Augen zurückzukehren. Er deutete eine Verneigung in Faniels Richtung an, und sagte: "Wenn ihr mich entschuldigen würdet... ich glaube, ich sollte etwas gutmachen." Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er um den Tisch herum, die Empore hinab und in die Richtung, wo die junge Irwyne mit einem jungen Ritter aus Imrahils Gefolge tanzte, den Hilgorn flüchtig kannte. Jetzt erinnerte er sich daran, dass Irwyne nicht mit an der Hohen Tafel, sondern an den unteren Tischen gesessen hatte, wo sie angeregt mit einem anderen jungen Ritter geplaudert hatte. Und er erinnerte sich daran, wie Amrothos bei seiner Ankunft mit ihr umgegangen und sie angesehen hatte, und mit einem Mal ergab das, was eben geschehen war, einen Sinn. Er zog Faniel an sich, und lehnte die Stirn gegen ihre. "Ich habe es ja schon immer gewusst - ich habe nicht nur eine sehr schöne, sondern auch eine äußerst kluge Frau geheiratet."
"Wieso nur sehr schön, aber äußerst klug?", fragte Faniel scheinbar empört, aber sie lachte.
"Meinetwegen auch beides äußerst", erwiderte Hilgorn, und küsste sie unauffällig. "Hm", machte Faniel genießerisch. "Was meinst du, wann können wir uns davonstehlen, ohne einen Skandal zu verursachen?"
"Tja, ich weiß nicht... wie wäre es mit... sofort?"

Das Gemach, dass ihnen für diese Nacht im Palast zur Verfügung gestellt worden war, war geräumig und hatte, noch viel wichtiger, ein großes, bequemes Bett. Durch ein hohes, schmales Fenster, das zum Meer hinaus ging, schien der Mond hinein und ließ Faniels rabenschwarzes Haar glänzen. Sie bette den Kopf auf Hilgorns nackte Brust, und Hilgorn fuhr ihr gedankenverloren durch die Haare. Es war ja bei weitem nicht ihre erste gemeinsame Nacht gewesen, und trotzdem... in der Hochzeitsnacht schienen die gewohntesten Dinge neu und aufregend zu sein. "Eigentlich haben wir gerade noch rechtzeitig geheiratet", sagte Faniel langsam und nachdenklich. "Hätten wir noch ein paar Wochen gewartet, hätte es einen Skandal gegeben."
"Was meinst du?", fragte Hilgorn verwirrt, und Faniel packte ihn an den Haaren und zog lachend sanft daran. "Vorhin erst habe ich gesagt, dass Männer blind sein können, und jetzt gibst du das beste Beispiel dafür ab. Ich meine, wenn man alles bedenkt... es wäre ja ein Wunder gewesen, wenn es nicht passiert wäre."
Hilgorn spürte sein Herz einen Schlag überspringen, um dann umso schneller zu schlagen. "Meinst etwa... also, bist du..." Er verstummte, noch unfähig, den Gedanken zu Ende zu denken. Faniel lachte wieder, und es war ein so fröhliches, glückliches Lachen, dass Hilgorn lächeln musste. "Drei Kinder an einem Tag zu bekommen ist auch ein bisschen viel, nicht wahr? Ja natürlich, selbstverständlich bin ich schwanger."
« Letzte Änderung: 3. Okt 2018, 20:02 von Eandril »

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #39 am: 6. Okt 2018, 19:55 »
Drei Tage waren seit der Hochzeit vergangen - drei Tage, die Hilgorn mit Sicherheit für den Rest seiner Tage zu den glücklichsten seines Lebens zählen würde. Imrahil hatte ihm drei Tage der Freiheit gewährt, während derer er sich nicht ein einziges Mal um Mordor, den Krieg und irgendwelche Schlachtpläne hatte kümmern müssen. Doch diese Tage waren nun vorüber.
Bereits am frühen Morgen war Hilgorn von einem Boten Imrahils in den Palast gerufen worden, und ihm war sofort klar geworden, dass es sich um etwas dringliches handeln musste. Ohne triftigen Grund rief kein Fürst der Welt seine Generäle zu sich, wenn gerade erst die Sonne aufgegangen war. Imrahils Miene, als Hilgorn das Beratungszimmer betrat, bestätigte diese Vermutung.
"Fürst Dervon von Ethring bittet um unsere Hilfe", begann Imrahil ohne Begrüßung. "Es tut mir leid, euch direkt nach Ende eures Urlaubs damit belasten zu müssen, doch Mordor greift seit zwei Tagen immer wieder die Furten am oberen Linhir an, und Dervon fürchtet, dass er alleine sie nicht viel länger aufhalten kann."
"Dann bin ich dankbar, dass Mordor jetzt erst angreift", erwiderte Hilgorn. "So haben sie mir wenigstens diese drei Tage des Friedens gelassen." Imrahil lächelte nicht, sondern schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich wünschte, ich müsste euch nicht schon wieder ins Feld schicken, Hilgorn. Ich weiß wie es ist, gerade erst verheiratet zu sein, und..." Er verstummte, anscheinend unsicher, was er sagen wollte - untypisch für den Fürsten.
"Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber wäre", meinte Hilgorn stattdessen. "Aber es ist meine Pflicht, und darüberhinaus: Wenn Mordor den Gilrain überquert stehen die Chancen gut, dass niemand anderes mehr die Gelegenheit bekommen wird, eine Hochzeit zu feiern."
Imrahil nickte erleichtert, und fuhr mit einem Finger die Linie des Gilrain auf der Karte, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet lag, nach. "Laut den Berichten greift Mordor ausschließlich den nördlichen Verlauf des Gilrain an. Sie scheinen Linhir nicht anzurühren."
"Und dennoch dürfen wir nicht den Fehler machen, die Garnison in Linhir zu schwächen." Hilgorn betrachtete die kleinen Holzfiguren, die entlang der Grenze aufgereiht waren, nachdenklich. "Es könnte ein Ablenkungsmanöver sein, um uns zu provozieren unsere Kräfte im Norden zu konzentrieren, sodass sie im Süden den Fluss überqueren können."
Imrahil bedeutete ihm mit einer Geste, fortzufahren. "Die Frage ist nur, wo nehmen wir die Männer her, um die Furten im Norden zu halten, ohne Linhir verwundbar zu machen?" Zu Hilgorns Überraschung lächelte Imrahil. "Nun, zum Glück haben wir Verstärkungen erhalten."
Aus einer der Fensternischen im Hintergrund löste sich eine hochgewachsene weibliche Gestalt, und Hilgorn erkannte rasch die Elbin Mithrellas. "Viele Elbenkrieger haben mich von Lindon aus nach Süden begleitet", begann sie. "Wir haben ihre Ankunft hier bislang geheimgehalten, um sie vor Mordors Spionen zu verbergen. Doch jetzt ist der Zeitpunkt für sie gekommen, in die Schlacht zu ziehen."
"Mit ihnen und einigen unserer Soldaten solltet ihr genug Schwerter nach Osten führen können, um die Furten über den Winter zu halten", fuhr Imrahil fort. Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs verspürte Hilgorn ein wenig Zuversicht. Ein Elbenkrieger war mindestens zwei Menschen wert, schätzte er.
"Werdet ihr selbst die Elben nach Osten führen?", fragte er an Mithrellas gewandt, und hoffte, sie mit dieser Frage nicht zu beleidigen. Er wusste, dass bei den Elben auch viele Frauen in die Schlacht zogen, mehr als in Gondor üblich waren, doch es war sicherlich auch bei ihnen unüblich, dass die Fürstin - und dafür hielt er Mithrellas - allzu oft persönlich in den Kampf zog.
Mithrellas schüttelte nur den Kopf, offensichtlich nicht beleidigt. "Nein. Mein Sohn Ladion wird sie anführen. Ich glaube, ihr seit ihm bereits begegnet."
"Das bin ich", erwiderte Hilgorn. "Allerdings wusste ich damals nicht, dass er euer Sohn ist." Und damit ebenfalls mein Verwandter, dachte er bei sich. Der Gedanke war noch immer ein wenig gewöhnungsbedürftig.
"Das wusste bis vor relativ kurzer Zeit beinahe niemand", antwortete Mithrellas kurz. "Doch nach bestimmten... Ereignissen sah ich keine Veranlassung mehr, seine Abstammung geheim zu halten." Ihr Tonfall besagte eindeutig, dass das Thema damit abgeschlossen war, und Hilgorn verzichtete darauf, weiter nachzufragen. Stattdessen wandte er sich erneut an Imrahil.
"Ich werde die Männer an den Gilrain führen", sagte er. "Doch ich habe eine Bitte an euch: Schickt euren Sohn Amrothos mit mir. Er hat einige Zeit unter Elben verbracht, und könnte mir sicherlich eine Hilfe sein."
Imrahil nickte beifällig. "Das ist eine gute Idee. Und vielleicht lässt sich bei dieser Gelegenheit eine Verlobung zwischen ihm und Dervons Enkelin aushandeln - das wäre eine angemessene Belohnung für Dervon. Sie soll ein hübsches Mädchen sein."
Mithrellas bedachte ihn mit einem beinahe mitleidigen Blick, der Hilgorn verriet, dass nicht nur Faniel aufgefallen war, wie es zwischen Amrothos und seiner jungen rohirrischen Freundin wirklich stand, sagte aber nichts.
"Und ich würde euch außerdem darum bitten, einen Teil eurer Schwanengarde in Ethring zu stationieren", fuhr Hilgorn fort. "Wir brauchen eine berittene Truppe, die jederzeit an den Furten eingreifen kann."
"So wird es geschehen", stimmte Imrahil zu. "Lasst Mordor die Furten nicht überqueren, Hilgorn. Zumindest bis der Frühling kommt."

Hilgorn und Amrothos nach Ethring...
« Letzte Änderung: 8. Okt 2018, 09:15 von Fine »

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Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #40 am: 13. Feb 2019, 11:20 »
Oronêl aus der Stadt

"Ich dachte mir, dass ich dich hier draußen finden würde", sagte Mithrellas' Stimme hinter Oronêl, und als er sich umwandte stand seine Tochter im schwachen Licht der Sterne vor ihm. Von unten drang leise das Plätschern der Wellen gegen die Felsen, auf denen sich der Palast von Dol Amroth erhob, hinauf, und war für einen Augenblick das einzige hörbare Geräusch. Dann schüttelte Oronêl ein wenig resigniert den Kopf. "Ich hätte wissen müssen, dass ich hier nicht lange Ruhe finden würde. Was hat Amrothos dir erzählt?"
Mithrellas hob eine Augenbraue, und setzte sich auf die niedrige Mauer, die den Garten, in dem sie sich befanden, von der Klippe trennte. "Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem Imrazôr mich hierher brachte. Der Palast war noch gerade erst im Bau, und die Stadt war nicht viel mehr als ein Fischerdorf, kleiner als Edhellond. Nach ein paar Tagen hier gestand er mir schließlich seine Liebe und bat mich um seine Hand. Für einen so willensstarken Mann wie er war, war er dabei ziemlich kleinlaut." Mithrellas lächelte über die Erinnerung. Oronêl lächelte nicht, sondern verschränkte die Arme vor der Brust. "Du lenkst ab."
"Mag sein", erwiderte seine Tochter. "Ich habe nicht mit Amrothos gesprochen, sondern mit Irwyne. Sie war geradezu aufgelöst und verzweifelt, und da sie so etwas wie meine kleine Schwester ist, hatte ich das Gefühl, mit dir reden zu müssen. Du kannst nicht Wochen nach unserem letzten Treffen nach Dol Amroth kommen, und allen, die dich lieben, einen solchen Schrecken einjagen."
Oronêl schüttelte den Kopf, und setzte sich langsam ein Stück entfernt von ihr auf die Mauer. "Das war nicht meine Absicht. Ich... wollte mich verabschieden, denn... denn ich meine es ernst."
"Ich zweifle nicht daran, dass ein Teil von dir es ernst meint, Vater. Du bis schon immer so gewesen. Immer, wenn du dir im Inneren einer Sache nicht ganz sicher warst, hast du dich gezwungen, nach außen umso entschlossener zu wirken, um deine eigenen Zweifel verstummen zu lassen."
Oronêl wandte den Blick ab. "Du möchtest es mir ebenfalls ausreden. Ist es nicht so?"
Mithrellas lachte leise, kein besonders fröhliches Lachen. "Oh nein, das will ich nicht. Natürlich will ich nicht, dass du gehst, aber ich will es dir nicht ausreden - nicht, wenn es wirklich dein Wunsch ist, nach Westen zu fahren."
"Es ist mein Wunsch", antwortete Oronêl fest. "Es gibt also keinen Grund, noch weiter darüber zu sprechen."
"Genauso hast du damals ausgesehen", meinte Mithrellas mit einem traurigen Lächeln. "Als du aus dem Krieg des Letzten Bundes heimgekehrt warst und dich mit Mutter gestritten hast. Das war es, was Mutter dazu getrieben hat, den größten Fehler ihres Lebens zu machen."
Oronêl stockte, ließ Mithrellas aber weitersprechen. "Ich war lange Zeit wütend auf dich, doch ebenso wütend war ich auf sie. Sie hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, und ihre Zeit in Mittelerde weggeworfen, anstatt sich ihren Schwierigkeiten zu stellen - so wie du es getan hast. Und jetzt möchtest du das Gleiche tun." Oronêl öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch seine Tochter kam ihm zuvor. "Der Grund ist nicht wichtig, Vater. Es gibt keinen Grund, aus dem man diese Welt freiwillig verlassen kann, bevor sie gerettet ist, ohne es zu bereuen. Nicht, wenn man in der Lage ist, etwas zu tun um sie zu retten, und du kannst eine Menge tun. Aber ich glaube nicht, dass ich dir etwas neues erzähle." Sie blickte Oronêl forschend an, und schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich habe das alles schon von anderen gehört, auf andere Weise. Und ich habe diese Gedanken selbst gehabt. Und doch..."
"Der Westen läuft nicht davon, Vater", sagte Mithrellas sanft. "In Mittelerde zu bleiben mag mehr Schmerz bringen. Entsetzen, Trauer, Angst. Aber hier sind auch jene, die du liebst, deine Freunde. Im Westen erwartet dich eine Ewigkeit, ob du jetzt das Schiff besteigst oder später, selbst wenn du in der Schlacht fällst. Und irgendwann in dieser Ewigkeit wirst du bereuen, zu früh gegangen zu sein."
Oronêl schwieg, und blickte die Klippe hinab auf die Wellen, auf denen sich die Sterne spiegelten. "Ich habe Angst davor", gestand er schließlich leise. "Ich habe Angst vor dem, was hier in Mittelerde geschehen könnte. Ich habe Angst davor zu sehen, wie meine Freunde sterben, oder ihnen etwas anderes, schreckliches, widerfährt."
"Was fürchtest du mehr?", fragte Mithrellas. "Zu sehen, wie es ihnen geschieht, oder allein die Tatsache, dass es geschehen könnte?" Oronêl antwortete nicht, denn er wusste, was sie sagen wollte. Ob er in den Westen ging oder nicht, der einzige Unterschied war, dass er nicht sehen würde, wenn seinen Freunden in Mittelerde etwas zustieß - und keine Chance hätte, es zu verhindern. Die Aussicht erschien ihm keineswegs verlockend, und mit Schrecken erkannte er, dass Kerry mit beinahe allem, was sie gesagt hatte, Recht gehabt hatte.
Er blickte Mithrellas in die Augen und lächelte. "Ich... muss darüber nachdenken."
Mithrellas erwiderte das Lächeln, ergriff seine Hand und drückte sie. "Und das sollst du. Doch vorher würde ich gerne wissen, was geschehen ist, seit du Lindon verlassen hast."


Der Morgen kam mit Wolken und leichtem Regen, der Oronêl in den Palast zurücktrieb. Dort begegnete er Amrothos, der in die Rüstung eines Schwanenritters gehüllt war, und mit langen Schritten den Gang entlang eilte. Als er Oronêl entdeckte, leuchteten seine Augen auf. "Oronêl! Du bist noch hier?" Oronêl machte eine Geste, die Amrothos bedeuten sollte, weiterzugehen, und schloss sich ihm an. "Hm. Hattest du etwas anderes befürchtet?" Amrothos warf ihm einen Seitenblick zu. "Ehrlich gesagt... schon. Du warst gestern Abend in einer merkwürdigen Stimmung."
"Das stimmt wohl", gab Oronêl zu. "Aber Irwyne hat mir Mithrellas auf den Hals gehetzt, und sie hat mir einiges zum Nachdenken gegeben." Amrothos lächelte. "Ich wusste, dass sie nicht so einfach aufgeben würde."
"Hm", machte Oronêl, und wechselte dann das Thema. "Wohin gehen wir?" Amrothos blieb stehen, und das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. "Mein Vater hält Gericht über einen Freund, dessen Verlobte eine Adligen Gondors ermordet haben soll, und als Prinz von Dol Amroth wird meine Anwesenheit dabei erwartet."
"Das klingt nicht sehr angenehm", meinte Oronêl, und Amrothos schnitt eine Grimasse. "Nein. Ich glaube nicht, dass Valion ein Verräter ist, aber mein Vater... er ist sehr prinzipientreu, wie du weißt. Ich hoffe nur, dass er in diesen Zeiten über seine Prinzipien ein wenig hinwegsehen kann. Ich..." Er seufzte. "Ich wäre beinahe lieber wieder in Ethring, dort wüsste ich wenigstens, wie die Dinge stehen."
"In Ethring?", fragte Oronêl nach. "Was ist dort?"
"Wir verteidigen dort die Furten über den Gilrain, und ich war dort stationiert", erklärte Amrothos. "Doch dann ist General Hilgorn gefallen, und ich habe die Botschaft hierher gebracht. Ich bin selbst erst vorgestern eingetroffen, und... Was dort geschehen ist, hat mich davon überzeugt, die Dinge mit Irwyne zu klären, bevor es zu spät ist."
"Und das ist offensichtlich gut ausgegangen", meinte Oronêl trocken. Amrothos wirkte ein wenig verlegen und nickte, bevor er sich zu einem Lächeln zwang. "Also dann. Ich will nicht zu spät kommen, die Predigt, die ich mir anhören müsste..."
"Ich begleite dich", meinte Oronêl. Früher oder später würde er Imrahil und seinen älteren Söhnen ohnehin begegnen, also konnte es auch jetzt sein. Außerdem wirkte Amrothos insgeheim erleichtert, dass er nicht allein gehen musste...

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Das Urteil des Fürsten
« Antwort #41 am: 13. Feb 2019, 15:04 »
Valion und Lóminîth vom Hafen


Getuschel wurde laut, als man Valion und Lóminîth hinein führte. Zwar hatte man keinen der beiden gefesselt, doch acht schwer gerüstete Soldaten umringten sie und führten sie durch die große Halle der Schwanenprinzen, die voller Schaulister war. Alles was in Gondor Rang und Nahmen hatte, schien an diesem Tag anwesend zu sein. Da waren die Lehnsherren Amros, Ardamir, Elatan und Golasgil, sowie die wichtigsten Berater Fürst Imrahils. Beinahe Imrahils gesamte Familie war gekommen, Erchirion und Valirë eingeschlossen; nur die Frau des Fürsten fehlte. Prinzessin Lothíriel und ihre drei Brüder hatten neben dem erhöhten Sitz ihres Vaters Position bezogen. Bei Amrothos stand ein in Grün und Grau gekleideter Elb, der Valion vage bekannt vorkam. Es schien sich um Ladion zu handeln, wie er vermutete. Auch die Herrin Mithrellas, die Begründerin des Hauses von Dol Amroth war anwesend, hielt sich jedoch dezent im Hintergrund.
Valion und Lóminîth erreichten die vorderste Sitzreihe und man wies ihnen gesonderte Plätze direkt zur Linken des zentralen Ganges zu. Ihnen gegenüber auf der rechten Seite der Halle saßen ganz vorne jene, die die Anschuldigung vor den Thron Imrahils gebracht hatten: die Herrin Nengwen von Arandol, Gemahlin Elatans, und ihre Nichte, Magrochil. Beide warfen Valion feindselige Blicke zu.

Als sich alle auf ihren Plätzen eingefunden hatten, erklang von draußen ein lauter Glockenton, der die Mittagsstunde einleitete. Imrahil hob die Hand und das Getuschel verstummte. Der Fürst trug ein blausilbernes Gewand, die Farben seines Hauses, doch sein Umhang war schwarz und in seiner rechten Hand hielt er den Amtstab der Truchsessen Gondors. Er machte eine Handbewegung, und ein Herold trat vor, um den Hofstaat offiziell zu eröffnen. Er begann traditionell in der alten Elbensprache, ehe er zur Allgemeinsprache wechselte.
"Imrahil Adrahilion ó Amrothioní, ernil ar' arachír ó Dol Amroth, arandur connui ó Gondor, Tirn Rochondrim ó Alphriondrim - govennas gondhirrim. Im Namen des Fürsten Imrahil, Sohn des Adrahil, Fürst von Dol Amroth und Truchsess von Gondor, Herr des Silbernen Schwanes und Verteidiger des Königreiches, hört nun, ihr Menschen Gondors und Dol Amroths, den Grund dieses Treffens. Wir sind hier, um die Weisheit des Fürsten zu erbitten und für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Unrecht muss gesühnt werden, nach den Gesetzen unseres Volkes."
Der Herold verbeugte sich und trat beiseite.
Imrahil nickte ernst und nahm das Wort. "Recht sprechen werde ich, wie es die mir auferlegte Pflicht ist, nach den Gesetzen unseres Volkes." Er wandte sich Valion und Lóminîth zu. "Hier stehen vor euch der Lehnsherr Valion, Sohn des Amlan, Herr des Ethirs, und seine Verlobte, Lóminîth, Tochter des Azgarzîr von Umbar."
Ein Raunen ging durch die Menge. Viele hatten bereits über Lóminîths Herkunft Bescheid gewusst, doch offensichtlich nicht alle.
"Es ist mir berichtet worden, dass durch Frau Lóminîths Hand ein Adeliger unseres Volkes zu Tode kam. Desweiteren entzog Valion sich der Eskorte, die ihn nach dem Mord an meinen Hof überstellen sollte. Dies kann nicht hingenommen werden. Deshalb werden wir die Umstände darlegen und ich werde mein Urteil über sie fällen."
Lóminîth warf Valion einen Blick zu, in dem er Sorge, aber auch Zuversicht erkennen konnte. Er nahm ihre Hand und wandte sich wieder dem Fürsten zu.
"Ich rufe zunächst meinen Sohn Erchirion auf, der die Ereignisse mit eigenen Augen mitangesehen hat," sagte Imrahil, und Erchirion trat vor. Er begann, von der Reise nach Anfalas zu berichten und Valion war froh, dass Imrahil Erchirion und nicht Nengwen aufgerufen hatte. Erchirion hatte Valion von Anfang an begleitet und kannte die Umstände der Geschehnisse. Der Fürstensohn gab all das Geschehene im neutralen Ton wieder, und endete damit, dass er Lóminîth, nachdem Valion sich auf Gilvorns Spuren nach Rohan abgesetzt hatte, mit der Eskorte Nengwens nach Dol Amroth überführt hatte, wo man sie unter Hausarrest gestellt hatte.
"Ich danke dir, mein Sohn," sagte Imrahil. "Jetzt soll Valion sprechen und berichten, wie seine Reise nach Norden verlaufen ist."
Valion erhob sich und gab einen detailgetreuen Bericht seiner Jagd auf Gilvorn wieder, der damit endete, wie sie schließlich mit den Booten der Waldläufer Ithiliens nach Tolfalas gelangt waren. An vielen Stellen war erstauntes Raunen im Raum zu hören - bei der Schlacht in Anórien, bei der Befreiung aus Minas Tirith, und beim Hinterhalt in Ithilien. Als Valion geendet hatte, hob Imrahil erneut die Hand, um den Saal zum Schweigen zu bringen.
"Du hast also diesen Gilvorn, der laut deiner Aussage für die Separatistenbewegung in West-Gondor verantwortlich ist, einmal quer durch Gondor und Rohan verfolgt?" fragte Imrahil.
"Ich habe nur den Auftrag befolgt, den Ihr mir selbst gegeben habt," antwortete Valion.
Imrahil nickte leicht. "Du hast eine Frau namens Rinheryn erwähnt, die dich auf dem Großteil deiner Fahrt begleitet hat."
"Rinheryn, die Tochter des Duinhir von Morthond," ergänzte Valion. "Sie wird bestätigen, was ich erzählt habe."
Der Fürst machte eine Handbewegung, und drei Soldaten setzten sich in Bewegung, um Rinheryn zu finden. "Sucht nach Frau Rinheryn, und auch nach dem Herrn Damrod, Sohn des Bregadan, dem Anführer der Waldläufer Ithiliens. Auch seine Stimme muss nun gehört werden," wies der Fürst sie an, ehe sie gingen.
"Bringet nun den Gefangenen hervor."
Zwei Wächter zerrten den gefesselten Gilvorn herein. Valion atmete auf - er hatte bereits befürchtet, Lothíriel hätte den Verräter freigelassen, nachdem sie Valion eingesperrt hatte. Man schleuderte ihn unsanft zu Boden vor die Stufen, die zu Imrahils Sitz hinauf führten.
"Dies ist der Verräter, der für den Tod des Herrn Maecar von Nan Faerrim verantwortlich ist. Erchirions Wort hat dies bestätigt. Über sein Schicksal werde ich später sprechen," sagte Imrahil und blickte Nengwen an. "Herrin Nengwen - Ihr wart es, die die Anschuldigungen gegen Valion und Lóminîth vor mich brachtet. Ich gebe Euch nun die Gelegenheit, eine Strafe einzufordern, doch zunächst müsst Ihr die Identität des Gefangenen bestätigen, denn seine Taten haben den Verlauf der Ereignisse nachhaltig verändert."
"Er ist es," sagte Nengwen mit fester Stimme. "Er war es, der das Gift in die Ohren meines Neffens geträufelt hat. Aber," sie machte eine dramatische Pause, und blickte streng zu Valion und Lóminîth hinüber. "es war nicht er, der Maegonds Herz durchbohrt hat. Das war diese schwarzhaarige umbarische Schlange. Ich fordere ihren Tod."
Lóminîths Hand drückte Valions Finger bei diesen Worten fester, doch sie sagte nichts. Nach außen hin blieb ihr Gesichtsausdruck unverändert.
Nengwen sprach weiter. "Desweiteren fordere ich, dass Valion - und dem Hause Cirgon - der Anspruch auf die Herrschaft des Ethirs entzogen wird. Er ist eindeutig ungeeignet dafür, die Menschen für die er verantwortlich ist, von Untaten abzuhalten."
Viele Stimmen wurden nun in der Halle laut. Nengwen hatte eine deutlich härtere Strafe gefordert, als man es von ihr erwartet hatte. Selbst der Fürst Elatan blickte unbehaglich drein. Er fürchtete wohl, dass der Unmut, der seiner Frau nun entgegengebracht wurde, auch auf ihn übergehen könnte. Doch nicht alle äußerten ihre Ablehnung. Beinahe ein Drittel der Anwesenden stimmte Nengwen zu und forderte sogar noch strengere Maßnahmen.
"Ruhe!" rief Imrahil und brachte die Menge damit zum Schweigen. "Ich habe gehört, was Ihr gefordert habt, Frau Nengwen. Doch bevor ich meinen Spruch fälle, werde ich noch weiteren die Gelegenheit geben, zu Wort zu kommen. Ich frage nun also euch alle: Wer möchte für oder gegen die Beschuldigten sprechen?"
Sofort sprang Magrochil, die Schwester des Ermordeten auf. "Ist Gondor nicht ein Land der Gesetze, mein Fürst?" fragte sie aufgebracht. "Weshalb habt Ihr diese Mörderin nicht unverzüglich hinrichten lassen, wie es die Gerechtigkeit verlangt? Sie hat meinen Bruder kaltblütig ermordet, ohne ihm die Gelegenheit zu lassen, seine Fehler zu bedenken!"
Weitere Fürsprecher Nengwens kamen an die Reihe und wiederholten den Vorwurf, dass Imrahil es überhaupt dazu kommen ließ, Gericht über Lóminîth und Valion zu sprechen. "Sowohl auf Mord als auch auf Fahnenflucht steht nach dem Recht der Könige Gondors der Tod," sagte einer der Adeligen, die Nengwen aus Arandol mitgebracht hatte. "Ihr solltet sie alle beide an den Galgen bringen."
Das löste einen weiteren Aufruhr aus, der sich diesmal trotz Imrahils Autorität nur langsam zur Ruhe bringen ließ. Als wieder Ordnung eingekehrt war, sprachen viele der in Dol Amroth ansässigen Adeligen für Lóminîth und forderten eine Abwendung der Todesstrafe, weil Lóminîth aus ihrer Sicht aus Notwehr gehandelt hatte. Einige wiesen ebenfalls darauf hin, dass Valion mit der Jagd auf Gilvorn nur seine Pflicht im Rahmen von Imrahils Auftrag, die Drahtzieher hinter den Separatisten zur Strecke zu bringen erfüllt hatte und es nur unglückliche Umstände gewesen waren, die dazu geführt hatten, dass er sich unerlaubt von seiner Eskorte entfernt hatte - einer Meinung, der Valion selbstverständlich zustimmte. Dabei fiel ihm auf, dass Lóminîths Fürsprecher allesamt Männer waren, deren Frauen entweder abwesend waren, oder die von einer verdächtig jungen Begleitung unterstützt wurden.
So ging es noch eine ganze Weile hin und her, während Imrahil sich immer wieder mit seinen Söhnen beriet. Schließlich zog er auch seine Vorfahrin Mithrellas hinzu, die jedoch nach Valions aufmerksamer Beobachtung nur wenige Worte sagte, ehe sie sich wieder in den Hintergrund zurückzog. Dabei erhaschte Valion einen besseren Blick auf den zweiten Elben und erkannte, dass es sich dabei definitiv nicht um Ladion handelte. Dieser fremde Elb sah Ladion - und Mithrellas - zwar ähnlich genug, um ein Verwandschaftsverhältnis plausibel zu machen, doch wirkte er distanzierter und nachdenklicher. Wenn er sprach, richtete er sich stets nur an Amrothos, den jüngsten Sohn des Fürsten.

Die laufende Verhandlung wurde unterbrochen, als die von Imrahil ausgesandten Soldaten eintrafen und Rinheryn und Damrod herein führten. Zu Valions Erstaunen befand sich auch der Waldläufer Ardóneth in ihrer Begleitung. Damrod und Ardóneth nannten dem Fürsten ihre Namen und bestätigten in wenigen Worten Valions Erzählung ab seiner Reise von Minas Tirith nach Tolfalas, ehe sie die große Halle wieder verließen. Rinheryn hingegen blieb und überraschte Valion damit, wie sehr sie sich bemühte, das Urteil zu seinen Gunsten zu verändern.
"Valion kann zwar hin und wieder wirklich unerträglich sein, aber er hat das Herz am rechten Fleck," sagte sie und warf Valion ein spitzbübisches Lächeln zu, ehe sie wieder ernst wurde. "Ihr könnt ihn nicht dafür bestrafen, was er getan hat. Im Grunde genommen ist er ein Held, und ich verdanke ihm mein Leben."
"Das ändert nichts an der Tatsache, dass mein Neffe Maegond ermordet wurde," beharrte Nengwen. "Ein Mord lässt sich nicht so leicht abtun, wie es in anderen, unzivilisierteren Ländern der Fall ist."
"Selbst der Herr Faramir nahm Valion nicht in Gewahrsam, als er in Aldburg die Gelegenheit dazu hatte," konterte Rinheryn. "Er hat erkannt, wie wichtig Valions Aufgabe war."
"Und doch ist nicht Faramir Truchsess von Gondor," entgegnete Nengwen. "Er ist nicht hier, um sein Urteil zu sprechen." Sie wandte sich Imrahil zu. "Ich ersuche Euch Gerechtigkeit, mein Fürst."
Imrahil nickte langsam. "Ich habe die Worte gehört, die heute gesprochen wurden und ich werde nun darüber nachdenken, wie ich mit ihnen verfahren soll. Elphir, Erchirion, Amrothos, und Herrin Mithrellas - bitte kommt mit mir." Er ging, gefolgt von den Angesprochenen hinaus, während im Saal leise Gespräche begonnen wurden.
"Sei unbesorgt, Lómi," wisperte Valion. "Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt."
Anstatt einer Antwort drückte Lóminîth seine Hand. Auf ihrem Gesicht lag ein merkwürdiges Lächeln, während sie ihre Blicke durch die Halle schweifen ließ. Valion glaubte, in der Menge einige von den Mädchen wiederzuerkennen, die er in Lóminîths Begleitung gesehen hatte...
Der in Grün gekleidete Elb sah in Valions Richtung, und für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke. Er war sich beinahe sicher, dieses Gesicht schon einmal irgendwo gesehen zu haben, doch Valion konnte sich einfach nicht erinnern, wo.

Nicht einmal zehn Minuten waren vergangen, als Imrahil und seine Begleiter zurückkehrten. Der Fürst reichte dem Herold, der ihn bereits erwartet hatte, eine unterzeichnete Schriftrolle, die dieser feierlich entrollte. Ein Fanfarenton erschallte und brachte die Halle erneut zum Schweigen. Der Herold trat vor, um das Urteil zu verlesen, während Imrahil auf seinem Sitz platznahm.
"Höret nun den Spruch des Fürsten von Dol Amroth und Truchsessen von Gondor!"
Eine Pause, in der alle die Luft anzuhalten schienen.
"Im Beisein seiner ehrwürdigen Söhne und der Hohen Dame Mithrellas, der Tochter des Oronêl und Gemahlin des Imrazôr hat der Fürst folgendes Urteil erteilt: Valion Cirgonion wird von seinen Pflichten als Lehnsherr des Ethirs entbunden werden, bis er sich ihrer als würdig erwiesen hat. Deshalb wird er unverzüglich nach Linhir beordert, denn die Moral der Verteidigungsgarnison ist seit dem Fall des Generals Hilgorn stark gesunken und die Männer brauchen einen Anführer. Sollte sich Valion im Krieg beweisen, werden ihm seine Titel zurückgegeben. Die Herrin Lóminîth wird sein Schicksal teilen und soll mit ihm gehen, denn ihre Intrigen hier am Hofe sind dem Fürsten wohl bekannt und bereiten ihm Sorge. Desweiteren wird dem Verräter Gilvorn die Gerechtigkeit des Truchsessen widerfahren und er soll heute bei Sonnenuntergang hingerichtet werden."
Jubel- und Protestgeschrei erhob sich, doch Valion achtete gar nicht darauf. Hilgorn ist gefallen? dachte er und war von seiner eigenen Bestürzung überrascht. Er hatte Faniel nirgendwo sehen können, und nun verstand er auch, weshalb. Hätte Imrahil ihn nicht nach Linhir entsandt, hätte er womöglich irgendetwas tun können, um der Witwe Hilgorns etwas Trost zu spenden...
Lóminîth hatte offenbar ein anderes Urteil erwartet und blickte finster drein, doch auch Erleichtung war ihr anzusehen. Dass man sie ebenfalls nach Linhir schickte, gefiel ihr nicht im Geringsten.
Die Türen der großen Halle öffneten sich, und der Hofstaat löste sich nach und nach auf. Valion und Lóminîth blieben zurück, während Valirë und Rinheryn sich bei ihnen einfanden. Beide schienen einander bereits kennengelernt zu haben und sie verstanden sich prächtig und waren aufgrund des Urteils in Hochstimmung. "Da siehst du, kleiner Bruder, dass es sich auszahlt, der Schwager eines Prinzen zu sein," sagte Valions Schwester und winkte Erchirion zu, der sich leise mit seinem älteren Bruder Elphir und mit Lothíriel unterhielt. "Mach dir keine Sorgen wegen dem Krieg. Wenn es selbst Hilgorn bislang gelungen ist, die Grenze zu halten, wirst du gewiss bald dafür gesorgt haben, dass diese Orks Linhir nicht mehr freiwillig betreten werden."
Ihren großspurigen Worten gelang es wie so oft, Valion aufzumuntern. Dass er seinen Titel und Rang für den Augenblick verloren hatte, schien ihm ein geringer Preis dafür zu sein, Lóminîths Leben gerettet zu haben. Und dass Gilvorn nun seine gerechte Strafe erhalten würde, hob seine Laune ebenfalls.
"Also gut," sagte er und legte Rinheryn die Hand auf die Schulter. "Dann geht es also zurück in den Krieg. Schließt du dich uns an, Rinya?"
"Worauf du wetten kannst," antwortete die Tochter Duinhirs. "Jemand muss doch dafür sorgen, dass du diese Mission auch unbeschadet überstehst."


Valion und Rinheryn in die Stadt
Oronêl zum Hafen
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Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #42 am: 30. Jun 2019, 02:03 »
Oronêl vom Hafen

Die Schwertklingen prallten funkensprühend aufeinander, und trennten sich wieder. Oronêl machte einen kurzen Schritt zur Seite um Amrothos' nächstem Hieb auszuweichen, täuschte einen halbhohen Schlag an und ließ seine Klinge im letzten Moment direkt gegen Amrothos' Schwert zucken. Dieser ließ sich jedoch von der Finte nicht irritieren, wich dem Schlag ebenfalls geschickt zur Seite aus, während sein eigenes Schwert blitzschnell auf Oronêls Kopf zu fuhr. Oronêl wollte den Hieb blockieren, wie er ihn mit einer Axt blockiert hätte - mit einer Hand nah an der Axtklinge und der anderen am unteren Ende des Stiels. Noch rechtzeitig konnte er seinen Instinkt überwinden und verhindern, dass sich seine linke Hand um die Schwertklinge schloss, doch er war aus dem Konzept gekommen, und nur einen Herzschlag später lag Amrothos' Schwertspitze an seiner Kehle.
"Der dritte Punkt für mich", meinte der Prinz grinsend, und ließ die Klinge sinken. "Damit steht es... nun, Drei zu Null für mich." Er wischte sich mit einer Handbewegung den Schweiß von der Stirn. "Allerdings kann ich nicht behaupten, dass du es mir einfach machen würdest."
"Ich weiß, wie man mit dem Schwert umgeht", erwiderte Oronêl, und ließ probeweise die Klinge kreisen. Amrûns Schwert lag wie festgewachsen in seiner Hand, und die Klinge war perfekt austariert. Und dennoch... "Es sind meine Instinkte", erklärte er. "Grundsätzlich weiß ich, wie man mit dem Schwert kämpft - ich habe es selbst vor langer Zeit gelernt, und ich habe viele gute Schwertkämpfer beobachtet oder gegen sie gekämpft. Aber mit der Axt macht man im Kampf viele Dinge, die man mit dem Schwert nicht tut, und umgekehrt. Und mein Instinkt sagt mir im Zweifelsfall das zu tun, was ich mit Hatholdôr tun würde. Wo er mir sonst das Leben gerettet hat, könnte er jetzt dazu führen, dass ich einen Kampf verliere."
Amrothos nickte. "Nun, ich habe gehört, dass... ältere Leute langsame Lerner sind. Aber du wirst es bestimmt schaffen." "Ich danke deine Zuversicht", gab Oronêl zurück, den Blick scheinbar entspannt zu Seite gerichtet. Im selben Augenblick stieß er mit dem Schwert vor, Amrothos' Klinge, die er nur locker in der Hand gehalten hatte, flog im hohen Bogen davon, und mit einem raschen Fußtritt stieß Oronêl ihn auf den mit Sand bestreuten Boden. Das ganze hatte nur einen halben Herzschlag lang gedauert, und Oronêl setzte Amrothos die Spitze von Amrûns Schwert - seinem Schwert - auf die Brust. "Dass ich ein langsamer Lerner bin heißt nicht, dass ich langsam bin... mein Junge." Amrothos blinzelte ein wenig benommen, und dann lachte er. "Schon gut, ich habe verstanden. Jetzt sei so gut, und nimm dieses Schwert weg." Sein Blick fiel auf etwas hinter Oronêl. "Oh-oh", machte er. "Du hast jetzt ganz andere Probleme."
Oronêl legte das Schwert behutsam auf den Sand, und wandte sich langsam um. Über den Übungsplatz kam mit langen Schritten Irwyne, unverkennbar zornig.
"Vielleicht solltest du..." sagte Oronêl leise zu Amrothos, der hinter ihm auf die Füße kam, doch dieser verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. "Oh nein. Für diesen Schlamassel hast du ganz allein gesorgt, und ich werde mit Freuden dabei zusehen." Oronêl seufzte, und straffte sich innerlich.

Irwyne blieb so nah vor ihm stehen, dass sie sich beinahe berührten. "Wieso bist du noch hier?", fragte sie, und der Klang ihrer Stimme hätte den wärmten Sommertag erkalten lassen können. "Ich dachte, du würdest gehen."
"Ich... habe mich anders entschieden", erwiderte Oronêl, und er selbst begriff, wie schwach es klang. "Als ich das Schiff sah, dass mich nach Westen bringen würde, da... da wusste ich, dass es nicht der Weg für mich war." Irwyne schnaubte verächtlich, und wandte sich Amrothos zu. "Wenn du glaubst, dass ich... dass ich deine blauen Flecke oder was auch immer ihr euch hier zufügt, versorge, dann... dann irrst du dich!" Amrothos' Grinsen verschwand wie weggewischt, und machte einem Ausdruck der Verwirrung Platz, der Oronêl beinahe entschädigte. "Ich? Wieso... was habe ich...", brachte er hervor, doch Irwyne ließ ihn nicht aussprechen. "Du hast es nicht für nötig befunden mir zu sagen, was passiert ist?" Der schuldbewusste Ausdruck auf Amrothos' Gesicht sprach Bände, und Irwyne schoss wutentbrannte Blicke auf ihn und Oronêl ab. "Ihr macht mich krank!" Mit einem Ruck wandte sie sich ab, wobei ihre blonden Haare Amrothos ins Gesicht trafen, und wollte davonstürmen.
"Warte, Siniel", sagte Oronêl leise, und Irwyne blieb abrupt stehen. "Was willst du?", fragte sie, ihnen noch immer den Rücken zugedreht. Oronêl ging um sie herum, und ergriff ihre Hände. "Es tut mir leid", sagte er schlicht. Irwyne wich seinem Blick aus. "Das sollte es auch", gab sie zurück, doch der Zorn schien aus ihrer Stimme zu schwinden. "Ich... ich fürchte, in letzter Zeit habe ich nur mich selbst gesehen", sprach Oronêl weiter. "Nur mein eigenes Leid, meine eigene Trauer, meine eigenen Sorgen. Und in all dem war ich blind für alle, die ich liebe. Es war falsch, dass ich mich nicht von dir verabschiedet hätte, wie es sich gehört hätte. Und es war falsch, dass ich auch jetzt nicht zu dir gekommen bin. Das tut mir Leid, und ich bitte dich um Verzeihung." Bei sich dachte er, dass er sich diese Worte besser merken sollte für den Tag, an dem er Kerry das erste Mal wiederbegegnete...
Irwyne blickte zu Boden, und schniefte. "Ich... konnte den Gedanken nicht ertragen, dass du mich verlassen wolltest, genau wie Amrûn. Das ist selbstsüchtig, ich weiß, aber... alle, die ich gern habe, verlassen mich irgendwann. Ich weiß nicht, ob ich zugelassen hätte, dass du dich verabschiedest, also..." Oronêl schüttelte den Kopf. Er löste eine Hand aus ihrer, und hob ihr Kinn an, damit sie ihm ins Gesicht blickte. "Nein. Die Schuld liegt allein bei mir. Entschuldige dich nicht für Gefühle, die zu haben dein Recht ist. Also? Kannst du mir verzeihen?"
Irwyne schwieg einen Augenblick, dann schlang sie die Arme um ihn, und brach, das Gesicht an seine Brust gepresst, in Tränen aus. Oronêl legte behutsam die Arme um sie, und blickte über ihren Scheitel hinweg Amrothos an. Er hatte das Gefühl, als wäre hätte sich ein Gewicht von mehreren Tonnen von seiner Seele gelöst. "Das heißt wohl ja", sagte er leise, und Amrothos lächelte. "Du bist doch ziemlich gut weggekommen", meinte er. "Sei bloß still." Irwynes Stimme klang dumpf, weil sie immer noch das Gesicht gegen Oronêls Brust gepresst hatte. "Ich bin immer noch wütend auf dich, Dummkopf." Amrothos grinste wie ein Trottel, und Oronêl musste lachen. Sanft löste er sich aus Irwynes Umarmung, und zog das Amulett, dass Aratinnuíre ihm gegeben hatte, hervor. "Erkennst du es?" Irwynes Augen weiteten sich. "Das hat Amrûn getragen. Woher hast du es?"

Oronêl erzählte, wie er Aratinnuíre auf dem Schiff aus Lindon begegnet war, und was sie zu ihm gesagt hatte. Als er zu dem Traum kam, den er von Amrûn gehabt hatte, zögerte er. Er wusste selbst nicht, was dort geschehen war, ob er wirklich mit Amrûn oder seiner Seele gesprochen hatte, oder ob es nur ein Traum gewesen war, den das Amulett und das Schwert ausgelöst hatten. So oder so, Irwyne hatte Amrûn länger gekannt als er und ihm vermutlich noch näher gestanden. Sie hatte ein Recht, alles zu erfahren.
"Als ich das Amulett umgehängt hatte, sah ich Amrûn, an dem Tag, an dem er gefallen ist. Er... er schien seinen Frieden zu haben. Er sagte mir, dass wir nicht jeden Tod verhindern können, weil er zum Leben dazu gehört. Ich denke, er hat Recht. Und er sagte, dass unsere Entscheidung nur darin liegt, zu entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns in Mittelerde gegeben ist. Ich glaube, er hat das Beste mit seiner Zeit angefangen. Und das werde ich auch tun."
Irwyne zog die Augenbrauen zusammen. "Was willst du damit sagen?" Oronêl legte ihr die Hände auf die Schultern. "Ich werde Dol Amroth verlassen - für den Moment." Irwyne öffnete den Mund, wie vor Schreck, doch Oronêl sprach weiter. Sein Instinkt, der ihn im Kampf mit Amrothos im Stich gelassen hatte, verriet ihm nun, was er sagen musste. "Der Kampf um Mittelerde ist noch lange nicht vorrüber, obwohl ich wünschte, es wäre so. Ich fürchte, der heftigste Schlag wird auf Gondor niedergehen, auf das was von Gondor übrig ist."
"Mit anderen Worten, auf Dol Amroth", warf Amrothos leise ein. Irwyne streckte ihm stumm die Hand entgegen, und er ergriff sie. "Ja", meinte Oronêl zustimmend. Der Gedanke machte ihm gleichzeitig Angst und ließ ihn eine merkwürdige Ruhe und Entschlossenheit verspüren. "Ich fürchte, alleine werdet ihr nicht standhalten können, und deshalb werde ich gehen. Ich werde nach Norden gehen, nach Rohan, nach Dunland, Eregion und Arnor. Nach Lindon, nach Imladris und zu Finelleth ins Waldlandreich. Und ich werde euch alle Hilfe senden, die ich finden kann." Bis zu diesem Augenblick war Oronêl sich nicht vollkommen sicher gewesen, was er zu tun hatte, doch jetzt wusste er es. Amrûns Amulett auf seiner Brust fühlte sich warm an.
Irwyne warf Amrothos einen raschen Blick zu. "Vielleicht sollten wir mit dir kommen. Zumindest... zumindest bis nach Rohan. Ich habe gehört, dass sie Edoras wieder aufbauen, und ich würde es gerne sehen. Außerdem könnte ich vielleicht behilflich sein. Und immerhin ist Amrothos der Sohn des Truchsess. Vielleicht kann er Königin Éowyn überzeugen, und Hilfe zu schicken, wenn es soweit ist."
"Das müsste mein Vater entscheiden", meinte Amrothos. "Aber... ich denke, ich könnte ihn überreden."
Irwyne schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "In diesem Fall könnte ich mich dazu durchringen, dir zu verzeihen."
Amrothos legte ihr einen Arm um die Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich habe das Gefühl, Opfer einer Erpressung geworden zu sein. Ich fürchte, ich bin dir nicht gewachsen. Du verbringst zu viel Zeit mit den Hofdamen meiner Schwägerin."
"Ich habe besseres zu tun, als mir auf dem Übungsplatz blaue Flecken zu holen", erwiderte Irwyne hochmütig, und musste dann selbst lachen. Amrothos stimmte ein, und warf Oronêl einen Blick zu. "Ich denke, ich werde weniger blaue Flecken haben als mein verehrter Urahn hier. Er ist ein wenig... eingerostet."
Oronêl verzichtete auf eine Erwiderung, und lächelte lediglich. Auch wenn sein ursprünglicher Plan ein anderer gewesen war, die Aussicht, dass diese beiden ihn nach Rohan begleiten könnten, erwärmte sein Herz und ließ die Zukunft ein wenig heller erscheinen.

Oronêl, Amrothos und Irwyne nach Aldburg
« Letzte Änderung: 8. Jul 2019, 14:07 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Re: Der Palast des Fürsten
« Antwort #43 am: 15. Sep 2019, 23:56 »
Valion, Hilgorn, Ta-er as-Safar und Rinheryn von den Toren...

Vor der Halle des Fürsten drängten sich Stadtbewohner, niedere Adlige vom Land und Kaufleute gleichermaßen, die alle auf eine Audienz mit dem Fürsten von Dol Amroth und Truchsess von Gondor warteten, doch als die Türwächter Valion erblickten, winkten sie ihn und seine Begleiter sofort zu sich.
"Der Fürst ist über eure Ankunft bereits unterrichtet worden, mein Herr vom Ethir", sagte einer der Männer förmlich, konnte sich einen neugierigen Blick in Hilgorns Richtung allerdings nicht verkneifen.
"Großartig", brummte Valion zur Antwort. "Können wir rein?" Anstatt zu antworten ließen die Wächter die beiden großen Türflügel aufschwingen, und nacheinander, Valion und Rinheryn zuerst, Hilgorn nach ihnen und Ta-er als Nachhut, betraten sie die Halle.
Jetzt, dachte Hilgorn, und sein Sehfeld engte sich merkwürdig ein, als er Imrahil auf seinem erhöhten Sitz sah. An den Rändern des Saales standen und saßen verschiedene Adlige, doch Hilgorn nahm niemanden außer Imrahil wirklich wahr. Ich muss es jetzt tun, dann kann es gelingen.
Mit größter Willensstärke legte er die Hand locker auf den Dolchgriff, mit einer unauffälligen Bewegung. Was er vorhatte war ein Verbrechen, ein schreckliches Verbrechen, und irgendein Teil von ihm wollte ihn unbedingt aufhalten. Doch er würde nicht zulassen, dass sein altes, schwaches Ich die Herrschaft übernahm. Er war jetzt stärker als zuvor.
Vorsichtig lockerte er im Gehen den Dolch in der Scheide, und noch bevor sie die niedrigen Stufen, die zum Sitz des Fürsten hinauf führten, zog er die Waffe. Jetzt! dachte er, während eine andere Stimme in seinem Kopf panisch schrie Du wirst alles verderben, du Narr!
Er stach schräg von unten zu, doch zu weit rechts. Die Dolchspitze glitt an gehärtetem Leder entlang, fand eine Lücke und drang tief in das Fleisch darunter ein. Hilgorns Sichtfeld verschwamm, doch der Schmerzenslaut, der wie aus weiter Ferne an sein Ohr drang, war eine weibliche Stimme. Die Frau vor ihm ging zu Boden, während Hilgorn einen langen Schritt über ihren Körper hinweg machte, den blutigen Dolch in der Hand. Jemand packte seinen rechten Arm, und riss ihn herum.
"Was tust du?" Ein männliches Gesicht, umrahmt von dunkelbraunen Haaren. Valion? Da Valion seinen rechten Arm mit eisernem Griff gepackt hatte, hieb Hilgorn ihm die Handkante der Linken gegen die Kehle. Valion taumelte zurück und ließ seinen Arm los, doch als Hilgorn sich umwenden und seinen Weg fortsetzen wollte, traf ihn etwas Hartes gegen den Hinterkopf. Er brach in die Knie, doch das Bewusstsein verließ ihn zur langsam. Sein letzter Gedanke war der erste klare Gedanke, den er seit längerer Zeit gehabt hatte.
Ich hoffe, ich habe Rinheryn nicht ernstlich verletzt...
« Letzte Änderung: 16. Sep 2019, 11:57 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Ein unerwarteter Besucher
« Antwort #44 am: 21. Sep 2019, 22:38 »
Alles hatte so gut angefangen. Je näher sie Dol Amroth gekommen waren, desto normaler hatte Hilgorn sich zu verhalten begonnen und somit Valions Besorgnis nach und nach versiegen lassen. Der General hatte sogar angedeutet gehabt, bei Fürst Imrahil für Valion zum Dank für seine Befreiungsaktion einzustehen, was Valion vermutlich auch bitte rnötig gehabt hätte. So hätten seine Chancen wahrscheinlich gar nicht allzu schlecht gestanden, erneut mit der Missachtung von direkten Befehlen einigermaßen ungeschoren davon zu kommen.

Doch jetzt lag Valion keuchend auf dem glatten Boden der großen Halle der Schwanenprinzen und schnappte angestrengt nach Luft. Die Zeit schien sich verlangsamt zu haben. Hilgorns unerwarteter Schlag hatte ihm die Kehle so sehr eingeengt, dass Valion husten musste, um überhaupt Atem in die Lunge zu bekommen. Mit Mühe stützte er sich halbwegs auf und sah Ta-er as-Safar über ihm stehen, die Hand ausgestreckt um Valion aufzuhelfen. Er hustete ein weiteres Mal und packte dann zu. Als er auf die Beine gekommen war, kam es ihm vor, als würden sich die Ereignisse wieder in normaler Geschwindigkeit abspielen und das laute, chaotische Geschrei der Menge im Inneren der großen Halle stürmte mit einer Wucht auf Valion ein, dass er glaubte, er müsste taub werden. Vor ihm, neben Hilgorns bewusstloser Gestalt, lag Rinheryn in einer Blutlache, halb auf den Stufen zu Imrahils erhöhtem Sitz zusammengebrochen.
"Weg da!" brültte Valion mit aller Kraft die er zusammenbringen konnte und stieß die Wachen, die sich gerade um die gefallene Rinya sammelten brutal beiseite. Das ist alles meine Schuld, dachte er entsetzt. Ich hätte es kommen sehen müssen. Bei Rinheryn angekommen kniete Valion sich neben die junge Frau und drehte sie so vorsichtig es ging auf den Rücken.
"Rinheryn, Rinheryn, sag etwas," rief er. Forderte er. "Komm schon, antworte mir, sag etwas..."
Ihr Gesicht war bleich und zunächst blieb sie ihm jede Antwort schuldig. Aus der Wunde, in der noch der Dolch steckte, rann ein wenig Blut. Valion wagte es nicht, die Waffe zu berühren, auch wenn er froh zu entdecken war, dass Hilgorn nicht die Brust, sondern nur die Schulter Rinheryns getroffen hatte. Als Valion ihr sanft gegen die Wange schlug, flatterten die Augenlider von Duinhirs Tochter und sie bewegte sich.
"Sie atmet!" rief Valion erleichtert. "Holt einen Heiler! Na los doch, eilt euch!"
Die Soldaten reagierten auf den Befehl und eilten davon. Das war der Augenblick, in dem Imrahil langsamen Schrittes die Stufen hinab schritt.
"Valion," begann der Fürst mit leiser Stimme, die von beherrschtem Zorn zeugte. "Wärest du vielleicht so freundlich, mir zu erklären, was hier eigentlich verdammt nochmal los ist?"
Die Lautstärke Imrahils hatte mit jedem Wort zugenommen und mit donnernder Stimme brachte der Herr von Dol Amroth und Gondor seinen Satz zu Ende - und den ganzen Saal zum Schweigen.
"Ich..." war alles, was Valion hervorbrachte.
"Ich glaube, so langsam habe ich genug von dir, Valion," sagte Imrahil drohend.
Es war Ta-er, die Valion rettete. Sie hielt respektvoll Abstand und hatte ihre Kapuze abgesetzt - es war das erste Mal, dass Valion die geheimnisvolle Assassine ohne Verhüllung sah. Er war erstaunt, in ein makelloses Gesicht ohne jegliche Narben zu blicken, dessen vertraute, dunkelbraune Augen dem Blick des mächtigen Fürsten von Dol Amroth ohne Mühe standhielten. Ta-er machte einen Schritt nach vorne - nur einen - und neigte das Haupt vor Imrahil. "Wenn Ihr erlaubt, Fürst. Ich werde Euch alles erklären."
Imrahils Miene blieb hart, als er Ta-er musterte, doch in seinen grauen Augen blitzte eindeutiges Interesse auf. "Und was bringt eine Assassine aus dem Süden an meinen Hofe? Es wäre nicht das erste Mal, dass Valion eine Frau von... fragwürdigem Hintergrund von seinen Abenteuern in die Schwanenstadt bringt."
"Oh, das glaube ich Euch gerne, mein Fürst," sagte Ta-er, jedoch ohne zu lächeln. "Seid unbesorgt. Ich bin mit Valion nicht auf diese Art und Weise verbunden."
"Dass Ihr kein Feind seid, dachte ich mir schon in dem Augenblick, in dem ihr meinen besten General so geübt niedergestreckt habt. Ich hoffe, ihr habt ihn nur betäubt und nicht getötet - ich hätte da nämlich die eine oder andere Frage an ihn."
Valion war froh, dass sich Imrahils Zorn zu geradezu neugierigem Interesse gewandelt hatte. Ein rascher Seitenblick des Fürsten zeigte Valion jedoch, dass der Herr der Schwäne ihn nicht vergessen hatte.
"Er wird sich erholen. Doch ich fürchte, Ihr solltet ihn bis auf Weiteres einsperren," sagte Ta-er. Derweil waren endlich die Heiler eingetroffen und kümmerten sich um Rinheryn, die zwar noch immer etwas Blut verlor, aber nicht danach aussah, als würde sie innerhalb der nächsten Minuten sterben. Valion atmete erleichtert auf, während er der Unterhaltung weiter folgte.
"Schafft ihn in eine der Zellen unter dem Palast und seht zu, dass er Nahrung und etwas zu Trinken erhält," befahl der Fürst seinen Dienern. "Und gebt mir sofort Bescheid, wenn der General erwacht." Während vier Männer Hilgorn eher unsanft aufhoben und davontrugen, wandte sich Imrahil wieder der Attentäterin zu. "Also denn. Nennt mir Euren Namen, Assassinin, und erzählt mir, was ich wissen möchte."
Ta-er begann ihren Bericht damit, dass sie dem Fürsten von der Lage auf der Insel Tol Thelyn berichtete und dass sie auf Edrahils Empfehlung hin nach Gondor gekommen war. Sie erzählte dann in kurzen und prägnanten Sätzen von ihrer Ankunft in Linhir und ihrer ersten Begegnung mit Hilgorn und dessen Gefangennahme durch Arnakhôrs Leute. Als sie an die Stelle kam, an der sich Valion entschieden hatte, Hilgorn zu retten, wandte Imrahil ihm den Kopf zu und musterte Valion streng, jedoch ohne die Erzählung zu unterbrechen. Rasch fasste Ta-er noch den Ablauf der Befreiungsaktion und den Ritt nach Dol Amroth zusammen.
"Also sagt Ihr, dass diese schwarzen Númenorer irgend etwas mit Hilgorn gemacht haben, das ihn zu einer Gefahr werden ließ," fasste Imrahil zusammen und rieb sich nachdenklich das Kinn. "Gewiß war ich selbst das eigentliche Ziel, und nicht die arme Rinheryn." Bei der Nennung ihres Namens blickte Rinya schwach auf und sie versuchte, sich aufzustützen. Sanft, aber bestimmt hielten die Heiler sie zurück.
"Wie steht es um meine tapfere Verteidigerin?" erkundigte sich der Fürst.
"Sie wird es überstehen," sagte der älteste der Heiler. "Die Dame wird sich einige Zeit erholen müssen, aber sie wird durchkommen."
Valion suchte Rinheryns Blick. Schwach lächelte sie ihm entgegen. Dann ließ sie zu, dass die Heiler sie auf eine Trage hievten und davontrugen.

"Nun denn," sagte Imrahil. "Ta-er as-Safar. Ich danke Euch für Euren Bericht. Valion - hat sie die Wahrheit gesagt, oder möchtest du irgend etwas davon korrigieren?"
"Sie hat Euch nicht angelogen, mein Fürst," antwortete Valion.
"Das ist gut," meinte der Herr von Dol Amroth. "Dann werden wir nun..."
Weiter kam er nicht. Aus den Tiefen der Halle, die sich inzwischen nach und nach geleert hatte, kam einer der Palastwächter geeilt. "Mein Fürst!"
"Was gibt es?"
"Ihr habt einen Besucher, mein Fürst," sagte der Wächter, außer Atem. "Aus dem fernen Reich von Kerma."
"Ich denke nicht, dass dies die beste Zeit für..." begann Valion, doch Imrahil hob die Hand.
"Noch mehr Haradrim? Nun, dies ist nicht der seltsamste Zufall an diesem denkwürdigen Tag. Ich werde ihn empfangen. Und du, Valion, wirst an meiner Seite bleiben, bis diese Angelegenheit erledigt ist."
Imrahils Ton duldete keine Widerrede. So fand sich Valion neben dem Sitz des Herrn der Schwanenritter ein, auf dem dieser sich nun wieder niederließ.
"Prinz Gatisen von Kerma, Abgesandter seines Onkels, seiner Majestät Músab bin Kernabes, König von Kerma und Schutzherr von Assuit!" kündigte einer der Begleiter des Haradrim-Prinzen den Besucher an, als dieser die Halle durchquerte und einige Schritte vor den Stufen stehenblieb, die zu Imrahils Sitz hinauf führten.
"Willkommen, Prinz Gatisen," sagte Imrahil.
"Ihr steht vor Imrahil, Adrahils Sohn, Fürst von Dol Amroth und herrschender Truchsess von Gondor," sagte Valion nach einem auffordernden Seitenblick Imrahils.
Gatisen war ein Mann in Valions Alter. Er trug feste Reisekleidung von hoher Qualität. Quer über seine Brust hing eine rote Schärpe, auf die ein stilisierter schwarzer Múmak gestickt war. Valion erschauerte als er sich daran erinnerte, wie jene Kriegsbestien in der Schlacht auf den Pelennor-Feldern gegen die Heere Rohans und Gondors gewütet hatten. Gatisens Haar und Augen waren dunkel und sein Hautton ähnelte dem der südlicheren Haradrimstämme. Valion war sich nicht ganz sicher, wo das Königreich von Kerma genau lag, doch er vermutete es jenseits der großen Wüsten hinter Umbar, wenn nicht sogar noch weiter entfernt.
Der Prinz hatte zwei Begleiter: einen Diplomaten, der eine Truhe mit sich führte, und eine junge Frau, quasi noch ein Mädchen, mit glänzendem schwarzen Haar, das ein dünnes weißes Kleid und einen wallenden, hellroten Umhang trug, der ihr zu beiden Seiten über Schultern und Arme fiel, sodass ihre Hände und ihr Oberkörper nahezu verborgen waren.
"Ich danke Euch für Eure Zeit, Fürst Imrahil," sagte Gatisen. Er sprach Westron gut, mit einem hörbaren südländischen Akzent, jedoch fließend und ohne zu stocken. "Ich überbringe Euch die freundschaftlichen Grüße meines Onkels, dem Qore Músab, und ein Geschenk Seiner Majestät - Adiq, bitte..."
Der Diplomat kniete nieder und öffnete langsam die Truhe. Darin lag ein edles Schwert nach Art der Haradrim, über und über mit Gold verziert.
Imrahil gab Valion mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung zu verstehen, die Waffe entgegenzunehmen. Also ging Valion die Stufen hinab und entnahm das kermische Schwert vorsichtig aus der Truhe. Es lag leicht in seiner Hand, trotz des Goldes. Gerne hätte er es ein wenig ausprobiert, doch dies war weder die Zeit noch der Ort dafür. Gemessenen Schrittes kehrte er an Imrahils Seite zurück und reichte das Geschenk König Músabs an den Fürsten von Dol Amroth weiter, welcher es mit Interesse in Augenschein nahm.
"Dies scheint mir eine Gabe von hohem Wert zu sein," meinte Imrahil. "Sagt mir, Prinz Gatisen... was bezweckt König Músab mit diesem Geschenk? Gewiß ist es nicht aus reiner Herzensgüte in meine Hand gelangt."
"Ihr seid weise, mein Fürst," erwiderte Gatisen mit einem Nicken. "Mein Qore erhofft sich die Freundschaft der Herren von Dol Amroth und Gondor und die Aufnahme von freundlichen Beziehungen. Handel ließe sich zwischen unseren Reichen treiben und der Austausch von Wissen wäre sicherlich von Nutzen für unsere Völker."
"Nun, ich bin einem solchen Angebot nicht abgeneigt, das gebe ich zu," sagte Imrahil mit Bedacht. "Doch Ihr müsst verstehen, dass der Múmak von Kerma hier in Gondor nicht viele Freunde hat. Viele von uns haben auf dem Pelennor mit eigenen Augen gesehen, was diese Tiere anrichten können. Und entspricht es nicht der Wahrheit, dass die Múmakîl, die auf Befehl des Dunklen Herrschers Gondor verheerten, zum Großteil aus Kerma stammten?"
Valion beobachtete Gatisen aufmerksam, doch der Prinz verzog keine Miene.
"Darüber hinaus," fuhr Imrahil fort, "ist es mir zu Ohren gekommen, dass Kerma eines der Reiche ist, das dem aufstrebenen Malik der Haradrim, Qúsay bin Nazir, die Treue geschworen hat und sich seinem Malikat angeschlossen hat. Wir stehen im Bunde mit Qúsay und seinem Reich. Weshalb schickt König Músab also nun einen eigenen Unterhändler an meinen Hof, anstatt sich von Qúsay oder dessen Untergebenen vertreten zu lassen?"
Ein Schatten zog über Prinz Gatisens Gesicht. "Mein Onkel hat sich mit Qúsay überworfen. Er wünscht, dass Kerma unabhängige Verbündete findet. Unser Land hat gerade erst einen blutigen Krieg überstanden und braucht neue Handelspartner."
"Ihr versteht sicherlich, dass ich keine Truppen entbehren kann, um sie bis nach Weit-Harad zu entsenden," stellte Imrahil klar. "Auch werde ich mein Bündnis zu Qúsay nicht leichtfertig aufkündigen. Doch über Handel lässt sich ohne Bedenken sprechen, wie ich meine. Ich bin mir sicher, dass Waren aus Kerma in den Häfen Gondors eifrige Käufer finden würden, wenn sie auch nur annährend die Qualität jenes Schwertes haben, dass König Músab mir sandte."
Prinz Gatisen nickte verstehend. "Gewiß, mein Fürst. Ich werde meinen Untergebenen mit Eurem Quartiermeister sprechen lassen, um die Details im Bezug auf den Handel zu klären, und danke Euch erneut für Eure Zeit." Er verbeugte sich galant, ehe er sich umdrehte und ging, gefolgt von dem jungen Mädchen. Der kermische Diplomat blieb, bis Imrahil den Quartiermeister rufen ließ.
"Ich habe über vieles nachzudenken, Valion", sagte Imrahil und stand auf. "Du solltest dich derweil mit deiner Verlobten im Haus vom Schwarzsegel treffen. Wir werden uns morgen wegen deiner Taten unterhalten..."

Nachdem er Rinheryn in den Heilhallen einen Besucht abgestattet hatte und die verwundete junge Frau schlafend, aber einigermaßen wohlauf vorgefunden hatte, verließ Valion mit gemischten Gefühlen  den Fürstenpalast und machte sich auf die Suche nach Lóminîth, die inzwischen mit dem Schiff aus Linhir eingetroffen sein musste...
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