Oronêl, Finelleth, Celebithiel, Mírwen und Kerry vom ElbenpfadNicht lange nach Mathans Abschied erreichten sie den rasch fließenden Fluss, dessen Rauschen Oronêl bereits von Ferne gehört hatte. Das Wasser strömte unter ihnen weißschäumend durch eine enge Felsschlucht, über die sich eine einzelne steinerne Brücke spannte. Auf der anderen Brücke erhob sich ein hoher, von mächtigen Bäumen überwucherter Hügel, in dessen der Brücke zugewandte Flanke ein großes Tor geschlagen war. Am Anfang der Brücke standen zwei Wächter, die in ähnliche Rüstungen wie Angvagor gehüllt und mit Speeren mit elegant geschwungenen Klingen bewaffnet waren. Auf der anderen Seite, vor dem Tor, erkannte Oronêl weitere Wachen, und eine weibliche Gestalt mit rotblonden Haaren, die eher wie eine Späherin gekleidet war.
"Der Nachtwaldfluss", sagte Finelleth, und deutete hinunter in die Schlucht. "Schon immer hat er unsere Hallen geschützt - und doch hat es nicht ausgereicht, um diese Hallen vor dem Zugriff Saurons zu bewahren... noch vor dem Sarumans."
"Gib acht was du sagst", sagte Galanthir leise und warnend. "Saruman hat große Macht hier - auch in den Herzen und Köpfen unserer Krieger."
Oronêl schüttelte den Kopf. Er verspürte keinen Zorn, sondern nur Verwunderung - und vielleicht Enttäuschung. "Haben sie denn vergessen, was Saruman in Lórien getan hat? Wie es kam, dass der goldene Wald sich nun in seinen Händen befindet?"
"Niemand, der in Lórien war, kann das vergessen", erwiderte Angvagor, während sie auf die Brücke traten. "Doch es ist schwer, der Stimme des Zauberers zu widerstehen. Erst recht nicht, wenn er seine Versprechen erfüllt - er hat uns unsere Heimat wiedergegeben." Oronêls Blick entgingen nicht die Spuren, die die Besetzung durch Saurons Orks hier hinterlassen hatten. Auf vielen Steinen waren verblasste Symbole des roten Auges zu erkennen, und einer der Flügel des großen Tores wirkte, als wäre er noch vor kurzem aus den Angeln gerissen gewesen.
"Ja, als Heimat seiner Diener...", murmelte Finelleth vor sich hin. Sie erreichten das Ostende der Brücke und traten hinaus auf den kleinen Hof vor dem Tor. Über dem Tor wehte das grüne Banner des Waldlandreichs, doch daneben hing wie eine stumme Erinnerung an den wahren Machthaber die weiße Hand Sarumans. Oronêl trat neben Finelleth, deren Schritte langsamer und zögerlicher geworden waren, und die nun ihre Blicke über den Hof schweifen ließ. Die Macht und Autorität, die sie zuvor ausgestrahlt hatte, waren beinahe verschwunden, doch, so hoffte Oronêl, nicht vollständig. Wenn sie vor Thranduil traten, würden sie nicht Finelleth, die Späherin, sondern Faerwen, die Königstochter, brauchen.
"Es hat sich... nicht so sehr verändert", sagte Finelleth leise. "Ich hätte gedacht, dass ich es kaum wiedererkennen würde."
"Das ist doch gut, oder?", meinte Kerry, die auf der anderen Seite neben sie getreten war, aufmunternd. "Keine Orks weit und breit zu sehen - vielleicht hat Saruman hier weniger Macht als er gerne hätte."
"Du solltest ihn nicht unterschätzen, Kerry", warf Celebithiel ruhig ein. "Saruman ist gerissen und listig. Selbst wenn er und seine Orks nicht hier sind heißt es nicht, dass er dieses Land nicht in seinem festen Griff haben kann." Oronêl konnte ein schiefes Lächeln nicht unterdrücken. "Du verstehst es wirklich, uns allen Mut zu machen", meinte er. "Dennoch fürchte ich, dass du nur die Wahrheit sagst."
In der Zwischenzeit hatte Finelleth sich der jungen Späherin zugewandt, die an einer der Säulen neben dem Tor lehnte, und die Neuankömmlinge aufmerksam und mit einer Spur Neugierde musterte. "Ich kenne dich", meinte Finelleth. "Eryniel, Curuhirs Tochter, richtig?"
Eryniel nickte. "Das ist richtig. Es ist gut, dass du zurück bist, Finelleth." Sie sprach ohne Scheu, doch mit deutlich zu hörendem Respekt in der Stimme. Offenbar wusste sie Bescheid, wer genau Finelleth war. "Vielleicht hilft deine Rückkehr, den König zur Vernunft zu bringen..." Sie verstummte plötzlich, und warf den Torwächtern einen misstrauischen Seitenblick zu, der Oronêl gar nicht gefiel. Misstrauen schien unter Sarumans Einfluss zu gedeihen wie Unkraut - hoffentlich war es nicht bereits zu spät. Finelleth schenkte der jungen Elbin ein kleines Lächeln. "Wir werden sehen, was geschieht..."
Angvagor hatte in der Zwischenzeit leise mit den Torwächtern gesprochen, und die Flügel des Tores schwangen nun langsam auf.
Finelleth ging voran, flankiert von Angvagor und Galanthir. Oronêl und Mírwen kamen hinter ihnen und hatten Kerry in die Mitte genommen, während Celebithiel den Schluss bildete. Ihre Gegenwart beruhigte Oronêl, obwohl er die Nervosität spürte, die von seiner alten Freundin ausging. Doch er wusste, dass sie nicht durch die Blicke der Wächter an den schlanken Säulenpaaren oder die grauen Gestalten der Dúnedain in den Schatten dahinter bedingt war, sondern durch jemand anderes.
Ihr Weg führte sie durch die lange, dämmrige Eingangshalle, bis die Wände zu beiden Seiten zurückwichen, und sie in eine große Höhle hinabblickten, die von einem verzweigten System aus Treppen, Plattformen und kleinen Pavillons durchzogen war. Mächtige Baumwurzeln ragten aus Wänden und Decken hervor, und der Waldfluss zog sich als schimmerndes Band, in dem sich die vielen kleinen Lampen, die die Thranduils Hallen erhellten, spiegelten, mitten hindurch.
Angvagor und Galanthir führten sie eine Treppe hinab und einen schmalen Pfad durch die Mitte der Höhle, wobei sie erneut auf einer schmalen Brücke den Fluss überquerten. Überall waren noch Spuren der Zerstörung zu sehen - hier und da waren Statuen umgestürzt oder beschädigt, Holz durch Feuer geschwärzt und Steine beschmiert. Vieles war bereits mehr oder weniger notdürftig repariert und gesäubert, doch das Ausmaß der Verwüstung, das Saurons Orks hier angerichtet haben mussten, war noch immer spürbar. Neben Oronêl blickte Kerry sich mit großen Augen um, doch auch sie schien die Schäden wahrzunehmen, denn auf ihrem Gesicht mischte sich Erstaunen mit Kummer, und sie blieb still. Finelleth blickte stur geradeaus und ließ sich nicht anmerken, dass der Zustand ihrer Heimat sie bedrückte. Eine leise Stimme in Oronêls Hinterkopf fragte sich, ob es in Lórien eines Tages auch so sein würde - oder ob Lórien für immer zerstört und verloren war.
Immer mehr Elben und einige wenige Dúnedain versammelten sich entlang des Weges, denn anscheinend hatte sich herumgesprochen, wer sich unter den Neuankömmlingen befand. Während die Elben vielfach Neugierde oder sogar Freude zeigten, waren die Gesichter der Dúnedain verschlossener und teilweise feindselig. Oronêl vermutete, dass sie noch weitaus tiefer unter Sarumans Bann standen, als Thranduils Volk. Doch je länger Saruman seine Macht hier ausübte, desto mehr würden die Elben des Waldlandreichs wie Helluins Gefolgsleute werden.
Das Herz der Hallen bildete eine runde, erhöhte Plattform, an deren Ende sich ein Thronsitz erhob. Der Thron war in das Ende einer dicken, von der Decke hängenden Wurzel, geschlagen, und am oberen Ende mit einem Geflecht aus kunstvoll geschnitzten Ästen verziert. Einige der Schnitzereien waren abgebrochen und auf anderen waren noch Reste von roter Farbe zu erkennen, doch der Thron strahlte noch immer ein Gefühl der Macht und Würde aus. Auf dem Thron saß ein großer Elb mit den gleichen hellen Haaren wie Finelleth, den Oronêl sofort wiedererkannte. Neben dem Thron stand ein Mensch mit schulterlangen, schwarzen Haaren und bleichem Gesicht, der einen silbernen Reif mit einem hellen Stein auf der Stirn trug. In ihm vermutete Oronêl Helluin, den Anführer der Dúnedain in Sarumans Diensten und Belens Konkurrenten.
Auf der Plattform angelangt traten Angvagor und Galanthir beiseite, und Thranduil beugte sich auf seinem Thron ein Stück vor. Seine Augen wanderten über die Gruppe, während sein Gesichtsausdruck kalt und hart blieb.
"Die Späherin Finelleth kehrt zurück", sagte er schließlich kühl. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dir gestattet zu haben, das Heer zu verlassen."
"Das hast du auch nicht getan", erwiderte Finelleth mit einer Stimme, der kein Zittern anzumerken war. Oronêl spürte unwillkürlich eine Welle von Stolz auf sie - sie war jetzt nicht die Späherin Finelleth, die sie so lange gewesen war und zu der ihr Vater sie machen wollte, sondern mit Haut und Haar Faerwen, die Prinzessin und Thronerbin des Waldlandreiches. "Allerdings brauche ich deine Erlaubnis nicht um irgendwo hinzugehen,
Vater. Und ich hatte kein Interesse daran an der Seite derer in meine Heimat zurückzukehren, die die Heimat unserer Verwandten zerstört haben."
"Genug", schnitt Thranduil ihr das Wort ab, und der Blick seiner dunkelbraunen Augen wanderte weiter zu Oronêl, der den Blick ruhig erwiderte. Er wusste nicht, wie sehr Thranduil unter Sarumans Einfluss stand, und er wusste auch nicht, wie viel Thranduil - und Saruman - über die Dinge wussten, die er und die anderen westlich des Gebirges getan hatten. Doch ihm war klar, dass er sich keinesfalls ein Anzeichen von Schwäche leisten konnte - und es fiel ihm auch nicht schwer, denn er fürchtete Thranduil nicht.
"Oronêl, Sohn des Ardir und Freund und Berater Amdírs", richtete Thranduil das Wort an ihn. "Ich habe seit Aldburg geahnt, dass wir uns nur allzu bald wiederbegegnen werden."
Oronêl zuckte mit den Schultern. "Dazu gehört nicht sonderlich viel Voraussicht, um das zu erahnen, Vetter. Immerhin sind du und deine Tochter beinahe die einzige Verwandschaft, die ich in Mittelerde noch habe - und es ist schmerzhaft zu sehen, wie sehr du vom Weg deines Hauses abgekommen bist." Thranduil lehnte sich in seinem Thron wieder zurück, und sein Gesicht war beinahe unmerklich blasser geworden.
"Ich bin nicht derjenige, der vom Weg abgekommen ist", gab er dennoch mit ruhiger Stimme zurück. "Ich bin derjenige, der alles dafür tut seinem Volk seine Heimat zurückzugeben - selbst wenn es Opfer erfordert." "Opfer, die zu groß sein könnten", warf Finelleth ein, doch ihr Vater beachtete sie nicht. "Ich bin nicht derjenige, der sein Volk im Stich gelassen hat, und es den Launen der Noldor ausgeliefert hat."
Oronêl zuckte zusammen, denn Thranduil hatte einen wunden Punkt an ihm getroffen. Natürlich hatten Galadriel und Celeborn gut über Lothlórien geherrscht, und dennoch hatte Thranduil nicht vollkommen unrecht. Nachdem Amroth Mittelerde verlassen hatte, hätte eigentlich Oronêl sein Amt übernehmen sollen, doch er hatte sich der Verantwortung entzogen.
"Gib acht, was du über die Herrin Galadriel sagst", mischte sich eine neue Stimme ein, bei deren Klang ein Lächeln über Celebithiels Gesicht ging. Hinter ihnen kam Glorfindel die Treppe zum Thron hinauf, und sein goldenes Haar glänzte im Schein der Laternen. Er nahm Celebithiels Hände, und sagte: "Es ist schön dich zu sehen, Gwilwileth - auch wenn hier nicht alles so ist, wie es sein sollte." Dann wandte er sich wieder Thranduil zu. "Die Noldor sind nicht besser oder schlechter als andere Elben", sprach er. "Und Frau Galadriel hat weise und gerecht über Lothlórien geherrscht, ebenso gut oder besser, als jeder andere es gekonnt hätte."
"Ist das so?", fragte Thranduil leise. "Ist es nicht ihre Schuld, dass der Goldene Wald unterging? Sind nicht ihre Missachtung Curunírs und ihre Intrigen gegen ihn der Grund, warum er zu diesem Angriff gezwungen wurde? Hätte sie mit ihm zusammengearbeitet, hätte viel Leid vermieden werden können, doch sie ließ ihm keine Wahl."
"Saruman bietet keine Zusammenarbeit", sagte Oronêl, und zwang sich mühsam dazu, ruhig zu sprechen. Der Zorn, den er vorher nicht empfunden hatte, brach sich bei Thranduils Worten allmählich bahn. "Saruman will beherrschen, und Saruman will angebetet werden. Für ihn gibt es nur Macht, und die Rache an denen, die ihn gekränkt haben."
"Und aus dir höre ich nur Saruman sprechen." Auch in Finelleths Stimme hörte Oronêl nur unzureichend beherrschte Wut und Enttäuschung. "Du bist seine Marionette, kein echter König - vielleicht bist du nicht einmal mein Vater." Ein Raunen ging durch die Zuschauer, als Thranduils Hände sich um die Lehnen des Throns verkrampften und der König sich gerade noch davon abhalten konnte, wütend aufzuspringen.
"Nein, vielleicht bin ich das nicht. Mein einzig wahres Kind starb in Mordor, durch die Hände von Saurons Schergen", stieß er hervor. "Vor mir sehe ich nur die untreue Späherin Finelleth, die sich weigert zu gehorchen. Galanthir, Angvagor - bringt sie in ihre Gemächer, wo sie bleiben wird, bis ich mich mit ihr befasst habe."
Die beiden Wächter zögerten, und tauschten unbehagliche Blicke. Ihnen war sichtlich unwohl bei der Angelegenheit, und so fügte Thranduil hinzu: "Wenn ihr ihre Freunde seid, dann tut, was ich euch sage. Ich bin euer König, und nicht sie." Angvagor warf Finelleth einen unsicheren Blick zu, und sie nickte beinahe unmerklich, wobei sie Thranduil nicht aus den Augen ließ. Galanthir und Angvagor nahmen sie in die Mitte, und führten sie die Treppe hinunter vom Thron weg.
Als sie fort waren, wandte Thranduil sich den übrigen zu. "Du, Oronêl, bist trotz allem mein Vetter", sagte er. "Ich erinnere mich an einen Besuch von dir und Amdír in diesen Hallen, als mein Vater König und ich noch ein Kind war - und im Gedanken an diese Verwandschaft will ich dir gestatten, dich frei in meinem Reich zu bewegen, solange du deine Waffen nicht bei dir trägst - trotz deiner Taten und Zusammenarbeit mit den verräterischen Dúnedain und Dunländern in Eriador." Oronêl neigte den Kopf. Er war nicht besonders glücklich darüber, sich nur waffenlos bewegen zu können, doch er glaubte nicht, dass ihm in Thranduils Hallen wirkliche Gefahr drohte - zumindest nicht, solange Saruman nicht dort war. Wie Finelleth hatte er erkannt, dass man manche Schlachten auf anderen Schlachtfeldern schlagen musste. Außerdem hatte Thranduil ihm verraten, dass Saruman sehr genau über die Geschehnisse westlich der Berge Bescheid zu wissen schien.
Thranduil wandte sich an Celebithiel. "Celebithiel von Imladris, aufgrund deiner... Beziehung zu Glorfindel gilt für dich das gleiche: Du kannst dich frei bewegen, solange du deine Waffen in den dir zugewiesenen Gemächern zurücklässt." Die ganze Zeit über hatte Glorfindel Thranduil nicht aus den Augen gelassen, und Oronêl fragte sich, was er getan hätte, hätte Thranduil anders entschieden.
"Dich kenne ich nicht", fuhr Thranduil fort, und sein Blick wanderte von Mírwen zu Kerry. "Und dieses Menschenmädchen ebenfalls nicht. An euren Blicken erkenne ich, dass ihr Feinde Curunírs seit, also kann ich euch nicht vertrauen. In Anbetracht der Gesellschaft, in der ihr gekommen seid, werde ich euch nicht in die Kerker bringen lassen..." Kerry schnappte vor Empörung oder Schrecken hörbar nach Luft, und auch Mírwen war eine Spur blasser geworden als üblich. Offenbar hatten beide damit gerechnet, ebenso behandelt zu werden, wie ihr Gefährten. Oronêl wartete angespannt ab, was Thranduil entscheiden würde, und ließ den König dabei nicht aus den Augen. Er würde nicht akzeptieren, dass Thranduil die beiden fortschickte. "... sondern euch lediglich verbieten, eure Gemächer zu verlassen, bis ich entschieden, wie ich mit euch umgehen soll", beendete Thranduil seinen Satz.
"Das kann nicht euer Ernst sein", platzte Kerry heraus, und errötete, als alle Augen sich auf sie richten. "Ihr könnt uns doch nicht einfach einsperren."
"Ich kann, und ich werde", entgegnete Thranduil, und sein Blick war kalt. "Aber wenn dir die Gemächer nicht gut genug sind, Mädchen... Unsere Kerker sind inzwischen größtenteils von dem Unrat geräumt worden, den Saurons Ungeziefer dort hinterlassen hat. Ich könnte mich auch entschließen, dich dort einzuquartieren."
"Das wird nicht nötig sein", ergriff Mírwen zum ersten Mal das Wort, und legte eine Hand auf Kerrys Schulter. "Wir werden eurem Wunsch Folge leisten - ich nehme an, es spricht nichts dagegen, uns dann zumindest gemeinsam unterzubringen?" Oronêl warf ihr ein dankbares Lächeln zu.
Thranduil schien einen Moment über ihren Vorschlag nachzudenken, dann nickte er. "Also schön. Malduin?" Ein in graue Gewänder gekleideter Elb trat neben seinen Thron. "Zeigt unseren... Gästen, ihre Gemächer."
Oronêl, Kerry und Mírwen folgten Malduin die Treppe hinunter, durch die große Höhle hindurch in einen Nebengang. Celebithiel war bei Glorfindel zurückgeblieben, und Oronêl konnte sie verstehen - schließlich war einige Zeit vergangen, seit sie ihren Liebsten gesehen hatte. Malduin führte sie durch einige Nebengänge und eine Treppe hinauf, bis zu einem Komplex aus mehreren spärlich eingerichteten Zimmern, die kleine, in die Flanke des Hügels gehauene, Fenster aufwiesen. "Bitte verzeiht die Einrichtung", sagte er entschuldigend. "Die Orks haben viel zerstört oder fortgeschleppt, und wir konnten noch nicht alles ersetzen."
"Es wird schon ausreichen...", erwiderte Oronêl nachdenklich. "Sagt mir, Malduin, wo finde ich die Gemächer, in denen Finelleth untergebracht wurde?" Malduin beschrieb ihm bereitwillig den Weg, woraus Oronêl schloss, dass es ihm nicht verboten war, seine Gefährtin aufzusuchen, und entschuldigte sich dann. "Ich habe noch einiges zu erledigen - das Chaos, was die Orks hier angerichtet hatten, ist unbegreiflich."
Als er fort war, ließ Kerry sich auf einen nach frischem Holz duftenden Stuhl fallen, und sah offensichtlich unzufrieden aus. "Ich kann es nicht fassen, dass Finelleths Vater uns hier einsperrt", sagte sie. "So hatte ich mir das nicht vorgestellt - ich dachte, wir würden ihn davon überzeugen, dass er falsch handelt."
"Eine Schlacht ist noch nicht der Krieg", erwiderte Oronêl. Er konnte Kerrys Frustration verstehen, doch sein eigener Zorn und seine Enttäuschung hatten zu schwinden begonnen. Langsam ergriff ihn ein seltsamer Tatendrang - er würde tun was er konnte, um Sarumans Einfluss auf das Waldlandreich Stück für Stück zu lockern. "Und das hier war noch keine Schlacht", fuhr er fort. "Es war ein erstes Abtasten, könnte man sagen. Wir haben gesehen, wie es um Thranduil und sein Volk steht, und welche Macht Saruman hier ausübt - und jetzt können wir etwas dagegen tun."
Kerry schnaubte verächtlich. "Du meinst, du und Celebithiel könnt das - wir anderen sitzen ja fest."
"Eins nach dem anderen, Kerry", meinte Oronêl. "Ich hoffe doch, dass wir euch ebenfalls mehr Bewegungsfreiheit verschaffen können."
"Das wäre schön." Mírwen hatte sich Kerry gegenüber auf einem Stuhl niedergelassen und elegant ein Bein über das andere geschlagen - als würde sie ihre Rüstung kein bisschen behindern. "Was hast du jetzt vor?"
"Ich werde zunächst versuchen, zu Finelleth zu gelangen", erklärte er. "Ich denke, ich sollte mit ihr über das Geschehene sprechen. Und dann... werde ich mit ein paar Leuten reden - Leute, die unzufrieden mit Thranduils Handeln sind. Diese Späherin, mit der Finelleth am Tor gesprochen hat, könnte ein Anfang sein..."