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Autor Thema: Die Westküste von Harad  (Gelesen 2955 mal)

Eandril

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Die Westküste von Harad
« am: 2. Dez 2017, 13:58 »
Edrahil und Eayan per Schiff von Tol Thelyn

"Eine Sache will mir nicht in den Kopf." Eayan stand am Bug des kleinen Handelsschiffes, das sie in einem versteckten Hafen ein wenig südlich von Tol Thelyn bestiegen hatten, und blickte hinaus auf die Wellen, auf denen das Licht der aufgehenden Sonne glitzerte. Es war der Morgen ihres dritten Tages auf dem Schiff, und wie jeden Morgen saß Edrahil vorne am Bug auf einem Hocker, den die Besatzung auf seine Bitte hin hergeschafft hatten, und rauchte eine etwas merkwürdig geformte Pfeife, die der Kapitän ihm nur allzu gern für einige Goldmünzen überlassen hatte. Es war einige Zeit her, dass Edrahil geraucht hatte - es war noch vor seinem Aufbruch nach Umbar gewesen - doch ihm gefiel sein kleines morgendliches Ritual. Zumal es frühmorgens bei Sonnenaufgang noch angenehm kühl an Deck war, bevor die Sonne höher stieg. Je weiter nach Süden sie kamne, desto höher stieg die Sonne am Mittag, und desto wärmer wurde es selbst auf See.
"Nach allem was ich weiß, ist Sauron im Augenblick das mächtigste Wesen in Mittelerde", führte Eayan seinen Gedanken fort. "Und er wäre sicherlich in der Lage, den Krieg zu seinen Gunsten zu entscheiden, wenn er persönlich eingreifen würde. Also warum tut er es nicht?" Edrahil tat einen letzten genüsslichen Zug aus seiner Pfeife. "Er hat Angst", erwiderte er, und Eayan schnaubte und schüttelte den Kopf. "Ach kommt. Angst?" Edrahil legte seine Pfeife beiseite, und lehnte sich neben Eayan an die Reling. "Nach der Katastrophe am Schwarzen Tor, beziehungsweise, nachdem Fürst Imrahil von dort zurückgekehrt war, beauftragte ich eine Gruppe von Gelehrten damit, alles über Sauron herauszufinden, was sie konnten. Denn ihr habt natürlich Recht, nach unserer Einschätzung ist er das mächtigste Wesen in Mittelerde. Und wenn wir schon wenig Chancen auf Sieg haben wenn er persönlich in die Schlacht eingreift, so sinken diese Chancen noch weiter, wenn wir davon überrascht werden."
"Ihr wolltet versuchen, seine Schritte vorherzusehen", schloss Eayan, und Edrahil nickte. "Selbstverständlich. Viel hat es bisher nicht genützt, aber ich denke, ich kann zumindest vermuten weshalb er bisher nicht aus Mordor herausgekommen ist um uns persönlich zu zerquetschen. Ich nehme an, ihr seid mit der Geschichte seiner Kriege im Norden vertraut?"
Eayan zog eine Augenbraue in die Höhe, und antwortete: "Natürlich. Mit der Zeit lernt man eine Menge Dinge."
Zu ihrer linken zog die grüne Küste Harads vorbei, ein Anblick, der sich in nichts vom Anblick der vergangenen Tage unterschied - in Küstennähe grüne, undurchdringlich scheinende Wälder, dahinter die graue Kette der Berge, deren höchste Gipfel sogar so weit im Süden schneebedeckt waren. Weiter im Süden war jedoch bereits das Ende der Bergkette zu sehen, oder jedenfalls das vorläufige Ende. Aus Gesprächen mit dem Kapitän hatte Edrahil erfahren, dass das Graue Gebirge eine ähnliche Form besaß wie die Ered Luin im Norden, und von einem Fluss und seiner Mündung unterbrochen wurden - und diese Mündung war ihr Ziel, die Westküste des alten Azaryân.
"Nun, dann dürfte euch auch bekannt sein, dass Sauron nur zu zwei Gelegenheiten persönlich in die Schlacht eingriff", fuhr Edrahil fort. "Als er sich seines Sieges sicher war und seine Feinde persönlich demütigen wollte - das war bei der Eroberung von Eregion der Fall. Und später als er keine Wahl mehr hatte, bei der letzten Schlacht am Schicksalsberg und seiner Niederlage." "Und nichts davon trifft im Augenblick zu", meinte Eayan. "Weder steht er mit dem Rücken zur Wand, noch ist sein Sieg gewiss - seine Niederlagen in letzter Zeit haben das gezeigt. Und deshalb hat er Angst. Angst, erneut zu verlieren, wie er vor langer Zeit verloren hat. Angst, erneut auf beinahe ein Nichts reduziert zu werden, wie damals."
Edrahil konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. "Ich hätte es nicht besser ausdrücken können", erwiderte er. "Es sind letztlich alles nur Vermutungen, und niemand unter den Menschen versteht den Herrn von Mordor wirklich, denke ich. Aber es ergibt zumindest Sinn. Sein Reich, den Ring der Macht, und beinahe die eigene Existenz zu verlieren muss eine furchtbare Erfahrung gewesen sein. Und vielleicht rettet uns Saurons Angst, dass die Geschichte sich wiederholen könnte wenn er Mordor verlässt, am Ende noch."
"Ihr klingt beinahe so, als hättet ihr Mitleid mit ihm", meinte Eayan, und Edrahil spürte sein Gesicht ernst werden. "Nein. Ich habe keinen Funken Mitleid mit ihm, nach allem was er dieser Welt angetan hat. Der Gedanke, dass er vielleicht ebenso Furcht vor dem Ende verspürt wie jene die er mit Krieg überzieht, hat etwas tröstliches."
Eayan lächelte, auf eine Art und Weise die sein scharf geschnittenes Gesicht noch gefährlicher wirken ließ. "In diesem Fall..." Er deutete nach vorne, nach Süden, wo die Bergkette endete und die Küste von Harad einen Bogen nach Südwesten machte, zum Delta des Bankasoka hin. "Dort liegt Azaryân, ein Land nach dem er ebenfalls seine Finger ausstreckt. Wenn er von dort aus Harad angreifen kann während Suladân und Qúsay sich bekriegen, wird er siegen. Also was haltet ihr davon, seine Pläne abermals zu durchkreuzen?"
Erneut musste Edrahil unwillkürlich lächeln. Eayans Entschlossenheit wirkte ansteckend, und er fühlte sich plötzlich jünger als zuvor. "Ich kann es kaum erwarten."
« Letzte Änderung: 2. Dez 2017, 16:52 von Fine »

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Eandril

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Das verbotene Land
« Antwort #1 am: 11. Mai 2018, 15:18 »
Edrahil schwitzte trotz seine luftigen Gewänder in der feuchtheißen Luft. Er war Hitze aus Gondor, wo es im Sommer so warm werden konnte, dass die Luft zu flimmern schien, gewöhnt, doch dort wehte meistens eine frische Brise vom Meer her und es war Bewegung in der Luft. Hier, einige Meilen östlich des großen Deltas, schien die Luft dagegen geradezu zu stehen.
Seit drei Tagen saßen sie in der kleinen Ansiedlung, einer Handelsstation die einst von haradischen Händlern gegründet worden war, fest. Von der Mündung des Bankasoka, wo sie ihr Schiff verlassen hatten, waren sie auf dem Boot eines Händlers das Delta hinauf bis zu ihrem jetzigen Aufenthaltsort gefahren, doch weiter waren sie nicht gekommen. Zwei Tage lang hatte Edrahil vergeblich versucht, alle möglichen Händler davon zu überzeugen, sie weiter den Fluss hinauf ins Herz von Arzayân mitzunehmen. Ganz gleich, mit wie viel Gold und Versprechungen er sie auch gelockt hatte, niemand war auf seine Angebote eingegangen - und überhaupt schien niemand vorzuhaben, dem Fluss weiter ins Landesinnere zu folgen. Nun, am dritten Tag, hatte Eayan es auf sich genommen, für eine Passage nach Osten zu sorgen, doch nachdem was Edrahil beobachtete, schien er ebenso wenig Erfolg zu haben.
"Nein, Herr." Der Händler, dessen Waren - Stoffe aller verschiedenen Arten - vor ihm auf einem hölzernen Stand ausgebreitet waren, schüttelte entschieden den Kopf, als Eayan bedeutungsvoll mit dem Geldbeutel klimperte. "Niemand fährt den Fluss hinauf, außer den Dienern der Löwin." Er nickte bedeutungsvoll in Richtung eines Mannes, der trotz der Hitze eine volle Rüstung mit einem stilisierten Löwenkopf auf dem Brustpanzer trug. Eayan dankte dem Händler mit einer knappen Verbeugung, und wandte sich dann Edrahil zu. "Es scheint, als wäre dieser Diener der Löwin unsere einzige Gelegenheit, nach Arzâyan hinein zu gelangen. Es sei denn, wir wollen uns alleine durchschlagen."
"Was nicht ratsam wäre", meinte Edrahil, und beobachtete den Mann in der Rüstung aufmerksam. Dessen Gesprächspartner gestikulierte eindeutig in ihre Richtung. "Aber wir werden nicht zu ihm gehen müssen - ich glaube, er kommt zu uns."
Eayan zog die Augenbrauen in die Höhe, und wandte sich dann in Richtung des Neuankömmlings, der tatsächlich über den Marktplatz auf die zu kam, um.
"So. Ihr seid also die beiden, die unbedingt den Fluss hinauf und die Löwenkönigin treffen wollen", stellte dieser ohne jede Begrüßung fest, und musterte die aufmerksam. Edrahil gelang es, eine gleichmütige Miene zu wahren - trotz seiner Überraschung, dass ihr Gegenüber aus Gondor kam. Jedes Volk sprach die Gemeinsame Sprache unverwechselbar ein wenig anders aus, und dieser Mann hatte das Sprechen eindeutig in Gondor erlernt. Edrahil musterte ihn unauffällig, aber ebenso gründlich wie dieser ihn. Das dunkelblonde, von der Sonne ausgebleichte und an den Schläfen bereits ergrauende Haar trug er kurzgeschnitten, und auf der rechten Stirnseite hatte er eine kleine, aber tiefe Narbe, wie von einem schlecht gezielten Streitkolbenhieb. Unter den buschigen Augenbrauen lagen graue, durchdringende Augen, und seine Haut war von der Sonne, nicht durch Geburt, tief gebräunt.
"Und da frage ich mich doch", fuhr er schließlich fort, "warum ihr sie so gerne kennen lernen möchtet?"
"Unsere Gründe sind unsere Sache", erwiderte Eayan knapp, und ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. "Ich habe versäumt, mich vorzustellen. Man nennt mich Abrazîr, und ich bin Gesandter von Taraezaphel Bellakanî, der Jungfrau von Arzâyan. Wenn ich euch mit nach Arzâyan nehmen soll, sind eure Gründe also sehr wohl meine Sache."
"Geschichtliches Interesse, mein Freund", antwortete Edrahil, und klopfte bedeutungsvoll auf die Tasche seines Gewandes, in der er das Buch, das Bayyin ihm vor ihrer Abreise gegeben hatte, aufbewahrte. "Ich habe das alte Königreich von Arzâyan lange studiert - von seiner Gründung durch den Gekrönten Löwen, bis zum Untergang unter den Kindern des letzten Löwen. Und als ich da hörte, dass das Königreich wieder auferstanden werden soll..." Er lächelte gewinnend. "Nun, ich kann nicht bis zum Ende meiner Tage nur staubige Schriftrollen in dunklen Kellern studieren. Deshalb machte ich mich mit meinem Begleiter hier auf den Weg, um es selbst zu sehen."
Abrazîr musterte ihn noch einen Augenblick lang misstrauisch, dann lächelte er. "Der Gelehrsamkeit kann ich natürlich schlecht im Wege stehen. Ihr seit herzlich eingeladen, euch meiner Karawane anzuschließen - wir brechen morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang auf. Bitte seid pünktlich, ich kann es mir nicht erlauben, lange zu warten." Edrahil nickte. "Ich gebe euch mein Wort darauf. Bitte entschuldigt uns, wir müssen uns für den Aufbruch vorbereiten."

Sobald sie sich ein Stück vom Markplatz in Richtung ihres ein wenig heruntergekommenen Quartiers entfernt hatten, meinte Eayan: "Er hat eure Geschichte sehr schnell geglaubt."
"Allerdings", erwiderte Edrahil. "Wir sollte vorsichtig sein - ich denke nicht, dass sein Misstrauen schon ausgeräumt ist. Eher will er uns in seiner Nähe behalten, wo er uns unter Kontrolle hat." Sie erreichten das kleine Gasthaus, in dem größtenteils Händler, die ihre Waren an die Gesandten aus Arzâyan und die örtlichen Fischer verkauften, untergebracht waren, und betraten das muffige Zimmer, dass sie sich teilten. "Was haltet ihr von diesem 'Abrazîr'?", fragte Edrahil nach.
"'Abrazîr' wird nicht sein richtiger Name sein", begann Eayan, und lächelte. "Es wäre ein seltsamer Name für einen Gondorer, nicht wahr?" Edrahil erwiderte das Lächeln. Es war eine angenehme Abwechslung mit jemandem zu arbeiten, der ebenso aufmerksam wie er selbst war. "Wenn man die Bedeutung des Namens betrachtet - standhafter Freund - vermute ich, dass wir es hier mit jemandem aus Raes engstem Kreis zu tun haben, mit jemandem, den sie schätzt und dem sie traut."
"Das vermute ich ebenfalls", stimmte Edrahil zu. "Ein Exilant aus Gondor, der in ihr jemandem gefunden hat, zu dem er aufschauen und der er folgen kann... vielleicht kann uns das von Nutzen sein."
"Solange seine Treue nicht zu blind ist." Eayan kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Doch ansonsten dürfte sie schwer erschüttert werden, wenn wir ihm beweisen können, dass Rae mit Mordor zusammenarbeitet."
"Was bislang ebenfalls lediglich eine Vermutung ist", schränkte Edrahil ein. "Wenn auch eine sehr wahrscheinliche."
Eayan streckte sich und gähnte. "Nun, unseren Weg nach Arzâyan haben wir jedenfalls. Wir sollten uns ein wenig ausruhen - bevor wir uns in die Höhle des Löwen begeben."

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Die Verlorenen
« Antwort #2 am: 19. Mai 2018, 13:46 »
Die Karawane kam auf der holprigen Straße durch den dichten Urwald, der sich jenseits der Handelsstation zwischen den Berghängen im Süden und dem breiten Fluss im Norden erstreckte, nur langsam voran. Eayan hatte von Abrazîr ein Pferd erhalten, während Edrahil es sich auf einem der Wagen zwischen einigen fest verschlossenen Kisten bequem gemacht hatte - ganz in seiner Rolle als Gelehrter, der außerhalb seines Elementes war und nicht reiten konnte. Nicht, dass er sonderlich unglücklich darüber gewesen wäre, denn längere Ritte verursachten in seinem linken Knie mit der Zeit starke Schmerzen.
Kurz nach der Mittagszeit befahl Abrazîr Halt, und sie suchten unter einigen mächtigen, verschlungenen Bäumen von einer Art, wie Edrahil sie nie zuvor gesehen hatte, Schutz vor der gnadenlosen Mittagssonne. Zu diesem Zeitpunkt suchte Abrazîr das erste Mal seit ihrem Aufbruch das Gespräch mit Edrahil.
"Wir werden bald nass bis auf die Haut werden", sagte Abrazîr, und deutete zum Himmel, wo sich über ihnen allmählich dunkle Wolken zusammenzogen. "Was vormittags zum Himmel verdampft..."
"... kommt nachmittags als Regen wieder herunter", beendete Edrahil den Satz für ihn. "Faszinierend. Heißt das, wir werden heute nicht mehr weiterfahren?" Abrazîr lachte herzlich. "Ihr seid mir wirklich ein echter Bücherwurm. Der Regen wird zwar heftig, aber vermutlich nicht allzu lang sein. Und wenn er zu lang ist, reisen wir eben im Regen weiter, wir haben schließlich keine Zeit zu verlieren." Edrahil verzog ein wenig das Gesicht - absichtlich so, als versuchte er seinen Unmut zu verbergen. Abrazîr lachte erneut.
"Ihr seid im tiefen Süden, da solltet ihr euch an etwas anderes Wetter gewöhnen, mein lieber... da fällt mir ein, dass ich euch noch nicht nach eurem Namen gefragt habe." Seine Augenbrauen zogen sich verärgert über sich selbst zusammen. "Man nennt mich Maratar", antwortete Edrahil ohne zu zögern, und verneigte sich leicht aus seiner sitzenden Position heraus.
"Maratar...", meinte Abrazîr langsam. "Dann kommt ihr vermutlich aus Gondor?" "Allerdings", erwiderte Edrahil, und überlegte rasch. Abrazîrs Akzent nach zu urteilen, kam dieser vermutlich eher aus dem westlichen Gondor, also fuhr er fort: "Ich war Gelehrter im Diensten des Truchsess in Minas Tirith. Aber ich habe die Stadt noch vor Beginn des Krieges verlassen, lasst mich überlegen... das muss jetzt bald sechs Jahre her sein." Abrazîr zog eine Augenbraue in die Höhe. "Sechs Jahre? Da habt ihr aber lange gebraucht, um hierher zu kommen."
"Nun, Reisen ist nicht umsonst", erwiderte Edrahil. "Schon gar nicht in Harad für jemanden in Gondor. Ich habe ein wenig als Übersetzter gearbeitet, ein wenig als Schreiber, bis ich schließlich genug Geld zusammen hatte, um meine Reise fortsetzen zu können." Abrazîr nickte langsam - offenbar hielt er die Geschichte für glaubwürdig. "Rae - Taraezaphel meine ich natürlich - wird sich denke ich über eure Ankunft freuen. Der Wiederaufbau von Arzâyan hat bislang eher Muskelkraft und Kampfgeschick erfordert, und wir haben niemanden, der unsere Geschichte niederschreibt. Und wer wäre dazu besser geeignet als ein Gelehrter, der die Geschichte des alten Reiches so gut kennt wie ihr?"
Edrahil nickte unverbindlich und wollte gerade etwas erwidern, als der Regen plötzlich über sie herein brach. Selbst die mächtigen Baumkronen über ihnen boten nicht sonderlich viel Schutz und innerhalb weniger Augenblicke war zu seinem Ärger vollkommen durchnässt. Die Straße wenige Schritte weiter verschwand beinahe hinter einem grauen Regenvorhang. Die Wächter, die Abrazîr dort aufgestellt hatte, waren durch den dichten Regen kaum noch zu sehen. Edrahil blinzelte, und im nächsten Augenblick waren die beiden Männer verschwunden.
"Abrazîr, eure..." Wachen sind verschwunden, hatte Edrahil sagen wollen, doch er verstummte, als sich direkt neben ihm ein Speer in das Holz des Wagens bohrte und zittternd dort stecken blieb. Abrazîr stieß einen überaus hässlichen Fluch aus, riss das Schwert aus der Scheide und begann, Befehle zu brüllen.

Edrahil rührte sich nicht vom Fleck, und blieb zwischen den Kisten auf dem Wagen versteckt sitzen. Im Kampf war er zu nichts nütze, nahm aber dennoch seinen Dolch zur Hand - auch wenn die Angreifer, die im Regen für ihn nur als verschwommene Schemen zu erkennen waren, anscheinend Feinde von Arzâyan waren, bedeutete das nicht, dass sie ihn oder Eayan nicht ebenfalls töten würden. Doch zu seinem Glück gelangte kein einziger der Angreifer zu ihm.
Der Regen dämpfte alle Geräusche des Kampfes, und Edrahil sah nur verschwommene Gestalten miteinander ringen, ohne genauer erkennen zu können, welche Seite die Oberhand gewann. Dann, mit einem Mal, war alles vorüber. Die Kampfgeräusche verstummten, und die Angreifer verschwanden so rasch wie sie gekommen waren. "Sie haben einen der Wagen geplündert", hörte Edrahil einen von Abrazîrs Männern sagen - auf Adûnâisch, einer Sprache, die Edrahil zwar kaum sprechen, aber doch einigermaßen verstehen konnte. "Unwichtig", erwiderte Abrazîr in der gleichen Sprache, doch mit hörbarem Akzent. "Nur der eine Wagen ist wichtig, wie ihr wisst." Edrahil hörte Schritte in seine Richtung kommen, und gab sich Mühe, ängstlich und verwirrt zu wirken.
"Ich hoffe, euch hat keiner dieser Kerle belästigt?", fragte Abrazîr, der um den Wagen herum gekommen war, und Edrahil schüttelte den Kopf. "Sie sind nicht in meine Nähe gekommen. Was... waren das für Leute?"
"Sie nennen sich selbst Die Verlorenen Stämme, oder so ähnlich", antwortete Abrazîr grimmig. "Eigentlich sind sie kaum besser als Räuber, aber sie leben bereits seit Ewigkeiten in diesen Wäldern und Bergen. Das alte Arzâyan hatte sie unter Kontrolle, doch noch sind wir nicht stark genug um das ebenfalls zu tun." Er wandte sich ab, und begann Befehle zum Aufbruch zu erteilen. An seiner Stelle tauchte nun Eayan am Wagen auf, der sein blutiges Schwert mit einem großen Blatt säuberte. "So viel Unterhaltung hatte ich hier noch gar nicht erwartet", meinte er, und warf Edrahil einen ironischen Blick zu. "Ich hoffe, ihr habt euch auf eurem bequemen Platz nicht gar zu sehr gelangweilt?"
Edrahil schüttelte den Kopf. "Ganz und gar nicht - meine Tage des Kampfes sind vorbei. Besser das zu erkennen, als einen schnellen Tod zu sterben."
"Da kann ich wenig gegen sagen", erwiderte Eayan. "Dieser Abrazîr wirkt jedenfalls etwas besorgt, und will sofort aufbrechen - trotz dieses widerlichen Regens."
"Er hat etwas auf diesen Wagen, dass von großer Bedeutung für Rae ist." Edrahil sprach leise, sodass der Wagenlenker auf dem Bock des Wagens ihn nicht hören konnte. "Und ich vermute, dass es in diesen Kisten ist." Er klopfte leicht gegen eine der hölzernen Kisten neben sich. "Deshalb ist kein einziger der Angreifer zu diesem Wagen gelangt, weil sie ihn am besten verteidigt haben. Die anderen Wagen sind lediglich Köder."
"Das ergibt Sinn." Eayan verstaute sein inzwischen einigermaßen sauberes Schwert wieder. "Wenn er diese Reise öfter macht, dürfte er mit einem Angriff gerechnet haben." Bevor Edrahil etwas erwidern konnte, setzte sich der Wagen mit einem Ruck in Bewegung, und Eayan ging davon, um sich sein Pferd zu holen.
Der letzte Abschnitt bevor sie ins Herz von Arzâyan kommen würden, lag vor ihnen.

Edrahil, Eayan und Abrazîr nach Arzâyan
« Letzte Änderung: 7. Jan 2019, 17:44 von Fine »

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