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Autor Thema: Die Verteidigungsanlagen  (Gelesen 3290 mal)

Eandril

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Die Verteidigungsanlagen
« am: 12. Jun 2018, 23:31 »
Hilgorn aus Marwans ehemaliger Residenz

Nur wenige Meter von den Mauern entfernt begann schier undurchdringliche Finsternis, aus der die Geräusche der Monster drangen, die sich versammelt hatten, um Linhir zu erobern. Hilgorn hatte entlang der gesamten Ostmauer Fackeln entzünden, doch ihr Schein reichte nicht weit genug, um die Feinde vor den Mauern zu enthüllen. Dennoch war Hilgorn sich sicher, dass der Angriff unmittelbar bevorstand.
“Haltet euch bereit”, sagte er mit tragender Stimme, während er die Treppe zum höchsten Punkt der östlichen Mauer, über dem Tor, hinaufstieg. “Was auch immer Mordor uns entgegenwerfen mag, wir werden standhalten. Söhne Gondors, dies ist unser Land! Und alle Bestien, die der Schatten gegen uns aufbringen wird, werden nicht ausreichen um es uns zu entreißen!”
Noch bevor er ausgeredet hatte, fielen erste Tropfen vom Himmel, und als Hilgorn das letzte Wort gesprochen hatte, öffneten die Wolken ihre Schleusen. Ein regelrechter Sturzregen ergoss sich auf die Verteidiger, und die ersten Fackeln erloschen zischend in einem plötzlichen Sturmwind, der von Osten anhob. Und wie auf ein geheimes Kommando begann der Angriff auf die Stadt.
“Haltet stand!”, rief Hilgorn, obwohl seine Stimme im Rauschen des Regens und des Windes nicht weit reichen konnte, als die vorderen Reihen der Orks im Licht der Fackeln sichtbar wurden. Reihe um Reihe stürmten sie heran. Leitern wurden krachend an die Mauern angelegt, und überall entlang der Mauer begann die ersten Orks und Menschen zu sterben. Dann kam ein Pfeilhagel aus der Dunkelheit herangerauscht. Hilgorn duckte sich hinter eine der Zinnen und hielt den Schild schützend über den Kopf, während um ihn herum Pfeile gegen die Steine schlugen, beschleunigt und tödlich durch den Wind aus dem Osten. Seine eigenen Bogenschützen - viel weniger, als ihm lieb waren - erwiderten das Feuer, doch trotz ihrer überlegenen Bögen trugen ihre Pfeile nicht so weit wie die ihrer Feinde und schlugen mit weniger Wucht in die Reihen der Orks ein.
“Diesen Sturm muss Sauron selbst geschickt haben”, brüllte Balvorn, der neben Hilgorn stand, über das Tosen des Windes, den Regen und den anhebenden Kampfeslärm hinweg. Hilgorn nickte nur stumm, und zog sein eigenes Schwert, denn eine Leiter hatte sich an die Zinnen des Tores gelegt und sogleich sprang der erste Ork über die Zinnen hinweg. Einer von Hilgorns Soldaten stieß dem Ork sein Schwert durch den Hals, wurde jedoch im nächsten Augenblick vom nächsten Angreifer zu Fall gebracht. Hilgorn parierte einen Keulenschlag mit dem Schwert, brachte seinen Gegner mit einem raschen Schildstoß ins Taumeln, und versetzte ihm einen Schwerthieb quer über die Brust. Das hervorspritzende schwarze Blut besudelte seine Beinschienen, und schon war der nächste Gegner heran....
Schließlich gelang es Hilgorn, die Leiter mit Hilfe von Balvorn und zwei weiteren Soldaten, umzustoßen. Er nutzte die kurze Atempause, die sie sich erkämpft hatten, um sich einen raschen Überblick über die Lage zu verschaffen. Soweit er sehen konnte, hielten seine Männer noch überall stand, obwohl der erste Angriff mit noch größerer Heftigkeit erfolgt war, als er befürchtet hatte. Der Sturm hatte sein übriges getan, doch inzwischen hatten Wind und Regen ein wenig nachgelassen, und die gondorischen Bogenschützen bemühten sich nach Kräften, den Gegner zu dezimieren bevor er überhaupt die Leitern erreichte. Dennoch, schon der erste Schlag hatte die Verteidigung ins Wanken gebracht, und je länger die Schlacht dauerte, desto gefährlicher würde die Lage werden - schon jetzt gelang es den Orks immer wieder, kurze Mauerabschnitte zu erobern, bevor die Verteidiger sie unter Mühen zurücktreiben konnten.
“Die Bogenschützen sollen ihr Feuer auf die Leitern konzentrieren”, befahl Hilgorn. “Vor allem an Stellen, wo die Orks drohen, die Oberhand zu gewinnen.” Sogleich eilten Männer los, um die Befehle weiterzugeben. Um durch breit angelegtes Unterstützungsfeuer etwas zu erreichen, hatten sie einfach zu wenige Bogenschützen zur Verfügung - da war es klüger, das Feuer auf wenige, gefährdete Stellen zu konzentrieren. Und tatsächlich schien sein Befehl Wirkung zu zeigen - soweit Hilgorn durch die Dunkelheit sehen konnte, erlangten die Orks an weniger Stellen als zuvor kurzzeitig die Oberhand, und die Verteidigung hielt ein wenig besser als zuvor. Doch er kam sich vor wie jemand, der mit Kieselsteinen Löcher in einem Damm flickte, der jederzeit zu brechen drohte.
“General!”, hörte er einen Ruf über den Schlachtenlärm hinweg, und ein junger Soldat, der einen blutigen Kratzer auf der Stirn trug, drängte sich von Norden zu ihm durch. “Kommandant Turin meldet, dass die Orks durch den Erdwall gebrochen sind.” Hilgorn fluchte. Turin war an einer der Stellen weiter im Norden stationiert, wo die Mauern am stärksten beschädigt und nur durch Erdwälle notdürftig geflickt waren.
“Balvorn, wie viele Männer in der Reserve hinter dem Tor?”, fragte Hilgorn. “Einhundert, Herr”, antwortete sein Adjutant, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken als ein Pfeil direkt an seinem Ohr vorbeiflog und funkensprühend von den Steinen abprallte. “Nimm fünfzig davon mit”, wandte Hilgorn sich wieder an den jungen Boten. “Sag Turin, er soll versuchen, den Wall zurückzuerobern, aber dabei keine unnötigen Risiken eingehen. Zur Not haltet sie kurz hinter der Mauer auf.” Der Soldat eilte ohne ein weiteres Wort davon, und Balvorn sagte: “Diese fünfzig werden sie nicht lange aufhalten, wenn sie den Wall nicht zurückerobern können.” Es war ungewöhnlich für den Mann, seine eigene Meinung auf diese Weise zu äußern - in der Regel nahm er lediglich seine Befehle entgegen und gab sie weiter.
“Nein”, erwiderte Hilgorn düster. “Und wenn die Orks hier durch das Tor brechen, werden sie uns fehlen.” Jede seiner Entscheidungen, die sie ein wenig länger durchhalten ließ, schien seine Aufgabe für die Zukunft schwerer zu machen. Doch noch hielten die Reihen der Verteidiger, und wenn sie bis zum Sonnenaufgang durchhielten, hatten sie eine Chance.
“General”, sagte Balvorn scharf, und riss Hilgorn damit aus seinen Gedanken. Er deutete mit dem Schwert hinab auf die Fläche vor dem Tor, wo Hilgorn im schwachen, flackernden Fackellicht einen Rammbock erkennen konnte, der von kräftigeren, großgewachsenen Orks getragen wurde. Erneut stieß er einen Fluch aus. Ohne diese absolute Finsternis vor den Mauern hätte er die Gefahr viel eher kommen sehen und entsprechende Befehle gegeben, doch nun war es zu spät. Nur wenige Herzschläge nach Balvorns Warnung krachte der Rammbock das erste Mal gegen das neue Tor - lange würde es nicht standhalten, denn es war lediglich aus Holz und rasch zusammengezimmert worden.
“Alle Bogenschützen in der Nähe sollen auf die Träger schießen”, befahl Hilgorn, im vollen Bewusstsein, dass es damit die Verteidiger auf den Mauern wieder viel schwerer haben würden, die Leitern abzuwehren. Seine Befehle wurden weitergegeben, doch dieses Mal war der Effekt deutlich schwächer als beim letzten Mal - nur wenige Pfeile gingen auf den Rammbock nieder, und sogleich eilten schildbewehrte Orks heran, um die Träger mit den Schilden und ihren Körpern zu schützen. Hilgorn blickte nach Süden, wo eigentlich eine der Stellungen mit vielen Bogenschützen in einer der Turmruinen sein sollte - doch die Ruine war, während er von den Nachrichten aus dem Norden und dem Rammbock abgelenkt gewesen war, von Orks überrannt worden.
Erneut krachte der Rammbock gegen das Tor, mit einer solchen Gewalt, dass die Mauer darüber erzitterte. Hilgorn atmete tief durch. Wenn sein Zeitgefühl ihn nicht trog, neigte sich die Nacht dem Ende, und die Dämmerung nahte - doch so lange würden sie nicht durchhalten. War das Tor erst durchbrochen, wäre ihnen darüber hinaus schon bald der Rückzug nach Westen verstärkt.
“Gebt die Stellungen auf”, befahl er leise, und Balvorn wandte ihm das Gesicht zu. “Herr?”
“Gebt die Stellungen auf”, wiederholte Hilgorn lauter. “Geordneter Rückzug sobald von hier das Signal kommt - keine Flucht, lasst sie nirgends durch die Reihen brechen.” Balvorn nickte, und sofort brachen Soldaten auf, um den Befehl zu verbreiten.
Hilgorn wartete, quälend lange, bis seiner Meinung nach genug Zeit vergangen war, dass die Befehle die nördlichen und südlichen Enden der Mauern erreicht haben konnte. Dann nahm der den Bogen zur Hand, der neben ihm auf den Steinen der Mauer gelegen hatte, und entzündete einen mit ölgetränktem Stoff umwickelten Pfeil an der Feuerschale neben ihm.
Der brennende Pfeil stieg trotz Wind und Regen in einem beinahe senkrechten Bogen zum Himmel auf, weit sichtbar für alle, die darauf achteten - das Signal zum Rückzug.
« Letzte Änderung: 13. Jun 2018, 07:04 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Re: Die Verteidigungsanlagen
« Antwort #1 am: 24. Jun 2018, 13:11 »
Nur einen Herzschlag nachdem der Pfeil in die Luft aufgestiegen war, erzitterte das Tor unter Hilgorns Füßen unter einem mächtigen Schlag. Erschrocken blickte er über die Brüstung in die brodelnde Masse der Orks hinab, wo der Rammbock achtlos beiseite geworfen worden war, und nun zwei gewaltige Trolle mit Hämmern in den Fäusten auf das Tor einschlugen. Unter seinen Augen traf ein weiterer Hieb das Tor, und das Knacken und Ächzen des nachgebenden Holzes war selbst durch den Lärm bis zu Hilgorn zu hören.
"Sie brechen durch!", rief er Balvorn zu, bevor er als letzter seiner Männer die Treppe neben dem Tor hinunter eilte. Wieder erzitterte das Tor, und an der Stelle, wo der Schlag getroffen hatte, brach einer der Balken entzwei.
Die Verwunderung über das plötzliche Verschwinden der Verteidiger von den Mauern schien die Orks für einige Augenblicke lang gelähmt zu haben, doch während Hilgorn sich mit seinen Männern langsam die breite Straße, die vom Tor zur Brücke über den Gilrain führte, zurückzog, tauchten auf den Wehrgängen die ersten Feinde auf, die triumphierend ihre Waffen schwenkten.
"Wenigstens lässt der Regen nach", knurrte Hilgorn, und wischte mit der Hand ein wenig Wasser vom Helm, dass gedroht hatte, ihm in die Augen zu rinnen. Tatsächlich begann sich auch der Sturm zu legen - zumindest im Wetter, denn in diesem Augenblick schwang das Tor, dass unter den Schlägen der Trolle endlich nachgegeben hatte, auf, und eine schwarze Masse an Feinden stürmte im Licht der Fackeln hinein.
"Langsam weiter zurück", sagte Hilgorn angesichts der auf sie zustürmenden Orks - und der beiden Trolle, die ihre mächtigen Hämmer noch immer in den Händen hielten. "Achtet darauf, wo ihr hintretet, und haltet die Formation." Im nächsten Augenblick stießen die Orks auch schon auf ihre dünne, immer weiter zurückweichende Verteidigungslinie. Hilgorn duckte sich, und spürte den Hammer eines der Trolle nur eine Handbreit über seinen Kopf hinwegzischen. Der Mann neben ihm hatte kein solches Glück - er wurde von dem Hammer getroffen, von den Füßen gerissen und gegen eine Hauswand an der Seite der Straße geschleudert, wo er reglos liegen blieb. Sofort füllte ein anderer Soldat die entstandene Lücke aus, doch ihre Verteidigung begann unter den Hieben der Trolle zu wanken.
"Auf die Beine!", rief Hilgorn über den Schlachtenlärm hinweg. "Zielt auf ihre Beine, wenn ihr könnt!"
Hinter sich hörte er Balvorns Stimme rufen: "Bogenschützen!" Ein Pfeilhagel zischte über ihre Köpfe hinweg und traf einen der Trolle. Die Pfeile schienen ihm durch seine dicke, lederige Haut nicht wirklich zu schaden, doch immerhin ein wenig Schmerzen zu bereiten. Der Troll riss die Arme in die Luft und brüllte, und in diesem Augenblick bohrte Hilgorn ihm das Schwert tief in die weichere Haut an der Innenseite des Oberschenkels. Der Troll taumelte, als ein zweiter Pfeilhagel heran flog, dieses Mal direkt auf seinen Kopf gezielt. Viele der Pfeile prallten wirkungslos am Helm ab oder fügten dem Troll höchstens oberflächliche Verletzungen zu, doch mindestens einer traf eines der kleinen, bösartig funkelnden Augen. Die Kreatur stieß ein markerschütterndes Brüllen aus, und stürzte rücklings zu Boden, wobei sie zwei Orks unter sich begrub. Hilgorn Soldaten brachen in erschöpften Jubel aus, der lauter wurde, als auch der zweite Troll mit langen Spießen zu Fall gebracht werden konnte.

Der Fall der Trolle verschaffte ihnen eine Atempause, denn die Orks waren offensichtlich verunsichert und folgten den zurückweichenden Soldaten zwar weiter, griffen aber kurzzeitig nicht mehr an. Hilgorn warf einen Blick über die Schulter, und stellte fest, dass sie bereits beinahe den halben Weg zum Fluss geschafft hatten. Der Sturm hatte sich beinahe gänzlich gelegt, und im Osten kroch bereits ein erstes fahles Morgenlicht über den Horizont.
Er rief nach Balvorn, und als sein Adjutant neben ihm stand, befahl er: "Die Katapulte sollen bereit gemacht werden, und auf mein Zeichen achten." Balvorn nickte stumm, und eilte nach Westen davon, um den Befehl weiterzugeben.
Langsam zogen sie sich weiter zurück, jetzt wieder bedrängt von den Orks, die ihren Mut zurückerlangt hatten, doch trotz allem war Hilgorn einigermaßen zuversichtlich. Wenn sie auch das Ostufer verlieren würden, seine Männer flohen nicht, und weiter als bis zum Fluss würden Mordors Streitkräfte es nicht schaffen. Der Morgen nahte.
Doch so schnell, wie das Flämmchen der Zuversicht aufgeflackert war, so schnell erlosch es, als sich eine merkwürdige Kälte über sie legte und dann ein Schatten über die Stadt hinweg glitt - und dann noch einer. Ein hoher, dünner Schrei voller Bosheit, der durch Mark und Bein zu gehen schien, erklang, und einer der Soldaten beantwortete ihn mit einem Ruf, den alle Feinde Mordors gleichermaßen fürchteten: "Nazgûl!"

Hilgorn auf die Straßen Linhirs
« Letzte Änderung: 9. Jan 2019, 10:38 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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  • Ich hab da ein ganz mieses Gefühl bei der Sache...
Argwohn
« Antwort #2 am: 2. Jun 2019, 19:57 »
Valion, Rinheryn und Verdandi aus Marwans Anwesen


Am Nachmittag kam Valion schließlich dazu, die Verteidigungsanlagen zu inspizieren. Begleitet wurde er dabei von Rinheryn und Verdandi, die einander misstrauisch im Blick behielten. Etwas schien zwischen den beiden jungen Frauen vorzugehen, was Valion durchaus nicht entgangen war. Doch er hatte beschlossen, sich so lange es ging nicht einzumischen. In der Vergangenheit hatte er allzu oft die schmerzhafte Erfahrung gemacht, als unschuldiger Dritter zwischen die Fronten zweier Frauen zu geraten. Er hoffte, dass sich das Problem durch Verdandis nahenden Auftrag von selbst lösen würde.
Sie kamen ans Flussufer des Gilrains, der Linhir in zwei Hälften spaltete. Die Soldaten Gondors hatten seit dem mit Mühe abgewehrten Angriff im Herbst Barrikaden am Ufer errichtet, das von den alten Baumeistern bei Linhirs Gründung mit gepflasterter Böschung und Treppen in regelmäßigen Abständen versehen worden war. Da sich in den Steinboden keine angespitzten Pfähle rammen ließen, hatten die Gondorer einfache Holzkonstruktionen zusammengezimmert, die Feinde behindern und den Verteidigern Schutz im Falle eines Angriffs bieten sollten. Seit General Hilgorns Tod - oder seinem Verschwinden - war es insbesondere Nachts immer wieder zu kleineren Überfällen am Flussufer gekommen. Orks hatten in notdürftigen Booten den Gilrain überquert, waren jedoch bislang jedes Mal erfolgreich zurück in den Fluss getrieben worden. Die Soldaten hatten damit begonnen, mehrere Speerschleudern und zwei kleine Katapulte zu konstruieren, mit denen sie die feindlichen Boote noch während der Überquerung treffen konnten.
Von Süden näherte sich die mächtige Form eines der gondorischen Kriegsschiffe. Kapitän Aldar ließ in regelmäßigen Abständen vom Hafen her eines seiner Schiffe den Fluss hinauf patrouillieren, um dem Feind klar zu machen, dass die Flotte im Falle eines Angriffs eingreifen würde. Bis zur zerstörten Brücke im Zentrum der Stadt konnten die Schiffe fahren; dort jedoch blockierten die Trümmer der Gilrainbrücke die Weiterfahrt. Die Brücke war auf Hilgorns Befehl eingerissen worden und sorgte nun dafür, dass die Orks nur mit großer Mühe in den Westteil Linhirs vordringen konnten.
"Was denkst du?" fragte Rinheryn, die nach Osten ans feindliche Ufer spähte. "Wird die Verteidigungslinie halten?"
"Sie muss," antwortete Valion. "Hier in der Stadt sieht es gut aus, schätze ich. Wir haben zwar entlang der gesamten Gilrain-Front zuwenig Soldaten, doch hier in Linhir können wir die Befestigungen nutzen und auf die Unterstützung der Flotte zählen. Mehr Sorgen mache ich mir wegen der Furt im Norden."
"Ardóneth und Damrod kümmern sich darum," meinte Rinheryn. "Sollen sie den Norden halten, und wir verteidigen den Süden."
"Nur zu verteidigen reicht nicht aus," mischte Verdandi sich ein. An den harten Ton in ihrer Stimme hatte Valion sich inzwischen etwas gewöhnt. Sie war eine ernste Persönlichkeit, weshalb es ihn umso mehr wunderte, weshalb sie noch immer hier bei ihm war. "Auch jenseits des Flusses gibt es Gondorer, die Hilfe benötigen. Wenn ihr nur das Westufer und die Lande jenseits davon sichert, gebt ihr eure Landsleute im Osten auf. Wenn ihr gesehen hättet, was ich gesehen habe..."
"Du hast uns davon berichtet," sagte Valion schnell, ehe ein Streit ausbrechen konnte. "Und auf deinen Rat hin werden wir ja auch etwas unternehmen. Ich werde den Fluss überqueren und Hilgorn befreien, wenn er lebt. Und selbst wenn nicht, werde ich dennoch die Gondorer in den besetzten Gebieten nicht vergessen. Du hast gesagt, es gibt Gefangenenlager dort? Die Waldläufer können sie finden und ungesehen zu ihnen vordringen. Mit deiner Hilfe, Verdandi. Wir werden so viele retten wie möglich."
Verdandi sah ihm in die Augen. In ihrem Blick las er Zweifel. Zweifel, die wohl erst schwinden würden, wenn Valion seinen Worten auch Taten folgen lassen würde. Ihre Hand schloss sich fest um ihren Speer.

Soldaten versammelten sich rings um sie herum am Ufer. Sie trugen Bögen und Pfeile. Vier Männer trugen einen großen Kessel herbei, der mit schwarzem Pech gefüllt war.
"Es ist alles vorbereitet," sagte Valion zu Verdandi. "Im Süden der Stadt, wo die Stadtmauer an den Fluss grenzt, hat das Kriegsschiff, das wir eben gesehen haben, ein Beiboot abgesetzt. Der Rumpf des großen Schiffes sollte das Beiboot vor feindlichen Blicken verborgen haben. Die Mauer reicht ein Stück in den Fluss hinein und in ihrem Schatten ist das Boot gut versteckt. Geh und finde es, aber warte mit der Überquerung, bis die Zeit gekommen ist!"
Verdandi warf einen Blick auf die Bogenschützen, die ihre Pfeile in das dunkle Pech tauchten und auf die Fackeln, die herumgereicht wurden. "Ich glaube, ich werde wissen, wenn es soweit ist?" fragte sie.
"Da bin ich mir sicher," antwortete Valion und gab ihr einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. "Pass auf dich auf, Verdandi."
"Du auch, Valion," sagte sie. Kurz angebunden, wie es ihre Art war. Dann ging sie.
Rinheryn starrte der Kriegerin hinterher, bis Verdandi um eine Straßenecke gebogen und aus ihrem Blick verschwunden war. Sie musste nichts sagen - Valion spürte den Argwohn, der von Duinhirs Tochter ausging.
"Was ist denn los?" fragte er ungehalten, als er es nicht länger aushielt. "Misstraust du ihr so sehr? Sicher, sie könnte schnurstracks zu unseren Feinden gehen, doch was würde sie ihnen verraten können? Den Namen des Kommandanten der Garnison? Ich bin mir sicher, der Feind weiß längst, dass man mir das Kommando übertragen hat. Ebenso sicher weiß er über unsere Verteidigungsstrategie Bescheid. Es gibt nichts, was Verdandi ihnen sagen könnte, Rinya."
"Das ist es nicht!" stieß Rinheryn hervor. "Ich meinte - ach, vergiss es einfach. Ich bin einfach froh, dass diese Nordländerin weg ist!"
"Aber wieso -" setzte Valion an, doch da stürmte Duinhirs Tochter ohne ein weiteres Wort davon. Etwas ratlos blieb Valion alleine stehen. Dabei fiel ihm auf, dass die Soldaten hinter ihm alles beobachtet hatten. Er stieß einen Seufzer aus und trat dann zu dem gondorischen Hauptmann, der die Bogenschützen befehligte.
"Können wir beginnen?" fragte Valion,
"Wir warten nur auf Euren Befehl, hír."
"Gut, gut. Wir warten noch einen Augenblick," wies Valion den Mann an. Er musste Verdandi genug Zeit geben, das verborgene Boot zu entdecken, doch zu lange warten konnten sie auch nicht. Die Minuten verstrichen und Valion spürte, wie die Soldaten unruhig wurden. Ihnen war der Zweck ihrer Befehle nicht mitgeteilt worden.
Als nach Valions Zeitschätzung zwanzig Minuten vergangen waren, atmete er tief durch und gab dem Hauptmann seine Anordnung. Die Soldaten setzten die Spitzen ihrer Pfeile in Brand und spannten die Bögen. Der Hauptmann hob den Arm. Als er ihn mit einem lauten Befehl herunterriss, rauschte eine Schar rotglühender Linien durch den Himmel, auf dem Ostufer einschlagend. Kaum mehr als wenige Augenblicke waren vergangen, als auch schon eine Antwort erfolgte. Der misstönene Klang von Ork-Hörnern drang über den Fluss und am anderen Ufer waren dunkle Gestalten zu sehen, die sich in großer Aufregung bewegten.
"Eine Salve noch, dann in Deckung gehen," wies Valion seinen Untergebenen an. "Das sollte für genug Ablenkung sorgen."
Von den Orks war Geschrei zu hören und vereinzelte Pfeile schwirrten herüber. Die meisten landeten im Fluss. Die Soldaten Gondors feuerten eine zweite koordinierte Salve, dann gingen sie wie befohlen in Deckung. Sie hatten das Wespennest aufgerüttelt. Valion hoffte, dass die Ablenkung für Verdandi ausreichen würde, um das Ostufer zu erreichen...


Verdandi nach Lebennin
Valion und Rinheryn zu Marwans Anwesen
« Letzte Änderung: 21. Jun 2019, 14:17 von Fine »
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