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Autor Thema: Nord-Ithilien  (Gelesen 3252 mal)

Fine

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Nord-Ithilien
« am: 25. Sep 2018, 15:20 »
Valion, Ardóneth, Damrod, Glóradan und Rinheryn mit den Waldläufern aus Henneth Annûn


Valion lag im dichten Unterholz und spähte mit einer Mischung aus Vorsicht und Ungeduld auf den Waldweg hinunter, der am unteren Ende des kleinen Hanges verlief, auf dem sich die Waldläufer und ihre Verbündeten versteckt hielten. Eine Woche war seit dem Tag vergangen, an dem Ardóneth sich um Valions Verletzung gekümmert hatte, und er staunte noch immer darüber, wie wenig er von der grausamen Wunde noch spürte. Die Beweglichkeit seines Rückens war ein wenig eingeschränkt und er bekam hin und wieder leichte Atemprobleme, doch abgesehen davon fühlte er sich gut. Es wurde Zeit, endlich wieder in Aktion zu treten.
In den vergangenen Tagen hatten die Waldläufer Gerüchte unter der menschlichen Garnison Osgiliaths gestreut und sich hin und wieder für einen kurzen Augenblick den feindlichen Patrouillen in Nord-Ithilien gezeigt, um eine falsche Fährte zu legen, die genau hier her führte... an den Ort des perfekten Hinterhaltes. Der Waldweg - nicht mehr als ein zwei Mann breiter, ausgetrampelter Pfad inmitten des Grüns, den die eisernen Stiefel der Orks getreten hatten - führte durch eine langgezogene Senke, die zu beiden Seiten von steilen, überwucherten Hängen eingerahmt war. Alle kampfbereiten Menschen unter Damrods Befehl lagen nun rings um Valion herum im Hinterhalt. Damrod selbst hatte mit Ardóneth und den erfahrensten Waldläufern die Position auf der gegenüberliegenden Seite bezogen. Unter Einsatz seines Lebens hatte ihnen vor wenigen Stunden einer der Kundschafter, der Osgiliath beobachtete, die Nachricht gebracht, dass der dunkle Kommandant in Minas Tirith den Köder geschluckt hatte. Wie Damrod korrekt vorausgesagt hatte, war Arnakhôr zu stolz, um sich von Orks den Ruhm nehmen zu lassen, den letzten Stützpunkt des Widerstandes in Ost-Gondor zerstört zu haben. Der schwarze Númenorer rückte persönlich an, umgeben von einer starken Eskorte. Und an seiner Seite ritt - wie Valion erhofft hatte - der Verräter Gilvorn.
Neben Valion regte sich Rinheryn, die wie er einen dunkelgrünen Umhang trug und dadurch beinahe mit der Umgebung verschmolz. Und wie er hielt sie einen großen Langbogen in der Hand. Valion wusste zwar, wie man mit der Fernkampfwaffe umging, doch seine Schwerter wären ihm dennoch lieber gewesen. Der hölzerne Griff des Bogens fühlte sich in seiner Hand merkwürdig an. Er setzte sich vorsichtig auf und zog prüfend an der Sehne, die mit einem Zittern zurücksprang.
„Runter!“ wisperte Rinya aufgeregt. Offenbar hatte sie durch das Unterholz hindurch etwas entdeckt. Valion legte sich flach hin und starrte zwischen den Pflanzen hindurch auf den Weg hinab. Tatsächlich waren dort unten nun die krummbeinigen Gestalten von Orks aufgetaucht, die in großer Zahl über den Weg stapften und sich dabei misstrauisch umsahen. Selbst die Kreaturen Mordors waren vorsichtig genug, um zu erkennen, wie gut sich dieser Ort für einen Hinterhalt eignete.
Rinheryn legte langsam einen Pfeil auf die Sehne, doch Valion hielt sie zurück. „Warte,“ flüsterte er. „Nicht bevor wir Gilvorn entdeckt haben!“
Sie mussten sich nicht lange gedulden. Kaum eine Minute später erschien der Verräter inmitten der Orks, die in aller Vorsicht den Pfad entlang pirschten. Gilvorn, der auf einem schwarzen Pferd ritt, blieb gut sichtbar stehen und hob den Blick zu den Hängen hinauf.
„Waldläufer!“ rief er mit lauter Stimme. „Wir wissen, dass ihr euch hier versteckt haltet. Zeigt euch! Zeigt euch, und lasst eure Waffen zurück! Dann wird euch kein Leid geschehen. Der Große Gebieter lässt euch seine Gnade zuteil werden, wie er es auch bei mir getan hat.“
„Verräter,“ zischte Rinheryn voller unterdrückter Wut.
„Warte noch,“ presste Valion zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wo ist der dunkle Kommandant?“
„Das gefällt mir nicht,“ meinte einer der Widerstandskämpfer. „Wenn er weiß, wo wir sind, warum...“
„Feiglinge!“ rief Gilvorn, lauter als zuvor. „Ihr versteckt euch zwischen den Bäumen und Gräsern wie scheues Wild, das vor den Jägern flieht. Erkennt ihr es nicht? Es gibt kein Entkommen. Beugt das Knie vor Mordor, solange er es noch könnt! Es ist die einzige Chance, euer Leben zu behalten... so erbärmlich sie auch sein mögen.“
Die Orks waren mittlerweile ausgeschwärmt und begannen bereits, die Hänge zu erklimmen. Valion sah, wie Rinheryn ihren Bogen auf die Kreaturen anlegte. Im letzten Moment gelang es ihm, sie zurück in die Deckung zu ziehen und festzuhalten. Doch noch ehe er beruhigend auf die junge Kriegerin einreden konnte, hörte er die Sehne eines Bogens singen.
Valion ließ Rinya los. Nicht sie hatte geschossen, sondern einer der jüngeren Widerstandskämpfer. Er hatte Gilvorn verfehlt und stattdessen einen Ork niedergestreckt, doch damit hatte er die Position der Waldläufer verraten. Damrod schien das ebenfalls erkannt zu haben, denn von der anderen Seite ertönte nun das Hornsignal, das den Angriff hatte einleiten sollen. Gut gezielte Pfeile durchschnitten die kühle Herbstluft und fanden ihre Ziele unter den Orks. Valion hob seine eigene Waffe auf und spannte die Sehne, auf Gilvorn zielend. Er war fest entschlossen, das Beste aus dem misslungenen Hinterhalt zu machen. Der Pfeil verließ seine Hand und traf den Verräter am Unterarm, wobei Gilvorn seinen Schild verlor. Rings um den Gondorer in Mordors Diensten starben die Orks, doch die Kreaturen des Schattens waren viele, und die Waldläufer nur wenige. Sie erklommen die Hänge zu beiden Seiten des Waldpfades, und obwohl sie schwere Verluste erlitten, würden sie die Position der Waldläufer bald erreicht haben. Und in diesem Augenblick ließ der feindliche Kommandant seine eigene Falle zuschnappen. Die Bäume rings um Valion erzitterten, als eine gewaltige Kreatur von hinten durch das Unterholz brach und einen gewaltsamen Weg freiräumte. Brüllend donnerte ein gepanzerter Gebirgstroll über die Spitze des Hanges hinweg, und hinter ihm kam Balkazîr selbst, gehüllt in schwarze Rüstung und Helm. Weitere Orks folgten ihm. Die Waldläufer wurden nun ihrerseits von zwei Seiten bedrängt.
„Rückzug! Nach unten, und dann auf die andere Seite! Mir nach!“ rief Valion, der den Ernst der Lage erkannt hatte. Die Orks, die die Böschung hinauf kletterten, stellten die kleinere Bedrohung dar und waren noch immer dem Beschoss von Damrods Leuten ausgesetzt. An ihnen vorbeizukommen würde einfacher sein, als sich dem Troll zu stellen.
Er ließ seinen Bogen fallen und zog die Schwerter. Gemeinsam mit Rinheryn bahnte er sich den Weg nach unten, gefolgt von den wenigen Waldläufern, die dem Ansturm des Trolls entgangen waren. Unten angekommen lotste er die Widerstandskämpfer in Richtung von Damrods Position, oben auf der zweiten Anhöhe. Noch immer sausten Pfeile von dort herab und einer davon ließ Gilvorns Pferd stürzen... ganz in der Nähe von Valion. Er hatte nicht vor, diese Gelegenheit ungenutzt zu lassen. Während Rinheryn ihm den Rücken freihielt, hieb Valion die beiden Orks nieder, die ihm den Weg versperrten. Gilvorn war gerade wieder auf die Beine gekommen, doch ehe der Verräter reagieren konnte, war Valion bei ihm und rammte ihm die gepanzerte Faust ins Gesicht. Blut spritzte hervor und Gilvorn taumelte rückwärts. Valion setzte nach und schlug seinem Feind das stumpfe Ende seines Schwertgriffes gegen die Schläfe - einmal, zweimal, dreimal, dann ging Gilvorn bewusstlos zu Boden.
„Hilf mir mit dem Mistkerl,“ rief er Rinheryn zu, als Valion den Verräter packte und mit sich zerrte. Rings um sie herum starben die Orks im Pfeilhagel der Waldläufer, doch ein zorniges Brüllen machte Valion klar, dass der Troll noch immer in der Nähe war.
„Es gibt kein Entkommen. Dein Tod hat dich gefunden.“ erklang die grausame Stimme des Schwarzen Númenorers. Balkazîr war herangekommen, doch Rinheryn trat ihm in den Weg.
„Nicht, wenn ich dich zuerst töte,“ sagte sie trotzig. Und damit stürzte sie sich auf den dunklen Kommandant.
Valion blieb nichts anderes übrig, als den bewusstlosen Gilvorn weiter den Hang hinauf zu schleppen. Jemand packte den freien Arm des Verräters und half Valion beim Transport. Es war der junge Waldläufer namens Glóradan. Gemeinsam schleppten sie sich mühselig den Hang hinauf. Valion konnte nun Ardóneth und Damrod sehen, deren Köcher beinahe leer geschossen waren. Der Anführer der Waldläufer legte auf den Troll an und schoss der Kreatur zielsicher ins Auge. Das Monster ließ ein durchdringendes Schmerzensgeheul hören und verfiel ihn unaufhaltsame Rage, sowohl Orks als auch Menschen beiseite schleudernd. Mitten auf dem Waldpfad, auf dem Gilvorn geritten war, wütete der Troll und hielt so unabsichtlich die meisten Orks davon ab, Valion und dem Rest der überlebenden Waldläufer zu Damrods Position zu folgen.
Oben angekommen ließ der Gondorer seine Beute fallen. Einer der Waldläufer, der keine Pfeile mehr hatte, fesselte Gilvorn rasch, während Valion mit gezogenen Schwertern zurück an Rinheryns Seite eilte. Doch bevor er Duinhirs Tochter erreichen konnte, schlug ihr Balkazîr das Schwert aus der Hand. Die junge Kriegerin erlitt einen tiefen Schnitt am Bauch und stolperte. Die Waffe zum Todesstoß erhoben ragte der Schwarze Númenorer über ihr auf, während Valion noch zu weit weg war, um ihn aufzuhalten.
Da sauste ein Pfeil unangenehm nahe an Valions Gesicht vorbei, direkt auf Balkazîr zu. Gerade als es so aussah, als würde sich die Situation aus Minas Tirith wiederholen, schlug der dunkle Kommandant das Geschoss mit seinem Schild beiseite und setzte seine Klinge an Rinheryns Hals. Bevor er ihr Leben jedoch beenden konnte, traf ihn ein stürzender Ork in den Rücken und brachte Balkazîr aus dem Gleichgewicht. Der noch immer rasende Troll hatte Rinheryn unabsichtlich gerettet, indem er eines seiner Opfer gegen Balkazîr geschleudert hatte.
Valion kam heran - und zögerte. Für einen Augenblick schien die Zeit für ihn stillzustehen. Vor ihm lagen zwei Menschen - und eine Entscheidung. Rinheryn brauchte eindeutig Hilfe und würde nicht alleine entkommen können. Zog sie niemand gerade jetzt aus der Gefahrenzone, würde der Troll sie zertrampeln, der sich immer schneller näherte. Doch Balkazîr, der Mörder seines Vaters, war für einen flüchtigen Moment ungeschützt. Valion konnte nur eines tun - den dunklen Kommandanten töten, oder Rinheryn retten.
„Vergib mir, Vater,“ murmelte er. Dann packte er zu - und zog Duinhirs Tochter mit einem großen Ruck zu sich die Anhöhe hinauf. Die felsenharte Faust des Trolls ging an der Stelle nieder, an der die junge Frau gerade noch gelegen hatte, während Arnakhôr sich aufrappelte und sich dann aus der Gefahrenzone brachte.
Die letzten Pfeile gingen zwischen den Orks nieder. Valion und Rinheryn kletterten so schnell es ging zu Damrod und Ardôneth hinauf. Nachdem sie die überlebenden Widerstandskämpfer erreicht hatten, zogen sie sich gemeinsam durch das Unterholz auf der Rückseite der Böschung zurück.
Sie waren noch nicht weit gekommen als der Todesschrei des Trolls durch die Luft hallte.

Eine Meile außerhalb von Henneth Annûn traf die Gruppe mit jenen zusammen, die in dem Waldläufer-Versteck geblieben waren, unter anderem auch Ardnóneths Schwester. Sie warteten am Ufer des kleinen Flusses, der im Verbotenen Weiher entsprang, über dem die Höhlen von Henneth Annûn lagen. Drei Boote lagen dort vor Anker.
„Henneth Annûn ist nun nicht mehr sicher,“ sagte Damrod, dem man die Verbitterung über den fehlgeschlagenen Hinterhalt deutlich ansah. „Uns wenigen, die überlebt haben, bleibt keine andere Wahl, als Ithilien zu verlassen.“
„Immerhin haben wir den Verräter erwischt,“ warf Rinheryn ein und deutete auf Gilvorn, der zwar bei Bewusstsein war, jedoch gefesselt und geknebelt worden war. „Wir bringen ihn nach Dol Amroth, wo er für seine Verbrechen bezahlen wird.“
Damrods Laune schien sich dadurch nicht sonderlich zu bessern. „Bringt alle an Bord der Boote,“ ordnete er an. „Wenn wir es schaffen, Osgiliath ungesehen zu passieren, können wir uns damit vielleicht bis nach Tolfalas oder Linhir durchschlagen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als es zu versuchen.“
Valion warf einen letzten Blick zurück auf die tiefgrünen Wälder Ithiliens. Irgendwo dort unter den Baumkronen streifte der Mörder seines Vaters umher. Leise Zweifel an seiner Entscheidung, Rinheryn zu retten stiegen ihn ihm auf, doch gleich darauf erkannte er sie als Lügen seines Geistes. Er wusste, dass er das Richtige getan hatte. Zumindest hoffte er das...


Valion, Ardóneth, Rinheryn, Damrod, Glóradan, Thandor und Areneth mit den letzten Überlebenden zum Anduin
« Letzte Änderung: 8. Okt 2018, 14:28 von Fine »
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Eandril

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Re: Nord-Ithilien
« Antwort #1 am: 6. Okt 2019, 18:59 »
Narissa, Aerien, Aragorn und Gimli aus Durthang...

Sie erreichten die Waldgrenze etwa zwei Stunden später, als die Dunkelheit allmählich hereinzubrechen begann. Narissa fand eine geschützte Stelle, an der ein kleiner Bach, der eher ein winziges Rinnsal war, vom Felsen hinunter kam und in einem dicht mit Moos bewachsenen Bett weiter durch den Wald floss.
Gimli ließ Aerien sanft zu Boden gleiten, und Narissa bettete ihren Kopf auf ein dichtes, weiches Polster aus Moos. Während Gimli trockene Zweige sammelte um ein Feuer entfachen zu können, sollte es nötig sein, entfernte Aragorn vorsichtig den notdürftigen Verband, und untersuchte besorgt die darunter liegende Wunde, deren Anblick Narissa ein schmerzhaftes Ziehen im Magen verursachte.
Der Verband schien die starke Blutung gestillt zu haben, doch noch immer lief ein schwaches Rinnsal Blut an Aeriens Seite hinab. Die Wunde selbst schien nur klein, doch Narissa wusste, dass sie beinahe einen halben Fuß tief sein musste.
Aragorn fuhr mit dem Zeigefinger leicht die Wundränder entlang, was Aerien ein erbärmliches Wimmern entlockte, wie aber nicht aufweckte. Dann roch Aragorn an der Wunde, fuhr zurück und verzog das Gesicht. "Hast du gesehen, welche Waffe sie verletzt hat?", fragte er an Narissa gewandt. Narissa hatte das Messer über allem, was geschehen war, vollkommen vergessen. "Ich habe sie sogar mitgenommen", erwiderte sie, und zog die Klinge aus dem Gürtel.
Aragorns Miene verdüsterte sich weiter, als er den merkwürdigen bleichen Schimmer der Waffe und die darauf eingravierten Runen sah. "Eine Morgulklinge", stellte er fest. "Wie ich es befürchtet hatte."
Auch wenn der Ausdruck Narissa nichts sagte, machte der Klang des Wortes ihr Angst. "Was ist das?"
"Waffen dieser Art werden hauptsächlich von den Nazgûl benutzt - der Hexenkönig von Angmar setzte sie in seinem letzten Krieg gegen das Königreich Arnor ein. Mächtige Zauber liegen auf ihnen - wäre Aeriens Herz mit dieser Klinge durchbohrt worden, wäre sie selbst zu einer Art Geist geworden, aber schwächer, und unwiderruflich im Dienst Saurons. Zum Glück schien ihre Mutter dieses Schicksal nicht für sie geplant zu haben. Dennoch könnte auch diese Wunde tödlich sein - ist von der Klinge etwas abgebrochen?" Bei den letzten Worten wirkte Aragorn, als käme ihm eine ferne Erinnerung in den Sinn, doch Narissa fragte nicht nach. Stattdessen betrachtete sie die Spitze des Messers genauer, und schüttelte schließlich den Kopf. "Ich denke nicht. Sie sieht heil aus."
Aragorn wirkte erleichter, wenn auch nicht sehr. "Gut. Ansonsten hätte die Aufgabe meine Heilkunst weit überschritten." Seine Miene wurde wieder ernster. "Natürlich kann es sich immer noch so erweisen. Gib mir die Waffe."
Narissa reichte ihm den Dolch so vorsichtig sie konnte mit dem Heft voran. Aragorn hielt sie in der Linken, bewegte sie Rechte langsam über die Klinge und sang leise Worte in einer Sprache, die Narissa als Quenya erkannte. Trotzdem verstand sie keines der Worte. Dann legte Aragorn die rechte Hand auf die Wunde, und murmelte weitere elbische Worte.
"Das könnte ihre Schmerzen ein wenig lindern, und die Vergiftung, die von der Wunde ausgeht, für den Moment aufhalten", sagte er schließlich. "Doch im Vergleich mit den Elben ist meine Heilkunst höchstens stümperhaft, und Aerien ist noch lange nicht außer Gefahr." Er blickte im schwindenden Licht den winzigen Bach entlang den Hang hinunter. "Das Gelände ist günstig... Vielleicht wächst hier Athelas, das könnte einiges bewirken."
Aragorn kam ein wenig mühsam auf die Füße. "Ich werde mich auf die Suche machen. Gimli, mach ein Feuer, aber möglichst unauffällig, und erhitze etwas Wasser, wenn du kannst." Gimli nickte, brummte aber: "Und worin soll ich das tun? Wohl in meinen Stiefeln, oder was?"
"Narissa, bleib bei Aerien. Nimm ihre Hand, sprich mit ihr - lass sie spüren, dass du bei ihr bist. Ich werde so schnell wie möglich zurückkehren, und dann werde ich sehen, was ich weiter tun kann."

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Morgul-Kälte
« Antwort #2 am: 8. Okt 2019, 18:33 »
Dunkle Träume suchten Aerien in ihrer Umnachtung heim. Sie konnte sich später an das meiste nicht mehr erinnern, aber ein Eindruck blieb ihr noch lange im Gedächtnis: Das Gesicht ihrer Mutter, von blutigen Tränen gezeichnet, hinter dem eine große, schattenhafte Gestalt mit langen, ausgestreckten Händen stand und nach Aerien griff. Finger schnappten nach ihr, doch es waren nur neun...
Ihr war kalt, so kalt. Aerien, Aerien, drang wie durch einen dichten Schleier Narissas ferne Stimme zu Aeriens schlummerndem Bewusstsein herunter. Ich bin bei dir. Wach auf! Und Aerien versuchte es. Sie kam sich vor, als wäre sie tief unter Wasser gesunken und nur mit großer Anstrengung gelang es ihr, sich an die Oberfläche zu arbeiten.
Schwer keuchend öffnete sie mit flatternden Lidern die Augen. Das Erste was sie sah waren Narissas grüne Augen, die voller Sorge auf Aerien herab blickten. Über der Weißhaarigen türmte sich ein grünes Blätterdach in den Himmel. Die Luft roch würzig und schmeckte ganz anders als in Mordor.
Ithilien, fiel es ihr endlich ein. Sie war schon einmal hier gewesen. Nicht genau in dieser kleinen, verborgenen Mulde, die Aerien mit einem raschen Blick ins Auge fasste. Nein - weiter im Süden. Wo die Straße von Osgiliath durch dichtes Waldland führte, bis hin zu den Toren von Minas Morgul. Der Festung der N...
Eiskalter Schmerz fuhr einem grausamen Stachel gleich durch Aeriens Unterleib, wo die Morgulklinge eingedrungen war. Sie hätte geschrien, wenn sie die Kraft dazu gehabt hätte. Stattdessen krümmte sie sich wie ein verwundetes Tier zusammen und glaubte, sie müsste hier und jetzt elendig sterben.
Narissas Finger umschlossen Aeriens Hand. Die sanfte Berührung gab ihr Kraft und die Schmerzen ebbten langsam ab. Sie atmete tief durch und besann sich auf ihre fünf Sinne. Alle waren sie noch da, aber Aerien stellte fest, dass sowohl Sicht als auch Gehör eingeschränkt waren. Ihr Sichtfeld war geschrumpft und an den Rändern lauerten schwarze, unheilvolle Nebelfelder, die nur darauf warteten, sie wieder zurück in die tiefe Dunkelheit der Ohnmacht zu zerren. Ihr Gehör war getrübt; Stimmen und Waldgeräusche drangen nur gedämpft an Aeriens Ohren, als würden sie durch eine halb geschlossene Türe dringen.
Aerien hatte viele Fragen. Ob dies wirklich Ithilien war. Wie sie an den Stummen Wächtern vorbeigekommen waren. Wer sie bis hierher geschleppt hatte. Ob Narissa auch so sehr fror wie sie. Doch sie spürte, dass sie sich ihre Kräfte gut einteilen musste. Ihre dringendste Frage hätte Narissa gegolten, wenn diese fort gewesen wäre. Doch da sie hier war und noch immer Aeriens Hand drückte, und Aerien im Hintergrund Gimli erkannte, der ein Feuer in Gang gebracht hatte, wisperte sie, so gut sie konnte: "Wo ist Aragorn?"
Narissa blinzelte, als hätte die Frage sie überrascht. "Er sucht nach Heilkräutern," antwortete sie dann etwas verspätet.
"Er sollte nicht alleine..."
"Es war seine Entscheidung," sagte Narissa. "Ich bin mir sicher, er kann auf sich Acht geben."

Rasch wurde klar, dass Narissa recht hatte. Aragorn kehrte kurze Zeit später zu ihnen zurück. Er wirkte schon deutlich weniger angeschlagen als er es noch in Mordor gewesen war.
"Athelas habe ich keines gefunden, aber dafür etwas Besseres," sagte er etwas außer Atem. "Spuren."
"Spuren?" wiederholte Narissa skeptisch.
"Dieses Land wurde einst von den Waldläufern Gondors durchstreift. Und ganz offensichtlich ist das auch heute noch der Fall," antwortete Aragorn. "Und das bedeutet, dass ihre verborgenen Stützpunkte noch bemannt sein müssen. Wir sollten uns noch einige Zeit ausruhen und uns dann zu einem dieser Orte aufmachen. Wenn jemand in diesen Landen Athelas vorrätig hat, dann die Waldäufer." Er kam zu Aerien herüber und beugte sich zu ihr herunter. "Gut, du bist wach. Versuche, nicht wieder einzuschlafen. Ich werde dir etwas zubereiten, was dir dabei helfen wird."
Er holte einen orkisch aussehenden Helm hervor, den er wohl irgendwo unterwegs aufgelesen haben musste. Mit etwas Wasser aus Narissas Trinkschlauch begann Aragorn, einen heißen Sud über dem Feuer anzurichten. Er streute unterschiedliche Kräuter hinein und sprach leise Worte in einer Sprache, die Aerien entfernt bekannt vorkam. Aufgrund ihrer geschwächten Sinne konnte sie jedoch kaum etwas davon verstehen.
"Trink," forderte Aragorn sie etwas später auf. Die Flüssigkeit war unangenehm heiß, aber sie vertrieb zumindest teilweise die eisige Kälte, die sich in Aeriens Gliedern gesammelt hatte. Als sie fertig war, reichte Aragorn den Helm an die anderen beiden weiter.
"Schmeckt schlimmer als das, was sie den Sklaven auf den Feldern von Nurn als Suppe verkaufen," brummte Gimli. "Wenn mich nicht alles täuscht steckt da eine gute Portion orkisches Aroma mit drin. Hättest du den Helm nicht wenigstens vorher ausspülen können, Aragorn?"
Aragorn zeigte so etwas wie ein Lächeln - das erste Mal, dass Aerien eine solche Regung bei ihm sah. "Wenn uns das Glück weiterhin beschieden sein wird, wirst du bald wieder aus einem angemesseneren Krug trinken können, mein Freund."
"Wollen wir es hoffen," meinte Gimli. "Es ist viel zu lange her, dass ich etwas anderes als dreckiges, schales Wasser gekostet habe."

Sie rasteten noch ungefähr zwei Stunden. Dann untersuchte Aragorn Aerien vorsichtig und entschied, dass sie genug Kraft besaß, um auf Narissas Arm gestützt gehen zu können. Dank Aragorns Führung kamen sie zwar langsam, aber stetig voran, und suchten sich ihren Weg durch die Wildnis Ithiliens. Es ging leicht bergab und sie schienen einem kleinen Bach zu folgen, der ganz in der Nähe durch das Unterholz plätscherte.
Aerien stolperte mühsam dahin. Es gelang ihr, sich einigermaßen auf den Beinen zu halten, doch je mehr die Wirkung des Heiltrankes verblasste, desto mehr nahm die Kälte rings um ihre Verletzung wieder zu. Schon legten sich schwarze Schlieren über die Ränder ihres Sichtfeldes und sie begann, leise wispernden Stimmen zu vernehmen, die gespenstisch ihren Namen riefen: Azruphel, Azruphel...
Endlich blieb Aragorn stehen. "Hier war einst Zugang nach... nun, einst haben sie es das Fenster des Sonnenuntergangs genannt, als ich in Gondor weilte und als Thorongil bekannt war. Wie es heute heißt, weiß ich nicht. Wollen wir doch mal sehen..." Er bückte sich und fand einen verborgenen Eingang im hohen Gras.
"Kommt - hier werden wir heute Nacht rasten."


Narissa, Aerien, Aragorn und Gimli nach Henneth Annûn
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