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Autor Thema: Anwesen der Castavs  (Gelesen 3919 mal)

Melkor.

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Anwesen der Castavs
« am: 30. Nov 2018, 08:12 »
Branimirs Start:

Die Nacht war ruhig. Nur wenige Regentropfen prasselten auf das Dach des unteren Stockwerks des weitläufigen Anwesens, während eine leichte, kühle Brise durch das offene Fenster zog. Branimirs Schlafzimmer war nicht sonderlich edel eingerichtet im Vergleich zu anderen Schlafgemächern seines Standes; in Wirklichkeit besaß der teure Parkettboden des Gemachs sogar fast mehr Wert als das gesamte restliche Mobiliar. Ein großer, bespiegelter Kleiderschrank stand dem Bett gegenüber, während jeweils eine identische Kommode an den Wänden seitwärts des Schrankes ruhten. In einem Detail unterschieden sich die beiden Kommoden sich jedoch, - eine kleine, steinerne Büste hatte auf der an der Türseite stehenden Kommode ihren Platz gefunden.  Zudem flankierten noch zwei kleinere Nachttische das Bett, im Raum verteilt stand auch noch die ein oder andere Zimmerpflanze. In der Tat gab es deutlich prächtiger eingerichtete Schlafzimmer, sogar in dem großen Anwesen der Familie Castav, dennoch reichte es Branimir. Er legte mehr Wert auf den Konform als auf teure Möbelstücke.

Der alte Mann ruhte sanft. Doch plötzlich fuhr er jäh aus dem Schlaf hoch, als er eine kalte, metallene Klinge spürte, welche leicht gegen seine Kehle gedrückt wurde. Branimir ließ seine Augen geschlossen und begann zu sprechen. "Tut es, wenn Ihr es denn müsst." 
Sein Angreifer blickte ihn verwundert an. Der Eindringling hatte offensichtlich mit Widerstand gerechnet oder zumindest mit einem bettelnden Flehen um Gnade. Branimir nahm das Zögern zum Zeichen, weiterzusprechen. "Doch bevor Ihr meine Kehle aufschlitzt und anschließend zuseht, wie ich verzweifelt versuche, das Unvermeidbare zu verhindern, fragt Euch doch zunächst, für welchen Zweck Ihr das tut, was Ihr hier zu tun vorhabt."
Branimir hatte inzwischen seine Augen geöffnet. Eine schlanke, schmale Gestalt ragte über dem Bett auf. Seinem prüfendem Blick nach konnte der Eindringling kaum älter als fünfundzwanzig sein, wenn überhaupt. Das Gesicht war verhüllt und so konnte er im dunklen Zimmer nicht erkennen, ob der vermeintliche Räuber seines Lebens nun männlich oder weiblich war.
"Lasst mich raten," sagte Branimir, ohne sich zu bewegen. "Ein junger Mann mit langem, blonden Haar und blauen Augen - sein Stolz übertrumpft sogar die Größe seiner Geldbörse - schickt Euch, um mich aus den Weg zu schaffen?"
Branimir bemerkte, dass er die Neugierde des Attentäters mit seinen Worten wecken konnte. Gleichzeitig fummelte er vorsichtig und unauffällig nach einem Dolch, den er im Bett versteckt hatte. "Hat er Euch denn auch den Grund erzählt, wieso Ihr für mein Ableben sorgen solltet? Nein? Natürlich nicht, was sollte euch das auch viel interessieren? Ihr wollt nur Euren Auftrag erledigen und anschließend eine 'den Umständen' angemessene Belohnung erhalten, richtig?"
Branimir bemerkte, wie der kalte drückende Stahl nun langsam von seiner Kehle genommen wurde und der Attentäter sich auf die Bettkante setzte. Vorsichtig begann der Herr von Haus Castav sich im Bett aufzurichten.
"Ihr wisst nichts über mich," zischte die Gestalt - mit eindeutig weiblicher Klangfarbe in der Stimme.
"Oh meine Liebe... Ich weiß mehr über dich als du denkst," sagte Branimir berechnend. "Du versuchst dich als Dienerin der Schattenkünsten und verschreibst dich dem Stehlen. Dem Rauben. Und dem Morden."
Branimir hatte nun endlich den Dolch gefunden und vorsichtig unter seinen rechten Oberschenkel geschoben. "Dein Auftragsgeber, ein Adliger aus Gortharia, hat letztens zum Boden der Tatsachen zurück finden müssen. Und nun will er sich an mir dafür rächen, dass ich ihm beim letzten Adelsbankett im Rhetorischen Duell doch nicht so unterlegen war, wie er zunächst dachte, weil ich seinen übertriebenen Stolz vor allen Anwesenden ins Lächerliche gezogen habe."
Die Attentäterin hatte langsam ihre Maske abgenommen und eine hübsche junge Frau kam zum Vorschein. Einzig eine kleine Narbe, welche quer über ihr Gesicht ging konnte man als Makel betrachten.
"Wie viel hat er euch für mein Ableben angeboten?" fragte Branimir sanft.
Die Attentäterin zögerte und verriet mit einen kurzen Blick zur einer kleinen prall gefüllten Geldbörse, welcher an ihrem Gürtel befestigt war den Preis, welcher der Adlige für Branimirs Leben angesetzt hatte.
Branimir konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. "Tut mir leid, tut mir leid. Ich will dich natürlich nicht verspotten. Ich finde es jedoch äußerst interessant, dass man mein Leben als so wenig wertvoll einschätzt. Hmm..." Ein breites Grinsen breitete sich über Branimirs Gesicht aus. "Wie heißt du? Wenn ich schon heute gehen muss, würde ich wenigstens gerne den Namen meiner Mörderin wissen."
"Viara," antworte die junge Frau mittlerweile, vergleichbar unsicher.
"Nun, Viara, wieso hast ausgerechnet du diesen Auftrag angenommen und vor allem, wie viele meiner Wachen hast du aus den Weg geschafft, um in mein Schlafgemach zu kommen? Oder bist du so flink und hast dich in mein Zimmer geschlichen?" Der alte Mann hatte inzwischen seine Arme vor der Brust verschränkt und wartete auf eine Antwort von Viara.
"Ich brauche das Geld" gab sie prompt zu.
"Das brauchen sie alle, du siehst jedoch nicht so aus als würdest du es in irgend einer der Tavernen versaufen oder verspielen," entgegnete Branimir. "Wofür brauchst du es wirklich? Außer mir wird es keiner erfahren und da du mich ja nach unserem Gespräch töten wirst, hast du nichts zu verlieren."
Erneut hielt Viara einen Augenblick inne, doch dann antwortete sie ihm. "Meine Schwester wurde eingesperrt und ich will sie freikaufen."
Branimir lächelte. "Du willst also deine Schwester retten. Ich nehme an, vor den Galgen oder den lustvollen Soldaten? Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser kleine Geldbeutel jedoch auch nur ansatzweise dafür sorgen wird... Doch tue das, wofür du geschickt wurdest."
Branimir breitete weit seine Arme aus und schloss zum Schein seine beiden Augen, mit einem leichten Lächeln würde er seinem Schicksal entgegen treten. Obwohl er seinen Bruder und seine Enkelin sehr vermissen würde. Erneut spürte er, wie Viara mit sich rang. Sie erhob jedoch schließlich langsam ihren Arm und stoppte als Branimir seine Augen wieder öffnete. Blitzschnell zog er seinen Dolch hervor und drückte ihn leicht in den Bauch von Viara.
"Andererseits habe ich da ein Angebot für dich, was du sicher nicht so leicht ablehnen kannst..."
« Letzte Änderung: 1. Jan 2019, 20:15 von Fine »
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Re: Anwesen der Castavs
« Antwort #1 am: 1. Dez 2018, 11:37 »
Viara nickte zustimmend. "Zuerst rate ich dir aber, mir dein Messerchen zu geben." Branimir streckte ihr die offene Hand entgegen und erwartete von Viara, dass sie ihren Dolch hinein legen würde. Nach einem kurzen Zögern hatte sie Branimirs Ratschlag befolgt. Branimir wog den Dolch von Viara einige Male in der Hand und legte ihn schließlich in die unterste Schublade seines Nachttisches.
"Hmm. Nun, du wirst deinem Auftraggeber einen Besuch abstatten," sagte der alte Mann, während er sich einige Male durch seinen ergrauten Vollbart strich. Viara schwieg und beobachtete den Hausherren aufmerksam. Er erhob sich schließlich aus seinem Bett und öffnete den Kleiderschrank, suchte sich ein schlichtes Hemd aus und stülpte es über sein Nachthemd. Anschließend warf er sich eine edle Jacke über und zog einen hölzernen Kamm aus der Brusttasche. Er wagte einen Blick in den Spiegel und entdeckte, wie Viara versuchte die Schublade zu öffnen, in der ihr Dolch lag.
"Sie klemmt manchmal ein bisschen, du musst fester ziehen" sagte er unbeeindruckt während Viara erschrocken hochfuhr und sich wieder aufs Bett setzte.
"Was soll ich denn dort?" fragte sie ungläubig und versuchte Branimir abzulenken, indem sie zurück auf seine ursprüngliche Anweisung kam.
Vorsichtig fuhr er den Kamm einige Male durch sein schwarzgraues Haar und steckte ihn am Ende zurück in die Tasche. "Du wirst ein wichtiges Dokument durch ein anderes ersetzen, während ich dafür sorgen werde, dass du deine Schwester wieder sehen wirst," antwortete Branimir.
"Und wie soll ich das machen?" verlangte Viara zu wissen
"Du wirst einen Weg finden - zu mir hast du ja auch einen gefunden." Branimir durchsuchte die Kommode auf der die Büste stand und nahm schließlich ein kleines Dokument heraus. Schnell überflog er den Inhalt und steckte es Viara zu. "In einer Stunde treffen wir uns wieder hier, wenn du deine Aufgabe erledigt hast."
Viara nickte unsicher und versteckte das Dokument unter ihrer Kleidung. Dann erhob sie sich zum Gehen.
Branimir wartete, bis die vermeintliche Attentäterin sein Schlafgemach verlassen hatte und schloss dann die Tür hinter sich zu. Er befestigte zwei prall gefüllte kleine Geldbeutel an seinen Gürtel und schmunzelte immer noch darüber, wie wenig sein Leben scheinbar wert war.

Nachdem er mehrere Straßen gekreuzt hatte und mal rechts, mal links abgebogen war, erreichte er schließlich einen der vielen Kerker Gortharias. Ohne ein Ton zu sagen warf er dem Kerkerwärter einen der beiden Beutel zu, welcher dankbar nickte und schließlich das große Tor zum Gefangentrakt öffnete.
"Ihr meldet euch dann?" fragte der Wächter, erwartete jedoch keine Antwort von Branimir.
Im Inneren angekommen musterte Branimir einen Häftling nach dem anderen. Müde, träge Augen starrten ihn an. Diebe, Räuber und Mörder.  Angestrengt versuchte er sich an die vage Beschreibung von Viaras Schwester zu erinnern, welche sie ihm mitgegeben hatte: Langes Brünettes Haar, graubraune Augen, wovon eines jedoch vermutlich eher Blau sein sollte. Ungefähr genau so groß wie Viara und sie hörte auf den Namen Mila.
Branimir hielt an der Eckzelle an. Eine junge Frau kauerte dort auf den Boden. " Diese hier," sagte er schließlich an den Wachmann gerichtet, der ihm gefolgt war.
"Ihr wollt die junge Mila mitnehmen?" fragte dieser überrascht "Nun gut..." 
Das Oberhaupt der Familie Castav ging einen Schritt zurück, während der Wachmann die Zellentür öffnete und die junge Frau unsanft nach draußen schubste. Branimir nickte und ließ ihr den Vortritt. Zweifelhaft blickte sie ihn an, ging dann jedoch dann zur Tür des Kerkers. Branimir hingegen flüsterte den Wachmann noch eine wichtige Information zu, der dankend zusagte, sich sofort darum zu kümmern. Mit einem Nicken verabschiedete sich Branimir und verließ den Kerker. Dort wartete bereits Mila, welche jedoch von einer anderen Wache aufgehalten wurde.
"Sie gehört zu mir," sagte Branimir und schob sie durch das Tor.
"Verzeiht mein Herr," gab der zweite Wächter eilig zurück.

Ohne viele Worte führte Branimir seine neue Begleiterin zu seinem Anwesen. Sämtliche Fragen von ihr, das Warum und Weshalb, ignorierte er. Er war nicht gewillt, jetzt schon mit ihr zu reden. Vor dem Anwesen wartete bereits Viara, die ungläubig ihrer Schwester entgegen rannte und sie fest in den Arm schloss. Der alte Mann konnte nur wenige Worte mitbekommen, ging jedoch unbekümmert weiter.
"Nun kommt," rief er den Schwestern zu. Beide folgten ihm und er konnte hören, wie beide über vieles tuschelten, auch über ihn.
Nachdem sie eine gewundene Treppe erstiegen hatten erreichten sie ein kleines Zimmer mit einem einzelnen Fenster. Branimir zündete eine kleine Kerze an, die auf einem Schreibtisch stand und lehnte sich gegen die Wand. Einen Augenblick herrschte Stille, die jedoch schließlich von Branimir gebrochen wurde.
"Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten, ich hoffe du ebenfalls, Viara. Geh zum Fenster und sag mir was du siehst."
"Abmachung? Welche Abmachung?" fragte Mila, die ihre Schwester umklammerte. Viara beruhigte ihre Schwester und tat wie ihr befohlen wurde. Sie blickte durch das Fenster und erkannte dort Anwesen ihrer ehemaligen Auftragsstellers.
"Ich sehe nichts..." flüsterte sie.
"Dann warte einen Moment," gab Branimir zurück, während er eine kleine silberne Münze durch seine Finger gleiten ließ.
Viara keuchte überrascht. "Die Goldröcke marschieren auf das Anwesen zu," stieß sie hervor und beobachte gespannt, was weiter passieren würde.
Branimir hingegen grinste schelmisch und ließ die Münze in seiner geballten Faust verschwinden. Er überkreuzte die Beine und wartete auf eine Antwort von Viara.
"Sie zerren ihn aus seinen Anwesen und legen ihn nun in Ketten," sagte diese.  Branimirs kleines Lächeln hatte sich nun zu einen breiten Grinsen vergrößert. "Dann hast du den Teil deiner Abmachung eingehalten... Ihr seid beide frei zu gehen..."
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

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Re: Anwesen der Castavs
« Antwort #2 am: 19. Sep 2019, 08:41 »
Branimir saß am nächsten Morgen bereits am Frühstückstisch. Jener war in einer kleinen eingebuchteten Terasse im Innenhof aufgestellt worden, da es zur Morgenstunde recht kühl sein konnte. Die ersten Sonnenstrahlen tanzten auf den schweren, fein geschliffenen Steinplatten, welche im ganzen Innenhof verlegt worden waren.  Ausgenommen davon war nur die Terasse, auf welcher dem teilweise rauem Wetter widerstandsfähige Holzbretter verlegt worden waren, sowie der sandige Übungsplatz, welchen Branimir um hölzerne und aus Stroh gefertigte Übungspuppen erweitert hatte.
Branimir genoss für einige Zeit den vollständigen Aufgang der Sonne. Seine Hände waren gefaltet und das Gesicht empor zum Licht gewandt. Für einige Augenblicke verspürte er Ruhe und Frieden. Im Laufe seines Lebens hatte er gelernt, diese seltenen Momente zu nutzen, denn allzu oft waren sie so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen waren...
Da hörte er das Keuchen einer jungen Frauenstimme. Branimir lehnte sich an die Mauer, welche die Terasse vom Rest des Hofes trennte und beobachtete seine Enkelin Melina, wie sie ihre täglichen Waffenübungen mit Lerkko, den Hauptmann seiner Wachmannschaft, machte. Lerkko war der jüngere der beiden Söhne von Olovar Tevran, welcher  ebenfalls Hauptmann von Branimirs Großvater, Dragomir, und später der seines Vaters gewesen war. Melina drehte sich wieder und wieder wie ein Wirbelwind von einer Position zur anderen und jeder Hieb traf die mit Stroh gefüllte Puppe, während Lerkko daneben stand und jede Bewegung mit einem strengen Blick kontrollierte. Aufgrund dieser Trainingsmethode hatte Branimir schon dutzende Puppen besorgen müssen, um die Zerfledderten ersetzen zu können. Dennoch war er froh, dass Lerkko angeboten hatteihr den Umgang mit Schwert, Axt und Dolch beizubringen, denn von ihrem Großonkel Vadim hatte Melina nichts mehr lernen können. Seit ihrem zehnten Lebensjahr trainierte sie so bereits, ihrem Alter entsprechend immer intensiver mit Waffen und war nun bereits dazu in der Lage den ein oder anderen Wachmann Branimirs im direkten Zweikampf in ziemliche Bedrängnis zu bringen. Darüber hinaus war Branimirs Enkelin jedoch auch was höfische Verhaltensregeln anging bereits sehr gebildet. Nicht selten bot er ihr deshalb an, ihn auf ein Bankett des Adels zu begleiten.

"Sie trainiert wieder?" fragte Stjokor, einer der ältesten Diener des Anwesens, der gerade ein Tablett mit Wurst, Käse und Obst nach draußen brachte. Der Diener stellte das Frühstück an Branimirs üblichem Sitzplatz ab und dabei fiel dem Hausherrn auf, dass neben der Mahlzeit noch ein kleines, verschnürtes Paket auf seinem Tisch gelandet war.
"Du kennst sie doch..." seufzte Branimir und zog seinen Stuhl zurück, um Platz zu nehmen..
"Rhala bereitet den Rest des Frühstücks noch vor," erklärte Stjokor und Branimir nickte verständnisvoll. 
Im selben Moment trat Vadim, der jüngere Bruder Branimirs aus dem Haus. Er hielt ein weiteres Tablett in den Händen, auf dem Brotlaibe, Butter und selbstgemachte Marmelade lagen. Stjokors Frau, Rhala, eilte hinter Vadim her.
"Du bist spät... Wo ist deine Frau?" begrüßte Branimir seinen Bruder, während er das Paket öffnete.
"Jaja," winkte Vadim ab. "Bazek ist auf den Markt gegangen, um ein paar Kleinigkeiten einkaufen..."
Im Inneren des Paketes fand Branimir einen Beutel aus Leder sowie einen versiegelten Brief. Er lockerte das Band, welches den Lederbeutel verschloss und ein himmlisch fruchtiger Duft drang nach außen.
"Tee aus dem Süden..." sprach er vor sich hin. "Stjokor, würdest ihn bitte aufkochen und die Kanne nach draußen bringen?" fragte er und legte den Beutel auf den Tisch. Behutsam öffnete Branimir das Siegel des Briefes und begann die ersten Zeilen laut zu lesen. "Awarfiula hat geschrieben. Der Bürgerkrieg im Reich von Kermakonnte knapp für den König entschieden werden, jedoch war der Sieg teuer erkauft. Das Reich ist wieder unabhängig, aber der alte König konnte erneut entkommen... " Branimir stoppte, legte den Brief auf den Tisch und begann erneut zu sprechen. "Er bittet mich, meine Ohren und Augen offen zu halte. Sollte ich an Informationen gelangen, sie ihm sofort zu übermitteln. Und er fragt ob... der Tee schmeckt." Branimir schmunzelte kurz. Vadim nahm sich eine Scheibe Brot und  schmierte beherzt Butter darauf.
"Wir werden sehen, wie er schmeckt..." murmelte Branimir und versank für einen Moment in Gedanken. Dann wies er seine Diener an: "Rhala,  sucht ihr beiden bitte später eine unserer kostbarsten Flaschen im Weinkeller?  Am besten wäre eine Spätlese oder ein frisch gereifter Rotwein...  Und ruft bitte nach Melina, sie soll sich waschen und zum Essen kommen."
Rhala nickte und ging zurück zur Küche. Nun griff auch Branimir nach einer Scheibe Brot, legte eine Scheibe Käse darauf und schmierte schließlich etwas von der Beerenmarmelade darauf. Währenddessen hatte Stjokor drei Tassen sowie eine Kanne Tee nach draußen gebracht. Nachdem Branimir sich bei ihm bedankt hatte eilte der in die Jahre gekommene Hausdiener ebenfalls in die Küche um seiner Frau bei der Auswahl der Weinflaschen zu helfen.

"Hat sie sich bereits bei dir gemeldet?" fragte Branimir, als er die mit dem Tee gefühlte Tasse zu Vadim reichte, welche dieser dankend entgegen nahm.
"Nein, noch nicht."
Branimir gab ein entnervtes Seufzen von sich." Sie hätte sich bereits vor drei Tagen melden sollen." Er machte eine kurze Gedankenpause, ehe er fortfuhr: "Was gibt es sonst für Neuigkeiten?" Dabei nahm er einen Schluck des Tees und war sehr positiv überrascht von dem fruchtigem  aber auch gleichzeitig frischem Geschmack.
Vadim beugte sich leicht vor. "Deine Ohren aus Balanjar haben scheinbar etwas sehr Interessantes mitbekommen. Irri, die Prinzessin aus Balanjar sei geflo…"
Branimir unterbrach Vadim mitten im Satz. "Irri ist geflohen. Richtung Westen. Ich vermute, in das Land der Pferdeherren. Ich habe dort Informanten, welche mir Meldung machen werden, sollte sie dort aufschlagen." Er nahm den letzten Bissen von seinem bestrichenen Brot und nahm sich dann eine weitere Scheibe. Vadim hingegen wirkte wieder einmal überrascht, wie weitläufig und geschickt sein älterer Bruder sein Netz gesponnen hatte. Branimir versuchte Vadim aus so vielen eher zweifelhaften Angelegenheiten wie möglich heraus zu halten. Doch trat manchmal der unglückliche Zufall ein, dass Vadim etwas davon mitbekam. Trotz der Tatsache, dass Branimir seinem jüngeren Bruder mehr vertraute als allen anderen in seinem Umfeld, verfolgte er so ein klares Ziel. Seine Familie für den schlimmsten Fall zu beschützen. Deshalb hatte Vadim eher organisatorische Aufgaben; er kümmerte sich um die Geschäfte des Weingutes und regelte die Instandhaltung des Anwesens, wenn nicht Branimir das direkt übernahm.

Vadim schwieg für eine Zeit, ehe er wieder das Wort ergriff. "Eine Sache noch. Ivailo aus Govedalend ist in der Stadt gesehen worden... Du weißt sicher, warum er hier ist. Was er vorhat. Du... du solltest mit ihm sprechen. Vielleicht ist... er einsichtig geworden."
Branimir legte die halb gegessene Stulle zurück auf den Teller. Wischte seinen Mund mit einem Tuch ab. "Wen meinst du?" fragte er schließlich. Branimir wusste natürlich, von wem Vadim sprach, jedoch wollte er nicht einmal einen Gedanken an jene Person verschwenden.
"Du weißt genau wen ich meine. Vakrim. Deinen Sohn, Branimir."
"Mein Sohn? Mein Sohn ist vor siebzehn Jahren gestorben." Branimirs Blick war auf Vadim fokussiert und seine Miene war ernst.
"Du solltest dich... mit ihm versöhnen..." versuchte Vadim es erneut.
"Vakrim ist für mich gestorben, als er sich diesem Hund anschloss, der seine Schwester vergewaltigt und schließlich heimtückisch ermordet hat. Er hatte es nicht nötig zum Bett seiner vor Trauer überwältigten Mutter zu kommen um die letzten Stunden, die ihr gebrochenes Herz ihr noch gaben mit ihr zu verbringen, wie Mhira es getan hat. Nein. Er zog durchs Land mit unserem 'König'." 
Es kam nur selten vor, dass Branimir so von einem Schwall von Gefühlen überrollt wurde. Er brummte noch einige kaum verständliche Sätze ehe erschließlich Richtung Küche verschwand. "Melina soll endlich zum Essen kommen!"  rief er Vadim noch im Gehen zu.
« Letzte Änderung: 19. Sep 2019, 20:34 von Melkor. »
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Re: Anwesen der Castavs
« Antwort #3 am: 11. Okt 2019, 15:13 »
Branimir stürmte durch den langen Gang, geradewegs in Richtung seines Arbeitszimmers. Versöhnen, dachte er. Das wird niemals passieren. Das Oberhaupt des Haus war so in Gedanken versunken, dass er Rhala, welche den von Branimir gewünschten Wein in einer kleinen Kiste nach draußen bringen wollte, beinahe umgerannt hätte. Gerade noch rechtzeitig konnte Branimir ihr ausweichen, ehe es zum Zusammenstoß kommen konnte. Rhala schreckte auf, als sie den Hausherren sah.

"Ich dachte, Ihr wärt noch draußen, Herr?" fragte sie überrascht.
Branimir beachtete die Frage nicht und kontrollierte den Inhalt der Kiste. "Eine Spätlese haben wir nicht mehr gehabt?" fragte er, da er im Inneren nur zwei sehr junge Weine entdecken konnte.
Rhala verneinte die Frage, deutete jedoch an, eine ältere Flasche bereits verpackt zu haben. Branimir nickte zufrieden "Ich hoffe, ihr habt für euch beide auch ein paar genommen," sprach er abschließend ohne eine Antwort zu erwarten und ging rasch weiter. Er öffnete die Türe zu seinem Arbeitszimmer, welche mit einem leichten Quietschen aufschwang. Das Arbeitszimmer war ebenso wie das Schlafzimmer nur auf das nötigste reduziert: ein paar Bücherregale welche an den Wänden standen sowie der Schreibtisch, auf dem ein paar gefüllte Geldbeutel sowie wild durcheinander versrteute Schriftstücke lagen. Das einzig markante war ein schwerer, in die Wand, eingebauter Schrank, welcher mit einem großen Schloss gesichert war. Branimir ging auf jenen Schrank zu, zögerte jedoch einen Augenblick, schließlich schüttelte er den Kopf, als würde er einen Gedanken vertreiben wollen und setzte sich auf einen Stuhl. Er nahm einen der Zettel, tunkte die Silberne Feder in das Tintenfass und begann eine Nachricht aufzuschreiben. Einen kurzen Augenblick später legte er die Feder zurück, nahm die Kerze, deren Licht leicht flackerte, und ließ etwas Wachs auf den gefalteten Brief laufen. Routiniert striff er seinen Siegelring vom Finger und drückte die Stilisierten Weinreben auf das erstarrende Wachs. Abschließend griff er nach einem recht prall gefüllten Beutel und verließ mit den Brief sein Zimmer wieder.

Draußen angekommen hörte er seinen Bruder mit Melina und Lerrko tuscheln. Branimir interessierte sich dafür nicht und setzte sich auf seinen Stuhl am Rande des Hofes und schob den Brief mitsamt des Geldbeutels zu Vadim rüber. "Hast du nach deinem Bruder bereits schicken lassen?" fragte er an Lerrko gerichtet, welcher sichtlich überrascht und gleichzeitig ihn fragend anblickte. Branimir faltete die Hände und legte sie sanft auf seinen Bauch, auf die Antwort wartend.
"Äh, ja, er sollte in den nächsten Tagen hier eintreffen," beantwortete der Wachhauptmann die Frage schließlich. "Ich hoffe für ihn, dass er seiner Aufgabe gewissenhafter nachgeht als du der deinen," mahnte der Ostling mit einem ernsten Blick.
"Wie meint Ihr das?"  fragte der junge Hauptmann der Garde vollkommen überrascht.
Branimir legte seinen Kopf schief, in der Hoffnung sich verhört zu haben. Sein strenger Blick durchbohrte Lerrko förmlich, welcher nicht wusste, wie er auf diese Anschuldigung reagieren sollte. Einen kurzen Moment später rührte sich das Oberhaupt des Hauses wieder. "Gestern Nacht," er richtete sich in seinem Stuhl auf, "wurde ich von kaltem Stahl, direkt an meiner Kehle, unsanft aufgeweckt. Ich dachte mir: Wie kann es angehen, dass die Wachmannschaft nicht in der Lage ist, jeden ungebetenen Fremdling auf meinem Grund und Boden fernzuhalten oder zumindest zu entdecken? Hmm? Hatte ich nicht dir die Sicherheit dieses Anwesens und seiner Bewohner anvertraut?

"Ich denke wir sollten gehen..."  schlug Vadim vor, welcher Melina zum Aufstehen aufgefordert hatte. Mit offensichtlichem Missmut folgte ihm das Mädchen.
Vadim war die Situation sichtlich unangenehm. Er wusste, dass sein Bruder es nicht hart und böse meinte wie es sich im ersten Moment anhörte, denn Branimir war im allgemeinen ein recht gütiger und zuvorkommender Herr, welcher im Gegenzug von seinen Untergebenen Ergebnisse forderte, vor allem dann, wenn man, auch nur indirekt, zur Familie gehörte.
"Nein, setzt euch beide wieder," sagte Branimir im Befehlston. Er hielt inne und schaute Lerrko direkt in die Augen. "Als damals dein Vater, ein guter Freund, im Sterben lag habe ich ihm damals versprochen euch beide aufzunehmen, dich und deinen Bruder. Weißt du noch was du mir damals versprochen hast?"
"Ja," nuschelte Lerrko welcher sichtlich bedrückt zu Boden blickte. "Dass ich Euch nicht enttäuschen werde."
"Nicht enttäuschen" wiederholte Branimir welcher wieder etwas lockerer saß. "Ich will, dass du die Wachmänner in Zukunft verdoppelst..." sagte er abschließend.
Lerrko schien nicht zu wissen, was er darauf entgegen sollte und nickte nur mehrmals.
"So, nun geht. Beide."  Branimir wartete denn Moment ab bis Milena und Lerrko zurück zum Übungsplatz gegangen waren und blickte ihnen hinterher.
"Du warst zu streng mit ihm, finde ich." meinte Vadim schließlich.
"Er muss lernen, dass er sich in seiner Stellung keine Fehler erlauben darf. Und das lernt er nicht, wenn man über Fehler hinweg schaut," wies Branimir die Meinung seines Bruders ab.
"Hm, wenn du meinst... Was hat es mit dem Brief auf sich?" wechselte Vadim das Thema.
"Diesen Brief bringst du später zu den Wachmännern am Haupttor, Wachhauptmann Auli weiß was er zu tun hat... "
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Re: Anwesen der Castavs
« Antwort #4 am: 13. Okt 2019, 19:28 »
Nachdem Branimir sämtliche Tagesgeschäfte erledigt hatte, begab er sich zu seinem Schreibzimmer. Vadim hatte nach dem gemeinsamen Frühstück den kleinen Auftrag seines Bruders erledigt und danach mit seiner Frau Bazek Zeit verbracht.
Als Branimir sein Schreibzimmer betrat, fiel ihm sofort auf, dass der Vorhang nicht vollständig zugezogen war. Eigentlich hatte außer ihm niemand Zutritt zu diesem Raum, auch waren die meisten Lampen oder Kerzen erloschen. Der alte Ostling erdeckte einen groben Schatten, welcher auf einer Fensterbank saß und sich gegen das Fenster lehnte. Er nahm den Kerzenhalter, welcher nur noch ein sehr schwaches Licht erzeugte, von der Halterung neben der Tür und ging einen Schritt auf den Schatten zu. Die kantigen Linien wurden nun zu feineren und er erkannte wie der Schatten aus dem Fenster den Regentropfen zuschaute, welche auf dem steinigen Boden zerplatzten. Branimir wurde leicht misstrauisch, ging jedoch noch einen Schritt näher auf die unbekannte Person zu, jene war wohl scheinbar so in Gedanken versunken, dass sie Branimir nicht mal erkannte. Erst als Branimir den ihm wohl bekannte Ring am Finger der Gestalt entdeckte, fühlte er Erleichterung.
Branimir schnaufte tief durch. "Habe ich dir nicht gesagt, dass du mir keinen Schrecken mehr einjagen sollst?" Branimir ging zu den erloschenen Lampen und zündete eine nach der anderen wieder an. "Du solltest dich bereits vor drei Tagen melden, Jaira..." grummelte er. Branimir lehnte sich schließlich gegen einen Schrank und verschränkte seine Arme.
"Es gab... Komplikationen," entgegnete Jaira, eine von Branimirs Informatinnen.
"Komplikationen?" Branimir zog die Augenbrauen hoch.
"Ja, Komplikationen," schmetterte sie jedoch die weitere Nachfrage ab.
"Ich hoffe du konntest deinen Auftrag jedoch erfüllen?"
Jaira nickte und zeigte auf eine kleine schöne Vase, die auf dem Schreibtisch stand. Branimir blickte die Vase zweifelnd an und hob sie schließlich hoch. Er schüttelte sie leicht und drehte sie dann schließlich mit der Öffnung nach unten. Ein kleiner Dolch fiel mit einem klirren auf die hölzerne Platte, für Branimirs geschulte Augen sah er elbisch, vielleicht aus Palisor. Branimir stellte die Vase etwas unsanft zurück auf den Tisch und begutachtete den Dolch.
"Es herrscht Chaos in Balanjar. Ich kam gerade so heil raus... Nachdem die Rebellen die Hauptstadt besetzt hatten," erklärte Jaira.
Deshalb ist die Prinzessin wohl geflohen," schlussfolgerte Branimir.
"Die Menschen versuchen panisch vor der Rache Mordors zu fliehen." fuhr Jaira fort.
Branimir blickte Jaira besorgt an. "Die Rache Mordors?"
Sie nickte. "Eine Armee von Orks wurde an der Grenze gesehen, welche in das Fürstentüm marschieren wird."
"Vadims Söhne sind noch in Balanjar." murmelte er. Branimir ließ nach seinen Bruder schicken, welcher nach kurzer Zeit das Zimmer betrat. In der Zwischenzeit hatte Branimir bereits angefangen, einen Brief zu verfassen.
"Was ist los?" fragte Vadim sogleich.
Branimir fasste mithilfe von Jaira die Ereignisse in Balanjar knapp zusammen.
"Wir müssen sie da rausholen. So schnell wie möglich," schlussfolgerte Vadim. "Jaira, kannst du sie holen?"
"Ich?" fragte sie ungläubig.
"Nein, nicht du. Ich schicke gleich eine Brieftaube zu meiner Informantin in Balanjar. Wir dürfen keine Zeit verlieren und du solltest dich ausruhen." sprach Branimir ruhig und schrieb den letzten Satz auf den Brief. Schließlich nahm er einen kleinen Zettel und schrieb einen einfachen Befehl darauf - Das Netzwerk in Balanjar aufzulösen und Vadims Söhne nach Gortharia zu bringen. Er drückte den Brief einem Boten in die Hände, welcher alsbald sich aufmachte und band der Taube, welcher der Bote brachte, die kleine Rolle um den Fuß. Behutsam streichelte er sie einige Male und schickte sie dann auf den Weg nach Balanjar.
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Re: Anwesen der Castavs
« Antwort #5 am: 9. Dez 2019, 19:08 »
Ceyda von den Straßen von Gortharia

Branimir bat seine Nichte Ceyda herein und führte sie in sein Arbeitszimmer. Dort warteten bereits zwei frisch servierte Tassen Tee auf die beiden. Von den Bediensteten war jedoch nichts zu sehen, wie Branimir zufrieden feststellte. Er erwartete von den gut ausgebildeten Hausdienern nichts weniger als Perfektion.
Ceyda, die schon immer ein wenig stürmisch gewesen war, schien sich nur mit Mühe ruhig halten zu können. Branimir bemerkte, dass die Hände seiner Nichte kaum sichtbar zitterten und dass ihr Pupillen sich vergrößert hatten; zwei eindeutige Anzeichen von Aufregung. Er bot Ceyda seinen Stuhl an und lehnte sich selbst gegen die Fensterbank, die dampfende Teetasse bereits in der Hand. Dann begann er, zu sprechen.
"Es ist gut, dass du so rasch zu mir gekommen bist, Ceyda," sagte Branimir ruhig. "Lass mich gleich zum Grund deines Hierseins kommen. Es hat einen Angriff auf das Fürstentum Balanjar gegeben."
"Was?" entfuhr es Ceyda und sie schlug die Hände vor den Mund.
"Ich habe bereits alles in die Wege geleitet um die Familie dort 'rauszuholen," beschwichtigte Branimir sofort. "Sei unbesorgt. Ich kümmere mich darum."
Ceyda musterte ihn eindringlich - offenbar wog sie ab, ob Branimirs Aussage für sie ausreichend war. "Wer würde Balanjar angreifen?" fragte sie mit einem erbosten Unterton.
"Noch haben wir nicht alle Fakten über den Angriff in der Hand," erklärte Branimir methodisch. "Ich habe dich rufen lassen, damit du es von mir erfährst und nicht irgendwo auf der Straße hörst. Gerüchte und Falschinformationen breiten sich rasch aus und können zu unnötiger Panik führen."
"Was weißt du, Onkel?" hakte Ceyda nach. "Wer steckt hinter dem Angriff?"
"Alles deutete darauf hin, dass es sich um eine Invasion aus Mordor handelt," sagte Branimir. Er sah keinen Sinn darin, lange um den heißen Brei herumzureden. Je eher Ceyda die Fakten kannte, desto besser für sie.
"Das ergibt doch keinen Sinn," überlegte Branimirs Nichte. "Wieso sollten sie uns angreifen?"
Branimir warf einen Blick hinaus auf den Hof, der von der Nachmittagssonne beschienen wurde. "Dafür kann es viele Gründe geben. Solange ich mir nicht sicher bin, werde ich keine Vermutungen anstellen. Ich habe Leute entsandt, um Fakten zu beschaffen. Bald werden wir mehr wissen."
Ceyda wirkte nicht sonderlich zufrieden, doch sie nickte langsam. "Also gut, Onkel," sagte sie. "Versprich mir, dass du alle heil dort rausholst."
"Ein solches Versprechen kann ich nicht geben," erwiderte Branimir. "Zu viele Faktoren beeinflussen den Erfolg der Mission um sicherzugehen, dass alles reibungslos ablaufen wird. Ich habe Vertrauen in meine Leute und ich bin mir sicher, dass sie ihr Bestes geben werden. Das ist alles, was ich dir anbieten kann."
"Dann muss das eben reichen," antwortete Ceyda fest. "Wohin lässt du meine Familie bringen?"
"Zu deinem Vater, hier auf das Anwesen," erklärte Branimir. "Vadim bereitet bereits alles für die Ankunft vor."
Ceyda atmete tief aus und strich ihr Kleid glatt, ehe sie aufstand. "Ich sollte zu ihm gehen," sagte sie.
Branimir nickte. "Du wirst ihn in den Gärten finden, beim Hintereingang des Anwesens."
Seine Nichte warf Branimir einen letzten Blick zu, ehe sie hinaus eilte. Branimir ließ sich auf den nun leeren Stuhl sinken und fragte sich, was Ceyda nun wohl tun würde. Sie war dafür bekannt, hin und wieder recht... eigenwillige Entscheidungen zu treffen. Er würde ein Auge auf Ceyda haben müssen.

Der Nachmittag verstrich, während Branimir eine Vielzahl Briefe schrieb und Laufboten aussandte, um Nachrichten von den Stadttoren einzuholen. So erfuhr er, dass inzwischen bereits die ersten Flüchtlinge aus Balanjar in Richtung Gortharia unterwegs waren. Ob Vadims und Ceydas Familie darunter waren, ließ sich jedoch bislang nicht feststellen.
Als die Sonne untergegangen war, ließ Branimir seinen Wachhauptmann Lerkko zu sich rufen. Er hatte den Kontakt zur Untergrundorganisation der Schwarzen Rose hergestellt - einer weit vernetzten Gruppe von Widerstandskämpfern gegen die Herrschaft König Gorans, die ihre Mitglieder hauptsächlich aus den ärmsten Schichten der rhûnischen Bevölkerung rekrutierte. Branimir war es gelungen, die Identität des Anführers der Schwarzen Rose aufzudecken, bei dem es sich um niemand Geringeren als Ulfang, den gestürzten Herrscher des Ostling-Reiches, handelte - ein Fakt, den Branimir bislang für sich behalten hatte. Die Schwarze Rose würde am späten Abend eine Kontaktperson zum Anwesen entsenden, und Branimir hatte entschieden, dass es Lerkko sein würde, der ihn bei diesem ersten Treffen vertrat.
"Ich denke, ein geeigneter Ort für das Gespräch wäre das leer stehende Gebäude neben der Schmiede," sagte er und legte die Hände auf dem Bauch zusammen, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. "Ich will, dass die Kontaktperson gründlich durchsucht wird, ehe sie auf das Gelände des Anwesens geführt wird. Sicherheit geht vor."
"Ich verstehe, Meister Castav," sagte Lerkko, der auf der anderen Seite von Branimirs Schreibtisch stand und ihn aufmerksam betrachtete.
Rasch schärfte Branimir Lerkko den Plan für die Kontaktaufnahme ein. Wenn alles wie geplant ablaufen würde, würde Branimir bald alles über den verworrenen Untergrund von Gortharia wissen, was es zu wissen gab. Deshalb war dieses Treffen für ihn besonders wichtig.
Nachdem alles besprochen war, schickte Branimir Lerkko fort, damit dieser sich für die Ankunft der Kontaktperson der Schwarzen Rose bereit machen konnte. Auch Branimir würde sich nun in Bereitschaft halten müssen, denn der Zeitpunkt des Treffens war schon beinahe heran. Er verließ sein Arbeitszimmer in Richtung des Hofes, hielt unterwegs jedoch am Schlafzimmer seiner Enkelin Melina an. Lautlos öffnete Branimir die Tür des Zimmers, um vorsichtig hinein zu spähen. Leise, regelmäßige Atemzüge verrieten ihm, dass das Mädchen fest schlief.
Sie hat sich heute bei ihren Übungen wieder sehr verausgabt, dachte er. Ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, ehe er das Zimmer wieder verließ und sich auf den Weg die Treppen hinab machte.
« Letzte Änderung: 9. Dez 2019, 19:21 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

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Castavs Kontaktmann
« Antwort #6 am: 9. Dez 2019, 19:24 »
Cyneric und Tyra von den Straßen von Gortharia


Das Anwesen von Haus Castav lag im nordöstlichen Viertel der Königsstadt, in der der Großteil des gortharischen Adels residierte. Es war rundum mit einer starken eigenen Mauer umgeben und war von einer starken Wachmannschaft geschüzt. Es dauerte eine ganze Weile, bis man Tyra und Cyneric endlich einliess. Sie wurden beide gründlich durchsucht und mussten sämtliche Waffen abgeben. Dann führten die Wächter des Anwesens sie durch das mit Eisen beschlagene Tor in den Innenhof des Anwesens. Fackeln erleuchteten das Zentrum des gepflasterten Platzes und Cyneric spürte die Augen der Wachposten auf sich, als sie sich dem Treffpunkt mit dem Kontaktmann der Castavs näherten. Vorsichtig nahm er seine Umgebung unter die Lupe. Direkt vor ihnen erhob sich das Herrenhaus im Zentrum des Anwesens. Eine einladende, eingemauerte Terasse lag direkt neben dem Haupteingang des Hauses. Zu beiden Seiten gab es verschiedene kleinere Gebäude, unter anderem einen Stall und etwas, das nach einer Schmiede aussah. In der Nähe der Terasse sah Cyneric im flackernden Licht der Fackeln etwas Sand, mit dem der Boden bestreut worden war, sowie mehrere hölzerne und mit Stroh gefüllte Übungspuppen. Er fragte sich, ob diese wohl von den Wachmännern genutzt wurden.
Im Zentrum des Innenhofes angekommen ließen die Wachen Tyra und Cyneric stehen und kehrten zum Tor zurück. Gleichzeitig näherte sich vom Haupthaus her ein Mann in fester Rüstung aus Leder und dunkelrotem Umhang. Er nickte Cyneric mehr oder weniger freundlich zu und deutete dann nach links, auf eines der Nebengebäude, wo eine Tür offen stand. "Bitte folgt mir," sagte er und ging voraus.
Eine einzelne Laterne erhellte das Innere des Nebengebäudes, in dem sich ein Tisch mit mehreren Stühlen befand. Ihr Gastgeber bedeutete Cyneric und Tyra, Platz zu nehmen und setzte sich ihnen dann gegenüber hin.
"Willkommen im Anwesen der geschätzten Familie Castav," begann er. "Mein Name ist Lerkko, meines Zeichens Hauptmann der Wache."
"Ich bin Tyra, dies ist Cyneric. Ich spreche für die Schwarze Rose," erklärte Tyra.
Lerkko nickte. "Wir hatten angenommen, dass du alleine kommen würdest," wandte er sich an Tyra.
"Man kann nie vorsichtig genug sein, schon gar nicht in dieser Stadt," erwiderte diese.
"Ich verstehe. Ich hoffe, meine Leute haben euch nicht allzu grob behandelt."
Tyra winkte ab. "Lassen wir die Höflichkeiten und kommen zum Punkt. Dein Meister ist an uns herangetreten um Informationen auszutauschen. Ich bin hier um herauszufinden, was er anzubieten hat."
Lerkkos Miene wurde eine Spur härter. "Meister Castav hat seine Augen und Ohren überall, doch ich weiß, dass auch die Schwarze Rose viel von dem erfährt, was in den Straßen und auf den Feldern Rhûns gesprochen und gewispert wird. Doch fehlt euch eines: Ein Ohr an der Tür des Adels. Dies ist Meister Castavs Spezialgebiet."
"Nun, das lässt sich nicht bestreiten," meinte Tyra und verschränkte die Arme vor der Brust. "Aber dann frage ich mich doch, was die Schwarze Rose für Meister Castav tun kann, wenn er seine Augen und Ohren wirklich überall hat."
Der spöttische Tonfall schien Lerkko nicht entgangen zu sein. "Meister Castav hat seine Gründe," sagte er. "Für den Augenblick genügt es ihm, wenn der Anführer der Schwarzen Rose ihm einen Gefallen schuldet, im Austausch gegen aktuelle Informationen aus der Oberschicht."
"Hmm," machte Tyra. "Ich bin mir nicht sicher, ob unser Anführer darauf eingehen wird. Er ist derzeit... womöglich zu beschäftigt, um jemandem einen Gefallen zu tun."

So ging das Gespräch noch eine ganze Weile hin und her. Cyneric beschränkte sich darauf, aufmerksam zuzuhören, konnte jedoch nicht gänzlich verhindern, dass ein Teil seiner Gedanken abdriftete und sich mehr mit anderen Dingen beschäftigte. Er fragte sich, ob er Lerkko wohl nach Milva oder Salia fragen sollte. Als Hauptmann der Wache war Castavs Kontaktmann sicherlich mit vielen Menschen in Gortharia vernetzt und konnte vielleicht bei der Spurensuche helfen.
"Die Frage ist, wie ihr im Notfall eure Leute mobilisieren könnt," sagte Lerkko gerade.
"Das hängt von der Art des Auftrags ab," entgegnete Tyra. "Aber genug davon. Ich habe noch ein weiteres Anliegen, das von großer Wichtigkeit ist. Es geht um..."
"...das Verschwinden der totgeglaubten Stieftochter König Gorans, die ein hochrangiges Mitglied der Schwarzen Rose war?" sagte eine neue Stimme. Die Worte waren in eine ruhigen und deutlichem Ton gesprochen worden und in der Stimme schwang eine gewisse Autorität mit.
Tyra fuhr herum und hielt wie aus dem Nichts einen kleinen Dolch in der Hand. Auch Cyneric blickte in Richtung der Stimme, die aus einer der Ecken des Raumes gekommen war. Dort schälte sich gerade eine gedrungene Gestalt aus den Schatten.
"Lerkko... hatte ich nicht darum gebeten, unsere Gäste gründlich zu durchsuchen?" Diesmal war der Tonfall tadelnd, wie der eines Vaters, der seinen fehlgeleiteten Sohn zurechtweist.
"Meine Männern haben mir versichert, sie hätten..."
"Du hättest dich selbst vergewissern sollen." Der Sprecher trat nun ins Licht: Ein Mann im fortgeschrittenen Alter, gekleidet in vornehme, dunkle Gewänder. Er hatte kurzes, schwarzes Haupthaar und einen Vollbart, beides war dicht mit grauen Strähnen durchsetzt. Das Gesicht war faltig, doch aus den grünbraunen Augen blitzte ein ungetrübter Intellekt hervor. Kostbare Ringe zierten seine Finger und die Füße steckten in halbhohen, pelzbesetzten Lederstiefeln.
Lerkko neigte vor dem Neuankömmling das Haupt. "Vergebt mir, Meister Castav," sagte er demütig.
Branimir Castav, der Herr des Anwesens, ließ ein leises Seufzen hören, als er sich an den Platz setzte, den Lerkko gerade geräumt hatte. "Es ist gut. Doch wiederhole deinen Fehler nicht." 
"Sieh mal einer an. Meister Castav höchstpersönlich," sagte Tyra mit einem schiefen Lächeln. "Was sollte dieses Versteckspiel?"
"Ich habe meine Gründe", erwiderte Castav gelassen. "Liege ich mit meiner Vermutung richtig? Gorans Stieftochter ist verschwunden?"
Tyras Lächeln verschwand. "Es stimmt," gab sie zu. "Wir hatten gehofft..."
"...dass ich Informationen darüber besitze," ergänzte Branimir Castav. "In der Tat ist dem so. Richte deinem Herrn aus, dass ich ihm schon bald eine Spur liefern werde, wenn er mir meinen Gefallen erfüllt."
"Und der wäre?" wollte Tyra wissen.
"Er wird wissen, wovon ich spreche," entgegnete Castav nur.
"Und was ist mit den Gildenattentätern?" fragte Tyra weiter. "Gibt es gar nichts, was Ihr über sie zu erfahren wünscht?"
"Dieses Narrengezänk geht mich nichts an," erwiderte Castav kalt. "Sie haben für mich längst keine Bedeutung mehr. Und nun... zu dem Eorling dort. Ihn habe ich hier nicht erwartet. Wieso ist er hier?"
Cyneric war von der plötzlichen Frage etwas überrumpelt und benötigte einen kurzen Augenblick, um sich zu sammeln. Währenddessen musterte der Herr von Haus Castav ihn eindringlich, ohne etwas zu sagen. "Verzeiht mein unerwartetes Eindringen, Meister Castav," begann Cyneric. Als Castav nur leicht nickte, fuhr er fort: "Mein Name ist Cyneric, Cynegars Sohn. Ich gehöre nicht zur Schwarzen Rose."
"Sondern Ihr arbeitet mit den Schattenläufern zusammen," bemerkte Castav.
"Das ist richtig," gab Cyneric zu. "Allerdings tue ich das nicht freiwillig. Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir dabei behilflich sein, jemanden zu finden."
"Von wem sprecht Ihr, Cyneric?"
"Von einer Frau namens Milva. Sie stand vor einiger Zeit im Dienste der Familie Bozhidar."
Castav zog die Augenbrauen um ein wenig in die Höhe. "Ah, ja. Eine Tragödie, was mit der Familie geschehen ist. Aber das tut hier nichts zur Sache. Stattdessen habe ich eine Frage an Euch, Cyneric. Wieso sollte ich Euch helfen, wenn ich Euch auch einfach an die Palastgarde ausliefern könnte, was mir eine großzügige Belohung und das Vertrauen des Königs einbringen würde?"
Cyneric erschrak. So berechnend hatte er sich Meister Castav nicht vorgestellt. "Ich... wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr davon absehen könntet," brachte er mit Mühe hervor. "Ich will nichts weiter als Milva zu finden und sie aus dieser Stadt herauszuschaffen. Selbstverständlich würde ich Euch Eure Unterstützung nach bester Möglichkeit vergelten."
Branimir Castav lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Nun, Cyneric, ich verstehe Euer Anliegen. Und ich denke... ich werde Euch meine Hilfe anbieten. Im Gegenzug werdet Ihr mir sämtliches Wissen das Ihr über die Schattenläufer besitzt zur Verfügung stellen."
"Und was hindert Euch dann daran, ihn hinterher trotzdem an die Garde auszuliefern?" mischte sich Tyra ein.
"Mein Wort muss Euch genügen," antwortete Castav. "Sind wir uns also einig?"
"...Sind wir," sagte Cyneric nach einem kurzen Augenblick des Zögerns.
"Exzellent," befand Castav. "Dann steht Ihr mit sofortiger Wirkung unter meinem Schutz, Cyneric. Im Nebenraum werdet Ihr eine bescheidene Unterkunft finden. Ich erwarte Euch morgen zur Mittagszeit in meinem Arbeitszimmer, wo Ihr Eure Bezahlung ableisten werdet." Er wandte sich an Tyra. "Überbringt meine Nachricht an den Anführer der Schwarzen Rose. Ich werde auf seine Antwort warten. Aber nicht ewig..."
Tyra warf Castav einen missbilligenden Blick zu. Dann nickte sie Cyneric aufmunternd zu und verschwand durch die Türe nach draußen.
Auch Castav verabschiedete sich rasch. Cyneric blieb alleine zurück und fragte sich, ob er wohl die richtige Entscheidunge getroffen hatte, sich dem Herrn von Haus Castav anzuvertrauen...
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Branimirs Angebot
« Antwort #7 am: 18. Dez 2019, 20:12 »
Den Vormittag verbrachte Cyneric damit, sich innerlich auf das vorzubereiten, was ihn als Nächstes wohl erwarten würde. Der Herr des Anwesens, Branimir Castav, war Cyneric ein Rätsel. Einerseits schien der Mann großen Einfluss zu besitzen, doch gleichzeitig wirkte er auch so, als gingen seine Ambitionen deutlich über seinen derzeitigen Stand hinaus. Cyneric hoffte, dass die Informationen, die er Castav über die Schattenläufer geben würde, ausreichen würden. Er spähte nachdenklich aus dem kleinen Fenster des Raumes, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte und nahm den großen Innenhof des Anwesens in Augenschein. Der Platz war bis auf zwei Gestalten verlassen, die sich in der Nähe der Übungspuppe aufhielten. Einen der beiden erkannte Cyneric als Lerkko wieder, den Hauptmann der castavschen Wache. Bei der zweiten Person handelte es sich ganz offensichtlich um eine Jugendliche. Cyneric schätzte das Mädchen auf ungefähr sechzehn Jahre. In der Hand hielt sie ein Schwert aus Holz und schon bald begann sie, unter Lerkkos Anweisung auf die Übungspuppe einzudreschen. Dabei stellte sie sich gar nicht so ungeschickt an, wie Cyneric feststellte. Er fragte sich, ob es sich bei dem Mädchen wohl um ein Mitglied von Meister Castavs Familie handelte.
Während er weiter den Übungen zuschaute, wanderten seine Gedanken zurück nach Rohan. Hoffentlich geht es Zarifa gut, dachte er. Und natürlich dem Kind. Es ist nicht gut, dass sie damit auf sich allein gestellt ist. Ich hätte bleiben sollen. Er zwang sich, an den Grund zu denken, aus dem er nach Rhûn gekommen war. Sobald ich Milva gefunden habe, müssen wir aus dieser furchtbaren Stadt verschwinden, schwor er sich. Ich bin keine zwei Tage wieder hier, und habe schon wieder genug von Gortharia. All diese Geheimnisse und das ständige Gefühl, verfolgt zu werden... ich fürchte, wenn ich noch lange hier bleibe, verliere ich endgültig den Verstand.

Pünktlich zur Mittagsstunde traf Cyneric im Arbeitszimmer des Herrn des Anwesens ein. Branimir Castav saß in einem großen, bequemen Stuhl hinter einem massiven Schreibtisch und befahl den Wachen, die draußen auf dem Flur standen, mit einem Wink, die Türe hinter Cyneric zu schließen. Offenbar hatte er nicht die Befürchtung, dass Cyneric ihn angreifen könnte. Zwar hatte dieser seine Waffen noch immer nicht wieder zurück erhalten, doch selbs tmit bloßen Fäusten konnte man einem so betagten Mann wie Branimir Castav gefährlich werden, wenn man es denn wollte.
Cyneric hegte keinerlei solche Absichten. Er hoffte, die Unterhaltung so rasch wie möglich hinter sich zu bringen, ahnte jedoch bereits, dass es sich dabei wohl nur um Wunschdenken handeln würde.
"Gut, Ihr seid pünktlich, Eorling," begrüßte Branimir seinen Gast. "Eine Eigenschaft, die ich überaus zu schätzen weiß." Er machte sich eine kurze Notiz in einem der offenen Bücher, die vor ihm lagen. "Kommen wir gleich zur Sache," fuhr der Alte dann fort. "Ich bin bereit, alles zu hören, was Ihr mir über die geheimnisvollen Schattenläufer sagen könnt. Ihr dürft beginnen."
Cyneric räusperte sich und stellte fest, dass er sich ungewohnt nervös fühlte. Etwas stockend sagte er: "Ich kenne längst nicht alle Geheimnisse der Schattenläufer, doch im Austausch gegen Informationen über Milva werde ich Euch sagen, was ich weiß. Die Schatten haben mir gegenüber stets betont, dass es zu jeder Zeit drei von ihnen geben muss: Mór, die Dunkelheit, Rant, der Fluss, und Dáe, der Schatten. Darüber hinaus gibt es eine Person, die sie Mêril nennen, und der die Schattenläufer unterstellt sind."
Castav hatte sich bereits von Beginn an eifrig weitere Notizen gemacht und hob nun den Kopf für einen Zwischenfrage. "Und Ihr kennt die Identitäten der Drei, richtig?"
Cyneric zögerte. Er wusste gut, wie tödlich die Schattenläufer sein konnten. Und Ryltha war es gelungen, ihn sogar im fernen Rohan aufzuspüren. Wenn er sie nun verriet... was würden sie ihm antun? Oder seiner Tochter?
"Kein Wort von Euch wird diesen Raum verlassen," versicherte Castav ihm - offenbar hatte er Cyneric die Zweifel im Gesicht abgelesen. "Darauf habt Ihr mein Wort."
"Ich verlasse mich darauf, Meister Castav," entgegnete Cyneric. "Mein Leben und das Leben meiner Tochter hängt womöglich davon ab."
"Ich verstehe," sagte Branimir Castav. "Man sagt, in Gortharia haben die meisten Wände Ohren, doch seid versichert, dass mein Arbeitszimmer absolut sicher ist. Nicht ein Ton wird nach draußen dringen."
Cyneric atmete tief durch und fasste sich ein Herz. Um Milvas Willen muss es sein. "Die Schattenläufer sind... die Hohe Heerführerin Morrandir vom siegreichen Heer des Erebor-Feldzugs und ihre Adjutantin, Ryltha Yavaris. Und die Dritte ist ein Mädchen namens Salia, das aus Thal stammt."
Castav wirkte zum ersten Mal überrascht. "Tatsächlich? Heerführerin Morrandir, dieses allzu pflichtbewusste, stocksteife Weib soll eine sagenumwobene Attentäterin sein?" Er fasste sich wieder und legte die Hände zusammen. "Ich schätze, ihre Tarnung war meisterlich. Und Yavaris... dieser Emporkömmling aus Khand, sehr interessant..." Flink schrieb er an seinen Notizen weiter. "Beschreibt mir das Mädchen, Cyneric. Diese Salia. Wie sieht sie aus?"
Cyneric gab Castav eine rasche Beschreibung von Salia, woraufhin der Alte wissend nickte. "Ich verstehe... nun, das ergibt Sinn. Bitte, fahrt fort. Was wisst Ihr noch über die Schattenläufer?"
"Das Meiste ihres Wissens beziehen sie aus einem geheimnisvollen Brunnen, der in den Tiefen des Untergrunds von Gortharia verborgen ist und der ihnen gezielte Eindrücke und Bilder aus der Ferne offenbaren kann," fuhr Cyneric fort.
Castav msuterte ihn bei diesen Worten eindringlich. Er schien abzuschätzen, ob Cyneric die Wahrheit sagte. "Hätte ich nicht vor vielen, vielen Jahren ein ähnliches Gerücht gehört, würde ich Euren gesunden Verstand anzweifeln, Cyneric," sagte Castav kühl. "Doch bin ich mir sicher, dass Ihr es nicht wagen würdet, mir Lügen aufzutischen. Es muss also entweder tatsächlich wahr sein, dass die Schattenläufer über irgend eine Art dunkler Hexerei verfügen, oder es ist ihnen gelungen, Euch so vollständig zu täuschen, dass Ihr diesen.... Brunnen, sagtet Ihr?... wirklich für wahrhaft haltet."
Cyneric konnte sich nicht vorstellen, dass alles, was er im Bezug auf den dunklen Brunnen der Schattenläufer bereits gesehen und erlebt hatte, wirklich nur eine Täuschung gewesen sein sollte. Doch diesen Gedanken behielt er für sich und erzählte Castav davon, wie er zum ersten Mal in Kontakt mit den Schattenläufern geraten war, und aus welchem Grund er sich in ihre Dienste gestellt hatte. Der Herr von Haus Castav machte sich weiterhin eifrig Notizen und stellte hin und wieder eine kurze Zwischenfrage, bis Cyneric schließlich am Ende seines Berichts angekommen war.
"Nun, das war aufschlußreich," meinte Castav. "Selbstverständlich kann ich mich nicht alleinig auf die Aussagen einer einzelnen Quelle stützen, aber vieles von dem, was Ihr mir erzählt habt, deckt sich mit Informationen, über die ich bereits verfügt habe. Einige hochinteressanten Neuigkeiten waren ebenfalls dabei, die ich nun natürlich gründlich prüfen werde. Doch gestattet mir zunächst noch eine letzte Frage, Cyneric. Wie steht Ihr zu Salia, dem Mädchen das die Rolle der Dáe innehat?"
"Sie wurde und wird ebenso von den Schattenläufern ausgenutzt wie ich," antwortete Cyneric prompt. "Ich wünschte, sie würde ihren Rachefeldzug aufgeben und mit mir aus Rhûn fliehen..."
"Rachefeldzug? Gegen wen?" hakte Castav sofort nach.
"Gegen den König," erklärte Cyneric. "Sie macht ihn persönlich für den Tod ihres Vaters verantwortlich."
"Ich verstehe," sagte Castav emotionslos. "Nun, vielleicht bekommt Ihr die Möglichkeit, Euch Euren Wunsch selbst zu erfüllen."
"Wie meint Ihr das, Meister Castav?"
"Ich verfüge über einen Augenzeugenbericht, der mir kritische Hinweise auf den Verbleib der beiden Frauen, Fiora und Milva, liefert. Laut dem Zeugen waren die beiden jedoch nicht allein, als sie zuletzt gesehen wurden. Eine dritte Person war bei ihnen, auf die Eure Beschreibung Salias perfekt passt."
"Ihr wollt damit also sagen, dass Milva, Fiora und Salia alle gleichzeitig verschwunden sind, und dass sie zusammen zuletzt gesehen wurden?"
"Gut erkannt," lobte Castav. "Und da Ihr Euren Teil der Abmachung eingehalten habt, Cyneric, halte ich nun auch den meinen. Begebt Euch zum Anwesen von Haus Bozhidar. Dorthin hat man Milva und die anderen gebracht, wenn meine Informationen stimmen. Und ich lege viel Wert darauf, dass sie das tun." Er gestattete sich ein kleines Lächeln, die erste Gefühlsregung, die Cyneric an jenem Tag bei Castav beobachten konnte.
"Wer hat sie dorthin verschleppt?" wollte Cyneric wissen.
"Das lässt sich derzeit noch nicht sagen," entgegnete Castav. "Vielleicht werdet Ihr es sein, der in dieser Hinsicht etwas Klarheit schaffen kann - ich wäre überaus interessiert an Informationen zu den Drahtziehern dieser Entführung. Oh, und Cyneric... macht Euch keine Sorge um die Stadtwache. Sie werden Euch ignorieren, dafür habe ich gesorgt... jedenfalls für einige Zeit. Doch seid vorsichtig. Das Anwesen ist gut bewacht. Seit dem Tod von Herrin Velmira ist es strikt abgeriegelt worden. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Weg hinein geben wird."
"Ich muss es wenigstens versuchen," entgegnete Cyneric. Dann verbeugte er sich. "Ich danke Euch, Meister Castav."
"Vergesst nicht, Eure Waffen bei Lerkko wieder abzuholen. Ihr werdet sie brauchen," sagte Castav noch, ehe er sich wieder seinen Notizen zuwendete.


Cyneric auf die Straßen von Gortharia
« Letzte Änderung: 18. Dez 2019, 20:17 von Fine »
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