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Autor Thema: Tal des Celos  (Gelesen 3880 mal)

Eandril

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Tal des Celos
« am: 21. Jan 2019, 11:47 »
Hilgorn aus Lebennin

Hilgorn erwachte von Stimmen, die sich leise in einer unbekannten Sprache unterhielten - und von mörderischen Kopfschmerzen, die ihren Ursprung hinter seinem linken Auge zu haben schienen. Er hustete, und ein dünner Blutfaden lief an seinem Mundwinkel hinunter. Mit etwas Mühe öffnete er das rechte Auge, das linke schien irgendwie verklebt zu sein und ließ sich nicht öffnen, und versuchte die rechte Hand zu heben, um sich das Blut abzuwischen. Dabei stellte er fest, dass beide Hände über seinem Kopf gefesselt waren. Allmählich begann er, mehr von seiner Umgebung wahrzunehmen, auch wenn der Schmerz hinter seinem Auge ihn ablenkte. Er lag auf rauem Holz, und sowohl seine Füße als auch seine Hände waren an den Enden des Holzes gefesselt. Außerdem trug er nichts außer der dünnen Stoffhose, die er normalerweise unter seiner Rüstung trug - der Rest seiner Rüstung und Kleidung schien verschwunden. Über ihm wellte sich eine schwarze Zeltplane sanft im Wind.
Hilgorns Erwachen war nicht unbemerkt geblieben, denn die Stimmen verstummten, und schwere Schritte näherten sich. "Wie schön, dass ihr endlich wach seid, General." Der Sprecher war ein hochgewachsener Mann in einer schwarzroten, mit Zacken übersäten Rüstung. Seine Augen und kurz geschorenen Haare waren nachtschwarz, seine Haut von ungesund wirkender Blässe. "Ich hatte gehofft, dass ihr aufwacht, solange mein Gast noch bei uns ist."
An Hilgorns andere Seite trat ein zweiter Mann, der ebenso hochgewachsen war wie der erste, allerdings schlanker und in schwarze Gewänder statt eine Rüstung gekleidet. Das junge, beinahe jugendliche Gesicht war schmal mit einem spitzen Kinn, und in den  grauen Augen stand eine Kälte, die nicht zu der Jugend des Mannes passte. Hilgorn glaubte, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben, doch er wusste nicht, wo... seine Gedanken gingen nur langsam, wie in Watte oder Nebel gehüllt. "Sagt nicht, ihr erkennt ihn nicht wieder", sagte der erste Mann wieder. Hilgorn wandte ihm den Kopf zu, und wurde mit einem stechenden Schmerz belohnt. "Ihr seid ihm an der Furt über den Gilrain begegnet, General. Wisst ihr nicht mehr?"
Die Erinnerungen an jenen Tag überkamen Hilgorn mit Macht. Der Kampf in der Furt, die schwarze Gestalt im Wasser, und der Sturz... Mit einem Mal wurde ihm auch klar, dass er sich in einem Lager Mordors befinden musste. Im Lager des Feindes, als Gefangener. Der Mann in der schwarzen Rüstung lächelte, und es war das angsteinflößendste Lächeln, dass Hilgorn je gesehen hatte. "Seht ihr, Varazîr, er erinnert sich an euch." Er ergriff Hilgorns rechte Hand, und strich mit dem kalten Metall seines Handschuhs sanft über den kleinen Finger. Dann packte er mit einem Mal fester zu, machte eine kleine Bewegung, und der Finger brach mit einem trockenen Knacken. Hilgorn stieß unwillkürlich einen Schrei vor Schmerzen aus, biss sich allerdings sofort auf die Zunge und schnitt den Schrei ab.
"Ich bin Arnakhôr", sagte der Mann in der Rüstung. "Ich bin, so könnte man sagen, euer Gegenstück - nur auf der anderen Seite des Flusses. Es freut mich, euch endlich kennenzulernen, nachdem ihr mir und meinem Vorgänger so viel Ärger gemacht habt... Und das unter diesen Umständen. Ich denke, es wäre nur höflich, wenn ihr mir als eurem Gastgeber..." Er unterbrach sich, und ließ Hilgorns Hand los. Hilgorn atmete tief durch, und stellte fest, dass ihm kalter Schweiß auf Stirn und Brust stand. "Ihr wollt uns schon verlassen, Varazîr?", fragte Arnakhôr, und jener, der bereits im Zelteingang stand, nickte, bevor er sich die Kapuze überwarf. "Ich bin euch dankbar für die Gelegenheit, meine Fähigkeiten auszutesten, Arnakhôr. Doch ich muss in den Turm zurückkehren, um meine Studien fortzusetzen. Es gibt noch vieles, was der Meister mich lehren kann." Ohne Arnakhôrs Antwort abzuwarten wandte er sich ab und verschwand aus Hilgorns Sichtfeld.
Arnakhôr schwieg für einen Moment, bevor er wieder nach Hilgorns Hand griff und ihm mit einem Ruck den Ringfinger brach. Dieses Mal hatte Hilgorn den Schmerz erwartet, und gab keinen Laut von sich. "Strengt euch an wie ihr mögt", meinte Arnakhôr mit deutlicher Unzufriedenheit in der Stimme. "Am Ende werde ihr doch schreien - und reden."
"Ich werde... Gondor niemals verraten", stieß Hilgorn mühsam hervor. "Eher werde ich sterben." Arnakhôr lachte leise, und ging dann um den Tisch herum ans Fußende, wo er die Hände auf ein Rad legte, das Hilgorn bislang nicht aufgefallen war. "Nein, sterben werde ihr nicht. Und ihr werde mir geben was ich will - das hat bislang noch jeder getan." Er drehte das Rad eine Umdrehung weit, und sofort wurden Hilgorns Hände und Füße auseinander gezogen. Der Zug war lediglich unangenehm und nicht schmerzhaft, und trotzdem bekam Hilgorn es mit der Angst zu tun. Eine Streckbank, das war es, worauf er lag. Arnakhôr legte lässig eine Hand auf das Rad, und wandte sich wieder Hilgorn zu. "Also. Ich wüsste gerne von euch, wie viele Männer in Linhir stationiert sind, und wer sie befehligt."
Hilgorn schwieg, und Arnakhôr drehte das Rad. Dann blickte er Hilgorn wieder fragend an, doch dieser schwieg weiterhin. Er wusste, dass er das Spiel, das hier angefangen wurde, am Ende nur verlieren konnte. Doch er wollte es Arnakhôr nicht leichter machen als unbedingt nötig. Es brauchte drei weitere Umdrehungen, bis er hervorstieß: "Fünftausend." Arnakhôr nahm die Hand vom Rad, und hob eine schmale Augenbraue. "In Linhir sind fünftausend Mann stationiert, mit genug Waffen und Vorräten, sich für zehn Jahre gegen euch zu verteidigen. Sie werden angeführt von einem Mann namen Imrathor, und..." Hilgorn verstummte, als Arnakhôr das Rad ein weiteres Mal drehte. Hilgorns Gelenke protestierten schmerzhaft, und seine überdehnten Gliedmaßen begannen zu zittern.
"Solche Lügen, General...", sagte Arnakhôr leise, und schüttelte den Kopf. Dann legte er eine gepanzerte Hand auf Hilgorns Knie, und Hilgorn keuchte vor Schmerzen. "Wisst ihr, wenn ich jetzt auf euer Knie schlagen würde, würden sämtliche Sehnen darin reißen, und das Gelenk würde zerschmettert." Arnakhôr schwieg einen Augenblick, um Hilgorn dieses grauenvolle Bild vor Augen stehen zu lassen. "Aber... ich habe noch andere Pläne mit euch." Er griff hinter sich, und nahm eine schwere, eiserne Zange von einem kleinen Tisch, mit der er zum Kopfende der Streckbank ging. Dann setzte er sie Zange an den Nagel von Hilgorns rechtem Daumen. "Ich würde euch raten, nicht zu sehr zu zucken... das könnte ungesund sein", sagte er, bevor er zog.
« Letzte Änderung: 6. Mai 2019, 14:11 von Fine »

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Eandril

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Re: Unbekannter Ort
« Antwort #1 am: 4. Mär 2019, 12:41 »
Als Hilgorn das nächste Mal zu sich kam, lag er nicht mehr auf der harten hölzernen Streckbank. Stattdessen spürte er eine klumpige Strohmatratze unter sich, und als er mit etwas Mühe die Augen - oder vielmehr das rechte Auge, denn irgendwie ließ das linke sich nicht öffnen - öffnete, sah er seine Hände auf einer weißen Decke mit verblassten Flecken liegen. Zu seiner Verwunderung waren seine Fingerspitzen dort, wo Arnakhôr mit seiner Zange zu Werke gegangen war, sorgfältig verbunden, und sein gebrochener Ringfinger war ebenso sorgfältig geschient worden. Er hob vorsichtig die rechte Hand, und sofort brachen mörderische Schmerzen in seiner Schulter und seinem Ellbogengelenk aus. Hilgorn ignorierte die Schmerzen, und betastete stattdessen vorsichtig den Verband, den er über seinem linken Auge entdeckt hatte.
"Ich würde das lieber lassen", sagte eine sanfte Stimme mit einem merkwürdigen Akzent, den Hilgorn nicht einordnen konnte. Als er den Blick um sich schweifen ließ, auf der Suche nach der Person, die gesprochen hatte, stellte er fest, dass er sich in einem großen Zelt befand, durch dessen Eingang fahles Licht herein fiel. Am anderen Ende des Zeltes saß ein dünner, kleiner Mann mit kurz geschorenen Haaren, strich Verbände glatt und rollte sie zusammen.
"Seid ihr...", brachte Hilgorn heraus, und erschrak, wie wenig die Stimme, die er hörte, seiner eigenen glich. "Seid ihr derjenige, der mich verbunden hat?" Der Mann stand auf und kam an Hilgorns Bett hinüber. Der Blick seiner braunen Augen war sanft, als er antwortete: "Allerdings. Mein Name ist Yersin, doch macht keinen Fehler - ihr befindet euch noch immer in der Gewalt eurer Feinde, General."
Das hatte Hilgorn bereits gefürchtet, und jetzt machte ihm die Tatsache, dass Arnakhôr offenbar so um seine Gesundheit besorgt war, mehr Angst als alles andere. Er wollte nicht sterben, natürlich nicht. Er wollte leben, er wollte Faniel wiedersehen und ihr ungeborenes Kind, er wollte ein Vater für seine Kinder sein und für Iorweth und Belegorn. Doch wenn Arnakhôr wollte, dass er lebte, verhieß das nichts Gutes.
"Was... was habt ihr mit meinem Auge gemacht?", fragte er, und Yersins Blick war mitleidvoll. "Ich habe es versorgt, doch... ich fürchte, die Wunde die ihr in der Schlacht davongetragen habt, hat euren Augapfel unwiderruflich zerstört. Es... tut mir leid." Er sagte es, als hätte Hilgorn größere Sorgen als ein verlorenes Auge, und eigentlich stimmte Hilgorn ihm zu. Dennoch - die Vorstellung ein Auge, die Hälfte seiner Sehkraft zu verlieren, erschien ihm beinahe unwirklich. Selbst wenn er jemals dieser Gefangenschaft entkam, wie sollte er seinen alten Posten wieder einnehmen? Was würde Faniel sagen, wenn er als Einäugiger zu ihr zurückkehrte?
"Ich werde in ein paar Stunden wieder nach euch sehen", riss Yersins Stimme ihn aus seinen Gedanken. "Bin dahin solltet ihr euch nicht allzu viel vom Fleck rühren." Mit diesen Worten ließ er Hilgorn allein mit seinen Gedanken und seiner Ungewissheit zurück - Leben oder Sterben?
« Letzte Änderung: 2. Apr 2019, 12:18 von Eandril »

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Eandril

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Re: Unbekannter Ort
« Antwort #2 am: 2. Apr 2019, 12:48 »
Als Yersin in das Zelt zurückkehrte, lebte Hilgorn immer noch. Er war nach einiger Zeit in einen traumlosen Schlaf gefallen, und fühlte sich inzwischen tatsächlich besser.
"Ihr seht schon deutlich besser aus", stellte Yersin fest, allerdings schien ihm diese Bestätigung seiner Heilkünste wenig Freude zu machen. Hilgorn ahnte, warum. "Ihr wisst nicht zufällig, was Arnakhôr mit mir vor hat?", fragte er, doch der Heiler schüttelte den Kopf. "Ich kann es nicht sagen, denn es ist mir verboten." Seine sanften braunen Augen fixierten Hilgorn. "Ich kann euch nur sagen, dass der leichtere Weg der Tod wäre."
Hilgorn schloss einen Augenblick die Augen - das Auge - und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. "Ich habe nie den leichteren Weg gewählt", sagte er schließlich. "Es muss eine Möglichkeit geben, zu..." Er unterbrach sich, schließlich wusste er nicht, ob er Yersin wirklich trauen konnte. Nach allem was er wusste konnte dies ein weitere Weg sein, ihn auszuhorchen.
"Woher kommt ihr eigentlich, Yersin? Euer Name klingt nicht danach, als würdet ihr aus dieser Gegend stammen." Der Heiler lächelte schwach und ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder, auf dem Hilgorn ihn das erste Mal gesehen hatte. "Ich stamme aus einer kleinen Stadt, weit im Osten. In dieser Gegend wurde Sauron - den wir unter anderem Namen kannten - als ein Gott verehrt, und als er zu uns kam, folgten die meisten von uns ihm ohne Fragen zu stellen. Doch irgendwann verweigerte unser Fürst ihm die Gefolgschaft. Ich weiß nicht warum." Yersin schien einen Augenblick lang fernen Erinnerungen nachzuhängen, bevor er fortfuhr. "Saurons Truppen brannten meine Stadt restlos nieder. Ein Großteil der Bevölkerung wurde erschlagen, und der Rest, jene, die nützlich sein konnten, in die Sklaverei verschleppt."
"So wie ihr", stellte Hilgorn fest, und Yersin nickte. "Selbst in einem Heer wie in dem Mordors werden Heiler gebraucht, und ich bin ein sehr guter." Er sagte es nüchtern, als Tatsache, nicht als Prahlerei.
"Was ist mit Familie? Habt ihr Familie, Yersin?" Das Gesicht des Heilers wurde verschlossen, und Hilgorn wollte seine Frage bereits zurückziehen, als Yersin antwortete: "Ich habe eine Frau, zwei Söhne und eine Tochter. Wenn das Schicksal es will, werde ich sie bald sehen."
"Rechnet ihr damit, dass Arnakhôr euch freilässt?" Der Ausdruck in Yersins Augen war nicht zu deuten. "Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?" Ohne ein weiteres Wort zu sagen wandte er sich ab und seinen Verbänden zu, und Hilgorn spürte, dass er für den Moment kein weiteres Wort aus ihm herausbringen würde.

Ihr nächstes Gespräch fand am nächsten Morgen statt, als Yersin gerade den Verband über Hilgorns Auge gewechselt hatte. "Ich sehe, ihr habt euch entschieden", stellte der Heiler recht plötzlich fest.
"Entschieden?" "Zu leben. Eure Wunden heilen viel besser als zuletzt." Hilgorn wartete, bis der Verband fest saß, bevor er leise antwortete: "Ihr habt es gestern selbst gesagt, wer weiß, was die Zukunft bringt?" Yersin versuchte, seinem Blick auszuweichen, doch Hilgorn blickte ihm direkt ins Gesicht. "Mit eurer Hilfe können wir von hier entkommen", sagte er. "Keiner von uns hat alleine eine Chance, doch zu zweit... denkt an eure Familie, Yersin. Arnakhôr wird euch niemals freilassen, also werdet ihr euch eure Freiheit erkämpfen müssen."
"Ich denke an meine Familie", erwiderte Yersin ruhig. "Jeden Tag. Aber ihr müsst wissen, Hilgorn, dass ich kein mutiger Mann bin. Ich bin ein Feigling."
"Kein wirklicher Feigling gibt zu, dass er ein Feigling ist", gab Hilgorn zurück. "Und wer so lange in Arnakhôrs Gefolgschaft überlebt, dem kann es nicht an Mut mangeln." Yersin wandte sich ab, und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. "Ich bin kein Soldat, Hilgorn, und ihr seid einer. Soldaten... sehen die Welt anders als die übrigen Menschen."
"Ich bin ein Soldat", stimmte Hilgorn ihm zu. "Aber ich bin ebenso ein Mensch wie ihr. Ich habe eine Familie in Dol Amroth, eine Frau, ein ungeborenes Kind, Freunde. Sie alle sind in Gefahr, und ich wünsche mir nichts mehr auf der Welt, als sie noch einmal zu sehen. Was wünscht ihr euch mehr als alles andere auf der Welt?"
Yersin schwieg, einen langen Augenblick. Schließlich sagte er, noch immer mit dem Rücken zu Hilgorn: "Ich werde euch helfen. Werde sehen, was sich machen lässt." Er wandte sich zu Hilgorn um. "Doch macht keinen Fehler. Arnakhôr wird versuchen euch zu brechen. Er wird euch bis zur Erschöpfung quälen, und foltern, euren Willen so weit biegen, bis er bricht, und euch dann in seinem Sinne wieder zusammensetzen. Ich habe es bereits geschehen sehen. Die Gelegenheit zur Flucht wird sich nicht schnell ergeben, also werdet ihr einige aushalten müssen, bevor der Moment kommt. Nur wenn euch das gelingt, können wir es schaffen."
Hilgorns Finger umklammerten die Kante der hölzernen Liege so fest, dass sie schmerzten. "Ich werde aushalten, was immer er für mich vorgesehen hat", sagte er mit fester Stimme. Doch der Zweifel in Yersins Augen machte ihm Angst.

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Eandril

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Re: Unbekannter Ort
« Antwort #3 am: 5. Mai 2019, 23:52 »
Sobald Hilgorn kräftig genug gewesen war, auf seinen Füßen zu stehen, hatte das begonnen, wovor Yersin ihn gewarnt hatte. Tagsüber schuftete er unter den wachsamen Augen der orkischen Aufseher bis zur Erschöpfung im Steinbruch, der nördlich des Lagers lag. Nachts fiel er meist in einen tiefen, traumlosen Schlaf, doch alle paar Tage wurde Arnakhôrs Werk fortgesetzt. Nach dem ersten Mal hatte Hilgorn Saurons General nicht wieder gesehen, die Folterungen übernahmen stattdessen seine Diener - Männer, die nie ein Wort sprachen, deren Gesichter immer unter schwarzen Helmen verborgen waren, und die sich vollkommen leidenschaftslos daran machten, Hilgorn so große Schmerzen wie möglich zuzufügen, ohne ihn ernsthaft zu verwunden. Jede diese Nächte war eine Qual und gleichzeitig ein Segen für ihn, denn wenn Yersin ihn hinterher wieder zusammenflickte, hatten sie die Gelegenheit, einige Worte zu wechseln. Ohne diese kurzen Gespräche wäre Hilgorn bereits nach kurzer Zeit wahnsinnig geworden, da war er sich sicher.
Während seiner Arbeit im Steinbruch war er zu dem Schluss gekommen, dass er sich noch immer in Gondor befand, oder zumindest in den Landen, die vor dem Krieg Gondor gewesen waren. Der Steinbruch lag am Ostrand einer niedrigen Bergkette, die nach Norden hin immer höher wurde und schließlich auf einen weißen Hauptkamm stieß, der sich in Ost-West-Richtung hinzog. Hilgorn glaubte, mehrere der weißen Gipfel, die sich im Nordwesten erhoben, als jene im Quellgebiet des Gilrain zu erkennen, was ihn zu der Vermutung brachte, dass sich das Gefangenenlager im Tal des Celos, nahe dessen Quellen befand. In diesem Fall hatte Arnakhôr ihn gar nicht weit von den Furten des Gilrain wegbringen lassen und diese Tatsache, neben den kurzen Gesprächen mit Yersin, war das einzige, was Hilgorns Hoffnung am Leben erhielt, obwohl Arnakhôrs Diener sich größte Mühe gaben, auch noch den letzten Funken Hoffnung zu ersticken.

"Was haben sie mit mir vor?", fragte Hilgorn mit leiser Stimme, während Yersin die frischen Brandmale auf seinem Rücken vorsichtig mit einer scharf riechenden Salbe einrieb. "Es macht keinen Sinn, mich am Leben zu erhalten und gleichzeitig immer wieder in Lebensgefahr zu bringen."
"Macht es nicht? Es kommt darauf an, was man damit erreichen will." Yersin sprach ebenso leise wie Hilgorn. Bislang hatte er Arnakhôr und seinen Dienern erfolgreich vorgaukeln können, dass er die Gemeine Sprache nicht verstehen konnte, und nur deshalb gestatteten sie ihm, mit Hilgorn allein zu sein. "Jeder der Männer, der euch foltert, hat zuvor das gleiche durch Arnakhôrs Hand erlitten. So züchtet er sich seine Leibgarde heran: Er bricht Gefangene, die ihm aus diesem oder jenen Grund gefallen, und setzt ihren Geist nach seinen Vorstellungen wieder zusammen. Sie sind seine treuesten Diener, denn in ihrer Welt ist er derjenige, der sie von den Schmerzen erlöst hat." Hilgorn spürte, wie Yersins Hand ein wenig zitterte. "Und ich war derjenige, der dafür gesorgt hat, dass sie lange genug dafür überlebt haben."
"Ihr musstet an euer eigenes Leben denken", erwiderte Hilgorn. "Und an eure Familie. Ihr wollt sie doch wiedersehen, oder?" Yersin verschloss das Salbendöschen und säuberte sich die Hände.
"Meine Familie...", sagte er leise. "Ja, ich denke an sie. Jeden Tag."

Vier Tage später erwachte Hilgorn mitten in der Nacht, als sich eine Hand sanft auf seine Schulter legte. Ihm schmerzten sämtliche Muskeln im Körper von der Arbeit im Steinbruch, und die Stellen an den Fußknöcheln, wo die Ringe der Fußketten, die er tragen musste, auf der nackten Haut scheuerten.
Nicht, dachte er. Bitte nicht, ich kann nicht... werde nicht durchhalten. Die Brandwunden vom letzten Mal waren gerade erst einigermaßen verheilt, die neue Haut noch immer empfindlich. Er verbannte die verzweifelten Gedanken aus seinem Kopf, straffte sich innerlich, und öffnete die Augen - das Auge. Entgegen seiner Befürchtungen sah er nicht einen von Arnakhôrs Dienern in schwarzer Rüstung vor sich, sondern Yersins der besorgt über die Schulter blickte. Die anderen Gefangenen, die in der Nähe schliefen, rührten sich nicht, doch jeden Augenblick konnte eine Orkwache vorbei kommen. "Ich habe jemanden gesehen - beim Kräuter sammeln. Ich konnte natürlich nicht mit ihnen sprechen, aber ich glaube, dass es Späher eurer Leute waren." Hilgorn rührte sich nicht, und blickte starr weiter in den Nachthimmel über sich. Während der Zeit im Steinbruch wurde ihm der Luxus eines Zeltes nicht vergönnt. Mit Mühe brachte er seinen Atem und seinen plötzlich rasenden Herzschlag unter Kontrolle, und krallte die Finger in das taufeuchte Gras.
"Seid ihr sicher?", flüsterte er, und Yersin nickte unmerklich. "Ich werde versuchen, ihnen eine Botschaft zu hinterlassen. Gibt es etwas, was ihre Aufmerksamkeit erregen könnte?"
Hilgorns Gedanken rasten, fieberhaft. "Habt ihr genaueres gesehen?"
"Nein, sie waren gut versteckt - ich habe ihre Gegenwart mehr gespürt als gesehen. Ich habe allerdings einen Fußabdruck gesehen, relativ klein. Ungewöhnlich für einen Krieger."
"Aber nicht für eine Frau", wisperte Hilgorn. Er kannte jemanden, der sich östlich des Gilrain herumtrieb. Konnte es sein...? "Schreibt... Schreibt: Ich habe euch euren hastigen Aufbruch aus Rendûl verziehen. Mehr nicht." Wenn es tatsächlich Serelloth oder Ta-er gewesen waren, die Yersin bemerkt hatte, würde dieser Satz auf jeden Fall ihre Aufmerksamkeit erregen, und auch andere Späher Gondors würden sicherlich zumindest nachforschen, was es damit auf sich hatte. Und sollten Mordors Soldaten die Nachricht finden, würde ihnen der Inhalt nicht verraten, wer sie geschrieben hatte.
"Ich werde es mir merken", erwiderte Yersin im Flüsterton. "Ich werde..." Er zuckte zusammen und sprang auf die Füße. Sofort schloss Hilgorn das Auge, und begann, ruhig und flach zu atmen, als würde er schlafen. Er hörte die grobe Stimme eines Orks, der etwas zu Yersin sagte, und Yersin, der ruhig etwas in der gleichen Sprache antwortete. So prekär Yersins eigene Lage sein mochte, die Tatsache, dass Arnakhôr ihn brauchte, gewährte ihm einen gewissen Schutz. So begnügte der Ork sich mit einem missgelaunten Grunzen, während Yersin ohne ein weiteres Wort davon eilte.
Hilgorn blieb alleine zwischen den anderen schlafenden Gefangenen zurück, doch er glaubte nicht, dass er in dieser Nacht noch viel Schlaf finden würde.

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Eandril

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Re: Tal des Celos
« Antwort #4 am: 15. Jun 2019, 01:08 »
Der Stoß gegen seinen Rücken ließ Hilgorn nach vorne durch den Zelteinang taumeln, und eine Hand in einem schwarzen Panzerhandschuh drückte ihn mit Gewalt auf die Knie. Zu beiden Seiten neben ihm standen zwei von Arnakhôrs Leibwächtern, hoch aufragend in ihren schwarzen Rüstungen, und vor ihm stand Mordors General persönlich, ein blankes Schwert in der Hand.
"Mein neuer Diener", sagte er mit tiefer, sanfter Stimme. "Deine Schmerzen werden bald ein Ende haben."
Bitte, dachte Hilgorn, und ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit durchströmte ihn. Bitte. Ich werde alles tun. Die letzten Tage waren dunkler gewesen als jeder seit seiner Gefangennahme. Jeden Tag hatte einer von Arnakhôrs Dienern sich seiner angenommen, und die Schmerzen hatten begonnen, an seinem Verstand zu nagen. Mit jedem Tag, der verstrichen war, drohte das schwache Flämmchen der Hoffnung mehr, zu erlöschen.
Arnakhôr sah auf ihn herab. "Du warst ein niederer Mensch, als wir dich aus ihren Reihen gerissen haben. Ein schwacher Mensch. Wir haben dich geprüft, wir haben versucht, dich zu brechen, doch du bist stark", sprach er in feierlichem Tonfall. "Nimm diese Stärke an. Erhebe dich über jene, die dich im Stich gelassen haben. Jene, die dich verloren gegeben haben. Jene, die dich zurückgehalten haben. Erhebe dich, und werde wieder geboren als Diener eines Gottes! Sieh mich an!"
Ein wenig widerstrebend hob Hilgorn den Kopf, und blickte Arnakhôr an. In dessen schwarzen Augen stand ein unheimliches Feuer, und einen Augenblick lang wirkte er größer als ein gewöhnlicher Mensch. Hinter ihm schien sich die Dunkelheit zu Schatten zu verdichten, die alles verschlangen. Das Wasser, dachte Hilgorn. Das Wasser, dass er heute morgen bekommen hatte, hatte einen merkwürdigen Beigeschmack gehabt - gleichzeitig süß und bitter. Er gaukelt mir etwas vor. Die Gedanken zerstoben wieder, als Arnakhôr die Klinge des Schwertes mit einer nackten Hand umfasste, und Hilgorn das Heft darbot. Dankbarkeit, und Erleichterung.
"Klammere dich nicht an die alte Welt", sprach Arnakhôr weiter. "Werde wiedergeboren, wie die Welt wiedergeboren werden wird, in den Flammen des Herrn."
Hilgorn spürte seine Hände zittern. Er verspürte ein überwältigendes Verlangen danach, das Schwert zu ergreifen. Mit einem Mal spülte Wut über ihn hinweg, ein überwältigender Zorn auf jene, in deren Namen er gekämpft und verloren hatte, und die nie versucht hatten, ihn zu retten. Und nun bot Arnakhôr ihm einen Platz an seiner Seite an. Er hatte Hilgorn geprüft, und er hatte ihn für würdig befunden.
Hilgorn ergriff das Schwert, zögerlich, in Erwartung einer Falle. Doch Arnakhôr regte sich nicht, und um seine Mundwinkel spielte etwas, dass man beinahe ein Lächeln nennen konnte.
"Erhebe dich, mein neuer Diener. Gemeinsam werden wir diese Welt ihrer Bestimmung zuführen." Ein wenig mühsam kam Hilgorn auf die Füße, und Arnakhôr fuhr fort: "Und jetzt beginnt es."
Er gab seinen Dienern einen Wink, die einen an Händen und Füßen gefesselten, blutigen Mann ins Zelt stießen. Auf Arnakhôrs Gesicht zeichnete sich Enttäuschung ab. "Yersin, so lange habt ihr mir treu gedient. Von den fernen Landen des Ostens, bis hierher. Und nun verratet ihr mich - verratet ihn." Er deutete auf Hilgorn. "Ihr wolltet ihn zu den niederen Menschen zurückbringen? Wozu? Damit er unter ihnen sterben kann, ohne zu erfahren, zu welcher Größe er bestimmt ist?"
Yersin erwiderte nichts. Stattdessen hob er nur kurz den Kopf, um Hilgorn ins Gesicht zu blicken, und seine Lippen formten stumm ein Wort. Leben. Und Hilgorn erinnerte sich.

"Mit jedem Mal wird euer Geist schwächer", stellte Yersin leise fest. "Es wird bald soweit sein."
"Was - ah - wird soweit sein?", stieß Hilgorn unter Schmerzen hervor, während Yersin die frische Schnittwunde auf seiner Brust nähte.
"Das Ende eurer Schmerzen", erwiderte Yersin mit Trauer in der Stimme. "Ich fürchte, sie könnten zu spät kommen." Hilgorn nahm seine Worte kaum wahr. Das Ende der Schmerzen. Nichts sehnte er mehr herbei.
"Ihr dürft euch nicht ergeben." Yersins Worte waren leise, aber eindringlich, doch sie durchbrachen kaum den Nebel des Schmerzes, der sich um Hilgorns Geist gelegt hatte. "Ihr müsst leben, und diesem Schrecken entkommen - für eure Familie, für die Welt, und vor allem für euch selbst."
Eine Erinnerung flackerte in Hilgorns Geist auf. "Und was ist mit euch? Wollt ihr nicht leben? Ihr sagtet, ihr würdet eure Familie bald sehen."
Yersin lachte bitter auf. "Das werde ich, doch dazu muss ich sterben, nicht leben. Meine Familie ist tot, mein Freund." Er zog den Faden fest, und Hilgorn verlor das Bewusstsein.
Zwei Tage war Arnakhôr eingetroffen.


Die Erinnerung seinen Geist geklärt wie ein Eimer kalten Wassers. Yersin musste geahnt haben, was Arnakhôr von Hilgorn verlangen würde - als letzte Prüfung. "Ihr habt mich verraten", sagt er langsam, leidenschaftslos, während innerlich seine Gedanken rasten. Was wusste Arnakhôr? "Was habt ihr getan?"
"Ich habe... wollte... einen Brief schreiben. Nach Gondor schmuggeln. Ihnen... verraten wo ihr seid", stieß Yersin mühsam hervor, und der Zorn, den Hilgorn unwillkürlich verspürte, erschreckte ihn. Der Diener Mordors übernahm das Kommando, der Mann, der Arnakhôrs Worten Glauben schenkte, den der Schmerz zerbrochen hatte. Hilgorn ließ es geschehen, denn Arnakhôr musste ihm glauben. Er umklammerte das Heft des Schwertes so fest, dass seine Finger schmerzten. "Ich... hatte gedacht, ihr wärt noch nicht zu weit fort. Würdet nicht... gefallen sein."
"Ich war gefallen", erwiderte Hilgorn kalt. "Doch jetzt erhebe ich mich. Wenn die Welt brennen muss, um ihre Bestimmung zu finden, dann soll es so sein."
Leb wohl, mein Freund, dachte ein Teil von ihm. Der, den er in den Hintergrund schob. Mögest du deine Familie wiedersehen.
Das Schwert fuhr vor, und Blut spritzte auf seine Hand. Wortlos wandte er sich von dem Leichnam ab und fiel vor Arnakhôr auf die Knie, das blutige Schwert vor sich in den Boden gerammt. Er senkte den Kopf. "Ich gehöre euch, Herr. Sollen sie brennen."
« Letzte Änderung: 30. Jun 2019, 00:20 von Eandril »

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Re: Tal des Celos
« Antwort #5 am: 30. Jun 2019, 00:50 »
Die Rüstung, die ihm angelegt wurde, war aus schwarzem Stahl geschmiedet - schmucklos, doch in ihrer Schlichtheit eindrucksvoll. Den einzigen Schmuck stellte das auf der Brust prangende rote Auge dar. Als Arnakhôr ihm den schwarzen Mantel, der ebenfalls das rote Auge Mordors zeigte, um die Schultern legte, durchströmte ihn Gewissheit, dass er am richtigen Ort war.
"Steige auf in den Dienst Mordors", sprach Arnakhôr, und reichte ihm ein Schwert mit Schwarzer Klinge, in dessen Knauf ein einzelner Rubin eingelassen war. Seine übrigen Diener, vier an der Zahl, zogen ihre identischen Waffen und stießen sie in einem Kreis um ihn herum in den Boden. "Lege dein altes Wesen, deinen alten Namen ab. Du wirst einen neuen bekommen, der dir angemessen ist - wenn die Zeit reif ist."
Du hast bereits einen Namen, wisperte eine hartnäckige Stimme in seinem Geist. Du bist Hilgorn Thoron, General von Dol Amroth. Er verbannte die Stimme mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte. Es war wichtig, was sie sagte, das spürte er. Doch in diesem Augenblick konnte er dieses Wissen nicht gebrauchen. Arnakhôr durfte nicht bemerken, dass noch ein Rest seines alten Wesens in ihm schlummerte. Er hob den Kopf, und blickte seinen Herrn an.
"Ich sehne den Tag herbei, an dem ich mich eines Names würdig erweisen kann."
"Dieser Tag mag schon bald kommen." Arnakhôr wandte sich von ihm ab, und dem mit Karten und Schriftstücken übersähten Tisch hinter sich zu. Die Plane des Zeltes bewegte sich leicht im Wind, während sein Diener mit seinen neuen Gefährten abwartete. "Es gibt... Schwierigkeiten im Norden", begann der Heerführer schließlich, seine Stimme kalt und leidenschaftslos wie meistens. "Der Herr wünscht, dass ich mit einigen meiner Truppen zu ihm stoße." Er machte eine Pause, und sein Diener hatte den Gedanken, dass er gerade etwas Bedeutendes gehört hatte, doch er konnte nicht erkennen, was es war. "Balkazîr." Arnakhôrs rechte Hand, der bislang stumm in einer Ecke des Zeltes gewartet hatte, trat vor. "Ich übergebe euch den Befehl in diesen Landen. Du, und du." Arnakhôr richtete den Finger auf zwei seiner Diener. "Ihr werdet bei ihm bleiben. Balkazîr, ihr werdet nicht zulassen, dass die Streitkräfte Gondors östlich des Gilrain an Boden gewinnen - doch ihr werdet diese Front nur halten, ihr werdet unter keinen Umständen versuchen, den Fluss zu überqueren." Balkazîr nickte, ohne dass sich ein Muskel in seinem blassen Gesicht regte.
"Ihr kennt die Berichte, dass der Fürst von Dol Amroth erneut versteckte Streitkräfte in unsere Lande entsandt hat. Ihr habt diese Waldläufer einmal aus ihren Verstecken gejagt - übrigens obwohl euer Befehl lautete, sie bis auf den letzten Mann zu vernichten." Weiterhin regte sich kein Muskel in Balkazîrs Gesicht, und er wich Arnakhôrs Blick auch nicht aus, doch auf seiner Stirn bildeten sich winzige Schweißtropfen. "Euer Versagen ist vergeben - zumindest in dem Fall, dass ihr dieses Mal nicht wieder versagt. Vernichtet diese Waldläufer, und legt mir den Kopf ihres Anführers zu Füßen, wenn ich zurückkehre."
Balkazîr nickte nur stumm, und mehr schien nicht von ihm erwartet zu werden. Arnakhôrs Diener verspürte eine merkwürdige Erregung. Waldläufer östlich des Gilrain. Gondors Streitkräfte. Wiese verspürte er Freude? Es musste die Vorfreude darauf sein, sie alle zu töten... doch er würde Arnakhôr nach Norden begleiten. Warum also...
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Arnakhôr mit seinen Befehlen fortfuhr. "Ich erkenne eure Enttäuschen, Balkazîr. Ihr wünscht euch die Gelegenheit, Gondors Streitkräfte noch weiter nach Westen zurückzudrängen, und vielleicht sogar vollständig zu vernichten. Diesen Wunsch haben wir alle, doch für den Augenblick hat unser Herr anders entschieden." Die Hand seines Dieners umklammerte den Schwertgriff, und sein Daumen strich über den blutroten Rubin im Knauf. Arnakhôr hatte Recht, er wünschte sich nichts mehr, als das Volk Gondors für immer auszulöschen. Und gleichzeitig verursachte ihm der Gedanke daran Übelkeit.
"Sobald jedoch die... Schwierigkeiten in Rhûn beseitigt sind, wird die ganze Macht Mordors auf Gondor niederfahren", versprach Arnakhôr. "Ihr alle werdet Zeugen sein, wie die Macht Saurons des Großen ein für alle Mal jene vernichtet, die es gewagt haben, ihm so lange Widerstand zu leisten. Und mit Gondors Fall werden all jene, die im Westen dieser Welt noch Widerstand leisten, die Hoffnung verlieren, und der Sieg wird uns gehören." Er ließ den Blick über Balkazîr und seine Diener schweifen. "Ihr habt eure Befehle. Wir werden beim ersten Licht des nächsten Tages aufbrechen."

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Der Steinbruch der Gefangenen
« Antwort #6 am: 6. Jul 2019, 16:08 »
Valion, Serelloth, Ta-er und Rinheryn aus Linhir


Dank der Führung durch Ta-er as-Safar kam dieaus fünfundzwanzig Menschen bestehende Gruppe rasch und ungesehen voran, obwohl sie sich in feindlichem Gebiet befand. Nahe der Furten des Gilrain, wo man Hilgorn gefangen genommen hatte, ließ Valion sieben Soldaten zurück, deren Auftrag es war, den Flussübergang im Auge zu behalten und für eine hastige Flucht nach Westen freizuhalten, falls die Befreiungsaktion im Tal des Celos schiefging. Die Wahrscheinlichkeit dafür war nicht gerade gering, denn inzwischen wussten die Gondorer, wer ihren General gefangen genommen hatte: Arnakhôr, der grausame Kommandant aller Streitkräfte Mordors zwischen Gilrain und Anduin, dem ein übler Ruf vorauseilte. Valion wusste, dass dann wohl auch Arnakhôrs persönlicher Vollstrecker Balkazîr - der Mörder seines Vaters - nicht weit sein konnte. Es war Balkazîr gewesen, der die Waldläufer aus Ithilien vertrieben hatte und der Valion in Minas Tirith verwundet hatte. Wenn sich bei der Befreiung Hilgorns eine Gelegenheit zur Vergeltung bot, hatte Valion nicht vor, sie auszulassen.

Dem Lauf des Celos, einem Seitenfluss des Gilrains folgend kamen sie durch unwegsames Gelände rasch in die höher gelegenen Gebirgstäler des Weißen Gebirges. Als der felsige Boden immer unsteter wurde waren sie schließlich gezwungen, die Pferde zurückzulassen. Valion stellte acht Soldaten zu ihrer Bewachung ab, sodass sie nun nur noch zu zehnt waren. Geführt von Ta-er, die sich einem Schatten gleich durch die mondlose Nacht bewegte, legten sie den Rest des Weges zu den Steinbrüchen zurück, in denen Hilgorn gefangen gehalten wurde. Als sie in der Ferne die ersten rötlichen Lichter sahen, gebot die haradische Assassine ihnen mit einem Fingerzeig Halt.
"Wie gehen wir vor?" fragte Rinheryn leise. "Schleichen wir uns direkt ins Zentrum des Steinbruches?"
Serelloth schüttelte den Kopf. "Das ist kein Überfall, sondern eine Rettungsmission," erklärte das Mädchen. "Wenn wir einen Kampf vermeiden können, sollten wir das tun."
"Wisst ihr, wo sie Hilgorn festhalten?" wollte Valion wissen.
"Tagsüber arbeiten alle Gefangenen im Steinbruch," sagte Ta-er as-Safar. "Abends verteilen die Aufseher sie in mehreren Zelten, die gut bewacht werden. Wenn wir uns ihnen nähern wollen, werden wir eine Ablenkung brauchen."
"Dafür kann ich sorgen," bot Rinheryn an. "Ich werde östlich des Lagers ein Feuer legen. Das sollte ihre Aufmerksamkeit erregen."
"Unterschätze diesen Feind nicht," warnte die Assassine. "Ich bin ihm noch nicht selbst entgegen getreten, doch ich spüre, dass eine einfache Ablenkung nicht genügen wird. Vielleicht werden einige der Wachen den Flammen folgen, wenn wir Glück haben. Wenn du sie siehst, dann laufe. Kämpfe nicht gegen sie. Hast du verstanden?"
"Ich bin schnell," sagte Rinya zuversichtlich. "Sie werden mich nicht kriegen."
"Das Feuer wird also vielleicht einige der Wachen ablenken, aber nicht alle?" fragte Valion.
"Wir müssen es einfach versuchen," meinte Serelloth. "Je länger wir trödeln, desto schwieriger wird die Befreiung werden."
"Wartet einen Augenblick. Ich werde voraus gehen und mich etwas umsehen," entschied Ta-er. Sie schien bis jetzt mit sich gerungen zu haben, aber inzwischen eine Entscheidung getroffen zu haben. Die Assassine stand auf und verschwand lautlos zwischen den Büschen, die ringsum wuchsen.

Kaum eine halbe Stunde verging, bis Ta-er zurückkehrte. "Ich habe drei ihrer Zelte durchsucht. Sie sind voller Gefangener, doch euer General ist nicht darunter. Etwas stimmt nicht," fügte sie leise hinzu. "Es sind viel weniger Wachen im Lager als beim letzen Mal. Der feindliche Kommandant scheint ebenfalls nicht hier zu sein."
"Worauf warten wir dann noch?" fragte Rinheryn. "Wir haben ganz einfach Glück. Wahrscheinlich ist der Feind zu einem Raubzug ausgezogen. Die perfekte Gelegenheit."
Ta-er zögerte. Valion hingegen war der Meinung, dass sie lange genug abgewartet hatte. "Los, Rinya. Lenke sie mit dem Feuer ab. Wir gehen rein."
"Also gut," sagte Ta-er. "Dann sei es so. Ab jetzt kein Wort mehr, ehe wir nicht wieder hier sind. Geht!"

Rinheryn kroch hastig davon, um das Lager nach Osten hin zu umrunden. Zwei Soldaten folgten ihr so leise sie es vermochten. Der Rest der Gruppe pirschte sich Schritt für Schritt an das Licht heran, das vom feindlichen Lager im Zentrum des Steinbruches ausging. Große, schwarze Zelte standen dort, fünf an der Zahl. Valion schätzte, dass jedes mindestens dreißig Gefangene beherbergen konnte.
Als sie bis auf Hörweite herangekommen waren, leuchtete im Osten ein feuriger Blitz auf und Rufe wurden laut. Rinheryn hatte offenbar einen vertrocketen Baum einen Steinwurf vom Lager entfernt in Brand gesetzt, was mehrere der Wachen angelockt hatte.
Ta-er gab ihnen unmissverständlich zu verstehen, dass jetzt die Zeit zum Zuschlagen gekommen war. Sie deutete auf die beiden Zelte, die sie noch nicht selbst durchsucht hatte. Dann sprintete sie los, wie ein schwarzer Pfeil, der durch die Nacht fliegt. Valion und Serelloth sprangen ebenfalls auf und nahmen sich das letzte Zelt auf der Westseite vor. Als sie es vorsichtig umrundeten, kam ihnen ohne Vorwarnung ein feindlicher Krieger in schwarzer Rüstung entgegen.
Valion handelte, ohne zu zögern. Sein Schwert sprang mit einem Flirren hervor und sauste auf den Kopf des Feindes zu. Doch dieser stoppte den Angriff mit ungeahnter Reaktionsschnelligkeit und hielt die Klinge mit seinem Panzerhandschuh auf. Er trug keinen Helm, doch erst als flackernders Flammenlicht auf sein Gesicht fiel, erkannte Valion seinen Gegenüber.
"Hilgorn?" entfuhr es ihm voller Überraschung.
"Sieh mal einer an," sagte Serelloth neben ihm und grinste. "Meinen Glückwunsch, General. Ihr werdet gerade gerettet. Bitte leistet keinen Widerstand, in Ordnung?"

Es dauerte einen Augenblick, doch dann gelang es Valion und Serelloth, den nicht sonderlich überrascht wirkenden Hilgorn mit sich zu zerren. Der General sagte kein Wort, bis sie schließlich in einigem Abstand zu den Zelten zwischen zwei Büschen zum Halten kamen. Nach und nach tauchten auch die anderen Soldaten Gondors auf, die auf Valions Befehl im Lager auf der Suche nach Hilgorn ausgeschwärmt waren.
“Wir haben den feindlichen Kommandant gesehen,” sagte einer von ihnen, ein junger Rekrut aus den Pinnath Gelin, der wegen seiner Fähigkeiten als Spurenleser für die Rettungsmission ausgewählt worden war. “Und... er hat uns ebenfalls bemerkt.”
„Das ist schlecht,“ stellte Serelloth unnötigerweise fest.
„Was hat er getan?“ fragte Valion hastig.
„Nun, hír, das ist das Merkwürdige daran... er hat direkt zu uns hinübergesehen, aber dann... nichts getan. Er erteilte seinem Untergebenen, einem zweiten Schwarzen Númenorer, einige Befehle, doch unsere Anwesenheit schien ihn nicht weiter zu stören.“
„Was hat das zu bedeuten?“ fragte ein anderer Soldat.
„Ich weiß es nicht, aber es gefällt mir nicht im Geringsten,“ meinte Valion. „Doch wir haben jetzt keine Zeit, uns darüber Gedanken zu machen. Wir haben, was wir wollten. Wenn Rinheryn und ihre Leute nicht in drei Minuten hier sind, brechen wir auf. Wir treffen uns dann bei den Pferden mit ihnen.“

Sie warteten die drei Minuten voller Anspannung ab. Als es noch immer kein Zeichen von Rinya gab, atmete Valion tief durch und befahl: „Also gut. Verschwinden wir von hier.“
Alle setzten sich in Bewegung - bis auf Hilgorn. Wie gebannt starrte der General zurück auf den Steinbruch, in dessen östlichem Teil noch immer Flammen wüteten. Dabei murmelte er etwas, das nach “unvermeidlich” klang, bis Valion die Geduld verlor und Hilgorn kurzerhand am Arm packte und so lange in Richtung des Verstecks mit den Pferden zerrte, bis dieser schließlich den Blick abwandte und Valion aus eigenem Antrieb folgte. Valion kam das Ganze reichlich merkwürdig vor, doch er beschloss, sich jetzt keine Gedanken darüber zu machen. Muss wohl eine Nachwirkung der Folter sein,, sagte er sich. Das werden sich die Heiler in Linhir in Ruhe ansehen müssen.

Rinheryns Gruppe erwartete sie bereits, als sie den Treffpunkt erreichten. Zwei Soldaten fehlten - sie waren beim Versuch, Feuer zu legen, von Orks entdeckt und getötet worden. Valion fluchte, denn entgegen seinen Erwartungen hatte er darauf gehofft, alle fünfundzwanzig Gondorer, die ihm von Linhir ins Tal des Celos gefolgt waren, heil wieder zurückzubringen. Doch dies war noch immer ein Krieg, und ihm Krieg gab es nun einmal Verluste, die man hinnehmen musste.
Als Letzte von allen traft Ta-er as-Safar bei der Gruppe ein. Sie sagte kein Wort, und ihr Blick zeugte von nachdenklicher Wachsamkeit. Ihre beiden langen, leicht gebogenen Schwerter waren mit schwarzen Blut verschmiert, welches die Assassinin mit einem dunkeln Tuch sorgfältig von den Klingen entfernte.
„Gut, wir sind nun alle hier,“ sagte Valion, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie nicht verfolgt worden waren. „Wir haben unser Ziel erreicht. Der General ist frei. Feiern werden wir das erst, wenn wir wieder sicher hinter den Mauern Linhirs sitzen. Aber eines kann ich euch jetzt schon versprechen: Die erste Runde - und alle, die an jenem Abend noch folgen mögen - geht auf mich!“
Niemand traute sich, laut zu jubeln - dazu waren sie noch zu nahe am feindlichen Lager. Selbst Rinheryn, die sehr zufrieden mich sich selbst dreinblickte, beschränkte sich darauf, die geballte Faust in den Himmel zu recken. Doch Valion wusste, dass ihn die Soldaten sein Versprechen nicht vergessen lassen würden.
„Auf die Pferde,“ befahl er. „Sehen wir zu, dass wir zu den Gilrain-Furten kommen, ehe es sich unsere Feinde mit einer Verfolgung noch einmal anders überlegen.“
Ja, sie waren erfolgreich gewesen, und Hilgorn war wieder frei - doch ein schaler Beigeschmack blieb. Die Befreiung war beinahe zu einfach gewesen. Valion wurde das Gefühl nicht los, dass man sie hatte gehen lassen. Doch zu welchem Zweck? fragte er sich, während der Trupp nach Westen das Tal hinab galoppierte. Er fand keine Antwort darauf.


Hilgorn, Valion, Serelloth, Ta-er und Rinheryn nach Lebennin
« Letzte Änderung: 13. Aug 2019, 12:49 von Fine »
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