Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Der Thron von Mittelerde

Gondor

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Darkayah:
Minas-Tirith, Weiße Festung (Gondor)

Kiana im Palast der Weißen Festung


Kiana sah ihrer neuen Oberkommandantin eine Zeit lang noch nachdenklich und verträumt hinterher. Nachdem Sanya die Gärten verließ und sich von der obersten Ebene der weißen Festung entfernte, ging sie zurück in den Thronsaal. Sie hoffte irgendwo ihren Reichsmarschall zu finden, doch er war nicht dort. Grauer Staub stand, wie so oft, an ihrem Thron. Auch genügend Ostlingsoldaten wachten jeweils an den Seiten des Ganges zum Thron. Das Gefühl von Glück breitete sich in ihr aus. Sie fühlte sich ihrer Macht so sicher, wie lange Zeit nicht mehr. Sie schien auch  niemanden zu  geben, der ihre Macht und sie selbst brechen konnte. Die kurzen Ängste waren nur einen Moment, doch nieder konnte sie niemand machen. Auch Octavia nicht.
Armes kleines Ding… Verschwendetes Blut… Ich hätte großes aus ihr machen können... seufzte die Königin enttäuscht, behielt aber ihr Lächeln auf den Lippen.
Sie goss sich etwas Wein ein und nippte zufrieden an ihrem Kelch. Ihre Gedanken kreisten um Sanya, wie sie vor ihr kniete und in den Gärten saß. Fröhlich ging sie mit langsamen Schritten auf Grauer Staub zu.
“Sie ist hübsch nicht wahr?”, fragte sie ihn, der sie nur irritiert ansah. “Lady Terelos ist hübsch!”.
“Ich kann dazu nichts sagen, ich bin ein Krieger… Ich achte nicht auf die Schönheit von anderen…Und kenne mich damit nicht aus...”, dabei sprach er in seinem Akzent aus dem Osten. “Hauptsache, sie ist meiner Königin nützlich!”.
“Willst du etwas damit sagen, dass deine Königin nicht hübsch ist?”, scherzte sie.
“Ihr seid Wunderschön, meine Königin… Niemand wird hübscher sein als ihr es seid!”.
“Und was ist mit Mina? Fandest du sie nicht schön?Hast du sie nicht geliebt?”, dabei beobachtete sie sein Gesicht. Der sonst so ernste Ausdruck verformte sich in Trauer. Dann verwandelte sich seine Miene in Zorn. “Mina… War meine Schwäche…”, presste er nur heraus.
“Ich verstehe schon…”, sagte sie nachdenklich. “Mir schmerzt ihr Ableben auch noch sehr… Aber Imrahil hat seine gerechte Strafe dafür bekommen!”.
Grauer Staub verbeugte sich vor ihr. “Dank euch, meine Königin!”.
Zufrieden nippte sie weiter an ihrem Kelch. Sie wandte sich von ihrem Reichsgeneral ab und sah stolz zum Thron hoch. Es war ein langer und schwieriger Weg, bis sie endlich auf diesem Thron sitzen konnte und die Krone tragen konnte, die ihr rechtmäßig zustand. Lange konnte sie darüber allerdings nicht nachdenken. Immer wieder vertrieb Sanya die anderen Gedanken aus ihrem Kopf. Sie sah sie vor sich stehen. Mit ihrem Sandblonden Haar und ihren Grauen Augen. Sie fühlte noch die Hände der Frau, die sich unglaublich zart anfühlten, obwohl sie oft in lederne Handschuhe gepackt waren und den Griff eines Schwertes umschlossen.
Die junge Maia richtete ihr silbernes langes Haar auf ihre linke Seite.
Das kann nicht sein..., dachte sie sich noch. Hatte sie sich etwa in ihre Oberkommandantin vernarrt? Die Gedanken an Sanya ließen in ihr eine starke wärme aufsteigen, sodass sie das Gefühl hatte, alleine durch die Gedanken eine Gesichtsrötung zu bekommen. Wie gerne hätte sie die sandblonde Frau noch eine Weile an ihrer Seite gehabt, sie weiter kennengelernt… Ihre Geschichte erfahren. Sie noch einmal berühren… Aber doch! Sie fühlte sich ihr zugetan...
Das muss an diesem Wein aus Dorwinion liegen!, redete sie sich kopfschüttelnd ein. Ich werde noch vollkommen verrückt!.
Sie stellte den Kelch wieder weg und machte sich auf dem Weg durch den Palast. Sie wollte Loki finden, der plötzlich spurlos verschwunden war.

Durch die langen steinernen Gänge des Palastes ging die Königin zu dem Gemach Lokis. Dabei wichen ihr noch immer die Wachen nicht von der Seite. Vorsichtig öffnete sie die dunkle Tür aus Holz. Dort saß Loki auch schon. Er saß am Fenster und blickte nach draußen. Als er seine Königin sah, wischte er sich über die Augen, vermutlich seine Tränen und wandte sich ihr stramm zu. Dabei lag er ein Stück Papier und eine Feder auf den Tisch neben sich.
“Euer... Gnaden…”, sagte er trotzdem höflich, während er er seine Nase schnaubte. Kiana störte sich nicht daran. Sollte er doch um die tote Verräterin trauern. Sie war nun aus dem Weg geräumt... Dank ihrer fähigen Oberkommandantin. Mit einer Geste zeigte sie ihren Wachen, dass es in Ordnung war, wenn sie den Raum verließen und die beiden alleine ließen.
“Ich habe dich bei Ernennung von Lady Terelos vermisst…”, sagte sie streng. “Als Reichsmarschall war es deine Pflicht, an meiner Seite zu stehen!”.
“Ich..Ich…”, stotterte er hervor. “Ich konnte… Ich brauchte einen Moment für mich alleine…”.
Kiana blieb es nicht unbemerkt, dass er bedrückt war und gleichzeitig erzürnt. Sie ging langsam einige Schritte auf ihn zu. Er hatte seine Arme auf dem Rücken verschränkt.
“Ich hoffe du hast das richtige getan…”, sagte er getroffen.
“Sie wollte mich ermorden… Sie wollte deine Königin, die Frau die du liebst, ermorden…”, sagte sie und griff die Hände des deutlich größeren Mannes.
“Ich meine diese Lady Terelos… Immerhin hat sie noch immer deine Halbschwester auf dem Gewissen… Mich würde es stutzig machen…”.
“Nein, das würde sie nicht… Ich spüre diese Verbindung, die ich zu Sanya habe! Und wenn Octavia selbst diesen Weg gewählt hat, ist es ihre eigene Schuld…”, entgegnete Kiana.
Sie ließ von Loki ab und setzte sich auf sein Bett. Aufgeregt rieb sie sich ihre Beine. Sie fühlte sich für einen kurzen Moment wieder wie ein kleines Mädchen das für einen Jungen schwärmte. Ein Mädchen, wie sie damals eines in Mistrand der Hauptstadt Rhûns war. Noch so jung, ohne Titel, ihre Drachen und Armeen.
“Ich kann nicht aufhören an sie zu denken…”, fing Kiana wieder verträumt an.
“Ich verstehe nicht?”, entgegnete Loki trocken.
“Ihr Sandblondes Haar, ihre hellen Grauen Augen, die mich beobachten… Ihr Stupsnäschen…”, lachte sie Liebevoll und ließ ihren Oberkörper rückwärts auf das Bett fallen. Die Krone aus dem schwarzen Metall rutsche ihr von ihrem Kopf.
“Sie ist so stark und ihrer Königin treu…”, schwärmte sie weiter.
“Geht es dir gut?”, vergewisserte sich Loki, der Kiana mehr als skeptisch betrachtete, während sie sich fast schon in seinem Bett wälzte.
“Hattest du etwa zu viel Wein?”.
Die Königin stützte sich auf ihre Armen ab, um ihren Oberkörper hochzuhalten. Dabei warf sie ihm einen erbosten Blick herüber. Sie verstand nicht, was er hatte. War er etwa nicht froh, dass seine Königin glücklich war? Natürlich war ihr bewusst, dass Octavia verstorben war. Seine kleine Geliebte.
“Was ist? Darf ich nicht glücklich sein?”, fuhr sie ihren Reichsmarschall an.
“Natürlich darfst du das… Mich wundert es nur, weil du vor wenigen Tagen noch genau das Gegenteil gefühlt hast…Du warst gebrochen… Hattest Angst um dein Leben...”.
Die junge Maia warf ihren Kopf nach hinten und lachte auf. Dann schnappte sie sich die Krone, die sie schnell wieder auf ihren Kopf setzte und erhob sich. Wieder ging sie auf Loki zu, dessen Blick sich nicht veränderte. Er wirkte schon eher entsetzt. Fast ängstlich.
“Vielleicht solltest du mir erst einmal verraten, was du eben auf dem Brief geschrieben hast…”, stachelte Kiana plötzlich.
“N-nichts…”, stotterte Loki hervor.
“Dann kannst du mir den Brief ja zeigen!”, forderte sie. Loki seufzte und nahm den Brief vom Tisch. Er drückte ihn Kiana in die Hände. Darauf war nichts deutliches geschrieben. Immer wieder waren Worte deutlich durchgestrichen und die Tinte war verlaufen, da sie feucht geworden sein musste. Kiana vermutete, dass seine Tränen dafür verantwortlich waren. Zögerlich übergab sie das Papier wieder ihren Reichsmarschall und erwartete noch eine Erklärung, was sie mit ihrem Gesichtsausdruck zeigte.
“Ich wollte nur die Entschädigungen und das Beileid für die hinterbliebenen Familien der verstorbenen Soldaten aufsetzen…”, behauptete er.
“Ach...so…”, antwortete sie und zog das Wort dabei künstlich in die Länge. “Du bist ja doch noch ein fähiger Reichsmarschall!”.
“Warum machst du das?”.
“Mach ich was?”, fragte Kiana unschuldig.
“Warum machst du dich über mich lustig? Ich kann nunmal nichts dafür, dass das im Norden passiert ist… Mit Octavia…”.
“Ich mache mich doch nicht lustig über dich…”, dabei hatte sie einen deutlichen Unterton in ihrer Stimme. Sie wusste, dass sie sehr provokant damit war, was  und wie sie es sagte. “Und... Octavia… Ist für mich vergessen… Keine Sorge!”
Loki wandte sich von ihr ab und sah aus dem Fenster. Kiana wollte aber seine Aufmerksamkeit haben. Immerhin war sie die Königin. Sie machte noch einen Schritt nach vorne, sodass sie ganz dicht an Loki stand.
“Du nimmst mich doch auch nicht ernst, wenn ich dir erzähle, dass ich Sanya zugetan bin…”, sagte die junge Königin. “Du willst mir sogar verbieten, dass ich glücklich bin… Obwohl ich deine Königin bin...”.
“Ich denke nicht, dass du dir etwas verbieten lassen würdest… Das hast du noch nie… Und es ist auch nicht meine Absicht...”, entgegnete Loki, “...Aber Sanya… Mach dich nicht selbst lächerlich…”.
“Bist du etwa eifersüchtig, Reichsmarschall?”, wollte sie wissen und spielte an seiner Kleidung herum.
“Auf Lady Terelos? Ich bitte dich…”, schnaubte er hervor.
“Das Volk liebt seine Königin… Die Armee liebt die Königin… Nur du nicht…”, behauptete sie mit einer Enttäuschung in ihrer Stimme.
“Du weißt, dass das nicht stimmt…”.
“Dann beweis es deiner Königin!”.
Kiana versuchte die Lippen des größeren Mannes mit ihren zu erreichen. Zunächst hielt er sich zurück, doch dann erwiderte er ihre Geste um sie zu küssen. Kiana hatte noch immer ihre Oberkommandantin im Kopf auch wenn ihr nicht ganz klar war, was dies bedeutete. Ihre Krone rutschte ihr dabei wieder von ihren silbernen Haaren herunter auf den Boden. Doch die junge Maia kümmerte sich nicht darum...

Später war Kiana wieder im Thronsaal angekommen. Grauer Staub kam aus dem Ratssaal gelaufen um sofort bei seiner Königin zu sein. Die junge Maia stieg die Stufen hoch und nahm wieder platz auf ihren Thron.

 
Kiana Vaneryen verbleibt im Thronsaal von Minas-Tirith

Saizo:
Minas Tirith (Gondor)

Sanya und Mithrendan in einer Taverne in Minas Tirith

Wie erwartet hatte Sanya Mithrendan in einer der Tavernen im untersten Stadtring aufgestöbert. Anstatt jedoch, wie es für sie üblich war, früh ins Bett zu gehen, blieb sie noch eine ganze Weile bei ihrem alten Freund an dem kleinen Tisch in der Ecke des "Rostigen Nagels" sitzen und wunderte sich gemeinsam mit ihm über viele Dinge, nicht zuletzt den ungewöhnlichen Namen der Schänke in der sie saßen.
"Wieso benennt man sein Etablissement nach einem rostigen Nagel?" fragte sich Sanya und zupfte nachdenklich eine widerspenstige Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie trank normalerweise nicht, aber Mithrendan hatte sie überredet, ihre Beförderung zumindest mit einem Krug Met zu würdigen. Besagter Krug war mittlerweile zu zwei Dritteln leer, nachdem eine aufmerksame Bedienung ihn bereits einmal ungefragt wieder aufgefüllt hatte, ehe Sanya widersprechen konnte.
"Da muss eine ziemlich komische Geschichte dahinterstecken," sagte Mithrendan amüsiert. Er hatte die Füße auf den Tisch hochgelegt und die Arme entspannt hinter dem Kopf verschränkt. Sowohl er als auch Sanya trugen hier unten nicht ihre Rüstungen, denn sie wollten nicht auffallen. Stattdessen waren sie in Kleidung gehüllt, die sie wie normale Bürger der Stadt wirken ließ.
Sanya stütze die Ellbogen auf dem Tisch ab und legte ihre Hände unter ihr Kinn. "Vielleicht fand der Wirt einen rostigen Nagel, und..." Sie winkte ab. "Nein... ach, ich weiß auch nicht."
"Du wirkst so durcheinander," sagte Mithrendan. "Was ist denn los mit dir?"
Anstelle einer Antwort nahm Sanya einen großen Schluck aus ihrem Krug. Sie spürte, wie ihr innerlich warm wurde. Normalerweise nahm sie gar keinen Alkohol zu sich, selbst die beim Adel so beliebten Weine waren nicht wirklich ihr Fall. "Weiß' nicht," gab sie etwas undeutlich zurück nachdem sie ihr Getränk abgesetzt hatte. "Ich komm' mir... komisch vor."
"Mehr als sonst?" neckte Mithrendan sie.
"Idiot," schoss Sanya zurück. Sie war nicht in Stimmung für Scherze, stattdessen fühlte sie sich als könnte sie losheulen. "Wieso hat sie das getan?"
"Wer hat was getan?" fragte Mithrendan nach. Er hatte verwundert die Brauen zusammengezogen und setzte sich nun aufrechter hin. "Erzähl's mir."
"Kiana! Ich... ich meine, die Königin," korrigierte sich Sanya hastig und senkte ihre Stimme. "Wieso hat sie mich befördern lassen?"
"Na, weil du sehr gut in dem bist, was du tust, Sanya."
"Aber... ich hab' versagt."
"Du meinst, weil Octavia tot ist? Und wie genau soll das deine Schuld gewesen sein?"
"Sie war in meiner Obhut als sie starb," sagte Sanya niedergeschlagen. "Der Reichsmarschall hat sich da ganz klar ausgedrückt, von ihm habe ich so ziemlich das zu hören bekommen, was ich von der Königin erwartet hatte. Aber..."
"Aber...?" hakte Mithrendan nach.
Sanya leerte ihren Krug und wischte sich den Mund ab. Kaum hatte sie das Gefäß abgestellt, kam eine der Bedienungen vorbei und füllte es ungefragt. Sanya hob noch einen Finger, um Widerspruch einzulegen, doch sie war viel zu langsam. Verdutzt ließ sie die Hand wieder sinken. "Ist... ist das normal hier?" fragte sie leise.
"Wenn du nicht möchtest, dass sie dir automatisch nachschenken, darfst du deinen Krug nicht leer auf den Tisch stellen," erklärte Mithrendan grinsend. "Sondern ihn kopfüber drehen, sobald er leer ist."
Wie automatisch griff Sanya nach ihrem Becher und wollte ihn schon umdrehen, als ihr klar wurde, dass er ja noch voll war. Kopfschüttelnd starrte sie auf ihre Hände. Hatte sie das Denken verlernt?
"Also, was ist jetzt mit meiner Frage?" wollte ihr alter Freund wissen. "Was war denn so seltsam an dem, was die Königin gesagt hat?"
"Sie war... naja, sie hat mich so sehr gelobt und dann befördert, als hätte ich... keine Ahnung, ihr das Leben gerettet oder so," meinte Sanya. "Dabei hat sie Octavia doch lebendig haben wollen, oder?"
"Ja, so lautete der Befehl," bestätigte Mithrendan.
"Aber stattdessen hat sie sich bei mir bedankt und gesagt, es wäre ihr lieber wenn ich ihre Schwester wäre und nicht diese Verräterin."
Mithrendan kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Hmm... nun, es geht das Gerücht um, dass die Königin nicht viele... Freunde hat, dort oben im Palast?"
"Wie meinst du das?" Sanya nahm einen kleinen Schluck und beobachtete Mithrendan abwartend.
"Sie hat natürlich ihre treuen Ostlinge und andere Untergebene, sowie den Reichsmarschall als engen Vertrauten, aber... hast du sie schon einmal mit einer Freundin sprechen sehen?"
"Ich habe sie selbst erst drei- oder viermal gesehen."
"Stimmt auch wieder. Aber der Punkt ist, dass man sagt, dass Kiana Vaneryen keine gute Freundin hat, um es mal so direkt zu sagen." Er schaute Sanya bedeutungsvoll an.
"Du meinst... sie hat mich befördert, weil sie sich mit mir anfreunden will?" murmelte Sanya etwas undeutlich.
"Vielleicht. Es ist nur so eine Ahnung," sagte Mithrendan. "Wer weiß?"
"Dann hab' ich diese blöde Schärpe nicht verdient," ärgerte Sanya sich. "Ich habe noch kaum etwas erreicht... der Silberne Schwan läuft weiter frei herum und im Norden ist eine echte bewaffnete Rebellion im Gange."
"Die Rebellen sind aber nicht deine Aufgabe, sondern die Aufständischen hier in Gondor," erinnerte Mithrendan sie sanft.
"Und Kiana?" Sanya vergaß, die Königin bei ihrem Titel anzusprechen. "Sie ... sie ist so anders als ich erwartet habe. Freundlich... irgendwie zutraulich? Ganz anders als die Aufständischen sie immer darstellen."
Mithrendan lachte. "Du solltest dich mal hören, Sanya. Da spricht die Königin einmal mit dir und schon bist du vollkommen durcheinander?"
"Das ist dieses Gesöff, das ist schuld," knurrte Sanya und leerte ihren Krug, dann knallte sie ihn verkehrt herum auf den Tisch.
"Oho!" amüsierte sich Mithrendan. "So eine heftige Reaktion, spricht da nur der Alkohol aus dir, oder steckt da mehr dahinter?"
Sanya blickte ihn böse an. "Wenn du weißt was gut für dich ist, hältst du jetzt besser den Mund," warnte sie ihn. Innerlich verstand sie sich selbst nicht, wieso wurde sie so gereizt wenn es um Kiana ging? Und wieso waren ihre Wangen so warm? Sie schob es auf den Alkohol, den sie nicht gewohnt war. Aber ein Teil von ihr ahnte, dass das nicht ganz stimmen konnte.
"Schon gut, schon gut," sagte Mithrendan und hob abwehrend die Hände, doch sein Grinsen verschwand nicht. "Was ist nach deiner Beförderung noch passiert?"
"Wir... wir waren in diesem kleinen Garten, Kiana und ich," sagte Sanya undeutlich.
Mithrendan hob die linke Augenbraue. "Und...?"
"Wie, und? Sie wollte mich überreden, noch ein Weilchen in Minas Tirith zu bleiben. Aber das geht nicht, wir müssen doch unsere Pflicht erfüllen und den Silb-"
Ihr alter Freund hob einen Finger und brachte Sanya zum Schweigen. Sie starrte ihn irritiert an, doch er schien angestrengt auf etwas zu lauschen, das Sanya nicht hören konnte. Sie ließ die Schultern sinken und schloss für einen Moment die Augen.
Was mache ich hier eigentlich? fragte sie sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Sie sah Kiana vor sich, mit ihrem hellblonden Haar, das immer in sehr komplex wirkenden Frisuren getragen hatte. Erschrocken bemerkte Sanya, wie sie ihre Herrscherin nun auch in Gedanken schon mit ihrem Namen ansprach, und nicht länger als "Euer Gnaden".

"...Lieferung nach Lossarnach soll morgen eintreffen..."
"...sicher, dass dir niemand gefolgt ist? Wenn die königlichen..."
"...gegen Mitternacht hinter dem großen Wachturm außerhalb der Stadt..."
"...ihr endlich etwas Feuer unterm Hintern machen, damit..."
Fetzen eines Gepräches drangen an Sanyas Ohr, und mit einem Mal war ihre Trunkenheit wie weggeblasen. Sie öffnete vorsichtig die Augen und stellte fest, dass Mithrendan anscheinend derselben Unterhaltung zuhörte. Er nickte Sanya kaum merklich zu. Mit Mühe gelang es ihr, den Hintergrundlärm der Taverne besser auszublnden und sich zu konzentrieren.
"Und du bist dir sicher, dass die Aktion funktionieren wird? Immerhin würde das alles mitten in der Hauptstadt passieren."
"Ja, so ist es beabsichtigt. Das wird für großen Aufruhr sorgen und allen zeigen, dass die Drachenschlange machtlos ist."
"Nun gut... und du bist dir sicher, dass das so funktionieren wird? Sind die Wachen am Tor geschmiert worden?"
"Natürlich. Der Schwan ist da nicht knausrig mit seinem Geld... jetzt sei nicht so besorgt und trink noch einen mit mir, ja? Vier Tage noch... dann wird es uns besser gehen. Viel besser."
"Vier Tage, ja... und dann rollen hoffentlich ein paar Köpfe."
"Wirst es sehen, wirst es sehen!"
Sanya stand auf und gab dabei vor, mehr zu schwanken als sie es sonst getan hätte. Dabei warf sie so unauffällig es ging einen Blick in die Richtung, aus der die Stimmen kamen. Zwei Männer saßen dort, einer trug die Rüstung eines Stadtwächters, der andere sah wie ein einfacher Reisender in einem braunen Mantel aus. Schnell löste Sanya ihren Zopf, um sich nicht zu verraten, und stolperte zur Bar hinüber. Der Wirt, der gerade einige Krüge abspülte, musterte sie gelassen, ohne etwas zu sagen. Sanya war dem Gespräch dadurch näher gekommen und legte den Kopf auf den Tresen ab, ihre Arme als Kissen verwendend, und lauschte weiter.
"Wo habt ihr eigentlich so viel von diesem Zeug herbekommen? Wie nennt man es doch gleich? Isen....feuer?"
"Leise, leise!" zischte der Andere und senkte seine Stimme. "Mach dir deswegen keine Gedanken, selbst ich weiß nicht wo es herkommt. Der Schwan hat es beschaffen lassen."
"Und es ist sicher, ja?"
"Wenn man sich nicht wie ein Idiot anstellt, schon. Steh nicht daneben wenn es hochgeht!"
"Hab' ich nicht vor... ich kenne die Geschichten die man sich darüber erzählt."
"Bald werden es die Menschen von Minas Tirith noch besser kennen als es ihnen lieb ist! Ich kann's kaum erwarten."
"Wenn der Thronsaal nur noch eine rauchende Ruine ist, werden wir uns alle besser fühlen, das versprech' ich dir. Viel besser."
Sanya hörte, wie die Männer aufstanden und die Taverne verließen. Sie blieb noch ein Weilchen in ihrer Position, bis Mithrendan zu ihr kam und ihren Arm über seine Schulter legte. "Ich glaub', das Mädel hier hatte genug für heute," raunte er dem Wirt verschwörerisch zu, dann half er Sanya dabei, vom Tresen wegzugehen. Sie spürte ihr Herz klopfen, als ihr die ganze Wahrheit langsam klar wurde. Zwar trübte der Alkohol noch immer ein wenig ihre Gedanken, doch dennoch war ihr unmissverständlich klar, was die Aufständischen planten: In vier Tagen wollten sie mit dem Isenfeuer den Thronsaal Kianas zum Einsturz bringen!

Darkayah:
Minas-Tirith, Weiße Festung (Gondor)

Kiana Vaneryen im Palast von Minas-Tirith


Kiana verstand noch immer die mysteriösen Gedanken über Sanya nicht. Egal was sie machte, musste sie an die Frau mit dem Sandblonden Haar denken. War sie nun wirklich Verrückt geworden? Sie fragte sich auch andauernd, wo ihre Oberkommandantin jetzt war und was sie machte. Kiana hoffte, sich wenigstens durch ein Fest ablenken zu können, an dem alle Würdenträger des Reiches eingeladen werden sollten. Natürlich betraf auch Sanya diese Einladung. Die junge Maia hätte Sanya ganz sicher nicht außen vor gelassen. Gleichzeitig bot das Fest eine Möglichkeit, mehr über sie zu erfahren.
Die Königin saß am runden Tisch des Ratssaals, zusammen mit Grauer Staub, Loki und weiteren Personen ,die an der Planung beteiligt waren. Etliche Dinge wurden schon vorbereitet. Kisten mit Essen und Dekorationen in den Palast gebracht.
“Ich möchte alles in Rot und Schwarz haben… Alles andere gefällt mir sowieso nicht…”, sagte die Königin in die Runde.
“Euer Gnaden, es ist sind die Farben eures Hauses… Ich kann es verstehen, aber meint Ihr nicht, dass etwas anderes besser wäre? Zum Beispiel ein strahlendes Blau würde sicher…”, wollte einer der Organisatoren sagen.
“Nein! Ich möchte Rot und Schwarz… Nichts weiter…”, unterbrach sie den Mann direkt.
“Wie Ihr wünscht, meine Königin…”.
“Wie gedenkst du mit der Sicherheit während des Festes umzugehen, Grauer Staub?”, erkundigte sie sich bei ihrem Anführer der Ostlinge.
“Es werden nur die eingeladenen Gäste durchgelassen… Unbefugte werden abgewiesen… Keine Waffen außer die der Ostlinge sind erlaubt... Einige Ostlinge werden an Eurer Seite bleiben!”, antwortete er wie immer streng mit einem Ostron Akzent.
Kiana war zufrieden. Zweifel hatte sie natürlich nie daran, keine Vernünftigen Wachen zu haben. Doch nach dem Vorfall nach dem Turnier, konnte sie nie sicher genug sein.
“Welche Speisen habt ihr auf der Liste?”, fragte sie einen weiteren Mann neugierig.
“Die leckersten Speisen aus dem Osten… Die farbigsten Früchte, die es wert sind Euch vorgelegt zu werden… Natürlich alles vorgekostet, Euer Gnaden!”.
"Wen willst du denn Einladen?", wollte Loki direkt wissen.
"Lady Terelos… die Generäle und Kommandanten der Armee… Den Neu-Adel…", zählte sie gerade auf, da fing Loki an zu lachen.
"Findest du unsere Würdenträger etwa zum Lachen?", fuhr sie ihren Reichsmarschall an.
"Nein, natürlich nicht… Nur dass du Lady Terelos absichtlich einzeln aufzählst…".
"Sie ist bisher die einzige Frau in der Armee… Ich finde sie hat die Erwähnung mehr als verdient, findest du nicht?", dabei hatte sie einen giftigen Unterton in ihrer Stimme. Sie hatte es satt, dass sich Loki dauernd über Sanya lustig machte. Kannte er sie überhaupt? Er war sicherlich nur gekränkt weil seine kleine Geliebte Rebellin aus dem Norden tot war.
Dabei müsste er froh sein, dass seine Königin nun endlich sicher war und niemand sie mehr töten wollte.
"Wo ist sie eigentlich hingegangen, nachdem sie hier war?", fragte Kiana neugierig. "Hat sie jemand gesehen?".
"Die Wachen Berichten, dass sie in Richtung Stadt gegangen ist, nachdem sie die weiße Festung verloren hatte… Wohl in irgendeine Taverne…", erzählte Loki genervt.
Warum geht sie in eine Taverne, wenn ich ihr doch angeboten habe hier zu bleiben, fragte sich die Königin.  Vielleicht wollte sie auch nur ihren Truppen nahe sein, damit sie die Anerkennung dieser bekamen. Das musste es sein!
"...Mit irgendeinen Mann…", fügte der Reichmarschall der Königin noch hinzu.
Die Worte waren wir ein Stich in das Herz der jungen Maia. Mit einem Mann?, dachte sie sich.
Um sich nicht anmerken zu lassen räusperte sie sich kurz. "Und wer ist dieser Mann?".
Loki zuckte ahnungslos mit den Schultern. Sie verdrehte nur ihre Augen. Hatte er sonst von irgendetwas eine Ahnung? Im Moment schien er total seine Aufgaben als Reichsmarschall, als Vertreter der Königin, aus dem Sinn verloren zu haben.
"Aber zu wissen wo sie ist, erscheint dir wichtig?", fragte sie sarkastisch nach und dabei zog sie ungläubig ihre Augenbrauen hoch. Loki antwortete nicht sondern grinste nur vor sich hin. Kiana wusste also, dass es ihm nur um sich selbst und Octavia ging. Er nahm es Sanya übel, dass sie ihren Auftrag erledigt hatte. Was hätte er nur gemacht wenn Kiana sie so oder so zum Tode verurteilt hätte? Würde er sich sich den Verrätern anschließen und gemeinsame Sache mit ihnen machen?
"Meine Königin…", erhob Grauer Staub plötzlich seine Stimme und Kiana sah sofort zu ihm hinüber.
"...Dieser Mann ist ein Kundschafter unserer Armee…".
"Ach ein einfacher Kundschafter…", lächelte Kiana auf einmal vor sich hin."Ich möchte mehr über ihn erfahren… Vielleicht hat er auch was mit dem Komplott des Schwans zu tun… Nicht das Sanya… Lady Terelos etwas passiert…".
Sie wusste nicht, warum ihr plötzlich immer ihr normaler Name einfiel, anstatt ihr Titel und der Name des Hauses.
"Was sollte es uns kümmern? Du hast genug andere Fähige Kommandanten…", sagte Loki weiterhin genervt und abwertend. Die junge Königin beobachtete ihn. Er sah auf die Schriftstücke vor sich und spielte mit einem Band in seiner Hand herum. Kiana fand die Einwände Lokis unverschämt. Er hatte Glück, dass er sie so lange kannte und sie ihn eigentlich schätzte.
"Zumindest welche, die mich nicht enttäuschen und nicht mit einer Verräterin das Bett teilen!", fauchte sie ihn an und klang trotzdem dabei sehr arrogant.
"Pff…", machte er nur. "Das sagst du…".
Sie warf ihm einen erbosten Blick zu, den er auch sofort bemerkte und daran festmachen konnte, dass er zu weit gegangen war. Er lehnte sich zurück und hob die Arme entschuldigend. Kiana schüttelte nur verständnislos den Kopf. Niemand der Anwesenden traute sich noch irgendetwas zu sagen. Es war auch nicht mehr zu übersehen, dass die Königin verärgert war und jeder kannte ihr Temperament.
"Dann stehen die Pläne? Ich möchte in vier Tagen das Fest abhalten… Reichsmarschall, sorgt du doch dafür dass die Einladungen ankommen!", sagte sie. Damit drückte sie ihm eine undankbare Aufgabe auf. Sie sah es als eine Art Strafe für ihn. Er verdrehte nur die Augen.
"Wie du meinst, meine Königin…", dabei machte er eine sehr tiefe Verbeugung, um seine Unterwerfung zu demonstrieren und machte sich auf dem Weg in seine Gemächer.
Kiana sah ihm noch eine Zeit lang hinterher. Dann erhob sie an sich von ihrem Platz. Sofort sprangen die anderen auf und verneigen sich vor ihr.
Kiana machte  sich dann selbst auf dem Weg in ihr Gemach um etwas Ruhe zu haben….

Kiana im Palast von Minas-Tirith…

Saizo:
Minas Tirith (Gondor)

Sanya und Mithrendan in Minas Tirith

Als sie auf die belebten Straßen der untersten Ebene von Minas Tirith kamen, stellten Sanya und Mithrendan fest, dass sie zu langsam gewesen waren. Die beiden Männer waren bereits in der Menge untergetaucht. Stattdessen kam ihnen eine Streife von acht Ostlingssoldaten entgegen, deren Anführer ihnen einen wissenden Blick zuwarf, ehe er vorbeimarschierte.
Haben die uns etwa beobachtet? dachte Sanya und schüttelte dann den Kopf. Trotz ihrer unerwarteten Beförderung gab es keinen Grund, auf einmal paranoid zu werden. Wahrscheinlich hatte der Ostling-Hauptmann sie einfach nur als Mitglied der königlichen Armee wiedererkannt, obwohl sie ihre Rüstung nicht trug. Vielleicht war er bei der Kundgebung der Königin oben in der Zitadelle dabei gewesen und hatte sich Sanyas Gesicht gemerkt. Sie verwarf den Gedanken und wandte sich an ihren alten Freund.
"Also, fassen wir mal die Fakten zusammen. Wir wissen, dass die Aufständischen das Isenfeuer benutzen wollen, um einen Teil oder gar die gesamte weiße Festung hochgehen zu lassen. In vier Tagen soll der Anschlag stattfinden. Aber warum gerade in vier Tagen? Ich wüsste nicht, dass in vier Tagen irgendetwas Besonderes geschehen sollte."
"Was hast du nun vor?" fragte Mithrendan. "Willst du die Königin sofort warnen?"
Sanya dachte nach. Sie band sich ihr Haar zu dem charakteristischen Pferdeschwanz, den sie beinahe immer trug, und sagte: "Ich frage mich, ob die Aufständischen nicht einen Informanten im inneren Kreis der Königin haben. Vielleicht sollten wir die Gefahr erst einmal für uns behalten, damit wir ihnen eine Falle stellen können."
"Aber damit riskierst du die Sicherheit der Königin," warf Mithrendan bedacht ein.
"Ich werde es ihr natürlich im Vertrauen erzählen, aber nur unter vier Augen," erklärte Sanya. "Kiana selbst wird garantiert nicht mit den Aufständischen oder dem Silbernen Schwan unter einer Decke stecken, so viel ist klar. Also ist das Geheimnis bei ihr sicher. Und dann... werden wir weitersehen."
Sanya streckte sich und gähnte herzhaft. Es war spät geworden, und der Alkohol machte ihr zu schaffen. Normalerweise trank sie nur Wasser oder Milch, wenn sie es einrichten konnte. "Wir machen Schluss für heute," beschloss sie. "Und bleiben vorerst in Minas Tirith, zumindest noch vier Tage lang... der Schwan scheint seine Aufmerksamkeit ja ohnehin auf die Weiße Stadt gerichtet zu haben."

Am folgenden Morgen fand Sanya heraus, welches Ziel die Attentäter hatten. Sie war wie immer früh auf den Beinen, nachdem sie im ihr zugewiesenen Offiziersquartier der königlichen Kasernen geschlafen hatte. Kaum hatte sie ihre Rüstung angelegt und sich im Innenhof des großen Gebäudekomplexes auf die Suche nach Mithrendan gemacht, stand auf einmal ein Bote vor ihr, der von einem griesgrämig dreinblickenden Reichsmarschall Loki begleitet wurde.
"Oberkommandantin Terelos," sprach der Bote gleich los, ehe Sanya etwas sagen konnte. "Hiermit ergeht an Euch die offizielle Einladung zu den Feierlichkeiten Ihrer Gnaden der Königin, Kiana von Haus Vaneryen, zu erscheinen." Er drückte der verdutzten Sanya ein eingerolltes Pergament in die Hand, das das königiche Siegel trug: ein roter Drache auf schwarzem Felde. Sie brach es und überflog die Zeilen rasch:

Lady Sanya von Haus Terelos, Oberkommandantin der königlichen Armee,
Ihrer Gnaden gefiel es, ein Fest zu geben, zur Feier des Ruhmes ihres Reiches und dem Wohl, das das Volk unter ihrer gerechten Herrschaft genießt. Ihr werdet bei Sonnenuntergang in der Weißen Festung erwartet, in drei Tagen, ohne Begleitung und ohne Waffen oder Rüstung. Es sind nur geladene Gäste zulässig und es wird eine angemessene Kleiderwahl angeordnet; bei den Farben ist ausschließlich Rot und Schwarz zu verwenden. Zulässig sind Roben, Wämser oder Tuniken für die Herren sowie Ball- oder Festkleid für die Damen. Nichteinhaltung der Kleiderordnung wird bestraft. Für Verpflegung ist reichlich gesorgt, die Königin bittet allerdings um unterhaltsame Beiträge ihrer Gäste.
Diese Einladung ist zur Feierlichkeit mitzubringen, ohne sie ist kein Einlass möglich!
Sanya ließ die Einladung sinken und sah sich dem mürrischen Gesichtsausdruck Lokis gegenüber. "Komm besser nicht zu spät," blaffte er sie an, dann marschierte er davon.
"Jetzt verstehe ich, worauf es die Aufständischen abgesehen haben," murmelte Sanya. "Aber woher... wussten sie, dass die Königin in vier, nein, mittlerweile drei Tagen ein Fest geben würde?" Ihr Verdacht, dass der Silberne Schwan einen Informanten im Königspalast hatte, erhärtete sich. Das war jedoch nicht das einzige Problem, das Sanya mit der Einladung Kianas hatte. Neben der drohenden Gefahr durch den Isenfeuer-Anschlag war da noch die Kleiderordnung... Sanya seufzte. Sie trug ihre Rüstung am liebsten überall, denn sie war stolz auf ihren Rang und das Eisen gab ihr eine gewisse Sicherheit. Zu den Festlichkeiten würde sie allerdings ein Kleid tragen müssen... was ihre Beweglichkeit schmerzlich einschränkte. Sanya hatte natürlich schon oft edle Kleider und Röcke getragen, doch darin kam sie sich immer etwas verletzlich vor, und darüber hinaus schätzte sie die Blicke und die Aufmerksamkeit nicht, die solche Kleidungsstücke verursachten. Sie hoffte, dass ihr Rang sie vor allzu aufdringlichen Männern ein Weilchen schützen würde und verstaute die Einladung in ihrer Tasche. Ich hoffe, ich habe überhaupt etwas in Schwarz und Rot, dachte sie noch, ehe sie sich auf den Weg zum Palast machte.

Zu Sanyas Ärger traf sie vor den Gemächern der Königin erneut auf Loki. Sie hatte gehofft, unter vier Augen mit Kiana sprechen zu können, doch anscheinend war Loki ihr seit dem Morgen nicht mehr von der Seite gewichen. Er trieb sich auf dem Gang außerhalb des königlichen Gemaches herum und musterte Sanya bösartig.
"Was willst du denn schon wieder?" knurrte er feindselig.
Sanya war klar, dass sie so nicht weitermachen konnte, also begab sie sich auf Konfrontationskurs. "Sagt, Reichsmarschall, was habe ich Euch getan, dass Ihr mich wie einen Feind behandelt? Ist es wegen Octavias unglücklichem Tod? Ihr wisst, dass ich sie ebenfalls liebend gerne lebendig hierher gebracht hätte, aber das Mädchen hat die Dinge selbst in die Hand genommen."
"Du hast sie erst soweit getrieben!" brauste Loki auf und Sanya wurde klar, dass ihre Vermutung richtig gewesen war: Loki gab ihr die Schuld am Tod Octavias, und die Gerüchte über seine Beziehung zu der Rebellin aus dem Norden waren wahr. "Warum konntest du sie nicht einfach gehen lassen? Sie wollte zurück in den Norden, um dort in Frieden leben zu können!"
"Befehl ist Befehl," hielt Sanya dagegen und verschränkte die Hände vor der Brust. "Die Königin wollte sie lebendig haben, und Ihr wisst ganz genau, dass niemand ungestraft davonkommen kann, der versucht hat, unserer Herrscherin zu ermorden!"
"Aber sie hat es nicht geschafft! Und bestimmt hat sie ihren Fehler eingesehen gehabt!" Loki brüllte nun beinahe. "Deinetwegen ist Octavia tot, und als nächstes willst du wohl Kiana in den Wahnsinn treiben!"
"Wie bitte?" Sanya verstand nicht, was Loki damit sagen wollte.
Doch Loki winkte nur wütend ab. "Es macht keinen Unterschied... Octavia ist fort, und daran bist allein du Schuld, du elendes Weib..." Er näherte sich ihr und baute sich bedrohlich vor ihr auf. "Ich werde dich beobachten, bei allem was du tust. Machst du nur einen einzigen Fehler, werde ich da sein und dich zur Strecke bringen, ein kleiner Ausrutscher reicht mir schon, und dann sind dein Rang und Titel dahin. Und wenn du erst in dem Verlies verrottest in das du gehörst, wirst du dir noch wünschen, du hättest Octavia am Leben gelassen!"
Sanya starrte den Reichsmarschall an. Sie hatte nicht erwartet, dass die Lage derart ernst war. Ihre Gedanken rasten und ein Teil von ihr wünschte sich weit fort von Minas Tirith.
"Da bleibt dir die Spucke weg, was?" höhte Loki. "Wirst ja noch sehen wie lange Kiana Gefallen an dir findet! Bald wird sie dich wegwerfen wie ein Spielzeug, das langweilig und alt geworden ist."
"Ich denke, da irrst du dich, mein lieber Loki," sagte die Stimme der Königin hinter ihm. Loki fuhr herum wie vom Blitz getroffen. Als er einen unbewussten Schritt zur Seite machte, wurde die Königin sichtbar, die hinter ihnen im Gang stand, von drei Ostlingssoldaten flankiert. "Hat er dir Ärger gemacht?" fragte Kiana, und blickte Sanya an.
"Ich denke... der Reichsmarschall ist nur ein wenig... überarbeitet," sagte Sanya und blickte Loki an, dabei war ihre Miene wieder vollkommen ruhig. "Er braucht wohl einfach etwas Ruhe, nach den Ereignissen der letzten Tage."
"Dann sollst du sie bekommen," sagte die Königin zu Loki. "Bis zur Feier wirst du deine Pflichten an deinen Stellvertreter übergeben und dich etwas beruhigen, verstanden?"
Loki warf Sanya einen feindseligen Blick zu, dann nickte er zu Kianas Aussage. Ehe noch jemand etwas dazu sagen konnte, ging er davon.
"Schön, dich zu sehen," sagte Kiana lächelnd, als wäre nichts geschehen, und kam etwas näher. "Was bringt dich denn zu meinen Gemächern?"
"Nun, es... gibt da zwei Dinge, über die ich mit Euch sprechen muss, Euer Gnaden," sagte Sanya. "Beide wären mir lieber, wenn wir sie unter vier Augen besprechen könnten..."
Kiana wandte sich sofort an ihre Wachen. "Ihr wartet draußen. Sanya, gib ihnen dein Schwert, damit sie sich keine Sorgen machen. Du bekommst es später natürlich wieder." Damit maschierte Kiana in ihre Gemächer und winkte Sanya mit sich. Sanya löste ihr Schwert vom Gürtel und gab es den Ostlingen, dann folgte sie Kiana nach drinnen und zog die Türe fest zu.
"Also, was gibt es?" wollte die Königin wissen, nachdem sie sich auf eine gepolsterte Bank am Fenster gesetzt hatte. "Und, bitte, setz dich doch. Hier am Fenster haben wir beide Platz."
Sanya neigte das Haupt vor ihr, dann setzte sie sich. "Also, wegen Eurem Fest..."
Kianas Augen leuchteten auf. "Hast du dich schon entschieden, was du anziehen möchtest?"
"Das, nun, wäre meine zweite Frage gewesen, denn ich habe kein passendes Kleid in den gewünschten Farben und hatte gehofft, Ihr könntet mir da behilfich sein... aber eigentlich wollte ich Euch warnen..." Sanya fasste für Kiana im Flüsterton die Informationen zusammen und sagte am Ende: "Ich würde diesen Attentätern gerne eine Falle stellen, weiß aber nicht, wem ich vertrauen kann... was befehlt Ihr, Euer Gnaden?"

Darkayah:
Minas-Tirith, Weiße Festung (Gondor)
Kiana Vaneryen mit Sanya Terelos in ihrem Gemach…

Während Sanya sprach, beobachtete Kiana sie ganz genau. Ihr fielen besonders ihre strahlenden Grauen Augen auf, die im Licht der Sonne nur noch mehr funkelten. Auch wenn die Augenpartie der Oberkommandantin besorgt drein sahen, fand Kiana sie wunderschön. Fast schon überhörte die Königin die Worte, als Sanya von einem Attentat sprach.
“Ein Mord Versuch? Auf mich?”, stieß sie nur heraus und sah sie dabei irritiert an. “Ich verstehe nicht… Wie ? Wann? Woher weißt du davon?”.
Nervös griff sie in das Kissen der gepolsterten Bank am Fenster. Erst vor kurzem versuchte ihre eigene Halbschwester sie zu töten und jetzt versuchte es direkt wieder jemand? 
Das muss andere wohl inspiriert haben... dachte sich die junge Maia und seufzte.
“Ich habe es in einer Taverne unten in der Stadt mit angehört…”, antwortete Sanya. “...Sie sprachen davon Isenfeuer zu verwenden…”.
“Isenfeuer?”, wiederholte die Königin das Wort ungläubig. Sie hörte schon einige Male davon. Sie wusste dass vieles auch unter Minas-Tirith gelagert war, weil ihr Vater die Stadt in die Luft sprengen wollte, nachdem Imrahil vor den Toren stand. Doch das war lange her und sie ging davon aus, dass die meisten Kisten durch ihren Angriff mit Ancalagon zerberstet worden waren. Kiana wollte noch etwas sagen, doch ihr blieb die Stimme weg. Sie drückte nur ein Luftgeräusch nach außen.
Wann?”, fragte die junge Königin Erneut.
“In drei Tagen. Dann wenn das Fest stattfindet!”.
“Ich muss alles im Palast druchsuchen lassen… Wenn die Verräter schon in Minas-Tirith sind…”, sagte Kiana fast schon panisch.
“Ich weiß wie die Männer aussehen und ich werde sie an diesem Abend aufhalten! Lass mich sie heimlich aufdecken!”, beschwor Sanya. Kiana seufzte.
“Hoffentlich ist das nur keine Ausrede, um am Fest teilzunehmen…”, scherzte sie kurz mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. “...Wenn du sie heimlich erwischen willst, kann ich dich trotzdem nicht in voller Rüstung und vor allem nicht bewaffnet hier her lassen… Das würde zu viel Aufmerksamkeit auf dich lenken… Mir missfällt es aber, dass du das machen willst… Ich kann es nicht riskieren, dass ich dich verliere!”.
Kiana überschlug ihre Beine und positionierte sich auf der Sitzfläche erneut. Sie strich sich einige Haarsträhnen ihres langen silbernen Haares, welches sie offen trug, zur Seite. Besorgt musterte sie ihre Oberkommandantin, die voller Tatendrang zu sein schien. Tief in ihrem innern war es ihr überhaupt nicht recht, dass sich Sanya darum kümmern wollte. Wenn ihr was dabei zustieß, könnte sie es sich niemals verzeihen. Gleichzeitig wusste sie, dass sie die Verräter gesehen hatte und gut in dem war, was sie tat. Immerhin war sie die Friedenshüterin von Gondor und hat selbst das Problem mit Octavia aus der Welt geschafft. Erneut drückte sie einen tiefen Seufzer hervor.
“Gut, ich werde Grauer Staub darüber informieren. Er soll sich mit seinen Männer bereithalten, sobald du etwas verdächtiges bemerkst. Davor soll er, so unentdeckt es geht, die Kisten die hierher kommen untersuchen… Du solltest vorher dringend mit ihm sprechen…”, sagte sie schließlich in einem bestimmenden Tonfall, damit man ihre Angst nicht heraushören konnte. Kiana hoffte, dass Sanya in ihr Gemach kam, um etwas anderes zu besprechen, als über die leidigen Verräter. Doch Sanya war eifrig, was der Königin gleichzeitig auch gefiel.
“Dann sollten wir jetzt über die Kleidung sprechen, die du tragen wirst… Gar nichts in Rot und Schwarz da, hm?”, sagte Kiana schließlich. Sie nahm die Hände Sanyas in ihre. Beim aufstehen ließ sie diese langsam los, auch wenn sie es am liebsten gar nicht machen wollte. Die junge Maia sah in einer Art Kommode, die auf der anderen Seite stand und kramte verschiedenste Stoffe hervor, die sie unzufrieden auf das Bett warf. Es waren  Kleider, Röcke, ihre engen und dünnen Hosen, die sie manchmal unter ihren Röcken trug, Umhänge, Tücher und andere Accessoires. Das meiste davon war Schwarz, Rot oder Schwarz und Rot. Sie nahm die Stoffe und hängte diese Sanya um, die etwas unkomfortabel dreinsah.
Kiana, die das bemerkte lachte nur auf und sagte: “Komm schon, wer bekommt schon die Kleider von der Königin! Und eigentlich stammt ihr doch von einer Adelsfamilie, also müsste das euch nicht allzu fremd sein!”.
“Euer Gnaden, ich mache mir nur Sorgen…”, wollte Sanya gerade entgegnen, da hielt Kiana ihren Zeigefinger auf die Lipper der Frau. “Tscht…”, machte sie nur.
Mit diesem Finger strich sie vorsichtig über die weichen Lippen von Sanya und biss sich dabei auf ihre eigene Unterlippe. Ihr Herz raste und sie hatte das Gefühl, eine innere Wärme würde in ihr aufsteigen. Wie gerne würde sie die ihrigen auf ihre eigenen spüren. Nur für einen kurzen Moment.
Reiss dich zusammen Kiana, sagte sie sich selbst und ließ von ihrer Oberkommandantin ab.
"Na los, zieh dir das hier ein. Es wird dir wahrscheinlich zu klein sein, aber ich werde es dir anpassen lassen!", sagte sie. Während Sanya zögerlich ihre Alltagsbekleidung entfernte, beäugte Kiana sie eine Weile. Der schlanke, doch recht athletische Körper gefiel ihr und ließ die Königin leicht erröten.
Sie wandte sich wieder ab und ging wieder zu der Kommode. Dabei rieb sich ihre Schläfen. Sie durfte als Königin nicht an so etwas denken. Ihr Kopf musste frei sein, wenn sie das Reich führen wollte. Auf der anderen Seite war sie doch die Königin. Niemand konnte ihr vorschreiben was sie tun sollte und mit wem.
Die junge Maia nahm ein Blutrotes Tuch heraus und ging mit langsamen Schritten auf Sanya zu. Ihr Herz pochte und schlug mit jedem Schritt stärker.
"Das Kleid passt zu dir, das macht euch noch hübscher!", sagte Kiana. Sie hing das Rote Tuch um den Hals der Frau und zog sie zu sich um sie zu küssen. Auch wenn sie nicht genau wusste , warum sie das tat. In diesem Augenblick war es der jungen Königin auch egal. Sie nahm Sanyas Gesicht in ihre Hände, die schon eher regungslos dort stand und wollte schon gar nicht mehr aufhören.
Sie fühlte sich befreit und sprudelte vor Gefühlen über, wie zuletzt bei Thirak vor vielen Jahren.
Sie sah Sanya innig und verträumt in die Augen, während sie dabei schwer atmete. Dabei hielt sie noch immer ihr Gesicht in ihren Händen.
Erst dann begriff sie, was sie da eigentlich tat. Schnell ließ sie schockiert wieder von der Frau ab.
"Äh… Grauer Staub wird dir mit dem Kleid helfen und redet mit dem Schneider wegen des Attentats…", sagte sie und schüttelte den Kopf, weil sie ihren Fehler schnell selber bemerkte."Ich rede mit dem Schneider und lasse dir das geeignete Kleid zukommen… Und rede bitte mit Grauer Staub wegen des Festes…".
Mit diesen Worten eilte sie aus ihrem Gemach.
Was tust du da Kiana, dachte sie sich und lief in Richtung Thronsaal.

Im Thronsaal angekommen traf sie auf Grauer Staub, der mit den anderen Ostlingwachen beredet, wie und wo sie sich positionieren sollten. Sie rief ihn auf Ostron, der sofort zu ihr kam.

Sie atmete tief durch, denn sie war mehr als verwirrt. Tausend Gedanken gingen durch ihren Kopf. Warum hat sie das getan? War das richtig sie zu küssen? Was dachte Sanya nun von der Königin?
"Geht es dir gut, meine Königin?", fragte Grauer Staub, der scheinbar Kianas Erregung vernahm.
"Ja, es ist alles gut… Bitte sprich mit Sanya… Äh… Lady Teleros…", sagte Kiana erschöpft, "...Sie ist in meinen Gemächern… Du kannst ihr auch anbieten hier bei mir zu bleiben...".
Die Königin kniff die Augen zusammen, da ihr erneut so etwas herausrutschte. Ihr Anführer der Ostlinge machte sich sofort auf dem Weg und ließ sich nichts anmerken. "Und klopf vorher an!", rief Kiana ihm noch hinterher.
Sie musste das Geschehene erst einmal verarbeiten. So gerne wäre sie bei Sanya geblieben, doch sie wusste ja nicht was diese dachte. Doch es gab nun wichtigeres: Das Fest war nur noch ein paar Tage entfernt. Dann konnte sie nochmal mit Sanya sprechen. Kiana musste sich klar werden, was das alles bedeutete...

Kiana im Thronsaal von Minas-Tirith…

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