Oronêl, Helluin, Celebithiel, Glorfindel, Rilmir, Súlien, Gelmir und die Zwerge aus dem nördlichen Eregion...
Faelivrin massierte sich die Schläfen und schaute Mathan kurz an. Er strich sich nachdenklich über das Kinn und erwiderte ihren besorgten Blick. Oronêl und seine Gefährten brachten schlechte Nachrichten, aber auch etwas Gutes. Sein Blick wanderte kurz weiter zu Glorfindel, der etwas Abseits im Thronsaal mit Isanasca sprach. Scheinbar ging es um die Unterstützung aus Imladris und dafür musste er erst mehr über Eregion und den Manarîn erfahren.
Mathan atmete tief durch, nachdem Oronêl mit seinem Bericht endete. Er legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. „Gut, dass du wieder zurück bist. Wir haben… wir erwarten unangenehme Gäste.“
Oronêl nickte ernst und wollte etwas antworten, als die Tore zum Thronsaal aufgestoßen wurden. Der durchdringende Gong der einzigen Glocke in der Stadt durchdrang das Gebäude. Es war ein tiefer, durchdringender Ton, der das Zwerchfell vibrieren ließ. Faelivrin zischte etwas. Ein zweiter Gong folgte. Vor dem offenen Thronsaal standen Rilmir, Súlien und die Zwerge, die erschrocken zusammenzuckten. Ein Bote keuchte unter dem dritten Gong, kam schlitternd und ungalant zum Stehen. Der junge Elb hatte stark geweitete Augen, sein Atem kaum ein röcheln.
„S-Sie.. sie sind hier! Vor dem Nordtor! In Sichweite“ stammelte der junge Mann, „Es-…Ihr müsst-…“
Der vierte Gong verschlang seine Worte. Daraufhin preschte Isanasca in voller Rüstung wie ein geölter Blitz aus dem Palast. Ihre Hand am Schwert.
Faelivrin atmete einmal scharf ein. „Zur Torburg, rasch!“ Ihre Stimme schnitt durch die dröhnende Stille.
Keine weiteren Worte waren nötig. Mathan folgte seiner Tochter auf dem Fuß. Oronêl schloss sich ihnen an. Sie bellte in der Halle Befehle, und es schien dass der halbe Palast sich leerte. Am Fuße der Treppe wartete die Königliche Leibgarde und nahm sie in die Mitte. Überall standen auf dem großen Platz gerüstete Elben der unterschiedlichen Stämme und manarîschen Einheiten, die ihre Hände an den Griffen ihrer Schwerter gelegt hatten und grimmig nach Norden starrten. Andere umklammerten ihre Speere und Gleven. Valena quetschte sich durch die angespannten Schaulustigen und wurde auf einen Wink Mathans hin durch die laufende Mauer aus Körpern der Leibgarde zu ihm durchgelassen. Sie flüsterte ihm zu, dass sie Adrienne zuvor in die Südstadt schlendern sah. Er brummte nur, dass es besser sei, dass sie nicht dabei war.
Der Weg erschien ihm quälend lang. Jeder Schritt fühlte sich immer schwerer an. Aus einer Seitengasse stießen die Ritter des Königshauses dazu, doch bis auf Nammanor kannte er niemanden. Es waren fünf an der Zahl, bewaffnet bis an die Zähne. Das rhythmische Stampfen der Krieger um ihn herum ließ sein Puls steigen. Faelivrin gab unablässig Befehle an Boten, die immer wieder aus Seitengassen zu ihnen stießen und darin verschwanden. Er drehte den Kopf. Dem Tross hatte sich sogar Luscora angeschlossen. Sämtliche Sprecher und Anführer der Avari waren ebenfalls mit ernsten oder grimmigen Gesichtern dabei.
Das leise Klappern von Stahl und Holz intensivierte sich, als der Tross auf dem Nordplatz eintraf. Mathan erblickte Kerry, flankiert von ihren drei zugeteilten Leibwachen, zwei bereits mit Schilden in den Händen. Tardúr nickte knapp in ihre Richtung – ob er seine Königin oder ihn meinte, konnte Mathan nicht sagen.
Am Eingang zur großen Torburg wartete bereits Amante zusammen mit Ivyn, die gerade in das Gebäude eintrat. Faelivrin nahm einen anderen Eingang in die Torburg, den nur sie und ihren engsten Vertrauten nutzten. Sein Blick wanderte zu den Mauern. Gerüstete Elben reihten sich wie eine Perlenkette auf den Wehrgängen aneinander. Der leichte Schneefall schien niemanden zu stören, einige Trupps befüllten ihre Köcher. Die Spannung war so greifbar, dass Mathan sich beeilte, durch die volle Torburg zu kommen. Valena war direkt hinter ihm, dann Oronêl und überraschenderweise auch Kerry mit ihrer Begleitung. Sie sagte etwas, es klang besorgt und Valena antwortete etwas Beruhigendes. Die enge Treppe nach oben schien nicht zu enden. Mathan fühlte sich beklemmt. Wie immer, kurz vor einem Konflikt. Er biss die Zähne zusammen, seine Hand tastete nach Halarîns Schwert.
Erst jetzt, wo Mathan auf den Wehrgang an die Zinnen trat, wurden ihm die Ausmaße der Torburg bewusst. Über seinen Kopf befand sich eine zweite Ebene, gestützt auf Pfeiler-Rundbogenkonstruktionen. Man musste beide Ebenen bemannen, wenn man die Tore oder das Fallgatter bedienen wollte. Das Torhaus wurde von zwei wuchtigen Türmen flankiert, zwei kleinere Türme waren noch nicht fertiggestellt. Fußgetrappel von oben und Gesprächsfetzen verrieten ihm, dass auch dort Bogenschützen und Krieger bereit standen.
Er richtete den Blick nach vorn. Um ihn herum versammelten sich einige seiner Familie, Freunde und Gefährten. Faelivrin, umringt von ihren Rittern stand in der Mitte. Ivyn ragte wie eine mächtige Eiche hinter ihr auf, eine Hand auf der Schulter der Königin. Sie strahlte eine Ruhe aus, unter der eine Flamme loderte. Es machte ihn nervös. Er schluckte kurz. Kerry, die kurz mit Valena neben ihn gesprochen hatte, verstummte. Luscora strich Nivim über ihren Rücken, die aufgelöst auf den Wehrgang erschienen war. Er redete unvermindert auf sie ein. Oronêl hatte seine Hand am Gürtel, in der Nähe seine Axt und blickte besorgt auf die Gestalten, die sich dem Torweg näherten. Amante blickte immer wieder zur Tür der Torburg. Als Mathans Blick dem ihren folgte, schwang die Tür auf und Adrienne mit voller Rüstung und dunklen Rändern unter ihrer blutunterlaufenden Augen erschien darin. Sie blickte grimmig und zerknirscht drein und stellte sich wortlos zu Valena und Kerry. Mathan konnte Isanasca nicht sehen, war sich aber sicher, dass sie in der Nähe war.
Getuschel ließ seinen suchenden Blick auf den Torweg fallen. Der Schneefall ließ nicht nach, dunkle Wolken verdeckten die hellen Sonnenstrahlen. Fünf Fremde waren auf fast einhundert Schritt herangekommen. Ein etwas Kleinerer trug ein verschlissenes, weißes Banner und ein schlankerer aber hochgewachsener Fremder einen großen, schmutzigen Sack. Sie alle trugen lange, Kapuzenkutten aus schwarzen, verschlissenen Stoff. Schwarzer Stahl blitzte darunter hervor. Jetzt wusste Mathan, warum das Getuschel aufgekommen war. Der Anführer war ein Berg von einem Krieger. Größer als jeder Elb oder Mensch. Kleiner als ein Bergtroll, aber genauso gefährlich. Ein gewaltiges Schwert war in einem Halter auf seinem Rücken befestigt, das mit vier Gürteln gehalten wurde. Es glich mehr einer schlanken Tür, als eine Waffe. Die schartige Klinge blitzte mit jedem Schritt. Die anderen vier waren nicht weniger schwer bewaffnet. Der Lange mit dem Sack trug ebenfalls eine überdimensionierte Waffe: eine gewaltige, stählerne Streitaxt lässig über die andere Schulter. Der Kopf der Waffe maß mehr als Mathans Unterarm. Jeder andere Krieger würde lächerlich erscheinen, aber nicht diese beiden.
Mathan bemerkte die Unruhe der Umstehenden. Ein Seitenblick verriet ihm die weit aufgerissenen Augen von Valena. Kerry hatte eine Hand vor dem Mund, Tardúr stand dicht hinter ihr, beide Hände schützend auf ihren Schultern. Adriennes Blick loderte vor Hass, ihr Körper jedoch erstarrt. Oronêl war ein Stück von den Zinnen zurückgewichen, seinen Bogen in der Hand. Einige Bogenschützen griffen nach Pfeilen in ihren Köchern. Nammanor zog sein Schwert und knurrte unelbisch.
Die Fremden kamen fünfzig Schritt vor den Mauern zum Stehen. Die schlankere Gestalt trug lässig einen Speer und ein schlankes Schwert steckte in einer schwarzen Schwertscheide am Gürtel. Rote Runen waren in das Leder geprägt. Ihr Körperbau war eher feminin, doch ihre Haltung verhieß tödliche Präzision und Eleganz. Wie eine Katze auf Beutezug. Der vierte Fremde hatte die Kutte eng um seinen Körper geschlungen und trug darüber einen weiten Mantel. Nichts an ihm verriet seine Wahl der Waffe, doch seine Schritte waren bedacht und gleitend.
„Spannt die Bögen“, murmelte Faelvrin kaum hörbar und durchbrach die Spannung. Flüsternd verbreitete sich der Befehl auf der gesamten Mauer.
„Das gefällt mir nicht“, raunte Oronêl zu Mathan, der mit verkrampften Nacken nickte: „Mir auch nicht.“
„Werden sie uns angreifen?“ Valenas zweifelnde Stimme war kaum ein Hauch.
„Sh!“, machte Luscora und nickte nach vorn, „Es beginnt.“
Der Berg von einem Krieger trat vor. Er klappte sein Visier ein Stück auf. Anfangs war dort nur gähnende Leere. Ein paar blutleere, fast schon graue Lippen wurden langsam sichtbar. So, als ob der Schatten sie nur widerwillig dem Sonnenlicht preisgaben.
„Númendacil, sechster Träger dieses Titels verlangt die Anführerin dieses Haufens zu sprechen!“ Die Stimme des massigen Mannes rollte wie Donner über die Zinnen.
Mathan registrierte wie Ivyn unmerklich, nur um eine Haaresbreite den Kiefer zusammenpresste. Sie flüsterte etwas in Faelivrins Ohr. Die umstehenden Elben wirkten nervöser als zuvor, die Jüngeren eine Spur blasser.
Seine Tochter trat an die Zinnen, flankiert von ihren Rittern. Isanasca erschien auf dem Wehrgang, vier lange, dicke Seile einigen Soldaten in die Hände drückend, dann stellte sich zu ihrer Mutter. Mathan ging ebenfalls etwas nach vorn, Adrienne kam dicht an seine Seite, Kerry blieb nah bei ihr. Oronêl legte Kerry eine Hand auf die Schulter, da Tardúr seinen Schild bereit machte.
„Was will der Westschlächter soweit fern von seiner Heimat?“, antwortete Ivyn in einem gebieterischen Ton, der so kalt war wie die Verließe von Forna Ascira.
Die perfekten weißen Zähne blitzten hinter den blutleeren Lippen des Schlächters auf. „Cúwen.“ Er hatte seine sonore Stimme nicht erhoben, doch es löste ein unangenehmes Kribbeln aus. Er sprach mit der gleichen Kälte, aber mit einer Gelassenheit, die fast an Gleichgültigkeit grenzte. „Du weißt was ich will.“
Nun antwortete Faelivrin schneidend: „Ihr und Euresgleichen seid in meinem Reich unerwünscht! Eregion ist altehrwürdiges Elbenland, kein Ort für die Schatten und ihren Dienern!“
Númendacil löste gemächlich einen der vier Gürtel seiner Waffe. Ringsherum hörte Mathan wie leise einige Schwerter aus ihren Scheiden glitten. Isanasca hob unmerklich eine Hand. Ein rascher Blick verriet ihm, dass sie selbst ihre linke Hand am Griff eines ihrer beiden Schwerter hatte. Fâncrist als dritte Klinge ruhte in einer Scheide am Gürtel am ihren Rücken. Er erinnerte sich, dass es nur bei jenen Feinden ziehen würde, bei denen sie sich geschworen hatte sie zu vernichten.
„Der Herr der Erde beansprucht dieses Land. Seine Kriegsbeute!“, donnerte Númendacil unbeeindruckt, nachdem er den schmalen Gürtel endlich gelöst hatte, „Ihr habt diese Ländereien unverzüglich zu räumen.“
Einige Elben raunten empört. Mathan war froh, dass Amarin nicht auf den Mauern war. Sein Vater wäre sicherlich über die Zinnen gesprungen vor Zorn. Er selbst musste sich mit mahlenden Kiefer und einem hasserfüllten Knurren begnügen.
Faelivrin zeigte sich ihrerseits unbeeindruckt: „Weder gibt einen einzelnen Herrn dieser Erde, noch eine Kriegsbeute, die seit tausenden Jahren brach liegt.“
„Wie könnt Ihr es wagen!“ Die hohe, zischende Stimme der Kriegerin mit dem Speer erschallte, die ihre Waffe reckte.
Der Lange mit der Axt drückte mit dem Schaft seiner Waffe ihren gestreckten Arm hinab. Er platzierte den großen Sack auf dem Boden. Mathan runzelte die Stirn. Ein Kribbeln im Magen. Irgendwas übersahen sie. Sein Blick ging in den Augenwinkel zu Ivyn. Sie hatte noch immer den Kiefer zusammengepresst.
Die Fremden tauschten einige Wörter in einer Sprache, die in den Ohren schmerzte. Kerry verzog das Gesicht und fragte was das war. Mathan zuckte unwillkürlich bei jedem Laut, der zu ihnen hochdrang.
„Die Schwarze Sprache“, brachte Oronêl gepresst hervor.
„Elbenkönigin“, bellte Númendacil erneut kalt, „Der Dunkle Herrscher würde Euch abziehen lassen!“ Seine Lippen kräuselten sich zu einem grausamen Grinsen. „In einem Stück.“
Ein zweifelhaftes Raunen ging über die Mauern. Einige Elben flüsterten aufgeregt miteinander. Viele waren sich aber sicher, dass dies ein Trick war. Mathan schüttelte unentwegt den Kopf. Sicherlich wären jene Avari mit der größten Furcht am einfachsten zu verlocken mit solchen Versprechen.
Ivyn schnaubte kaum hörbar und erhob zum ersten Mal ihre Stimme: „Und was ist es, was er dafür begehrt? Sagt es uns.“
Die Kriegerin antwortete an Númendacils Stelle bissig: „Alles, was Ihr und Euer…Euresgleichen in den Ruinen gefunden habt. Vor allem Schmuck und…“
„Alcarúsa.“ Númendacil hob eine Hand.
Die Kriegerin reckte ihren Speer zur Mauer. „Wir fordern Euch zum Zweikampf!“
Mathan hörte dutzende Elben empört rufen, dass das unakzeptabel war. Die, die sich nicht äußerten machten grimmige Gesichter. Faelivrins Miene verzog sich kein Stück. Isasnascas Hand an ihrem Schwertgriff zuckte. Adrienne erwachte aus ihrer hasserfüllten Starre.
„Lass‘ sie mich zerfetzen“, knurrte sie, ihre Augen nur schmale Striche.
„Nein!“, Kerrys Stimme war schrill. Valena drückte mit Gewalt Adriennes Arm und Hand wieder hinab, die ihr Schwert bereits zur Hälfte gezogen hatte.
Faelivrins Stimme durchschnitt den Tumult: „Wir verhandeln nicht mit Euresgleichen! Nicht zu diesen Bedingungen!“
Númendacil Lippen kräuselten sich noch mehr. „Oh, das werdet ihr.“ Ein kaltes, reibendes Lachen entrang sich seiner Kehle.
Der Lange mit der Axt trat gegen den Sack. Er bewegte sich. Valena fluchte. Mathan schluckte besorgt. Alle um ihn herum zuckten, bewegten sich unruhig oder hielten die Luft an. Súlien schob sich in Mathans Blickfeld. Der Sack öffnete sich. Die Waldläuferin erstarrte. „Sch-…“
„Nein!“ Adriennes Stimme peitschte gellend in Mathans Ohr. Dutzendfach wurde scharf die Luft eingesogen. Ihr Bruder rollte sich gekrümmt in den Schnee. Acharnors Gesicht war blutig geschlagen, aber er war scheinbar noch in einem Stück.
Tardúr und Oronêl packten Adrienne geistesgegenwärtig bevor sie den Rand der Zinnen erreichte. Valena schlang ihre Arme von hinten um die junge Frau und zog sie mit aller Kraft zurück. Sie schrie und schlug um sich. Mathan atmete angestrengt ein und aus, um seine eigene Wut zu kontrollieren. Faelevrins Augen blitzten. Auf eine Geste hin, wurden hunderte Pfeile auf Sehnen gelegt. Er fragte sich, wo sie den Jungen hätten fangen können.
Der riesige Krieger schien gänzlich unbeeindruckt, sein Grinsen nur minimal geringer als zuvor. „Ich dachte mir schon, dass das nicht reichen wird.“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. Neben ihm wuchs ein Schatten aus seinem Mantel – ein unsteter Schemen. Zumindest sah es so aus, als ein fünfter Fremder hinter dem Krieger hervorkam.
Entsetzte Rufe wurden laut, doch Nivims herzzerreißender Schrei fuhr bis ins Mark, übertönte jede Stimme und schmerzte in den Ohren. Faelivrins Augen explodierten vor silbernen Zorn, doch sie rührte sich nicht während Ivyns Hand sich in ihre Schulter krallte. Mathan schnürte es die Kehle zu, während der Fünfte ein spitzzulaufendes Messer an Elestoras Halsschlagader hielt. Das Elbenmädchen war blass wie der fallende Schnee, die Augen vor Furcht weit. Sie zitterte am ganzen Leib.
„Gebt sie frei!“, befahl Faelivrin mit kontrolliertem Zorn in der Stimme, „Sofort!“
Der Lange zog Acharnor auf die Beine und schubste ihn neben das Mädchen. Der Jüngling legte ihr tröstlich eine Hand auf die Schulter. Alcarúsa trat ihm daraufhin zur Strafe in die Kniekehlen. Er sackte neben Elestora auf Augenhöhe und schien etwas zu der Kleinen zu sagen. Sie blinzelte nur heftig mit Tränen in den Augen.
Adrienne kämpfte wieder vermehrt gegen den stahlharten Griff die beiden Elben an. „Ich werde dich umbringen!“ brüllte sie die Mauern hinab, „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“
Númendacil schlug die gepanzerten Fäuste zusammen. „Das trifft sich gut! Zweikampf akzeptiert… würde ich ja jetzt sagen…“
Faelivrin holte Luft, doch Ivyn hielt sie zurück. Mathan presste die Zähne schmerzhaft zusammen. Sie hatten kaum eine Wahl, wenn sie Elestora und Acharnor irgendwie aus deren Fängen befreien wollten. Jeder wusste das und jeder hasste es. Die Sauronisten würden nicht zögern einen von beiden sofort zu töten.
Der Lange mit der Axt trat vor. Er verneigte sich mit einer spöttischen Handbewegung. „Lormornion. Ich werde die Regeln verkünden. Offensichtlich liegt euch an dem Mädchen mehr als an dem Bengel… Nun, es ist einfach. Jede Seite wählt jeweils zwei Krieger. Erster Kampf bis zum ersten Blut. Zweiter Kampf bis zum Tod. Gewinner erhält das Land, die Artefakte und einen gewählten Preis. Stimmt Ihr zu, lassen wir Euch obendrein in einem Stück abziehen.“
Niemand antwortete. Faelivrins Berater redeten auf sie ein. Nivim, zusammengebrochen in Luscoras Armen, bettelte darum, dass jemand ihre Kleine befreien würde. Adrienne zappelte unruhig in Oronêl und Tardúrs Griffen. Valena war wie angewurzelt, noch immer die Schülerin umklammernd. Kerry starrte entsetzt hinab, eine Hand vor dem Mund geschlagen. Súlien murmelte ununterbrochen zu sich selbst, konnte aber nicht den Blick abwenden. Die Minuten krochen so dahin. Mathan musterte die Fremden mit unterdrückter Wut. Er hatte Zweifel, ob er den Schlächter bezwingen konnte. Sie alle strahlten Gefahr aus und seine Instinkte hatten ihn noch nie im Stich gelassen. Sauron hatte seine gefährlichsten Diener neben den Nazgûhl entsandt. Vor allem Númendacil. Der Kerl war ein Monster. Wenn er selbst zum Kampf antreten würde, gab es nur sehr wenige die sich gegen ihn behaupten könnten.
Mathan umklammerte den Griff von Halarîns Schwert. Elestora war sein Fleisch und Blut - etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt.
„Den Morquendi ist nicht zu trauen“, erklang Amantes Stimme leise aber hörbar voller Abscheu, „Die More Ohtar - Schwarze Champions, wie sie sich gerne nennen. Jeder, der sich ihnen stellt ist ein Narr.“
„Und dennoch sehe ich keinen anderen Weg meine Enkelin aus ihren Klauen zu befreien“, schnauzte Faelivrin ungehalten.
„Majestät.“ Nammarno deutete nach vorn, das Geplänkel unterbrechend. Das Gemurmel und der Aufruhr erstarben und wichen allgemein unterdrückte Wut und Anspannung.
Der riesenhafte Krieger schüttelte den Kopf. „Ich bin ein geduldiger Mann.“ Seine Stimme donnerte wieder über die Mauern. „Vielleicht sollte ich der Sache mehr Nachdruck verleihen…“
Sofort wurde es totenstill. Mathan hörte Handschuhe und Zähne knirschen. Ihm stockte der Atem. Kerry neben ihm keuchte auf und schlug beide Hände vor dem Mund. Acharnor blinzelte verständnislos. Eine blutige Speerspitze ragte aus seinem Bauch hervor. Alcarúsa hatte ihn von hinten durchbohrt. Die Sekunden flossen zäh dahin. Mathan sah aus dem Augenwinkel, wie Adriennes erstarrten Züge sich stetig zu blanker Wut verwandelten. Ein dumpfes Pochen drang an sein Ohr. Als ob jemand laut schluckte. Oder ein Herzschlag. Er blinzelte. Sicher eine Einbildung.
„Bogenschützen!“ Faelivrins Befehl schnitt durch die Stille wie ein Fallbeil.
Pfeile klapperten und gespannte Sehnen knirschten im Chor.
„Langsam“ Alcarúsa zog achtlos ihren Speer aus der Wunde und richtete die blutige Klinge auf Elestoras unteren Rücken, „Oder mir rutscht noch einmal die Hand aus.“