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Autor Thema: Die Tunnel von Isengard  (Gelesen 17536 mal)

Tom Bombadil

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Die Tunnel von Isengard
« am: 20. Okt 2009, 22:43 »
Nerblog aus der Kammer des Kartenzeichners


Nerblog war noch einige Schritte um eine Biegung gerannt, dann war er so ruckartig zum Stehen gekommen, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren und der Länge nach in den Staub gestürzt wäre.
Vor ihm lag, mutterseelenallein und in sich selbst eingerollt, eine der Karten. Wer auch immer sich diese Pläne ergaunert hatte, hatte es verdammt eilig gehabt, als sei Sauron selbst hinter ihm hergewesen.
Nerblog war etwas enttäuscht. Er hatte gehofft, Hinweise auf die Identität des Diebes zu entdecken. Wenigstens wusste er nun, dass er auf dem richtigen Weg war. Er beugte sich zum Boden hinab, packte das eingerollte Stück Pergament und Schob es sich eilig unter den Gürtel. Er wollte die Jagd gerade wieder aufnehmen, da ließ ihn ein leises Geräusch zur Salzsäule erstarren. Ein leises Flüstern oder entferntes Murmeln, dass aber in den unzähligern Öffnungen des Tunnels hundertfach zurückgeworfen wurde.
Dann war es wieder sehr still um ihn herum.
Waren da nicht Schritte, die einige Biegungen vor ihm den Gang entlanghasteten. Was war hier eigentlich los? Es war schon lange nach Mitternacht und es wurden wilde Verfolgungsjagden auf den Gängen ausgetragen, geheimnisvolle Stimmen wisperten pausenloss wirres Zeug, strategische Karten wurden während dem Schlafen entwendet... Plötzlich verspürte Nerblog eine kurze, aber heftige Sehnsucht nach draußen, nach der Freihet der Felder und dem Licht der Sonne.
"Nicht um diese Zeit", sagte er sich, um den Gedanken abzuwürgen und ging weiter.
« Letzte Änderung: 12. Feb 2016, 11:08 von Fine »
manana

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #1 am: 21. Okt 2009, 15:04 »
Arafaron aus dem unteren Lagerraum


Arafaron hörte jemanden etwas vor sich etwas flüstern. Er griff mit der rechten Hand zum Schwert und beschleunigte seinen Schritt. Nun hörte er nur noch ein leises Trippeln vor ihm. Links von ihm bewegte sich etwas. Er fuhr herum: Nur sein Schatten, an die Wand geworfen von einer der Fackeln. Mit einem Schnauben ging er weiter. Nun hatte er sogar schon vor Schatten Angst.
Nun waren die Schritte verklungen. Nocheinmal beschleunigte er seinen Schritt. Nun rannte er fast. Er stieß gegen einen Stein auf dem Boden und fluchte laut. Der Waldläufer blieb stehen und lehnte sich gegen die Wand.
"Vielleicht bist du ein wenig nervös?," sagte er leise vor sich hin, "Vielleicht wäre es ganz gut, wenn du dich erstmal beruhigst?"
Er lehnte einfach nur gegen die Wand, schloss die Augen und konzentrierte sich auf seinen Atem. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Als sein Atem bsich beruhigt hatte, verharrte Arafaron noch einen Moment in sich. Schließlich stand er auf und stapfte weiter.
« Letzte Änderung: 19. Feb 2016, 10:26 von Fine »

Es kommt immer darauf an, etwas zu tun, was der Gegner nicht erwartet.


Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #2 am: 26. Okt 2009, 22:23 »
Plötzlich hallten überall im Tunnel Schritte wider. Nerblog drehte sich einmal nervös um die eigene Achse, während er weiter, Schritt um Schritt, den leicht ansteigenden Gang entlangeilte. Hatte er Halluzinationen aufgrund seines Schlafmangels?
In dem Bereich, genau in der Mitte zwischen zwei Fackeln, die in großzügigem Abstand zueinander in Wand eingelassen worden waren, dort, wo es am dunkelsten war, trat Nerblog in eine Pfütze ungewisser Flüssigkeit. Nerblog wusste eigentlich schon vorher, worum es sich handelte doch er konnte die Bewegung, einen Reflex, einfach nicht unterdrücken.
Hier, im Fastdunkeln, war nicht mehr zu sehen, als ein besonders dunkler Fleck auf staubigem Grund, doch der leicht metallische Geruch, der in Luft lag, ließ Grund zu nur einer Annahme: Blut.
Frisches, rotes, menschliches Blut.
Nerblog zog seinen Fuß mit einem schmatzenden Geräusch aus der Lache. Und ging weiter. Was konnte passiert sein? War der Dieb auf eine... Patrouillie gestoßen und hatte sie niedergeschlagen? Oder gehörte das Blut ihm selbst?
Die Frage erübrigte sich augenblicklich, als Stimmen die Höhle entlanghallten, die Nerblog eindeutig an ihrem höheren Ton und ihrem leichten Akzent nicht als die von Dunländern, sonder die von Männern elderem Geblüt zuordnete, was, aufgrund der Umstände, auf Einwohner Rohans schließen lies.
Nerblog presste sich an die Höhlenwand, und fuhr langsam und mit unermesslicher Vorsicht fort, sich den Quellen der wütend streitenden Männerstimmen zu nähern- die Stimmen waren noch zu undeutlich um etwas Zusammenhängendes herauszufiltern.
 
manana

MCM aka k10071995

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #3 am: 27. Okt 2009, 09:56 »
Arafaron rannte den Tunnel entlang. Vielleicht sollte er sich beruhigen. Aber das konnte er nicht. Dafür war nicht die Zeit.
Langsam weiteten sich die Abstände zwischen den Fackeln. Es gab immer mehr dunkle Stellen. Ungeduldig verlangsamte er sein Tempo leicht und riss eine Fackel aus der Wandhalterung. Trotz der Fackel konnte er nicht immer so weit sehen, wie er sich das gewünscht hätte. Einmal war der Abstand zwischen zwei Lichtkreisen sogar so groß, dass seine Fackel einmal genau den Rythmus der Abstände fortsetzte. Offenbar war auch hier eine Fackel aus der Wand gerissen worden.
Plötzlich erschien im Lichtkreises seiner Fackel eine Blutlache. Daneben lag die umgedrehte Leiche eines Dunländers. Der Waldläufer fluchte laut und riss sein Schwert aus der Scheide.

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Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #4 am: 29. Okt 2009, 17:22 »
Nerblog war nun nage genug an den beiden Männern, um zu verstehen, worüber sie sprachen. Die beiden befanden sich offenbar in einer kleinen Lagerhöhle, die rechts vom Gang abzweigte. Nerblog beschloss, zunächst nichts zu unternehmen, zumal er völlig unbewaffnet war, und herauszufinden, was hier überhaupt los war.
"...und was bei allen Maia willst du damit anfangen?", fragte die höhere der beiden Stimmen heruasfordernd.
"Ich und die anderen haben doch bereits einen Plan! Wie oft muss ich dir das denn noch erzählen!"
"Und dafür gehst du über Leichen??"
"Der Kerl ist nicht tot. Ich..."
"Hast du keine Augen?! Du hast ihm ein Messer mitten in die Brust gerammt!"
"Und wenn schon! Seit wann scheren sich Rohirrim um das Leben eines Dunländers? Schon vergessen? Vor einigen Monaten waren wir mit denen noch im Krieg."
Das Gespräch wurde nun zunehmend hitziger. "Wahrscheinlich tun wir das noch immer", fügte der andere, von dem Nerblog vermutete, dass er der Dieb war, etwas leiser hinzu.
Sein Gegenüber stieß einen eigentümlichen Laut aus, am meisten ähnelte es wohl einem Knurren uder Kreischen.
"Wir sind jetzt ALLE Gefangene von Sauron. Wenn wir uns jetzt auch noch gegenseitig an die Kehle gehen..."
"Ich sehe schon, du bist uneinsichtig. Weißt du, wir waren alnge Zeit Freunde Orlan... Deshalb biete ich dir an, mit mir mitzukommen- als Gefangener. Solltest du dich weigern..." Der Dieb machte eine bedeutungsvolle Pause, die jedoch von Orlan, dem Nerblog hoch anrechnete, dass er sich ehrlich gegen seinen Freund ausgesprochen hatte, unterbrochen wurde.
"Nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben, willst du mich gefangen nehmen, weil ich zu viel über eure schwachsinnige Intrige weiß? Tut mir leid, Bennar, aber ich glaube, durch die lange Gefangenschaft hat dein Hirn zu faulen begonnen!"
Es gab ein dumpfes Geräusch, dann ein lautes Poltern, als ob jemand gegen ein Möbelstück stieß, und dann den KLaren laut eines langen Dolches, der durch die Luft surrte. Der erste Hieb von wem auch immer schien ins Leere zu gehen, und einer der beiden packte einen schweren Gegenstand und schleuderte ihn nach seinem Gegner. Ein neuerliches Poltern erklang, dann ein Ächzen, ein heftiger Schlag und dann ein kurzer, gellender Schrei, der schließlich in einem zischenden Seufzen unterging, als fließe das Leben durch diesen letzten Ausruf aus seinem Körper.
Der Schrei kam zu plötzlich, als dass Nerblog die Stimme hätte einordnen können. Es folgten schnelle Schritte, und der Ostling drückte sich hastig an die Wand, als eine schlanke Person aus der kleinen Lagerhöhle stolperte und den Korridor aufwärts eilte.
Nerblog vergewisserte sich, dass er allein war, dann machte er drei große Schritte und trat in die Höhle ein.
Sie war noch kleiner als seine Kammer, etwa vier Schritt breit und fünf lang. An der Decke hing eine hin- und herschaukelnde Laterne, die ein gespenstisches, orangerotes Licht auf das Chaos unter sich warf.
Eines der hölzernen Lagerregalle lag umgeworfen auf dem Boden, der Inhalt, einige Tonkrüge und Flaschen, waren zerborsten, ihr Inhalt breitete sich allmählich auf dem Höhlengrund aus. Zu Nerblogs Fpßen lag eine schwere, kleine Holzschatulle, offenbar der Wurfgegenstand. Neben einigen Säcken Roggen krümmte sich über einer großen Truhe der Körper eines muskulösen Mannes, Blut lief aus einer üblen Wunde in Strömen über das vernagelte Holz der Truhe, und vermengte sich mit dem Staub am Boden zu einer widerwärtigen, rotgrauen Pampe.
Nerblog machte inige kleine Schritte auf die sterbende Gestalt zu, um sie näher zu betrachten. Der Dolch schien ihren Körper komplett durchdrungen zu haben, denn auch am Rücken, der Nerblog zugewandt war, blidete sich im Stoff des Kerls ein rotes Rinnsaal.
Plötzlich rutschte die Person nach hinten, fiel mit dem Rücken auf das umgestürzte Regal und brach sich dabei einige Knochen zusätzlich.
Spätestens jetzt ging Nerblog davon aus, dass es den Kerl erwischt hatte. Er bot ein schreckliches Bild. Sein Wams war über und über mit Blut durchtränkt, aus den Mundwinkeln quoll Schaum, und die grauen Augen des Toten stierten ziellos an die felsige Decke.
Nerblog wollte sich gerade angewidert abwenden, als er schnelle Schritte auf dem Gang vernahm. Kehrte der Mörder zurück? Wer war er nun überhaupt?
Zu dumm, dass er den Dolch nicht in seinem Opfer hatte stecken lassen. Komplett unbewaffnet war der Ostling leichte Beute für einen jeden- auch für einen vom geschwächten Mann, der schon ein Gefecht mit einem Dunlände rund einen recht anspruchsvollen Sprint hinter sich hatte.
Hilflos tastete Nerblog nach einer großen Tonscherbe und postierte sich in geduckter Haltung neben dem Eingang.
Die Schritte waren nun in unmittelbarer Nähe. Allerdings schienen sie keinem Dunländer zu gehören, der Klang war nicht so dumpf und tief wie der, den die riesigen Füße eines dieser Barbaren verursachten. Nerblogs Geist verfinsterte sich. Es war der Mörder des Typen hinter ihm.
Der Ostling stoppte all seine Gedankengänge und verließ sich allein auf siene Instinkte. All seine Muskeln spannten sich, als ein Schatten von links in den Höhleneingang einbog. Doch es war bereits zu spät, den Bewegungsvorgang zu stoppen. Mit einem wilden Kriegsschrei katapultierte sich der kleine Ostländer auf den Neuankömmling zu, schmetterte ihn mit der Wucht seines Sprunges zu Boden; und erkannte, dass es sich um Arafaron handelte.
Hastig rollte er sich von dem Mann herunter und warf die Scherbe beiseite, um nicht zwangsläufig unter mordverdacht zu geraten.
"Es tut mir so leid! Ich dachte... Ich dachte ihr wäret der... der Di-" Er stockte. Arafaron sollte, nein, durfte nicht erfahren, was los war. Er wusste es ja fast selbst nicht. Warum war dieser Irre überhahupt wach? Er reichte dem imme rnoch am Boden leigenden die Hand, um ihm aufzuhelfen.       
manana

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #5 am: 29. Okt 2009, 20:56 »
Arafaron ergriff die ihm dargebotene Hand und zog sich an dem Ostländer hoch. Einige Sekunden blickte er den hilflos artikulierenden Mann regungslos an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Dem Waldläufer war klar, wie merkwürdig dies auf Nerblog wirken musste und blickte auf. Der Gesichtsausdruck des Ostländers ließ erneut ein lautes Lachen den Gang entlanghallen.
"Seid ihr krank?"
Mit einem Grinsen auf dem Gesicht richtete sich Arafaron auf und sah seinem Gegenüber ins Gesicht.
"Nun ja, ich bin offenbar nicht der einzige, der mit seinen Nerven heute Nacht am Ende ist."
"Warum schlaft ihr eigentlich nicht friedlich in eurem Bett?"
Wieder lachte der Waldläufer leise. Diesmal klang es jedoch eher müde als ehrheitert.
"Ich habe noch nie in meinem Zimmer geschlafen. Die Zeit reicht dazu nicht. Wenn ich müde bin, setzte ich mich auf irgendein Fass oder lege mich hinter einen Kistenstapel. Nach ein, zwei Stunden gibt es dann wieder irgendetwas anderes, was es zu regeln gilt.
So wie dies hier. Was ist passiert?"
Nach einigen Sekunden Stille fuhr er fort:
"Das Schweigen im Walde, wie? Nun gut, diese Person," der Waldläufer deutete auf den Dunländer. Er war ihm schon vorher aufgefallen, jedoch hatte er sich nach außen nichts anmerken lassen. Es waren nicht die ersten zwei Leichen in ihrer Gemeinschaft diese Nacht," wurde offensichtlich ermordet. Von wem? Falls ihr das nicht wisst, wo ist diese Person hin? Und falls ihr auch das nicht wisst, muss ich Alarm geben. Wir können keinen Mörder hier rumlaufen lassen."

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Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #6 am: 29. Okt 2009, 21:36 »
Nerblog kratzte sich kurz nachdenklich am Kinn, immer noch leicht irritiert vom grundlosen Gelächter des Nordländers und ließ den Blick von dem Toten im Lagerraum zu dem Toten im Gang vor ihm wandern.
"Nun ja...", begann er schließlich. "Ich habe die beiden", er deutete mit dem linken Zeigefinger auf das Durcheinander im Lager, "kurz belauschen können. Der... der Mörder des Dunländers dort hinten heißt glaube ich Bennar oder so, und der Kerl, mit dem er gekämpft hat, Orlan. Es besteht die geringe Möglichkeit, dass wir den Mörder hier liegen haben, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass ebenjener gerade verduftet ist. Er... er hat mir die Karten aus meiner Kammer gestohlen, als ich mehr oder weniger schlief. Ich weiß, dass das dumm von mir war und es vollkommen meine Schuld ist- aber ich habe auch keine Ahnung, was ich dagegen hätte tun können- Ach, was soll dieses ganze Gefasel eigentlich? Wir haben einen Mörder zu fangen. Ich brauche dringend eine Waffe! Könntest du..." 
manana

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #7 am: 30. Okt 2009, 10:15 »
"...dir eine Waffe besorgen? Das kannst du auch selbst, den Gang zwanzig Schritte zurück steckt ein Speer im Boden."
Der Waldläufer packte Nerblog an der Hand und zog ihn den Gang ein Stück zurück. Er riss eins der Speere aus der Wand und drückte es dem Ostling in die Hand.
"Und jetzt marsch. Wir haben einen Mörder zu fangen. Du gehst vor, du dürftest am ehesten eine Ahnung haben, wohin der Mörder ist."
Als er den nicht gerade begeistertet Gesichtsausdruck des Ostländers sah, fügte er noch hinzu:
"Und keine Sorge, ich bin direkt hinter dir."

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Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #8 am: 6. Nov 2009, 18:00 »
Abschätzend wog Nerblog den Speer aus Eschenholz in der Rechten, während er mit der Linken eine Fackel aus ihrer Halterung pflückte. Es war kein beonders guter Speer, aber er war immer noch weitaus ausbalanciert, als die grobe Orkwaffe, die er während dem Kampf an der Oberfläche geführt hatte.
Während er sich langsam in Richtung aufwärts des Ganges begab, glitten seine Gedanken ab und er dachte zurück an seinen herrlichen alten Speer, den ihm sein Vater angeblich aus den Knochen eines Olifanten gefertigt hatte. Früher war immer einmal im Jahr eine Karwanae von Händlern aus dem nahen Khad und dem weit entfernten Harad gekommen und hatten Waren von billigem Plunder bis zu wertvollen Exponaten und Artefakten auf dem zentralen Platz von Gortharia feil geboten.
Sein Vater hatte sicherlich ein halbes Vermögen ausgeben müssen, um den Oberschenkelknochen eines wenn auch jungen Olifanten kaufen zu können. Olifanten. Nerblog hatte von diesen riesigen, vierbeinigen Tieren mit ihren gewaltigen Stoßzähnen und den meterlangen Rüsseln nur in Legenden gehört. Legenden, die von den heldenhaften Taten Udars des Starken erzählten, der in der Schlacht auf den Südlichen Feldern vor Jahrhunderten über die Heere Harads triumphiert hatte.
Er stolperte über einen großen Stein und sein Geist kehrte zurück in die Gegenwart. Was war letztens nur los mit ihm? In allen bedeutenden Situationenmachte er sich Gedanken über Unwichtigkeiten.
Er packte den Speer fester, die Hand genau an dem Punkt, an dem der Abstand zum unteren Ende anderthalb Ellen betrug, wie man es ihn gelehrt hatte.
Arafaron stieß ihn leicht in den Rücken. "Beeilung! Wir dürfen diesen Kerl nicht entkommen lassen."
Wie aufs Stichwort tat sich vor ihnen eine Kreuzung auf. ein Weg führte gerade nach links, Nebrlog war noch nicht dort gewesen, ein zweiter zweigte nach rechts ab und Wand sich um mehrere Erzadern herum; an den Wänden glitzerte das Metall im Widerschein der Fackeln. Eine Mine. Vor Eingang war ein rostiges Gitter an die Wand gelehnt, an den Enden befanden sich Widerhaken, sodass das Gitter nur durch die Person wieder gelöst werden konnte, die es auch angebracht hatte. Kurz: Irgendjemand hatte diese Mine versiegeln wollen vor etwas, das darin lauerte. 
Wenn man dem Gang geradeaus weiter folgte, gelangte man nach einigen Biegungen schließlich an die Oberfläche; doch diesen Weg hatten die Dunländer auf der Flucht halb verschüttet, um ein Nachkommen der Orks zu verhindern. In den letzten Tagen hatten sie ein ausgeklügeltes System aus Fallen und menschlichen Wachen entwickelt, das es fast unmöglich für die schmächtigen Orks machte, tiefer in das Minensystem zu gelangen.   
Ratlos drehte der Ostling sich zu Arafaron herum. "Ich weiß nicht, wohin der Mistkerl gegangen ist, aber diese Mine kommt mir verdächtig vor. Ihr als Chef müsstet doch wissen, was es mit diesem Gitter auf sich hat?" Nerblog tat das, was er gesagt hatte schon leid, während er es aussprach, doch er wollte nicht wie ein Idiot dastehen und die Aussage zurücknehmen. In seiner Heimat galten Leute, die dies taten, als schwach. 
« Letzte Änderung: 7. Nov 2009, 12:37 von Tom Bombadil »
manana

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #9 am: 6. Nov 2009, 20:15 »
"Ich bin Chef, weil sich das so ergeben hat. Und weil ich der einzige bin, der sowohl den Mut hatte, nach der Macht zu greifen, als auch die Fähigkeiten, diesen Sauhaufen" er trat gegen eine Flasche, die in einer Wand steht und die offensichtlich einmal Rum enthalten hatte "zu kontrollieren, habe ich hier das Kommando.
Aber gut, du hast nach dem Gitter gefragt. Die Antwort lautet Schlicht: Das nutzten wir, wenn wir mal wieder irgendwo jemanden einsperren müssen. Wie das hierherkommt, weiß ich nicht. Und das spielt auch keine Rolle. Wichtig ist, wie wir es entfernen."
Der Waldläufer blickte Nerblog an.
"Es gibt einige Regeln für eingesperrte. Eine davon lautet, dass sie keine langen Gegenstände mitnehmen dürfen." Er blickte Nerblogs Speer an.
"Wieso das?"
"Ich werde es dir zeigen. Gib mir deinen Speer."
Der Ostländer wiech instinktiv zurück.
"Mach dir keine Sorgen. Wenn ich dich hätte töten wollen, wärst du schon lange tot. Also, gib mir das Ding."
Zögernd wurde die Waffe weitergereicht. Als sie gerade in Reichweite war, packte Arafaron den Speer und nahm in Nerblog aus der Hand. Er schob das Ende mit der Spitze durch die Gitterstäbe, jedoch so, dass die lange Seite ohne Metall einen Hebel bildete.
"Kannst du mir drücken Helfen? Einfach hier gegen das lange Ende, wo die Waffe normalerweise gehalten wird."
Er senkte seine Stimme und fügte beinahe zu sich selbst hinzu:
"Und wehe, dieses Ding ist nicht stabil genug. Ich werden den zuständigen Waffenmeister derart prügeln, dass..."
Das knirschen des Gitters machten den letzten Teil des Satzes unverständlich. Als das Gitter auf dem Boden lag, wanderte die Waffe an ihren Besitzer zurück.
"Hier. Und nach dir."

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Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #10 am: 7. Nov 2009, 12:49 »
Behutsam setzte Nerblog einen Fuß vor das abmontierte Gitter und schwenkte die Fackel in die Finsternis, die im Inneren der Mine geradezu waberte. Zum ersten Mal in dieser Nacht hatte der Ostling das abscheuliche Gefühl, dass er tiefer in dieser alten Mine auf etwas stoßen könnte, dass nicht menschlich, nicht natürlich war. Es war mehr als nur eine dumpfe Vorahnung, die banale Angst eines Kindes vor dem Dunkeln. Etwas hatte die uralten, animalischen Instinkte des Ostlings geweckt, die in jedem Menschen, ob Ostländer, Rohirrim oder Gondorianer lauerten und es benötigte nur einen bestimmten Reiz, um sie zu wecken. Mit diesem Gefühl, dem Wissen von der Anwesenheit einer, fremden, schrecklichen Existenz vielleicht nur wenige Schritt von ihm entfernt, entflammte in ihm auch das unbändige Verlangen, dieses Etwas zu zerstören, und den Rest des Stammes davor zu bewahren, koste es sein Leben oder nicht.
Herausfordernd fletschte Nerblog die vergilbten Zähne, beugte sich nach vorn und ließ die stählerne Spitze des Speeres auf- und abschwanken.
Er spürte Arafaron hinter sich, doch er wagte nicht, sich zu ihm herumzudrehen, in der Angst, etwas könne aus dem Tunnel hetzen und sich auf ihn stürzen, als abgelenkt war. Nach den ersten zwei Biegungen war das flackernde Licht des Ganges hinter ihnen verschwunden. Sie waren nun komplett umhüllt von einer tiefschwarzen, undurchdringlichen Nacht.
Nerblogs Herz überschlug sich in seiner Brust und das laute Klopfen schwoll beinahe zu einem tobenden Crescendo in Nerblogs Schädel an. Der Ostling wollte das Ding, das in der Mine lauerte, töten, er wollte jagen.
manana

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #11 am: 22. Nov 2009, 14:51 »
Etwa zehn Minuten marschierten die zwei Krieger den dunklen Gang entlang, vorbei an ausgebrannten Fackeln und an den Kuhlen, die die ehemaligen Arbeiter in die erzhaltigen Wände geschlagen hatten. Der Weg führte immer leicht bergan, gerade und ohne einen auch nur winzigen Knick. Untypisch für eine Mine. Arafaron vermutete, dass hier früher nicht als Hauptzweck nach Erzen gegraben worden war.
Unvermittelt teilte sich der Weg. Der Winkel zwischen den beiden Abzweigungen lies kein einfaches Geradeauslaufen zu. Man wäre frontal gegen einen Felsvorsprung gelaufen. Der Waldläufer leuchtete erst in den einen, dann in den anderen Gang. Bei keinem konnte er erkennen, dass es sich um eine kurze Sackgasse handelte.
"Und nun?, " erschallte es hinter ihm, "Wo gehen wir jetzt lang?"
"Lass mich ein wenig den Boden absuchen. Vielleicht finde ich eine Spur. Bleib bitte hinter mir, damit du die Spuren nicht verwischst, und sei bitte leise, damit ich mich konzentrieren kann."
Er kniete sich auf den Boden und blickte auf den Fels. Ja, hier verliefen zwei Adern unterschiedlichen Gesteins, den Abzweigungen nach. Wenn er an ihnen horchen würde, müsste er die Schritte des Diebes zuordnen können. Arafaron legte sein rechts Ohr auf den linken Boden. Urplötzlich erfüllte ihn ein leises, aber andauerndes Trampeln von hunderten Füßen.
Er stand auf und fragte den Ostling:
"Was schätzt du, wie weit sind wir hier von der Oberfläche Weg, und unter was sind wir ungefähr? Unter dem Haupttor, kann das sein?"
"Ja, sollte ungefähr hinkommen."
"Und wie tief? Einhunderfünfzig Schritt?"
"Weniger. Eher fünfzig oder fünfunsibzig."
Arafaron blickte nach oben, die Decke an. Drei Schritt hoch, von einem anderen Gestein als die beiden Wege. Eigentlich...
"Kannst du mir helfen, damit ich an der Decke horchen kann?"
"Warum im Namen aller Götter das?"
"Ich habe da eine Vermutung. Und wenn sie stimmt, kann uns dieser Kartendieb egal sein."

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Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #12 am: 22. Nov 2009, 15:11 »
Nerblog runzelte leicht verwirrt die Stirn, doch etwas sagte ihm, dass es  klüger war, dem Nordländer einfach zu vertrauen. Ein spezieller Ton in der Stimme Arafarons verhieß ihm einen Hauch von Hoffnung, aber auf morbide Art auch eine Art finstere Vorahnung. 
"Ich... Wir könnten eine Räuberleiter machen." Fragend blickte der kleine Ostling in die dunkelbraunen, eindringlichen Augen seines Gegenüber.
Dieser nickte nur knapp und bedeutete Nerblog, anzufangen.
Der Ostling formte mit beidne Händen eine Schale und ging leicht in die Hocke. Arafaron setzte vorsichtig seinen rechten Fuß hinein und streckte das Bein durch, sodass er sich fast den Kopf an der Decke der Mine stieß.
Behutsam legte er ein Ohr an den rauhen Fels und lauschte einige Augenblicke, während er sich auf Nerblogs Schulter abstützte.
Schließlich sprang er leichtfüßig herunter und ein merkürdiges, wissendes Lächeln legte sich über sein Gesicht.
"Ich kann dir nicht genau sag, was dort oben geschieht, aber eines ist sicher: Viele Stiefel stampfen dort auf den Boden Isengards. Das kann nur zwei Dinge bedeuten: Entweder rückt das Heer Isengards aus", Arafaron amchte eine beudetende Pause, "oder ein anderes kommt gerade dort an."
Nerblogs Augen weiteten sich erstaunt. "Aber... Wer..."
Arafaron unterbrach ihn mit einem leichten Kopfschütteln. "Spielt das jetzt eine Rolle? In beiden Fällen ist das die Gelegenheit, unser Gefängnis hier zu verlassen! Wir müssen zurück in den Hauptgang und uns aufteilen. Jeder Gefangene wird dort oben gebraucht werden! Und jetzt schnell!"
Ohne zu zögern rannte der Nordländer zurück in Richtung des Ganges. Nerblog folgte ihm etwas langsamer und empfand etwas wie Bewunderung für die absolute Zielstrrebigkeit des Mannes, warf nochmal einen nachdenklichen Blick zurück in die beiden Tunnel und folgte seinem Kameraden dann eilig.     
manana

Tom Bombadil

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #13 am: 23. Nov 2009, 20:34 »
Die Wege der beiden trennten sich an einer Gabelung des Ganges. Wortlos machte Arafaron einige Schritte in Richtung der Hauptbaracken, dann wandte er sich noch einmal um, und für einenkurzen Moment sahen sich die beiden Männer schweigend in die Augen. Im Blick des Nordländers lag etwas Endgültiges, das Nerblog nicht zu erfassen vermochte, doch mit einem Mal erfüllte sich sein Herz mit Stolz, Seite an Seite mit ihm gekämpft zu haben.
Er reichte Arafaron die Hand und dieser schüttelte sie kraftvoll. Dann fuhr er herum und eilte in Richtung des unteren Lagerraums, wo die Arbeiter der Nachtschicht wohl gerade ihr Frühstück verspeisten. Es musste inzwischen Morgen geworden sein.
Nerblog verschwendete keinen Gedanken mehr an Unwichtigkeiten. Zielstrebig eilte er immer tiefer hinab in das Labyrinth, dass ihm nun mehr mehrere Wochen als Zuhause diente. In der Rechten lag noch immer der Speer, oder besser der Stab, den Arafaron ihm gegeben hatte. In der Linken führte er eine leichte Fackel, die allerdings inzwischen erloschen war, sodass der Ostling sie achtlos fallen ließ. Es war nicht mehr weit.


Nerblog zum Unteren Lagerraum
« Letzte Änderung: 12. Feb 2016, 11:09 von Fine »
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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #14 am: 24. Nov 2009, 18:34 »
Arafaron beschwingte Schritte hallten an den Wänden wieder. Sie würden hier herauskommen! Er würde dem Mund sein Schwert in den Wanst rammen! Wieder Bücher lesen!
"Wie ich an eurer Körpersprache ablese, habt ihr den Aufruhr bemerkt."
Arafaron fuhr herum und riss sein Schwert aus der Scheide. Ihren Ork-Führer könnte er jetzt auch töten. Das war schon viel zu lange überfällig.
Der Waldläufer sah sich um. Es gab keinen Seitengang, aus dem der Ork hätte kommen können.
"Wo bist du her gekommen? Selbst du kannst nicht aus dem Nichts auftauchen, selbst wenn es manchmal so scheint."
"Ich habe hier an der Wand gelehnt. Ihr habt mich in eurer Euphorie ganz einfach übersehen."
"Warum bist du hier? Du weist, dass ich dich töten werde."
"Nein, das werdet ihr nicht. Wisst ihr, was ihr an eurem ersten Tag zu euren Männern gesagt habt?"
Arafaron erinnerte sich dunkel an seinen Befehl, dass die Dunländer den Ork in Ruhe lassen sollten, weil er einen Grund habe, unangetastet bleiben zu müssen.
"Ja. Und weiter?"
"Dies gilt immer noch. Ich habe auch heute einen Grund, unangetastet zu bleiben."
"Der lautet?"
Mit einem Boshaften Grinsen fügte er noch hinzu:
"Und er muss sich schon verdammt gut änhören."
"Direkter Zutritt in den Weinkeller des Orthanc? Reicht das?"
"Weinkeller? Der Mund hat einen Weinkeller?"
"Nein, er war es einmal, als in diesem Land noch Ordnung geherrscht hat."
"Und, was ist er jetzt?"
"Das werdet ihr noch sehen. Also, braucht ihr noch mehr?"
"Hast du denn noch mehr anzubieten?"
"Vor den Fuß des Orthanc, vor einem kleinen Pfad in die Berge, in eine Warggrube, und so weiter und so fort."
"Das klingt gut. Aber warum hilfst du mr überhaupt? Ich bin dein Feind."
"Die ganze Welt ist für mich feindlich. Ihr oder der Mund-das ist für mich nichts anderes."
"Das ist noch lange kein Grund, mir zu helfen."
Der Ork grinste, sodass seine gelben Zähne hervorstachen.
"Nun, einmal im Leben darf auch ich mir berechenbarkeit erlauben. Natürlich verlange ich eine Gegenleistung.
Zuerst sollte ich euch erzählen, wieso ich überhaupt hier unten und nicht bei meinem Herrn oben im Orthanc bin. Das liegt daran, dass ich euch von den noch unverschlossenen Ausgängen abhalten soll. Er wäre natürlich nicht begeistert, wenn eines Tages dreihundert Dunländer in seinem Schlafzimmer stehen.
Nun ja, inzwischen hat er alle verschlossen."
Snaga bleckte die Zähne zu einem schelmisch-gehässigen Lächeln.
"Zumindest alle, von denen ich ihm erzählt habe."
"Wir waren bei der Gegenleistung. Was hat die damit zu tun?"
"Eben weil ich diese Tunnel so gut kenne, muss ich hier bleiben.
Saruman ließ mich vor langer Zeit aus den Tunneln Morias hier herunter verschaffen. Ich war dort einer der führenden Stammeshäuptlinge. Meinem Sohn befahl ich, zwei Monate die Stellung zu halten und meinen Posten zu verteidigen. Das war vor zwanzig Jahren, vermutlich wartet dieser Idiot immer noch am Haupttor auf mich und hat noch nichtmal gemerkt, dass er inzwischen abgesetzt wurde."
"Warum verschwindest du nicht einfach? Du kennst die Katakomben doch so gut. Und was ist die Gegenleistung?"
"Saruman hat mich hierhergeholt, weil ich mich so gut mit Gestein und Tunneln auskenne. Ihm war klar, dass er mich hätte keine zwei Tage hier behalten können. Also band er mich mit seiner Magie an diesen Ort."
"Verstehe. Und wie soll ich diesen Bund vernichten?"
"Nun, Saruman ist vieles gewesen, aber bestimmt nicht dumm. Er hat seinen Zauber gegen alles erdenkliche abgesichert. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn zu vernichten: Das Blut der Numenor muss auf dem schwarzen Boden dahinfließen. Und nicht irgendeines: Das des Königs."
"Ich bin kein König."
"Doch, dass seid ihr. Ihr führt eine kleine Armee. Das macht euch bereits zum König."
"Aha. Und warum kommt ihr damit jetzt und nicht schon früher?"
"Ich glaube nicht, dass ich euch zu einem Selbstmord-Kommando hätte überreden hätte können. Dreihundert gegen Dreitausend. Dazu seid selbst ihr nicht in der Lage."
"Auch richtig.
Aber was passiert, wenn ich dich jetzt einfach töte und damit eine eventuelle Falle einfach ausschalte?"
"Nun, der Orthanc ist nicht zu zerstören. Ihr könnt vielleicht derjenige sein, der eine ellenlange Belgagerung abgewendet hat."
"Woher weiß ich, dass dies keine Falle ist?"
"Ihr müsst mir einfach glauben. Es besteht die Möglichkeit auf Ruhm und die Möglichkeit auf euren tot. Mit dem Ruhm geht jedoch das Weiterleben vieler euerer Verbündeten einher. Ihr Menschen seid doch immmer so selbstlos und mutig."
Er zuckte die Achseln.
"Aber offensichtlich ist das nur lehres Gelaber."
Arafaron lachte auf.
"Du weißt, wie man mit den Gefühlen der anderen spielt. Und genau deshalb kann ich dich unmöglich am Leben lassen. Wenn du der Herr von Moria bist, wird eine Belagerung tausendmal mehr Leben fordern als die, die ich vielleicht retten kann!"
"Seid ihr wirklich sicher? Ja, ich glaube nicht, dass sich einer von den anderen Häuptlingen in Intelligenz auch nur ansatzweise mit mir messen kann. Aber weil ich eben so intelligent bin, kann ich ebenso Leben retten. Ich werde keine aussichtslose Belagerung führen."
Arafaron blickte den Ork eine Weile an.
Plötzlich zog der Ork einen Dolch aus seinem Gürtel und ritzte sich einen kleinen Schnitt in die Handfläche. Er streckte Arafaron die Hand hin.
"In meinem Volk werden Packte mit Blut geschmiedet. Ihr werdet eures später geben-jetzt bin ich dran."
Eine Minute blickte der Waldläufer auf die vernarbte Krallenhand. Dann schlug er ein.


Arafaron zum Fuß des Orthancs
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Es kommt immer darauf an, etwas zu tun, was der Gegner nicht erwartet.


Vexor

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #15 am: 27. Nov 2009, 17:41 »
Gandalf, Amrûn und Celebithiel von den Toren Isengarts


„Ich bin hier“, hörte man die hohe, jedoch matte Stimme von Celebithiel.
Amrûn bemerkte nun einen schwachen weißen Lichtstrahl direkt vor ihm.
„Mithrandir, sei vorsichtig, sie dürfen uns nicht sehen“, forderte der Elb den Zauberer auf.
„Keine Sorge, die dort oben haben wichtigeres zu tun“, antwortete dieser dreist und er schien tatsächlich recht zu haben „Ich hoffe nur, dass wir hier unten nichts schlimmeres treffen. Seit Sarumans Verrat wurden hier zweifellos dunklere und böswilligere Geschöpfe als Orks und Uruks geschaffen.“
In diesem Tunnel unentdeckt zu bleiben schien fast unmöglich. Das Atmen klang wie ein lautes Röcheln und jeder Schritt hallte von den Wänden wider.  Außerdem war es ungemein stickig und dichter Qualm aus den unterirdischen Schmieden und anderen Werkstätten drang ihnen entgegen.

Celebithiel nahm ein Tuch aus ihrer Tasche und legte es sich vor den Mund, damit sie problemlos atmen konnte.
„ Gandalf wie möchtest du eigentlich vorgehen?“, fragte Celebithiel und das Echo warf ihre Frage mehrmals zurück.
„ Wie meinst du das Celebithiel? Die Schlacht wird sich schon regeln, egal ob wir weiter eingreifen oder nicht. Das Heer des Mundes ist schwächer als ich gedacht habe. Anscheinend konnte er in seiner Paranoia doch nicht seine gesamten Streitkräfte sammeln können. Hoffen wir, dass uns keine Garnison in den Rücken fällt.“
„ Nein Mithrandir du verstehst mich falsch, darauf wollte ich nicht hinaus. Es geht mir speziell um den Mund. Welche Pläne hegst du für ihn?“, schnitte Celebithiels zarte Stimme durch die stickige Luft.
Gandalf räusperte sich kurz und schwieg für eine Weile, als würde er seine Worte gut abwägen.
„ Den Mund lass meine Sorge sein Celebithiel. Ich werde mich um ihn kümmern...und, “ er zögerte und sah Celebithiel tief in die Augen, da er ihre Antwort und ihren Einspruch schon spürte, „... und ich benötige deine Hilfe nicht!“.
Celebithiel blieb stehen und die Sprachlosigkeit war ihr ins Gesicht geschrieben. „ WAS?!“, schrie sie in einem Ton, der die Wände zum beben brachte. Du verweigerst mir die Möglichkeit meine Brüder zu rächen und die Mission zu erfüllen, die mir Galadriel aufgetragen hat?“.
Gandalf sah sie mitleidvoll an und mit ruhiger Stimme erklärte er ihr, dass die Macht des Mundes zu stark sei und Sauron die schwarze Magie des Mundes gestärkt hatte.
Auch wenn Celebithiel schwieg, verblieb sie die gesamte weiter Wanderung in stiller Resignation. Ihr rot blondes Haar hatte sich aus dem Strengen Knoten gelöst und hing nun schlaff herunter.

Ich werde den Mund trotzdem töten, auch wenn ich Gandalf versprochen habe ihm nicht zu helfen. Es ist meine Aufgabe, meine Verpflichtung, meine Erfüllung ihn zur Strecke zu bringen!

„ Seht nur Licht!“, rief Amrûn euphorisch und rannte los, jedoch gebot ihm Gandalf einhalt.
„ Stopp oder ihr rennt in eine Falle. Tückisch war Saruman schon, doch noch tückischer ist die Magie des Mundes. Ihr müsst verstehen kein wahrer Zauberer ist er, aber mit großer Macht hat ihn Sauron ausgestattet und so vermag er ebenfalls Magie anzuwenden, die um ein vielfaches verdorbener ist, als die Magie Sarumans“, sprach Gandalf ruhig und gelassen und tauchte die Spitze seines weißen Stabes gen dem Licht, welches den Tunnel erleuchte und just in dem selben Moment fielen mehrere Steine von der Decke und offenbarten die kahle Steinwand, die sich an Stelle des Lichtes auf tat.
„ Eine Sackgasse, dann müssen wir wohl doch die andere Richtung an der Wegkreuzung vorher einschlagen“, sprach Gandalf während seine traurigen blauen Augen die schweigende Celebithiel musterten.
Sie waren nur wenige Meter gegangen als sie plötzlich im Echo die krächzenden töne des Schwarzen Landes vernahmen. Sofort löschte Gandalf sein Licht und plötzlich war es nachtdunkel in dem Gang und nur der ferne Fackelschein der nahenden Orktruppe spendete spärliches und gedämpftes Licht. Sie versuchten sich so gut, wie möglich in dem Gang zu verstecken.

Das schwach ausgerüstete Ork-Bataillon , bestehend aus fünf Orks, hatten sie dank ihres Überraschungsmomentes schnell ausgeschaltet und waren den den Weg weiter bis zu der Weggabelung gegangen und schlugen einen anderen Pfad, als vorher ein.

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Thorondor the Eagle

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Re: Die Tunnel von Isengard
« Antwort #16 am: 28. Nov 2009, 12:54 »
Unheimliche Laute durchdrängten nun den dunklen Gang. Es musste das Getrampel der tausenden Soldaten sein die an der Oberfläche kämpften.
„Hört ihr die Pferdehufe? Wir müssen schon unter der Front der Rohirrim sein“, stellte Amrûn fest.
„Ja, die Verliese und Tunnel Isengarts sind weit verzweigt. Aber sorge dich nicht, wir werden schon einen Ausgang finden“, beruhigte ihn der Zauberer.
Sie gingen durch die Dunkelheit und der Weg schien kaum zu enden. Auf einmal erreichten sie eine größere Halle. Der rote Schein des Feuers warf sie in ein bedrohliches Bild.
Der Elb blickte hinauf und sah, wie drei Uruks entlang eines engen Stegs diese Grube überquerten.
„Wo gehen wir nun weiter, die Höhle hat vier Ausgänge?“ fragte Amrûn.
„Diese Frage ist wohl berechtigt. Die Zeit wird zu knapp sein um alle zu durchforsten“, sagter Gandalf.
Einen kurzen Augenblick schauten sie verwirrt die vier Ausgänge an und rätselten über deren Verlauf.
„Seht dort, eine Spitze des Orthancs. Gehen wir in diese Richtung“, flüsterte Celebithiel und deutete dabei auf den Gang links von ihnen.
„Ja, einen Versuch ist es durchaus wert. Lasst uns gehen, sobald wir im dunklen sind, werde ich wieder etwas Licht riskieren“, sagte Mithrandir und ging zielstrebig auf die linke Höhle zu.

Die beiden Elben folgten ihm, doch dann hörte Amrûn etwas rascheln, direkt hinter ihnen. Erschrocken warf er einen Blick zurück. Er spürte, dass sie verfolgt wurden aber er konnte niemanden sehen.
Er konzentrierte sich und fixierte seinen Blick auf den gegenüberliegenden Höhleneingang und für einen kleinen Moment sah er etwas aufblitzen, wie zwei Augen eines Raubtieres, das seine Beute fixiert hatte.
„Amrûn! Komm jetzt, sonst verlieren wir dich“, sagte Gandalf in befehlenden Ton.
„Seht, dort ist irgendetwas“
Mithrandir warf einen kurzen Blick durch die Halle: „Wenn dort etwas ist, dann hat es mehr Angst vor uns als wir vor ihm. Wir müssen weiter.“

Gandalf und Amrûn verschwanden in der Dunkelheit des Tunnels. Glücklicherweise schienen diese unterirdischen Gänge so gut wie verlassen zu sein. Jeder kampftüchtige Ork wurde wohl nach oben gerufen um den Rohirrim Einhalt zu gebieten. Am Ende erblickten sie fünf Uruk-Hai, die eine Pforte bewachten.
Ohne lange drüber nachzudenken, attackierten sie das kleine Bataillon und töteten sie. So wenigen waren die beiden Elben und der Zauberer durchaus gewachsen. Als Gandalf nun das Licht seines Stabes erhellte, sah man in den groben Felswänden bereits die klaren schwarzen Strukturen vom Fundament des Orthancs. Sie hatten einen Ausgang aus dem Tunnelsystem gefunden, ja sogar jenen der sie an ihr Ziel brachte.


Gandalf, Amrûn und Celebithiel zum Orthanc
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In Yvens Verlies
« Antwort #17 am: 7. Jun 2019, 14:13 »
Kerry, Aéd, Domnall und Yven von den Furten des Isen


Kerry konnte nicht sagen, wie lange der Ritt im Finsteren gedauert hatte oder wie weit man sie gebracht hatte. Der aus dickem Stoff gefertigte Sack ließ ihr kaum genügend Luft zum Atmen und schon bald tanzten Lichtpunkte vor ihren Augen, selbst nachdem sie sie geschlossen hatte. Zweimal spürte sie, wie das Pferd unter ihr zum Stehen kam, doch die Pausen waren nie von langer Dauer. Beim dritten Halt schließlich packte man Kerry und riss sie grob aus dem Sattel. Jemand - vermutlich einer von Yvens Kriegern warf sich das Mädchen über die Schulter, als wöge sie kaum mehr als der Sack, der ihr noch immer die Sicht nahm, und trug sie fort. Sie war zu durcheinander, um sich zu wehren. Ihr Schwert hatte man ihr bereits an den Furten des Isen abgenommen und die ständige Dunkelheit und die Atemnot hatten Kerrys Sinne so sehr benebelt, dass an einem Kampf sowieso nicht zu denken gewesen wäre.
Ihr Träger blieb stehen und legte Kerry recht unsanft ab. Dann riss er den Sack von ihrem Kopf. Das flackender Licht einer Fackel in der Hand des Dunländers leuchtete mit blendender Helligkeit in Kerrys Augen und sie blinzelte angestrengt, um sich zu orientieren. Gitterstäbe aus eisenbeschlagenem Holz trennten sie von der schattenhaften Gestalt ihres Trägers, der soeben die Tür von Kerrys Zelle verschloss. Die Wände des Raumes, in dem sie sich befand, bestanden aus rohem Felsen und Kerry stellte fest, dass sie sich in einer Höhle befand. Genauer gesagt in einem recht breiten Höhlengang, der zu beiden Seiten mit ähnlichen Zellen versehen war wie jene, in der sich Kerry nun wiederfand.
Der Dunländer hängte seine Fackel in einen der dafür vorgesehenen Halterungen und verschwand. Seine Schritte hallten in dem Höhlengang noch einige Zeit nach, bis sich eine bedrückende Stille über das Verlies legte.

Wo bin ich hier bloß gelandet? dachte Kerry und fühlte sich unangenehm an ihre Gefangenschaft in Carn Dûm erinnert. Zwar war es hier, in der Höhle nicht so kalt wie in den orkischen Folterkammern unter der Stadt des Hexenkönigs, dennoch war Kerry froh, dass man ihr ihren grauen Umhang nicht abgenommen hatte. Sie wickelte den Stoff eng um ihre Schultern und begann, ihre Zelle zu erkunden. In Carn Dûm hatte sie nahezu totale Finsternis erdulden müssen. Hier hingegen gab es in regelmäßigen Abständen Fackeln, die etwas Licht spendeten. Kerry rüttelte an der Tür ihres Gefängnisses, doch selbstverständlich war diese fest verschlossen. Als sie zwischen den Gitterstäben hindurch schaute, entdeckte sie ein  schweres eisernes Vorhängeschloss außerhalb des Türriegels - gerade außerhalb der Reichweite von Kerrys tastendem Arm.
Mitten in der Bewegung fiel ihr siedend heiß ein, dass sie allein war. Alle Gedanken an Flucht fielen von ihr ab und wurden durch Sorge um Aéd ersetzt. Sie war allein in ihrer Zelle, wie sie rasch feststellte. Die Zelle zu ihrer Rechten war ebenfalls leer, doch auf der anderen Seite des Ganges, keine zwei Meter von Kerrys Position entfernt erspähte sie eine Gestalt, die an der Felswand lehnte. Es war Aéd, da war Kerry sich sicher.
"Aéd!" wisperte sie vorsichtig. Als keine Reaktion erfolgte, wiederholte sie den Namen, diesmal jedoch etwas lauter.
"Er ist bewusstlos," sagte eine Stimme zu Kerrys Linken. Erschrocken fuhr sie herum. In der Zelle nebenan stand jemand. Im unregelmäßigen Licht der Fackel war die Gestalt nur undeutlich zu erkennen, bis sie an die hölzerne Absperrung trat, die die beiden Zellen voneinander trennte.
"Wer bist du?" fragte Kerry mit einer Mischung aus Furcht und Neugierde.
Ihr Gegenüber war eine junge Frau mit ungewöhnlich langem, tiefschwarzen Haar. Die Spitze ihrer Haarpracht reichte beinahe bis zu ihren Unterschenkeln herab. Wie ein schimmernder schwarzer Wasserfall fielen die Haare ihr über den Nacken und bedeckten den Rücken, aber nicht die Schultern des Mädchens. Sie musste ungefähr in Kerrys Alter sein. Dunkle Augen, die im Licht der Flammen unheilvoll aufleuchteten, musterten Kerry eindringlich. Das Gesicht war mit einem abschätzigen Ausdruck bedeckt. Dicke, dunkle Farbstriche unter den Augen betonten das ungewöhnliche Aussehen noch. Auf den Wangen waren links und rechts eine rote Rune gemalt worden. Um den Hals lag eine Kette aus spitzen Zähnen und am Körper trug die junge Frau Jagdkleidung aus grobem Leder. Die Füße steckten in hohen Stiefeln. Kerry fand, die Unbekannte sah aus, als hätte sie noch nie eine größere Stadt von innen gesehen und wäre in den Wäldern zuhause.
"Wer ich bin?" wiederholte die Fremde leise. Sie blickte an Kerry vorbei und raunte: "Wenn du meinen Namen hörst, wirst du von einem schrecklichen Fluch befallen werden, der alles dahinraffen wird, was dir jemals lieb und teuer gewesen sein wird. Du wirst dir wünschen, diesen Tag niemals erlebt zu haben. Beim Blutmond!" Sie machte eine seltsame Bewegung mit der linken Hand und legte drei Finger auf ihr rechtes Auge. Das linke Auge starrte Kerry abwartend an.
Anstatt eingeschüchtert zu sein bestand Kerrys Reaktion aus zweifelnder Verwunderung. "Ein... Fluch liegt auf dir?" wiederholte sie langsam.
"Ein Fluch, so grausam, dass nicht einmal die Geister des Waldes oder die Herren der See davor gefeit sind," bestätigte das Mädchen unheilvoll. "Er wird dich befallen, wenn ich dir meinen Namen nenne. Und dann wirst du auf ewig darunter leiden, bis..."
"Schon gut, schon gut," unterbrach Kerry. "Dann sag' ihn mir eben nicht."
"Aber -"
"Wichtiger ist es zu wissen, wo ich hier gelandet bin, und ob es Aéd gut geht," fuhr Kerry fort, ohne auf die Proteste einzugehen. Sie kehrte an die Gitterstäbe zurück, die sie vom Gang trennten und blickte voller Sorge zu Aéd hinüber, der noch immer regungslos an der felsigen Rückseite seiner Zelle lehnte.
"Deine Frage," wisperte es neben ihr. "Nicht leichtfertig kann ich sie zurückweisen. Du hast nach meinem Namen gefragt und sodann hat sich dein Schicksal gewendet. Du kannst ihm nicht entgehen."
Kerry seufzte und wandte sich der Fremden wieder zu. "Also schön, wenn es denn sein muss," sagte sie.
Das dunkelhaarige Mädchen stellte sich auf die Zehenspitzen und breitete die Arme aus. "Ich bin Gwŷra orr Llyn, die rot glühende Flamme von Volk der Glannau Môr, Tochter des großen Myndrag orr Gallayn, geboren unter einem Feuerstern und verflucht vom Vielfarbigen Schatten. Höre dies und erzittere, junge... mmhhh..."
"Kerry," sagte Kerry und unterdrückte ihr Lachen. Ob sie wohl zu viel Pfeifenkraut geraucht hat?
"Kerry," wiederholte Gwŷra den Namen und schaffte es dabei, ebenso düster wie zuvor zu klingen. "Komm nicht zu nahe, damit du nicht verbrennst. Der flammende Tod ist der schlimmste, wie man sagt."
"Du beherrschst also die Macht des Feuers?" hakte Kerry zweifelnd nach.
Gwŷra nickte und machte eine Geste mit ihrer Hand, die reichlich seltsam aussah. "Das Feuer spendet Licht und Wärme, doch seine Macht ist zerstörerisch. Ebenso verhält es sich mit seinem - meinem - Fluch."
"Warum brennst du uns dann nicht einen Weg hier 'raus?"
Gwŷra schüttelte den Kopf. "Dafür ist meine Macht nicht präzise genug," behauptete sie.
Wohl eher nicht existent genug, spottete Kerry in Gedanken, die keine Sekunde lang glaubte, dass Gwŷras Unsinn tatsächlich der Wahrheit entsprach. Sie ging davon aus, es mit einem von Wahnvorstellungen geplagten Mädchen zu tun zu haben, das nicht mehr zwischen Einbildung und Realität unterscheiden konnte. Was aber nicht die Frage beantwortet, weshalb sie hier ist, dachte Kerry.

Stimmen, die sich aus dem Gang zur Rechten näherten, ließen beide Frauen verstummen. Eine Gruppe von Dunländern tauchte auf, die ihnen eine karge Ration Brot und etwas Wasser brachten. Sie weckten Aéd auf unsanfte Art und Weise, gaben ihm jedoch keine Gelegenheit, sich zu orientieren.
"Aéd!" rief Kerry erschrocken, als Yvens Krieger den jungen Wolfskönig packten und durch den Höhlengang in die Finsternis davonschleiften.
"Grausamer Blutmond... sein Tod ist besiegelt," murmelte Gwŷra unheilvoll. Kerry warf dem Mädchen einen wütenden Blick zu, doch es half nichts. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie war an einem unbekannten Ort eingesperrt, Aéd wurde vermutlich zu Tode gefoltert und ihr einziger Gesprächspartner war offensichtlich keine Hilfe.
Wenn nur mein Vater oder Gandalf hier wären, dachte sie, ehe sie die Augen schloss.

Seltsamerweise war das Gesicht, das für den Bruchteil einer Sekunde vor ihr aufblitzte, weder das ihres Vaters noch das das Weißen Zauberers, sondern das von Oronêl...
« Letzte Änderung: 8. Aug 2019, 15:24 von Fine »
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Gwŷra-gwraig
« Antwort #18 am: 17. Jun 2019, 09:26 »
Kerry wusste nicht, wie lange sie die Augen geschlossen gehabt hatte, doch irgendwann war sie tatsächlich eingeschlafen. In der nur von Fackeln erleuchteten Verlieshöhle fehlte ihr zwar jegliches durch das Tageslicht gesteuerte Zeitgefühl, doch die Gefangennahme an den Furten des Isen mitten in der Nacht und der unsanfte Ritt ins Ungewisse hatten Kerry müder gemacht, als sie erwartet hatte. Soweit sie sich später erinnern konnte träumte sie von zusammenhanglosen Eindrücken und Bildern, die viel zu schnell an ihr vorbeizogen um sie richtig wahrnehmen zu können. Als sie aus dem Schlaf hochschreckte, waren ihre Stirn und ihre Wangen feucht von Schweiß.
Im Gang vor ihrer Zelle standen zwei bewaffnete Krieger Yvens sowie ein fremder Mensch, der keine Waffen trug. Kerry blinzelte und erkannte, dass der Mann ähnliche Kleidung wie Kerrys reichlich merkwürdige Zellennachbarin trug. Das bärtige Gesicht des Menschen war jedoch im Gegensatz zu Gwŷra weder mit Runen bemalt noch waren dort andere unnatürliche Farben zu sehen. Er wandte sich nun Gwŷra zu, die am Gitter ihrer Zelle stand.
"Gwŷra-gwraig," sagte der Mann und Kerry war überrascht von dem respektvollen Ton in dem er gesprochen hatte.
"Rhyfelwr, wie gut es tut, dich zu sehen," antwortete Gwŷra. "Ist mein Vater wohlauf?"
"Nun, den Umständen entsprechend könnte man sagen, alles ist in Ordnung," erwiderte der Mensch.
Einer der Dunländer gab ein Knurren von sich. Rhyfelwr packte die Gitterstäbe, die ihn von Gwŷra trennten. "Bleibt stark, Gwŷra-graig," drängte er.
"Ich hab dem Fluch und den Flammen getrotzt und ich werde auch dies überstehen. Der Herr dieser Grube kennt meinen Namen und somit ist sein Schicksal besiegelt. Es wird nicht mehr lange dauern, Rhyfelwr."
"Das... ich meine... ich schätze Eure Zuversicht, Gwŷra-graig," sagte der Mann noch. Dann packten ihn die Dunländer am Arm und bugsierten ihn auf den Ausgang zu. Stille legte sich wieder über das Verlies.

"Wer war das?" wollte Kerry schließlich wissen, als sie es nicht länger aushielt. Ihre Neugierde war stärker als ihre anfängliche Abneigung gegen Gwŷras Merkwürdigkeiten geworden, und so suchte sie erneut das Gespräch.
"Einer der treusten Krieger meines Vaters," antwortete das dunkelhaarige Mädchen und bedachte Kerry mit einem starrenden Blick.
"Warum haben sie ihn hierher gebracht, aber nicht eingesperrt?" fragte Kerry weiter.
"Sie schaffen ihn regelmäßig her, damit er sieht, dass ich wohlauf bin, um es meinem Vater zu berichten," erklärte Gwŷra als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.
"Und dein Vater ist?"
"Der große Myndrag orr Gallayn!" verkündete Gwŷra und machte eine theatralische Geste. "Beim Blutmond, das sagte ich doch bereits, Kerry. Er ist der Anführer der Glannau Môr, meinem Volk."
In Kerrys Kopf begannen sich die Puzzleteile langsam zusammenzusetzen. "Und Yven hält dich hier gefangen, um deinen Vater zu erpressen, vermute ich."
Gwŷra lachte anstatt einer Antwort. "Er glaubt mich kontrollieren zu können, dieser Narr. Ich sollte diese Farce beenden und ihm klar machen, über welche Macht ich verfüge."
"Ja, bitte tu das, wenn uns das hier 'raus bringt," meinte Kerry und seufzte. Sie glaubte nicht, dass Gwŷra tatsächlich irgendwelche geheimnisvollen Kräfte besaß. Ihr einziger Wert bestand darin, dass die Tochter eines Anführers vieler Krieger war und somit einen gewissen Wert besaß.
"Wenn es wahrlich dein Wunsch ist, so will ich ihm nachkommen," wisperte Gwŷra. "Doch wisse dies - nicht leichtfertig greife ich auf die Kräfte des Fluches in meinem Inneren zurück. Der Preis dafür mag hoch sein, wenn das Schicksal es so will."
"Ich wünschte, das Schicksal würde wollen, dass du weniger redest," murmelte Kerry.
Gwŷra schien die Bemerkung entweder nicht gehört haben oder sie ignorierte sie geflissentlich. Das Mädchen hockte sich im Schneidersitz ins Zentrum ihrer Zelle und begann, Worte in einer Sprache zu flüstern, die Kerry nicht verstand. Dabei machte Gwŷra allerlei seltsame Gesten, bis ihre Hände schließlich auf ihren Schultern zum Ruhen kamen, wobei ihre Arme vor der Brust überkreuzt lagen.
In diesem Augenblick kehrten dunländischen Wächter in den Höhlengang zurück. Sie schleiften eine regungslose Gestalt mit sich - Aéd, wie Kerry rasch erkannte. Unsanft beförderten die Krieger Yvens den Wolfskönig zurück in seine Zelle und lachten gehässig, als sie die Tür verschlossen.
"Ihr Schweine," zischte Kerry voller Hass. Sie hätte besser geschwiegen, doch die Worte waren ihr über die Lippen gekommen, ehe sie sich stoppen konnte. Die Dunländer wandten sich ihr zu und tauschten einen raschen Blick aus. Als sich ihre Zellentür öffnete, wich Kerry erschrocken zurück. "Willst du wissen, wie der kleine Wurm der sich Wolfskönig zu nennen wagt gejault hat, als wir ihm... einige Fragen gestellt haben? Wie wäre es, wenn ich dir dein hübsches Gesicht etwas verschönere?" Eine Faust sauste auf Kerry zu und schickte sie zu Boden. Ihre Wange pochte vor Schmerz und für einen Augenblick verlor sie die Orientierung, bis man sie wieder hoch riss.
"Du hast großes Glück dass unser Häuptling noch nicht über dich gerichtet hat, kleine Forgoil-schlampe. Aber der Tag ist nicht mehr fern. Dann wirst du dich entweder fügen oder..." Bedrohlich ließ der Dunländer den Satz ausklingen.
Der zweite Krieger lachte. "Die hat genug. Die Frechheiten sind ihr vergangen," sagte er und lachte gemein. "Jetzt komm. Ich hörte, sie wollen heute ein Rind schlachten. Wenn wir uns beeilen, können wir uns ein paar gute Stücke davon sichern."
Der Dunländer ließ von Kerry ab und begann, ihre Zelle zu verschließen. "Du hast recht. Wir sollten keine Zeit mehr verl..."
In diesem Augenblick fegte ein Windstoß durch den Höhlengang und sorgte dafür, dass die meisten Fackeln ausgingen. Dunkelheit senkte sich über das Verlies hinab und die Dunländer fluchten. Kerrys Ohren fingen ein kaum hörbares klirrendes Geräusch auf, das in den Flüchen und dem rauschenden Flackern der verbliebenen Flammen beinahe untergegangen wäre. Sie kroch vorwärts, auf die Türe ihrer Zelle zu. Während die Dunländer noch damit beschäftigt waren, die Fackeln erneut zu entzünden, tastete Kerrys Hand durch das schmutzige Stroh auf dem Boden vor ihrer Zellentür, den Arm zwischen den hölzernen Gitterstäben daneben durchgeschoben. Gerade als die Krieger Yvens ihre Arbeit beendet hatten, fuhren Kerrys Finger über etwas Metallisches und sie griff zu.

Als sie einige Zeit später, nachdem die Wächter gegangen waren ihre Beute zu betrachten wagte, konnte sie nicht umhin, einen Blick zu Gwŷra hinüber zu werfen. Das Mädchen wirkte unbeeindruckt, doch in ihrem Blick lag ein Ausdruck, der über die Seltsamkeiten und die Arroganz, die sie bislang an den Tag gelegt hatte, hinausging. Kerry wusste nicht, was sie davon halten sollte. Doch eines war eindeutig: Als die Fackeln verloschen waren, hatte einer der Wächter seinen Schlüssel fallen lassen, der nun in Kerrys Hand war...
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Der Fund in der Folterkammer
« Antwort #19 am: 1. Jul 2019, 09:44 »
Kerry beschloss, die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Es fiel ihr nicht leicht, mit dem Arm durch die engen Gitterstäbe zu greifen, um ihre Zelle von außen aufzuschließen, doch nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen gelang es ihr schließlich. Die ganze Zeit über hatte sie nervös die Ohren gespitzt, um beim kleinsten Anzeichen für eine Rückkehr der Wächter sofort wieder im trüben Schatten ihrer Zelle zu verschwinden. Doch als die Tür ihres Gefängnisses mit einem Knarzen aufschwang, fiel Kerry ein Stein vom Herzen. Sofort machte sie sich daran, auch Aéds Zelle zu öffnen.
"Verdammt," entfuhr es ihr, als sie feststellen musste, dass der Schlüssel an Aéds Tür nicht passte. So viel Glück wäre wohl zuviel verlangt gewesen, dachte sie verärgert und blickte sich etwas ratlos um. Dabei fiel ihr Blick auf Gwŷra, die Kerry offenbar die ganze Zeit über schweigend beobachtet hatte. Das schwarze Haar der jungen Frau fiel ihr tief ins Gesicht und bedeckte das rechte Auge. Sie machte eine winzige Bewegung mit dem Kopf, auf ihre eigene Türe deutend.
Kerry zuckte mit den Achseln. Versuchen kann ich es ja mal, dachte sie und wandte sich von Aéds Zelle ab. Und tatsächlich ließ sich Gwŷras Türe öffnen.
"Oh, beim blutigsten aller Monde... Endlich ist der Tag gekommen," murmelte das Mädchen unheilvoll.
Kerry beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. "Weißt du zufällig, wo der Schlüssel für die anderen Zellen sein könnte?"
Gwŷra bedachte sie mit einem verständnislosen Blick. "Du willst ihn noch immer retten?" fragte sie, als wäre das die lächerlichste Idee aller Zeiten.
"Natürlich!" erwiderte Kerry sofort.
"Hmm. Also gut, dann sei es eben so," wisperte Gwŷra. "Dann führt uns unser Weg also zur Folterkammer. Dort haben sie versucht, mich zu brechen. Oh ja, versucht haben sie es, die armen Narren. Doch gegen die Macht in meinem Inneren konnten sie nicht bestehen."
"Eine... Folterkammer?" wiederholte Kerry vorsichtig. "Kannst du mich hinführen?"
"Das kann ich, Kerry," antwortete Gwŷra düster. "Folge mir, und halte dich an die Schatten." Sie eilte los, und ihre nackten Füße hinterließen kaum einen Ton auf dem kalten Stein des Höhlenganges.
Etwas widerstrebend warf Kerry noch einen letzten Blick auf Aéd, der noch immer regungslos am hinteren Rand seiner Zelle leg. Der Dunländer atmete, das konnte Kerry sehen, und sie war froh darüber. Ich bin bald zurück, versprach sie ihm in Gedanken. Dann lief sie hastig der vorauseilenden Gwŷra nach.

Gwŷra schien den Weg zur Folterkammer gut zu kennen. Offenbar war sie viele Male dort gewesen. Es ging durch einen langen, dunklen Höhlengang, der sich nach Kerrys Empfinden langsam aufwärts schraubte. In unregelmäßigen Abständen hingen halb erloschene Fackeln an den Wänden, die ein schummriges Licht spendeten. Zweimal kamen sie in größere Höhlen, die sich plötzlich auf einer der beiden Seiten im Gang öffneten. Beide waren jedoch so finster, dass Kerry ihre wahre Größe nur grob schätzen konnte. Einmal glaubte sie, von oben einen frischen Luftzug auf dem Gesicht zu spüren, als sie ihr Weg mitten durch eine schlecht beleuchtete Kaverne führte und der Boden unter ihren Füßen durch einen schwarzen Abgrund ersetzt wurde, der von einer wackeligen Holzkonstruktion überspannt wurde. Gwŷra blieb nicht ein einziges Mal stehen sondern lief stets zielstrebig voran, ohne ein Wort von sich zu geben. Seltsamerweise begegnete ihnen nicht eine Menschenseele, was Kerry verwunderte. Zwar war sie froh darüber, sich so frei in diesem fremden Höhlensystem bewegen zu können, aber sie hatte mit viel mehr Wächtern gerechnet. Auf ihren bisherigen Abenteuern hatte sie die Erfahrung gemacht, Merkwürdigkeiten dieser Art zu hinterfragen und seine Vorsicht nicht zu früh aufzugeben - eine der Lektionen, die sie unter anderem von Ardóneth gelernt hatte. Während sie Gwŷra durch einen weiteren Gang folgte, wanderten Kerrys Gedanken zu ihren Freunden im Norden, die sie zuletzt in den Hallen Elronds von Imladris gesehen hatte. Sie hatte in Finelleths Reich erfahren, dass Ardóneth die Rückkehr über den Hohen Pass gelungen war und Kerry hoffte, dass er jetzt in Frieden mit seiner Familie dort seine Zeit verbrachte.

Sie bogen an einer Weggabelung scharf nach rechts ab, und Gwŷra blieb ohne Vorwarnung stehen. Als Kerry an der dunkelhaarigen Frau vorbeispähte, blickte sie auf die offen stehende Tür eines Raumes, der auf den ersten Blick als Folterkammer zu erkennen war. Metallene Fesseln hingen von der niedrigen Decke herab und grausame Instrumente lehnten an den Wänden des Raumes, der nicht von Fackeln sondern von entzündeten Lampen erhellt wurde. Im Zentrum des Raumes befand eine steinerne Liege, die halb vom Schatten eines großen Menschen verdeckt wurde, der mit dem Rücken zur Tür in der Kammer stand. In der Hand hielt er eine Axt.
Ehe Kerry auch nur fragen konnte, was Gwŷra nun vorhatte, setzte diese sich in Bewegung und legte die Distanz zur Türschwelle schnell und leise zurück. Gwŷra tauchte hinter dem Folterer auf und hieb ihm mit der flachen Hand gegen den Nacken, trat ihm die Beine weg und war blitzschnell über ihm, als er zu Boden ging. Die Axt entglitt seinen Fingern und Gwŷra fing sie geschickt auf, um sie sofort auf die Kehle des Dunländers niederfahren zu lassen. Rot spritzte das Blut auf und traf Gwŷra am Oberkörper und im Gesicht. Das Ganze hatte nicht mehr als einige Sekunden gedauert und für Kerry war es beinahe zu schnell gegangen, um den Ereignissen zu folgen. Sie schlug die Hände vors Gesicht. So viel Blut hatte sie so nahe zuletzt in der Schlacht um Fornost gesehen und für einen Augenblick glaubte sie, die Besinnung zu verlieren. Da blieb ihr Blick an der Axt hängen, die Gwŷra noch immer in Händen hielt und neugierig betrachtete.
"Lass mich die Waffe sehen," sagte Kerry, der noch immer etwas schwindlig war. Sie streckte Gwŷra die linke Hand entgegen.
"Solch eine Verzierung habe ich noch nie zuvor erblickt," murmelte Gwŷra, ehe sie Kerry die Axt mit dem Griff voran reichte. "So scharf die Schneide, so leicht liegt sie in der Hand. Meisterhände müssen sie einst gefertigt haben," wisperte Gwŷra, die sich nicht daran zu stören schien, dass ihr das Blut ihres Opfers über den Körper lief.
Hathôldor, dachte Kerry, die die Waffe inzwischen erkannt hatte. Oh Oronêl, wenn du mich jetzt nur sehen könntest... was würdest du von all dem wohl halten?
Kerry hatte die Axt bei ihrer Abreise aus Aldburg mitgenommen, sie jedoch nicht am Gürtel geführt. Sie hatte nicht andauernd an Oronêl erinnert werden wollen. Die Dunländer mussten die Elbenwaffe bei ihrem Überfall an den Furten des Isen erbeutet haben und hierher gebracht haben.
"Oh!" machte Gwŷra und bewirkte, dass Kerry sich vom Anblick Hathôldors losriss. "Dieser hier ist... stark. Oh, so widerstandsfähig! Beim Blutmond, er hätte der Folter lange standgehalten. Wie es scheint, haben die Dunländer noch nicht viel Zeit gehabt, ihr Werk an ihm zu erproben."
Gwŷra stand an der steinernen Bahre und deutete auf deren Oberfläche hinab. Wie Kerry erst jetzt erkannte, lag dort ein Mensch. Wirres, dunkles Haar bedeckte sein Gesicht und er war in schmutzige, graue und braune Gewänder gekleidet. Der Folterer hatte den Brustkorb freigelegt und dort einige, leicht blutende Schnitte hinterlassen. Der Mann regte sich, als Gwŷra mit einem faszinierten Gesichtsausdruck über die Wunden an seiner Brust tastete. Dabei tropfte das Blut des Toten von ihr hinab und bildete kleine rote Flecken auf dem grauen Umhang des Mannes. Er gab ein Ächzen von sich und sagte mit undeutlicher Stimme: "Bitte, wer auch immer Ihr seid... wir können doch über alles reden. Folter ist nicht... von Nöten."
Kerry blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Doch erst als der Mann mühsam seinen Kopf hob und sie seine Augen sehen konnte, erkannte sie ihn vollständig.
"R-Rilmir?"
"Was bei allen sieben Sternen... Kerry, bist du das?" gab Rilmir angestrengt zurück und setzte sich auf der Liege auf. Derweil umrundete Gwŷra ihn, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
"Ich bin's,'" rief Kerry und vergaß alle Vorsicht. Sie umarmte den Dúnadan fest, was ein weiteres Ächzen seinerseits zur Folge hatte. "Wie kommst du nur an diesen Ort?" fragte Kerry, als sie sich von ihrem alten Freund löste.
Mit einer Hand auf Kerrys Schulter sagte Rilmir: "Nun, das wüsste ich auch gerne - ich habe leider nicht die leiseste Ahnung, wo wir uns hier befinden. Ich hatte gehofft, du könntest es mir sagen. Das Letzte an was ich mich erinnern kann, war ein Hinterhalt der Dunländer, kurz vor Tharbad. Jemand zog mir etwas ziemlich Schweres von hinten über den Schädel, und das Nächste, an das ich mich erinnere, ist... nun ja, warmes, fremdes Blut, das auf mich herabtropft. Kerry, sag, wer ist denn deine... Freundin dort?"
"Du willst meinen Namen erfahren?" wisperte Gwŷra und wirbelte theatralisch herum. "Du Narr. Wisse, dass du im Begriff bist, eine Macht zu entfesseln, die..."
"Sie heißt Gwŷra," sagte Kerry gleichgültig. "Ich werde nicht ganz schlau aus ihr."
"Ja, das sehe ich," sagte Rilmir mit einem schiefen Grinsen, entgegen der Umstände. Er rieb sich den Hinterkopf. "Ich hätte auf Haleth hören sollen und Belens Auftrag, nach Dunland zu gehen, doch an jemand Anderen abgeben sollen."
"Von was für einem Auftrag sprichst du?" fragte Kerry.
"Belen sucht Verbündete in Dunland, um gemeinsam gegen die Schergen Sarumans, die noch in Eriador sind, vorzugehen. Ich glaube, er hat auch einen Abgesandten zu den Elben Eregions entsandt. Man hört in letzter Zeit viele Gerüchte aus dem Süden. Wenn man ihnen Glauben schenken kann, hat der Zauberer in Enedwaith und Minhiriath noch immer viele Gefolgsleute.
"Nicht freiwillig folgt mein Volk der Weißen Hand," sagte Gwŷra und klang tatsächlich ernst. "Doch nun, da ich frei bin, gibt es wieder Hoffnung."
"Langsam, langsam," sagte Rilmir. "Noch sind wir nicht frei. Wir sind an einem unbekannten Ort und haben vermutlich nicht viel Zeit, bis..." er stieß den toten Folterer mit dem Fuß an, "...sein Ableben bemerkt werden wird."
"Du hast Recht," stellte Kerry klar. "Aber ich gebe Aéd nicht so leicht auf."
"Aéd?" wiederholte Rilmir. "Der Wolfskönig ist hier?"
"Er wurde gemeinsam mit mir gefangen genommen," erklärte Kerry rasch. "Wir sind auf der Suche nach dem Schlüssel zu seiner Zelle."
"Oh?" sagte Rilmir und bückte sich zu dem Toten hinab. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen großen eisernen Schlüsselbund in der Hand. "Ich denke, einer von diesen hier sollte passen," fügte er lächelnd hinzu.
Und obwohl sie noch immer nicht wussten, wo sie sich befanden und sie bis auf Hathôldor - Oronêls Axt - unbewaffnet waren, begann Kerry, Zuversicht und Hoffnung zu schöpfen. Solange sie sich frei bewegen konnten, hatten sie eine Chance, aus dieser Sache heil heraus zu kommen.
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Oronêls Waffe
« Antwort #20 am: 9. Jul 2019, 14:46 »
Sie verbanden Rilmirs oberflächliche Wunden notdürftig mit einigen Stofffetzen, die sie von dem zerschlissenen Umhang des toten Dunländers abrissen. Der Waldläufer wirkte anfangs noch immer etwas desorientiert, doch mit der Zeit gewann er mehr und mehr die für ihn typische Besonnenheit zurück.
"Diese Waffe kommt mir bekannt vor," sagte Rilmir, nachdem Kerry mit seinen Verletzungen fertig war. "Wo habe ich sie nur schon einmal gesehen?"
"Sie gehörte Oronêl," erklärte Kerry.
Rilmir zog die linke Augenbraue interessiert in die Höhe. "Also hast du sie ihm gestohlen? Nun, das passt zu der Kerry, die ich kenne."
"Wie bitte?" empörte sich Kerry. "Was denkst du von mir, Dúnadan - ich habe Hatholdôr nicht gestohlen. Die Axt war ein Geschenk."
"Wieso würde Oronêl dir seine Axt schenken? Ich meine mich zu erinnern, dass sie ein altes Erbstück seines Hauses ist."
Bei diesen Worten blickte Gwŷra mit einem Leuchten in den Augen von der Leiche auf, die sie untersucht hatte. Sie sagte jedoch kein Wort.
"Pff," machte Kerry. "Versteh einer diesen alten Griesgram. Jedenfalls hat er mir seine Axt gegeben, ehe er nach Dol Amroth ging, um in den Westen zu fahren."
"Ich verstehe," sagte Rilmir und wirkte tatsächlich so, als könne er Oronêls Beweggründe nachvollziehen. Kerry musste sich zurückhalten, um nicht sauer auf den Waldläufer zu werden. Sie schüttelte den Kopf, um alle negativen Gedanken loszuwerden und schließlich gelang es ihr, sich auf die Wichtigkeit ihrer Situation zu konzentrieren.
"Wir müssen Aéd befreien," stellte sie klar. "Wenn wir Glück haben, passt einer dieser Schlüssel." Sie hob den Schlüsselbund empor, den Rilmir bei der Leiche des Folterknechts gefunden hatte.
Gwŷra murmelte etwas Unverständliches, doch auf Kerrys Nachfrage hin erklärte sie sich bereit, ihnen den Weg zurück zu Aéds Zelle zu zeigen. Rilmir zerrte den Toten in eine der dunkleren Ecken der Folterkammer und sie löschten die Fackeln im Raum, ehe sie sich auf den Rückweg machten.

Erneut ging Gwŷra raschen Schrittes voran. Merkwürdigerweise kam es Kerry so vor, als würde das Mädchen aus Enedwaith sie dieses Mal auf einem etwas anderen Weg durch das Labyrinth aus Höhlengängen zu den Zellen führen, in die Yvens Leute sie eingesperrt hatten. Vielleicht gibt es mehr als eine Route, dachte Kerry. Jedenfalls kamen sie nun öfter als auf dem Hinweg durch größere Gewölbe, in denen teilweise zerstörte Holzkonstruktionen zu sehen waren. In den weitläufigeren Höhlen war der Boden oft mit einer schlammigen Schicht aus dunklem Wasser bedeckt, welches einen unangenehmen Geruch von sich gab. Die dritte Kaverne besaß eine breite Öffnung nach oben hin, durch die ein schwaches, rötliches Licht herein fiel.
"Die Sonne geht auf," merkte Rilmir an. "Wir müssen dicht unter der Oberfläche sein, wo auch immer wir hier sind."
Der Dúnadan schien von seinen Verletzungen nicht eingeschränkt zu sein. Er hatte sich mit einer der erloschenen Fackel als improvisierte Waffe ausgerüstet und wirkte, als könnte er es mit jedem Dunländer oder gar mit Yven selbst aufnehmen. Kerry war froh, dass Rilmir bei ihr war, wenngleich sich ihre Sorge um Aéd dadurch nicht gemindert hatte.

Sie kamen in eine besonders große Höhle, die durch ihre langgezogene Öffnung am oberen Rand mehr wie eine tiefe Schlucht wirkte. Das noch schwache Licht der Morgensonne leuchtete über den oberen Rand der Kanten der Schlucht in die Tiefe hinein. Gwŷra war auf dem mit morschen Holzplatten ausgelegten Pfad stehen geblieben und blickte aufmerksam auf die andere Seite der Schlucht hinüber, die sich nach unten hin verbreiterte. Aus der Tiefe war das Geräusch von fließendem Wasser zu hören und der Abgrund war auf der Höhe des Weges, dem die Gruppe durch die Höhle folgte, bereits viel zu breit, um auch nur daran zu denken, es mit einem Sprung zu versuchen.
"Seht," flüsterte Gwŷra und zeigte auf die andere Seite der Schlucht. Dort war eine breite Holzplattform errichtet worden, auf die mehrere Höhlengänge mündeten. Eine große hölzerne Rampe führte in einem Bogen aufwärts und verschwand hinter einer der Biegungen der Schlucht. Auf der Plattform stand ein mit zwei Pferden bespannter Wagen, bei dem mehrere Dunländer standen und ihn mit schwer gefüllten Säcken beluden. Noch während Rilmir, Kerry und Gwŷra versuchten, den Blicken der Schergen Yvens hinter dem hölzernen Geländer auf ihrer Seite der Schlucht zu entgehen, sahen sie, wie der letzte Sack geradezu achtlos auf die Ladefläche des Wagens geworfen wurde und sich das Gefährt dann in Bewegung setzte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit fuhr der Wagen die hölzerne Rampe hinauf, die dabei ein bedrohliches Knirschen von sich gab. Gefolgt von den ungefähr zwei Dutzend Dunländern verschwand der Wagen hinter der Biegung.
"Sie bringen ihre Ladung wahrscheinlich an die Oberfläche," vermutete Rilmir. "Ich habe ein mieses Gefühl bei der Sache."
"Wir sollten zu Aéd gehen," drängte Kerry. "Um die Dunländer können wir uns später Gedanken machen."
"Kommt," sagte Gwŷra. "Es ist nicht mehr weit." Und schon eilte sie wieder los. Rilmir und Kerry beeilten sich, ihr in den nächstgelegenen Höhlengang zu folgen.

Als Gwŷra um eine weitere Ecke in den Gang mit den Zellen auf beiden Seiten bog, stand die Gruppe ohne Vorwarnung einem mit Fackel und Schwert bewaffneten Dunländer gegenüber. Kerry riss erschrocken die Augen auf. Sie hatte ihre Vorsicht aufgrund ihrer Sorge um Aéd unbewusst beinahe gänzlich aufgegeben gehabt und kaum noch erwartet, in den bislang so leer und verlassen wirkendem Höhlensystem tatsächlich noch auf Wachen zu treffen. Zu ihrem Glück war der Dunländer ebenso überrascht wie sein Gegenüber. Rilmir erholte sich als Erster von seinem Schock und schleuderte dem feindlichen Krieger seine Fackel entgegen, welche den Mann mit einem Volltreffer zu Boden schickte. Als Gwŷra ein Messer zückte, das sie irgendwo unterwegs gefunden haben musste, sprang der Waldläufer vor und hielt ihre zustoßende Hand gerade noch rechtzeitig fest.
"Nicht," raunte er ihr zu. "Lebendig wird er uns von größerem Nutzen sein."
Gwŷra starrte den Dúnadan an, ein unheilvolles Leuchten in den Augen. "Du wagst es, mir meine Rache zu verweigern?" grollte sie.
"Rache führt nur zu weiterem Blutvergießen. Ein niemals enden wollender Kreislauf der Zerstörung," sagte Rilmir mit Bedacht. "Dieser Dunländer kann uns vielleicht sagen, wo genau wir sind und was sein Anführer im Schilde führt."
"Er ist bewusstlos," stellte Kerry fest. "Gut gezielt, Rilmir... vielleicht etwas zu gut."
"Dann sollten wir weiter nach Aéd suchen und zurückkehren, wenn unser Freund hier erwacht ist," sagte der Waldläufer und schob Gwŷra sanft aber bestimmt von dem Dunländer weg. Anfänglich sträubte sie sich, doch dann schien sich ihre Aufmerksamkeit auf die Zellen im Höhlengang vor ihr zu richten. "Beim Blutmond..." wisperte Gwŷra unheilvoll.
Kerry ließ Rilmir stehen und eilte den Gang entlang, den Schlüssel in der Hand. Gwŷras kryptische Worte hatten ihre Sorge noch verstärkt. Und als sie vor Aéds Zelle stehen blieb, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Der Wolfskönig war fort.
"Sie müssen ihn weggeschafft haben, während wir in der Folterkammer waren," sagte Gwŷra und klang dabei erstaunlich mitfühlend.
Kerry dachte an die schweren Säcke, die die Dunländer auf den Pferdewagen geladen hatten. Da müssen Gefangene drin gewesen sein, wurde es ihr klar.
Rilmir kniete noch immer bei dem bewusstlosen Dunländer und versuchte den Mann zu wecken. Kerry wusste nicht, was sie tun sollte. Der Schlüsselbund fiel ihr aus der Hand, für den Augenblick nutzlos geworden. Sie wussten noch immer nicht, wo sie sich befanden, und hatten Aéd aus den Augen verloren.

Kerry rannte los, ohne weiter darüber nachzudenken. Rilmir rief ihr nach, doch sie blieb nicht stehen. Sie sprintete zurück zu der Schlucht, in der sie den Wagen der Dunländer gesehen hatte. Inzwischen war das Tageslicht dort deutlich heller geworden. Doch die nach oben offene Höhle war nun ebenso verlassen wie es der Rest des Tunnelsystems zu sein schien. Verzweiflung ergriff Besitz von Kerry. Aéd! Wohin bringen sie dich nur?
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Das Verhör
« Antwort #21 am: 15. Jul 2019, 16:37 »
Kerry war letztendlich nichts anderes zu tun übrig geblieben, als zu Rilmir und Gwŷra bei den Gefängniszellen zurückzukehren. Sie ließ die Schultern hängen, als sie den Gang betrat, in dem man sie gefangen gehalten hatte.
"Kopf hoch, Kerry," sagte Rilmir, der neben dem von ihm betäubten Dunländer kniete und versuchte, den Mann aus seiner unfreiwilligen Umnachtung zu wecken. "Sobald wir einen Weg aus diesem Höhlenlabyrinth gefunden haben, können wir uns auf Spurensuche begeben. Wenn wir an der Oberfläche Reittiere finden können, sollten wir diese Dunländer bald eingeholt haben. Doch eins nach dem anderen. Zuerst sollten wir unseren Freund hier befragen."
Die Worte des Dúnadan sorgten tatsächlich dafür, dass Kerry wieder etwas hoffnungsvoller dreinblickte. Dennoch gefiel ihr die Situation, in der sie sich befand, nicht im Geringsten. Sie hatte vorgehabt, auf dem Weg nach Eregion so viel Zeit wie möglich mit Aéd zu verbringen, doch daraus war bislang nichts geworden. Nur der vergleichsweise kurze Ritt von Edoras bis zu den Furten des Isen war ihr bislang vergönnt gewesen. Aéd war noch immer in Gefangenschaft und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs die Distanz zwischen ihnen. Kerrys Verzweiflung schwand, doch sie wurde durch Wut ersetzt.
"Was, wenn er uns keine Antworten geben kann?" wollte sie wissen und stellte sich neben Rilmir.
"Nur die Ruhe," erwiderte der Waldläufer und versetzte dem Dunländer einen saftigen Klaps auf die Wange. Die Lider des Mannes flatterten und er öffnete desorientiert die Augen.
"Was zum..." murmelte er undeutlich.
"Ruhig bleiben, Freund," sagte Rilmir gelassen, während er den Dunländer mit einer Hand am Boden hielt. "Ich weiß, dir brummt der Schädel, aber es wäre wichtig, wenn du dich für einen Augenblick konzentrieren könntest."
"Wer...?" stöhnte der dunländische Krieger.
"Das tut jetzt erst einmal nichts zur Sache. Weißt du, wen Yven hier unten gefangen gehalten hat?"
"Den... falschen Wolfskönig," brachte der Dunländer mühsam hervor. "Und... sein kleines Forgoil-Weib... und die... Tochter des Häuptlings vom... von einem der Stämme im Westen... denke ich."
Kerry rührte sich, doch Rilmir gab ihr mit einem Blick zu verstehen, sich jetzt nicht einzumischen. Verärgert warf sie einen Blick zu Gwŷra hinüber, die eine der Fackeln aus ihrer Wandhalterung genommen hatte und geradezu verträumt in die Flamme starrte, während sie im Gang auf und ab ging.
"Gut, gut," sagte Rilmir. "Und wohin haben sie den Wolfskönig gebracht?"
"Ich... weiß es nicht," murmelte der Dunländer.
Der Dúnadan gab ein enttäuschtes Seufzen von sich. "Ich hatte gehofft, du würdest vernünftig sein, mein Freund." Er hielt Kerry die leere Hand hin und sie verstand. Rasch zog sie Hathôldor hervor und drückte Rilmir die Axt in die Hand.
"W-warte, warte," ächzte der Dunländer.
Rilmir hielt inne. Die Klinge Hathôldors verharrte über dem Gesicht seines Gefangenen, der noch immer gewisse Schwierigkeiten bei der Orientierung zu haben schien. "Heute kamen Befehle, vom Kriegshäuptling..."
"Befehle? Von Yven?" bohrte Rilmir nach.
"Yven, ja... der Kriegshäuptling. Er schart die... Unzufriedenen der Stämme um sich und... erhält Unterstützung aus Enedwaith."
Das erregte Gwŷras Aufmerksamkeit und sie kam herbei, um auf den Dunländer herab zu starren. "Damit wird es schon bald vorbei sein, du unwürdiger Wurm," drohte die Dunkelhaarige. "Wisse, dass durch mich nun eine Macht freigesetzt wurde, wie die Welt sie seit der ersten Mondfinsternis nicht gekannt hat. Schon bald wird-"
"Danke, Gwŷra, das genügt für den Augenblick," unterbrach Rilmir Gwŷra sanft, aber bestimmt. "Viel wichtiger wäre nun die Antwort auf die Frage, wohin Yven den Wolfskönig bringen lässt, mein Freund." Die Axt näherte sich wieder dem Gesicht des Dunländers, dessen Augen sich erschrocken weiteten.
"Zum... zum Juwel der Kette," flüsterte der Dunländer widerstrebend.
"Was soll das denn sein?" verlangte Kerry zu wissen und wünschte sich nicht zum letzten Mal, Ardóneth wäre bei ihr. Er hatte einige Jahre in Dunland gelebt und hätte sicherlich gewusst, wovon der Gefangene da sprach.
Zum Glück hatte Gwŷra sich noch nicht wieder ihrer Fackel gewidmet. "Er spricht vom Sitz des Herrn jenes Volkes, das man als Stamm der Kette kennt. Sie leben im Westen Dunlands, wo sich die Ströme Isen und Kirt kreuzen. Dorthin bringen sie den Wolfskönig, um ihm sein Herz herauszuschneiden." Sie sagte die Worte in einem Ton, als handele es sich um etwas völlig Belangloses.
"WAS?" rief Kerry entsetzt.
"Er sagt die Wahrheit," meinte Rilmir, der den Dunländer genau beobachtete. "Warum soll dem Wolfskönig das Herz herausgeschnitten werden?" fragte er geduldig weiter.
"Das... Ritual der Inneren Wahrheit," hustete der Gefangene. "Yven... will selbst Wolfskönig werden. Dazu braucht er... das Ritual. Mehr weiß ich nicht, ich schwöre es..."
"Gwŷra, stimmt das?" fragte Kerry alarmiert.
"Beim Blutmond, ich habe davon gehört," antwortete Gwŷra geheimnisvoll. "Wenn der Wolf von einem würdigen Jäger erlegt und dieser sein Herz herausschneidet, hat der siegreiche Jäger das Recht, das Erbe des Stammesherrschers anzutreten. Ein Wolfskönig, der sich erlegen lässt, ist schwach und der Krone nicht würdig."
"Ziemlich barbarisch," merkte Rilmir an und erhob sich. "Eine Frage noch, Freund. Wie kommen wir am schnellsten an die Oberfläche?"
"...Dort," stieß der Dunländer hervor und erhob mühsam den Arm, um auf einen der Eingänge in einen Seitengang zu zeigen. "Folgt den... Symbolen der Weißen Hand..." Ermattet ließ er die Hand wieder sinken.
"Das war hilfreich. Meinen Dank," sagte der Dúnadan. Dann schickte er den Dunländer mit einem raschen Hieb mit Hathôldors Griff zurück in die Bewusstlosigkeit.

Sie beschlossen rasch, keine Zeit zu verlieren. Gwŷra erleichterte den gefallenen Dunländer um sein Messer und steckte es sich an den Gürtel. Rilmir eilte voraus, Hathôldor kampfbereit in der Hand halten. Kerry hatte Gwŷras Fackel übernommen und sorgte für ausreichend Licht. So bahnten sie sich ihren Weg durch das Gewirr von Gängen, immer auf der Suche nach den krude an die Wände gezeichneten Symbolen der Weißen Hand - ein eindeutiges Zeichen dafür, in wessen Diensten Yven und seine Krieger noch immer standen.
Kerry verstand nicht, weshalb Saruman noch immer solche Macht über die Lande jenseits des Nebelgebirges ausüben konnte. Der Zauberer hatte am Erebor einen Rückschlag erlitten und hatte nach den Ereignissen im Düsterwald die Waldelben als Verbündete verloren. Gerüchte gingen um, dass Sarumans Hauptheer nun in Dol Guldur von einer Ork-Streitmacht aus Mordor belagert und der Zauberer persönlich zu den Eingeschlossenen gehörte. Wie konnte er also noch immer eine solche Kontrolle über die Dunländer und die Menschen von Enedwaith und Bree ausüben? Kerry fand keine Antwort darauf. Doch sie machte sich Sorgen - nicht nur um Aéd, auch wenn ihm natürlich ihre Hauptsorge galt. Aber darüber hinaus fragte sie sich, ob Dunland wohl erneut am Rande eines blutigen Kriegs stand, und ob sich Sarumans Schatten inzwischen auch bis nach Eregion ausgebreitet hatte, wo die Elben der Manarîn versuchten, sich eine neue, friedliche Heimat aufzubauen.
Endlich gelangten sie in einen Gang, der stetig aufwärts führte. Die Fackel in Kerrys Hand verlosch, doch inzwischen konnten sie bereits die ersten Vorboten des Tageslichts sehen. Kerry wäre am liebsten in vollem Laufe losgesprintet, doch Rilmir hielt sie zurück. Wenn dies der Ausgang der Höhlen war, würden weitere Wachen nicht weit sein.
Der Waldläufer pirschte vorwärts, eine Hand an den Stein des Höhlenganges gelegt. Dann verschwand er mit einem schnellen Schritt im blendenden Licht, das vom Eingang herein strömte. Mehrere Sekunden vergingen, dann hörten Kerry und Gwŷra, die voller Anspannung abgewartet hatten, den entwarnenden Ruf des Dúnadan.
"Kommt, die Luft ist rein hier draußen. Allerdings nicht ganz so rein, wie man wohl meinen sollte..."
Diese etwas merkwürdige Aussage ließ Kerry umso neugieriger werden. Sie eilte hinaus und fand sich inmitten einer beinahe runden, felsigen Ebene wieder, die von einer zerfallenen Mauer umgeben war. Die Umgebung war durchzogen von tiefen Gruben und Löchern, die wohl zum Höhlensystem unter ihren Füßen hinab führten und Kerry daran erinnerten, wie sie hin und wieder ein Stück des Himmels über sich gesehen hatten, während sie sich ihren Weg durch die unterirdischen Gänge gesucht hatten.
Dann zog etwas im Zentrum der Ebene ihren Blick unweigerlich auf sich. Einer gewaltigen Nadel gleich ragte dort ein Turm aus schwarzem Stein in den Himmel. Kerry musste den Kopf in den Nacken legen, um zur Spitze hinauf zu schauen, wo vier klauenartige Zacken wie eine Krone auf dem Turm thronten.
"Wo sind wir hier?" fragte sie sich.
"Dies ist ein dunkler, geplagter Ort," murmelte Gwŷra unheilvoll. "Großes Übel ist hier am Werke, in Vergangenheit und Zukunft. Rauch steigt auf von diesem Tal, allezeit."
"Nicht sehr hilfreich, Gwŷra," bemerkte Kerry. Der Turm erinnerte sie an etwas, das sie einst gewusst hatte, doch woran?
"Mir schwant bei diesem Anblick nichts Gutes," sagte Rilmir. "Ich war selbst noch nie so weit im Süden, aber wenn ich mich nicht irre, könnte es sich bei diesem Bauwerk um den Orthanc-Turm handeln."
"Den Orthanc..." entfuhr es Kerry. "Dann sind wir..."
"In Isengard," beendete Rilmir den Satz. "Ich fürchte, es ist wieder den Anhängern Sarumans in die Hände gefallen."


Kerry, Rilmir und Gwyra zum Fuß des Orthancs
« Letzte Änderung: 8. Aug 2019, 15:27 von Fine »
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