Carracáins Start:Carracáin trat aus dem Schatten einer Felswand hervor.
Erebor.Vor ihm erhob sich der riesige Berg der Zwerge, ein Bollwerk, das über Jahrhunderte das zwergische Volk in sich geborgen hatte. Majestätisch wuchs er wie eine gigantische Festung aus dem Felsboden, reckte sich gierig zum Himmel empor und verschlang ihn fast, mit seinen schwarzen, schroffen Klippen, die zu den Sternen strebten, höher, als je ein Wesen gestiegen war.
Carracáins Sichtfeld war komplett ausgefüllt von dem monströsen Bergabhang, und an dem Fuße des Berges brannten zahlreiche Lagerfeuer. Es schien, als würden sie an dem Berg heraufkletterm, wie glühende Schlingpflanzen.
Mutig machte Carracáin noch einen Schritt, dann noch einen und noch einen. Er stand jetzt auf dem kiesigen Weg, der geradewegs zum Erebor führte.
Er blickte zurück.
Hinter ihm lag sein bisheriges Leben. Seine Kindheit, sein erster Mord, sein erstes Schwert... Und vor ihm lag eine ungewisse Zukunft. Krieg überschattete das Land, alle waffenfähigen Männer marschierten bereits gegen den Feind, nur er, ein kleiner, unbedeutender Elbenschmied, nur er stand hier vor dem Erebor, bereit, seine Dienste dem Guten zur Verfügung zu stellen.
Na dann los.Die Lagerfeuer entpuppten sich rasch als die Niederlassungen der Flüchtlinge und der Soldaten, die aus Thal gekommen waren, als sie es schon verloren sahen.
Vorsichtig machte Carracáin sein eigenes Feuer, setzte sich daran, und holte ein paar Beeren aus seinem Rucksack. Missmutig stopfte er sie sich in den Mund.
Meine Ankunft hatte ich mir glorreicher vorgestellt... Er hörte neben sich ein Scharren, dann ein Stöhnen, als sich ein mit einer Lederhose bekleideter Hintern auf den Steinboden fallen ließ.
„Junge Junge, was ziehst du denn für ein Gesicht! Warum bist du nicht in Thal geblieben, da hättest du die Ostlinge mit deiner Schnute verscheuchen können!“
Carracáin blickte finster auf. Sowas fanden Menschen wohl lustig. Er sah darin irgendwie nichts, worüber man lachen sollte. Der Mann ihm gegenüber anscheinend schon. Der grinste nämlich breit.
„Was willst du?“
„Hui, was für eine leidenschaftliche Begrüßung! Du wirst doch ein paar alten, stinkigen Käsefüßen nicht die Wärme deines Feuerchens verwehren oder?“
Carracáin schaute weg.
Nach einer Weile eisigen Schweigens sagte er dann: „Ich komme übrigens nicht aus Thal. Ich bin aus dem Düsterwaldgebirge. Ich meide die Leute, deshalb verzeih, dass ich in dieser Nacht kein guter Gesellschafter bin.“
„Du bist aus dem Düsterwald? Hey, dann bist du ein Elb oder? Klasse, sowas haben wir hier gebraucht! Ihr könnt doch so verdammt gut kämpfen!“ Der Mann neben ihm setzte sich auf, und bevor Carracáin ihn daran hindern konnte, stieß dieser einen schrillen Pfiff aus und schrie zu einem anderen Lagerfeuer hinüber: „Jungs! Kommt mal rüber! Hier ist ein Elb!“
Carracáin stöhnte innerlich.
Menschen sind immer gleich so laut.Eine Meute von Jungen Männern kam herbei, die der Mann (der sich übrigens als ein alter Veteran entpuppte) als seinen Trupp, die „Eisernen Herzen“ vorstellte.
Was für ein blöder Name.Sie hatten noch nie einen richtigen Elben gesehen, und betasteten staunend seine Haut und seine schwarzen Haare. Einer fragte schüchtern:
„Herr Elb“
Naja, das ist auf jeden Fall höflicher als dein Vorgesetzter, „Was führt sie zum Erebor? Ich habe Geschichten gehört, dass man einen Elben im Schwertkampf kaum schlagen kann....“ Man merkte wie er sich bei seiner eigentlichen Frage wand, „und da wollte ich fragen... sind sie hier um uns zu beschützen und das Böse aus dem Nordosten zu vertreiben?“
Oh ja klasse. Sie denken, ich wäre ein Halbgott des ersten Zeitalters. Das macht die Sache ja wesentlich einfacher.Genervt verdrehte Carracáin sein Auge. Wie sie ihn mit großen Augen anstarrte... Es tat ihm fast leid, ihnen die Wahrheit zu sagen.
„Hört zu...“
„Oh, entschuldigt, wenn meine Männer ihnen zu aufdringlich sind, Herr Elb!“, fuhr der Veteran dazwischen und schaute den Fragesteller böse an. „Das wird nicht nochmal vorkommen, ich versichere es ihnen!“
„Nein nein, lasst ihn ruhig. Ich bin sicher, die Frage brannte ihnen auch auf der Zunge, mein Herr.“
Der Junge, der die Frage gestellt hatte gefiel ihm. Er selbst hätte sich sowas wahrscheinlich nie getraut.
„Aber ich muss euch sagen... ich kann nicht kämpfen.“
Belustigt beobachtete Carracáin die Gesichter der Jünglinge. Einem von ihnen war die Kinnlade heruntergeklappt, und dieser bemühte sich jetzt die Bewegung mit einem Gähnen zu kaschieren.
Menschen sind so einfach gestrickt. Wäre ich ein Mensch gewesen, dann wäre meine Mutter wahrscheinlich nie durch irgendwelche Intrigen ums Leben gekommen.
„Ich... verstehe nicht, Herr Elb. Ihr meint damit sicher, dass ihr nicht so gut wie die anderen Elben kämpfen könnt, oder?“
„Nein, ich meine damit, dass ich absolut nicht kämpfen kann.“ Die Worte kamen ihm erstaunlich leicht über die Lippen, aber sofort merkte Carracáin, dass er die Menschen damit dermaßen vor den Kopf gestoßen hatte, dass er es auch schon wieder bereute, sie eingeweiht zu haben.
„Aber.... Aber, was.... was tun sie denn dann hier?!“
Ein Mann hatte das ausgesprochen, was anscheinend in den Köpfen Aller herumgeschwirrt war.
„Ich bin geflohen.... nichts weiter. Und da ich Schmied bin, werde ich hier Arbeit suchen.“
Unglauben spiegelte sich in den Gesichtern der Leute. Sie konnten es offensichtlich nicht fassen, dass eine Sagengestalt wie ein Elb, etwas so banales suchte wie Arbeit bei einem Schmied.
„Ihr... Ihr schmiedet also.“
Der Veteran leckte sich über seine trockenen Lippen. „Und was.... schmiedet ihr so?“
Carracáin musste grinsen. Der hatte ja erstaunlich schnell seine Fassung wiedergewonnen. Carracáin hatte jetzt genug Gelegenheit gehabt, Menschen zu beobachten, um festzustellen, dass dieser alte Mann tatsächlich versuchte, Konversation zu machen. Immer noch grinsend schlug er seinen Mantel beiseite und zog Crólair blank.
„So etwas.“
Ein Raunen ging durch die Soldaten, als sie das im Feuer schimmernde Schwert erblickten. Carracáin vermutete, dass er für sie jetzt doch wieder jene Märchengestalt war, denn von so ein Schwert hatten sie in ihrem Leben wahrscheinlich noch nicht einmal zu träumen gewagt.
„Ah... So etwas also.“ Stammelte der Veteran in seine schmutzigen Bartstoppeln. Wieder leckte er sich über die Lippen.
Warum macht er das?Es befriedigte Carracáin zwar, wie die Soldaten von seinem Meisterwerk beeindruckt waren, aber ihm gefiel de Ausdruck, der in die Augen Mancher trat, gar nicht.
Es war das Funkeln der Gier.