Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Erebor

Im Inneren des Erebors

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CrystalPhoenix:
Wenn man einmal angefangen hatte, dann versank man in einer Monotonie. Carracáins Sicht war vernebelt, er sah die schmerzverzerrten Fratzen nicht mehr, die er mit einem einzigen Klacken seiner linken Hand hervorrief. Er hörte auch die Schmerzensschreie nicht mehr.
Mit schweren Schritten eilte er zwischen den sauber aufgereihten Betten umher, rief nach Männern, um Patienten festzuhalten, und sprach tröstende Worte. Doch nach dem Schnitt hatte er die Person schon vergessen, der er gerade ein neues Leben geschenkt und ein altes genommen hatte.
Das was er hier tat durfte auf keinen Fall sein Herz erreichen. Und viel zu oft musste er die Fragen „Was mache ich hier? Darf ich das?“ aus seinem Kopf verbannen.

Mittlerweile waren seine Klingen blutverschmiert, die tiefrote Flüssigkeit troff an ihnen herunter und  tropfte an den spitzen Enden in das Blut auf dem Boden. Es war wirklich verdammt widerlich.
Er konnte nicht mehr. Das war widerwärtig.

Schweren Herzens wandte er sich an die Heilerin die neben ihm stand. „Machst du weiter? Ich... das ist mir alles zu viel. Entschuldige bitte.“
Mit einem verständnisvollen Nicken nahm die Frau eine Säge zur Hand und bedeutete ihm mit einer „Hau schon ab.“-Geste, zu verschwinden. Es war dem Elben nur recht.
Denn er wusste schon, was er zu tun hatte. Er hatte gesehen, wie die weinenden Männer und Frauen mit behelfsmäßigen Holzbeinen zurechtkommen mussten. Das wollte er ändern. Er war Schmied, verdammt nochmal!

In der Schmiedehalle, die der Elb schon seit zwei Wochen nicht mehr betreten hatte, kam ihm sofort Dwarkarnur entgegen, den es nicht im Geringsten störte dass Carracáin seine Rüstung angelegt hatte. „Recht so! Wie fühlt sie sich denn an, hm?“, schmunzelte er, doch er wusste schon längst, dass Carracáin sein „Meisterwerk“ ganz und gar nicht mochte. Schließlich hatte auch der Zwerg ihm erstmal den Kopf schuppern müssen, was dieser mit einem herzhaften Gelächter quittiert hatte.

„Mein Freund, ich brauche dich!“, sprach Carracáin, und sah den Zwerg dabei vielsagend an. „Ich war die letzten zwei Wochen damit beschäftigt Gliedmaßen abzutrennen... Stellst du mir deine Helfer zur Verfügung?“ Der Zwerg überging zwar geflissentlich die Gliedmaßen-abtrennen-Bemerkung, dennoch hakte er nach. „Meine Helfer sind deine Helfer, das weißt du Carracáin. Wozu brauchst du mich und die Schaffenskraft meiner Gruppe?“
„Was meinst du, wie viele deiner Schmiede können ein Bein schmieden, das auch genauso aussieht wie ein Bein?“, antwortete der Elb mit einer Gegenfrage.
„Hmm“, Dwarkarnur strich sich bedächtig über seinen schwarzen Bart, „20 Stück, würde ich schätzen. Du willst also Prothesen schmieden?“
„Ja, ich werde Prothesen schmieden. Diese Menschen leiden unter ihren Verstümmelungen, doch ein Arm aus Metall würde ihnen wenigstens einen Teil ihrer Lebensfreude wiedergeben. Wir müssen verschiedene Modelle schmieden, je nachdem, an welcher Stelle ich entfernen musste... Und wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich kann auf dich zählen?“, Carracáin hatte hastig geredet und war vor dem Zwerg auf die Knie gegangen, um Auge in Auge mit ihm sprechen zu können.
„Ha, auf mich kannst du zählen, Elb!“, donnerte Dwarkarnur, und schlug sich mit der Faust auf die Brust. „Gib mir und meinen Schmieden nur genug Bier, und wir erfüllen dir jeden Wunsch!“
In die Augen des Zwergs war ein Glitzern getreten, und er schickte sich an, auf ihre Taverne hoch über den glühenden Essen und knarzenden Blasebälgen zuzusteuern.
Carracáin legte einen Arm um dessen Schultern, und schon auf dem Weg zu ihrer Inspirationsquelle – In diesem Fall Met und Wein – diskutierten sie heftig über die Beschaffenheit ihrer Ersatzgliedmaßen.

Die schwere Rüstung hatte Carracáin völlig vergessen.

Sonic:
Friehendur von der Celduin-Ebene


Es war unglaublich.
Seit Friehendur die riesige Festung betreten hatte fürchtete er sich direkt die Augen zu schließen und etwas zu verpassen. Der ganze Berg war ausgehölt, doch nicht grob, sondern feinsäuberlich wie eine Statue. Alles war verschnörkelt und mit verschiedenem Schmuck geschmückt. Obwohl er sein Gedächnis verloren hatte kam ihm das alles doch sehr heimisch vor. Trotzdem war etwas in der Luft. Eine Art Unruhe, die aber nicht einfach nur Eiligkeit ausdrückte sondern eine Art Panik. Beinahe etwas Angst.
War vor den Toren freundlich gegrüßt worden und auf die Frage wo er wohnen würde zu den Wohnsiedlungen geschickt. Auf dem Weg wurde er ein paar mal gegrüßt, was für ihn ein Zeichen war das er hier wirklich wohnte. 
Nun stand er vor einem Haus, welches angeblich das seiner Eltern sein sollte. Nun würde er endlich Antworten finden! Er würde erfahren wer er war und dieser Alptraum würde endlich enden. Erwartungsvoll klopfte er an die schwere Eichentür. Als keine Antwort kam klopfte er erneut. Und wieder. Und wieder. "Entschuldigung, was tuen sie da?", eine ältere Nachbarin schaute ihn ungläubig an und erst da merkte Friehendur das er fast die Tür einschlug. "Äh, Entschuldigung aber in diesem Haus sollen angeblich meine Eltern wohnen und sie scheinen nicht da zu sein." "Was heißt denn angeblich? Friehendur ich hab fast nicht erkannt bei dem ganzen Dreck." "Wer sind sie?", fragte Friehendur etwas zu barsch denn der alten Dame stiegen sofort Tränen in die Augen. "Entschuldigung, das wollte ich nicht!", entschuldigte sich Friehendur schnell, "Ich habe mein Gedächnis verloren und ich weiß nicht ganz wer sie sind." "Du erinnerst dich nicht an die alte GraGra? Na dann komm erst mal rein und dann reden wir weiter.", sagte GraGra und bedeutete ihm mit einer Geste  einzutreten. Drinnen kam Friehendur sofort alles heimisch vor. Es war wieder ein Gefühl als wäre er schon oft da gewesen. "Setz dich.", bat ihn die alte Frau. "Ich will ja nicht unhöflich sein, aber wer sind sie denn jetzt?", drängte Friehendur. "Ich bin GraGra.", wiederholte sie. "Ich habe immer neben euch gewohnt und ab und an auch auf dich aufgepasst." "Können sie mir denn etwas über mich erzählen?", fragte Friehendur. "Leider nicht. Deine Eltern wollten nie viel über dich reden und du warst auch eher ruhig. Als du dann Erwachsen wurdest hatten wir viel weniger mit einander zutun.", antwortete "GraGra". "Und was ist mit meinen Eltern?", hakte Friehendur nach. "Die sind vor einem Monat nach Rohan aufgebrochen. Sie haben nur dir gesagt was sie dort wollen und da du dein Gedächnis verloren hast, war das wohl für die Katz." "Na, dann muss ich also auch nach Rohan, was immer das auch seien mag.", rief Friehendur. "Das könnte schwierig werden.", bremste ihn GraGra. "Wir werden von den Ostlingen belagert und bis Rohan ist es weit." "Was ist ein Ostling?", fragte Friehendur. Da fing GraGra an zu lachen und erzählte Friehendur bis zum Abend die Geschichte Mittelerdes.
"Das heißt das bevor ich nach Rohan kann erst mal die Ostlinge zurückgetrieben werden müssen?", fragte Friehendur als sie fertig war. "Sieht so aus.", meinte GraGra, "Es wäre natürlich gut wenn du dabei helfen würdest. Du kannst solange hier wohnen." "Kann ich nicht bei mir wohnen?" "Hast du denn auch deinen Schlüssel?" "Welcher Schlüssel?" "Also nicht." GraGra lachte. "Das ist ein echtes Zwergenhaus. Ohne eine Axt kommst du eh nicht rein und bevor du noch wegen Hausfriedensbruch verhaftet ist es besser wenn du hier bleibst." Friehendur nickte, er aß etwas, wusch sich, wünschte GraGra eine gute Nacht und legte sich schlafen. Er dachte noch eine Weile über alles nach und schlief dann aber endlich ein.

CrystalPhoenix:
Funken sprangen, weiches Metall kreischte, weiße Glutstrahlen warfen pechschwarze , zitternde Schatten an Wände und Böden, kaltes Wasser wurde zu dampfend heißem Nebel, und schlug sich an den kalten Marmorblöcken in Wassertropfen nieder, klirrend landete das Stück Stahl auf einem Haufen, sprang von seiner weißglühenden Einzigartigkeit zur grauschillernden  Normalität um und ward vergessen von den hastigen Händen des Schmieds, der sich schon längst einem anderen Werke zugewandt hatte,

Carracáin legte die nächste Hand auf den Haufen, und füllte seinen Weinbecher nach. Die beschlagene Kristallkaraffe perlte von dem weißen Schmiedenebel, der sich stets bildete, wenn man glühendes Eisen mit der Gewalt kalten Wassers dazu brachte, sich des Schmiedes Willen zu fügen und abzukühlen. Unbewusst wischte sich der Schmied deshalb seine Metallhandschuhe an der stahlverstärkten Lederhose ab, die er trug, nur um dann resigniert zu bemerken, dass er das zweitonnige Rüstungsmonster immer noch auf seinen Schultern trug.
Der rote Wein ergoss sich kalt und klar in seine Kehle und floss wohltuend seinen Rachen herunter. Davon gestärkt strich der Elb sich seine schwarzen Haare aus dem Auge und betrachtete die Hände, die er bereits geschaffen hatte.
Ja, Hände.

Aufgrund seiner genauen Kenntnis von Armstümpfen, wusste er, dass die Finger von Seilen oder Fäden im Körper bewegt wurden. Wie bei einem Spielmann zog man an diesen Drähten, die den Arm entlang liefen, und die Finger wurden bewegt. Mit seinen Metallhänden hatte er nun nicht nur einen Trost, sondern sogar einen Ersatz für verlorene Hände geschaffen, denn eben diese Seile führte er mit Metalldrähten innerhalb seiner Nachbildungen fort, sodass man mit seinen Kopien tatsächlich greifen konnte – Wenn der Arm nicht zu stark beschädigt war! Natürlich war es äußerst unwahrscheinlich, dass man mit seiner verlorenen Hand jemals wieder mehr als „zupacken“ konnte, aber wenigstens das war einem dann vergönnt!
Sein Berg aus stählernen Gliedmaßen war bei weitem größer als der von seinen Mitschmieden. Dwarkarnur war bei seiner zehnten Hand, seine Gesellen hatten meist noch nicht einmal mehr als fünf Hände geschaffen. Es war unglaublich schwierig, die Metalldrähte so in extra gebohrte Fassungen einzulassen, dass sie sowohl mit den Steuerseilen des Körpers verbunden, als auch für die Bewegung der Finger genutzt werden konnten.

Bisher hatte er erst dreimal die Gelegenheit dazu gehabt, diese Hände anzusetzen... Vielleicht wäre es jetzt eine ganz gute Gelegenheit, noch einmal ein paar Handkopien zu verteilen, und damit das Leben der Menschen im Lazarett neu erblühen zu lassen, ihnen eine neue Zukunft zu geben.
Mit einem Sack, in den er die bisher gefertigten Hände schaufelte, stiefelte Carracáin also los in Richtung Lazarett, doch nicht, ohne den zwanzig Mitstreitern, die sich vergeblich an den komplizierten Nachbildungen abmühten, ein paar, seiner Meinung nach verdammt nützliche Tipps gegeben zu haben.

In den Gängen, die mal finster und eng, mal groß, weit und prächtig waren, herrschte hektische Betriebsamkeit, denn das Flüchtlingslager war gerade im Abbau begriffen, wenn es zu einer Schlacht kommen würde, dann müssten sämtliche Flüchtlinge innerhalb des Erebors einquartiert werden. Nicht, dass es nicht genug Platz gäbe, das hier war ein verdammter Berg, aber die Freiräume zu erreichen stellte die meisten Menschen, mit all ihrem Hab und Gut (was beileibe nicht viel war), ihren Verletzungen und Verkrüppelungen und mit ihrem Unwohlsein, sich in einem Berg zu befinden, vor eine große Aufgabe. Dementsprechend orientierungslos irrten die Großfamilien in den Gängen des Erebors umher, ganz so, wie Carracáin, als er zum ersten Mal den Schmiedeberg betreten hatte.
Dieser hatte sich mittlerweile schon ein bisschen besser in den Erebor eingelebt, und die ungewohnte dreidimensionale Sicht der Dinge verinnerlicht, sodass er nur wissen musste, welche bekannte Anlage in der Nähe des gesuchten Ziels lag, um dorthin zu finden. Dabei half ihm ein einfacher Grundsatz: „Wenn ich jetzt ein Zwerg wäre, wie hätte ich dann gegraben?“
Außerdem kannte er den Weg vom Lazerett zur Schmiedehalle zur Genüge, hier konnte er sich einfach von seinen Füßen tragen lassen.

Allerdings gestaltete sich Carracáins Anliegen nicht ganz so einfach. Denn obwohl sich Carracáin unter den Heilern mittlerweile den Ruf eine lupenrein arbeitenden Mannes genoss, wurde ihm nicht erneut die Erlaubnis, erteilt, Prothesen anzubringen. Zwei von seinen drei Patienten die er, zugegeben, vor seiner Operation nicht um ihr Einverständnis gebeten hatte, litten unter Schnmerzen, die Metallränder der Hände sorgten für Entzündungen am Stumpf, außerdem kratzten sie mit jeder Bewegung die Haut der Patienten auf. Das machte Carracáin betroffen, schließlich hatte er doch nur helfen wollen!
Nur einer wollte den Elben sehen, der andere von Carracáin behandelte Mann verweigerte sich jeglichem Zuspruch.
Natürlich erklärte er sich dazu bereit, diese Prothese wieder abzumontieren, ein blutiger und für den Patienten außerordentlich unangenehmer Eingriff.

Niedergeschlagen trottete Carracáin über die Ebene 23, wo er doch so euphorisch gewesen war, als er sie betreten hatte. Nun lastete das Gewicht seiner Rüstung umso mehr auf ihm, doch er wollte sich davon eigentlich nicht entmutigen lassen. Solche Rückschläge gab es halt.
Aber ich habe dafür ein Menschenleben riskiert...
Nein, du hast die Sache ja wieder geradegerückt.
Ich habe damit gespielt... Es war nicht meins!
Aber dir wurde es anvertraut! Stell dir vor, wie es wäre, wenn die Wunde nicht brandig geworden wäre!
Wurde sie aber! Verdammt ich wollte nur helfen!
Carracáin, vielleicht bist du nicht der Richtige, um zu helfen...
Was?!
Schau, dir geschieht Leid, und du richtest Leid an. Du wirst es nicht schaffen, aus diesem Zirkel auszubrechen. Du bist zu schwach.
Verdammt, ich richte kein Leid an! Nicht willentlich!
Und doch spielst du die Rolle, die dir anscheinend zugewiesen ist.
Lass mich in Ruhe! Ich werde es schaffen, zu helfen!
Vergiss es, Carracáin. Wir wissen, dass du, ob willentlich oder unwillentlich Leid anrichten wirst. Schau dir deinen Lebensinhalt an, du schmiedest Waffen!
Nicht nur-
Du schneidest lebenden Menschen Körperteile ab!
Ich... ich helfe-
Du trägst diese Rüstung, damit du besser kämpfen kannst!
Lass mich!

Carracáins Gedankengänge waren in Sekundenbruchteilen vonstatten gegangen, doch sie ließen ihn geschockt zurück. Er wollte doch helfen...)
Er nahm sich aber unabhängig davon vor, unbedingt auf denjenigen zu treffen, dessen künstlliche Hand nicht schmerzte.

CrystalPhoenix:

Rasselnde Schritte begleiteten Carracáin,  die Platten seiner Rüstung waren zwar so gut und maßgeschneidert gefertigt, dass sie nicht aneinander schepperten, allerdings hoben sich die Ketten die sie zusammenhielten und manchmal sogar als reine Verzierung gedacht waren, jedes Mal wenn er einen Stiefel auf die Steinböden des Erebors setzte, und schlugen dann klirrend auf den schwarzen Stahl, der sich über seine Brust spannte.

Er war sich seines Auftretens durchaus bewusst, dennoch konnte er die allseits geweiteten Augen, die ihn auf seinem Marsch durch die Gänge entgegenblickten, nicht ganz nachvollziehen. Es war verdammt noch mal Krieg! Soldaten eilten im Laufschritt durch die Stollen und der Ansturm auf den Erebor stand einigen Flüchtlingen nach kurz bevor.
Obwohl – ein gerüsteter Zwerg mit einer Axt im Gürtel und wenn es hinkam einer Hellebarde in beiden Händen, der hastig zu seinem Wachposten eilte war eine Sache, ganz anders war da die Erscheinung Carracáins, eine - zugegeben, ohne wehenden Mantel –  mit forschem Schritt durch die Gänge marschierende Gestalt, mehr als 6 Fuß groß und mit einem gewaltigen rotgeflügelten Drachen an der linken Schulterplatte, das Gesicht fast ganz verdeckt von schwarzer Wolle und schwarzen Haaren, mit silbernen Ketten an seinem Panzer, die mit jedem seiner Schritte mitschwangen und seinem Gang eine metallische Schwere, gleich dem Aufprall eines Säckels Silberlinge, verlieh.

Ja, sein Schritt war forsch, er traute sich nicht, in dem Menschengewühle zu rennen, das auf den Hauptgängen herrschte. Doch er wäre am liebsten gerannt.

Soeben war sein Vertrauen in seine Fähigkeit, Prothesen anzubringen, zerstört worden. Durch die dritte Person mit einer künstlichen Hand, durch ein Kind, das seine rechte Hand dadurch zertrümmert bekommen hatte, dass ein Ostling ihm auf dieselbe getreten war. Sie hatte sich nach ihrem einzigen und liebsten Spielzeug, einem Holzpferd, ausgestreckt. Ihr Vater hatte es versehentlich umgeworfen, als er gegen den Eichenholztisch seiner Hütte gefallen war, in dem Versuch, seine Familie vor den Fährnissen des Kriegs zu bewahren.
Ihr Vater war längst tot.

Als Carracáin das kleine Mädchen behandelt hatte, da hatte er zum ersten Mal im Erebor wirkliche Trauer gespürt, die nicht ihn selbst betraf. Er betrauerte das Mädchen, das auf dem weißen Laken kauerte, und das ihm versicherte, ihr Vater würde bald nachkommen. „Das ist doch mein Vater“ hatte sie gesagt, „er kann nicht weg sein. Er sucht bestimmt noch nach meinem Pferd, um es mir zu bringen!“ Sie glaubte daran. Und ihrer Mutter liefen tausend stille Tränen die Wangen herunter, als ihr Kind selig auf der Krankenliege einschlief, mit den Worten „Wenn ich jetzt schlafe, dann bin ich wach wenn mein Papa kommt..“
Im Schlaf hatte er die zertrümmerte Hand des Mädchens ersetzt, und eine exakte Kopie dieser an ihrem Arm befestigt.
Und als sie aufgewacht war, so hatte ihm die Mutter erzählt, da hatte sie die neue Hand erst gar nicht gespürt. Bis sie sich diese genauer angeschaut hatte, und damit nicht mehr ihre Haare zu kleinen Zöpfchen drehen konnte, da hatte sie dann gemerkt, dass man ihr eine neue Hand geschenkt hatte.
Sie war froh gewesen.

Carracáin verfluchte sich innerlich, dass er dieses Mädchen unbedingt hatte besuchen müssen. Sie hatte geschlafen, doch als er sich mit seiner Rüstung näherte, da war sie aufgewacht. Völlig natürlich behandelte sie Carracáin, als hätte er keine dämonenfratzige Panzerung an seinem Leib.
„Bedank dich schön artig!“, hatte ihre Mutter ihr gesagt, und das Mädchen war mit einem einzigen Sprung aus dem Bett gehüpft, um auf Carracáin zuzulaufen. „Danke, lieber Car-“, weiter war sie nicht gekommen, denn in diesem Moment brach ihr die metallische Hand ab.
Zu heftig hatte sie sich auf ihrer harten Liege abgestützt, zu weich war ihre Haut, um die Fassungen zu halten, mit der die Hand an ihren Arm angesteckt war.
Fassunglos hatte Carracáin mitansehen müssen, wie sich die Eisenstreben  mit dem grässlichsten Geräusch, das man sich vorstellen konnte, aus dem Stumpf des Mädchens lösten, geradezu herausplatzten und aufgerissenes Fleisch hinterließen.
Mit gossen Augen hatte das Kind auf ihr blutüberströmtes Armende gestarrt, und nach einer Schrecksekunde fing das kleine Mädchen an zu kreischen, und ihre Mutter fiel in diesen markerschütternden Ton ein.

CrystalPhoenix:
Zwar waren sofort zwei Heilerinnen dagewesen, die das Kind mit Arzneien beruhigt, und die Wunde mit einer Menge an Leinen verbunden hatte, aber Carracáin selbst hatte nur geschockt dastehen können. Soviel Blut hatte er in den letzten Tagen gesehen, doch das brachte ihn aus der Fassung, das konnte sein Geist nicht ganz verkraften, aus welchen Gründen auch immer. „Kann... ich... ich... irgendwie...?“´, brachte er stammelnd hervor, doch eine der beiden Heilerinnen drehte sich mit einem bösen Blick zu ihm um, und schnitt ihm das Wort ab. „Vergiss es, Elb. Bevor du uns hier auch umkippst, solltest du dich lieber verziehen, hast schon genug angerichtet!“
Und ihrer, sowie der vorwurfsvolle und anklagende Blick der Mutter brachten Carracáin dazu, geradezu fluchtartig den Schauplatz seiner „Heilkunst“ zu verlassen.

Auch die Aufseherin der Ebene empfing ihn mit harten Gesichtszügen. „Hmhm... also, das mit den Händen lassen wir mal lieber, hm?“ Obwohl ihm eine bissige Bemerkung von wegen der vierzig komplikationslos angesetzten Beine des letzten Tages auf der Zunge lag, schluckte Carracáin seine Empörtheit herunter. „Glaube mir, ich werde um künstliche Gliedmaßen in Zukunft einen großen Bogen machen! Kann ich noch irgendetwas Nützliches tun?“
Die Züge der Aufseherin wurden etwas weicher, und sie trug ihm auf, neue Leinen und Verbandsmaterial zu besorgen. Und obwohl dies wohl die niedrigste Tätigkeit war, die er ausführen konnte, nahm der Elb diese erfrischend normale Aufgabe dankend an.

Und hier war er nun, auf dem Weg zum Lager, welches sich in direkter Nähe zu einem der Eingänge des Erebors befand.

Wieder auf seine Schritte fokussiert, bog er in die Eingangshalle ein, die zwar weniger prächtig, als die, in der den Berg betreten hatte, dafür aber auch nicht so angefüllt mit dem Volke Mittelerdes war. Überhaupt, momentan war diese Halle geradezu leer, nur am Eingang standen ein paar Soldaten herum, Armbrustschützen, die wohl gerade ein paar Neuankömmlinge filzten. Der Elb war froh, um diese Schikane herumgekommen zu sein, der Wächter am Eingang hatte dies einfach vergessen, so überrumpelt war er gewesen.
Doch als er gerade in eine der großen Türen an der Wand der Halle zusteuern wollte, erregten, die Flüchtlinge, die da von den Wachposten unter die Lupe genommen worden seine Aufmerksamkeit. Zwei von ihnen waren ganz klar Menschen, die Frau von ihnen sogar noch ziemlich jung, auf jeden Fall trug sie ihre Jugendlichkeit offener zur Schau als ihr Begleiter. Die dritte Frau, die genervt umherblickte und sich die Seite hielt, war jedoch etwa ganz anderes. Das war die erste Elbin, die er seit 300 Jahren sah.

Verdammt, in jeder ihrer fließenden Bewegungen lag ihre edle Herkunft, jeder Zoll von ihr zeugten von ihrer elbischen Abstammung,  ebenso wie Alvias konnte man ihr es auf den ersten Blick ansehen, dass sie eine Tochter des Waldes war.
Und wie bei Alvias mochte Carracáin dieses „typisch Elbische“ eigentlich ganz und gar nicht. Das war schon wieder das, wovor er aus seiner Sielung geflohen war.
Allerdings – rief er sich in Erinnerung – war Alvias ja ein ganz guter Kerl gewesen, mit dem man gut reden konnte. Warum nicht auch diese Elbin?
Und beklommen ging er zu dem Grüppchen hin.
„Ähm, kann ich irgendwie helfen?“ sprach er sie an.

Ruckartig drehte sich die Elbin zu ihm hin, ihre glatten schwarzen Haare fielen ihr in das Gesicht, und smaragdgrüne Augen blitzen darunter hervor.
Wie die Augen von Yolanda..
„Wer bist du? Ja kannst du. Du wüsstest nicht zufällig, wo man sich hier medizinisch versorgt?
Und könntest du diesen borníerten Dickschädeln hier mal bitte erklären, dass Elben für gewöhnlich nicht auf Seiten Saurons verkehren?"

Carracán schürzte die Lippen. "Das könnte ich tun.", anwortet er, und hob amüsiert eine Augenbraue.

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