Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rohan

Die Furten des Isen

<< < (2/2)

Fine:
Kerry und Aéd aus Aldburg


Nach einem kurzen Zwischenstopp in Edoras, bei dem Aéd den Fortschritt des Wiederaufbaus der Goldenen Halle von Meduseld inspiziert hatte, war die Reisegruppe der Dunländer im raschen Tempo durch die Westfold weiter in Richtung ihrer Heimat gereist. Aéd war zufrieden mit seinem Besuch in Rohan, wie er Kerry anvertraute.
"Es ist das erste Mal in der Geschichte unserer beiden Völker, dass ein Herrscher Dunlands mit friedlichen Absichten den Isen überschreitet," sagte er mit einem gewissen Stolz in der Stimme. "Domnall und seine Leute sind in in Edoras mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Schon bald werden die Rohirrim das Dach der Königshalle decken können. Meduseld wird zu einem Symbol der neuen Freundschaft zwischen den Rohirrim und den Dunländern werden."
"Die uralte Verfeindung unserer Länder zu überwinden wird nicht leicht werden," sagte Kerry, "doch ich weiß, dass du das Richtige tust. Diesseits und jensseits des Isen ist genug Blut vergossen worden - sowohl von den Rohirrim als auch von den Dunländern."
"Es ist so wie es mein Vater gewollt hätte," murmelte Aéd nachdenklich, doch dabei lächelte er. "Er hatte stets das Beste für sein Volk im Sinne. Und etwas besseres als anhaltenden Frieden kann ich mir nicht vorstellen."
Kerry nickte. "Ich habe Forath kaum kennenlernen können, doch ich kenne dich, und ich kenne deine Schwestern. Seine Weisheit und Güte leben in euch fort."
Aéd zog bei diesen Worten die Augenbrauen hoch. Sie saßen inmitten einer kleinen Baumgruppe, die ihnen etwas Schutz vor dem Schneetreiben bot und rasteten in der wärmenden Mittagssonne. Seitdem sie Edoras hinter sich gelassen hatten, hatte es ununterbrochen geschneit. Bis jetzt waren die Flocken noch klein und der Schnee sammelte sich erst an einigen wenigen Stellen auf den grasigen Ebenen Rohans, doch Kerry wusste, dass der Winter nun endgültig da war. Schon bald würde das Jahr enden und ein neues würde beginnen.
Als sie Aéds verwunderten (oder spöttischen) Blick bemerkte, legte Kerry den Kopf schief. "Was?" fragte sie.
"Du hast zu viel Zeit bei den Elben verbracht, so wie du da redest," neckte er sie. "Weisheit und Güte? Ich hatte eher gehofft, dass du auf das gute Aussehen meines Vaters anspielst, das ich geerbt habe."
"Das könnte dir so passen," erwiderte Kerry und versetzte Aéd einen spielerischen Schlag gegen die Brust. Er ergriff ihre Unterarme und hielt sie fest, doch sie ließ nicht locker und wehrte sich gegen Aéds starken Griff. Es half ihr nichts. Nachdem sie beide einmal quer durch das kühle Gras gerollt waren, fand sich Kerry auf dem Rücken wieder. Aéd - noch immer ihre Handgelenke haltend - starrte sie von oben aus seinen dunklen, braunen Augen an. Unbewusst hielt Kerry den Atem an. Ihre Wangen waren so heiß, als würden sie glühen. Seinen Körper so nahe an ihrem zu spüren ließ sie alles um sich herum vergessen. Aéds Lippen öffneten sich einen Spaltbreit. Da hielt sie es nicht mehr aus und küsste ihn leidenschaftlich.

Jemand räusperte sich und Aéd fuhr hoch. Kerry kam es vor, als wäre sie jäh aus einem wohligen Traum gerissen worden oder wäre aus einem tiefen, warmen See aufgetaucht. Sie schnappte nach Luft, als sie hörte, wie Domnalls Stimme sagte: "Ich störe ja wirklich nur ungern, aber... wenn wir die Furten des Isen vor Sonnenuntergang erreichen wollen, müssen wir jetzt wirklich aufbrechen."
"Äh... ja, natürlich, Domnall. Du hast selbstverständlich Recht," sagte Aéd, der nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder zu seiner gewohnten Selbstsicherheit und Autorität zurückfand. "Die Krieger sollen sich bereit halten. Ich werde nur eine Minute brauchen."
"Wie du befiehlst, Wolfskönig."
Aéd bot Kerry die Hand an. Rasch griff sie zu und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. Ihre Gesichter kamen sich dabei noch einmal ganz nahe und Aéd flüsterte: "Merk dir den Punkt, an dem wir aufgehört haben. Ich habe vor, genau dort weiterzumachen."
"Wann?" erwiderte sie leise. Fordernd. Bittend.
"Bald," versprach er ihr.
Sie stiegen in ihre Sättel und die Gruppe sammelte sich hinter ihnen. Aéd gab das Signal zum Aufbruch und sie setzten sich nach Westen in Bewegung.

Im Lager der rohirrischen Grenzwächter planten sie die Nacht zu verbringen, um am folgenden Tag die Grenze nach Dunland zu überschreiten. Man hieß sie mit derselben Mischung aus Argwohn und Vorsicht willkommen, wie sie Aéds Dunländern wohl überall in Rohan entgegen geschlagen war. Königin Éowyn hatte dem Wolfskönig zwar freies Geleit in der Riddermark gewährt und ihr Volk zollte der Weißen Herrin genügend Respekt, um sich auch daran zu halten, doch trotzdem war Freundlichkeit den Dunländern gegenüber rar gesät. Kerry konnte zwar gut verstehen, woran das lag - immerhin hatten die Dunländer im Dienste Sarumans die Westfold verwüstet - doch sie konnte nicht verhindern, dass Verärgerung darüber in ihr aufstieg. Wenn sie doch nur verstehen würden, dass Aéd gute Absichten hat, dachte sie, während sie ihr Gepäck in einem der Zelte verstaute, das man Aéds Gruppe zugewiesen hatte. Wenn sie ihn kennen würden, würden sie ihm mit der Freundlichkeit und dem Respekt begegnen, den er verdient hat.
Sie nahmen ein einfaches Abendessen zu sich, das aus etwas heißer Suppe mit Brot bestand. Die Nächte waren in den letzten Wochen immer kälter geworden, weshalb Kerry froh über die wärmespendende Suppe war. Da sie am folgenden Morgen früh aufbrechen wollten, um genug Zeit für den Ritt nach Tharbad zu haben, legten sie sich früh schlafen. Kerry lag nahe des Eingangs des Zeltes, in Aéds Nähe, doch da sie im Inneren des Zeltes bei Weitem nicht alleine waren, tauschten sie keine weiteren Berührungen aus. Aéds Leute schienen den Fakt, dass ihr Anführer ein Mädchen aus Rohan liebte zwar akzeptiert zu haben, doch Kerry war durchaus aufgefallen, dass sie von einigen der Dunländer bisweilen noch immer misstrauisch beäugt wurde. Sie seufzte bei dem Gedanken daran. So haben wohl beide Völker noch immer eine ganze Menge an Abneigung zu überwinden, bis endlich Normalität zwischen uns einkehren kann, dachte sie noch, ehe ihr die Augen zufielen und sie einschlief.

Kerry erwachte davon, dass etwas Schweres grob gegen ihr Bein stieß. Sie blinzelte verschlafen und rieb sich den schmerzenden Unterschenkel, bis sie klarer sehen konnte, was vor sich ging. Offenbar war einer der Dunländer im Dunklen über sie gestolpert. Sie stupste den Mann an, der nun unangenehm neben ihr lag - und schrak zurück, als ihre Hand über eine warme, feuchte Stelle an seiner Schulter und Brust glitt. Von draußen erhellte das Licht einer Fackel einen Teil des Zeltes und Kerry erkannte mit Schrecken, dass ihre Finger mit Blut verschmiert waren. Neben ihr lag ein Toter - einer von Aéds Kriegern - dem man die Kehle durchgeschnitten hatte.
Sie hatte gerade noch genügend Zeit, um Aéd wachzurütteln, der nur einen einzigen Blick auf den Toten werfen musste, um den Ernst der Lage zu erkennen. Der Wolfskönig zog sein Schwert, das neben seinem Schlafplatz gelegen hatte. In diesem Augenblick erhellte sich das Zelt, als der Fackelträger von draußen durch den Eingang des Zeltes hereinkam. Kerry erbleichte, als sie ihn erkannte.
"Sieh mal einer an," sagte Yven, Sohn des Yven, Häuptling des Stammes des Messers. Sein bärtiges Gesicht war von einem hässlichen Grinsen verzerrt. "Der Wolfskönig und seine kleine Forgoil-schlampe. So sieht man sich wieder, Aéd Forathssohn."
"Yven," stieß Aéd zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Was hat das zu bedeuten? Wo sind die Grenzwachen Rohans?"
Der feindliche Häuptling hob zur Antwort seine schwere Axt ins Licht, deren Klinge von Blutspritzern überzogen war. "Ihre Wacht ist zu Ende," sagte er, noch immer bedrohlich lächelnd. "Und wenn ihr ihnen nicht in den Tod folgen wollt, solltet ihr jetzt keine Dummheiten machen. Hoch mit euch!"
"Damit wirst du nicht durchkommen, Yven. Die Rohirrim werden sich dafür rächen, und die Dunländer ebenso," drohte Aéd, während er und seine Leute mit erhobenen Händen das Zelt verließen. Kerry, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, wurde von Yven persönlich auf die Beine gerissen und schmerzhaft festgehalten. Um sie herum versammelten sich nun Yvens Leute, allesamt finster drein blickende Dunländer vom Stamm des Messers.
"Die Rohirrim haben im Augenblick ganz andere Sorgen," erwiderte Yven mit unerträglich guter Laune. "Und die Dunländer werden schon bald erkennen, dass ihr sogenannter Wolfskönig sie nur in die Irre geführt hat."
"Lass sie sofort los, sonst..." knurrte Aéd.
"Sonst was? Was wirst du tun, kleiner Wolf? Eine falsche Bewegung, und du wirst es bereuen." Wie um seine Worte zu unterstreichen legte einer der Krieger vom Stamm des Messers Aéd eine blutige Klinge an die Kehle.
Kerry sah, wie Aéd notgedrungen seine Wut unterdrückte und sich abführen ließ. Dann zog ihr jemand ein schweres Tuch über den Kopf und sie sah nichts mehr. Man band ihr die Hände auf den Rücken und hievte sie auf ein Pferd, welches sich kurz darauf in Bewegung setzte und sie an einen fremden Ort trug...


Kerry und Aéd als Gefangene in Yvens Verließ

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln