Córiel und Vaicenya aus den Wäldern LothlóriensDie grüne Mauer, die Caras Galadhon einst umgeben und geschützt hatte, bestand nicht mehr. Nach der großen Explosion, die während Sarumans Belagerung der Stadt ein gewaltiges Loch in den nordwestlichen Teil der Mauer gerissen hatte, war der Rest von den Orks Morias rasch niedergerissen worden, um Platz für ihre Werkstätten zu schaffen. Der Boden war entweder schwarz und verrußt oder bestand aus festgetrampelter Erde. Bäume standen nur noch ganz im Zentrum der Stadt, wo einst der Wohnsitz des Herrscherpaares der Galadhrim gewesen war, sowie etwas weiter südöstlich, wo ein umzäunter Garten lag.
Córiel war in all ihren Jahren nur wenige Male in Caras Galadhon gewesen, aber dennoch ging ihr die systematische Zerstörung dieses einst wunderbaren Ortes nahe. Sie wusste, wie es hier vor Sarumans Ankunft ausgesehen hatte und welche Wunder man hier hatte bestaunen können.
Die Straße, der sie entlang des Celebrant bis hierher gefolgt waren, führte bis zu einer Brücke, die Córiel an Moria erinnerte. Ebenso wie die aus Stahl geschmiedete Brücke, die den Abgrund jenseits der Ersten Halle nun überspannte war auch diese Konstruktion, die sie nun rasch überquerten beinahe gänzlich aus Metall gefertigt. Das Zeichen der Weißen Hand prangte an den stählernen Brückenpfeilern auf beiden Seiten.
Jenseits der Brücke lag das ehemalige Tor Caras Galadhons. Aus Holz zusammengezimmerte Wachstuben standen am Fuße des Hügels, auf dem die Stadt erbaut worden war. Als Vaicenya sich zu erkennen gab, ließen die Orkwachen sie wortlos hindurch und sie begannen, den Hügel zu ersteigen.
Es war am späten Nachmittag, als Córiel den großen Baum erreichte, auf dem Celeborn und Galadriel einst gewohnt hatten. Nun waren sie fort, geflohen in die Sicherheit des fernen Lindons - wo auch Córiels Heimat lag.
Was gäbe ich jetzt für das Rauschen des Meeres in meinen Ohren und den Seewind auf meinem Gesicht, dachte die Hochelbin und schloss für einen Moment die Augen. Ihr Schiff, die
Sternenjägerin, lag seit dem Beginn des Krieges in einem der kleineren Häfen Forlindons und wartete auf sie. Doch solange sie nicht mit Vaicenya fertig geworden wäre, konnte Córiel nicht gehen. Die See würde warten müssen.
Vaicenya hatte sich in das verdorrte Gras gesetzt, mit dem Rücken an den mächtigen Stamm des großen Mallorns gelehnt, der auf der Hügelspitze thronte. Sie blickte nachdenklich zur Krone des Baumes hinauf, durch dessen Äste das Sonnenlicht hin und wieder strahlte, wenn es seinen Weg durch die dichte Rauchwolke fand, die über der Stadt hing. Die meisten Werkstätten waren im Süden Caras Galadhons errichtet worden, in der Nähe des Flusses, wo Waffen und Rüstungen auf Boote geladen wurden und zum Düsterwald hinüber transportiert wurden. Deshalb war der Rauch im Zentrum der Stadt nicht ganz so dicht.
“Heute Nacht werden die Maschinen zur Abwechslung schweigen,” sagte Vaicenya plötzlich. “Heute Nacht müssen die Sterne über uns leuchten.”
“Und was, wenn es regnet?” fragte Córiel.
“Dann werden wir warten,” erwiderte Vaicenya. “So einfach ist das. Ich bin zu weit gekommen, um jetzt, kurz vor dem Ziel einfach aufzugeben.”
“Du hast mir noch immer nicht gesagt, was dein Ziel eigentlich ist,” versuchte Córiel der Dunkelelbin ein paar Details zu entlocken.
“Wenn du es bis jetzt nicht schon selbst herausgefunden hast, hoffe ich umso mehr, dass es funktioniert,” antwortete Vaicenya geheimnisvoll. “Ich ertrage es nicht länger, dich so zu sehen.” Sie stand auf und hielt den Blick nach Südosten gerichtet. “Sei unbesorgt, meine Liebe. Bald wird alles so sein, wie es früher war. So, wie es sein sollte.”
Mit diesen Worten ließ sie Córiel voller unbeantworteter Fragen zurück und verschwand in Richtung der Werkstätten, wo ein großer hölzerner Turm aufragte. Von der Spitze hing das Banner der Weißen Hand herab.
Der Nachmittag und der Abend vergingen, ohne dass Vaicenya wieder auftauchte. Córiel verspürte keine große Lust, nach ihr zu suchen oder sich das Ausmaß der Zerstörung Caras Galadhons anzusehen, also blieb sie wo sie war. Die uralte Rinde des Mallorn fühlte sich sonderbar tröstlich unter ihren Fingern an, als sie die Hand an den Stamm legte. Gerne wäre sie hinauf geklettert, um dem Rauch für einige Zeit zu entfliehen, doch die gewundene Treppe, die einst rings um den breiten Stamm geführt hatte, war entfernt worden. Córiel blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Als die Sonne gerade untergegangen war, fiel Córiel auf, dass der Lärm der Werkstätten im Süden und Westen mehr und mehr zum Erliegen gekommen war. Sie stand auf und warf vorsichtige Blicke in Richtung des Flusses und stellte fest, dass die Arbeiter-Orks tatsächlich damit begonnen hatten, die Maschinen außer Betrieb zu nehmen. Die Feuer in den Schmelzöfen wurden gelöscht und die großen Zahnräder, die sich schier unermüdlich gedreht hatten, kamen zum Stillstand. Und langsam, aber sicher verzog sich der Rauch, der wie eine schwarze Wolke über der Stadt gehangen hatte. Córiel schaute nach oben und sah tatsächlich Sternenlicht durch die Baumkrone des Mallorn blinken.
Vaicenya tauchte in der Nähe auf, von Süden herankommend. Sie trug ihre silberne Rüstung sowie einen langen, tiefblauen Umhang, den Córiel noch nicht kannte. Unter dem Arm hielt sie ein Bündel aus Stoff. Der Kopfschmuck der Dunkelelbin lag auf ihrer Stirn und hätte sie weise und edel wirken lassen, wenn ihr Gesichtsausdruck sie nicht Lügen gestraft hätte. Vaicenyas Miene war beinahe neutral, doch in ihren Augen loderte ein feuriges Verlangen, das Córiel zurückschrecken ließ.
“Wovor hast du Angst?” wisperte Vaicenya, als sie nur noch wenige Meter entfernt war. “Es gibt nichts zu befürchten. Spürst du nicht die Spannung, die in der Luft liegt? Dieser Ort ist etwas Besonderes.” Sie ergriff Córiels Hand. “Komm. Es ist an der Zeit.”
Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, ließ sich Córiel von Vaicenya den Hügel hinab führen, nach Südosten, bis sie an das Tor des umzäunten Garten kamen. Córiel war erstaunt, dass dieser Ort inmitten all der Verwüstung unangetastet geblieben war.
“Nicht einmal Saruman ist dumm genug, um einfach zu vergeuden, was hier schlummert,” beantwortete Vaicenya die unausgesprochene Frage. “Niemand bis auf des Zauberers engste Vertraute hat hier Zutritt. Wir werden absolut ungestört sein, dafür habe ich gesorgt.”
Vaicenya schloss das Tor auf und sie stiegen eine gewundene Treppe hinab, die entlang mächtiger Baumwurzeln erbaut worden war. Im Zentrum des Gartens bahnte sich ein Rinnsal seinen Weg durch die Pflanzen, das wohl einst ein Bach gewesen war. Jetzt führte es nur noch sehr wenig Wasser, das über einen breiten Felsen hinab in ein steinernes Becken fiel.
“Das Einzige, was Saruman diesem Ort hinzufügte, war dies,” erklärte Vaicenya mit Blick auf ein weiteres kreisrunde, ungefähr einen Meter breite Becken, das direkt unterhalb des kleinen, natürlichen Teiches lag, in dem sich das Wasser sammelte, bis es auf der Rückseite wieder austrat und zwischen zwei Büschen verschwand. Vaicenya griff an den Rand des oberen Beckens und löste eine Metallplatte heraus. Wasser strömte durch die entstandene Lücke in das untere, von Saruman dort platzierte Becken und füllte es langsam.
Vaicenya entpackte das Bündel, das sie mit sich getragen hatte. Es war ein schlichtes, hellrotes Elbenkleid mit langen Ärmeln. Sie hielt es Córiel hin. “Zieh es bitte an,” sagte die Dunkelelbin. Nach einigem Zögern tat Córiel, worum sie gebeten worden war. Sie fühlte sich schutzlos ohne ihre Rüstung und fragte sich, was als nächstes geschehen würde.
“Es ist soweit,” sagte Vaicenya kurz darauf und verschloss den Zugang des Wassers wieder, sodass kein Wasser mehr in das Becken floss, sondern wieder wie zuvor am unteren Rand des Felsens ins Gras lief. “Sieh hinein, meine Liebe. Sieh hinein! Was siehst du?”
Córiel kniete sich an den Rand des Beckens. Das Wasser war regungslos und schwarz. “Ich sehe nichts,” antwortete sie. In dem Augenblick tauchten einer nach dem anderen wie kleine Lichtpunkte inmitten der Finsternis die Reflektionen der Sterne auf, die über dem Garten standen.
Vaicenya, die neben ihr stand, gab ein erleichtertes Geräusch von sich. “Da sind sie,” hauchte die Dunkelelbin. “Nach all den Äonen sind sie als Einzige noch immer dieselben. Unverändert seit jenem Tag, an dem ich sie zum ersten Mal erblickte. Sieh hin! Siehst du, wie sie dich anblicken? Spürst du ihr Licht auf deiner Haut, auf deinem Gesicht?”
“Ich spüre...
etwas,” antwortete Córiel, die sich tatsächlich sonderbar fühlte. Das Wasser übte eine enorme Anziehungskraft auf sie aus.
“Berühre es,” drängte Vaicenya sie. “Berühre das Wasser. Na mach schon.”
Córiel streckte vorsichtig einen tastenden Finger nach der Wasseroberfläche aus. Sie hatte erwartet, dass es kalt sein würde, doch es erwies sich als angenehm warm, als ihr Zeigefinger in das schwarze Wasser eintauchte. Die Hochelbin spürte ihren Herzschlag in ihrer Brust pulsieren. Noch immer sah sie nichts als die Sterne inmitten der Schwärze des Beckens, das nun von kleinen, ringförmigen Wellen durchzogen wurde, die von Córiels Finger ausgingen.
“Deine Hand,” wisperte Vaicenya dicht neben ihr. Auch sie hatte sich nun hingekniet und starrte wie gebannt auf das Wasser, als würde sie dort mehr sehen können als es Córiel tat.
Langsam tauchte Córiels Hand in das Wasser ein. Sie war überrascht, wie tief es war. Ihre Finger erreichten den Boden des Beckens erst, als ihr Arm bis zum Ellenbogen im Wasser verschwunden war. Sie hatte sich vorgebeugt, über den Rand des Beckens hinweg.
Vaicenya nahm Córiels freie Hand und führte sie sanft, aber bestimmt auf die Wasseroberfläche zu. Dann ließ sie los, darauf bedacht, das Wasser selbst nicht zu berühren. Auch wenn sich Córiel darüber wunderte, verschwendete sie nur einen kurzen Gedanken daran. Noch immer war sie fasziniert von dem warmen Becken, in das nun ihre zweite Hand eintauchte und auf dem Grund liegenblieb.
“Das ist es,” flüsterte Vaicenya. “Das ist der Moment, auf den ich so lange gewartet habe...”
Sie packte Córiel an den Schultern und stieß sie heftig vorwärts und abwärts. Ihr Kopf durchstieß die Wasseroberfläche.
Córiel war zu überrascht, um zu reagieren. Etwas war mit ihr geschehen, das sie nicht verstand. Es lähmte sie und ließ sie kaum Widerstand leisten. Vaicenya drehte sie im Wasser herum, ihre Hände immer nur kurz im Becken haltend. Córiel konnte die Dunkelelbin jetzt sehen, wie sie über ihr kniete und sie unten hielt. Noch immer war sie unfähig, sich ernsthaft zu widersetzen. Die einladende Wärme, die sie umfing, hielt die Hochelbin in ihrem lähmenden Bann gefangen. Doch dann ging ihr die Luft aus und das brachte sie schließlich doch dazu, gegen Vaicenyas Griff anzukämpfen. Das Licht der Sterne über ihr war unangenehm hell geworden und blendete Córiel, während sie versuchte, sich aufzurichten. Vaicenya stieß sie immer wieder zurück, einen zu allem entschlossenen Ausdruck im Gesicht. Córiels Kräfte schwanden. Noch einmal bäumte sie sich auf, von Verzweiflung getrieben und wäre fast erfolgreich gewesen, wenn Vaicenya nicht ihre Schultern gepackt hätte und sie mit aller Macht unter Wasser gehalten hätte.
Schwärze erfüllte den Rand ihres Sichtfeldes. Eine Finsternis, die sich rasch ausbreitete. Ihre Lunge schien platzen zu wollen. Sie sah noch, wie zwei undeutliche Gestalten hinter Vaicenya auftauchten und die Dunkelelbin fortzerrten, doch für Córiel war es zu spät. Kraftlos taumelte sie rückwärts, bis ihr Hinterkopf sanft auf dem Boden des Beckens aufschlug. Alle noch verbliebene Luft entwich aus ihrem geöffneten Mund, und Wasser strömte hinein.
Als Córiel wieder zu sich kam, war das Erste, was sie spürte, die sie umgebende Wärme. Sie lag auf dem Rücken, auf weichem Boden, der sich nach vorsichtigem Tasten als Sand herausstellte. Zu ihrer Überraschung stellte Córiel fest, dass ihr Körper und das einfache Kleid, das sie noch immer trug, trocken waren.
Sie öffnete träge die Augen. Das erste, was sie sah, waren die Sterne über ihr. Tröstlich leuchteten sie dort am dunklen Himmel, als wäre nichts geschehen. Dann schob sich ein Gesicht in Córiels Sichtfeld. Es war Vaicenya.
“Hallo,” sagte sie leise.
Córiel versuchte, die Begrüßung zu erwidern, doch ihr blieb das Wort im Mund stecken. Als hätte sie es noch nie gekannt. Sie wiederholte, was Vaicenya gesagt hatte, doch das “Hallo” kam ihr nur schwerfällig über die Lippen.
Vaicenya half ihr, sich in eine sitzende Position aufzurichten. Neugierig blickte sich Córiel um. Sie befand an einem lang gezogenen Strand, am Ufer eines großen, dunklen Gewässers. Und sie war nicht allein: rings um sie herum gab es weitere Elben in ähnlichen Gewändern, die gerade einer nach dem anderen auf die Beine kamen. Es waren ungefähr dreißig an der Zahl. Eine weitere, kleinere Gruppe half ihnen hoch und redete beruhigend auf sie ein - Elben, die ähnlich wie Vaicenya gekleidet waren, in feste Lederkleidung und mit silbernem Kopfschmuck im Haar.
“Ich bin Vaicenya von den Tatyar,” sagte Vaicenya. “Wie lautet dein Name?”
Erneut fiel die Antwort Córiel enorm schwer. Es war, als kämen die Worte zum allerersten Mal aus ihrem Mund.
“Ich... bin... Melvendë.”
“Was für ein schöner Name,” antwortete Vaicenya mit einem Lächeln. “Er passt zu diesem schönen Tag. Es geschieht nicht mehr allzu oft, dass wir eine weitere Gruppe Erwachter finden. Unser Volk ist schon beinahe vollständig, wie es scheint. Und doch senden sie uns wieder und wieder an die Ufer, damit niemand übersehen wird.”
Vaicenya zog sie auf die Beine und Córiel war überrascht, wie unsicher sie zunächst dastand. Ihr kam alles neu vor, selbst einfache Dinge wie die Sterne, das Wasser und der Wald hinter ihr, der bis an den Rand des Strandes heran reichte. Je mehr sie Vaicenya zuhörte, die ihr davon berichtete, wie ihre Gruppe diesen Strand entdeckt hatte, desto leichter fiel es Córiel, ihre Gedanken in Worte zu fassen und eigene Sätze zu bilden. Sie nahm Vaicenyas Hand und ließ sich von ihr zum Waldrand führen, wo sich die Elben beider Gruppen nun zu sammeln begannen.
“Wir bringen euch zu den anderen,” sagte Vaicenya geradezu fröhlich. “Dazu müssen wir nur den vielen Bächen folgen, die diesen Wald durchziehen, bis wir an den Fuß der Berge kommen. Es ist ein weiter Weg, aber nicht gefährlich. In diesem Land gibt es nichts, was uns bedroht.”
Córiel wollte ihr gerade folgen, doch sie stellte fest, dass sie sich nicht bewegen konnte. Die Sterne über ihr hatten wieder einen unangenehm hellem Schein angenommen.
“Was ist los?” fragte Vaicenya verwundert. “Was ist mit dir?”
Ehe Córiel noch antworten konnte, wurde es ihr schwarz vor Augen.
Tochter der Steinstadt, höre meine Stimme. Kehre zurück ins Licht. Kehre zurück in die Welt, wie sie wirklich ist. Lass die Illusion der Vergangenheit dich nicht länger gefangen halten. Erwache!
Die Stimme war wie von fern an Córiels Ohren gedrungen und riss sie aus der Finsternis zurück in die Wirklichkeit. Sie keuchte, schnappte angestrengt nach Luft und riss die Augen auf. Jemand hatte sich über sie gebeugt. Ein alter Mann in tiefblauen Gewändern. Er strahlte Ruhe aus, aber auch Besorgnis. Hinter ihm wurde eine breitschultrige Gestalt sichtbar, deren Arme sich rhythmisch vor und zurück bewegten. Strömendes Wasser war zu hören. Und da wurde Córiel klar, dass sie sich auf einem Boot befand.
“Sie ist wach,” sagte der alte Mann ernst. “Sind wir weit genug vom Westufer entfernt?”
“Ich hoffe es. Ich hasse es, dass wir dieses Miststück nicht erledigt haben als wir die Gelegenheit dazu hatten, Eldsten.” Córiel erkannte seine Stimme.
“Jarbeorn!” entfuhr es ihr und sie richtete sich vorsichtig ein wenig auf, um ihn besser sehen zu können. Der Beorninger saß im Bug des kleinen Ruderbootes und brachte es mit mächtigen Zügen voran. Er begegnete ihrem Blick zunächst etwas unwirsch, doch dann sah sie, wie seine Miene weicher wurde.
“Stikke,” sagte er, schon fast zärtlich für seine normalerweise raue Art. “Siehst du es jetzt endlich ein? Ohne mich gerätst du von einer Schwierigkeit in die nächste. Du hättest mich nicht zurücklassen sollen.”
“Es tut mir Leid, Jarbeorn,” brachte sie hervor, ehe es ihr die Kehle zuschnürte.
“Du wärst aufgeschmissen gewesen, wenn Eldsten und ich nicht gewesen wären. Wir haben dich in letzter Sekunde da rausgeholt. Was auch immer dieses Hexenweib mit dir vorhatte, es war...”
Der alte Mann hob die Hand und brachte den Beorninger zum Schweigen. “Genug für den Moment. Sie braucht Ruhe. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist unsere Flucht inzwischen bemerkt worden. Vermutlich ist diese widerspenstige Elbin dort drüben aus ihrer unfreiwilligen Ohnmacht erwacht, in die du sie versetzt hast, mein Freund.”
“Ich wünschte, ich hätte sie ins
Jenseits versetzt,” brummte Jarbeorn verdrossen.
“Wir müssen rasch ans andere Ufer gelangen und dann ein Versteck finden. Ich glaube, ein alter Freund von mir hat hier ganz in der Nähe einen seiner Wohnsitze. Wenn wir dort sind, können wir reden.”
“Also gut. Ich lege mich ins Zeug. Bleib du mir ja wach, Stikke! Ich werde dich tragen, wenn es sein muss, aber wenn du laufen kannst, kommen wir schneller voran.”
Ein Pfeil zischte dicht über Jarbeorns Kopf hinweg und der Beorninger fluchte. Vom jenseitigen Ufer drang ein lauter Hornstoß hinüber und Córiel bildete sich ein, einen fernen, verzweifelten Schrei gehört zu haben. Sie erschauderte.
Córiel, Jarbeorn und Pallando in den Düsterwald