Mathan blickte seinem Freund hinterher, als er zusammen mit Arwen die Halle des Feuers verließ. Er selbst ließ sich auf einem bequemen Stuhl nieder, den Elrond ihm anbot. Das Feuer prasselte angenehm und der Hausherr eröffnete das Gespräch: "Wie ist es dir ergangen? Ich entnehme dem Bericht, dass ihr viel zu tun hattet, nach unseren Gespräch in Aldburg. Selbst die Pläne über Eregion nehmen Form an, wie man so hört..."
Mathan bemerkte sofort, dass Elrond immer auf dem neuesten Stand war, aber das wunderte ihn nicht, denn der Herr von Bruchtal war dafür bekannt Dinge zu erfahren, lange bevor sich die Nachrichten verbreiten.
"Das ist auch der Grund, warum ich nicht mit dem Gespräch warten möchte", sagte er und erhielt ein Nicken Elronds zum weitersprechen: "Damals habt ihr mir Dinge über meine Familie erzählt..." Mathan machte eine kurze Pause und bemerkte, wie sein Gegenüber die Brauen zusammenzog. "Kennst du den Namen Ringelendis?"
"Ich... bin mir nicht sicher, was das bedeuten soll", antwortete Elrond nach kurzen Zögern und rang sich dann doch dazu durch offen zu sein, "Dein Onkel bat mich damals absolutes Stillschweigen über diesen Namen zu bewahren."
"Deswegen die Lüge über Finvain?", stellte Mathan fest, jedoch nüchtern, ohne Zorn.
Elrond nickte langsam und seufzte schließlich, ehe er sich ebenfalls niederließes. "Deine Mutter hat mich darum gebeten. Sie wollte nicht, dass man zu viel über ihre Herkunft weiß. In deinen Augen sehe ich, dass du nun weißt wohin dich dein Weg führt, deswegen kann ich es dir nun erzählen. Es ist lange her, aber ich traf deine Eltern schon einmal, aber damals war ich zu klein um mit ihnen zu sprechen."
Mathan runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, bis er sich an ein Gespräch mit seinem Vater erinnerte. "Amarin erzählte mir einst, dass er Irloê in Gondolin traf."
"Das hat er mir später auch erzählt, denn das erste Mal sah ich die beiden an den Mündungen des Sirion", bestätigte Elrond düster und versank in Schweigen. Mathan wusste warum, denn das dunkle Kapitel in der Geschichte der Elben war ein unausgesprochenes Tabu. Es verwunderte ihn nicht, dass Amarin ungern über seine Vergangenheit sprach.
"Das ist es aber nicht, was ich für mich behalten sollte, sondern das, was ich damals sah", brach Elrond das Schweigen und trank aus einem schlanken Kelch, "Deine Mutter befand sich unter den Überlebenden aus Gondolin, aber dein Vater nicht. Sie trafen sich dort wieder und das nach einer langen Zeit, so wie es für mich damals aussah."
"Das ist so lange her, wie kannst du dich daran erinnern?", fragte Mathan verwundert und scherte sich nicht darum, dass er die persönliche Ansprache nutzte, denn Elrond tat es ihm gleich.
"Nun, es war eine der düstersten Stunden meines Lebens, so Etwas brennt sich in das Gedächtniss. Besonders wenn sich im all dem Chaos zwei Liebenden wiederfinden. Leider weiß ich nicht mehr darüber, denn wie gesagt: Ich war noch sehr jung. Es sind nur Bruchtteile, Bildfetzen wie ein zersprungener Spiegel."
Mathan nickte verstehend und bohrte nicht weiter, auch wenn er irgendwie das Gefühl hatte, dass Elrond den Namen Ringelendis kannte. Doch der Herr Imladris wechselte das Thema: "Wie ist es deinem Vater in all der Zeit ergangen? Ich war schon in Sorge, aber mir war nicht klar, wo er sich befand, denn meine Sicht war getrübt."
"Es geht ihm mehr oder weniger gut...", antwortete Mathan leise und überlegte kurz, zog dann aber die Waffe von seinem Rücken, "Zumindest so gut, dass wir zusammen wieder die Hämmer schwingen konnten." Den letzten Satz sagte er mit einem verschmitzten Lächeln und reichte Elrond
Maltahal, der den verlängerten, stabähnlichen Griff packte und bewundernd die lange Klinge betrachtete.
"Eine hoch qualitative Arbeit", bemerkte Elrond anerkennend, "Die Größe eines Langschwerts, Stichvermögen eines Speeres. Ich schätze man führt es hauptsächlich zweihändig."
Mathan nickte stolz, nahm die Waffe wieder an sich und verstaute sie. Sogleich fing er an zu berichten was seinem Vater zugestoßen war. Der Herr Bruchtals lauschte aufmerksam und stellte manchmal ein paar Zwischenfragen zum besseren Verständnis. Mathan schloss mit dem Worten: "Nachdem Kampf in der Schmiede scheint sein Geist sich wieder zu erholen und er wird wieder ganz der Alte, auch wenn einige Charakterzüge anders sind."
"Solch ein Eingriff in die Persönlichkeit hinterlässt immer Spuren", bestätigte Elrond und überlegte kurz, "Wenn Amarin mag, kann er sich gerne hier in Bruchtal erholen. Die Tore stehen jedem offen, der Ruhe und Frieden sucht."
Mathan verneigte sich knapp und bedanke sich in seines Vaters Namens für das Angebot, erklärte aber, dass dieser lieber ein Auge auf die Dinge in Eregion habe.
Elrond nickte lächelnd und sprach: "Das ist verständlich, immerhin hat er gerade erst seine Enkelin kennengelernt und seine Heimat wird auf ein Neues bevölkert. Jeder würde dort bleiben wollen und sich daran beteiligen."
Mathan entging nicht die Andeutung auf sich selbst, ging jedoch nicht darauf ein, sondern antwortete: "Das stimmt, er hat einen großen Erfahrungsschatz und viele Geheimnisse..."
Sie verstummten einen Augenblick und ein blonder Elb brachte eine Karaffe mit einem leichten Wein. Mathan gönnte sich ein kleines Glas und nippte daran, nachdem er sich eingegossen hatte. Elrond tat es ihm nach und sagte nach einer kleinen Stille: "Nun, manche Geheimnisse müssen sein, aus Schutz oder weil man noch nicht bereit für manche Dinge ist."
"Meister Elrond", begann Mathan plötzlich und setzte sein Glas ab, "Habt ihr je etwas von Saphirtoren gehört?" Ihm war aufgefallen, dass Amarin das einmal erwähnte und es so formuliert hatte, dass sie etwas Besonderes waren. Der Angesprochene zog jedoch überrascht eine Braue in die Höhe und stellte ebenfalls sei Glas ab. "Das ist eine schwierige Frage. Ich habe davon nur ein einziges Mal gehört. Damals ging es um einen uralten Bericht aus dem Norden, doch mehr weiß ich nicht darüber. Es erschien uns nicht wichtig, warum fragst du?"
"Nur aus Neugierde, ich hab nur mal Etwas darüber gelesen.", winkte Mathan ab und versank im Gedanken. Ihm war klar, dass Elrond ihn skeptisch musterte, denn es war offensichtlich, dass er mehr wuste, doch Mathan wollte die Saphire nicht mit seiner Mutter in Verbindung bringen.
"Der Bericht stammte von einer Expedition in den kalten Norden, nach dem Wandel der Welt. Ich könnte dir die genaue Richtung nennen, wenn es dir helfen würde", riss Elrond ihn aus dem Gedanken, woraufhin Mathan ihn überrascht anblickte. "Es ist offensichtlich, dass du ein klares Ziel vor Augen hast und dieses Saphirtor irgendwas damit zu tun hat."
"Ich werde mit Sicherheit darauf zurückkommen", sagte Mathan dankend und wechselte das Thema: "Könnte ich dich um einen Gefallen bitten?"
"Das kommt auf die Art des Gefallens an", antwortete Elrond sogleich und nippte an seinem Glas, während er ihn über den Rand des Gefäßes anblickte.
Mathan schmunzelte und trank ebenfalls ein kleinen Schluck des süßen Weins, der einen samtigen Abgang hatte. "Wenn du meine Schwestern wiedersiehst, könntest du ihnen ausrichten, dass sie mir nicht folgen sollen?"
Elrond setzte das Glas ab und faltete die Hände. "Ich kann es versuchen, aber warum soll gerade ich das machen und nicht dein Vater in Eregion, wo sie womöglich zuerst auftauchen werden? Außerdem hätte ich eine Bedingung..."
Auf Mathans Frage, was das für Eine wäre, hob Elrond eine Hand und sagte nur :"Alles zu seiner Zeit, zuerst würde ich gerne das
warum erfahren."
"Nun, sie sind etwas kompliziert...", begann Mathan und ließ somit seinen Gesprächspartner schmunzeln, "Und sie waren eine ganze Weile lang hier."
Elrond nickte schmunzelnd. "Du hast es also bemerkt, woran?"
"Die Mäntel und die Waffen, als ich sie in Lindon traf", antwortete Mathan, "Außerdem ist es naheliegend, nach Bruchtal zu gehen, von Lórien ausgehend."
"Nun, sie sind zu ihren Onkel gegangen," bestätigte Elrond und erklärte, dass er die beiden Mädchen als Späher einsetzte, wofür sie sich freiwillig gemeldet hatten, "Sie kundschaften für mich die Bewegungen Sarumans aus und halten Ausschau nach möglichen Verbündeten. Wie zum Beispiel den Sternenbund, wobei sich eure Taten bereits herumgesprochen haben." Auf Mathans hochgezogenen Augenbrauen hin, schmunzelte Elrond erneut und sagte: "Saruman verliert an Halt und sein Rückzug bei Fornost war ein Signal. Nachrichten reisen schnell, besonders solche, wenn Elben daran beteilgt waren."
"Ich verstehe nicht, was das mit meinen Schwestern zu tun haben soll", gestand Mathan stirnrunzelnd. Doch Elrond erklärte nur, dass die beiden Frauen Gerüchte streuten und so die Bevölkerung gegen Saruman aufbrachten. Dafür brauchte man so viele Informationen wie möglich. "Außerdem würde die Ankunft der Elben in Eregion ebenfalls einen großen Einfluss auf Eriador haben..."
"Ich denke, wir sollten das erst einmal für uns behalten, die Manarîn müssen erst Fuß fassen. Sie können keine Aufmerksamkeit gebrauchen, auch wenn große Baumeister unter ihnen sind, können sie sich nicht so bald verteidigen, sie sind schutzlos. Die Hwenti erreichen Eregion nur in Schüben, soweit ich weiß. So müssen die Manarîn die Hauptlast tragen, wenn es zu Problemen kommt", wandte Mathan ein, woraufhin Elrond bekräftigen nickte.
"Ich werde sehen, was ich tun kann. Ist es denn absehbar, dass sie sich dem Kampf gegen das Böse anschließen?", fragte der Herr Bruchtals schließlich und klang weder neugierig, noch wertend. Mathan zögerte einen Moment, denn bei seiner Abreise waren die Manarîn noch richtig angekommen und die Hwenti in mehrere Lager gespalten, Eines von Fanathr geführt, die Faelivrin zwar akzeptierten, aber bei Entscheidungen mitreden wollten und andere Elben, die nicht einem Anführer folgten oder noch keine Zeit und Lust hatten sich damit zu befassen. Nach einer Weile sagte Mathan vorsichtig: "Ich denke, dass sie erst eine Zeit brauchen werden. Die Manarîn sind vorbereitet für neue Herausforderungen, die Hwenti nicht. Die Einen flohen vor dem Schrecken, die Anderen weil sie keine Heimat mehr hatten. Ich denke, dass wir in Kontakt bleiben sollten, die Erste unter ihnen wird mit Sicherheit die Wogen glätten und dann kann man weiter planen."
"Eine Erste?", fragte Elrond sofort neugierig und beugte sich etwas vor, "Wie ist ihr Name?"
Mathan beschrieb zusammengefasst Ivyn und woher er sie kannte, auch wie er mit ihr über Halarîn verwand war. Als er endete nickte Elrond, entschuldigte sich für seine Neugierde und wandte sich dem vorherigen Thema zu: "Selbst wenn Eregion sich zurückhält ist es gut zu wissen, dass sich Saruman dort nicht festbeißen kann und die Geheimnisse der Schmiede sicher sind."
"Das sind sie", bekräftigte Mathan und tippte gegen die Waffe auf seinem Rücken, "Mein Vater wacht über sie."
Elrond schien erleichtert und nickte. Er erhob sich und entschuldigte sich mit den Worten: "Es war ein langer Tag, ich werde mich nun etwas zurückziehen."
"Natürlich, habt Dank für das ausführliche Gespräch, Meister Elrond", sagte Mathan freundlich, während er sich erhob. Er senkte leicht den Kopf, woraufhin sich Elrond aus dem Raum zurückzog. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss und Mathan blieb alleine in der Halle des Feuers zurück. Die Wärme des Feuers schien ihm fern und das Knistern der Flammen merkwürdig dumpf. Ein Windzug ging durch eines der großen, offenem Fenster. Mathan atmete tief durch und meinte ein Wispern im Wind zu vernehmen, schob es aber dann auf das Plätschern der Wasserfälle und dem Wind in den Bäumen. Das Gespräch mit Elrond hat viel gebracht, aber auch genauso viele Fragen aufgeworfen. Er kannte nur eine Person, die ihm Antworten konnte, auch wenn er ihn nicht sonderlich mochte. Oronêl hatte kurz seinen Namen erwähnt und auch wenn er ihn nicht oft sah, so gehörte er zur Familie. Mathans Schritte führten ihn in den etwas abgelegeneren Teil von Imladris, bis er an das kleine Haus kam, das er nur selten zu Gesicht bekam. Unterwegs traf er einen Elben, den er flüchtig kannte und erkundigte sich nach Kerry. Natürlich wusste der Mann erst nicht, was Mathan von ihm wollte, doch nach einer kurzen Beschreibung erklärte der Elb, dass das Mädchen bei ihren Freunden war. Was er damit meinte, blieb offen.
Mathan musste gar nicht Klopfen, denn die Tür schwang auf, als er gerade die Hand hob.
"Ah, du bist's, Junge. Ich weiß nicht, ob es gut ist zu sehen oder nicht. Trotzdem heiße ich dich willkommen, tritt ein", erklang die strenge Stimme seines Onkels. Er klang nicht wirklich erfreut, aber auch nicht abweisend und eine Spur Neugierde schwang in seiner Stimme mit.
"Cinad", begrüßte Mathan ihn und betrat das Haus, nach der doch recht freundlichen Einladung, "Mae govannen."
"Was führt dich zu mir?", fragte Cinad nachdem er hinter Mathan die Tür geschlossen hatte.
"Meine Mutter, Ringelendis", antwortete er sofort und bemerkte, wie sein Onkel die Brauen zusammenzog. Der strenge Zug um dessen Mund verschwand jedoch und er ging zu den großen Tisch, der weiter hinten im großen Wohnzimmer stand. Mathan folgte ihm und setzte sich Cinad gegenüber.
Mathan in das Haus von Cinad