Es gibt solche und solche Amateure.
Wir alle werden besser als Künstler, aber daneben wandelt sich auch unsere Geisteshaltung, unser emotionales Verhältnis zu den Ergebnissen (Raschi hat das Schlüsselwort bereits genannt - es lautet
Stolz)
Dieser Post hütet sich davor, irgendwen charakterlich zu verurteilen, wie das in der Vergangenheit leider immer wieder passiert ist. Ich denke, dass man in der Vergangenheit zu übereilten Schlüssen gekommen ist und wir stattdessen das Forenklima selber beleuchten sollten. Genauer, einen Zustand unserer Forenkultur, den nicht nur das Team, sondern die meisten von uns überhaupt teilen - und der das sehr eindimensionale Feedback ebenso verursacht hat, wie auch die mysteriösen Wutausbrüche.
Der entscheidende Schritt in der emotionalen Entwicklung eines Amateurs ist der Punkt, an dem sich sein Stolz
ausdifferenziert und das Bewusstsein davon in den Vordergrund tritt, dass man - große Überraschung - sowohl Stärken als auch Schwächen hat und zwingenderweise beides voneinander trennen muss.
Vorher sind wir gewissermaßen assoziativ stolz, mit anderen Worten, wir bewerten immer nur das "Große Ganze" - und ob wir wollen oder nicht, lesen wir auch alle Kritik immer in erster Linie als Kritik am "Großen Ganzen". So reagieren wir auf Kritik an den Schwachpunkten immer so, als wäre es Kritik am Gesamtwerk.
In diesem Zustand ist man also nicht in der Lage, mit echter Kritik umzugehen, egal wie offen man dafür zu sein
glaubt. Egal wie sehr man seine andersdenkenden Mitmenschen respektiert, dieser Respekt verschwindet, wenn man sich konstant in allem was man geschaffen hat angegriffen sieht.
Wenn jemand wie MCM die Schwächen eurer Arbeit kritisiert hat, dann
müsst ihr verstehen, dass es ihm nicht darum gegangen sein kann, das "Große Ganze" abzuwerten. Ihn hat ein solches "Großes Ganzes" einfach nicht interessiert. Das habt ihr in eurem assoziativen Stolz nie verstanden.
"Schau her, MCM, wir haben wunderschöne Skins und Animationen, was willst du eigentlich von uns? Rechne doch das, worauf du rumhackst, endlich gegen das auf, was wir richtig machen. Und sobald du das getan hast, hör auf, rumzuhacken. Wir haben das nicht verdient, okay?"Vor Gericht argumentieren wir normalerweise auch nicht: "Es ist wahr, dass ich meinen Nachbarn gewaltsam ausgeraubt habe, aber ich bin immer gut zu Tieren und zahle immer meine Steuern"
Damit sollte über die Brauchbarkeit dieses Arguments alles gesagt sein.
Ich war von dieser Kultur des Großen Ganzen ebenso eingenommen, wie alle anderen. Ich las MCM's Posts auch immer nur als bösartige Verrisse, die sie nicht waren. Aber anscheinend denke ich unabhängiger, als die meisten hier - deshalb habe ich diese Brille schon nach ein paar Monaten angeekelt von mir gerissen.
Jahre später versuchte ich mich an einer systematischen Kritik an 4.0. Ich kam nach langen und unverständlichen Analysen zu dem Schluss, dass sich das Gameplay nicht verbessert, sondern verschlechtert hat und ich 4.0 darum nicht gutheißen kann. Im nächsten Moment antwortete mir ein Tester, den ich für einen sehr rationalen und differenzierten Gesprächspartner halte:
"Halt... so nicht, Whale, das nimmst du mir bitte augenblicklich zurück. Überleg doch mal, was sich alles verbessert hat: KI, Maps, etc..." Mit anderen Worten: Ist doch egal, was du mir bewiesen hast, denn nur das Große Ganze zählt und wenn ich es retten kann, ist deine Kritik entwaffnet.
Das ist das Forenklima, das ihr euch gezüchtet habt.
Herzlichen Glückwunsch!
In diesem Klima hat sich nur das süßeste und zahnloseste Feedback gehalten, zu dem eure Comunity imstande ist.
Jeder von uns hat was Brauchbares und Interessantes zu sagen, aber nur diejenigen tun das auch bis heute, bei denen dieses Brauchbare und Interessante sich inhaltlich mit euren Stärken auseinandersetzt. Warum? Weil das nicht euren irrationalen Verteidigungsmodus auslöst. Die anderen, die mehr mit einem Blick für eure Schwächen gesegnet sind, sind komplett vergrault, weil sie euch niemals mit ihrer Meinung erreichen konnten.
Und aus dieser breiten Gruppe, von der sich die meisten still und friedlich zurückgezogen und euch wahrscheinlich schon vergessen haben, kommen diese unvermittelten, scheinbar grundlosen Wutausbrüche.
So viele Worte, um euch zu vermitteln, wo ihr anpacken müsst:
Nicht in eurer Einstellung gegenüber Leuten mit anderer Meinung (wie das in der Vergangenheit immer wieder angenommen wurde), das war zu kurz gegriffen und hat die ganze Diskussion nur unnötig persönlich gemacht.
Sondern in eurem Umgang mit dem eigenen Werk und damit, dass ihr nicht erwarten könnt, dass jemand euch mit Feedback erreichen wird, bevor ihr nicht mal selber aufrichtig die Messlatten differenziert, statt eure Mod
in allem für die Creme de la Creme zu halten. Und ja - diesen selbstkritischen Schritt kann auch ein arbeitsteiliges Team vollziehen.
Mehr kann ich nicht machen. Mein Wissen ist begrenzt und ich bin mir dem bewusster, als ihr ahnt. Darum bleibt mir nichts mehr zu sagen, außer:
Vogel, friss oder stirb.